Language of document : ECLI:EU:T:2015:390

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

17. Juni 2015(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke GO – Ältere Gemeinschaftsbildmarke GO – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑60/14

B.M.V. Mineralöl Versorgungsgesellschaft mbH mit Sitz in Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. von Fuchs und I. Czernik,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Schifko als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des HABM:

Delek Europe BV mit Sitz in Breda (Niederlande),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 22. November 2013 (Sache R 382/2013‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der B.M.V. Mineralöl Versorgungsgesellschaft mbH und der Delek Europe BV

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter O. Czúcz und A. Popescu (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 27. Januar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 29. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Entscheidung vom 12. Juni 2014, mit der es abgelehnt worden ist, die Einreichung einer Erwiderung zu gestatten,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 25. Mai 2011 meldete die Delek Europe BV nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Dabei handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde u. a. für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35 und 36 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „Magnet- und maschinenlesbare Karten mit kodierten Informationen; Karten mit integrierten Einrichtungen zur Speicherung und Verarbeitung von Daten (sogenannte ‚Smart Cards‘); Geräte zum Lesen und Schreiben von kodierten Informationen auf Karten; Kodierte Karten zur Verwendung beim Tanken; Zahlkarten; Datenverarbeitungsgeräte; Gespeicherte Computerprogramme; Kodierte Karten, insbesondere Tankkarten“;

–        Klasse 35: „Geschäftsvermittlung bei Verkaufstätigkeiten mit Ausnahme der vorstehend genannten Dienstleistungen in Bezug auf Apparate, Geräte und Bekleidungsstücke für Aktivitäten im Freien, für den Sport und den Freizeitmarkt; Büroarbeiten; Datenverwaltung“;

–        Klasse 36: „Finanzdienstleistungen; Dienstleistungen in Bezug auf die Herausgabe von Kredit- und Debitkarten“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 239/2011 vom 19. Dezember 2011 veröffentlicht.

5        Am 15. März 2012 erhob die Klägerin, die B.M.V. Mineralöl Versorgungsgesellschaft mbH, nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen.

6        Der Widerspruch wurde auf folgende ältere Gemeinschaftsbildmarke gestützt:

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7        Die ältere Marke kennzeichnet folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 19, 35, 39 und 42:

–        Klasse 4: „Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Brennstoffe und Leuchtstoffe“;

–        Klasse 19: „Baumaterialien und transportable Bauten (jeweils nicht aus Metall); Rohre für Bauzwecke, Asphalt, Pech und Bitumen“;

–        Klasse 35: „Unternehmensverwaltung, insbesondere Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere, Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren“;

–        Klasse 39: „Abschleppen von Kraftfahrzeugen, Transport und Verteilung von Elektrizität, Gasheizwärme und Wasser, Transport von Gasen, Flüssigkeiten und Feststoffen mittels Rohrleitungen (Pipelines)“;

–        Klasse 42: „Bau- und Konstruktionsplanung und ‑beratung; technische Beratung und gutachterliche Tätigkeit auf dem Bau- und Mineralölsektor“.

8        Mit dem Widerspruch wurde das Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht.

9        Am 21. Dezember 2012 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise statt, und zwar für die Dienstleistungen der Klasse 35, für die sie die Anmeldung zurückwies. Sie war der Auffassung, dass Verwechslungsgefahr bestehe, da die von der angemeldeten Marke und von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen „Unternehmensverwaltung, insbesondere Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere, Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren“ der Klasse 35 identisch seien. Die einander gegenüberstehenden Zeichen seien visuell ähnlich und für das Englisch sprechende Publikum klanglich und begrifflich identisch. Den Widerspruch in Bezug auf die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 9 und Dienstleistungen der Klasse 36 wies sie hingegen zurück, da sie der Ansicht war, dass diese Waren und die von der älteren Marke geschützten einander nicht ähnlich seien.

10      Am 20. Februar 2013 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde ein.

11      Mit Entscheidung vom 22. November 2013 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

12      Sie betonte zunächst, die Voraussetzungen, dass die Marken ähnlich oder identisch und dass die Waren oder Dienstleistungen ähnlich oder identisch seien, seien kumulativ. Wenn die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen einander unähnlich seien, sei der Widerspruch bereits aus diesem Grund erfolglos, unabhängig von dem Grad der Ähnlichkeit oder Identität der einander gegenüberstehenden Zeichen oder der Wertschätzung der älteren Marke. Darüber hinaus stellte sie fest, dass das maßgebliche Gebiet das Gebiet der Europäischen Union sei und die maßgeblichen Verkehrskreise im Hinblick auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen aus Durchschnittsverbrauchern und Fachleuten bestünden.

13      Sodann bestätigte die Beschwerdekammer die von der Widerspruchsabteilung vorgenommene Beurteilung der Waren und Dienstleistungen, wonach die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 36 den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien. Sie nahm insbesondere an, dass sich „[k]odierte Karten zur Verwendung beim Tanken; Zahlkarten; Datenverarbeitungsgeräte; [k]odierte Karten, insbesondere Tankkarten“ der Klasse 9 und „Brennstoffe“ der Klasse 4 ihrer Art, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung nach offensichtlich unterschieden. Diese Waren hätten auch verschiedene Anbieter, nämlich die Anbieter kodierter Magnetkarten zum einen und die Mineralölgesellschaften zum anderen. Darüber hinaus ergänzten diese Waren einander nicht, da zwischen „kodierten Magnetkarten“ der Klasse 9 und „Brennstoffe[n]“ der Klasse 4 kein enger Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung bestehe, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht glaubten, dass die Verantwortung für die Herstellung kodierter Magnetkarten bei dem für die Herstellung von Brennstoffen verantwortlichen Unternehmen liege.

14      Die Beschwerdekammer war ferner der Ansicht, dass zwischen „Finanzdienstleistungen; Dienstleistungen in Bezug auf die Herausgabe von Kredit- und Debitkarten“ der Klasse 36 und „Brennstoffe[n]“ der Klasse 4 keine Ähnlichkeit bestehe. Sie wies das Vorbringen der Klägerin, diese Waren und Dienstleistungen seien ähnlich, da Mineralölgesellschaften, die an ihre Kunden Zahlkarten für den Kauf von Kraftstoff herausgäben, auch entsprechende Finanzdienstleistungen erbrächten, zurück. In diesem Zusammenhang führte sie aus, Mineralölgesellschaften böten Dritten im Allgemeinen keine Finanzdienstleistungen an. Soweit sie Zahlkarten für den Kauf von Kraftstoff an ihren eigenen Tankstellen ausgäben und entsprechende Finanztransaktionen tätigten, handele es sich nicht um eine Dritten gegenüber erbrachte Finanzdienstleistung im Sinne der Klasse 36. Die Dienstleistungen würden lediglich zusätzlich zum Verkauf ihrer eigenen Produkte angeboten, und Mineralölgesellschaften befassten sich nicht mit Finanztransaktionen für andere Kunden.

15      Da damit nach Auffassung der Beschwerdekammer die Voraussetzung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr im betreffenden Gebiet vorliegen müsse, nicht erfüllt war, hielt sie es nicht für erforderlich, den etwaigen Grad der Ähnlichkeit oder Identität der in Rede stehenden Zeichen zu prüfen.

 Anträge der Parteien

16      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der Delek Europe BV die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen;

–        hilfsweise, sofern die Delek Europe BV ihre Beteiligung an diesem Verfahren nicht bestätigt, dem HABM die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen.

17      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

18      Die Klägerin führt als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 an.

19      Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Ferner sind nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 unter älteren Marken die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke zu verstehen.

20      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, entsprechend der Wahrnehmung der Zeichen und der Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, Slg, EU:C:2007:514, Rn. 48, und vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg, EU:T:2002:261, Rn. 25).

21      Für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und eine Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg, EU:T:2009:14, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem sie zueinander stehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Waren oder Dienstleistungen ergänzen einander, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinn besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen. Waren und Dienstleistungen, die sich an unterschiedliche Verkehrskreise richten, können definitionsgemäß nicht in einem Ergänzungsverhältnis zueinander stehen (vgl. Urteil easyHotel, oben in Rn. 21 angeführt, EU:T:2009:14, Rn. 57 und 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im Licht dieser Erwägungen ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen.

25      Zunächst ist festzustellen, dass von den Parteien nicht bestritten wird, dass das für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevante Gebiet das Gebiet der Europäischen Union ist und die zu berücksichtigenden Verkehrskreise aus Durchschnittsverbrauchern sowie Fachleuten bestehen. Diese Feststellungen der Beschwerdekammer sind zu bestätigen, da sie fehlerfrei erscheinen.

26      Die Klägerin beanstandet jedoch den von der Beschwerdekammer vorgenommenen Vergleich zwischen den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Sie macht insbesondere geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht angenommen, es bestehe keine Ähnlichkeit zwischen „Tankkarten“ der Klasse 9 sowie Dienstleistungen der Klasse 36 einerseits und „Brennstoffe[n]“ der Klasse 4 andererseits.

27      Die Klägerin trägt sinngemäß vor, die Funktion einer Tankkarte beschränke sich nicht auf die Zahlung, sondern sie diene auch als Bonusprogramm. Die Karten würden daher von den Verbrauchern gedanklich unmittelbar mit der ausgebenden Mineralölgesellschaft verbunden. Die Waren stammten vom selben Unternehmen, den Mineralölgesellschaften. Sie seien darüber hinaus für dieselben Verbraucher (Autofahrer) bestimmt, hätten dieselben Vertriebswege (Tankstellen) und ergänzten einander.

28      Insoweit ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer allein aufgrund eines Vergleichs der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen angenommen hat, dass keine Verwechslungsgefahr für das relevante Publikum bestehe. Im Fall einer – auch nur schwachen – Ähnlichkeit dieser in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen hätte die Beschwerdekammer allerdings prüfen müssen, ob nicht ein etwaiger höherer Ähnlichkeitsgrad der Zeichen geeignet sei, beim relevanten Publikum eine Gefahr von Verwechslungen hinsichtlich der Herkunft der Waren und Dienstleistungen entstehen zu lassen.

29      Es ist daher zu untersuchen, ob die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung, dass die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einander nicht ähnlich seien, begründet ist.

30      Erstens ist die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung zu bestätigen, dass „Magnet- und maschinenlesbare Karten mit kodierten Informationen; Karten mit integrierten Einrichtungen zur Speicherung und Verarbeitung von Daten (sogenannte ‚Smart Cards‘); Geräte zum Lesen und Schreiben von kodierten Informationen auf Karten; Zahlkarten; Datenverarbeitungsgeräte; Gespeicherte Computerprogramme“ der Klasse 9 sowie alle Dienstleistungen der Klasse 36 den von der älteren Marke erfassten Waren, insbesondere den „Brennstoffe[n]“ der Klasse 4, nicht ähnlich seien. Diese Waren und Dienstleistungen unterscheiden sich nämlich ihrer Art, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung nach von den von der älteren Marke erfassten Waren. Darüber hinaus konkurrieren die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen weder miteinander noch ergänzen sie einander im Sinne der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung.

31      Zweitens ist jedoch offensichtlich, dass die Vertriebswege einiger der in Rede stehenden Waren entgegen der Feststellung der Beschwerdekammer identisch sind. Dies gilt für die von der angemeldeten Marke erfassten „[k]odierte[n] Karten zur Verwendung beim Tanken“ und „[k]odierte[n] Karten, insbesondere Tankkarten“, der Klasse 9 und die von der älteren Marke erfassten „Brennstoffe“ der Klasse 4. Wie die Klägerin zutreffend vorträgt, können diese Waren nämlich in denselben Verkaufsstellen, den Tankstellen, verkauft werden. Es handelt sich dabei um einen Faktor, der bei der Beurteilung der Ähnlichkeit dieser Waren berücksichtigt werden muss.

32      Drittens stellt das Gericht fest, dass die Klägerin zutreffend im Wesentlichen vorträgt, dass sich diese Waren an dieselben Kunden, nämlich die Autofahrer richteten, die sich zu einer Tankstelle begäben, um dort Benzin zu kaufen und sich eine Tankkarte zu besorgen.

33      Was viertens das etwaige Ergänzungsverhältnis anbelangt, ist hervorzuheben, dass bei der Beurteilung der Frage, wie die zwischen diesen Waren bestehenden Zusammenhänge im Sinne der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung wahrgenommen werden, der betreffende Verbraucher zu berücksichtigen ist. Dass diese Waren in denselben Verkaufsstellen, den Tankstellen, verkauft werden, ist zwar grundsätzlich geeignet, die Wahrnehmung der zwischen ihnen bestehenden engen Zusammenhänge durch den betreffenden Verbraucher zu erleichtern und den Eindruck zu verstärken, dass die Verantwortung für ihre Herstellung bei demselben Unternehmen liegt, doch kann im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Waren deshalb im Sinne der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung einander ergänzten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass „[k]odierte Karten zur Verwendung beim Tanken“ und „[k]odierte Karten, insbesondere Tankkarten“ der Klasse 9 für die Verwendung von „Brennstoffe[n]“ der Klasse 4 unentbehrlich oder wichtig sind, oder umgekehrt, dass Brennstoffe für die Verwendung dieser Karten unentbehrlich oder wichtig sind. Zum einen kann der Brennstoff immer direkt, z. B. in bar, erworben werden, und zum anderen können die betreffenden Karten meistens auch zum Erwerb anderer Waren wie an den Tankstellen verkaufter Lebensmittel dienen.

34      Zudem ist es offenkundig, dass „[k]odierte Karten zur Verwendung beim Tanken“ und „[k]odierte Karten, insbesondere Tankkarten“ der Klasse 9 und „Brennstoffe“ der Klasse 4 weder von denselben Unternehmen hergestellt noch unter derselben Marke vertrieben werden. Die maßgeblichen Verkehrskreise gehen daher nicht davon aus, dass ein Hersteller solcher Karten auch im Bereich der Gewinnung oder Raffination von Brennstoffen tätig ist. Mit anderen Worten nehmen die maßgeblichen Verkehrskreise nicht an, dass diese Waren dieselbe betriebliche Herkunft haben und die Verantwortung für ihre Herstellung bei demselben Unternehmen liegt (vgl. entsprechend Urteil vom 18. November 2014, Repsol/HABM – Adell Argiles [ELECTROLINERA], T‑308/13, EU:T:2014:965, Rn. 38).

35      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise keine Verwechslungsgefahr zwischen „[k]odierte[n] Karten zur Verwendung beim Tanken“ sowie „[k]odierte[n] Karten, insbesondere Tankkarten“ der Klasse 9 einerseits und „Brennstoffe[n]“ der Klasse 4 andererseits bestehe, da diese Waren einander nicht ähnlich seien.

36      Nach alledem ist der einzige Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurückzuweisen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

37      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die B.M.V. Mineralöl Versorgungsgesellschaft mbH trägt die Kosten.

Berardis

Czúcz

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Juni 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.