Language of document : ECLI:EU:C:2019:261

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

27. März 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 2008/95/EG – Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b – Ablehnung der Eintragung oder Ungültigkeit – Konkrete Beurteilung der Unterscheidungskraft – Qualifikation einer Marke – Auswirkung – Farbmarke oder Bildmarke – Grafische Darstellung einer Marke in Bildform – Eintragungsvoraussetzungen – Nicht ausreichend klare und eindeutige grafische Darstellung“

In der Rechtssache C‑578/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 28. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2017, in dem Verfahren der

Oy Hartwall Ab,

Beteiligte:

Patentti- ja rekisterihallitus,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Vorsitzenden der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Oy Hartwall Ab, vertreten durch J. Palm, oikeudenkäyntiavustaja,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, I. Koskinen und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. November 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der Oy Hartwall Ab betriebenen Verfahrens wegen der Ablehnung der Eintragung einer von Hartwall angemeldeten Marke durch die Patentti- ja rekisterihallitus (Patent- und Registerverwaltung, Finnland).

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 2008/95

3        Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/95 lautet:

„Den Mitgliedstaaten sollte es weiterhin freistehen, Verfahrensbestimmungen für die Eintragung, den Verfall oder die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. Es steht ihnen beispielsweise zu, die Form der Verfahren für die Eintragung und die Ungültigerklärung festzulegen, zu bestimmen, ob ältere Rechte im Eintragungsverfahren oder im Verfahren zur Ungültigerklärung oder in beiden Verfahren geltend gemacht werden müssen, und – wenn ältere Rechte im Eintragungsverfahren geltend gemacht werden dürfen – ein Widerspruchsverfahren oder eine Prüfung von Amts wegen oder beides vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin festlegen können, welche Rechtswirkung dem Verfall oder der Ungültigerklärung einer Marke zukommt.“

4        Art. 2 („Markenformen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Marken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“

5        Art. 3 („Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“) Abs. 1 und 3 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

b)      Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

(3)      Eine Marke wird nicht gemäß Absatz 1 Buchstabe b, c oder d von der Eintragung ausgeschlossen oder für ungültig erklärt, wenn sie vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus vorsehen, dass die vorliegende Bestimmung auch dann gilt, wenn die Unterscheidungskraft erst nach der Anmeldung oder Eintragung erworben wurde.“

 Finnisches Recht

6        § 1 Abs. 2 des Tavaramerkkilaki (7/1964) (Markengesetz [7/1964]) bestimmt in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung, dass „alle Zeichen, die sich grafisch darstellen lassen und die geeignet sind, im geschäftlichen Verkehr die Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, Marken sein [können]. Eine Marke kann insbesondere ein Wort einschließlich eines Personennamens, eine Abbildung, ein Buchstabe, eine Zahl und die Form oder Aufmachung der Ware sein“.

7        Gemäß § 13 dieses Gesetzes muss die einzutragende Marke „zur Unterscheidung der Waren des Inhabers der Marke von den Waren anderer dienen. … Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft des Zeichens sind alle Umstände zu berücksichtigen, und zwar insbesondere, wie lange und wie umfassend die Marke benutzt wird“.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8        Mit Anmeldung vom 20. September 2012 beantragte Hartwall bei der Patent- und Registerverwaltung die Eintragung des unten abgebildeten Zeichens als Farbmarke mit folgender Beschreibung: „Die Farben des Zeichens sind blau (PMS 2748, PMS CYAN) und grau (PMS 877)“ (im Folgenden: gegenständliche Marke).

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9        Die Eintragung wurde für „Mineralwässer“ als Waren der Klasse 32 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung beantragt.

10      Hartwall stellte auf eine Zwischenverfügung der Patent- und Registerverwaltung hin klar, dass sie die Eintragung der gegenständlichen Marke als „Farbmarke“ und nicht als Bildmarke beantrage.

11      Mit Bescheid vom 5. Juni 2013 lehnte die Patent- und Registerverwaltung den Antrag wegen mangelnder Unterscheidungskraft ab.

12      Begründend führte die Patent- und Registerverwaltung aus, die Eintragung eines ausschließlichen Rechts für bestimmte Farben könne nicht zugelassen werden, ohne dass nachgewiesen werde, dass die Farben, für die markenrechtlicher Schutz beantragt werde, durch die dauerhafte und umfassende Benutzung unterscheidungskräftig geworden seien.

13      Dem Bescheid der Patent- und Registerverwaltung zufolge zeigte die von Hartwall vorgelegte Marktstudie nicht, dass die gegenständliche Marke in Bezug auf ihre Farben als solche bekannt sei, sondern vielmehr in Bezug auf das Bildzeichen mit den festgelegten und bestimmten Konturen. Somit sei entgegen der nach der Entscheidungspraxis dieser Behörde geforderten Voraussetzung nicht nachgewiesen worden, dass die Farbzusammenstellung, deren Schutz beantragt wurde, so lange und so umfassend als Kennzeichen für die von Hartwall angebotenen Waren benutzt worden sei, dass sie infolge dieser Benutzung zum Zeitpunkt der Anmeldung in Finnland unterscheidungskräftig gewesen wäre.

14      Hartwall erhob gegen diesen Bescheid der Patent- und Registerverwaltung Klage beim Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen, Finnland), die abgewiesen wurde.

15      Das Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen) stützte diese Entscheidung auf die Ansicht, dass die grafische Darstellung, deren markenrechtlicher Schutz beantragt wurde, keine systematische Anordnung enthalte, in der die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden wären, weshalb dieses Zeichen nicht die Anforderungen hinsichtlich der grafischen Darstellung eines Zeichens nach dem Markengesetz (7/1964) erfülle.

16      Hartwall legte gegen die Entscheidung des Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen) ein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht, dem Korkein hallinto-oikeus (Verwaltungsgerichtshof, Finnland), ein.

17      Das vorlegende Gericht führt aus, nach seinem Wissensstand habe der Gerichtshof die Frage noch nicht entschieden, ob ein als farbige Abbildung dargestelltes Zeichen als „Farbmarke“ eingetragen werden kann. Ferner habe der Gerichtshof auch noch nicht zur Bedeutung der Qualifikation einer Marke als Farbmarke für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft Stellung genommen.

18      Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts kommt der Beantwortung dieser Frage in dem bei ihm anhängigen Verfahren insofern Bedeutung zu, als die Patent- und Registerverwaltung der Auffassung ist, dass die Unterscheidungskraft des Zeichens bei Farbmarken durch dessen dauerhafte und umfassende Benutzung nachzuweisen sei.

19      Folglich stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage nach den Rechtsfolgen der Qualifikation eines Zeichens durch denjenigen, der für dieses Zeichen markenrechtlichen Schutz beantragt.

20      Unter diesen Umständen hat der Korkein hallinto-oikeus (Verwaltungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist bei der Auslegung der Voraussetzung der Unterscheidungskraft einer Marke nach Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 von Bedeutung, ob für die Marke die Eintragung als Bildmarke oder als Farbmarke beantragt wird?

2.      Falls die Einordnung der Marke als Farbmarke oder Bildmarke bei der Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft von Bedeutung ist, ist die Marke ungeachtet ihrer Darstellung als Bild antragsgemäß als Farbmarke einzutragen oder kann sie nur als Bildmarke eingetragen werden?

3.      In dem Fall, dass die Eintragung der im Antrag als Bild dargestellten Marke als Farbmarke möglich ist, ist für die Eintragung einer Marke, die im Antrag mit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Eintragung einer Farbmarke erforderlichen Genauigkeit grafisch dargestellt worden ist (und es nicht um die Eintragung einer Farbe als Marke als solche, abstrakt, formlos oder unbegrenzt geht), als Farbmarke zusätzlich ein fundierter Nachweis für eine Benutzung, wie er von der Patent- und Registerverwaltung verlangt wird, oder überhaupt ein Nachweis hierfür erforderlich?

 Zu den Vorlagefragen

21      Vorauszuschicken ist, dass die Richtlinie 2008/95 keine Kategorien von Marken festlegt und weder Art. 2 noch Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 dieser Richtlinie zwischen Markenkategorien unterscheidet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2014, Oberbank u. a., C‑217/13 und C‑218/13, EU:C:2014:2012, Rn. 46).

22      Nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/95 steht es den Mitgliedstaaten zu, die Form der Verfahren für die Eintragung und die Ungültigerklärung der Marken festzulegen, und steht es ihnen in diesem Bereich weiterhin frei, entsprechende Verfahrensbestimmungen zu erlassen.

23      Diese Freiheit darf jedoch nicht dazu führen, die harmonisierte Definition des Markenbegriffs und die für die Unterscheidungskraft einer Marke maßgebenden Kriterien nach Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 zu unterlaufen, da sonst die Wirksamkeit dieser Richtlinie sowie die Funktionsfähigkeit des Markenanmeldesystems beeinträchtigt würden.

 Zur ersten Frage

24      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen sind, dass die Qualifikation eines Zeichens im Zuge seiner Anmeldung durch den Anmelder als „Farbmarke“ oder „Bildmarke“ ein maßgebenden Faktor dafür ist, ob dieses Zeichen eine Marke sein kann und ob diese gegebenenfalls Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie aufweist.

25      Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass der Umstand, dass die Eintragung eines Zeichens als „Farbmarke“ oder „Bildmarke“ beantragt wird, für die Bestimmung des Gegenstands und der Reichweite des markenrechtlichen Schutzes nach Art. 2 der Richtlinie 2008/95 relevant ist. Die Qualifikation des Zeichens als „Farbmarke“ oder „Bildmarke“ trägt nämlich insofern zur Konkretisierung von Gegenstand und Reichweite des beantragten markenrechtlichen Schutzes bei, als sie es ermöglicht zu bestimmen, ob die Konturen Teil des Gegenstands der Anmeldung sind.

26      Hinsichtlich der Bedeutung der Qualifikation eines Zeichens als „Farbmarke“ oder „Bildmarke“ für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist festzuhalten, dass die zuständige Behörde bei der Bearbeitung einer Markenanmeldung eine konkrete Prüfung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, zu denen gegebenenfalls auch die Benutzung dieses Zeichens gehört, vornehmen muss, um zu bestimmen, ob das Zeichen, für das markenrechtlicher Schutz beantragt wird, Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 aufweist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 76, vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, EU:C:2004:86, Rn. 31 bis 35, sowie vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 41).

27      Die Prüfung der Unterscheidungskraft einer Marke darf somit keine abstrakte sein (Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, EU:C:2004:86, Rn. 31).

28      Des Weiteren hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Farbmarken die gleichen wie die für andere Kategorien von Marken geltenden sind. Die Schwierigkeiten, die bei der Ermittlung der Unterscheidungskraft bestimmter Kategorien von Marken aufgrund ihrer Natur auftreten könnten und deren Berücksichtigung legitim ist, rechtfertigen nicht die Aufstellung strengerer Beurteilungskriterien, mit denen die Anwendung des Kriteriums der Unterscheidungskraft, wie es vom Gerichtshof betreffend andere Markenkategorien ausgelegt worden ist, ersetzt oder von ihm abgewichen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2014, Oberbank u. a., C‑217/13 und C‑218/13, EU:C:2014:2012, Rn. 46 und 47).

29      Obzwar die Beurteilungskriterien für die Unterscheidungskraft von Farbmarken und von Bildmarken dieselben sind, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass ein Zeichen, das aus einer Farbe als solcher besteht, vom maßgeblichen Publikum nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke. Ist das Publikum auch gewohnt, Wort- oder Bildmarken unmittelbar als Zeichen aufzufassen, die auf eine bestimmte Herkunft der Ware hinweisen, besitzt eine Farbe als solche gewöhnlich doch nicht die Eigenschaft, die Waren eines bestimmten Unternehmens von anderen zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 65).

30      In diesem Sinne hat der Gerichtshof entschieden, dass nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar ist, dass einer Farbe als solcher unabhängig von ihrer Benutzung Unterscheidungskraft zukommt, und dass, selbst wenn einer Farbe als solcher nicht von vornherein Unterscheidungskraft zukommt, sie diese in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, infolge ihrer Benutzung erwerben kann (Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 66 und 67).

31      Ferner ist bei der Beurteilung, ob eine Farbe als solche oder eine Farbkombination Unterscheidungskraft als Marke aufweist, das Allgemeininteresse zu berücksichtigen, das daran besteht, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird (Urteile vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 60, sowie vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 41).

32      Die in den vorstehenden Randnummern dargestellte Rechtsprechung des Gerichtshofs entbindet die zuständigen Markenbehörden nicht von der Durchführung einer konkreten Prüfung der Unterscheidungskraft unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte des Einzelfalls. So würde es einer solchen Prüfung zuwiderlaufen, wenn diese Behörden einer Farbe als solcher oder einer Farbkombination nur aufgrund der Benutzung des Farbzeichens im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen Unterscheidungskraft zuerkennen könnten.

33      Des Weiteren muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in dem Fall, dass sich das als Marke angemeldete Zeichen aus einer abstrakt und konturlos beanspruchten Farbkombination zusammensetzt, die grafische Darstellung dieser Farben systematisch so angeordnet sein, dass sie in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 33).

34      Somit ist im Rahmen der konkreten Gesamtbeurteilung der Unterscheidungskraft zu prüfen, ob – und inwieweit – die systematisch angeordnete Farbkombination die Eignung aufweist, dem fraglichen Zeichen inhärente Unterscheidungskraft zu verleihen.

35      Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen sind, dass die Qualifikation eines Zeichens im Zuge seiner Anmeldung durch den Anmelder als „Farbmarke“ oder „Bildmarke“ einer von mehreren maßgebenden Faktoren dafür ist, ob dieses Zeichen eine Marke im Sinne von Art. 2 dieser Richtlinie sein kann und ob diese Marke gegebenenfalls Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie aufweist, die zuständige Markenbehörde jedoch nicht von ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer konkreten Gesamtprüfung der Unterscheidungskraft der betreffenden Marke entbindet, was bedeutet, dass diese Behörde die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht allein aus dem Grunde ablehnen darf, dass es keine Unterscheidungskraft aufgrund seiner Benutzung im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen erlangt habe.

 Zur zweiten Frage

36      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass er der Eintragung einer Marke wie jener im Ausgangsverfahren, die in der Markenanmeldung als Bild dargestellt ist, als Farbmarke entgegensteht.

37      Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht darauf hingewiesen, dass das Zeichen, für das Schutz beantragt werde, in der von Hartwall eingereichten Anmeldung als farbiges Bild mit abgegrenzten Konturen dargestellt werde, während bei der von Hartwall für die angemeldete Marke angegebenen Qualifikation von einer konturlosen Farbkombination die Rede sei.

38      Diesbezüglich ist zu betonen, dass ein Zeichen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann als Marke eingetragen werden kann, wenn der Anmelder es in Form einer grafischen Darstellung gemäß dem Erfordernis des Art. 2 der Richtlinie 2008/95 so einreicht, dass Gegenstand und Reichweite des begehrten Schutzes klar und eindeutig bestimmt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Die verbale Beschreibung des Zeichens trägt zur Klarstellung von Gegenstand und Reichweite des beantragten markenrechtlichen Schutzes bei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. November 2003, Shield Mark, C‑283/01, EU:C:2003:641, Rn. 59, sowie als Beispiel Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 34).

40      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 60 bis 63 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgehalten hat, muss die zuständige Behörde die Eintragung einer Marke aufgrund mangelnder Klarheit und Eindeutigkeit der Markenanmeldung ablehnen, wenn in dieser Anmeldung ein Widerspruch zwischen dem Zeichen, dessen Schutz in Form eines Bildes beantragt wird, und der Qualifikation der Marke durch den Anmelder besteht, der die genaue Bestimmung von Gegenstand und Reichweite des begehrten markenrechtlichen Schutzes unmöglich macht.

41      Im vorliegenden Fall ist das Zeichen, für das Schutz beantragt wird, in Form einer Bildzeichnung dargestellt, während sich die verbale Beschreibung lediglich auf einen Schutz zweier Farben, nämlich blau und grau, bezieht. Im Übrigen hat Hartwall angegeben, die Eintragung der betreffenden Marke als Farbmarke zu beantragen.

42      Diese Umstände weisen auf einen Widerspruch hin, der einen Mangel an Klarheit und Eindeutigkeit des Antrags auf markenrechtlichen Schutz aufzeigt.

43      Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens der Eintragung eines Zeichens als Marke entgegensteht, wenn in der Anmeldung ein Widerspruch besteht – was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.

 Zur dritten Frage

44      Angesichts der Antwort auf die zweite Frage ist die dritte Frage nicht mehr zu beantworten.

 Kosten

45      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sind dahin auszulegen, dass die Qualifikation eines Zeichens im Zuge seiner Anmeldung durch den Anmelder als „Farbmarke“ oder „Bildmarke“ einer von mehreren maßgebenden Faktoren dafür ist, ob dieses Zeichen eine Marke im Sinne von Art. 2 dieser Richtlinie sein kann und ob diese Marke gegebenenfalls Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie aufweist, die zuständige Markenbehörde jedoch nicht von ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer konkreten Gesamtprüfung der Unterscheidungskraft der betreffenden Marke entbindet, was bedeutet, dass diese Behörde die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht allein aus dem Grunde ablehnen darf, dass es keine Unterscheidungskraft aufgrund seiner Benutzung im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen erlangt habe.

2.      Art. 2 der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens der Eintragung eines Zeichens als Marke entgegensteht, wenn in der Anmeldung ein Widerspruch besteht – was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Finnisch.