Language of document : ECLI:EU:C:2009:141

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

10. März 2009(*)

„Niederlassungsfreiheit – Soziale Sicherheit – Staatlich finanziertes nationales Gesundheitssystem – Sachleistungssystem – Kostenerstattungssystem – Bewilligung der Errichtung eines privaten Ambulatoriums für Zahnheilkunde – Kriterium der Bedarfsprüfung zur Rechtfertigung der Errichtung einer Krankenanstalt – Ziel der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen ärztlichen oder klinischen Versorgung – Ziel der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit – Kohärenz – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑169/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 22. Februar 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 2007, in dem Verfahren

Hartlauer Handelsgesellschaft mbH

gegen

Wiener Landesregierung,

Oberösterreichische Landesregierung

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, A. Rosas, K. Lenaerts und T. von Danwitz sowie der Richter A. Tizzano und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann, J. Malenovský (Berichterstatter) und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader und des Richters J.‑J. Kasel,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Hartlauer Handelsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Graziani-Weiss,

–        der Oberösterreichischen Landesregierung, vertreten durch G. Hörmanseder als Bevollmächtigten,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer, F. Felix, G. Aigner und G. Endel als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, M. de Grave und Y. de Vries als Bevollmächtigte,

–        der norwegischen Regierung, vertreten durch K. B. Moen und J. A. Dalbakk als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun, E. Traversa und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 48 EG.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Hartlauer Handelsgesellschaft mbh (im Folgenden: Hartlauer) und zum einen der Wiener Landesregierung, zum anderen der Oberösterreichischen Landesregierung über Entscheidungen, mit denen diese Hartlauer jeweils die Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde versagten.

 Nationales Recht

3        Die Voraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb von Krankenanstalten sind auf Bundesebene im Krankenanstaltengesetz (BGBl. 1/1957) in der Fassung der im BGBl. I Nr. 5/2001 veröffentlichten Novelle (im Folgenden: KAG), in der Fassung der im BGBl. I Nr. 122/2006 veröffentlichten Novelle, später bezeichnet als Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (im Folgenden: KAKuG), festgelegt.

4        Nach § 2 Abs. 1 KAG und derselben Vorschrift des KAKuG sind „Krankenanstalten“ im Sinne dieser Gesetze u. a. „selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen“.

5        § 3 KAG bestimmt:

„(1)      Krankenanstalten bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung wie auch zu ihrem Betriebe einer Bewilligung der Landesregierung. …

(2)      Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt im Sinne des Abs. 1 darf nur erteilt werden, wenn insbesondere

a)      nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist;

…“

6        § 3 Abs. 1 und 2 KAKuG übernimmt § 3 Abs. 1 und 2 KAG entsprechend, sieht aber vor, dass der Bewilligungsantrag auch nach dem jeweiligen Landeskrankenanstaltenplan geprüft wird, und – bei der Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums − auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Zahnärzte.

7        Nach Art. 12 Abs. 1 Z. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung der Bundesgesetzgebung hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten.

8        Zu dem Zeitpunkt, der für den Rechtsstreit zwischen Hartlauer und der Wiener Landesregierung maßgeblich ist, galt das KAG. Dieses wurde durch das Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 (LGBl. Nr. 23/1987) in der Fassung der im LGBl. Nr. 48/2001 veröffentlichten Novelle (im Folgenden: Wr. KAG) ausgeführt.

9        § 4 Abs. 2 Wr. KAG bestimmt:

„Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt [wie z. B. eines selbständigen Ambulatoriums] darf … nur unter den nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft und nach den Erfordernissen für einen einwandfreien Krankenanstaltsbetrieb notwendigen Bedingungen und Auflagen und nur dann erteilt werden, wenn

a)      nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist;

…“

10      Zu dem Zeitpunkt, der für den Rechtsstreit zwischen Hartlauer und der Oberösterreichischen Landesregierung maßgeblich ist, galt das KAKuG. Dieses wurde durch das Oberösterreichische Krankenanstaltengesetz 1997 (LGBl. Nr. 132/1997) in der Fassung der im LGBl. Nr. 99/2005 veröffentlichten Novelle (im Folgenden: Oö. KAG) ausgeführt.

11      § 5 Oö. KAG lautet:

„(1)      Die Errichtungsbewilligung ist … zu erteilen, wenn

1.      ein Bedarf im Sinn des Abs. 2 gegeben ist,

(2)      Der Bedarf nach einer Krankenanstalt mit dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot ist unter Beachtung der Höchstzahl der systemisierten Betten nach dem Oö. Krankenanstaltenplan … im Hinblick auf das in angemessener Entfernung bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, zu beurteilen …“

12      § 3 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 (BGBl. I Nr. 169/1998) in der Fassung der im BGBl. I Nr. 110/2001 veröffentlichten Novelle sieht vor, dass die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufs ausschließlich Ärzten für Allgemeinmedizin und approbierten Ärzten sowie Fachärzten vorbehalten ist.

13      Nach § 52a dieses Gesetzes kann eine Zusammenarbeit von Ärzten als selbständig berufsbefugte Gruppenpraxis erfolgen. Die Berufsbefugnis einer Gruppenpraxis ergibt sich aus der Berufsbefugnis der an der Gruppenpraxis als persönlich haftende Gesellschafter beteiligten Ärzte und Dentisten. Die Zusammenarbeit hat in der Rechtsform einer offenen Erwerbsgesellschaft zu erfolgen. Einer Gruppenpraxis dürfen nur zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Ärzte und Dentisten als persönlich haftende Gesellschafter angehören.

14      § 26 Abs. 1 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Zahnärztegesetzes (BGBl. I Nr. 126/2005) in der Fassung der im BGBl. I Nr. 80/2006 veröffentlichten Novelle sieht vor:

„Die Zusammenarbeit von freiberuflich tätigen Angehörigen des zahnärztlichen Berufs im Sinne des § 24 Abs. 1 kann auch als selbständig berufsbefugte Gruppenpraxis erfolgen, die in der Rechtsform einer offenen Erwerbsgesellschaft im Sinne des § 1 Erwerbsgesellschaftengesetz (EGG) … zu errichten ist. Einer Gruppenpraxis dürfen nur zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Angehörige des zahnärztlichen Berufs sowie Ärzte/Ärztinnen als persönlich haftende Gesellschafter/Gesellschafterinnen angehören. Andere Personen dürfen der Gruppenpraxis nicht als Gesellschafter/Gesellschafterinnen angehören und daher am Umsatz oder Gewinn nicht beteiligt sein.“

15      Die Errichtung einer Gruppenpraxis unterliegt keiner Bedarfsprüfung im Sinne der oben erwähnten Rechtsvorschriften.

16      Zur Übernahme der ärztlichen Versorgung durch ein System der sozialen Sicherheit ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die geltende Regelung hauptsächlich auf ein Sachleistungssystem zurückgreift. Nach diesem System haben die Sozialversicherungsträger eine Regelung zu organisieren, die es den Versicherten ermöglicht, medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen, ohne dass sie Honorare an den Leistungserbringer zahlen müssen. Es bedeutet, dass die betreffenden Leistungen entweder von Einrichtungen der Sozialversicherungsträger selbst oder von Einrichtungen oder niedergelassenen Ärzten erbracht werden, mit denen die Sozialversicherungsträger einen Vertrag geschlossen haben und die diese Leistungen auf eigene Rechnung erbringen (im Folgenden: Kassenvertragsärzte).

17      In Ergänzung des Sachleistungssystems besteht ein Kostenerstattungssystem. Danach sind die Sozialversicherungsträger verpflichtet, den Versicherten Erstattung der medizinischen Kosten zu leisten, falls diese anstelle eines Vertragsarztes einen Arzt in Anspruch nehmen, der kein Vertragsarzt ist, und mit diesem eine Honorarvereinbarung treffen. Der Versicherte hat dann Anspruch auf Kostenerstattung durch den Sozialversicherungsträger in Höhe von in der Regel 80 % des Betrags, der berechnet worden wäre, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt erfolgt wäre.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18      Mit Bescheid vom 29. August 2001 wies die Wiener Landesregierung den Antrag von Hartlauer, die ihren Sitz in Deutschland hat, auf Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde im 21. Wiener Gemeindebezirk ab. Die Regierung berief sich dabei auf § 4 Wr. KAG und auf das Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen. In diesem Gutachten heißt es, dass die zahnmedizinische Versorgung in Wien durch die öffentlichen Krankenanstalten, die privaten gemeinnützigen Krankenanstalten und sonstige Kassenvertragsärzte, die ein vergleichbares Leistungsangebot aufwiesen, hinreichend sichergestellt sei. Diese Einschätzung wurde anhand des Verhältnisses der Einwohnerzahl zu der Zahl der Zahnärzte durchgeführt, wobei auf 2 207 Einwohner ein Zahnarzt entfiel. Ausgehend von den Feststellungen des Sachverständigen folgerte die Wiener Landesregierung, dass durch die Krankenanstalt, deren Errichtung beantragt worden war, die ärztliche Versorgung im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde für die Patienten mit Wohnsitz in Wien nicht wesentlich beschleunigt, intensiviert oder erleichtert werde, weshalb ein diese Errichtung rechtfertigender Bedarf zu verneinen sei.

19      Aus ähnlichen Gründen wies die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 20. September 2006 den Antrag von Hartlauer auf Erteilung der Errichtungsbewilligung für ein Zahnambulatorium in Wels ab. Die Prüfung wurde auf der Grundlage des Kriteriums der Wartezeit bis zur Erlangung eines Termins bei den in § 5 Abs. 2 Oö. KAG aufgeführten Leistungsanbietern – darunter die Ambulanzen der betreffenden Krankenanstalten – durchgeführt.

20      Hartlauer legte gegen beide Bescheide Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein, der die beiden Verfahren verbunden hat.

21      Dieses Gericht möchte wissen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bedarfsregelungen für die Errichtung von Krankenanstalten mit Art. 43 EG vereinbar sind und inwiefern es sich auf diese Vereinbarkeit auswirkt, dass bei der Beurteilung des Bedarfs nach § 5 Abs. 2 Oö. KAG nunmehr auch das Versorgungsangebot von Ambulanzen bestimmter Krankenanstalten zu berücksichtigen ist, wodurch der Zugang eines neuen Bewerbers zu dem betreffenden Markt noch zusätzlich erschwert werde.

22      Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Steht Art. 43 EG (in Verbindung mit Art. 48 EG) der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, nach der für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde (Zahnambulatorium) eine Errichtungsbewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung zu versagen ist, wenn nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen sowie niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag kein Bedarf an dem geplanten Zahnambulatorium besteht?

2.      Ändert sich etwas an der Beantwortung von Frage 1, wenn in die Prüfung des Bedarfs zusätzlich auch das bestehende Versorgungsangebot der Ambulanzen von öffentlichen, privaten gemeinnützigen und sonstigen Krankenanstalten mit Kassenvertrag einzubeziehen ist?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit

23      In der mündlichen Verhandlung hat die österreichische Regierung die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens angezweifelt und geltend gemacht, dass Hartlauer sich in missbräuchlicher Weise auf die Gemeinschaftsvorschriften stütze. In der vorliegenden Rechtssache sei der grenzüberschreitende Bezug künstlich hergestellt worden, da Hartlauer die Tochtergesellschaft einer österreichischen Gesellschaft sei, die sich in Österreich wieder niederlassen wolle und die diese Tochtergesellschaft allein zu dem Zweck gegründet habe, ihre Situation dem Gemeinschaftsrecht zu unterstellen.

24      Insoweit ist daran zu erinnern, dass es ausschließlich Sache der mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte ist, die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu übernehmen haben, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit sie ihr Urteil erlassen können, als auch, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erheblich sind. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 38, und vom 29. April 2004, Kapper, C‑476/01, Slg. 2004, I‑5205, Randnr. 24).

25      Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (Urteil vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      In der vorliegenden Rechtssache deutet nichts offensichtlich darauf hin, dass die Auslegung, um die ersucht wird, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünde oder dass das Problem hypothetischer Natur wäre.

27      Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher als zulässig anzusehen.

 Zur ersten Frage

28      Diese Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG nationalen Vorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung zu versagen ist, wenn unter Berücksichtigung des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung dieses Ambulatoriums rechtfertigender Bedarf besteht.

 Vorbemerkungen

29      Erstens ist daran zu erinnern, dass aus der Rechtsprechung und aus Art. 152 Abs. 5 EG hervorgeht, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und insbesondere für den Erlass von Vorschriften zur Organisation und Erbringung von Dienstleistungen im Gesundheitswesen und der medizinischen Versorgung unberührt lässt. Jedoch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Verkehrsfreiheiten einschließlich der Niederlassungsfreiheit beachten. Diese Bestimmungen untersagen es den Mitgliedstaaten, ungerechtfertigte Beschränkungen der Ausübung dieser Freiheiten im Bereich der Gesundheitsversorgung einzuführen oder beizubehalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Februar 1984, Duphar u. a., 238/82, Slg. 1984, 523, Randnr. 16, vom 16. Mai 2006, Watts, C‑372/04, Slg. 2006, I‑4325, Randnrn. 92 und 146, und vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C‑141/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 22 und 23).

30      Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob das genannte Gebot beachtet worden ist, zu berücksichtigen, dass der Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein entsprechender Wertungsspielraum zuzuerkennen (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Zweitens ist festzustellen, dass die Ausgangsrechtsstreitigkeiten das Erfordernis betreffen, dass eine auf das Kriterium des Bedarfs der Bevölkerung gestützte Genehmigung für die Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde unabhängig davon verlangt wird, ob diese Einrichtung in der Folge eine Vereinbarung mit einem Sozialversicherungsträger schließen könnte, die es ihr ermöglichte, medizinische Leistungen im Rahmen des Sachleistungssystems zu erbringen. Insoweit bekräftigt Hartlauer, dass sie Versorgungsleistungen im Rahmen des Kostenerstattungssystems erbringen wolle und dass sie nicht versuche, die Stellung einer Vertragseinrichtung zu erlangen.

32      Es ist daher zu prüfen, ob dieses Erfordernis eine Beschränkung im Sinne von Art. 43 EG darstellt und ob eine solche Beschränkung gegebenenfalls gerechtfertigt werden kann.

 Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

33      Nach ständiger Rechtsprechung steht Art. 43 EG jeder nationalen Regelung entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Gemeinschaftsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. u. a. Urteile vom 14. Oktober 2004, Kommission/Niederlande, C‑299/02, Slg. 2004, I‑9761, Randnr. 15, und vom 21. April 2005, Kommission/Griechenland, C‑140/03, Slg. 2005, I‑3177, Randnr. 27).

34      Eine nationale Regelung, die die Errichtung eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats von der Erteilung einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, stellt eine Beschränkung im Sinne von Art. 43 EG dar, weil sie geeignet ist, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch dieses Unternehmen zu beeinträchtigen, indem sie es daran hindert, seine Tätigkeiten mit Hilfe einer Betriebsstätte frei auszuüben.

35      Zum einen läuft dieses Unternehmen nämlich Gefahr, die zusätzlichen Verwaltungskosten und finanziellen Belastungen, die jede Erteilung einer solchen Genehmigung mit sich bringt, tragen zu müssen. Zum anderen behält die nationale Regelung die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bestimmten Wirtschaftsteilnehmern vor, die vorher festgelegte Anforderungen erfüllen, von deren Einhaltung die Erteilung dieser Genehmigung abhängig ist (vgl. zum freien Dienstleistungsverkehr Urteile vom 25. Juli 1991, Säger, C‑76/90, Slg. 1991, I‑4221, Randnr. 14, und vom 21. September 2006, Kommission/Österreich, C‑168/04, Slg. 2006, I‑9041, Randnr. 40).

36      Wie der Gerichtshof darüber hinaus bereits entschieden hat, stellt eine nationale Regelung, wenn sie die Ausübung einer Tätigkeit von einer Bedingung abhängig macht, die an den wirtschaftlichen und sozialen Bedarf an dieser Tätigkeit anknüpft, eine Beschränkung dar, weil sie darauf abzielt, die Zahl der Dienstleister zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2001, Gloszczuk, C‑63/99, Slg. 2001, I‑6369, Randnr. 59, und vom 15. Juni 2006, Kommission/Frankreich, C‑255/04, Slg. 2006, I‑5251, Randnr. 29).

37      In den Ausgangsrechtsstreitigkeiten macht die nationale Regelung die Errichtung einer Krankenanstalt wie eines selbständigen Zahnambulatoriums von der Erteilung einer vorherigen behördlichen Genehmigung abhängig. Sie sieht außerdem vor, dass diese Genehmigung nur erteilt werden kann, wenn „ein Bedarf gegeben ist“, der die Errichtung einer neuen Einrichtung im Hinblick auf das bereits − insbesondere durch Vertragsärzte − bestehende Versorgungsangebot rechtfertigt.

38      Diese Regelung hält Unternehmen anderer Mitgliedstaaten davon ab, ihre Tätigkeiten im Hoheitsgebiet der Republik Österreich mit Hilfe einer als Betriebsstätte konzipierten Krankenanstalt auszuüben, oder hindert sie sogar daran. Im vorliegenden Fall hat ihre Anwendung zur Folge, Hartlauer den Zugang zum Markt für zahnmedizinische Versorgung in Österreich ganz unmöglich zu machen.

39      Folglich stellt diese Regelung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 43 EG dar, selbst wenn, wie vorgetragen worden ist, keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit der betroffenen Fachkräfte vorliegt.

40      Daher ist zu prüfen, ob sich die streitigen Vorschriften objektiv rechtfertigen lassen.

 Zur Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

41      Die Oberösterreichische Landesregierung sowie die österreichische und die norwegische Regierung machen geltend, dass das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung für die Errichtung eines selbständigen Zahnambulatoriums durch Gründe des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sei. Dieses System garantiere eine qualitativ hochwertige, ausgewogene und allen zugängliche medizinische Versorgung und sichere das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit, da es den Sozialversicherungsträgern ermögliche, die Kosten durch deren Anpassung an die Bedarfsplanung zu beherrschen.

42      Das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung sei nämlich unerlässlich, um die Grundlagen des vom österreichischen Gesetzgeber errichteten Gesundheitssystems zu schützen; dieser habe sich dafür entschieden, dem Sachleistungssystem und der Übernahme der medizinischen Versorgung der Bevölkerung durch aus öffentlichen Mitteln finanzierte Einrichtungen den Vorrang einzuräumen. Die Versorgungsleistungen müssten somit hauptsächlich von den Vertragsärzten erbracht werden. Die unkontrollierte Ausweitung des Angebots durch die Errichtung neuer selbständiger Zahnambulatorien habe schädliche Folgen für die wirtschaftliche Situation dieser Ärzte und folglich auch für den Zugang der Patienten zu den von diesen Ärzten im gesamten Staatsgebiet erbrachten medizinischen Leistungen, da solche Ambulatorien sie in einem gewissen Umfang vom Markt verdrängten.

43      Die österreichische Regierung macht außerdem geltend, dass diese Beschränkungen deshalb geboten seien, weil im Gesundheitswesen die regulären Marktgesetze nur sehr eingeschränkt Anwendung fänden und es dort regelmäßig zu einem Marktversagen komme. Insbesondere sei dieser Bereich nicht vom Gesetz von Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Nachfrage werde durch das Angebot induziert, so dass eine Erhöhung des Angebots nicht zu einem Sinken der Preise und auch nicht zur Verteilung desselben Leistungsvolumens auf mehrere Anbieter, sondern zu einem Anstieg des Leistungsvolumens bei konstanten Preisen führe. Bei einer unkontrollierten Vervielfachung der Anbieter kämen auf die Sozialversicherungsträger unkontrollierbare Belastungen zu. Sie hätten jedoch keine Möglichkeit, durch Vertragspolitik steuernd einzugreifen, da sie, selbst wenn sie den neuen Leistungsanbietern keine Verträge anböten, im Rahmen des Systems der Kostenerstattung in etwa die gleichen Beträge wie die im Rahmen des Sachleistungssystems gezahlten aufwenden müssten. Dies bedeutete eine unmittelbare Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Systems der sozialen Sicherheit.

44      Insoweit ist daran zu erinnern, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann, sofern sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich ist (Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Im vorliegenden Fall steht fest, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende System einer vorherigen Genehmigung ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist.

46      Außerdem gehört der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die nach Art. 46 Abs. 1 EG Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können.

47      Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass insbesondere zwei Ziele unter diese Ausnahme fallen können, wenn sie zur Erreichung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes beitragen, nämlich zum einen das Ziel der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen ärztlichen oder klinischen Versorgung und zum anderen das Ziel der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit (vgl. in diesem Sinne Urteil Watts, Randnrn. 103 und 104 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Hinsichtlich des ersten dieser Ziele erlaubt es Art. 46 EG den Mitgliedstaaten insbesondere, die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der ärztlichen und klinischen Versorgung einzuschränken, soweit die Erhaltung eines bestimmten Umfangs der medizinischen und pflegerischen Versorgung oder eines bestimmten Niveaus der Heilkunde im Inland für die Gesundheit oder gar das Überleben der Bevölkerung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Mai 2003, Müller-Fauré und van Riet, C‑385/99, Slg. 2003, I‑4509, Randnr. 67, sowie Watts, Randnr. 105).

49      Hinsichtlich des zweiten dieser Ziele ist daran zu erinnern, dass die Planung medizinischer Leistungen, deren logische Folge u. a. das Erfordernis einer Genehmigung für die Errichtung einer Krankenanstalt ist, die Beherrschung der Kosten sicherstellen und so weit wie möglich jede Verschwendung finanzieller, technischer und menschlicher Ressourcen verhindern soll, da der Sektor der medizinischen Versorgung erhebliche Kosten verursacht und wachsenden Bedürfnissen nachkommen muss, während die finanziellen Mittel, die für die Gesundheitsversorgung bereitgestellt werden können, unabhängig von der Art und Weise der Finanzierung nicht unbegrenzt sind (vgl. zur Krankenhausversorgung im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs Urteile Müller-Fauré und van Riet, Randnr. 80, sowie Watts, Randnr. 109).

50      Folglich ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beschränkungen geeignet sind, die Erreichung der Ziele zu garantieren, eine qualitativ hochwertige, ausgewogene und allgemein zugängliche medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten und eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit zu vermeiden.

51      Insoweit kann, wie der Gerichtshof bereits in Bezug auf Krankenhäuser festgestellt hat (Urteile vom 12. Juli 2001, Smits und Peerbooms, C‑157/99, Slg. 2001, I‑5473, Randnrn. 76 bis 80, und Watts, Randnrn. 108 bis 110), nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Infrastrukturen ambulanter Versorgung, wie der Arztpraxen und der Ambulatorien, auch Gegenstand einer Planung sein können.

52      Eine Planung, die eine vorherige Genehmigung für die Niederlassung neuer Anbieter medizinischer Leistungen verlangt, kann sich als unerlässlich erweisen, um eventuelle Lücken im Zugang zu ambulanter Versorgung zu schließen und um die Einrichtung von Strukturen einer Doppelversorgung zu vermeiden, so dass eine medizinische Versorgung gewährleistet ist, die den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, das gesamte Staatsgebiet abdeckt und geografisch isolierte oder auf andere Weise benachteiligte Regionen berücksichtigt.

53      Unter diesem Blickwinkel steht es einem Mitgliedstaat frei, die medizinische Versorgung so zu organisieren, dass er einem Sachleistungssystem den Vorrang gibt, damit jeder Patient im gesamten Inland leicht Zugang zu den Dienstleistungen von Vertragsärzten hat.

54      Im vorliegenden Fall verwehren es jedoch zwei Reihen von Erwägungen, eine Eignung der fraglichen Regelung zur Erreichung der genannten Ziele anzuerkennen.

55      Erstens ist daran zu erinnern, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnrn. 53 und 58, und vom 17. Juli 2008, Corporación Dermoestética, C‑500/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 39 und 40).

56      Nach § 3 Abs. 1 und 2 KAG und den entsprechenden Bestimmungen des KAKuG, die durch § 4 Wr. KAG und § 5 Oö. KAG ausgeführt werden, wird für die Errichtung und den Betrieb neuer selbständiger Zahnambulatorien unabhängig von deren Größe eine auf eine Prüfung des Marktbedarfs abstellende vorherige Genehmigung verlangt, wohingegen die Einrichtung neuer Gruppenpraxen unabhängig von deren Größe keiner Genehmigungsregelung unterliegt.

57      Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass die räumliche und apparatemäßige Ausstattung der Gruppenpraxen und der Zahnambulatorien ähnliche Merkmale aufweisen können und dass der Patient in vielen Fällen keinen Unterschied zwischen diesen Einrichtungen erkennen wird.

58      Außerdem bieten die Gruppenpraxen im Allgemeinen die gleichen medizinischen Leistungen wie die Zahnambulatorien an und unterliegen denselben Marktbedingungen.

59      In Gruppenpraxen und in Zahnambulatorien können auch etwa gleich viele Ärzte beschäftigt sein. Die Ärzte, die medizinische Leistungen in einer Gruppenpraxis erbringen, haben zwar die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters und sind befugt, die Zahnheilkunde selbständig auszuüben, während die Ärzte, die ihre Tätigkeit in einem Ambulatorium ausüben, die Stellung eines Arbeitnehmers haben. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich jedoch nicht, dass dies eine sichere Auswirkung auf die Natur und den Umfang der erbrachten Leistungen hat.

60      Da diese beiden Kategorien von Leistungsanbietern vergleichbare Merkmale und eine vergleichbare Zahl von Ärzten haben und medizinische Leistungen in gleichwertigem Umfang erbringen können, können sie demnach auf dem betreffenden Markt für medizinische Leistungen eine ähnliche Bedeutung haben, und sie können daher die wirtschaftliche Situation der Vertragsärzte in bestimmten geografischen Gebieten und mithin die Erreichung der von den zuständigen Behörden verfolgten Planungsziele in gleicher Weise berühren.

61      Diese Inkohärenz beeinträchtigt auch die Erreichung des Ziels, eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit zu vermeiden. Selbst wenn man unterstellt, dass die unkontrollierte Ansiedelung selbständiger Zahnambulatorien zu einem erheblichen Anstieg des Umfangs medizinischer Leistungen bei konstanten Preisen zulasten dieses Systems führen kann, hat die österreichische Regierung nichts dargetan, was erklären könnte, warum die Ansiedelung dieser Ambulatorien, nicht aber die der Gruppenpraxen eine solche Wirkung haben soll.

62      Im Übrigen kann sich die zahnmedizinische Versorgung in selbständigen Ambulatorien als rationeller erweisen, wenn man ihre Organisationsweise, die Vielzahl der Ärzte und die Bündelung medizinischer Apparate und Ausstattung berücksichtigt, die es ihnen erlaubt, die Betriebskosten zu senken. Sie können daher insbesondere im Vergleich zu Vertragsärzten, die nicht über solche Möglichkeiten verfügen, medizinische Leistungen zu weniger kostenintensiven Bedingungen erbringen. Die Erbringung von Versorgungsleistungen durch diese Einrichtungen kann daher auch zu einer effizienteren Verwendung der dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem zugewiesenen öffentlichen Mittel führen.

63      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die geltend gemachten Ziele nicht kohärent und systematisch verfolgt, da sie die Errichtung von Gruppenpraxen − im Gegensatz zu dem, was für neue Zahnambulatorien gilt − nicht einem System der vorherigen Genehmigung unterwirft.

64      Zweitens kann nach ständiger Rechtsprechung ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die geeignet ist, den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere wenn sie eine Grundfreiheit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreffen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Damit ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt ist, muss es daher auf objektiven, nicht diskriminierenden im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen gesetzt werden (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 20. Februar 2001, Analir u. a., C‑205/99, Slg. 2001, I‑1271, Randnrn. 37 und 38, und Müller-Fauré und van Riet, Randnrn. 84 und 85).

65      In den Ausgangsrechtsstreitigkeiten machen die betreffenden Regelungen die Erteilung der Bewilligung für die Schaffung eines neuen Zahnambulatoriums nur von einer einzigen Bedingung abhängig, nämlich dem Bestehen eines Bedarfs an den von dieser neuen Einrichtung angebotenen Leistungen. Diese Bedingung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 KAG sowie aus den entsprechenden Bestimmungen des KAKuG und ist in § 4 Wr. KAG und § 5 Oö. KAG in das Recht der betroffenen Länder übernommen worden.

66      Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass diese Bedingung in der Praxis je nach dem betreffenden Land anhand unterschiedlicher Kriterien geprüft wird.

67      Im Land Wien erfolgt die Prüfung, ob ein Bedarf gegeben ist, anhand der Zahl der Patienten pro Zahnarzt im Versorgungsgebiet. Im Land Oberösterreich wird sie auf die Länge der Wartezeit für einen Termin bei einem Zahnarzt gestützt.

68      Hinsichtlich des Landes Wien ist jedoch festzustellen, dass die fragliche Patientenzahl weder festgesetzt ist noch den Betroffenen vorher in irgendeiner Weise bekannt gegeben wird.

69      Im Land Oberösterreich erfolgt die maßgebliche Prüfung anhand der Antworten der Zahnärzte, die im Einzugsgebiet des selbständigen Zahnambulatoriums, dessen Errichtung geplant ist, praktizieren, obwohl Letztere unmittelbare potenzielle Konkurrenten dieser Einrichtung sind. Eine solche Methode ist geeignet, die Objektivität und Unparteilichkeit der Behandlung des betreffenden Bewilligungsantrags zu beeinträchtigen.

70      Daher ist festzustellen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende System einer vorherigen behördlichen Genehmigung nicht auf einer Bedingung beruht, die geeignet ist, der Ausübung des Ermessens durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen zu setzen.

71      Nach alledem ist die im Ausgangsverfahren ist Rede stehende Regelung nicht geeignet, die Erreichung der Ziele zu gewährleisten, eine qualitativ hochwertige, ausgewogene und allgemein zugängliche medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten und eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit zu vermeiden.

72      Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass nationalen Vorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Anstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG entgegensteht, sofern sie nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterwerfen und sofern sie nicht auf einer Bedingung beruhen, die geeignet ist, der Ausübung des Ermessens durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen zu setzen.

 Zur zweiten Frage

73      Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

74      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Anstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, steht Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG entgegen, sofern sie nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterwerfen und sofern sie nicht auf einer Bedingung beruhen, die geeignet ist, der Ausübung des Ermessens durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen zu setzen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.