URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
19. Februar 1998 (1)
„Artikel 33 der Sechsten Richtlinie Umsatzsteuern Kammerumlage“
In der Rechtssache C-318/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom österreichischen
Verwaltungsgerichtshof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
SPAR Österreichische Warenhandels AG
gegen
Finanzlandesdirektion für Salzburg
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 17
und 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann, der Richter
D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der österreichischen Regierung, vertreten durch Wolf Okresek,
Ministerialrat im Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigten,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder,
Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten,
der italienischen Regierung, vertreten durch Umberto Leanza, Leiter des
Servizio del contenzioso diplomatico des Außenministeriums, als
Bevollmächtigten, Beistand: Avvocato dello Stato Gianni de Bellis,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch
Rechtsberater Jürgen Grunwald und Enrico Traversa, Juristischer Dienst,
als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Finanzlandesdirektion für
Salzburg, vertreten durch Helmut Huber, Abteilungsleiter in der
Finanzlandesdirektion für Salzburg, und Peter Quantschnigg, Abteilungsleiter im
Bundesministerium für Finanzen, der österreichischen Regierung, vertreten durch
Wolf Okresek, Beistand: Professor Hans-Georg Ruppe, der italienischen Regierung,
vertreten durch Gianni de Bellis, und der Kommission, vertreten durch Jürgen
Grunwald, in der Sitzung vom 9. Oktober 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20.
November 1997,
folgendes
Urteil
- 1.
- Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat mit Entscheidung vom 18.
September 1996, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 30. September
1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel
17 und 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; nachstehend: Sechste Richtlinie) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der SPAR Österreichische
Warenhandels AG (im folgenden: SPAR) und der Finanzlandesdirektion für
Salzburg über die Heranziehung dieser Gesellschaft zu der „Kammerumlage“ nach
§ 57 Absätze 1 bis 6 des österreichischen Handelskammergesetzes (BGBl.
Nr. 182/1946; im folgenden: HKG), die allgemein als „Kammerumlage 1“ (im
folgenden: KU 1) bezeichnet wird.
- 3.
- Die KU 1 ist eine der Umlagen zur Finanzierung der Kammern der gewerblichen
Wirtschaft und deren Bundeskammer.
- 4.
- Sie wird von den Kammermitgliedern, d. h. allen physischen und juristischen
Personen sowie offenen Handelsgesellschaften und eingetragenen
Erwerbsgesellschaften erhoben, die selbständig Unternehmungen des Gewerbes,
der Industrie, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des
Verkehrs und des Fremdenverkehrs betreiben und deren Umsatz 2 Millionen ÖS
übersteigt.
- 5.
- Nach § 57 Absatz 1 HKG wird die KU 1 nach Maßgabe der Inanspruchnahme der
Kammern durch die Mitgliedsunternehmen sowie des Verhältnisses zwischen dem
Umlagebetrag und der Differenz zwischen den Einkaufs- und Verkaufspreisen des
Unternehmens festgesetzt.
- 6.
- Ihre Bemessungsgrundlage sind grundsätzlich die Beträge, die „aufgrund der an das
Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten
Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen
aufgrund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden“, sowie
die Beträge, die „aufgrund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen
des Kammermitglieds oder aufgrund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das
Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer
geschuldet werden“. Für Kreditinstitute und Versicherer gilt jedoch eine besondere
Bemessungsgrundlage.
- 7.
- Die Höhe der Umlage, die höchstens 4,3 0/00 betragen darf, wird von der
Bundeskammer festgesetzt. Für den streiterheblichen Zeitraum war die KU 1 auf
3,9 0/00 festgesetzt.
- 8.
- Die KU 1 wird von den Abgabenbehörden nach Maßgabe der für die Umsatzsteuer
geltenden Bestimmungen erhoben.
- 9.
- SPAR erhob Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Entscheidung,
mit der ihre Berufung gegen die an sie ergangenen Umlagebescheide abgewiesen
worden war. Sie macht insbesondere geltend, die KU 1 verstoße gegen Artikel 33
der Sechsten Richtlinie, der bestimmt:
„Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen
dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf
Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern,
Grunderwerbssteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren,
die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder
einzuführen.“
- 10.
- Der Verwaltungsgerichtshof zieht zunächst die Vereinbarkeit der KU 1 mit Artikel
17 der Sechsten Richtlinie in Zweifel, dessen Absatz 2 im wesentlichen bestimmt,
daß der Steuerpflichtige befugt ist, von der von ihm geschuldeten Steuer die
geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen
abzuziehen, die für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Das
vorlegende Gericht führt hierzu aus, die KU 1 werde auf der Grundlage der für die
Lieferungen und Leistungen an den Unternehmer geschuldeten oder entrichteten
Mehrwertsteuer bemessen; sie könne von diesem Unternehmer nicht von der
Vorsteuer abgezogen werden und sei daher als eine Vorsteuererhöhung anzusehen,
die der Unternehmer nicht von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer abziehen
könne. Diese Unmöglichkeit des Vorsteuerabzugs gelte auf jeder Produktions- und
Vertriebsstufe, da die KU 1 von allen Unternehmern erhoben werde, die an diesen
Stufen beteiligt seien.
- 11.
- Der Verwaltungsgerichtshof zweifelt ferner an der Vereinbarkeit der KU 1 mit
Artikel 33 der Sechsten Richtlinie. Die KU 1 sei der Mehrwertsteuer nicht ähnlich,
da sie nicht nach Maßgabe des Mehrwerts der Tätigkeit des Unternehmers
bemessen werde. Jedoch beeinträchtige die KU 1 möglicherweise das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem, indem sie die diesem System immanenten
Abzugsmöglichkeiten beschränke und damit die Mehrwertsteuer allgemein erhöhe.
- 12.
- Aufgrund dieser Zweifel hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, dem
Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Verbietet Artikel 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) einem Mitgliedstaat
die Erhebung einer Abgabe, die in einem festen Satz aus folgender
Bemessungsgrundlage bemessen wird:
a) der Umsatzsteuer, die aufgrund der an den Abgabepflichtigen für
dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten
Lieferungen oder sonstigen Leistungen, ausgenommen aufgrund von
Geschäftsveräußerungen, geschuldet wird, und
b) der Umsatzsteuer, die vom Abgabepflichtigen aufgrund der Einfuhr
von Gegenständen für sein Unternehmen oder aufgrund des
innergemeinschaftlichen Erwerbs für sein Unternehmen geschuldet
wird?
2. Verbietet Artikel 33 der Richtlinie 77/388/EWG die Erhebung einer in
Frage 1 beschriebenen Abgabe?
Zu den Vorabentscheidungsfragen
- 13.
- Die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen
dahin, ob die Sechste Richtlinie, insbesondere ihre Artikel 17 Absatz 2 und 33, es
verbietet, von den Mitgliedern der Kammern der gewerblichen Wirtschaft, deren
Umsatz einen bestimmten Betrag übersteigt, eine Abgabe wie die KU 1 zu
erheben, die grundsätzlich auf der Grundlage der im Preis der den
Kammermitgliedern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen enthaltenen
Mehrwertsteuer festgesetzt wird und nicht von der von ihnen für ihre Umsätze
geschuldeten Mehrwertsteuer abgezogen werden kann.
- 14.
- Nach Auffassung der Finanzlandesdirektion für Salzburg sowie der österreichischen,
der deutschen und der italienischen Regierung steht die Sechste Richtlinie einer
solchen Umlage nicht entgegen. Eine derartige Umlage sei keine nach Artikel 33
der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer, da sie mit der Mehrwertsteuer
nicht vergleichbar sei und das Vorsteuerabzugssystem des Artikels 17 der Sechsten
Richtlinie nicht beeinträchtige.
- 15.
- Nach Auffassung der Kommission dagegen steht die Sechste Richtlinie einer
solchen Umlage entgegen, denn diese sei als nach Artikel 33 der Sechsten
Richtlinie verbotene Umsatzsteuer anzusehen und beeinträchtige das
Vorsteuerabzugssystem des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie.
- 16.
- Insoweit ist auf die mit der Einführung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems
verbundenen Ziele zu verweisen.
- 17.
- Nach den Begründungserwägungen der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates
vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301; im folgenden: Erste Richtlinie)
soll die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern einen
gemeinsamen Markt schaffen, auf dem ein unverfälschter Wettbewerb herrscht und
der ähnliche Merkmale aufweist wie ein Binnenmarkt; hierzu sollen die
Unterschiede in der Besteuerung ausgeschaltet werden, die geeignet sind, den
Wettbewerb zu verfälschen und den Handelsverkehr zu behindern.
- 18.
- Mit der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems
(ABl. 1967, Nr. 71, S. 1303; im folgenden: Zweite Richtlinie) und der Sechsten
Richtlinie ist ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem eingeführt worden. Dieses
System sollte das genannte Ziel durch die Einführung einer allgemeinen
Verbrauchsteuer auf allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundlagen verwirklichen,
mit der die Lieferungen von Gegenständen, die Dienstleistungen und die Einfuhren
von Gegenständen mit einer dem Preis proportionalen, ungeachtet der Zahl der bis
zum Endverbraucher getätigten Umsätze anfallenden Steuer belegt werden, die auf
jeder Stufe nur den Mehrwert besteuert und letztlich vom Verbraucher getragen
wird.
- 19.
- Zur Schaffung gleicher Besteuerungsbedingungen für ein und denselben Umsatz
ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat er getätigt wird, mußte das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wie sich aus den Begründungserwägungen der
Zweiten Richtlinie ergibt, die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden
Umsatzsteuern ersetzen.
- 20.
- Aus den gleichen Gründen gestattet Artikel 33 der Sechsten Richtlinie die
Beibehaltung oder Einführung von Steuern, Abgaben oder Gebühren auf
Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren durch einen
Mitgliedstaat nur, wenn sie nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben (vgl.
Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343,
Randnr. 10).
- 21.
- Dagegen enthält das Gemeinschaftsrecht beim gegenwärtigen Stand keine
besondere Vorschrift, die die Befugnis der Mitgliedstaaten, andere Steuern,
Abgaben oder Gebühren als die Umsatzsteuern einzuführen, ausschließt oder
beschränkt (Urteil vom 13. Juli 1989 in den verbundenen Rechtssachen 93/88 und
94/88, Wisselink u. a., Slg. 1989, 2671, Randnr. 13). Aus Artikel 33 der Sechsten
Richtlinie ergibt sich sogar, daß das Gemeinschaftsrecht mit der Mehrwertsteuer
konkurrierende Abgabenregelungen zuläßt (vgl. Urteil vom 8. Juli 1986 in der
Rechtssache 73/85, Kerrutt, Slg. 1986, 2219, Randnr. 22, Urteil Wisselink u. a.,
Randnr. 14, und Urteil vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-109/90, Giant, Slg.
1991, I-1385, Randnr. 9).
- 22.
- Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinn
von Artikel 33 der Sechsten Richtlinie hat, hängt vor allem davon ab, ob sie dasFunktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie
den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet,
wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist (vgl. Urteil vom 27. November
1985 in der Rechtssache 295/84, Rousseau Wilmot, Slg. 1985, 3759, Urteil Bergandi,
Randnr. 14, Urteil Giant, Randnr. 11, sowie Urteile vom 17. September 1997 in der
Rechtssache C-347/95, UCAL, Slg. 1997, I-4911, Randnr. 33, in der Rechtssache
C-28/96, Fricarnes, Slg. 1997, I-4939, Randnr. 37, und in der Rechtssache C-130/96,
Solisnor-Estaleiros Navais, Slg. 1997, I-5053, Randnr. 13). Der Gerichtshof hat
hierzu ausgeführt, daß Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen
Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auf jeden Fall als Maßnahmen
anzusehen sind, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der
Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise belasten (Urteil vom 31. März 1992
in der Rechtssache C-200/90, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11, sowie die Urteile UCAL, Randnr. 33, Fricarnes, Randnr. 37, und
Solisnor-Estaleiros Navais, Randnr. 14).
- 23.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere die Urteile
Rousseau Wilmot, Randnr. 15, Bergandi, Randnr. 15, Wisselink u. a., Randnr. 18,
und Giant, Randnr. 12) beruht das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gemäß
Artikel 2 der Ersten Richtlinie auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und
Dienstleistungen bis zur Einzelhandelsstufe einschließlich, ungeachtet der Zahl der
Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und
Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und
Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Jedoch wird
bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags
geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat; der
Mechanismus des Vorsteuerabzugs ist durch Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten
Richtlinie so ausgestaltet, daß die Steuerpflichtigen befugt sind, von der von ihnen
geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die
Gegenstände bereits vorher belastet worden sind.
- 24.
- Eine Umlage wie die KU 1 belastet den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie
die kommerziellen Umsätze jedoch nicht so, wie dies für die Mehrwertsteuer
kennzeichnend ist.
- 25.
- Erstens wird die streitige nationale Umlage nicht nach Maßgabe der Lieferungen
von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren berechnet, die der
Abgabepflichtige durchführt, sondern vielmehr nach Maßgabe derjenigen, die seine
Lieferanten für seine Rechnung durchgeführt haben. Die KU 1 bestimmt sich
nämlich nach dem Betrag, den der Abgabepflichtige wegen der für die Zwecke
seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten erworbenen Gegenstände und Leistungen
schuldet.
- 26.
- Zweitens ist Bemessungsgrundlage einer Umlage wie der KU 1 folglich nicht der
als Gegenleistung für die vom Abgabepflichtigen bewirkten Umsätze empfangene
oder zu empfangende Betrag. Wie der Generalanwalt in den Nummern 43 f. seiner
Schlußanträge ausgeführt hat, ist die Umlage auch nicht proportional zum Preis der
vom Abgabepflichtigen angebotenen Gegenstände und Leistungen.
- 27.
- Schließlich wird eine Umlage wie die KU 1 nicht auf jeder Produktions- und
Vertriebsstufe erhoben. Insbesondere betrifft sie, wie der Generalanwalt in
Nummer 52 f. seiner Schlußanträge ausgeführt hat, nicht die letzte Stufe des
Verkaufs an den Verbraucher.
- 28.
- Da die KU 1 nicht die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweist, ist
zudem die von Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehene
Berechtigung des Abgabepflichtigen zum Vorsteuerabzug bei ihr nicht gegeben.
- 29.
- Auf die vorgelegten Fragen ist daher zu antworten, daß die Sechste Richtlinie,
insbesondere ihre Artikel 17 Absatz 2 und 33, es nicht verbietet, von den
Mitgliedern der Kammern der gewerblichen Wirtschaft, deren Umsatz einen
bestimmten Betrag übersteigt, eine Abgabe wie die KU 1 zu erheben, die
grundsätzlich auf der Grundlage der im Preis der den Kammermitgliedern
erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen enthaltenen Mehrwertsteuer
festgesetzt wird und nicht von der von ihnen für ihre Umsätze geschuldeten
Mehrwertsteuer abgezogen werden kann.
Kosten
- 30.
- Die Auslagen der österreichischen, der deutschen und der italienischen Regierung
sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof
Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 18. September 1996
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage, insbesondere ihre Artikel 17 Absatz 2 und 33, verbietet es
nicht, von den Mitgliedern der Kammern der gewerblichen Wirtschaft, deren
Umsatz einen bestimmten Betrag übersteigt, eine Abgabe wie die Kammerumlage
nach § 57 Absätze 1 bis 6 des österreichischen Handelskammergesetzes zu erheben,
die grundsätzlich auf der Grundlage der im Preis der den Kammermitgliedern
erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen enthaltenen Mehrwertsteuer
festgesetzt wird und nicht von der von ihnen für ihre Umsätze geschuldeten
Mehrwertsteuer abgezogen werden kann.
Gulmann Edward Puissochet
Jann Sevón
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Februar 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
C. Gulmann