Language of document : ECLI:EU:C:2018:919

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 15. November 2018(1)

Rechtssache C483/17

Neculai Tarola

gegen

Minister for Social Protection

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [Berufungsgericht, Irland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Freizügigkeit – Richtlinie 2004/38/EG – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Art. 7 Abs. 1 Buchst. a – Arbeitnehmer – Art. 7 Abs. 3 Buchst. c – Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate – Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der während eines Zeitraums von zwei Wochen in einem anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt hat – Unfreiwillige Arbeitslosigkeit – Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten“






I.      Einleitung

1.        Bleibt einem Unionsbürger, der seine Rechte auf Freizügigkeit und Aufenthalt gemäß der Richtlinie 2004/38/EG(2) ausgeübt und während eines Zeitraums von zwei Wochen in einem anderen als seinem Mitgliedstaat gearbeitet hat und der unfreiwillig seine abhängige Beschäftigung verliert, die Erwerbstätigeneigenschaft und damit das entsprechende Aufenthaltsrecht erhalten?

2.        Dies ist im Wesentlichen die Vorlagefrage, die der Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) dem Gerichtshof unterbreitet. Die Frage ist anlässlich einer Klage aufgeworfen worden, die ein rumänischer Staatsangehöriger gegen den Minister for Social Protection (Minister für sozialen Schutz, Irland) erhoben hat, nachdem dieser seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenunterstützung abgelehnt hatte.

3.        In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof somit erstmals aufgefordert, Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der genannten Richtlinie auszulegen.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Die Erwägungsgründe 3, 9 und 10 der Richtlinie 2004/38 lauten:

„(3)      Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.

(9)      Die Unionsbürger sollten das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten haben, ohne jegliche Bedingungen oder Formalitäten außer der Pflicht, im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses zu sein, unbeschadet einer günstigeren Behandlung für Arbeitssuchende gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

(10)      Allerdings sollten Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.“

5.        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie regelt

a)      die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;

…“

6.        Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) der besagten Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 3 vor:

„(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist …

(3)      Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

b)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

…“

B.      Irisches Recht

7.        Regulation 6(2)(a) und (c) der European Communities (Free Movement of Persons) (n° 2) Regulations 2006 (Verordnung Nr. 2 von 2006 über die Freizügigkeit in den Europäischen Gemeinschaften) (im Folgenden: Verordnung von 2006), mit der Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 in irisches Recht umgesetzt worden ist, sieht vor:

„a)      Vorbehaltlich von Regulation 20 kann sich ein Unionsbürger im Staatsgebiet mehr als drei Monate aufhalten:

i)      wenn er Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Staat ist;

c)      Vorbehaltlich von Regulation 20 kann eine Person, auf die Buchst. a Ziff. i zutrifft, bei Beendigung der in diesem Buchstaben genannten Tätigkeit im Staat bleiben, wenn

ii)      sie sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt des Department of Social and Family Affairs (Ministerium für Soziales und Familie, Irland) und der FÁS (Foras Áiseanna Saothair [Behörde für Ausbildung und Beschäftigung, Irland]) zur Verfügung stellt …

iii)      sie sich – vorbehaltlich Buchst. d – bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf ihres auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt des Department of Social and Family Affairs (Ministerium für Soziales und Familie) und der FÁS (Foras Áiseanna Saothair [Behörde für Ausbildung und Beschäftigung]) zur Verfügung stellt …“

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

8.        Herr Neculai Tarola ist ein rumänischer Staatsangehöriger, der erstmals im Mai 2007 nach Irland kam, wo er vom 5. bis 30. Juli 2007 und vom 15. August bis 14. September 2007 unselbständig beschäftigt war. Es ist nicht nachgewiesen, dass er sich zwischen 2007 und 2013 in Irland aufhielt. Fest steht hingegen, dass er vom 22. Juli bis 24. September 2013 bei der ASF Recruitment Ltd und vom 8. bis 22. Juli 2014 bei der Marren Brothers Ltd in Irland angestellt war. Für die letztgenannte Beschäftigung bezog er ein Gehalt von 1 309 Euro. Außerdem arbeitete er vom 17. November bis 5. Dezember 2014 als selbständiger Subunternehmer.

9.        Am 21. September 2013 stellte Herr Tarola beim Minister für sozialen Schutz einen Antrag auf Arbeitslosenunterstützung (jobseeker’s allowance). Dieser Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass er weder Beweise zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Irland noch zu den Mitteln zur Sicherung seines Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 15. September 2007 bis 22. Juli 2013 vorgelegt habe.

10.      Am 26. November 2013 stellte Herr Tarola einen Antrag auf ergänzende Sozialhilfeleistungen (supplementary welfare allowance). Auch dieser Antrag wurde zurückgewiesen, da er keine Unterlagen vorlegen konnte, um zu belegen, wie er seinen Lebensunterhalt bestritten und von September 2013 bis zum 14. April 2014 Miete gezahlt hatte.

11.      Deshalb legte Herr Tarola beim Minister für sozialen Schutz (Irland) einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung vom 26. November 2014 ein. Dieser Rechtsbehelf wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass der kurze Beschäftigungszeitraum, den Herr Tarola im Juli 2014 zurückgelegt hatte, nicht geeignet sei, die Feststellung in Frage zu stellen, dass er keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Irland gehabt habe. Unstreitig ist, dass sich Herr Tarola dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung gestellt hat.

12.      Am 10. März 2015 stellte Herr Tarola beim Minister für sozialen Schutz einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung vom 26. November 2014 und machte u. a. geltend, dass er als Erwerbstätiger gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 für sechs Monate nach seiner Beschäftigung im Juli 2014 über ein Aufenthaltsrecht in Irland verfüge. Dieser Antrag wurde am 31. März 2015 mit der Begründung abgelehnt, dass er seit seiner Ankunft in Irland nicht mindestens ein Jahr lang erwerbstätig gewesen sei und keine ausreichenden eigenen Mittel gehabt habe, um seinen Unterhalt zu sichern.

13.      Daraufhin erhob Herr Tarola vor dem High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) Klage gegen die Entscheidung vom 31. März 2015. Diese Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass er die Voraussetzungen von Regulation 6(2)(c)(iii) der Verordnung von 2006 nicht erfülle. Konkret entschied der High Court (Hoher Gerichtshof), dass Herr Tarola nicht als „Erwerbstätiger“ einzuordnen und damit nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Irland auszugehen sei, so dass er keine Sozialhilfeleistungen in diesem Sinne in Anspruch nehmen könne. Das Gericht ging nämlich davon aus, dass sich die genannte Bestimmung ausschließlich auf Personen beziehe, die im Rahmen eines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt worden seien. Es vertrat darüber hinaus die Ansicht, dass der von Herrn Tarola zwischen dem 8. und 22. Juli 2014 zurückgelegte Beschäftigungszeitraum nicht als befristeter Arbeitsvertrag in diesem Sinne angesehen werden könne und sich sein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nach Regulation 6(2)(c)(ii) der Verordnung von 2006 richte. Folglich habe Herr Tarola nicht nachweisen können, dass er vor Einreichung seines Antrags auf Sozialhilfeleistungen für ein Jahr durchgehend beschäftigt gewesen sei, so dass der Minister für sozialen Schutz diesen Antrag habe ablehnen dürfen.

14.      Der Court of Appeal (Berufungsgericht), bei dem Herr Tarola Berufung eingelegt hatte und der die Ansicht vertrat, dass mit der vorliegenden Rechtssache eine Frage nach der Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 – u. a. im Licht der Ziele dieser Richtlinie – aufgeworfen werde, entschied mit Beschluss vom 2. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 9. August 2017, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Bleibt einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, der, nachdem er die ersten zwölf Monate lang sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, im Aufnahmemitgliedstaat ankommt und dort für einen Zeitraum von zwei Wochen (anders als mit einem befristeten Vertrag) arbeitet, wofür er bezahlt wird, und der anschließend unfreiwillig arbeitslos wird, dadurch gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 die Erwerbstätigeneigenschaft für mindestens weitere sechs Monate erhalten, so dass er auf derselben Grundlage wie ein gebietsansässiger Staatsangehöriger des Aufnahmestaats einen Anspruch auf Sozialhilfezahlungen oder gegebenenfalls Sozialversicherungsleistungen hat?

15.      Herr Tarola, die irische, die tschechische und die französische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

16.      Herr Tarola, die irische, die dänische und die deutsche Regierung sowie die Kommission haben darüber hinaus in der Sitzung vom 6. September 2018 mündlich verhandelt.

IV.    Würdigung

17.      Das Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich im Wesentlichen auf die Frage, ob Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der während eines Zeitraums von zwei Wochen in einem anderen Mitgliedstaat – anders als als befristet beschäftigter Arbeitnehmer – gearbeitet hat und anschließend unfreiwillig arbeitslos wird, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne dieser Bestimmungen erhalten bleibt.

18.      Vorab ist klarzustellen, dass mit meiner Würdigung nicht die Erwerbstätigeneigenschaft von Herrn Tarola festgestellt, sondern die Frage geklärt werden soll, ob diesem seine Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 erhalten bleibt. Es ist nämlich allein Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens die Erwerbstätigeneigenschaft besitzt(3). Im Übrigen bezieht sich die dem Gerichtshof gestellte Frage – anders als das Vorbringen der irischen Regierung vermuten lassen könnte – nicht auf diesen Punkt(4). Nachdem das vorlegende Gericht die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Erinnerung gerufen hat, wonach der Begriff „Arbeitnehmer“(5) im Sinne von Art. 45 AEUV, soweit er den Anwendungsbereich einer im AEU-Vertrag vorgesehenen Grundfreiheit festlegt, weit auszulegen ist(6), hat es die Ansicht vertreten, dass jemand, der für einen Zeitraum von zwei Wochen beschäftigt und für diese Arbeit auch tatsächlich bezahlt werde, im unionsrechtlichen Sinn „Erwerbstätiger“ sei(7). Wie aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, ist dieses Gericht nach Prüfung der Sachlage zu dem Schluss gelangt, dass Herr Tarola angesichts der von ihm ausgeübten Tätigkeit(8) als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts anzusehen sei.

19.      Ich werde meine Würdigung somit allein auf die Frage des Court of Appeal (Berufungsgericht) beschränken, mit der dieser wissen möchte, ob Herrn Tarola unter Berücksichtigung des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziels(9) die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 erhalten bleibt.

20.      Zunächst ist festzustellen, dass die Situation von Herrn Tarola nach Auffassung der französischen und der tschechischen Regierung sowie der Kommission – auch nach Ansicht von Herrn Tarola selbst – in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 fällt. Diese Position wird von der dänischen und der deutschen Regierung in ihren mündlichen Erklärungen geteilt, während die irische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen einen entgegengesetzten Standpunkt eingenommen hat. Sie hat vorgetragen, Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 finde auf den Kläger des Ausgangsverfahrens keine Anwendung, da dieser nicht mit einem befristeten Vertrag beschäftigt worden sei.

21.      Klarzustellen ist, dass jeder der Streithelfer, die schriftliche und mündliche Erklärungen vorgelegt haben, einschließlich der irischen Regierung(10), eine andere Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 vorgeschlagen hat. Diese verschiedenen Positionen zeugen von der Notwendigkeit, zu präzisieren, auf welche Weise die genannte Vorschrift auszulegen ist.

A.      Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38

22.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden(11). Daher werde ich Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 grammatikalisch, teleologisch und systematisch auslegen.

1.      Grammatikalische Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38

23.      Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten. Gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c dieser Richtlinie bleibt dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, die Erwerbstätigeneigenschaft – und damit das Recht, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union länger als drei Monate aufzuhalten – erhalten, wenn er „sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung [stellt]“. Nach der genannten Vorschrift „bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft [in diesem Fall] während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten“.

24.      Aus einer ersten Auslegung der Vorschrift geht hervor, dass sich deren Wortlaut in grammatikalischer und syntaktischer Hinsicht nicht selbst genügt. Die vom Unionsgesetzgeber getroffene Entscheidung, die disjunktive Konjunktion „oder“ zu verwenden, bedeutet gleichwohl, dass sich der zweite Fall vom ersten unterscheidet. Demnach umfasst diese Vorschrift zwei unterschiedliche Fälle. Beim ersten scheint sich keine Auslegungsfrage zu stellen, da er sich auf die Situation eines Unionsbürgers bezieht, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im Rahmen eines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags nicht mehr ausübt und sich nach Ablauf dieses Vertrags in einer Situation ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit befindet.

25.      Hinsichtlich der Auslegung der Formulierung des zweiten Falls bestehen jedoch Zweifel. Konkret ist in dieser Formulierung nicht klar angegeben, ob sich der Ausdruck „im Laufe der ersten zwölf Monate“ auf die Dauer des Zeitraums der ursprünglichen Beschäftigung des Unionsbürgers im Aufnahmestaat oder auf die Art des Arbeitsvertrags bezieht, den der Unionsbürger in diesem Mitgliedstaat abgeschlossen hat (befristeter Vertrag, unbefristeter Vertrag oder anderer Vertragstyp).

26.      Auf der Grundlage einer rein wörtlichen Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 erscheint die Auslegung durch das vorlegende Gericht auf den ersten Blick angemessen. So geht dieses Gericht davon aus, dass die erste Alternative der Vorschrift („bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags“) die Beendigung von Arbeitsverträgen betrifft, die auf weniger als ein Jahr befristet sind, während sich die zweite („bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit …“) auf die Beendigung von Arbeitsverträgen mit einer Dauer von mehr als einem Jahr bezieht. Es ist nämlich vollkommen logisch, dass, wenn es in der ersten Alternative um einen befristeten Vertrag geht, der für eine Dauer von weniger als einem Jahr abgeschlossen worden ist, die Wendung „im Laufe der ersten zwölf Monate“ nur eine Tätigkeit betreffen kann, die für eine Dauer von mehr als einem Jahr ausgeübt wird.

27.      Es erscheint mir erstens jedoch wichtig, deutlich zu machen, dass die Wendung „im Laufe der ersten zwölf Monate“ des zweiten Falls weder auf eine konkrete Art von Arbeitsvertrag noch auf eine bestimmte Vertragslaufzeit Bezug nimmt. Diese Wendung bezieht sich schlicht und ergreifend auf die Möglichkeit, dass ein Bürger während der ersten zwölf Beschäftigungsmonate, d. h. dem Zeitraum zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des Zeitraums unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, unabhängig von der Art und der Dauer des Vertrags, mit dem er eingestellt worden ist (befristeter oder unbefristeter Vertrag, Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsvertrag oder eine andere Vertragsmodalität)(12), einerseits, und der Natur der ausgeübten Tätigkeit (angestellt oder selbständig)(13) andererseits arbeitslos werden kann.

28.      Demnach ergibt sich aus einer grammatikalischen Auslegung der deutschen Sprachfassung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 grundsätzlich, dass sich der zweite in dieser Vorschrift vorgesehene Fall ausschließlich auf die Dauer des Zeitraums zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des Zeitraums unfreiwilliger Arbeitslosigkeit bezieht, wobei sich die Art des abgeschlossenen Arbeitsvertrags oder die Natur der Tätigkeit, die der Unionsbürger während der ersten zwölf Beschäftigungsmonate ausgeübt hat, nicht auf diese Auslegung auswirkt. Ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen dieser Vorschrift führt zu keinem anderen Ergebnis(14).

29.      Was den Ausdruck „im Laufe der ersten zwölf Monate“ angeht, ist zu bemerken, dass keine der untersuchten Sprachfassungen ein Musterbeispiel für Klarheit ist. Dieser Ausdruck scheint u. a. in der französischen („pendant les douze premiers mois“), der englischen („during the first twelve months“), der italienischen („durante i primi dodici mesi“), der polnischen („przez pierwsze dwanaście miesięc“), der estnischen („esimese kaheteistkümne kuu“), der portugiesischen („durante os primeiros 12 meses“), der spanischen („durante los primeros doce meses“), der rumänischen („în timpul primelor douăsprezece luni“) und der litauischen („per pirmuosius dvylika mėnesių“) Sprachfassung im gleichen Wortlaut abgefasst zu sein.

30.      Mit der oben vorgeschlagenen Auslegung lässt sich die gestellte Frage für sich allein jedoch nicht beantworten. Folglich ist die zweite Alternative von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 anhand des Zusammenhangs, in den sich diese Vorschrift einfügt, sowie der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie auszulegen.

2.      Kontextbezogene Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38

31.      Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 ist unter Berücksichtigung der ihn umgebenden Bestimmungen dieser Richtlinie auszulegen.

32.      Insoweit ist hervorzuheben, dass Art. 7 der Richtlinie 2004/38 mehrere Fälle aufführt, in denen ein Unionsbürger das Recht hat, sich für mehr als drei Monate im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzuhalten. Konkret sieht Abs. 3 dieses Artikels – nicht abschließend(15) – vor, dass für die Zwecke von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, der Status eines Arbeitnehmers oder Selbständigen in bestimmten Fällen dennoch erhalten bleibt(16). Diese Fälle betreffen bestimmte vorübergehende Wechselfälle des Berufslebens(17), etwa eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen einer Krankheit oder eines Unfalls (Buchst. a der genannten Vorschrift), den unfreiwilligen Verlust seines Arbeitsplatzes (Buchst. b und c) und die Situation eines Arbeitnehmers in Berufsausbildung (Buchst. d).

33.      Mit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 hat der Unionsgesetzgeber den Umfang des Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern abstufen wollen, die aus den in diesem Artikel genannten Gründen vorübergehend nicht arbeiten können. Aus einer Zusammenschau der in den Buchst. a bis d der genannten Vorschrift vorgesehenen Fälle geht hervor, dass eine Abstufung nicht nur nach Maßgabe des Grundes für die Untätigkeit des betreffenden Unionsbürgers (vorübergehende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen einer Krankheit oder eines Unfalls, unfreiwillige Arbeitslosigkeit oder Berufsausbildung), sondern auch nach Maßgabe der ursprünglichen Dauer seiner Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat (mehr oder weniger als ein Jahr) eingeführt worden ist.

34.      Diese Abstufung kommt nämlich wie folgt zum Ausdruck: Dem Unionsbürger bleibt seine Erwerbstätigeneigenschaft nur dann ohne zeitliche Begrenzung erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig geworden ist (Buchst. a der genannten Vorschrift), eine Berufsausbildung begonnen hat (Buchst. d) oder eine mehr als einjährige unselbständige oder selbständige Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübt hat, bevor er unfreiwillig arbeitslos wird (Buchst. b). Dagegen bleibt dem Unionsbürger, der nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags unfreiwillig arbeitslos wird, oder bei im Laufe der ersten zwölf [Beschäftigungsmonate] eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit seine Erwerbstätigeneigenschaft und damit sein Aufenthaltsrecht mit einer etwaigen zeitlichen Begrenzung, d. h. „während mindestens sechs Monaten“, erhalten (Buchst. c).

35.      Was insbesondere die Dauer angeht, während der dem Unionsbürger, der unfreiwillig arbeitslos wird, die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten bleibt, besteht die ratio legis von Art. 7 Abs. 3 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/38 darin, zwei Unterscheidungen vorzunehmen. Die erste Unterscheidung wird eindeutig nach Maßgabe der ursprünglichen Dauer der Tätigkeit vorgenommen, die der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübt hat. So legt diese Vorschrift unter Buchst. b den Schwerpunkt unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit oder der Art des vom Unionsbürger abgeschlossenen Arbeitsvertrags auf die ursprüngliche Dauer von mehr als einem Jahr, während die Vorschrift unter Buchst. c den Schwerpunkt auf die ursprüngliche Dauer von weniger als einem Jahr legt und gleichzeitig eine zweite Unterscheidung danach vornimmt, ob der Unionsbürger die genaue Laufzeit seines Vertrags oder die Dauer seiner Tätigkeit (nicht) vorhersehen kann.

36.      So bezieht sich der erste in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Fall auf die Situation eines Unionsbürgers, der für weniger als ein Jahr befristet arbeiten sollte und nach Ablauf seines Vertrags – ordnungsgemäß bestätigt – unfreiwillig arbeitslos wird. Da es sich in diesem Fall um einen befristeten Vertrag handelt, liegt es meines Erachtens auf der Hand, dass der betreffende Unionsbürger das Enddatum seines Vertrags, dessen Laufzeit auf weniger als ein Jahr festgelegt war, kannte und folglich voraussehen konnte.

37.      Der zweite Fall betrifft die Situation eines Unionsbürgers, der entgegen seinen Erwartungen und unabhängig von der Natur der ausgeübten Tätigkeit (unselbständig oder selbständig) bzw. der Art des Vertrags, mit dem er eingestellt worden ist (befristet, unbefristet oder anderer Vertragstyp), im Laufe der ersten zwölf Beschäftigungsmonate unfreiwillig arbeitslos wird. In diesem Fall konnte der Unionsbürger entweder die genaue Dauer der Beschäftigung bzw. der ausgeübten Tätigkeit nicht vorhersehen oder er kannte die Dauer, die aber mehr als ein Jahr betragen sollte. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Unionsbürger zwei Wochen, drei Monate oder elf Monate, als Selbständiger oder im Rahmen eines befristeten oder unbefristeten Vertrags oder eines anderen Vertragstyps wie eines Gelegenheitsarbeitsvertrags gearbeitet hat. Im vorliegenden Fall kommt es vielmehr darauf an, ob der betreffende Unionsbürger entgegen seinen Erwartungen im Laufe der ersten zwölf Beschäftigungsmonate unfreiwillig arbeitslos wird(18).

38.      Diese Auslegung wird durch die Systematik von Art. 7 der Richtlinie 2004/38 bestätigt, der – daran sei erinnert – das Recht eines Unionsbürgers regelt, sich unter bestimmten Umständen für mehr als drei Monate im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzuhalten(19). Zu den genannten Umständen gehören nach meinem Dafürhalten auch die in der erwähnten Vorschrift unter Buchst. c vorgesehenen Umstände, nämlich dass der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat mit einem auf weniger als ein Jahr befristeten Vertrag gearbeitet hat, bevor er unfreiwillig arbeitslos wird (erste Alternative), und dass er eine unselbständige oder selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, aber im Laufe der ersten zwölf Beschäftigungsmonate unfreiwillig arbeitslos wird, und dies, ohne die tatsächliche Dauer seiner Tätigkeit vorhersehen zu können (zweite Alternative). In diesem Fall bleibt ihm nach der Richtlinie 2004/38 die Erwerbstätigeneigenschaft und damit das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat während mindestens sechs Monaten erhalten, vorausgesetzt, er „stellt sich … dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung“.

39.      Der zweite in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Fall ist – in seinem Zusammenhang betrachtet – daher dahin auszulegen, dass er sich auf einen Arbeitnehmer oder Selbständigen bezieht, der im Laufe der ersten zwölf Beschäftigungsmonate unfreiwillig arbeitslos wird.

40.      Allein diese Auslegung ist geeignet, die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2004/38 zu gewährleisten(20).

3.      Teleologische Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38

41.      Die vorstehende Schlussfolgerung wird durch eine Analyse des Zwecks der Richtlinie 2004/38, genauer gesagt von deren Art. 7 Abs. 3 Buchst. c, bestätigt.

42.      Aus den Erwägungsgründen 1 bis 4 der Richtlinie 2004/38 geht hervor, dass diese vor allem „die Ausübung des elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das den Unionsbürgern unmittelbar aus dem Vertrag erwächst, erleichtern [und verstärken] soll“(21). Insbesondere ergibt sich aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Richtlinie 2004/38, dass diese „zum Ziel hat, zur Stärkung des elementaren und persönlichen Rechts aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, sowie zur Erleichterung der Ausübung dieses Rechts die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze, die für die vor dem Erlass dieser Richtlinie geltenden Instrumente des Unionsrechts, die insbesondere [aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene] Arbeitnehmer und Selbständige getrennt behandelten, charakteristisch waren, durch einen einzigen Rechtsakt zu überwinden, mit dem diese Instrumente kodifiziert und überarbeitet werden“(22). Konkret hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang entschieden, dass das Ziel von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 darin besteht, „durch die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft das Aufenthaltsrecht der Personen zu sichern, die ihre Berufstätigkeit wegen eines Mangels an Arbeit aufgegeben haben, der auf von ihrem Willen unabhängigen Umständen beruht“(23).

43.      Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Gegenstand der Richtlinie 2004/38 – wie aus ihrem Art. 1 Buchst. a hervorgeht – die Bedingungen betrifft, unter denen das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ausgeübt wird, zu denen – was Aufenthalte mit einer Dauer von mehr als drei Monaten angeht – die in Art. 7 dieser Richtlinie aufgeführten zählen(24). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie dem zehnten Erwägungsgrund der genannten Richtlinie zu entnehmen ist, „diese Voraussetzungen u. a. verhindern sollen, dass diese Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen“(25).

44.      Im Gesamtkontext der Richtlinie 2004/38 werden diese Ziele, die in eine Hierarchie eingebunden sind(26), durch ein für das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat geltendes abgestuftes System verwirklicht. Indem es im Wesentlichen die Stufen und Bedingungen, die in den vor dem Erlass dieser Richtlinie bestehenden einzelnen Instrumenten des Unionsrechts vorgesehen waren, sowie die zuvor ergangene Rechtsprechung übernimmt, mündet dieses System im Recht auf Daueraufenthalt(27). So unterliegt das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate – zwischen dem Recht auf Aufenthalt für drei Monate einerseits und dem Recht auf Daueraufenthalt andererseits angesiedelt – den Bedingungen von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38. Darüber hinaus bleibt dem Unionsbürger dieses Recht gemäß Art. 14 Abs. 2 der genannten Richtlinie nur erhalten, wenn er die Voraussetzungen von deren Art. 7 erfüllt, die – worauf ich oben bereits hingewiesen habe – verhindern sollen, dass er die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nimmt.

45.      Ich bin davon überzeugt, dass sich die von mir vorgeschlagene Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 voll und ganz nicht nur in den Rahmen des abgestuften Systems, das in dieser Richtlinie vorgesehen ist, um das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat zu regeln, sondern auch in den besonderen Rahmen des abgestuften Systems für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft einfügt, das das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Sozialleistungen sichern soll(28). Mit der Schaffung dieses Systems berücksichtigt die Richtlinie 2004/38 selbst verschiedene Faktoren, die die jeweiligen persönlichen Umstände der eine Sozialleistung beantragenden Person kennzeichnen, insbesondere die Dauer der Ausübung einer Erwerbstätigkeit(29), sowie – im Rahmen der geprüften Vorschrift – den Grad der Vorhersehbarkeit einer solchen Dauer(30). Wie der Gerichtshof entschieden hat, ermöglicht das besagte abgestufte System es den betreffenden Unionsbürgern, ihre Rechte, Pflichten und Garantien, die sie genießen, eindeutig zu erfassen; zugleich werden der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten und übermäßige Kosten für das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats vermieden(31).

46.      Würde der zweite in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c vorgesehene Fall dahin ausgelegt, dass er sich ausschließlich auf Personen bezieht, die eine unselbständige Tätigkeit im Rahmen eines befristeten Vertrags ausgeübt haben, und solche ausschließt, die eine unselbständige Tätigkeit im Rahmen eines anderen Vertragstyps oder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, liefe dies dem Zweck der Richtlinie 2004/38 zuwider(32). Darüber hinaus würde eine Auslegung, bei der zwischen Arbeitnehmern nach Maßgabe der Art des Arbeitsvertrags, den sie abgeschlossen haben, oder der von ihnen ausgeübten Tätigkeit unterschieden wird, eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bedeuten. Eine solche Ungleichbehandlung würde dazu führen, dass das Hauptziel der Richtlinie – nämlich die Ausübung des elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zu erleichtern und zu verstärken – Arbeitnehmern „vorbehalten“ wird, die sich in einer stabileren Lage befinden, weil sie befristete oder unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen haben, während andere Gruppen von Arbeitnehmern, die „flexiblere“ Verträge (u. a. Teilzeit- oder Gelegenheitsarbeitsverträge) abgeschlossen haben und sich deshalb in einer eindeutig prekären Lage befinden, davon ausgeschlossen werden(33).

47.      Ebenso wie ein Arbeitnehmer, der einen befristeten Vertrag abgeschlossen hat und möglicherweise – u. a. infolge einer Entlassung – arbeitslos wird, kann nämlich auch ein Arbeitnehmer, der eine andere Art von Vertrag(34) abgeschlossen hat, seinen Arbeitsplatz verlieren und kann sich eine Person, die eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, gezwungen sehen, diese Tätigkeit aufzugeben. Unter solchen Umständen könnte sich die betreffende Person daher in einer ähnlich prekären Lage befinden wie ein Arbeitnehmer, der einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und entlassen wird(35).

48.      Wäre es unter diesen Umständen gerechtfertigt, wenn die genannte Person hinsichtlich der Aufrechterhaltung ihres Aufenthaltsrechts nicht den gleichen Schutz genießt wie eine Person, die eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags aufgegeben hat?

49.      Ich glaube nicht. In beiden Fällen wird die Person aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen wegen eines Mangels an Arbeit unfreiwillig arbeitslos, nachdem sie weniger als ein Jahr lang eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, so dass sie den durch Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 gewährten Schutz genießen muss, wenn sie sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.

50.      Darüber hinaus besteht meines Erachtens keine objektive Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung, die dazu führen würde, dass einer Person, die weniger als ein Jahr lang eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübt und somit zum Sozial- und Steuersystem dieses Mitgliedstaats beigetragen hat, kein Aufenthaltsrecht gewährt wird, während einem Arbeitsuchenden, der dort nie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt und nie Beiträge zum Sozial- und Steuersystem geleistet hat, aber die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 erfüllt, sehr wohl ein Aufenthaltsrecht gewährt wird(36).

4.      Auslegung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 im Licht seiner Entstehungsgeschichte

51.      Diese Auslegung wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Art. 8 Abs. 7 Buchst. c des ursprünglichen Vorschlags der Kommission(37) und Art. 9 Abs. 3 Buchst. c der legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments(38) bezogen sich lediglich auf eine Situation, in der „[der Unionsbürger] … nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags [unfreiwillig arbeitslos wird]“(39). Das Parlament hat den Inhalt von Art. 8 Abs. 7 Buchst. c des ursprünglichen Vorschlags der Kommission lediglich nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. c seiner legislativen Entschließung verschoben. Diese Änderung hat die Kommission in ihren geänderten Vorschlag(40) und später der Rat der Europäischen Union in seinen Gemeinsamen Standpunkt(41) übernommen. Wie aus ihrer Begründung hervorgeht, „hat[te] [d]er Rat … jedoch den Wortlaut des Buchstabens c) geändert, um zu präzisieren, dass in diesem besonderen Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten bleibt“. Zu bemerken ist, dass durch Hinzufügung des Satzteils „oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“ eine weitere Änderung an besagter Vorschrift vorgenommen worden war.

52.      Nach meinem Dafürhalten bekräftigt die Einfügung des genannten Satzteils im Verlauf der vorbereitenden Arbeiten zur Richtlinie 2004/38 den Willen des Unionsgesetzgebers, den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c dieser Richtlinie, der auf befristete Verträge beschränkt war, auf andere Vertragstypen auszuweiten.

B.      Der Aufnahmemitgliedstaat hat nicht das Recht, die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft davon abhängig zu machen, dass der Betroffene während einer Mindestdauer eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt hat

53.      Die dänische, die deutsche und die französische Regierung tragen vor, es gebe – unter Berücksichtigung des zehnten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2004/38 – Fälle, in denen ein Mitgliedstaat Grund zu der Annahme habe, dass eine Person eine unselbständige Tätigkeit nicht lange genug ausgeübt habe, um sich auf Art. 7 Abs. 3 Buchst. c dieser Richtlinie berufen zu können. Daher vertreten sie die Ansicht, die nationalen Behörden müssten die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft festlegen können.

54.      Hervorzuheben ist, dass die Richtlinie 2004/38, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, genug Garantien vorsieht, um übermäßige Kosten für das System der sozialen Sicherheit der Aufnahmemitgliedstaaten infolge missbräuchlicher Anträge auf Sozialleistungen zu vermeiden(42).

55.      Ich weise erstens darauf hin, dass nach Art. 24 Abs. 1 der genannten Richtlinie „jeder Unionsbürger, der sich aufgrund [der] Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats [genießt]“. Wenn das nationale Recht Personen, die nur für einen kurzen Zeitraum eine unselbständige oder selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, vom Vorteil der Rechte auf Sozialleistungen ausschließt, gelten diese Ausschlüsse daher gleichermaßen für mobile Arbeitnehmer anderer Mitgliedstaaten.

56.      Zweitens beschränkt Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 die Dauer der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft und damit des Genusses des Rechts auf Gleichbehandlung auf „mindestens sechs Monate[]“. Demnach würde die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nicht zwangsläufig das Recht gewähren, Arbeitslosenunterstützung zu erhalten. Der Anspruch auf Gleichbehandlung beinhaltet lediglich, dass der Arbeitnehmer die gleichen Rechte genießen muss, wie sie Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats zugestanden werden.

57.      Drittens bestimmt Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38, dass der Betroffene, damit ihm die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten bleibt, seine Arbeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger unfreiwillig verloren haben und sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellen muss. Wie die Kommission bemerkt hat, soll dieses Erfordernis sicherstellen, dass sich Personen nicht selbst künstlich in eine Lage bringen, in der sie das Recht auf Gleichbehandlung in Anspruch nehmen können. Insoweit ist hervorzuheben, dass vorliegend nichts im Vorlagebeschluss darauf hindeutet, dass Herr Tarola Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie missbräuchlich in Anspruch genommen hätte(43).

58.      Viertens und letztens ist klar, dass die Mitgliedstaaten die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nicht davon abhängig machen dürfen, dass der Betroffene eine unselbständige Tätigkeit während einer anderen Mindestdauer als der in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 festgelegten ausgeübt hat. Andernfalls dürfte eine zusätzliche Begrenzung eingeführt werden, die der Unionsgesetzgeber nicht vorgesehen hat.

59.      Nach meinem Dafürhalten ergibt sich aus den Nrn. 22 bis 52 der vorliegenden Schlussanträge eindeutig, dass der zweite in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Fall auf einen Arbeitnehmer, der im Laufe der ersten zwölf Beschäftigungsmonate unfreiwillig arbeitslos wird, unabhängig von der Natur der ausgeübten Tätigkeit (unselbständig oder selbständig) bzw. der Art des von ihm abgeschlossenen Arbeitsvertrags (befristet, unbefristet oder anderer Vertragstyp) Anwendung findet.

V.      Ergebnis

60.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) wie folgt zu beantworten:

Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat während eines Zeitraums von zwei Wochen anders als als befristet beschäftigter Arbeitnehmer gearbeitet hat und anschließend unfreiwillig arbeitslos wird, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne dieser Bestimmungen erhalten bleibt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77).


3      Ich weise darauf hin, dass allein das vorlegende Gericht u. a. für die Feststellung und die Würdigung des Sachverhalts des ihm vorliegenden Rechtsstreits zuständig ist. Wegen eines jüngeren Beispiels für diese ständige Rechtsprechung vgl. Urteil vom 8. Juni 2016, Hünnebeck (C‑479/14, EU:C:2016:412, Rn. 36). In Bezug auf die Erwerbstätigeneigenschaft hat der Gerichtshof insbesondere die Auffassung vertreten, dass „[s]olche Tatsachenwürdigungen … allein in den Verantwortungsbereich des innerstaatlichen Gerichts [fallen]“ (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras und Koupatantze, C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 31).


4      Es sei darauf hingewiesen, dass sich die dem Gerichtshof gestellte Frage auch nicht auf die Arbeitslosenunterstützung bezieht.


5      Seit dem Urteil vom 19. März 1964, Unger (75/63, EU:C:1964:19), hat der Gerichtshof eine eigenständige unionsrechtliche Definition des Begriffs „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 45 AEUV erarbeitet.


6      Urteile vom 23. März 1982, Levin (53/81, EU:C:1982:105, Rn. 13), und vom 3. Juli 1986, Lawrie-Blum (66/85, EU:C:1986:284, Rn. 16). Vgl. auch Urteil vom 19. Juni 2014, Saint Prix (C‑507/12, EU:C:2014:2007, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der Begriff „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 45 AEUV nach ständiger Rechtsprechung ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist und nicht eng ausgelegt werden darf. Vgl. Urteile vom 26. Februar 1992, Bernini (C‑3/90, EU:C:1992:89, Rn. 14), vom 8. Juni 1999, Meeusen (C‑337/97, EU:C:1999:284, Rn. 13), vom 6. November 2003, Ninni-Orasche (C‑413/01, EU:C:2003:600, Rn. 23), vom 17. Juli 2008, Raccanelli (C‑94/07, EU:C:2008:425, Rn. 33), vom 21. Februar 2013, N. (C‑46/12, EU:C:2013:97, Rn. 39), sowie vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 22).


7      Nachdem der Gerichtshof darauf hingewiesen hat, dass als Arbeitnehmer „jeder anzusehen [ist], der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen“, und „[d]as wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses … nach [seiner] Rechtsprechung darin [besteht], dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält“, hat er darüber hinaus entschieden, dass der bloße Umstand, dass eine unselbständige Tätigkeit von kurzer Dauer ist, als solcher nicht dazu führt, dass diese Tätigkeit vom Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV ausgeschlossen ist (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras und Koupatantze, C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 26 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 23 bis 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8      Das vorlegende Gericht gibt an, dass Herr Tarola „anders als als befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ gearbeitet habe. Aus den vom Kläger des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Bemerkungen geht zum einen hervor, dass er als „Gelegenheitsarbeiter“ im Baugewerbe gearbeitet hat, und zum anderen, dass die Dauer eines Gelegenheitsarbeitsvertrags, da sie mit den Umständen der Entwicklung des Bauarbeitsmarkts zusammenhängt, nicht im Voraus festgelegt wird. Außerdem hat die irische Regierung in Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage selbst ausgeführt, dass ein Gelegenheitsarbeiter „ein Teilzeitarbeitnehmer [ist], der weniger als 13 Wochen arbeitet und unregelmäßige Arbeiten ausführt“. Nach Auffassung dieser Regierung ist ein Gelegenheitsarbeiter so anzusehen, als besitze er die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne des irischen Rechts. Bezüglich eines Gelegenheitsarbeitsvertrags ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, „die Beschäftigungsbedingungen eines Arbeitnehmers mit einem [Gelegenheitsarbeitsvertrag] es nicht verbieten, ihn als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 48 EWG-Vertrag [jetzt Art. 45 AEUV] zu betrachten“ (Urteil vom 26. Februar 1992, Raulin, C‑357/89, EU:C:1992:87, Rn. 11).


9      Das vorlegende Gericht verweist auf das Hauptziel, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Gewährleistung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern einerseits und der Garantie, dass den Systemen der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats keine unangemessenen Belastungen auferlegt werden, andererseits herzustellen. Vgl. Erwägungsgründe 1 bis 4 und 10 der Richtlinie 2004/38. Vgl. auch Fn. 26 der vorliegenden Schlussanträge.


10      Die irische Regierung hat diese Position nur hilfsweise vertreten.


11      Vgl. u. a. Urteile vom 17. November 1983, Merck (292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12), vom 22. Dezember 2010, Feltgen und Bacino Charter Company (C‑116/10, EU:C:2010:824, Rn. 12), sowie vom 13. September 2017, Khir Amayry (C‑60/16, EU:C:2017:675, Rn. 29).


12      Vgl. Fn. 8 der vorliegenden Schlussanträge.


13      In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 nicht zwischen wirtschaftlich aktiven Unionsbürgern, die im Aufnahmemitgliedstaat eine unselbständige berufliche Tätigkeit ausüben, und solchen unterscheidet, die dies als Selbständige tun. Deshalb ist der Hinweis wichtig, dass sich der zweite in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Fall, insbesondere der Ausdruck „im Laufe der ersten zwölf Monate“, nicht nur auf die Beendigung einer unselbständigen Tätigkeit, sondern auch auf die Beendigung einer selbständigen Tätigkeit bezieht. Vgl. Urteile vom 19. Juni 2014, Saint Prix (C‑507/12, EU:C:2014:2007, Rn. 27), und vom 20. Dezember 2017, Gusa (C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 27, 37 und 38). Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet in der Rechtssache Gusa (C‑442/16, EU:C:2017:607, Nrn. 62 bis 64).


14      Wie die Kommission zu Recht und entgegen dem Vorbringen der irischen Regierung bemerkt, verweist der Ausdruck „im Laufe der ersten zwölf Monate“ nicht auf das erste Jahr, in dem das Recht auf Freizügigkeit ausgeübt wird, sondern auf den Zeitraum zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des Zeitraums unfreiwilliger Arbeitslosigkeit.


15      Urteil vom 19. Juni 2014, Saint Prix (C‑507/12, EU:C:2014:2007, Rn. 38).


16      Urteil vom 19. Juni 2014, Saint Prix (C‑507/12, EU:C:2014:2007, Rn. 27).


17      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger vorübergehend aufgegeben hat, die Erwerbstätigeneigenschaft nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 und das damit verbundene Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie nur behalten kann, wenn er innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats fähig ist und hierfür zur Verfügung steht (vgl. Urteil vom 13. September 2018, Prefeta, C‑618/16, EU:C:2018:719, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Unterzeichnet ein Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, beispielsweise einen auf drei Jahre befristeten Vertrag, kann er Umstände wie seine Entlassung oder den Konkurs der Gesellschaft, die ihn eingestellt hat, nicht vorhersehen. Im Fall eines Gelegenheitsarbeiters, der sich in den Aufnahmemitgliedstaat begeben hat, um dort zu arbeiten, ist die Annahme vertretbar, dass eine solche Reise mit dem Ziel unternommen wurde, mehr als zwei Wochen arbeiten zu können, vor allem dann, wenn der betreffende Unionsbürger unfreiwillig arbeitslos geworden ist.


19      Die besagte Auslegung steht voll und ganz im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2004/38. Um seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat über die Dauer von drei Monaten hinaus zu verlängern, muss der Unionsbürger nämlich „Arbeitnehmer oder Selbständiger“ sein (Abs. 1 Buchst. a), über ausreichende Existenzmittel, um während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen zu müssen, sowie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen (Abs. 1 Buchst. b) oder Auszubildender (Abs. 1 Buchst. c) bzw. Familienangehöriger sein, der den Unionsbürger, der die vorstehend aufgeführten Voraussetzungen erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht (Abs. 1 Buchst. d). Erfüllt der Unionsbürger eine dieser Voraussetzungen, gilt der Vorteil des mehr als dreimonatigen Aufenthaltsrechts (vorbehaltlich der Beschränkungen nach Abs. 4) auch für seine Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen (Abs. 2).


20      Ich weise darauf hin, dass „[i]n Anbetracht des Kontexts und der Ziele der Richtlinie 2004/38 … deren Bestimmungen nicht eng ausgelegt und keinesfalls ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt werden [dürfen]“ (Urteile vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C‑127/08, EU:C:2008:449, Rn. 84, sowie vom 18. Dezember 2014, McCarthy u. a., C‑202/13, EU:C:2014:2450, Rn. 32).


21      Urteile vom 25. Juli 2008, Metock u. a. (C‑127/08, EU:C:2008:449, Rn. 82), vom 5. Mai 2011, McCarthy (C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 28), sowie vom 19. September 2013, Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 71).


22      Urteil vom 20. Dezember 2017, Gusa (C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Hervorhebung nur hier. Urteil vom 20. Dezember 2017, Gusa (C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Vgl. u. a. Urteil vom 5. Mai 2011, McCarthy (C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 33).


25      Urteile vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 40), vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C‑75/11, EU:C:2012:605, Rn. 60), sowie vom 19. September 2013, Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 54).


26      Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet in der Rechtssache Gusa (C‑442/16, EU:C:2017:607, Nrn. 51 und 52). „Dieses zweite [sich aus dem zehnten Erwägungsgrund ergebende] Ziel existiert … nur wegen des ersten. Weil die Richtlinie darauf abzielt, die Wahrnehmung des Aufenthaltsrechts zu erleichtern, war es nach Ansicht der Mitgliedstaaten nötig, darauf zu achten, dass die durch diese Freiheit entstehende finanzielle Inanspruchnahme in Grenzen gehalten wird.“


27      Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 38). Vgl. die Art. 6 und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 über das Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten, die Art. 7 und Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie über das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate und Art. 16 derselben Richtlinie über das Recht auf Daueraufenthalt.


28      Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 60).


29      Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 60).


30      Vgl. Nrn. 37 und 38 der vorliegenden Schlussanträge.


31      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 61).


32      Vgl. Erwägungsgründe 3 und 4 der Richtlinie 2004/38.


33      Vgl. in diesem Sinne O’Brien, C., „Civis Capitalism Sum: Class as the New Guiding Principle of EU Free Movement Rights“, Common Market Law Review, Bd. 53, 2016, S. 937 bis 978, insbesondere S. 975: „Equal treatment rights are being reserved for those in the privileged position of work with regular hours and pay, while retention of worker status is harder for those on casual contracts, and for those who struggle to produce evidence of the ‚genuineness‘ of their prior work“; Nic Shuibhne, N., „Limits Rising, Duties Ascending: The Changing Legal Shape of Union Citizenship“, Common Market Law Review, Bd. 52, 2015, S. 889 bis 938, insbesondere S. 926 f.: „Union citizenship looks less like a status rooted in rights and more like an increasingly qualified privilege – with mutable channels of admission, especially where restrictions are not provided or laid down.“


34      Wie einen unbefristeten Vertrag oder einen Gelegenheitsarbeitsvertrag.


35      Was u. a. eine Person angeht, die ihre selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat, vgl. entsprechend Urteil vom 20. Dezember 2017, Gusa (C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 43).


36      „… In diesem Fall dürfen die Unionsbürger … nicht ausgewiesen werden, solange [sie] nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.“ Zum Recht des Aufnahmemitgliedstaats, in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren, vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38.


37      Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, KOM(2001) 257 endg. (ABl. 2001, C 270 E, S. 150). Art. 8 betraf Formalitäten für Unionsbürger.


38      Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, KOM(2001) 257 – C5‑0336/2001 – 2001/0111(COD) (ABl. 2004, C 43 E, S. 42).


39      Art. 9 war den Bedingungen zur Ausübung des Rechts auf Aufenthalt für mehr als sechs Monate gewidmet.


40      Vgl. Art. 7 Abs. 2a (Abänderung 30). Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (gemäß Artikel 250 Absatz 2 des EG-Vertrags von der Kommission vorgelegt), KOM(2003) 199 endg. – COD 2001/0111.


41      Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2004, vom Rat festgelegt am 5. Dezember 2003 im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie 2004/[38]/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, C 54 E, S. 12).


42      Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass „[diese Richtlinie], die ein abgestuftes System für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft schafft, das das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Sozialleistungen sichern soll, … selbst verschiedene Faktoren [berücksichtigt], die die jeweiligen persönlichen Umstände der eine Sozialleistung beantragenden Person kennzeichnen, insbesondere die Dauer der Ausübung einer Erwerbstätigkeit“ (Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic, C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 60).


43      Vgl. insoweit – zum Begriff „Rechtsmissbrauch“ – meine Schlussanträge in der Rechtssache McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:345, Nrn. 108 bis 115).