Language of document : ECLI:EU:C:2019:309

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

11. April 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Freizügigkeit – Richtlinie 2004/38/EG – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Art. 7 Abs. 1 Buchst. a – Arbeitnehmer und Selbständige – Art. 7 Abs. 3 Buchst. c – Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate – Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der während eines Zeitraums von 15 Tagen eine abhängige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hat – Unfreiwillige Arbeitslosigkeit – Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft für mindestens sechs Monate – Anspruch auf den Zuschuss für Arbeitsuchende (‚jobseeker’s allowance‘)“

In der Rechtssache C‑483/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) mit Entscheidung vom 2. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 9. August 2017, in dem Verfahren

Neculai Tarola

gegen

Minister for Social Protection

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Tarola, vertreten durch C. Stamatescu, Solicitor, und D. Shortall, BL,

–        Irlands, vertreten durch M. Browne, G. Hodge, A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von E. Barrington, SC, und D. Dodd, BL,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Pavliš und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch P. Z. L. Ngo als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch D. Klebs als Bevollmächtigten,

–        der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti, M. Kellerbauer und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. November 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt im ABl. 2004, L 229, S. 35).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Neculai Tarola und dem Minister for Social Protection (Minister für Sozialschutz, Irland) über dessen Ablehnung des Antrags von Herrn Tarola auf den Zuschuss für Arbeitsuchende (jobseeker’s allowance).

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 3, 9, 10 und 20 der Richtlinie 2004/38 lauten:

„(3)      Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.

(9)      Die Unionsbürger sollten das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten haben, ohne jegliche Bedingungen oder Formalitäten außer der Pflicht, im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses zu sein, unbeschadet einer günstigeren Behandlung für Arbeitssuchende gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

(10)      Allerdings sollten Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.

(20)      Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfordert, dass alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich aufgrund dieser Richtlinie in einem Mitgliedstaat aufhalten, in diesem Mitgliedstaat in den Anwendungsbereichen des Vertrags die gleiche Behandlung wie Inländer genießen; dies gilt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen.“

4        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie regelt

a)      die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;

…“

5        Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) der Richtlinie sieht in den Abs. 1 und 3 vor:

„(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist …

(3)      Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

a)      Er ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig;

b)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

d)      er beginnt eine Berufsausbildung; die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft setzt voraus, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.“

6        Art. 14 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“) der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

„(1)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen.

(2)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.

…“

7        Art. 24 („Gleichbehandlung“) der Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.“

 Irisches Recht

8        Regulation 6(2)(a) und (c) der European Communities (Free Movement of Persons) (no 2) Regulations 2006 (Verordnung über die Europäischen Gemeinschaften [Freizügigkeit] Nr. 2 von 2006, im Folgenden: Regulations von 2006), mit der Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 in irisches Recht umgesetzt wurde, sieht vor:

„a)      Vorbehaltlich von Regulation 20 darf sich ein Unionsbürger länger als drei Monate im Staat aufhalten, wenn er

i)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Staat ist,

c)      Vorbehaltlich von Regulation 20 darf eine Person, auf die Unterabsatz (a)(i) zutrifft, bei Beendigung der in diesem Unterabsatz genannten Tätigkeit im Staat bleiben, wenn sie

ii)      sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen Stelle des Department of Social and Family Affairs [Sozial- und Familienministerium, Irland] und der FÁS [Foras Áiseanna Saothair, Behörde für Bildung und Beschäftigung, Irland] zur Verfügung stellt, …

iii)      sich – vorbehaltlich Buchst. d – bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen Stelle des Sozial- und Familienministeriums und der FÁS zur Verfügung stellt …“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

9        Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein rumänischer Staatsangehöriger, der erstmals im Mai 2007 nach Irland kam, wo er vom 5. bis 30. Juli 2007 und vom 15. August bis 14. September 2007 beschäftigt war. Zwar ist nicht nachgewiesen, dass er sich zwischen 2007 und 2013 in Irland aufhielt, doch steht fest, dass er vom 22. Juli bis 24. September 2013 und dann vom 8. bis 22. Juli 2014 wieder beschäftigt war und für die letztgenannte Beschäftigung ein Gehalt von 1 309 Euro bezog. Außerdem arbeitete er vom 17. November bis 5. Dezember 2014 als selbständiger Subunternehmer.

10      Am 21. September 2013 stellte der Kläger des Ausgangsverfahrens beim Minister für Sozialschutz einen Antrag auf den Zuschuss für Arbeitsuchende (jobseeker’s allowance), der mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass er für den Zeitraum vom 15. September 2007 bis 22. Juli 2013 weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Irland noch seine Mittel zum Lebensunterhalt nachgewiesen habe.

11      Daher stellte der Kläger des Ausgangsverfahrens am 26. November 2013 einen Antrag auf ergänzende Sozialhilfeleistungen (supplementary welfare allowance), der ebenfalls zurückgewiesen wurde, weil er keine Unterlagen habe vorlegen können, die belegten, wie er von September 2013 bis zum 14. April 2014 seinen Lebensunterhalt bestritten und seine Miete gezahlt habe.

12      Am 6. November 2014 stellte der Kläger des Ausgangsverfahrens einen zweiten Antrag auf den Zuschuss für Arbeitsuchende, der am 26. November 2014 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass er seit seiner Ankunft in Irland nicht mindestens ein Jahr lang gearbeitet habe und dass die von ihm vorgelegten Belege nicht als Nachweis seines gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat ausreichten.

13      Der Kläger des Ausgangsverfahrens legte daraufhin beim Minister für Sozialschutz einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung vom 26. November 2014 ein, der mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass der kurze Beschäftigungszeitraum, den er im Juli 2014 zurückgelegt habe, nicht die Feststellung in Frage stellen könne, dass er keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Irland habe.

14      Am 10. März 2015 beantragte der Kläger des Ausgangsverfahrens beim Minister für Sozialschutz die Überprüfung seiner Entscheidung vom 26. November 2014 wobei er u. a. geltend machte, dass er gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 als Erwerbstätiger für sechs Monate nach der Beendigung seiner Erwerbstätigkeit im Juli 2014 in Irland aufenthaltsberechtigt sei. Dieser Antrag wurde am 31. März 2015 mit der Begründung abgelehnt, dass er seit seiner Ankunft in Irland nicht mindestens ein Jahr lang erwerbstätig gewesen sei und keine ausreichenden eigenen Mittel habe, um seinen Unterhalt zu sichern.

15      Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger des Ausgangsverfahrens beim High Court (Hoher Gerichtshof, Irland), Klage, die am 20. April 2016 mit der Begründung abgewiesen wurde, dass er nicht die Voraussetzungen von Regulation 6(2)(c)(iii) der Regulations von 2006 erfülle. Da er nicht als „Erwerbstätiger“ anzusehen sei, könne er nicht auf der Grundlage seines gewöhnlichen Aufenthalts in Irland Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Diese Bestimmung betreffe nämlich ausschließlich Personen, die im Rahmen eines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt worden seien. Der Erwerbstätigkeitszeitraum des Klägers des Ausgangsverfahrens zwischen dem 8. und 22. Juli 2014 könne nicht als aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags im Sinne dieser Bestimmung zurückgelegt angesehen werden, so dass er unter Regulation 6(2)(c)(ii) der Regulations von 2006 falle. Folglich habe der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht den Nachweis erbracht, dass er vor der Stellung seines Antrags auf Sozialhilfeleistungen ein Jahr lang ununterbrochen erwerbstätig gewesen sei, so dass der Minister für Sozialschutz diesen Antrag habe ablehnen dürfen.

16      Am 5. Mai 2016 hat der Kläger des Ausgangsverfahrens gegen die Abweisung seiner Klage Berufung beim vorlegenden Gericht, dem Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland), eingelegt, nach dessen Auffassung es im Ausgangsrechtsstreit im Kern um die Frage geht, ob einer Person, die weniger als ein Jahr erwerbstätig war, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 erhalten bleibt.

17      Das vorlegende Gericht führt zunächst aus, wie aus dem zehnten Erwägungsgrund und aus Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 hervorgehe, habe sich nach dem Unionsrecht der Ursprungsmitgliedstaat um Personen zu kümmern, die auf Sozialleistungen angewiesen seien. Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausübten, sollten nämlich während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, da die Ausübung dieses Rechts für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen solle. Zu beachten sei jedoch, dass mit Art. 7 der Richtlinie Art. 45 AEUV umgesetzt werde, so dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des Erwerbstätigen, der stets weit ausgelegt worden sei, Anwendung finde.

18      Fraglich sei daher, ob davon auszugehen sei, dass dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 erhalten geblieben sei, weil er im Juli 2014 zwei Wochen lang erwerbstätig gewesen sei, so dass er grundsätzlich Anspruch auf den Zuschuss für Arbeitsuchende hätte, da er unfreiwillig arbeitslos geworden sei und sich dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt habe.

19      Insoweit mache der Kläger des Ausgangsverfahrens zwar, anders als beim High Court (Hoher Gerichtshof) nicht mehr geltend, dass er im genannten Zeitraum aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt gewesen sei, doch trage er vor, dass Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 zwei verschiedene Fallgestaltungen erfasse, wie die Verwendung der disjunktiven gleichordnenden Konjunktion „oder“ zeige. Der erste Teil dieser Bestimmung („bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags“) betreffe nämlich die Beendigung auf weniger als ein Jahr befristeter Arbeitsverträge, während der zweite Teil („bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“) nicht die Beendigung befristeter Arbeitsverträge betreffe, sondern die im Lauf der ersten zwölf Monate der Beschäftigung des Betroffenen eintretende Beendigung von Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von über einem Jahr. Diese Unterscheidung werde dadurch bestätigt, dass im ersten Teil der Bestimmung auf die „ordnungsgemäß bestätigte“ Arbeitslosigkeit Bezug genommen werde, während der zweite Teil verlange, dass sich der Erwerbstätige „dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung [stellt]“. Ein solches Erfordernis hätte jedoch im Fall einer Person, die sich in „ordnungsgemäß bestätigter“ Arbeitslosigkeit befinde, keinen Sinn.

20      An der Richtigkeit dieser Auslegung bestünden jedoch Zweifel. Zum einen lasse sich anhand der vom Kläger des Ausgangsverfahrens vertretenen Auslegung nicht bestimmen, ob die Wendung „erste zwölf Monate“ den Zeitraum nach der Ankunft im Aufnahmemitgliedstaat oder den Zeitraum der Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat betreffe. Zum anderen lasse sich diese Auslegung schlecht mit einem der mit der Richtlinie 2004/38 verfolgten Ziele vereinbaren, und zwar dem Ziel, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Gewährleistung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und der Garantie, dass den Systemen der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats keine unangemessenen Belastungen auferlegt würden, herzustellen.

21      Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (Berufungsgericht) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Bleibt einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats der Union, der, nachdem er die ersten zwölf Monate lang sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, im Aufnahmemitgliedstaat ankommt und dort für einen Zeitraum von zwei Wochen (anders als mit einem befristeten Vertrag) arbeitet, wofür er bezahlt wird, und der anschließend unfreiwillig arbeitslos wird, dadurch gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 die Erwerbstätigeneigenschaft für mindestens weitere sechs Monate erhalten, so dass er auf derselben Grundlage wie ein gebietsansässiger Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats einen Anspruch auf Sozialhilfezahlungen oder gegebenenfalls Sozialversicherungsleistungen hat?

 Zur Vorlagefrage

22      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat für einen Zeitraum von zwei Wochen anders als mit einem befristeten Vertrag erwerbstätig war und dann unfreiwillig arbeitslos wurde, die Erwerbstätigeneigenschaft für mindestens weitere sechs Monate im Rahmen dieser Vorschriften erhalten bleibt, so dass er wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats Anspruch auf Sozialhilfezahlungen oder gegebenenfalls auf Sozialversicherungsleistungen hat.

23      Wie aus den Erwägungsgründen 1 bis 4 der Richtlinie 2004/38 hervorgeht, soll sie die Ausübung des den Unionsbürgern unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV erwachsenden elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, erleichtern und bezweckt insbesondere, dieses Recht zu stärken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C‑127/08, EU:C:2008:449, Rn. 82, und vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Dabei sieht Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vor, dass jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, für einen Zeitraum von über drei Monaten hat, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist.

25      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das vorlegende Gericht, das dem Gerichtshof hierzu keine Frage gestellt hat, davon ausgeht, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens aufgrund der Tätigkeit, die er im Aufnahmemitgliedstaat zwei Wochen lang ausgeübt hat, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne der letztgenannten Bestimmung besitzt.

26      Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 bestimmt, dass für die Zwecke ihres Art. 7 Abs. 1 Buchst. a dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat nicht mehr ausübt, die Erwerbstätigeneigenschaft unter bestimmten Umständen, die – wie der Gerichtshof entschieden hat (Urteil vom 19. Juni 2014, Saint Prix, C‑507/12, EU:C:2014:2007, Rn. 38) – in Abs. 3 nicht abschließend aufgezählt sind, dennoch erhalten bleibt, und zwar u. a., wenn er unfreiwillig arbeitslos wird.

27      Art. 7 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 sieht insoweit vor, dass dem Unionsbürger „bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung“ im Aufnahmemitgliedstaat die Erwerbstätigeneigenschaft zeitlich unbeschränkt erhalten bleibt, sofern er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.

28      Schon aus dem Wortlaut der Vorlagefrage und aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts ergibt sich jedoch, dass diese Frage nur die vom Kläger des Ausgangsverfahrens im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von zwei Wochen ausgeübte Tätigkeit betrifft, so dass er jedenfalls nicht unter Art. 7 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 fällt.

29      Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 sieht aber vor, dass dem Unionsbürger „bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“ ebenfalls die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, sofern er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.

30      Schon aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38, insbesondere aus der Verwendung der gleichordnenden Konjunktion „oder“, ergibt sich, dass diese Vorschrift in zwei Fällen die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft – als Arbeitnehmer oder Selbständiger – während mindestens sechs Monaten vorsieht.

31      Der erste Fall betrifft die Situation des Erwerbstätigen, der aufgrund eines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt war und nach dessen Ende unfreiwillig arbeitslos wird.

32      Wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorlagefrage und aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts ergibt, steht jedoch fest, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens während des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeitraums der Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat nicht aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags erwerbstätig war, so dass er grundsätzlich nicht unter diesen ersten Fall einzuordnen ist.

33      Das vorlegende Gericht möchte deshalb wissen, ob ein Erwerbstätiger wie der Kläger des Ausgangsverfahrens, der im Aufnahmemitgliedstaat während eines Zeitraums von zwei Wochen anders als aufgrund eines befristeten Vertrags beschäftigt war und dann unfreiwillig arbeitslos wird, unter den zweiten Fall einzuordnen ist, der jeden Erwerbstätigen betrifft, der sich in der Situation „im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“ befindet.

34      Wie der Generalanwalt in Nr. 30 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lässt sich jedoch anhand des Wortlauts von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 nicht bestimmen, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens unter den zweiten Fall einzuordnen ist.

35      Dieser Bestimmung ist nämlich weder zu entnehmen, ob sie auf Arbeitnehmer oder auf Selbständige oder auf beide Kategorien von Erwerbstätigen anwendbar ist, noch, ob sie befristete Verträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, unbefristete Verträge oder jede andere Art von Verträgen oder Tätigkeiten betrifft, noch schließlich, ob sich die dort genannten zwölf Monate auf den Zeitraum des Aufenthalts oder der Beschäftigung des betreffenden Erwerbstätigen im Aufnahmemitgliedstaat beziehen.

36      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes folgt, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteile vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 32, und vom 19. September 2013, Brey, C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 49).

37      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 7. Oktober 2010, Lassal, C‑162/09, EU:C:2010:592, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Entstehungsgeschichte einer Vorschrift des Unionsrechts kann ebenfalls relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 2012, Pringle, C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 135, vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 50, und vom 24. Juni 2015, T., C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 58).

38      Schließlich dürfen in Anbetracht des Kontexts und der Ziele der Richtlinie 2004/38 deren Bestimmungen nicht eng ausgelegt und keinesfalls ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2007, Eind, C‑291/05, EU:C:2007:771, Rn. 43, vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C‑127/08, EU:C:2008:449, Rn. 84, und vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 39).

39      Im vorliegenden Fall ergibt sich zunächst aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38, dass die in Art. 7 Abs. 3 vorgesehene Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft jedem Unionsbürger zuerkannt wird, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit gleich welcher Art ausgeübt hat, d. h., gleich ob er eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Gusa, C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 37 und 38).

40      Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass ein Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger vorübergehend aufgegeben hat, die Erwerbstätigeneigenschaft nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 und das damit verbundene Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie nur behalten kann, wenn er innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats fähig ist und hierfür zur Verfügung steht (Urteil vom 13. September 2018 Prefeta, C‑618/16, EU:C:2018:719, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/38, die nach ihrem Art. 1 Buchst. a insbesondere die Bedingungen festlegen soll, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen, eine Abstufung des jedem Bürger im Aufnahmemitgliedstaat gewährten Aufenthaltsrechts vornimmt, indem sie zwischen dem in Art. 6 geregelten Recht auf Aufenthalt für weniger als drei Monate und dem in Art. 16 geregelten Recht auf Daueraufenthalt ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate vorsieht, das in ihrem Art. 7 geregelt ist.

42      So garantiert Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 jedem Arbeitnehmer oder Selbständigen insbesondere ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat für mehr als drei Monate.

43      Ferner garantiert Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie jedem vorübergehend nicht erwerbstätigen Unionsbürger die Aufrechterhaltung seiner Erwerbstätigeneigenschaft und infolgedessen seines Rechts auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, indem er bei den Voraussetzungen dieser Aufrechterhaltung ebenfalls eine Abstufung vornimmt, die – wie der Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – zum einen vom Grund seiner Untätigkeit, im vorliegenden Fall je nachdem, ob er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls arbeitsunfähig ist, unfreiwillig arbeitslos ist oder sich in einer Berufsausbildung befindet, und zum anderen von der ursprünglichen Dauer seiner Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat, d. h. je nachdem, ob diese Dauer länger oder kürzer als ein Jahr ist, abhängt.

44      Somit bleibt dem Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, die Erwerbstätigeneigenschaft zeitlich unbegrenzt erhalten, wenn er erstens gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist, zweitens gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie über ein Jahr lang im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat und dann unfreiwillig arbeitslos wird (Urteil vom 20. Dezember 2017, Gusa, C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 29 bis 46), oder drittens gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie eine Berufsausbildung begonnen hat.

45      Dagegen bleibt dem Unionsbürger, der weniger als ein Jahr lang im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, die Erwerbstätigeneigenschaft nur für einen Zeitraum erhalten, dessen Dauer der Mitgliedstaat festlegen darf, wobei sie nicht weniger als sechs Monate betragen darf.

46      Der Aufnahmemitgliedstaat darf nämlich die Dauer der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, begrenzen, doch darf er sie gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 nicht auf weniger als sechs Monate verkürzen, wenn dieser Bürger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen arbeitslos wird, bevor er ein Jahr Erwerbstätigkeit zurücklegen konnte.

47      Ausgehend von dem in dieser Bestimmung genannten ersten Fall ist dies der Fall, wenn die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nach Ablauf eines befristeten Vertrags mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr endet.

48      Ausgehend von dem in dieser Bestimmung genannten zweiten Fall muss dies auch in all den Situationen der Fall sein, in denen ein Erwerbstätiger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen gezwungen war, seine Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat vor Ablauf eines Jahres zu beenden, unabhängig von der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit und der Art des hierzu geschlossenen Arbeitsvertrags, d. h. unabhängig davon, ob er eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat und ob er einen befristeten Vertrag mit einer Laufzeit von über einem Jahr, einen unbefristeten Vertrag oder jede andere Art von Vertrag geschlossen hat.

49      Diese Auslegung entspricht dem mit der Richtlinie 2004/38 in erster Linie verfolgten Ziel, das – wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt – darin besteht, das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu stärken, und dem speziell mit ihrem Art. 7 Abs. 3 verfolgten Ziel, das darin besteht, durch die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft das Aufenthaltsrecht der Personen zu sichern, die ihre Berufstätigkeit wegen eines Mangels an Arbeit aufgegeben haben, der auf von ihrem Willen unabhängigen Umständen beruht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 2015, Alimanovic, C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 60, vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a., C‑299/14, EU:C:2016:114, Rn. 47, und vom 20. Dezember 2017, Gusa, C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 42).

50      Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Auslegung die Verwirklichung eines der übrigen Ziele der Richtlinie 2004/38 beeinträchtigt, nämlich das Ziel, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Gewährleistung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und der Garantie, dass den Systemen der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats keine unangemessenen Belastungen auferlegt würden, herzustellen.

51      Dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 ist zwar zu entnehmen, dass die Richtlinie zu vermeiden versucht, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen.

52      Insoweit ist indessen festzustellen, dass die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 entsprechend den Ausführungen in den Rn. 24 bis 29 des vorliegenden Urteils voraussetzt, dass der betreffende Bürger zum einen vor seinem Zeitraum unfreiwilliger Arbeitslosigkeit tatsächlich die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne der Richtlinie besessen und sich zum anderen dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung gestellt hat. Zudem darf der betreffende Aufnahmemitgliedstaat die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft während eines Zeitraums unfreiwilliger Arbeitslosigkeit auf sechs Monate begrenzen.

53      Schließlich lässt sich – wie der Generalanwalt in den Nrn. 51 und 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – aufgrund der Prüfung der vorbereitenden Arbeiten zur Richtlinie 2004/38, insbesondere des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (KOM[2003] 199 endg.), und des gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 6/2004 des Rates vom 5. Dezember 2003 (ABl. 2004, C 54 E, S. 12) bestätigen, dass der Unionsgesetzgeber die – gegebenenfalls auf sechs Monate begrenzte – Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft auf Personen erstrecken wollte, die unfreiwillig arbeitslos werden, nachdem sie anders als aufgrund eines befristeten Vertrags weniger als ein Jahr erwerbstätig waren.

54      Folglich ist Art. 7 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen, dass einem Unionsbürger, der sich in einer Situation wie der des Klägers des Ausgangsverfahrens befindet und aufgrund der Erwerbstätigkeit, die er zwei Wochen lang ausgeübt hat, bevor er unfreiwillig arbeitslos geworden ist, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie erworben hat, die Erwerbstätigeneigenschaft für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, sofern er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung gestellt hat.

55      Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nach dem 20. Erwägungsgrund und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im AEU-Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie, insbesondere ihres Art. 7 Abs. 3 Buchst. c, wonach dem Bürger die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger erhalten bleibt, im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des AEU-Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats genießt.

56      Folglich gilt – wie der Generalanwalt in Nr. 55 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – in dem Fall, dass das nationale Recht Personen, die eine unselbständige oder selbständige Tätigkeit nur für einen kurzen Zeitraum ausgeübt haben, vom Vorteil der Rechte auf Sozialleistungen ausschließt, dieser Ausschluss gleichermaßen für Erwerbstätige anderer Mitgliedstaaten, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben.

57      Demnach ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts allein zuständig ist, festzustellen, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens in Anwendung des nationalen Rechts und im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung den im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend gemachten Anspruch auf Sozialhilfezahlungen oder Sozialversicherungsleistungen hat.

58      Nach alledem ist Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch die Tätigkeit, die er dort für einen Zeitraum von zwei Wochen anders als aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags ausgeübt hat, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie erworben hat, bevor er unfreiwillig arbeitslos wurde, die Erwerbstätigeneigenschaft für mindestens weitere sechs Monate im Rahmen dieser Vorschriften erhalten bleibt, sofern er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt. Das vorlegende Gericht hat zu klären, ob dieser Staatsangehörige in Anwendung des in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 gewährleisteten Grundsatzes der Gleichbehandlung infolgedessen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats Anspruch auf Sozialhilfezahlungen oder gegebenenfalls auf Sozialversicherungsleistungen hat.

 Kosten

59      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch die Tätigkeit, die er dort für einen Zeitraum von zwei Wochen anders als aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags ausgeübt hat, die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie erworben hat, bevor er unfreiwillig arbeitslos wurde, die Erwerbstätigeneigenschaft für mindestens weitere sechs Monate im Rahmen dieser Vorschriften erhalten bleibt, sofern er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.

Das vorlegende Gericht hat zu klären, ob dieser Staatsangehörige in Anwendung des in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 gewährleisteten Grundsatzes der Gleichbehandlung infolgedessen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats Anspruch auf Sozialhilfezahlungen oder gegebenenfalls auf Sozialversicherungsleistungen hat.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.