Language of document : ECLI:EU:C:2016:656

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 8. September 2016(1)

Gutachten 1/15

(Gutachtenantragdes Europäischen Parlaments)

„Gutachtenantrag – Zulässigkeit – Entwurf eines Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Fluggastdatensätze (Passenger Name Records [PNR]) – Vereinbarkeit dieses Abkommensentwurfs mit Art. 16 AEUV sowie Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Rechtsgrundlage“






Inhaltsverzeichnis



I – Einleitung

II – Rechtlicher Rahmen

III – Vorgeschichte des geplanten Abkommens

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

V – Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags

VI – Zur zutreffenden Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens (zweite Frage)

A – Zusammenfassung des Vorbringens des Parlaments und der anderen Beteiligten

B – Würdigung

1. Zum Ziel und zum Inhalt des geplanten Abkommens.

2. Zur zutreffenden Rechtsgrundlage

a) Zur Relevanz von Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV

b) Zur Notwendigkeit, den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV zu stützen

VII – Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Bestimmungen des AEU-Vertrags und der Charta (erste Frage)

A – Zusammenfassung des Antrags und der Erklärungen des Parlaments sowie der Erklärungen der anderen Beteiligten

1. Zusammenfassung des Antrags und der Erklärungen des Parlaments

2. Zusammenfassung der Erklärungen der anderen Beteiligten

B – Würdigung

1. Vorbemerkungen

2. Zum Vorliegen eines Eingriffs in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte

3. Zur Rechtfertigung des Eingriffs in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte

a) „Gesetzlich vorgesehener“ Eingriff im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta

b) Eingriff, der einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entspricht

c) Zur Verhältnismäßigkeit des mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffs

i) Allgemeine Erwägungen

ii) Zur Eignung des Eingriffs zur Erreichung des vom geplanten Abkommen verfolgten Ziels der öffentlichen Sicherheit

iii) Zur unbedingten Erforderlichkeit des Eingriffs

– Zu den vom geplanten Abkommen genannten Kategorien von PNR-Daten

– Zur hinreichenden Genauigkeit des Ziels, für das die Verarbeitung von PNR-Daten gestattet ist

– Zum persönlichen Anwendungsbereich des geplanten Abkommens

– Zur Bestimmung der für die Verarbeitung von PNR-Daten zuständigen Behörde

– Zur automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten

– Zum Zugang zu den PNR-Daten

– Zur Speicherung der PNR-Daten

– Zur Weitergabe und zur Weiterübermittlung der PNR-Daten

– Zu den die Aufsicht, die Verwaltungskontrolle und die gerichtliche Kontrolle betreffenden Maßnahmen

VIII – Ergebnis



I –    Einleitung

1.        Das Europäische Parlament hat nach Art. 218 Abs. 11 AEUV den Gerichtshof um ein Gutachten zum geplanten Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (im Folgenden: geplantes Abkommen) gebeten, um dem Ersuchen des Rates der Europäischen Union vom Juli 2014 um Zustimmung des Parlaments zum Vorschlag für einen Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens nachkommen zu können(2).

2.        Kurz zusammengefasst sieht das geplante Abkommen vor, dass die Fluggastdatensätze (Passenger Name Records, im Folgenden: PNR-Daten), die durch die Fluggesellschaften von den Fluggästen für Buchungen von Flügen zwischen Kanada und der Europäischen Union erhoben werden, an die zuständigen kanadischen Behörden übermittelt, dann von diesen verarbeitet und zum Zweck der Verhinderung und der Aufdeckung von terroristischen Straftaten oder anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität verwendet werden, wobei eine Reihe von Garantien betreffend die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten der Fluggäste festgelegt werden.

3.        Das Ersuchen um ein Gutachten, das sowohl die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit dem Primärrecht der Union als auch die zutreffende Rechtsgrundlage des Ratsbeschlusses über den Abschluss des geplanten Abkommens betrifft, lautet wie folgt:

Ist das geplante Abkommen mit den Bestimmungen der Verträge (Art. 16 AEUV) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1) in Bezug auf das Recht natürlicher Personen auf den Schutz personenbezogener Daten vereinbar?

Sind Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV die zutreffende Rechtsgrundlage für den Rechtsakt des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens, oder muss sich dieser Rechtsakt auf Art. 16 AEUV gründen?

4.        Wie die Antwort des Gerichtshofs auf diese Fragen auch immer ausfällt, sie wird zwangsläufig Auswirkungen auf die bereits geltenden PNR-Abkommen zwischen der Europäischen Union und Australien(3) bzw. den Vereinigten Staaten von Amerika(4) sowie auf die zukünftige PNR-Regelung innerhalb der Union selbst haben, der das Parlament vor Kurzem zugestimmt hat, obwohl das vorliegende Verfahren noch anhängig war(5).

5.        Das vorliegende Ersuchen um ein Gutachten erfordert die Prüfung vollkommen neuer und zugleich heikler Fragen.

6.        Was den Aspekt der Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens betrifft, so bietet dieses Ersuchen dem Gerichtshof insbesondere erstmals Gelegenheit, die Tragweite des durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Art. 16 Abs. 2 AEUV sowie den Zusammenhang zwischen diesem Artikel und den Vertragsbestimmungen über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (im Folgenden auch: RFSR) zu prüfen. Insoweit stehen die Ziele und Inhalte des geplanten Abkommens, wie ich in diesen Schlussanträgen zeigen werde(6), in einer Wechselbeziehung zueinander, so dass der Rechtsakt über den Abschluss dieses Abkommens sich meiner Ansicht nach sowohl auf Art. 16 AEUV als auch auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gründen muss.

7.        Der Gerichtshof wird auch zum ersten Mal über die Vereinbarkeit eines Entwurfs eines internationalen Abkommens mit den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Grundrechten, insbesondere denen auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach ihrem Art. 7 und auf den Schutz personenbezogener Daten nach ihrem Art. 8 zu entscheiden haben. Für die Prüfung dieser Frage liefern die Urteile vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), sowie vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), unbestreitbar wertvolle Erkenntnisse. Wie noch eingehender dargelegt werden wird, bin ich der Auffassung, dass der von diesen Urteilen vorgezeichnete Weg fortzuführen und das geplante Abkommen einer strikten Kontrolle zu unterziehen ist, ob die Anforderungen von Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta erfüllt sind. Es ist jedoch im Auge zu behalten, dass der Entwurf des Abkommens, mit dem der Gerichtshof befasst ist, die Folge internationaler Verhandlungen mit einem Drittstaat ist, der, sollte keine zufriedenstellende Einigung erzielt werden, auf den Abschluss des geplanten Abkommens verzichten und es vorziehen könnte, wie dies derzeit der Fall ist, einseitig seine PNR-Regelung auf die in der Union niedergelassenen Fluggesellschaften, die Flüge nach Kanada durchführen, anzuwenden.

8.        Diese Feststellung bedeutet nicht, dass der Gerichtshof das Maß an Wachsamkeit, das er im Hinblick auf die Achtung der vom Unionsrecht geschützten Grundrechte gezeigt hat, verringern sollte. In einer Zeit, in der die modernen Technologien es den Behörden erlauben, im Namen der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität äußerst komplexe Methoden der Überwachung des Privatlebens von Personen und der Analyse ihrer personenbezogenen Daten zu entwickeln, ist es nämlich notwendig, dass der Gerichtshof sicherstellt, dass die beabsichtigten Maßnahmen, auch wenn sie in Form von geplanten internationalen Abkommen getroffen werden, eine ausgewogene Gewichtung widerspiegeln zwischen dem berechtigten Anliegen, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, und dem nicht weniger grundlegenden Anliegen, dass jede Person hinsichtlich ihres Privatlebens und ihrer eigenen Daten ein hohes Schutzniveau genießt.

9.        Wie meine folgenden Ausführungen zeigen werden, haben die Vertragsparteien zweifellos, wenn auch manchmal nicht hinreichend, versucht, einen Ausgleich zwischen diesen beiden untrennbaren Zielen des geplanten Abkommens zu finden. Diese Bemühung ist meines Erachtens zu begrüßen. Allerdings bin ich der Ansicht, ohne das Ziel oder die Notwendigkeit des geplanten Abkommens in Frage zu stellen, dass, wie ich in diesen Schlussanträgen zeigen werde, das geplante Abkommen, um mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar zu sein, überarbeitet werden muss und/oder einige der gegenwärtigen Bestimmungen aus ihm entfernt werden müssen, so dass das Abkommen nicht über das hinausgeht, was zur Verwirklichung seines Sicherheitsziels unbedingt erforderlich ist.

II – Rechtlicher Rahmen

10.      In Art. 16 AEUV ist Folgendes geregelt:

„(1)      Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2)      Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von unabhängigen Behörden überwacht.

…“

11.      Art. 82 AEUV in Kapitel 4 („Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“) des Titels V des Dritten Teils dieses Vertrags sieht Folgendes vor:

„(1) Die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und umfasst die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in den in Absatz 2 … genannten Bereichen.

Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen, um

d)      die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Strafverfolgung sowie des Vollzugs und der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern.

…“

12.      Art. 87 AEUV, der zu Kapitel 5 („Polizeiliche Zusammenarbeit“) des Titels V des Dritten Teils dieses Vertrags gehört, bestimmt:

„(1)      Die Union entwickelt eine polizeiliche Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der Polizei, des Zolls und anderer auf die Verhütung oder die Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechende Ermittlungen spezialisierter Strafverfolgungsbehörden.

(2)      Für die Zwecke des Absatzes 1 können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen erlassen, die Folgendes betreffen:

a)      Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen;

…“

13.      Art. 7 der Charta lautet:

„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

14.      Art. 8 der Charta bestimmt:

„(1)      Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2)      Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3)      Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.“

15.      Art. 52 („Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze“) der Charta sieht Folgendes vor:

„(1)      Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

…“

16.      Das Protokoll (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bestimmt in seinen Art. 1, 3 und 6a Folgendes:

„Artikel 1

Vorbehaltlich des Artikels 3 beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des [AEU-Vertrags] vorgeschlagen werden. Für Beschlüsse des Rates, die einstimmig angenommen werden müssen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Rates mit Ausnahme der Vertreter der Regierungen des Vereinigten Königreichs und Irlands erforderlich.

Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich die qualifizierte Mehrheit nach Artikel 238 Absatz 3 [AEUV].

Artikel 3

(1)      Das Vereinigte Königreich oder Irland kann dem Präsidenten des Rates innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage eines Vorschlags oder einer Initiative nach dem Dritten Teil Titel V des [AEU-Vertrags] beim Rat schriftlich mitteilen, dass es sich an der Annahme und Anwendung der betreffenden Maßnahme beteiligen möchte, was dem betreffenden Staat daraufhin gestattet ist.

Artikel 6a

Die auf der Grundlage des Artikels 16 [AEUV] festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 und 5 des genannten Vertrags fallen, werden für das Vereinigte Königreich und Irland nicht bindend sein, wenn das Vereinigte Königreich und Irland nicht durch Unionsvorschriften gebunden sind, die Formen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen oder der polizeilichen Zusammenarbeit regeln, in deren Rahmen die auf der Grundlage des Artikels 16 festgelegten Vorschriften eingehalten werden müssen.“

17.      Das Protokoll (Nr. 22) über die Position Dänemarks bestimmt in seinen Art. 1, 2 und 2a Folgendes:

„Artikel 1

Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des [AEU-Vertrags] vorgeschlagen werden. Für Beschlüsse des Rates, die einstimmig angenommen werden müssen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Rates mit Ausnahme des Vertreters der Regierung Dänemarks erforderlich.

Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich die qualifizierte Mehrheit nach Artikel 238 Absatz 3 [AEUV].

Artikel 2

Vorschriften des Dritten Teils Titel V des [AEU-Vertrags], nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, sind für Dänemark nicht bindend oder anwendbar. Diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen berühren in keiner Weise die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten Dänemarks; ebenso wenig berühren diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen in irgendeiner Weise den Besitzstand der Gemeinschaft oder der Union oder sind sie Teil des Unionsrechts, soweit sie auf Dänemark Anwendung finden. …

Artikel 2a

Artikel 2 dieses Protokolls gilt auch für die auf der Grundlage des Artikels 16 [AEUV] festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 und 5 des genannten Vertrags fallen.“

III – Vorgeschichte des geplanten Abkommens

18.      Am 18. Juli 2005 genehmigte der Rat das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung Kanadas über die Verarbeitung von erweiterten Fluggastdaten und Fluggastdatensätzen (im Folgenden: Abkommen von 2006)(7).

19.      Nach seiner Präambel wurde das Abkommen von 2006 unter Berücksichtigung der von der Regierung Kanadas erlassenen Vorschrift geschlossen, nach der die Fluggesellschaften, die Personen nach Kanada befördern, zur Übermittlung von erweiterten Fluggastdaten (Advance Passenger Information) und Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records) (im Folgenden: API/PNR-Daten) an die zuständigen kanadischen Behörden verpflichtet sind, soweit diese Fluggesellschaften solche Daten erfassen und in computergestützten Buchungs- sowie Abfertigungssystemen speichern.

20.      Mit dem Abkommen von 2006 wurde laut seinem Art. 1 „gewährleistet, dass die Weitergabe von API/PNR-Daten zu Personen auf abkommensrelevanten Flügen unter uneingeschränkter Achtung grundlegender Rechte und Freiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre, erfolgt“. Die zuständige Behörde Kanadas war gemäß Anhang I des Abkommens von 2006 die „Canada Border Services Agency (CBSA)“.

21.      In Anbetracht dieser Verpflichtungserklärung erließ die Europäische Kommission auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG(8) die Entscheidung 2006/253/EG(9), nach deren Art. 1 die CBSA einen angemessenen Schutz bot für PNR-Daten über Flüge nach Kanada, die aus der Europäischen Gemeinschaft übermittelt wurden. Da die Entscheidung 2006/253 im September 2009 auslief(10) und die Geltungsdauer des Abkommens von 2006 an die Geltungsdauer dieser Entscheidung geknüpft war(11), lief dieses Abkommen daher ebenso im September 2009 aus.

22.      Am 5. Mai 2010 nahm das Parlament eine Entschließung zum Start der Verhandlungen über Abkommen über Fluggastdatensätze mit den USA, Australien und Kanada(12) an. In dieser Entschließung forderte es u. a. einen kohärenten Ansatz in Bezug auf die Nutzung von Fluggastdatensätzen für Strafverfolgungs- und Sicherheitszwecke, wobei Abkommen mit Drittstaaten auf einheitlichen Grundsätzen beruhen sollten. Dazu forderte es die Kommission auf, einen Vorschlag für ein solches einheitliches Modell und einen Entwurf für ein Mandat für die Verhandlungen mit Drittstaaten vorzulegen, wobei es die zu erfüllenden Mindestanforderungen anführte(13).

23.      Am 21. September 2010 erließ die Kommission drei Vorschläge über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit den USA, Australien und Kanada(14). In der Folge wurden mit der Zustimmung des Parlaments Abkommen mit den USA und Australien unterzeichnet und geschlossen(15). Diese Abkommen traten im Jahr 2012 in Kraft.

24.      Nach dem Abschluss der Verhandlungen mit Kanada erließ die Kommission am 19. Juli 2013 die Vorschläge für Beschlüsse des Rates über die Unterzeichnung und den Abschluss des geplanten Abkommens.

25.      Der Europäische Datenschutzbeauftragte (im Folgenden: EDSB) gab am 30. September 2013 seine Stellungnahme zu diesen Vorschlägen ab(16). In dieser Stellungnahme warf er eine Reihe von Fragen zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von PNR-Konzepten und zur Massenübertragung von PNR-Daten an Drittländer auf, äußerte Zweifel an der Wahl der materiellen Rechtsgrundlage und machte mehrere Anmerkungen und Vorschläge zu den verschiedenen Bestimmungen des geplanten Abkommens.

26.      Am 5. Dezember 2013 erließ der Rat einen Beschluss über die Unterzeichnung des geplanten Abkommens, ohne dass an diesem nach der Stellungnahme des EDSB Änderungen vorgenommen worden waren. Das geplante Abkommen wurde am 25. Juni 2014 vorbehaltlich seines späteren Abschlusses unterzeichnet.

27.      Mit Schreiben vom 7. Juli 2014 ersuchte der Rat um die Zustimmung des Parlaments zum Entwurf eines Beschlusses über den Abschluss des geplanten Abkommens im Namen der Union. Dieser Entwurf nennt als Rechtsgrundlage Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV.

28.      Am 25. November 2014 beschloss das Parlament, den Gerichtshof um das in Rede stehende Gutachten zu ersuchen, wobei die Fragen in Nr. 3 dieser Schlussanträge wiedergegeben worden sind.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

29.      Auf den vom Parlament eingereichten Antrag haben die bulgarische und die estnische Regierung, Irland, die spanische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

30.      Der Gerichtshof hat eine Reihe von Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt, u. a. zu bestimmten praktischen und tatsächlichen Aspekten der Verarbeitung der PNR-Daten, zur Rechtsgrundlage des geplanten Abkommens, zu seinem räumlichen Anwendungsbereich sowie zur Vereinbarkeit der Bestimmungen dieses Abkommens mit den Bestimmungen des AEU-Vertrags und der Charta im Licht der Erkenntnisse aus der Rechtsprechung, insbesondere den Urteilen vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650). Außerdem hat er den EDSB nach Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union um Beantwortung dieser Fragen ersucht. Der EDSB, Irland, die spanische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie das Parlament, der Rat und die Kommission haben die Fragen fristgerecht beantwortet.

31.      Die Vertreter der estnischen Regierung, Irlands, der spanischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, des Parlaments, des Rates, der Kommission sowie der Vertreter des EDSB wurden in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016 angehört.

V –    Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags

32.      Während die bulgarische und die estnische Regierung sowie die Kommission die Beurteilung des Parlaments teilen, dass sein Ersuchen um ein Gutachten in vollem Umfang zulässig sei, haben die französische Regierung und der Rat Zweifel an der Zulässigkeit der zweiten Frage in diesem Ersuchen, die die zutreffende Rechtsgrundlage des Entwurfs eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens betrifft.

33.      Im Wesentlichen machen die französische Regierung und der Rat geltend, dass diese Frage weder die Zuständigkeit der Union zum Abschluss des geplanten Abkommens noch die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten betreffe. Außerdem wirke sich die eventuell fehlerhafte Heranziehung der Art. 82 und 87 AEUV nicht auf das Verfahren für den Erlass des Rechtsakts des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens aus. Sowohl die Anwendung von Art. 16 AEUV als auch die der Art. 82 und 87 AEUV verlangten nämlich die Einhaltung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere die Zustimmung des Parlaments nach Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV.

34.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, den Gutachtenantrag in vollem Umfang für zulässig zu erklären.

35.      Allgemein ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 218 Abs. 11 AEUV und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Gutachten von ihm zu der Frage eingeholt werden kann, ob eine „geplante Übereinkunft“(17) mit den materiell-rechtlichen Vorschriften der Verträge oder mit denen, die den Umfang der Zuständigkeiten der Union und ihrer Organe bestimmen, vereinbar ist, einschließlich der Fragen über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten für den Abschluss eines bestimmten Abkommens mit Drittstaaten(18). Dies folgt auch aus Art. 196 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

36.      Der Gutachtenantrag ist daher zweifelsfrei zulässig, was im Übrigen alle Beteiligten einräumen, soweit er die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Primärrechts der Union, einschließlich der Bestimmungen der Charta, die den Verträgen rechtlich gleichrangig sind, betrifft(19).

37.      Ich bin der Meinung, dass das auch für die zweite Frage zur Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage des Rechtsakts gilt, mit dem der Rat das geplante Abkommen schließen soll.

38.      Zwar bezweifelt keiner der Beteiligten, wie die französische Regierung und der Rat geltend gemacht haben, dass die Union im vorliegenden Fall für die Genehmigung des geplanten Abkommens zuständig ist, was im Übrigen auch nicht Gegenstand des Gutachtenantrags ist.

39.      Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits im Rahmen der Prüfung früherer Gutachtenanträge bereit war, die Frage nach der Wahl der zutreffenden Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss der in Rede stehenden Entwürfe eines Abkommens zu beantworten(20). Dieser Standpunkt wurde im Wesentlichen mit zwei entscheidenden Erwägungen begründet, die eng miteinander verbunden sind.

40.      Zum einen hat die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss eines internationalen Abkommens „verfassungsrechtliche Bedeutung“(21), da die Union nur über begrenzte Einzelermächtigungen verfügt und daher die internationalen Abkommen, die Eingang in ihre Rechtsordnung finden sollen, mit einer Bestimmung der Verträge verknüpfen muss, die sie ermächtigt, diese Rechtsakte zu genehmigen. Die Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage kann daher zur Ungültigkeit des Abschlussakts selbst und damit der Zustimmung der Union führen, durch das fragliche Abkommen gebunden zu sein(22).

41.      Wenn zum anderen die Gelegenheit nicht genutzt würde, die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss eines Entwurfs eines Abkommens im Rahmen des Verfahrens der vorherigen Anrufung des Gerichtshofs zu prüfen, könnte dies letztlich sowohl auf Unionsebene als auch in der Völkerrechtsordnung zu Verwicklungen führen, wenn der Rechtsakt über den Abschluss des Abkommens wegen einer falschen Rechtsgrundlage in der Folge unwirksam wäre. Das Ziel des präventiven Verfahrens nach Art. 218 Abs. 11 AEUV ist es jedoch gerade, im Interesse der Vertragsparteien zu verhindern, dass solche Verwicklungen auftreten können(23).

42.      Ohne das Bestehen dieser Rechtsprechung abzustreiten, machen die französische Regierung und der Rat im Wesentlichen geltend, dass keine der vom Gerichtshof in seinen früheren Gutachten angesprochenen rechtlichen Verwicklungen in der vorliegenden Rechtssache auftreten könne. Daher berühre im vorliegenden Fall die etwaige Wahl von Art. 16 AEUV als materielle Rechtsgrundlage des geplanten Abkommens, wie vom Parlament in seinem Gutachtenantrag befürwortet, weder die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten noch führe sie im Sinne dieser Gutachten zu einem „anderen Rechtsetzungsverfahren“ als dem vom Rat und der Kommission im vorliegenden Fall angewandten.

43.      Dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen.

44.      Zu beachten ist, dass die vom Gerichtshof in Rn. 5 des Gutachtens 2/00 vom 6. Dezember 2001 (EU:C:2001:664) und in Rn. 110 des Gutachtens 1/08 vom 30. November 2009 (EU:C:2009:739) hervorgehobenen Sachverhalte nur Beispiele darstellen, bei denen die Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage zur Ungültigkeit der Zustimmung der Union, durch das von ihr geschlossene Abkommen gebunden zu sein, oder zu rechtlichen Schwierigkeiten im Innenverhältnis oder in den Außenbeziehungen der Union führen kann. Die beiden in diesen Randnummern der zwei Gutachten angeführten Fälle – nämlich zum einen, dass die Union sich verpflichtet, ohne dass der Vertrag ihr eine ausreichende Zuständigkeit zur Ratifizierung des gesamten Abkommens verleiht, so dass die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten zu prüfen ist, und zum anderen, dass die für den Abschlussakt geeignete Rechtsgrundlage ein anderes als das von den Organen tatsächlich angewandte Rechtsetzungsverfahren vorsieht – wurden nämlich mit der Wendung „[d]ies ist insbesondere dann der Fall, wenn“ eingeleitet. Daher können andere Fälle, die zu rechtlichen Schwierigkeiten im Innenverhältnis der Union oder in ihren internationalen Beziehungen führen, nicht ausgeschlossen werden.

45.      Sodann darf man nicht aus den Augen verlieren, dass das Gutachtenverfahren nichtstreitiger und präventiver Natur ist(24). Diese Natur rechtfertigt meines Erachtens eine gewisse Flexibilität des Gerichtshofs bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Frage, die die zutreffende Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss eines geplanten Abkommens betrifft.

46.      Daher muss sich der Gerichtshof im Stadium, in dem es um die Zulässigkeit geht, meiner Ansicht nach lediglich die Frage stellen, ob im Fall der Nichtzulassung der aufgeworfenen Frage die ernsthafte Gefahr besteht, dass der Rechtsakt über den Abschluss des Abkommens in der Folge aus demselben Grund wie dem im Gutachtenantrag angeführten unwirksam sein könnte und diese Situation zu Schwierigkeiten im Innenverhältnis der Union oder in ihren internationalen Beziehungen führt, die das Gutachtenverfahren hätte verhindern können.

47.      Im vorliegenden Fall kann eine solche Gefahr nach meiner Überzeugung nicht ausgeschlossen werden.

48.      Wie ich nämlich in diesen Schlussanträgen später noch prüfen werde, sind die vom Parlament dargelegten Gründe zur Stützung des Vorbringens, dass Art. 16 AEUV die zutreffende materielle Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens sei, so gewichtig, dass ich sie als teilweise begründet ansehe.

49.      Würde dieses Vorbringen im vorliegenden Verfahren nicht zugelassen, könnte dies folglich dazu führen, dass das Parlament die Gültigkeit des Rechtsakts über den Abschluss des Abkommens angreift oder dass gegebenenfalls ein nationales Gericht, das mit der Klage eines Einzelnen befasst ist, der durch die Weitergabe der ihn betreffenden PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde geschädigt ist, ein Ersuchen an den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Gültigkeit des Abkommens und des Rechtsakts über dessen Abschluss richtet.

50.      Außerdem spielen die französische Regierung und der Rat meiner Ansicht nach zu Unrecht die Folgen einer Ungültigerklärung des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens herunter, wenn sich letztlich infolge einer Nichtigkeitsklage oder eines Ersuchens um eine Vorabentscheidung über die Gültigkeit herausstellen sollte, dass dieser Rechtsakt, wie das Parlament vorbringt, allein auf der Rechtsgrundlage von Art. 16 AEUV hätte erlassen werden müssen.

51.      Wenn man nämlich, worauf ich später zurückkommen werde und wie es auch in einigen schriftlichen Erklärungen angesprochen wurde, von Art. 16 AEUV als der einzigen Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens ausginge, würde das den Status des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland beeinträchtigen, da diese Mitgliedstaaten dann entgegen Art. 29 des geplanten Abkommens unmittelbar und automatisch an das Abkommen gebunden wären. Was insbesondere das Königreich Dänemark betrifft, so wäre dann jede völkerrechtliche Verpflichtung, die es gegebenenfalls mit Kanada parallel zum geplanten Abkommen einginge, rechtswidrig, da dieser Mitgliedstaat nicht mehr über die für das Eingehen einer solchen Verpflichtung erforderliche Befugnis verfügte.

52.      Entsprechend den Feststellungen des Gerichtshofs in Rn. 47 des Gutachtens 1/13 vom 14. Oktober 2014 (EU:C:2014:2303) scheint es mir daher vergleichsweise in besonderem Maße angebracht, dass der Gerichtshof die zweite Frage des vorliegenden Gutachtenantrags beantwortet, um vor allem die rechtlichen Verwicklungen zu verhindern, die entstehen könnten, wenn ein Mitgliedstaat ohne die erforderliche Ermächtigung völkerrechtliche Verpflichtungen einginge, obwohl er nach dem Unionsrecht nicht mehr über die nötige Befugnis verfügte, um diese Verpflichtungen einzugehen und ihnen nachzukommen.

53.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die zweite Frage des Parlaments in seinem Gutachtenantrag für zulässig zu erklären.

54.      Da diese Frage außerdem die formelle Gültigkeit des Abschlussakts berührt und eine Prüfung der Ziele und des Inhalts des geplanten Abkommens erfordert, schlage ich vor, sie vor der Frage zur Vereinbarkeit des Abkommens mit den Bestimmungen des AEU-Vertrags und den in der Charta verankerten Rechten zu behandeln.

VI – Zur zutreffenden Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens (zweite Frage)

A –    Zusammenfassung des Vorbringens des Parlaments und der anderen Beteiligten

55.      Das Parlament sowie alle Beteiligten, die Erklärungen eingereicht haben, sind sich einig, dass die Wahl der Rechtsgrundlage nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Kriterien beruhen muss, wobei zu diesen objektiven Kriterien das Ziel und der Inhalt des fraglichen Rechtsakts gehören.

56.      Das Parlament weist darauf hin, dass das geplante Abkommen zwei Ziele verfolge, die in seinem Art. 1 aufgeführt seien. Das Hauptziel des geplanten Abkommens sei jedoch der Schutz der personenbezogenen Daten. Das geplante Abkommen habe nämlich vergleichbare Wirkungen wie eine „Angemessenheitsentscheidung“ und solle die nach Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46 erlassene Entscheidung 2006/253 der Kommission zu ersetzen, in der dieses Organ im Kontext des Abkommens von 2006 die Angemessenheit des Schutzes der PNR-Daten, die der CBSA übermittelt würden, festgestellt habe. Außerdem solle im geplanten Abkommen keine Pflicht der Fluggesellschaften begründet werden, PNR-Daten an die kanadischen oder europäischen Polizeibehörden zu übermitteln, was es schwierig mache, die Wahl von Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als materielle Rechtsgrundlage zu rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung rechtfertigten diese Feststellungen, dass das geplante Abkommen auf die Rechtsgrundlage gestützt werde, die dem Hauptziel des geplanten Abkommens entspreche, nämlich im vorliegenden Fall auf Art. 16 AEUV. Der Inhalt des geplanten Abkommens bestätige diese Beurteilung. Schließlich erlaube Art. 16 AEUV den Erlass von Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten in allen Anwendungsbereichen des Unionsrechts einschließlich des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“.

57.      In Beantwortung einer Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat das Parlament darauf hingewiesen, dass es für den Fall, dass der Gerichtshof feststellen sollte, dass das geplante Abkommen untrennbar miteinander verbundene Ziele verfolge, nichts dagegen einzuwenden habe, dass der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16, Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt werde.

58.      Mit Ausnahme der spanischen Regierung und des EDSB sowie der französischen Regierung, die hilfsweise eine andere Meinung vertritt, bringen die anderen Beteiligten vor, dass das Ziel des geplanten Abkommens die Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität sei. Der Datenschutz stelle dabei im Wesentlichen nur ein Instrument dar, mit dem dieses Ziel erreicht werden könne. Insoweit erinnert die Kommission daran, dass der Gerichtshof im Urteil vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346, Rn. 56), entschieden habe, dass die Übermittlung der PNR-Daten in die Vereinigten Staaten eine Verarbeitung darstelle, die die öffentliche Sicherheit und die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten im strafrechtlichen Bereich betreffe. Die Wahl der Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens habe nach dieser Logik zu erfolgen.

59.      Der Großteil dieser Beteiligten ergänzt, dass der Datenschutz zwar als ein Ziel des geplanten Abkommens anzusehen sei, dieses Ziel jedoch nur akzessorisch gegenüber dem Hauptziel sei, was zur Folge habe, dass es für die in Rede stehende Wahl der Rechtsgrundlage des Abschlussakts keine Bedeutung habe. Dazu führen der Rat und die Kommission aus, dass Rechtsakte, die der Durchsetzung sektoraler Politiken dienten, die eine bestimmte Verarbeitung personenbezogener Daten erforderten, auf die für die betreffende Politik einschlägige Rechtsgrundlage und nicht auf Art. 16 AEUV gestützt werden müssten.

60.      Zur Möglichkeit, Art. 16, Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als materielle Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens zu kumulieren, bringt die französische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen hilfsweise vor, dass eine solche Kumulierung durchaus vorstellbar sei. Irland und der Rat halten dagegen an ihrer gegenteiligen Auffassung fest. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat der Rat ausgeführt, dass das Abstimmungsverfahren im Rat, wie es in den Protokollen (Nr. 21) und (Nr. 22) festgelegt sei, diese Möglichkeit ausschließe.

B –    Würdigung

61.      Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Unionsrechtsakts, auch wenn er im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags erlassen wurde, auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen das Ziel und der Inhalt dieses Rechtsakts gehören. Ergibt die Prüfung eines Unionsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur akzessorisch ist, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf diejenige, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert(25).

62.      Der Gerichtshof hält es jedoch „ausnahmsweise“ für zulässig, dass ein Rechtsakt auf die verschiedenen für die einzelnen Zielsetzungen oder Komponenten dieses Rechtsakts einschlägigen Rechtsgrundlagen zusammen gestützt werden kann, wenn diese Zielsetzungen oder Komponenten untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen akzessorisch ist(26). In einem solchen Fall prüft der Gerichtshof noch, ob die Heranziehung mehrerer Rechtsgrundlagen ausgeschlossen sein kann, weil die für die verschiedenen fraglichen Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren miteinander unvereinbar sind(27).

63.      Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu bestimmen, ob der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens in Anbetracht seines Ziels und Inhalts ausschließlich auf Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als materielle Rechtsgrundlage gestützt werden muss, wie es der Entwurf des Beschlusses des Rates vorsieht und wie die Mehrheit der Beteiligten meint, oder ob er, entweder ausschließlich oder in Verbindung mit den beiden vorgenannten Artikeln, auf Art. 16 AEUV gegründet werden muss(28).

64.      Zu diesem letztgenannten Punkt möchte ich klarstellen, dass der Gerichtshof – entgegen dem Vorbringen des Rates in seinen schriftlichen Erklärungen – angesichts der nichtstreitigen und präventiven Natur des Gutachtenverfahrens meines Erachtens durchaus berechtigt ist, die zweite Frage des Parlaments unter dem Blickwinkel der Kumulierung der materiellen Rechtsgrundlagen zu prüfen, auch wenn eine solche nach dem Wortlaut dieser Frage nicht in Betracht gezogen worden ist. Ich weise darauf hin, dass die Beteiligten sowohl während des schriftlichen Verfahrens als auch in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit hatten, zu diesem Punkt Stellung zu nehmen.

65.      Dies ist umso wichtiger, als die Prüfung des Ziels und des Inhalts des geplanten Abkommens meines Erachtens zur Feststellung führen muss, dass das Abkommen zwei Ziele verfolgt und zwei Komponenten aufweist, ohne dass diese beiden Ziele und diese verschiedenen Komponenten insgesamt in eine Rangordnung gebracht oder getrennt werden könnten. Diese Feststellung rechtfertigt es meiner Meinung nach, dass der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens sich auf Art. 16 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als materielle Rechtsgrundlage stützt, was bedeutet, dass die von diesen Artikeln vorgesehenen Verfahren nebeneinander bestehen können.

1.      Zum Ziel und zum Inhalt des geplanten Abkommens.

66.      Nach dem zweiten Absatz der Präambel des geplanten Abkommens anerkennen die Vertragsparteien „d[ie] Bedeutung der Verhinderung, Bekämpfung, Unterbindung und Beseitigung von Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität bei gleichzeitiger Wahrung der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Schutz der Privatsphäre und des Rechts auf Datenschutz“, während der vierte Absatz ergänzt, dass die Verwendung von PNR-Daten von maßgeblicher Bedeutung für die Verfolgung der genannten Ziele sei.

67.      Die gleichzeitige Verfolgung des Ziels der Bekämpfung des Terrorismus und anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität zum einen und des Ziels der Wahrung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre und des Schutzes personenbezogener Daten zum anderen wird durch den fünften und den sechsten Absatz der Präambel bestätigt, in denen darauf hingewiesen wird, dass die Vertragsparteien den Willen „zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit“ haben und anerkennen, dass sie „durch gemeinsame Werte in Bezug auf Datenschutz und Schutz der Privatsphäre verbunden sind“.

68.      Ebenso geht aus dem 15. Absatz der Präambel ausdrücklich die Verpflichtung Kanadas hervor, sicherzustellen, dass die zuständige kanadische Behörde „PNR-Daten zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität unter strikter Einhaltung der in dem [geplanten Abkommen] enthaltenen Garantien für den Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten verarbeitet“.

69.      Das geplante Abkommen soll daher Kanada gestatten, die PNR-Daten der Fluggäste, die von den Fluggesellschaften, die Flüge zwischen der Union und Kanada durchführen, übermittelt werden, zu verarbeiten, um den Terrorismus und andere grenzübergreifende schwere Kriminalität zu bekämpfen, wobei aber das Recht auf Schutz der Privatsphäre und des Schutzes personenbezogener Daten unter den vom geplanten Abkommen selbst vorgeschriebenen Bedingungen sicherzustellen ist.

70.      Dieser notwendige Ausgleich zwischen diesen beiden Zielen wird in Art. 1 des geplanten Abkommens bekräftigt, der bestimmt, dass die Vertragsparteien festlegen, unter welchen Bedingungen PNR-Daten „zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu übermitteln und zu verwenden und wie sie zu schützen sind“.

71.      Auch die Prüfung des Inhalts des geplanten Abkommens bestätigt, dass die Möglichkeit der Bekämpfung des Terrorismus und der anderen grenzübergreifenden schweren Kriminalität durch die Übermittlung und Verarbeitung von PNR-Daten nur gestattet ist, wenn die fraglichen Daten einen angemessenen Schutz genießen.

72.      So stellt Kanada nach Art. 3 Abs. 1 des geplanten Abkommens sicher, dass die zuständige kanadische Behörde die erhaltenen PNR-Daten „nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verarbeitet“, wobei diese Verarbeitung „auf der Grundlage dieses Abkommens“ zu erfolgen hat. Dies bedeutet insbesondere, dass nach Art. 5 des geplanten Abkommens „[v]orbehaltlich der Einhaltung dieses Abkommens … davon ausgegangen [wird], dass die zuständige kanadische Behörde … einen angemessenen Schutz im Sinne der einschlägigen EU-Datenschutzvorschriften gewährleistet“.

73.      Ebenso gestattet im Kontext der Speicherung von PNR-Daten und der schrittweisen Anonymisierung durch Unkenntlichmachung dieser Daten nach Art. 16 des geplanten Abkommens Abs. 4 dieses Artikels die Aufhebung der Unkenntlichmachung durch die kanadischen Behörden nur, „wenn aufgrund der verfügbaren Informationen Untersuchungen nach Maßgabe des Artikels 3 [des geplanten Abkommens] durchgeführt werden müssen“.

74.      Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 des geplanten Abkommens gestatten außerdem die Weitergabe der PNR-Daten an andere Staatsbehörden in Kanada oder in Drittländern nur unter abschließend aufgezählten Bedingungen, darunter u. a. die, dass zum einen die fraglichen Behörden „Aufgaben [ausüben, die] einen direkten Bezug zum Anwendungsbereich des Artikels 3 [des geplanten Abkommens] aufweisen“, und zum anderen diese Behörden einen den im geplanten Abkommen beschriebenen Garantien entsprechenden Schutz gewährleisten oder entsprechende Schutznormen anwenden.

75.      Unbeschadet des Erfordernisses, die beiden verfolgten Ziele in Einklang zu bringen, beziehen sich einige Bestimmungen des geplanten Abkommens jedoch mehr auf das Ziel der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität, andere dagegen mehr auf das der notwendigen Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der personenbezogenen Daten.

76.      So verpflichtet speziell in Bezug auf das erste Ziel Art. 6 Abs. 2 des geplanten Abkommens Kanada dazu, auf Ersuchen des Europäischen Polizeiamts (Europol) oder der Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union (Eurojust) im Rahmen ihres jeweiligen Mandats oder auf Ersuchen der Polizei- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats der Union in konkreten Fällen PNR-Daten oder analytische Informationen auszutauschen, die im Rahmen des geplanten Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, „um eine terroristische Straftat oder grenzübergreifende schwere Kriminalität in der Europäischen Union zu verhindern, aufzudecken, zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen“. Darüber hinaus sieht Art. 23 Abs. 2 des geplanten Abkommens vor, dass die Vertragsparteien zusammenarbeiten, um die Kohärenz ihrer jeweiligen Verarbeitungsregelungen für PNR-Daten auch künftig in einer Weise zu gewährleisten, „die der Sicherheit der Bürger in Kanada, der [Europäischen Union] und andernorts förderlich ist“.

77.      Hinsichtlich der Bestimmungen, die eher zu den Garantien des geplanten Abkommens im Bereich des Datenschutzes gehören, sieht dieses eine Reihe von Vorschriften über die Datensicherheit und ‑integrität (Art. 9 des geplanten Abkommens), über das Recht von Einzelpersonen auf Zugang, auf Berichtigung und Anbringung eines Bestreitungsvermerks (Art. 12 und 13 des geplanten Abkommens), über die Aufsicht bei der Verarbeitung von PNR-Daten sowie über verwaltungsrechtliche und gerichtliche Rechtsbehelfe für die betroffenen Personen (Art. 10 und 14 des geplanten Abkommens) vor.

78.      In Anbetracht des Ziels und des Inhalts des geplanten Abkommens verfolgt dieses also zwei Ziele und besitzt zwei wesentliche Komponenten, was letztlich der überwiegende Teil der Beteiligten akzeptiert oder zumindest zugestanden hat.

79.      Entgegen den Ausführungen der Beteiligten zur Stützung ihrer anderen Auffassung ist es meines Erachtens schwierig zu entscheiden, welches dieser beiden Ziele gegenüber dem anderen überwiegt.

80.      Wie nämlich mit der Beschreibung des Ziels und des Inhalts des geplanten Abkommens hat aufgezeigt werden sollen, sind diese beiden Ziele gemeinsam zu verfolgen und scheinen letztlich untrennbar miteinander verbunden zu sein. Zum einen sind, wie ich dargelegt habe, die Übermittlung von PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde und ihre Verarbeitung durch diese zu den in Art. 3 des geplanten Abkommens genannten Zwecken gemäß Art. 5 des geplanten Abkommens nur gestattet, wenn diese Vorgänge mit einem angemessenen Schutz der Daten im Sinne der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften einhergehen. Mit anderen Worten kann die vom geplanten Abkommen vorgesehene Übermittlung der PNR-Daten nicht rechtmäßig erfolgen, wenn ein solcher Schutz nicht gewährleistet ist. Zum anderen sind die vom geplanten Abkommen im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten vorgesehenen Garantien nur erforderlich, weil die PNR-Daten nach den kanadischen Rechtsvorschriften und den Bestimmungen des geplanten Abkommens an die zuständige kanadische Behörde übermittelt werden müssen. Wie mehrere Bestimmungen des geplanten Abkommens, z. B. die Art. 16, 18 und 19, zeigen, soll das geplante Abkommen also das Sicherheitsziel mit dem Ziel des Schutzes der Grundrechte der betroffenen Einzelnen, insbesondere dem des Schutzes ihrer personenbezogenen Daten, in Einklang bringen.

81.      Alles in allem bin ich der Ansicht, dass diese zwei Zielsetzungen und diese zwei Komponenten des geplanten Abkommens untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass eine gegenüber der anderen nur zweitrangig und mittelbar ist.

82.      Diese Beurteilung kann durch das Vorbringen der Kommission zu Rn. 56 des Urteils vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346), nicht entkräftet werden. In diesem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Übermittlung der PNR-Daten in die Vereinigten Staaten eine Verarbeitung darstellt, die die öffentliche Sicherheit und die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten im strafrechtlichen Bereich betrifft.

83.      Zunächst betrifft das vorliegende Gutachtenverfahren nämlich das geplante Abkommen mit Kanada und nicht das erste mit den Vereinigten Staaten im Jahr 2004 geschlossene Abkommen und die von der Kommission im selben Jahr erlassene Angemessenheitsentscheidung, gegen die die Nichtigkeitsklagen des Parlaments gerichtet waren.

84.      Sodann reißt die Kommission, was viel schwerer wiegt, mit ihrer Auslegung die Feststellung des Gerichtshofs in dieser Randnummer des Urteils vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346), das, wohlgemerkt, lange vor dem Erlass des Vertrags von Lissabon ergangen war, aus ihrem Zusammenhang.

85.      Der Gerichtshof war nämlich vom Parlament ersucht worden, u. a. zu bestimmen, ob die Kommission befugt war, auf der Grundlage von Art. 25 der Richtlinie 95/46 eine Entscheidung über die Angemessenheit des Schutzes in Bezug auf die Verarbeitung der in den Passenger Name Records enthaltenen und in die Vereinigten Staaten übermittelten personenbezogenen Daten zu erlassen, obwohl Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie insbesondere Verarbeitungen, die die öffentliche Sicherheit und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich betrafen, aus ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich ausschloss. Der Gerichtshof hat diese Frage logischerweise verneint. Die Verarbeitung der PNR-Daten im Kontext des Abkommens mit den Vereinigten Staaten konnte nämlich nicht der Erbringung einer Dienstleistung zugeordnet werden, sondern fand in dem von den staatlichen Stellen geschaffenen, der öffentlichen Sicherheit dienenden Rahmen statt, der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 fiel(29).

86.      Diese Beurteilung bedeutet jedoch nicht, dass der Gerichtshof endgültig über den Gegenstand der PNR-Abkommen, einschließlich ‒ wie argumentiert wurde ‒ desjenigen des geplanten Abkommens, entschieden oder sogar endgültig festgestellt hätte, dass diese Abkommen das ausschließliche, hauptsächliche oder überwiegende Ziel der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität hätten, wie die Kommission zu Unrecht zu verstehen gibt.

87.      Die Feststellung des Gerichtshofs im Urteil vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346), bedeutet offenkundig auch nicht, dass er mit seiner Entscheidung über den materiellen Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 gleichzeitig und im Voraus Grenzen für denjenigen von Art. 16 AEUV aufgestellt hätte.

88.      Zur Stützung ihrer Auffassung, wonach das Sicherheitsziel des geplanten Abkommens überwiege und daher die gewählte Rechtsgrundlage rechtfertige, versucht die Kommission außerdem, eine Analogie zwischen der vorliegenden Rechtssache und der, in der das Urteil vom 6. Mai 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑43/12, EU:C:2014:298), ergangen ist, herzustellen.

89.      In dieser Rechtssache, die die Bestimmung der geeigneten Rechtsgrundlage der Richtlinie 2011/82/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte(30) betraf, hat der Gerichtshof, nachdem er festgestellt hatte, dass das überwiegende Ziel der Richtlinie die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit ist, entschieden, dass das mit der Richtlinie eingeführte System für den Informationsaustausch „das Instrument darstellt, mit dem die Richtlinie [dieses] Ziel … verfolgt“(31). Die Richtlinie 2011/82 hätte daher nicht auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 2 AEUV (Polizeiliche Zusammenarbeit), sondern auf der von Art. 91 Abs. 1 Buchst. c AEUV, der unter den die Verkehrspolitik betreffenden Titel fällt, erlassen werden müssen.

90.      Ich räume zwar ein, dass eine teilweise Analogie zwischen den beiden Fällen besteht, doch ändert das nichts am Ergebnis, dass das geplante Abkommen zwei Ziele verfolgt und zwei Komponenten aufweist, die untrennbar miteinander verbunden sind. Dass die Übermittlung der PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde das Instrument darstellen kann, mit dem die Vertragsparteien das in dem geplanten Abkommen angeführte Ziel der öffentlichen Sicherheit verfolgen, ändert daher nichts an der Feststellung, dass der Gegenstand des geplanten Abkommens, wie er insbesondere in seinem Art. 1 beschrieben ist, zweierlei umfasst. Im Übrigen liegt die Besonderheit des geplanten Abkommens, die es gerade von der Richtlinie 2011/82 unterscheidet, darin, dass die angestrebte größtmögliche Wirksamkeit des Instruments der Übermittlung der PNR-Daten zur Erreichung der in Art. 3 des geplanten Abkommens genannten Zwecke in Einklang zu bringen ist mit den von diesem Abkommen vorgesehenen Garantien im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten, die gerade zum zweiten Ziel des Abkommens gehören.

91.      Schließlich überzeugen auch die Argumente des Parlaments zur Stützung seiner Auffassung nicht, dass der „Schwerpunkt“ des geplanten Abkommens sich überwiegend in den Garantien finde, die seine Bestimmungen den Fluggästen im Bereich des Schutzes ihrer PNR-Daten biete, was es rechtfertige, dass sich der Beschluss über den Abschluss dieses Rechtsakts ausschließlich auf Art. 16 AEUV gründe.

92.      Zum einen trifft die Behauptung nicht zu, dass das geplante Abkommen keine Verpflichtung der Fluggesellschaften vorsehe, die PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde zu übermitteln, damit diese Daten entsprechend den in Art. 3 des geplanten Abkommens aufgeführten Zwecken verarbeitet werden. Zwar stellt, wie das Parlament in seinen schriftlichen Erklärungen darlegt, Art. 4 Abs. 1 des geplanten Abkommens klar, dass die Europäische Union nur dafür sorgt, dass Fluggesellschaften „nicht daran gehindert werden“, der zuständigen kanadischen Behörde die PNR-Daten zu übermitteln. Aus der Auslegung dieses Artikels („Gewährleistung der Bereitstellung von PNR-Daten“) in Verbindung mit den Art. 5(32), 20(33) und 21(34) des geplanten Abkommens ergibt sich jedoch, wie das Parlament im Übrigen auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs eingeräumt hat, dass die Fluggesellschaften de iure und de facto gehalten sind, der zuständigen kanadischen Behörde zu den in Art. 3 des geplanten Abkommens festgelegten Zwecken den Zugang zu den PNR-Daten planmäßig zu verschaffen.

93.      Zum anderen kann der Gegenstand des geplanten Abkommens nicht grundsätzlich mit einer Angemessenheitsentscheidung gleichgestellt werden, die derjenigen entspricht, die die Kommission im Rahmen des Abkommens von 2006 erlassen hat(35). Wie bereits dargelegt, zeigen sowohl die Zielsetzung als auch der Inhalt des geplanten Abkommens vielmehr, dass das Abkommen die zwei von ihm verfolgten Ziele in Einklang bringen soll und dass diese untrennbar miteinander verbunden sind.

94.      Was ist also die Folge dieser Feststellung zur Bestimmung der Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens?

2.      Zur zutreffenden Rechtsgrundlage

95.      Wie bereits erwähnt steht fest, dass sich der Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gründet, die beide unter den Dritten Teil Titel V („Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“) des AEU-Vertrags fallen.

96.      In Anbetracht der oben beschriebenen zwei Ziele und der zwei Komponenten des geplanten Abkommens, die untrennbar miteinander verbunden sind, sind diese materiellen Rechtsgrundlagen meines Erachtens zwar zumindest teilweise relevant, aber unzureichend. Ich bin nämlich der Ansicht, dass es unter Berücksichtigung der Rechtsprechung sachgerecht und auch möglich ist, den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV zu stützen.

a)      Zur Relevanz von Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV

97.      Was den ersten Punkt, nämlich die Relevanz von Art. 82 Abs. 1 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV anbelangt, so muss zunächst Übereinstimmung erzielt werden, dass es für die Errichtung eines RFSR erforderlich ist, dass die Union ihre Außenkompetenz ausüben kann.

98.      Abgesehen von dem Fall der Rückübernahmeabkommen nach Art. 79 Abs. 3 AEUV, der die Einwanderungspolitik betrifft und im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist, wurde der Union keine allgemeine ausdrückliche Außenkompetenz für den RFSR übertragen. Allerdings gestattet Art. 216 Abs. 1 AEUV der Union, internationale Übereinkünfte zu schließen, einschließlich solcher im Bereich der polizeilichen und/oder justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, insbesondere wenn dies zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich ist.

99.      Keiner der Beteiligten stellt diese Möglichkeit in Frage. Der Gerichtshof kann sich jedoch meines Erachtens nicht auf diese Feststellung beschränken. Nach meiner Meinung müsste er dieser Frage in dem Gutachten, um das er ersucht worden ist, einige Ausführungen widmen.

100. Um eine Außenkompetenz der Union im Bereich des RFSR anzuerkennen, ist es erforderlich, dass man die Ausübung dieser Zuständigkeit im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen an den vom RFSR verfolgten Zielen festmachen kann.

101. Diese Ziele sind in Art. 3 Abs. 2 EUV und in Art. 67 AEUV aufgeführt. Die erste dieser Bestimmungen sieht vor, dass „[d]ie Union … ihren Bürgerinnen und Bürgern einen [RFSR] ohne Binnengrenzen [bietet], in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen … sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist“. Art. 67 AEUV, der den Dritten Teil Titel V Kapitel 1 des AEU-Vertrags eröffnet, bestimmt in seinem Abs. 3, dass die Union „darauf hin[wirkt], durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität sowie von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, zur Koordinierung und Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden … ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten“.

102. Wie Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen vom 30. Januar 2014 in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:41, Rn. 111 und 112) zu Recht ausgeführt hat, ist die Außendimension des RFSR im Hinblick auf die in diesen beiden Vorschriften zum Ausdruck kommenden Ziele funktional und instrumental. Auch wenn der Aufbau des RFSR ein auswärtiges Handeln der Union erforderlich machen kann, folgt daraus, dass ein Abkommen, um als unter den RFSR fallend gelten zu können, eine enge Verbindung zur Freiheit, zur Sicherheit und zum Recht innerhalb der Union, d. h. eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Ziel der inneren Sicherheit der Union und dem Ausbau der polizeilichen und/oder justiziellen Zusammenarbeit außerhalb der Union aufweisen muss(36).

103. In einem anderen Kontext, aber in diesem Sinne hat der Gerichtshof bei der Auslegung von Art. 87 Abs. 2 AEUV im Licht von Art. 67 AEUV darauf hingewiesen, dass ein Rechtsakt der Union angesichts seiner Zielsetzung und seines Inhalts auf den erstgenannten Artikel nur gestützt werden kann, wenn dieser Rechtsakt unmittelbar im Zusammenhang mit den in Art. 67 AEUV genannten Zielen steht(37).

104. Das ist meines Erachtens bei dem geplanten Abkommen der Fall.

105. Erstens gilt dieses Abkommen nämlich für die Übermittlung, Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten, deren Ziel die öffentliche Sicherheit und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich sind(38), d. h. insbesondere die Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität. Nach Art. 1 des geplanten Abkommens dient dieses u. a. „zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit“, was selbstverständlich die Sicherheit der Unionsbürger, insbesondere derjenigen, die von den Flugverbindungen zwischen Kanada und der Europäischen Union Gebrauch machen, einschließt(39). Außerdem verpflichtet Art. 6 Abs. 2 des geplanten Abkommens Kanada, u. a. auf Ersuchen der Polizei- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats der Union in konkreten Fällen PNR-Daten oder analytische Informationen auszutauschen, die im Rahmen des geplanten Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, um eine terroristische Straftat oder grenzübergreifende schwere Kriminalität „in der Europäischen Union“ zu verhindern oder aufzudecken.

106. Zweitens stellen die Bestimmungen des geplanten Abkommens, auch wenn die Erhebung und die erstmalige Übermittlung der PNR-Daten von den Fluggesellschaften durchgeführt werden, einen von staatlichen Stellen zu Strafverfolgungszwecken geschaffenen rechtlichen Rahmen dar(40). So schafft, wie bereits dargelegt, das geplante Abkommen Vorschriften über den Zugang zu den PNR-Daten und/oder zu analytischen Informationen, die solche Daten enthalten, durch die zuständigen kanadischen Behörden sowie die weitere Übermittlung dieser Daten insbesondere an die zuständigen Polizei- oder Justizbehörden der Union und ihrer Mitgliedstaaten sowie von Drittländern insbesondere zu den in Art. 3 des geplanten Abkommens genannten Zwecken. Wie sich außerdem klar aus der Erörterung vor dem Gerichtshof ergeben hat, wurde die Dauer der Speicherung der PNR-Daten von fünf Jahren nach Art. 16 Abs. 1 und 5 des geplanten Abkommens festgelegt, um die Untersuchung, die strafrechtliche Verfolgung und die gerichtlichen Verfahren insbesondere in Bezug auf internationale Netze schwerer krimineller Aktivitäten zu ermöglichen und zu erleichtern. Im Licht des sehr weiten Wortlauts von Art. 16 Abs. 5 des geplanten Abkommens können diese Untersuchungen und strafrechtlichen Verfolgungen durchaus solche durch die Polizei- oder Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Union umfassen. Solche Vorschriften fallen grundsätzlich in den von der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen erfassten Bereich(41).

107. Daraus folgt meines Erachtens, dass Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV eine zutreffende Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens darstellt, soweit dieses die Maßnahmen betrifft, die das Parlament und der Rat zum „Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen“ für die Zwecke der polizeilichen Zusammenarbeit im Bereich „d[er] Verhütung oder d[er] Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechende[r] Ermittlungen“ nach Art. 87 Abs. 1 AEUV erlassen können. Ich weise der Vollständigkeit halber darauf hin, dass diese Zusammenarbeit und dieser Austausch nicht notwendigerweise zwischen Behörden erfolgen müssen, die im nationalen Recht speziell als Polizei im engeren Sinne eingestuft sind. Nach Art. 87 Abs. 1 AEUV umfasst nämlich die polizeiliche Zusammenarbeit in besonders weitem Sinne „alle… zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der Polizei, des Zolls und anderer … Strafverfolgungsbehörden“(42), eine Formulierung, die im Kontext der Außendimension des RFSR durchaus die Zusammenarbeit mit der CBSA erlaubt, um die innere Sicherheit der Union zu gewährleisten.

108. Zum Aspekt der „justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen“ des geplanten Abkommens habe ich trotz der oben in den Nrn. 105 und 106 dieser Schlussanträge genannten Gesichtspunkte gewisse Bedenken, ob das geplante Abkommen eine Maßnahme darstellen kann, die im Sinne von Art. 82 Abs. 1 Buchst. d AEUV unmittelbar dazu beiträgt, „die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Strafverfolgung sowie des Vollzugs und der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern“. Wie u. a. die Regierung des Vereinigten Königreichs in ihrer Antwort auf eine der schriftlichen Fragen des Gerichtshofs eingeräumt hat, könnte das geplante Abkommen nur in bestimmten Fällen eine solche Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten erleichtern. Eine solche Zusammenarbeit hängt jedenfalls von einer Reihe von tatsächlichen und rechtlichen Parametern ab, die sich den Bestimmungen des geplanten Abkommens entziehen. Die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten scheint daher nur eine mittelbare Folge des vom geplanten Abkommen geschaffenen Rahmens zu sein. Zwar kann die Tatsache, dass Art. 6 des geplanten Abkommens nicht nur die zuständige kanadische Behörde, sondern allgemeiner „Kanada“ verpflichtet, PNR-Daten oder analytische Informationen an die Justizbehörden der Mitgliedstaaten zu übermitteln, so verstanden werden, dass auch den Justizbehörden dieses Drittstaats eine solche Verpflichtung auferlegt wird. Selbst wenn diese Auslegung richtig und ein Austausch von PNR-Daten zwischen Justizbehörden denkbar wäre, scheint das geplante Abkommen bei seiner jetzigen Formulierung nicht wirklich dazu beizutragen, die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten zu erleichtern. Meines Erachtens könnte Art. 82 Abs. 1 Buchst. d AEUV eine zusätzliche Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss dieses Abkommens nur darstellen, wenn der Gerichtshof diese Bestimmung, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 67 Abs. 3 AEUV ‒ wonach die Union „darauf hin[wirkt], durch Maßnahmen … zur Koordinierung und Zusammenarbeit von … Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden … ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten“ ‒ weiter auslegte oder wenn die Vertragsparteien die Bestimmungen des geplanten Abkommens im Sinne einer unmittelbareren Berücksichtigung der justiziellen Dimension des geplanten Abkommens änderten.

109. Ich weise noch darauf hin, dass das Ergebnis, dass Art. 82 Abs. 1 Buchst. d AEUV keine tragfähige Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens sein kann, nicht durch das von einigen Beteiligten vorgebrachte Argument entkräftet wird, dass die Beschlüsse des Rates über den Abschluss der PNR-Abkommen mit Australien und den Vereinigten Staaten auf diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt worden seien(43). Nach ständiger Rechtsprechung spielt es nämlich für die Überprüfung der Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des im vorliegenden Fall geplanten Abkommens keine Rolle, welche Rechtsgrundlage für den Erlass anderer Handlungen der Union, die gegebenenfalls ähnliche Merkmale aufweisen, herangezogen wurde(44).

110. Unter diesen Umständen bin ich angesichts der derzeitigen Fassung des geplanten Abkommens der Meinung, dass Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV eine zutreffende Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens darstellt.

111. Allerdings reicht diese materielle Rechtsgrundlage, die im Entwurf des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens zutreffend genannt wird, meines Erachtens nicht aus, um der Union den Abschluss des Abkommens zu gestatten.

b)      Zur Notwendigkeit, den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV zu stützen

112. Wie nämlich das Parlament in seinem Antrag zu Recht vorgebracht hat, sieht weder Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV noch allgemein Titel V über den RFSR im Dritten Teil des AEU-Vertrags den Erlass von Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten vor.

113. Wie ich oben aufgezeigt habe, ist eines der beiden wesentlichen Ziele des geplanten Abkommens laut seinem Art. 1 gerade, „fest[zulegen] …, unter welchen Bedingungen [die PNR-Daten]“ der Fluggäste, die von den Flugverbindungen zwischen Kanada und der Europäischen Union Gebrauch machen, „zu schützen sind“. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der Inhalt des geplanten Abkommens, insbesondere die Bestimmungen im Kapitel über die „Garantien für die Verarbeitung von PNR-Daten“, das die Art. 7 bis 21 des geplanten Abkommens umfasst, dieses Ziel bestätigen.

114. In diesem Kontext muss meines Erachtens das Handeln der Union zwangsläufig auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV gestützt werden, der, wie gesagt, dem Parlament und dem Rat die Aufgabe überträgt, Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten u. a. durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr zu erlassen. Für diesen Ansatz sprechen drei Hauptgründe.

115. Zunächst ist, wie bei den vorstehend zur Außendimension des RFSR dargelegten Erwägungen, davon auszugehen, dass die Union nach Art. 216 Abs. 1 AEUV befugt ist, ein internationales Abkommen mit einem Drittland zu schließen, dessen Gegenstand die Festlegung von Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten ist, wenn dies erforderlich ist, um eines der Ziele der Verträge, im vorliegenden Fall die des Art. 16 AEUV, zu verwirklichen. Das ist bei dem geplanten Abkommen der Fall, bei dem eines der wichtigen Ziele im Wesentlichen darin besteht, festzulegen, wie der Schutz der PNR-Daten der Fluggäste, die von den Flugverbindungen zwischen Kanada und der Europäischen Union Gebrauch machen, gewährleistet wird. Außerdem besteht meiner Meinung nach kein Zweifel, dass die Bestimmungen des geplanten Abkommens als „Vorschriften“ über den Schutz der Daten natürlicher Personen im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV einzustufen sind, deren Ziel die Bindung der Vertragsparteien ist.

116. Sodann soll ‒ anders als der frühere Art. 286 EG ‒ Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV, der sich im Ersten Teil Titel II („Allgemein geltende Bestimmungen“) dieses Vertrags findet, die Rechtsgrundlage für alle auf Unionsebene erlassenen Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten sein, einschließlich derjenigen Vorschriften, die sich in den Rahmen des Erlasses von Maßnahmen einfügen, die unter die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen fallen. Wie nämlich Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 2 bestimmt, müssen nur die im Kontext der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erlassenen Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten auf Art. 39 EUV gestützt werden. Diese Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV wird dadurch bestätigt, dass es zum einen keinen Hinweis auf den etwaigen Erlass von Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gibt. Dagegen sah vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Art. 30 Abs. 1 Buchst. b EUV vor, dass ein gemeinsames Vorgehen im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit das Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen einschließen konnte, „wobei die entsprechenden Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten zu beachten sind“. Dieser Wortlaut berechtigte im Übrigen den Rat zum Erlass des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden(45). Zum anderen haben, worauf ich später zurückkommen werde, die Bestimmungen der Protokolle (Nr. 21) und (Nr. 22) sehr wohl die Möglichkeit vorgesehen, dass Vorschriften auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten erlassen werden, die in den Anwendungsbereich der Kapitel des AEU-Vertrags über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen fallen.

117. Daraus folgt ‒ um jeden Zweifel angesichts der Mehrdeutigkeit des von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vertretenen Standpunkts auszuräumen ‒, dass zwischen Art. 16 AEUV zum einen und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV sowie Art. 82 Abs. 1 Buchst. d AEUV zum anderen keine hierarchische Beziehung im Sinne von lex generalis zu lex specialis bestehen kann. Wie nämlich u. a. die oben angeführten Protokolle zeigen, haben die Hohen Vertragsparteien die Möglichkeit, einen Rechtsakt der Union gleichzeitig auf diese drei Artikel zu stützen, gerade deshalb in Betracht gezogen, weil diese Bestimmungen unterschiedliche Anwendungsbereiche haben.

118. Schließlich kann, wie insbesondere das Parlament, die Kommission und der EDSB in ihren jeweiligen Antworten auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs geltend gemacht haben, die Eignung von Art. 16 AEUV als Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht deshalb bezweifelt werden, weil die Schutzmaßnahmen, deren Erlass dieser Artikel gestattet, sich auf die Datenverarbeitung durch die Behörden der Mitgliedstaaten und nicht wie im vorliegenden Fall auf die Übermittlung von zuvor von privaten Unternehmen (den Fluggesellschaften) erhobenen Daten an ein Drittland beziehen.

119. Zum einen scheint nämlich, um Generalanwalt Léger sinngemäß wiederzugeben, die Verpflichtung einer Luftfahrtgesellschaft nach Art. 4 in Verbindung mit den Art. 5, 20 und 21 des geplanten Abkommens, eine Reihe von PNR-Daten direkt an Kanada zu übermitteln, „nicht weit ab von einem unmittelbaren Datenaustausch zwischen staatlichen Stellen zu liegen“(46). Zum anderen liefe, da der Gerichtshof bestätigt hat, dass unter die Definition der „Verarbeitung von Daten“ im Sinne der Richtlinie 95/46 die Übermittlung personenbezogener Daten durch einen privaten Wirtschaftsteilnehmer aus einem Mitgliedstaat in ein Drittland fällt(47), eine streng wörtliche Auslegung der durch Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV geschaffenen neuen Rechtsgrundlage darauf hinaus, die Regelung über den Schutz personenbezogener Daten aufzusplittern. Eine solche Auslegung steht offensichtlich im Widerspruch zur Absicht der Hohen Vertragsparteien, eine grundsätzlich einheitliche Rechtsgrundlage zu schaffen, die die Union ausdrücklich dazu ermächtigt, Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten natürlicher Personen zu erlassen. Es wäre ein schwer zu erklärender Rückschritt gegenüber der vorherigen Regelung, die sich auf die Bestimmungen des Vertrags über den Binnenmarkt gründete. Diese streng wörtliche Auslegung von Art. 16 AEUV nähme dieser Bestimmung somit einen großen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit.

120. Folglich muss in Anbetracht der Ziele und der Komponenten des geplanten Abkommens, die untrennbar miteinander verbunden sind, der Rechtsakt über den Abschluss dieses Abkommens meines Erachtens auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als materielle Rechtsgrundlage gestützt werden.

121. Nach der Rechtsprechung erfordert die Heranziehung mehrerer Rechtsgrundlagen für den Erlass eines Unionsrechtsakts, dass sich die für die verschiedenen fraglichen Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren miteinander vereinbaren lassen(48).

122. Im vorliegenden Fall sehen sowohl Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV als auch Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV vor, dass das Parlament und der Rat den Erlass der in diesen beiden Artikeln genannten Maßnahmen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen. Gleiches gilt im Übrigen für die auf Art. 82 Abs. 1 Buchst. d AEUV gestützten Maßnahmen, falls der Gerichtshof diesen Artikel als zutreffende materielle Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens ansehen sollte.

123. Folglich lassen sich die in diesen Artikeln jeweils speziell vorgesehenen Verfahren im Sinne der Rechtsprechung miteinander vereinbaren. Sie hindern somit den Gerichtshof nicht, mehrere Rechtsgrundlagen für den Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens heranzuziehen.

124. Der Rat, unterstützt durch Irland, macht hingegen geltend, dass man über diese Feststellung hinausgehen müsse, indem man die Modalitäten der Beteiligung des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs im Rat prüfe, wie sie sich aus den Bestimmungen der Protokolle (Nr. 21) und (Nr. 22) jeweils ergäben. Nach Ansicht dieser Beteiligten stehen diese Modalitäten einer gemeinsamen Anwendung von Art. 16 AEUV und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als materielle Rechtsgrundlage entgegen. Im Einzelnen hat der Rat in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof ‒ nicht ohne einige Widersprüche und Unstimmigkeiten ‒ vorgetragen(49), dass die Bestimmungen dieser Protokolle zwischen der Frage der fehlenden Verbindlichkeit der auf der Grundlage von Art. 16 AEUV festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen fielen, und der Frage der Beteiligung dieser drei Mitgliedstaaten an der Abstimmung im Rat, wenn dieser solche Vorschriften zu erlassen habe, unterschieden. Daraus folge, dass diese drei Mitgliedstaaten zwar nicht am Erlass der Maßnahmen, die in den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen fielen, beteiligt seien, sofern nicht Irland und das Vereinigte Königreich entschieden hätten, ihr „Opt-in“-Recht auszuüben, wohl aber weiterhin am Erlass der Vorschriften, die sich auf Art. 16 AEUV stützten, auch wenn diese Maßnahmen nach den jeweiligen Protokollen für sie nicht bindend seien.

125. Dieses Vorbringen verdient eine gewisse Beachtung, selbst wenn es meiner Meinung nach letztlich zurückzuweisen ist.

126. Bekanntlich hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die beiden in Rede stehenden Protokolle „keine wie auch immer gearteten Auswirkungen auf die Frage der geeigneten Rechtsgrundlage“ für den Erlass eines Unionsrechtsakts haben können(50). Daher können nach dieser Rechtsprechung, wenn die Analyse des Ziels und des Inhalts des geplanten Abkommens entgegen der von mir oben vertretenen Ansicht zu dem Ergebnis führen sollte, dass der Rechtsakt über den Abschluss dieses Abkommens ausschließlich auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV gestützt werden muss, die beiden in Rede stehenden Protokolle diese Feststellung trotz des Wortlauts von Art. 29 des geplanten Abkommens nicht „neutralisieren“. Mit anderen Worten, die drei fraglichen Mitgliedstaaten müssten am Erlass des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens teilnehmen und durch dieses gebunden sein.

127. Die Anwendung dieser Rechtsprechung im Fall einer Konkurrenz der beiden Rechtsgrundlagen, die dasselbe Erlassverfahren (ordentliches Gesetzgebungsverfahren und Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Rat) vorsehen, aber die Beteiligung der drei betreffenden Mitgliedstaaten im Rat beim Erlass des fraglichen Rechtsakts auf unterschiedliche Weise berühren, erweist sich als schwieriger.

128. Soweit es hier darum geht, die zutreffende Rechtsgrundlage eines bestimmten Rechtsakts, nämlich des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens, zu bestimmen, muss dieses Problem, was Irland und das Vereinigte Königreich betrifft, nicht gelöst werden. Es steht nämlich fest, dass diese beiden Mitgliedstaaten nach Art. 3 des Protokolls (Nr. 21) ihre Absicht mitgeteilt haben, sich an das geplante Abkommen zu binden, so dass sie am Erlass seines Abschlussakts beteiligt werden. In Bezug auf diese beiden Mitgliedstaaten spricht also kein verfahrensrechtliches Argument dagegen, dass der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird.

129. Was die Position des Königreichs Dänemark betrifft, so gilt nach Art. 2a des Protokolls (Nr. 22), dass dessen Art. 2, wonach u. a. nach dem Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags beschlossene Maßnahmen oder nach jenem Titel geschlossene internationale Übereinkünfte für Dänemark nicht bindend sind, auch Anwendung findet auf die auf der Rechtsgrundlage von Art. 16 AEUV festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 und 5 des genannten Vertrags fallen, d. h. die die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen.

130. Die Bestimmungen des geplanten Abkommens werden daher für das Königreich Dänemark nicht bindend sein. Der Rat macht jedoch geltend, dass Art. 2a des Protokolls (Nr. 22) durch seinen Hinweis allein auf Art. 2 dieses Protokolls und nicht auf dessen Art. 1, dem zufolge das Königreich Dänemark sich nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat beteilige, die nach dem Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags vorgeschlagen würden, im Umkehrschluss impliziere, dass das Königreich Dänemark sich am Erlass des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens beteilige, wenn dieses auf Art. 16 AEUV gegründet werden müsste.

131. Diese Argumentation überzeugt mich nicht oder hat zumindest nicht die Folgen, die sich daraus nach Ansicht des Rates in Bezug auf die Wahl der Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens ergeben.

132. Ich denke nämlich nicht, dass die Hohen Vertragsparteien dem Königreich Dänemark die Möglichkeit einräumen wollten, nicht durch einen Rechtsakt gebunden zu sein, der sich sowohl auf Art. 16 AEUV als auch eine der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen als Rechtsgrundlage stützt, sich aber gleichzeitig am Erlass dieses Rechtsakts zu beteiligen, mit der damit verbundenen Gefahr, dass das Königreich Dänemark sich einer Gruppe von Mitgliedstaaten anschließen könnte, die dem Erlass dieses Rechtsakts gerade entgegentreten, so dass keine qualifizierte Mehrheit im Rat zustande käme. Das widerspricht meines Erachtens dem Zweck des Protokolls (Nr. 22), nämlich einen Ausgleich zu finden zwischen dem Erfordernis, Rücksicht auf die Sonderstellung des Königreichs Dänemark zu nehmen, und dem Erfordernis, den anderen Mitgliedstaaten (einschließlich gegebenenfalls Irlands und des Vereinigten Königreichs) den weiteren Ausbau ihrer Zusammenarbeit im Bereich des RFSR zu ermöglichen.

133. Man kann gegenüber dieser Auslegung allerdings einwenden, dass nach der Präambel des Protokolls (Nr. 22) die Hohen Vertragsparteien zur Kenntnis nehmen, dass das Königreich Dänemark die anderen Mitgliedstaaten nicht daran hindern wird, ihre Zusammenarbeit in Bezug auf Maßnahmen, die für Dänemark nicht bindend sind, weiter auszubauen. Dem Königreich Dänemark wäre nach dieser Ansicht zwar die Beteiligung an der Annahme von Rechtsakten nach Art. 2a dieses Protokolls, die für es nicht bindend sind, gestattet, es hätte sich jedoch verpflichtet, deren Annahme niemals zu verhindern.

134. Wenn diese Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Protokolls (Nr. 22) zutreffend sein sollte, wäre die Folge, dass der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht auf Art. 16 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zusammen gestützt werden könnte, weil die Verfahren für den Erlass des Rechtsakts bloß durch die rein formale Beteiligung des Königreichs Dänemark an diesem Erlass angeblich unvereinbar sind. Somit würde diese rein formale Beteiligung des Königreichs Dänemark am Erlass des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens die objektive Analyse der Rechtsgrundlage dieses Rechtsakts, die sich wie gesagt auf die Prüfung der Ziele und der Komponenten dieses Abkommens gründet, „neutralisieren“. Diese Folge würde offenkundig gegen die Rechtsprechung verstoßen, wonach nicht das Verfahren für die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts maßgebend ist, sondern die Rechtsgrundlage für das beim Erlass des Rechtsakts anzuwendende Verfahren maßgebend ist(51). Diese Rechtsprechung ist meines Erachtens erst recht anwendbar, wenn das Verfahren, das im Rat angeblich zu befolgen ist, eine rein formale Beteiligung des Königreichs Dänemark am Erlass eines Rechtsakts implizierte, der für diesen Mitgliedstaat jedenfalls nicht bindend sein wird.

135. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite Frage des Parlaments in dem Sinne zu antworten, dass der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens in Anbetracht der Zielsetzungen und der Komponenten dieses Abkommens, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die einen gegenüber den anderen akzessorisch sind, auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV(52) gestützt werden muss.

VII – Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Bestimmungen des AEU-Vertrags und der Charta (erste Frage)

A –    Zusammenfassung des Antrags und der Erklärungen des Parlaments sowie der Erklärungen der anderen Beteiligten

1.      Zusammenfassung des Antrags und der Erklärungen des Parlaments

136. Das Parlament vertritt die Ansicht, dass insbesondere in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechtsunsicherheit herrsche, ob das geplante Abkommen mit Art. 16 AEUV sowie mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar sei.

137. Es sei offensichtlich, dass das Erheben, Übermitteln, Analysieren, Speichern und Weiterübermitteln der PNR-Daten, die vom geplanten Abkommen vorgesehen seien, verschiedene „Verarbeitungen“ und verschiedene Ausprägungen des Eingriffs in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte darstellten. In seinen verschiedenen Ausprägungen sei dieser Eingriff von großem Ausmaß und besonders schwerwiegend(53).

138. Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta könne ein solcher Eingriff nur gerechtfertigt sein, wenn er „gesetzlich vorgesehen“ sowie erforderlich sei und im rechten Verhältnis zu einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung stehe.

139. Zum ersten Punkt stellt sich das Parlament im Wesentlichen die Frage, ob ein internationales Abkommen ein „Gesetz“ im Sinne dieser Bestimmung sei und ob durch ein solches Abkommen eine Einschränkung der Ausübung der in den Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte möglich sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Auslegung des Begriffs „gesetzlich vorgesehen“, der in Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verwendet werde, müsse sich jeder Eingriff auf „internes Recht“ gründen. Da die Rechtsordnung der Union durch den Vertrag von Lissabon tiefgreifend geändert worden sei, indem das Konzept des „Gesetzgebungsakts“ eingeführt worden sei, entspreche der Ausdruck „gesetzlich vorgesehen“ dem Begriff „Gesetzgebungsakt“ im Unionsrecht. Ein internationales Abkommen erfülle diese Qualifikation nicht.

140. Zum zweiten Punkt, nämlich der Erforderlichkeit des Eingriffs, ist das Parlament der Ansicht, dass der Rat und die Kommission anhand objektiver Gesichtspunkte nachzuweisen hätten, dass der Abschluss des geplanten Abkommens tatsächlich erforderlich im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta sei. Solche Gesichtspunkte scheine es nicht zu geben.

141. Zum dritten Punkt schließlich, der die Verhältnismäßigkeit des vom geplanten Abkommen vorgesehenen Eingriffs betrifft, trägt das Parlament vor, der Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers sei eingeschränkt, so dass die Anforderungen der Charta, auch im Kontext des Abschlusses eines internationalen Abkommens, einer strikten Kontrolle unterlägen. Insoweit falle das geplante Abkommen in die Kategorie „Überwachungsvorkehrungen allgemeinerer Art“ im Sinne der Rechtsprechung des EGMR(54), so dass die Argumente des Gerichtshofs im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), auch im vorliegenden Fall gälten.

142. Erstens betreffe das geplante Abkommen in umfassender Weise Personen, die nach Kanada reisten, ohne dass ein Zusammenhang zwischen den betreffenden Personen, ihren PNR-Daten und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit bestehe.

143. Zweitens fragt sich das Parlament, ob das geplante Abkommen objektive Kriterien vorsehe, die es tatsächlich ermöglichten, den Zugang der kanadischen Behörden zu den PNR-Daten und deren spätere Nutzung zwecks Verhütung, Feststellung oder strafrechtlicher Verfolgung auf Straftaten zu beschränken, die selbst als hinreichend schwer angesehen werden könnten. Die im Abkommensentwurf aufgezählten Kriterien seien nämlich vage. So werde im geplanten Abkommen nicht angegeben, um welche „zuständige kanadische Behörde“, die Zugang zu den PNR-Daten haben werde, es sich handele, und Art. 3 Abs. 2 des geplanten Abkommens verweise für den Begriff der „schweren Kriminalität“ auf kanadisches Recht, ohne dass im Unionsrecht anerkannte Beschränkungen vorgesehen seien und ohne dass die strafbaren Handlungen, die unter diesen Begriff fielen, bestimmt seien. Ebenso lasse Art. 3 Abs. 5 des geplanten Abkommens eine Verarbeitung von PNR-Daten durch „Kanada“ in anderen Bereichen als dem Strafrecht zu und könnte die Übermittlung von PNR-Daten durch „die zuständige kanadische Behörde“ an andere kanadische Behörden oder sogar an Privatleute ermöglichen. Außerdem bestimme Art. 16 Abs. 2 des geplanten Abkommens nicht die Zahl der Personen, die Zugang zu den PNR-Daten hätten, und der Zugang der kanadischen Behörden zu diesen Daten unterliege keiner vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsbehörde.

144. Drittens legt das Parlament dem Gerichtshof nahe, festzustellen, dass die Dauer der Speicherung der PNR-Daten von fünf Jahren nach Art. 16 Abs. 5 des geplanten Abkommens nicht gerechtfertigt sei. Für diese Dauer gebe es keine auf objektiven Kriterien beruhende Begründung, und es sei keine Rechtfertigung vorgebracht worden. Diese Dauer sei außerdem ohne Erläuterungen gegenüber der im Rahmen des Abkommens von 2006 vorgesehenen Dauer verlängert worden.

145. Viertens werde im geplanten Abkommen nicht verlangt, dass die PNR-Daten im Unionsgebiet gespeichert würden. So sei nicht vollumfänglich gewährleistet, dass die in Art. 8 Abs. 3 der Charta und Art. 16 Abs. 2 AEUV ausdrücklich verlangte Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht werde. In diesem Kontext bestünden ernste Zweifel daran, ob die von den kanadischen Behörden zu ergreifenden Maßnahmen den wesentlichen Bestimmungen dieser Artikel genügten. Insbesondere gewährleiste Art. 10 des geplanten Abkommens keine Überwachung durch eine unabhängige kanadische Stelle und bestimme nicht rechtlich hinreichend die Befugnisse, einschließlich einer vorherigen Kontrolle, über die diese Behörde verfüge, um prüfen zu können, ob diese „angemessen“ im Sinne des Unionsrechts seien.

146. In Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichtshofs hat das Parlament u. a. darauf hingewiesen, dass die Erkenntnisse aus dem Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), für die Beurteilung der Vereinbarkeit des geplanten Abkommens entsprechend gälten. Die tatsächliche Beachtung der materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den erstmaligen Zugang zu den personenbezogenen Daten habe auch für die Weiterübermittlung dieser Daten und für ihren Zugang durch andere kanadische Behörden oder Behörden von Drittstaaten zu gelten. Das sei jedoch bei den von den Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens vorgesehenen Bedingungen nicht der Fall. Außerdem sei der Wortlaut von Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens nicht eindeutig.

2.      Zusammenfassung der Erklärungen der anderen Beteiligten

147. Was die anderen Beteiligten betrifft, so teilt der EDSB in seinen Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs und in seinen mündlichen Ausführungen im Wesentlichen die Zweifel und Bedenken des Parlaments, während die am vorliegenden Verfahren beteiligten Regierungen sowie der Rat und die Kommission der Ansicht sind, dass das geplante Abkommen mit Art. 16 AEUV sowie Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar sei. Ihre Erklärungen betreffen im Wesentlichen den sich aus den Vorschriften des geplanten Abkommens ergebenden Eingriff in das Grundrecht des Einzelnen auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und die Erfüllung der Kriterien in Art. 52 Abs. 1 der Charta (ein „gesetzlich vorgesehener“ Eingriff, um eine von der Union anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung zu erreichen, der im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels erforderlich und verhältnismäßig ist).

148. Erstens räumen die estnische und die französische Regierung ausdrücklich ein, dass die Bestimmungen des geplanten Abkommens in das nach Art. 8 der Charta garantierte Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten eingreifen. Die französische Regierung weist jedoch darauf hin, dass die Pflicht der Fluggesellschaften zur Übermittlung der PNR-Daten keinen solchen Eingriff darstelle, da sie nicht vom geplanten Abkommen, sondern von den kanadischen Rechtsvorschriften vorgesehen werde. Der Gerichtshof könne jedoch nicht mit einem Gutachten über die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften eines Drittstaats mit den Verträgen befasst werden. Außerdem macht die Regierung geltend, dass die im geplanten Abkommen enthaltenen Eingriffe weniger weitreichend seien als die, die der Rechtssache zugrunde lägen, in der das Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), ergangen sei. So würden weniger Daten übermittelt und seien weniger Personen durch das geplante Abkommen betroffen als bei der in jenem Urteil in Rede stehenden Richtlinie. Darüber hinaus erlaubten die PNR-Daten nicht, sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Fluggäste zu ziehen. Schließlich sehe Art. 11 des geplanten Abkommens eine Verpflichtung zur Transparenz vor, so dass sich nicht sagen lasse, das Erheben der PNR-Daten und ihre spätere Nutzung könnten bei den Betroffenen das Gefühl hervorrufen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung sei.

149. Zweitens vertreten die estnische Regierung, Irland, die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission zur Frage der Rechtsgrundlage eines solchen Eingriffs die Ansicht, dass dieser Eingriff die Voraussetzung erfülle, „gesetzlich vorgesehen“ im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta zu sein.

150. Drittens machen die bulgarische und die estnische Regierung, Irland, die spanische und die französische Regierung sowie der Rat und die Kommission zu dem von diesem Eingriff verfolgten Ziel geltend, dass die Übermittlung und spätere Nutzung der PNR-Daten insbesondere der Bekämpfung des Terrorismus dienten und daher einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entsprächen.

151. Viertens weisen die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission zur Erforderlichkeit eines solchen Eingriffs zunächst darauf hin, dass eine wachsende Nachfrage von Drittländern bestehe, die die Übermittlung von PNR-Daten zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit für erforderlich hielten. Die Kommission räumt ein, dass es keine aussagekräftigen Statistiken zum Beitrag dieser Daten zur Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung der Kriminalität und des Terrorismus gebe. Die unerlässliche Nutzung der PNR-Daten werde jedoch durch Informationen aus Drittländern und Mitgliedstaaten, die diese Daten bereits zu Strafverfolgungszwecken nutzten, bestätigt. Die Erfahrung aus diesen Ländern zeige, dass die Nutzung von PNR-Daten insbesondere in der Bekämpfung des Drogenhandels, des Menschenhandels und des Terrorismus zu deutlichen Fortschritten geführt habe und erlaube, die Zusammensetzung und die Funktionsweise der Terroristennetze und anderer krimineller Netze besser zu verstehen. Die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission ergänzen, die von der CBSA übermittelten Informationen belegten, dass die PNR-Daten zur Auffindung und Identifikation von Personen, die möglicherweise terroristischer Handlungen oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität verdächtig seien, maßgeblich beigetragen hätten.

152. Fünftens weisen die estnische Regierung, der Rat und die Kommission zur Verhältnismäßigkeit des in Rede stehenden Eingriffs als Erstes auf die Anforderungen hin, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere dem Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), ergeben. Insbesondere ist die estnische Regierung der Auffassung, dass die Erkenntnisse dieses Urteils zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und zur gerichtlichen Kontrolle der Grenzen dieses Spielraums im vorliegenden Fall anwendbar seien. Irland macht hingegen geltend, dass zu berücksichtigen sei, dass der fragliche Rechtsakt internationalen Charakter habe und das Ergebnis von Verhandlungen sei, während die französische Regierung vorbringt, dass der Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers nicht übermäßig eingeschränkt werden könne, da der im vorliegenden Fall fragliche Eingriff nicht besonders schwerwiegend sei. Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Meinung, dass die öffentliche Sicherheit ihrer Art nach Fragen aufwerfe, für die dem Gesetzgeber ein „angemessener Ermessensspielraum“ einzuräumen sei, um zu bestimmen, ob eine Maßnahme offensichtlich ungeeignet sei. Das geplante Abkommen könne nicht als „Überwachungsvorkehrung allgemeiner Art“ eingestuft werden, sondern gehöre eher zu den üblichen Verfahren der Grenzkontrolle.

153. Als Zweites bringen die bulgarische und die estnische Regierung, Irland, die spanische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission auch vor, dass das geplante Abkommen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachte. Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht zunächst geltend, ohne das geplante Abkommen bestünde die Gefahr, dass die Maßnahmen gegenüber den Fluggästen aus der Union weniger gezielt und eingriffsintensiver seien. Die PNR-Daten erlaubten es, sich gezielter und wirksamer auf die „Personen von Interesse“, die zu bestimmten Ereignissen oder Orten reisten, zu konzentrieren, so dass die Sicherheitskontrollen und Wartezeiten für die anderen Fluggäste verringert werden könnten. Sodann sind diese Regierungen und diese Organe im Wesentlichen der Meinung, dass sich das geplante Abkommen von der Richtlinie unterscheide, die der Rechtssache Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238) zugrunde gelegen habe. Insbesondere enthalte das geplante Abkommen, anders als diese Richtlinie, strenge Vorschriften über die Bedingungen für den Zugang und die Nutzung der Daten sowie Vorschriften über die Datensicherheit und die Überwachung durch eine unabhängige Stelle. Außerdem sehe das geplante Abkommen eine Aufsicht über die Einhaltung dieser Vorschriften, die Information der betroffenen Personen über die Übermittlung und Verarbeitung ihrer Daten, ein Verfahren auf Zugang zu den Daten und auf ihre Berichtigung sowie verwaltungsrechtliche und gerichtliche Rechtsbehelfe vor, um die Wahrung dieser Rechte sicherzustellen.

154. Zum Vorbringen des Parlaments, dass das geplante Abkommen keinen Zusammenhang zwischen den PNR-Daten und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit verlange, weisen die estnische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission im Wesentlichen darauf hin, dass durch die Nutzung der PNR-Daten Personen identifiziert werden sollten, von denen die zuständigen Dienststellen bis dahin nicht gewusst hätten, dass sie eine etwaige Gefahr für die Sicherheit darstellten, da die insoweit bekannten Personen auf der Grundlage der erweiterten Fluggastdaten (Advance Passenger Information – API) identifiziert werden könnten. Das Ziel der Verhinderung könne daher nicht erreicht werden, wenn nur die PNR-Daten von verdächtigen Personen, die bereits gemeldet seien, übermittelt würden.

155. Als Drittes sind nach Ansicht dieser Beteiligten die Rügen des Parlaments und des EDSB betreffend den Wortlaut und die Versäumnisse des geplanten Abkommens ebenfalls zurückzuweisen.

156. So lässt nach Meinung des Rates und der Kommission der Umstand, dass Art. 3 Abs. 3 des geplanten Abkommens auf kanadisches Recht verweise, nicht den Schluss zu, dass das Abkommen zu vage sei. Es sei schwierig, in einem internationalen Abkommen die Definition einer Handlung, die als „schwere Kriminalität“ eingestuft werde, zu verwenden, die ausschließlich im Unionsrecht vorgesehen sei. Ebenso machen diese Organe zu Art. 3 Abs. 5 Buchst. b des geplanten Abkommens geltend, dass diese Bestimmung die von der kanadischen Verfassung allen kanadischen Behörden auferlegte Verpflichtung widerspiegle, einer gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten. Außerdem sei die etwaige Möglichkeit des Zugangs zu den PNR-Daten in einem solchen Fall von der Justizbehörde im Hinblick auf die Kriterien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit geprüft worden und werde im Beschluss des Richters begründet.

157. Darüber hinaus vertreten der Rat und die Kommission zu der Begrenzung der Behörden und Personen mit Zugang zu den PNR-Daten die Auffassung, dass die fehlende Angabe der zuständigen kanadischen Behörde im geplanten Abkommen eine verfahrensrechtliche Frage sei, die sich nicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auswirke. Jedenfalls sei die zuständige kanadische Behörde im Sinne von Art. 2 Buchst. d des geplanten Abkommens der Kommission im Juni 2014 notifiziert worden. Es handele sich um die CBSA, die allein zur Entgegennahme und zur Verarbeitung von PNR-Daten berechtigt sei. Die „begrenzte Anzahl von durch Kanada eigens hierzu befugten Bediensteten“ nach Art. 16 Abs. 2 des geplanten Abkommens bedeute, dass es sich um Bedienstete der CBSA handeln müsse und dass diese zur Verarbeitung von PNR-Daten befugt sein müssten. Zusätzliche Garantien würden Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b sowie Abs. 4 und 5 des geplanten Abkommens enthalten.

158. Außerdem weist die Kommission zur fehlenden vorherigen Kontrolle vor dem Zugang zu den PNR-Daten darauf hin, dass Gegenstand des geplanten Abkommens gerade sei, die Übermittlung von PNR-Daten an die CBSA zu Zwecken des Zugangs zu diesen Daten zu gestatten, so dass eine solche vorherige Kontrolle den Gegenstand des Abkommens ändern würde. Irland ergänzt, dass eine solche vorherige Kontrolle nicht geboten sei, da nach dem geplanten Abkommen die Zahl der Personen, die zum Zugang zu den fraglichen Daten und zu ihrer Nutzung berechtigt seien, auf das absolut Notwendige begrenzt sei und ein Bündel von zusätzlichen Garantien in seinen Art. 11 bis 14, 16, 18 und 20 vorgesehen sei.

159. Überdies trägt zunächst Irland zur Frage der Speicherung der PNR-Daten vor, es sei, da in Art. 5 des geplanten Abkommens davon ausgegangen werde, dass die zuständige kanadische Behörde einen angemessenen Schutz der PNR-Daten gewährleiste und eine Aufsicht durch eine unabhängige Stelle bestehe, anders als bei der Richtlinie, die dem Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), zugrunde liege, nicht erforderlich, dass die Daten im Unionsgebiet gespeichert würden. Sodann machen der Rat und die Kommission geltend, die Dauer der Speicherung von fünf Jahren nach Art. 16 des geplanten Abkommens gehe nicht über das hinaus, was im Hinblick auf das verfolgte Ziel der öffentlichen Sicherheit unbedingt erforderlich sei, und könne insofern nicht abstrakt beurteilt werden. Die im Abkommen von 2006 vorgesehene Dauer von dreieinhalb Jahren habe die effektive Nutzung der PNR-Daten durch die kanadischen Behörden zur Aufdeckung von Fällen, in denen ein hohes Risiko für Terrorismus oder organisiertes Verbrechen bestanden habe, wegen der für die diesbezüglichen Nachforschungen erforderlichen Zeit erheblich beeinträchtigt. Außerdem ist laut dem Rat die Dauer der Speicherung der PNR-Daten unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Dauer der strafrechtlichen Ermittlungen, der durchschnittlichen Lebensdauer der Netze schwerer Kriminalität und der Tatsache, dass die Terrorzellen für einige Jahre zu „Schläfern“ werden könnten, festgelegt worden. Die estnische Regierung, Irland und die französische Regierung weisen darauf hin, dass aufgrund der Komplexität und Schwierigkeit der Ermittlungen bei terroristischen Handlungen und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zwischen der Reise und dem Moment, zu dem die Strafverfolgungsbehörden zur Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung solcher Straftaten Zugang zu den PNR-Daten benötigten, ein Zeitraum von manchmal mehreren Jahren liegen könne. In ihren jeweiligen Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs liefern die spanische und die französische Regierung auch eine Reihe konkreter Beispiele, in denen das Verfahren der Überprüfung und der Abgleich der Informationen sich über ungefähr fünf Jahre erstreckt habe und wo die PNR-Daten von großem Nutzen gewesen seien oder hätten sein können. Die estnische Regierung, Irland und die französische Regierung sowie der Rat und die Kommission bringen ebenso im Wesentlichen vor, dass Art. 16 des geplanten Abkommens strenge Ausführungsregeln für die Unkenntlichmachung (oder die Anonymisierung) und das Aufheben der Unkenntlichmachung der Daten vorsehe, die die personenbezogenen Daten der Fluggäste besser schützen sollten.

160. Schließlich meinen der Rat und die Kommission zur Überwachung der Einhaltung der Datenschutzvorschriften durch eine unabhängige Stelle, die in Art. 8 Abs. 3 der Charta und Art. 16 Abs. 2 AEUV gefordert wird, dass der Umstand, dass das geplante Abkommen nicht die zuständige kanadische Behörde bestimme, die Angemessenheit der von Kanada zu ergreifenden Maßnahmen nicht in Frage stelle. Die zuständigen Behörden nach den Art. 10 und 14 des geplanten Abkommens seien der Kommission mitgeteilt worden. Es handele sich um den kanadischen Datenschutzbeauftragten (Privacy Commissioner) und das Recourse Directorate der CBSA. Diese Behörden erfüllten das Erfordernis der Unabhängigkeit, die es ihnen ermögliche, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen, auch wenn das Recourse Directorate der CBSA eine „durch administrative Mittel eingerichtete Stelle“ im Sinne der Art. 10 und 14 des geplanten Abkommens sei. Das Recourse Directorate der CBSA sei nach den Erläuterungen der kanadischen Behörden eine unabhängige Stelle, die für die Prüfung von Beschwerden und verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfen zuständig sei, die von nicht in Kanada ansässigen Ausländern eingereicht würden. Außerdem können laut der Kommission die Entscheidungen dieser Behörde vor dem kanadischen Datenschutzbeauftragten (Privacy Commissioner) über eine in Kanada ansässige Person angefochten werden.

161. Sechstens haben die Regierung des Vereinigten Königreichs, der Rat und die Kommission in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs sowie in der mündlichen Verhandlung eine Reihe von Klarstellungen zum Inhalt der im Anhang des geplanten Abkommens aufgeführten 19 Kategorien von PNR-Daten gegeben. Insbesondere enthält nach Ansicht der Kommission nur Rubrik 17 („Allgemeine Eintragungen einschließlich OSI- [Other Supplementary Information], SSI- [Special Service Information] und SSR-Informationen [Special Service Request]“) sensible Daten im Sinne des geplanten Abkommens. Die letzteren Daten würden nur fakultativ übermittelt, da sie einzig bei der Buchung zusätzlicher Leistungen durch den Fluggast preisgegeben werden könnten. Nach Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs sind sie nach den Bestimmungen des geplanten Abkommens nur ausnahmsweise zugänglich. Außerdem hat die französische Regierung darauf hingewiesen, dass die Erkenntnisse des Urteils vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), auf die Prüfung der Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Verträgen nicht anwendbar seien, wohingegen Irland der Meinung ist, dass dieses Urteil wichtige Hinweise zum angemessenen Schutzniveau gebe, das ein Drittland gewährleisten müsse. Der Rat und die Kommission teilen die Meinung, dass nur die Rn. 91 bis 93 und 95 dieses Urteils, die die Auslegung der Charta betreffen, im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des geplanten Abkommens anwendbar seien. Dagegen sind sie der Meinung, dass die Prüfung des geplanten Abkommens zu einem anderen Ergebnis als dem führen müsse, zu dem der Gerichtshof in diesem Urteil gekommen sei. Schließlich weisen Irland, der Rat und die Kommission zur Weitergabe nach den Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens darauf hin, dass diese Weitergabe von strengen Bedingungen und der Beachtung der in Art. 3 des geplanten Abkommens genannten Zwecke abhänge. Außerdem betont die Kommission, dass Art. 19 des geplanten Abkommens im Licht der einschlägigen kanadischen Regelung auszulegen sei.

B –    Würdigung

1.      Vorbemerkungen

162. Bevor ich auf den Kern der ersten Frage des Gutachtenantrags des Parlaments eingehe, sind meines Erachtens drei Vorbemerkungen zum Umfang der durchzuführenden Prüfung angezeigt.

163. Zunächst haben die Beteiligten, wie aus ihren Erklärungen hervorgeht, während des Verfahrens mehrfach auf die kanadische Regelung und Praxis Bezug genommen, um insbesondere gewisse Bestimmungen des geplanten Abkommens zu erläutern oder sogar zu vervollständigen. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Gerichtshof bei der Prüfung der Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit dem Primärrecht der Union im Rahmen des Verfahrens nach Art. 218 Abs. 11 AEUV nicht über die Regelung oder die Praxis eines Drittlands entscheiden kann. Der Gerichtshof kann nur die Bestimmungen des geplanten Abkommens prüfen, wie sie ihm vorgelegt wurden.

164. So verständlich und logisch diese materielle Grenze der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des Gutachtenverfahrens auch ist, führt sie doch zu gewissen Schwierigkeiten. Während nämlich feststeht, dass das geplante Abkommen den kanadischen Behörden insbesondere einen rechtlichen Rahmen bieten soll, der es erlaubt, durch die Analyse der PNR-Daten auf der Grundlage „besorgniserregender“ Verhaltensmuster oder solcher von „Interesse“(55) Methoden zur Identifikation von den Strafverfolgungsbehörden bis dahin unbekannten Fluggästen anzuwenden, werden nirgendwo in dem geplanten Abkommen diese Methoden festgelegt oder das Recht jedes als „Ziel“ erfassten Fluggasts behandelt, von den verwendeten Methoden unterrichtet zu werden und die Garantie zu erhalten, dass solche Methoden der „Zielermittlung“ einer Kontrolle durch die Verwaltung und/oder die Gerichte unterliegen. Alle diese Fragen fallen offenbar in das alleinige Ermessen der kanadischen Behörden(56). Es ist jedoch meiner Meinung nach gerechtfertigt, zu untersuchen, ob diese Fragen und Garantien im Hinblick auf die Beachtung der Art. 7 und 8 der Charta nicht in den Bestimmungen des geplanten Abkommens selbst geregelt werden sollten. Dieses Beispiel zeigt, dass eine der Schwierigkeiten der vorliegenden Rechtssache darin besteht, dass insbesondere im Hinblick auf das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten nicht nur das, was das geplante Abkommen vorsieht, sondern auch und vor allem das, was es nicht vorgesehen hat, zu prüfen ist.

165. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gutachtenantrag des Parlaments darauf beschränkt, eine Reihe von Bestimmungen des geplanten Abkommens aufzuzeigen, die nach Ansicht dieses Organs mehr oder weniger klar und deutlich mit Art. 16 AEUV und Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta unvereinbare Elemente aufweisen. Im Hinblick auf den präventiven Zweck des Gutachtenverfahrens und seine nichtstreitige Natur kann der Gerichtshof nicht verpflichtet sein, eine solche Abgrenzung des Antrags, sei sie beabsichtigt oder nicht, zu beachten. Das Gutachten 1/00 vom 18. April 2002 (EU:C:2002:231, Rn. 1), in dem der Gerichtshof in seine Prüfung der Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mehrere Bestimmungen dieses Abkommens einbezogen hat, die nicht ausdrücklich Gegenstand des Gutachtenantrags der Kommission waren, und das Gutachten 1/08 vom 30. November 2009 (EU:C:2009:739, Rn. 96 bis 105), in dem der Gerichtshof den Vorschlag des Antragstellers abgelehnt hat, seine Prüfung auf bestimmte Teile des in Rede stehenden Abkommensentwurfs, der Gegenstand des Gutachtenantrags war, zu beschränken, sind bereits sehr gute Beispiele dafür.

166. Im vorliegenden Verfahren halte ich es für angemessen, dass der Gerichtshof in seine Prüfung die Vereinbarkeit von Bestimmungen des geplanten Abkommens wie dessen Art. 18 und 19 einbezieht, die nicht Gegenstand spezifischer Rügen des Parlaments in seinem Gutachtenantrag sind, die aber die Beachtung des Gerichtshofs verdienen. Ich weise außerdem darauf hin, dass das Parlament und die anderen Beteiligten Gelegenheit hatten, zu diesen Artikeln sowohl im Rahmen ihrer Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs als auch in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

167. Schließlich halte ich in Anbetracht der Erörterung vor dem Gerichtshof den Hinweis für sinnvoll, dass nach Art. 218 Abs. 11 AEUV die Vorschriften, hinsichtlich deren die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens geprüft werden kann, nur diejenigen des Primärrechts der Union, d. h. im vorliegenden Fall die Verträge und die in der Charta genannten Rechte(57), und nicht das abgeleitete Recht umfassen. Insoweit spricht nichts dagegen, dass der Gerichtshof in seine Prüfung der materiellen Gültigkeit des geplanten Abkommens Bestimmungen des Primärrechts, die wie Art. 47 der Charta in der Frage des Parlaments nicht angeführt sind, einbezieht, wenn dies für die Zwecke des Gutachtenverfahrens erforderlich ist und die Beteiligten Gelegenheit hatten, zu diesen Bestimmungen Stellung zu nehmen. Bezüglich der Wahrung der von Art. 47 der Charta garantierten effektiven gerichtlichen Kontrolle ist dies der Fall.

168. Nach diesen Bemerkungen werden sich die folgenden Erörterungen im Wesentlichen auf die Kriterien für die Anwendung von Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta konzentrieren. Obwohl dies nicht grundsätzlich streitig ist, werde ich prüfen, ob die Bestimmungen des geplanten Abkommens einen Eingriff in die Grundrechte auf Privatleben und auf Schutz personenbezogener Daten darstellen und ob dieser Eingriff gerechtfertigt werden kann. Streitig ist natürlich die Prüfung der Rechtfertigung des Eingriffs, insbesondere seine Verhältnismäßigkeit.

2.      Zum Vorliegen eines Eingriffs in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte

169. Ohne dass die 19 Kategorien von PNR-Daten, die im Anhang des geplanten Abkommens aufgezählt werden, individuell und abschließend geprüft werden müssen, steht fest, dass sie insbesondere die Identität, die Staatsangehörigkeit und die Anschrift der Fluggäste, sämtliche verfügbaren Kontaktangaben (Wohnadresse, E‑Mail-Adresse, Telefon) des Fluggasts, der die Buchung durchgeführt hat, die Informationen über das verwendete Zahlungsmittel, gegebenenfalls einschließlich der Nummer der zur Buchung des Fluges verwendeten Kreditkarte, die Informationen über Gepäck und Reisegewohnheiten der Fluggäste sowie die Informationen über die von diesen aufgrund etwaiger gesundheitlicher Probleme, einschließlich Mobilitätsproblemen, oder besonderer Essenswünsche verlangten zusätzlichen Leistungen betreffen, die u. a. Hinweise auf den Gesundheitszustand eines oder mehrerer Reisenden, auf ihre ethnische Herkunft oder ihre religiösen Überzeugungen geben können.

170. Diese Daten berühren in ihrer Gesamtheit den Bereich des Privatlebens, ja sogar des Intimlebens, und betreffen unbestreitbar eine oder mehrere „bestimmte oder bestimmbare natürliche Person(en)“(58). Es besteht daher in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs kein Zweifel daran, dass die systematische Übermittlung der PNR-Daten an die kanadischen Behörden, der Zugang zu diesen Daten, die Nutzung und die Speicherung dieser Daten für eine Dauer von fünf Jahren durch diese Behörden sowie gegebenenfalls ihre Weiterübermittlung an andere Behörden einschließlich solcher anderer Drittländer nach den Bestimmungen des geplanten Abkommens Vorgänge sind, die in den Anwendungsbereich des von Art. 7 der Charta garantierten Grundrechts der Achtung des Privat- und Familienlebens sowie des damit „in engem Zusammenhang [stehenden]“(59), aber dennoch eigenständigen, von Art. 8 Abs. 1 der Charta garantierten Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten fallen und einen Eingriff in diese Grundrechte darstellen.

171. Der Gerichtshof hat nämlich bereits zu Art. 8 EMRK, auf den sich die Art. 7 und 8 der Charta stützen(60), entschieden, dass die Weitergabe von personenbezogenen Daten an einen Dritten – in diesem Fall an eine Behörde – ein Eingriff im Sinne dieses Artikels ist(61) und dass die Pflicht der staatlichen Stellen zur Speicherung der Daten sowie der spätere Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten über das Privatleben auch für sich genommen einen Eingriff in die von Art. 7 der Charta garantierten Rechte darstellen(62). Ebenso greift ein Unionsrechtsakt, der jegliche Form der Verarbeitung personenbezogener Daten vorsieht, in das Grundrecht auf Schutz solcher Daten nach Art. 8 der Charta ein(63). Diese Beurteilung gilt entsprechend für einen Rechtsakt der Union in Form eines von ihr geschlossenen internationalen Abkommens, wie dem geplanten Abkommen, das insbesondere einer oder mehreren Behörden eines Drittlandes die Verarbeitung und Speicherung von personenbezogenen Daten von Fluggästen gestatten soll. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Rechtsakts ist nämlich von der Achtung der in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechte abhängig(64), insbesondere der durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten.

172. Auf den von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgebrachten Umstand, dass die vom geplanten Abkommen betroffenen Personen oder zumindest der überwiegende Teil von ihnen durch den Eingriff keine Nachteile erlitten, kommt es für die Feststellung des Vorliegens eines solchen Eingriffs nicht an(65).

173. Desgleichen ist es nicht relevant, dass die Möglichkeit besteht, dass die übermittelten Informationen oder zumindest die Mehrheit von ihnen keinen sensiblen Charakter haben(66).

174. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass sich die Vertragsparteien über den Eingriff, den die Übermittlung, die Nutzung, die Speicherung und die Weiterübermittlung der PNR-Daten nach dem geplanten Abkommen bedeuten, völlig im Klaren sind, weil das Abkommen, wie aus seiner Präambel ausdrücklich hervorgeht, gerade aufgrund dieses Eingriffs die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und die der Achtung der Grundrechte auf Schutz der Privatsphäre und auf Datenschutz miteinander in Einklang zu bringen versucht.

175. Zwar kann das Bemühen der Vertragsparteien um einen solchen Ausgleich die Intensität oder die Schwere des mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffs in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte verringern.

176. Der mit dem geplanten Abkommen verbundene Eingriff ist jedoch von einem gewissen Ausmaß und einer nicht zu vernachlässigenden Schwere. Zum einen betrifft er nämlich systematisch alle Fluggäste, die von den Flugverbindungen zwischen Kanada und der Europäischen Union Gebrauch machen, d. h. mehrere Dutzend Millionen Menschen pro Jahr(67). Zum anderen ist, wie die meisten Beteiligten bestätigt haben, ganz offensichtlich, dass die Übermittlung großer Mengen personenbezogener Daten der Fluggäste, darunter auch sensibler Daten, die zwangsläufig einer automatisierten Verarbeitung unterzogen werden müssen, sowie die Speicherung dieser Daten für einen Zeitraum von fünf Jahren, es ermöglichen sollen, diese Daten ‒ gegebenenfalls retrospektiv ‒ mit im Voraus festgelegten Mustern von „risikobehaftetem“ oder „besorgniserregendem“ Verhalten im Zusammenhang mit terroristischen Handlungen und/oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität zu vergleichen, um Personen zu identifizieren, die der Polizei bis dahin unbekannt waren oder von ihr nicht verdächtigt wurden. Diese Merkmale, die offensichtlich in der Natur der vom geplanten Abkommen geschaffenen PNR-Regelung begründet liegen, können jedoch den fatalen Eindruck vermitteln, dass alle betroffenen Reisenden zu möglichen Verdächtigen gemacht werden(68).

177. Anders als das Parlament bin ich jedoch der Ansicht, dass diese Feststellung nicht für die Erhebung der PNR-Daten durch die Fluggesellschaften gilt.

178. Das geplante Abkommen regelt nämlich nicht die Erhebung dieser Daten, sondern stützt sich auf die Vermutung rechtlicher und tatsächlicher Art, dass die Fluggesellschaften die PNR-Daten jedenfalls für ihre eigenen gewerblichen Zwecke sammeln. Zweifellos beziehen sich zwar gewisse Bestimmungen des geplanten Abkommens auf das Erheben der PNR-Daten. So bestimmt sein Art. 4 Abs. 2, dass Kanada von den Fluggesellschaften keine PNR-Datenelemente verlangt, die die Fluggesellschaften nicht bereits erhoben oder gespeichert haben. Ebenso verpflichtet Art. 11 des geplanten Abkommens Kanada, dafür zu sorgen, dass die zuständige kanadische Behörde auf ihrer Website u. a. darüber informiert, „aus welchem Grund PNR-Daten erhoben werden“, und auch die Vertragsparteien haben zur Förderung der Transparenz insbesondere mit der Luftverkehrsbranche zusammenzuarbeiten und Fluggäste „vorzugsweise zum Zeitpunkt der Buchung“ des Fluges über die „Gründe für die Erhebung von PNR-Daten“ zu informieren. Zwar könnte eine solche Transparenzpflicht meines Erachtens angemessen verstärkt werden, indem vorgeschrieben wird, dass systematisch zum Zeitpunkt der Buchung des Fluges eine individuelle Information über die Gründe für die Erhebung erfolgt, doch regelt das geplante Abkommen weder den Erhebungsvorgang als solchen noch seine besonderen Modalitäten, die alle in die Zuständigkeit der Fluggesellschaften fallen, die insoweit unter Beachtung der einschlägigen nationalen Bestimmungen und des Unionsrechts handeln müssen.

179. Folglich stellt das Erheben der PNR-Daten keine Verarbeitung personenbezogener Daten dar, die mit einem Eingriff in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte verbunden ist, der sich aus dem geplanten Abkommen selbst ergibt. In Anbetracht der begrenzten Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen des Gutachtenverfahrens wird dieser Vorgang daher nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.

180. Unabhängig von dieser Feststellung zur Erhebung der PNR-Daten ist das geplante Abkommen jedoch aus den oben in den Nrn. 170 bis 176 dieser Schlussanträge dargelegten Gründen meines Erachtens mit einem schweren Eingriff in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte verbunden. Um zulässig zu sein, muss dieser Eingriff gerechtfertigt sein.

3.      Zur Rechtfertigung des Eingriffs in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte

181. Weder das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens noch das auf Schutz personenbezogener Daten sind absolute Rechte.

182. So lässt Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen der Ausübung der Rechte wie derjenigen zu, die in ihren Art. 7 und 8 Abs. 1 verankert sind, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

183. Außerdem dürfen nach Art. 8 Abs. 2 der Charta personenbezogene Daten nur „für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage“ verarbeitet werden.

184. Zunächst ist zu einer der in Art. 8 Abs. 2 der Charta genannten Voraussetzungen zu bemerken, dass das geplante Abkommen die Verarbeitung der an die zuständige kanadische Behörde übermittelten PNR-Daten nicht auf die Einwilligung der Fluggäste stützt(69). Was die Verpflichtung der Fluggesellschaften betrifft, die im Anhang des geplanten Abkommens genannten Kategorien von PNR-Daten zu übermitteln, so können sich die Fluggäste der Übermittlung dieser Daten nicht widersetzen, wenn sie auf dem Luftweg nach Kanada reisen wollen. Darüber hinaus bedeutet der in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vorgetragene Umstand, wonach gewisse PNR-Daten, die gegebenenfalls sensible Daten enthielten, nur an die Fluggesellschaft übermittelt werden könnten, wenn der Reisende spezielle Leistungen verlange, nicht, dass dieser Reisende in die Verarbeitung dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde für die Zwecke von Art. 3 des geplanten Abkommens eingewilligt hat.

185. Sodann wurde vor dem Gerichtshof nicht geltend gemacht und kann es meines Erachtens auch nicht, dass der im geplanten Abkommen enthaltene Eingriff den „Wesensgehalt“ im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta der in deren Art. 7 und Art. 8 Abs. 1 verankerten Grundrechte beeinträchtigen kann.

186. Zum einen erlaubt nämlich die Art der PNR-Daten, die Gegenstand des geplanten Abkommens sind, keine genauen Schlüsse auf den Wesensgehalt des Privatlebens der betroffenen Personen. Sie beziehen sich lediglich auf die Flugreisegewohnheiten zwischen Kanada und der Union. Überdies sieht das geplante Abkommen in seinen Art. 8, 16, 18 und 19 eine Reihe von Garantien betreffend die Unkenntlichmachung und die schrittweise Anonymisierung der PNR-Daten vor, die an die kanadischen Behörden übermittelt, von diesen verwendet und gespeichert sowie gegebenenfalls weiterübermittelt wurden, was im Wesentlichen den Schutz des Privatlebens sicherstellen soll.

187. Zum anderen ist, was den Wesensgehalt des Schutzes personenbezogener Daten betrifft, darauf hinzuweisen, dass nach Art. 9 des geplanten Abkommens Kanada u. a. „für den Schutz, die Sicherheit, die Vertraulichkeit und die Integrität der Daten [sorgen]“ sowie „regulatorische, verfahrensrechtliche oder technische Maßnahmen [ergreifen muss], um PNR-Daten vor Verarbeitung oder Verlust zu schützen und den Zugriff darauf zu verhindern, wenn dies versehentlich, unrechtmäßig oder ohne Befugnis geschieht“. Weiter müssen bei jedem Verstoß gegen die Datensicherheit wirksame und abschreckende Korrekturmaßnahmen ergriffen werden können, zu denen auch Strafen gehören können.

188. Es ist daher zu prüfen, ob die anderen für eine Rechtfertigung in Art. 8 Abs. 2 der Charta aufgestellten Voraussetzungen sowie die Voraussetzungen nach Art. 52 Abs. 1 der Charta, die sich außerdem teilweise überschneiden, erfüllt sind.

189. Ich werde mich bei zwei dieser Voraussetzungen nicht allzu lange aufhalten, denen zufolge der Eingriff zum einen „gesetzlich vorgesehen“ sein (a) und zum anderen einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entsprechen (oder eine „legitime Grundlage“ nach dem in Art. 8 Abs. 2 der Charta verwendeten Ausdruck haben) muss (b) und die meines Erachtens offenbar erfüllt sind. Dagegen werde ich die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs (c) ausführlicher erörtern.

a)      „Gesetzlich vorgesehener“ Eingriff im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta

190. Was den ersten Punkt betrifft, so lassen sich die im Wesentlichen formale Aspekte betreffenden Zweifel des Parlaments an der „gesetzlichen“ Grundlage des Eingriffs ohne Weiteres ausräumen. Nach der Rechtsprechung des EGMR bedeutet der Ausdruck „gesetzlich vorgesehen“ nach Art. 8 Abs. 2 EMRK insbesondere, dass die fragliche Maßnahme „eine Grundlage im nationalen Recht“ hat(70), und ist im materiellen und nicht im formellen Sinne zu verstehen(71). Der EGMR lässt daher zu, dass ungeschriebene Regeln diese Voraussetzung erfüllen(72). Außerdem hat der EGMR bereits entschieden, dass ein in das nationale Recht einbezogener völkerrechtlicher Vertrag ebenso dieser Anforderung entspricht(73).

191. Wie der EGMR folgt der Gerichtshof einem materiellen und nicht einem formellen Verständnis des Ausdrucks „gesetzlich vorgesehen“ in Art. 52 Abs. 1 der Charta. So hat er festgestellt, dass diese Voraussetzung im Fall von Einschränkungen der durch Art. 7 und Art. 8 der Charta garantierten Rechte durch Bestimmungen in Verordnungen der Union erfüllt ist, die jeweils von der Kommission(74) und vom Rat(75) erlassen wurden, also ohne dass das Parlament als „Mitgesetzgeber“ am Erlass dieser Rechtsakte beteiligt gewesen wäre.

192. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Rechtsakt über den Abschluss des geplanten Abkommens gemäß Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV vom Rat nur nach Zustimmung des Parlaments zum geplanten Abkommen erlassen werden kann, weil dieses Abkommen in Bereichen, nämlich denen der polizeilichen Zusammenarbeit und der Speicherung personenbezogener Daten, geschlossen wird, für die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gilt. Nach Abschluss dieser Verfahren ist das Abkommen nach Art. 216 Abs. 2 AEUV integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung und genießt Vorrang vor Rechtsakten des abgeleiteten Unionsrechts(76). Daraus folgt meines Erachtens, dass der Eingriff, der sich aus dem geplanten Abkommen ergibt, „gesetzlich vorgesehen“ im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta ist.

193. In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzen, obwohl das von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens nicht erörtert worden ist, dass allgemein gesehen das geplante Abkommen meines Erachtens auch dem zweiten Aspekt, den der Ausdruck „gesetzlich vorgesehen“ im Sinne von Art. 8 EMRK in der Auslegung durch den EGMR enthält, nämlich dem der „Qualität des Gesetzes“ entspricht. Nach der Rechtsprechung des EGMR verlangt dieser Ausdruck im Wesentlichen, dass die in Rede stehende Maßnahme zugänglich und hinreichend vorhersehbar ist, also mit anderen Worten klar genug formuliert ist, um jeden hinreichend erkennen zu lassen, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen sie den Hoheitsträger ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die seine von der EMRK geschützten Rechte beeinträchtigen(77). Das geplante Abkommen wird nach seinem Abschluss im vollen Wortlaut im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, was das Kriterium der Zugänglichkeit offenkundig erfüllt. Bezüglich des Kriteriums der Vorhersehbarkeit bin ich ‒ abgesehen von den, allerdings eher zahlreichen, spezifischen Erwägungen zur Tragweite sowie zum Grad der Genauigkeit und Klarheit mehrerer Bestimmungen des geplanten Abkommens, die später dargelegt werden(78) ‒, ebenso der Ansicht, dass das geplante Abkommen insgesamt klar genug formuliert ist, damit alle Betroffenen die Voraussetzungen und Umstände, unter denen die PNR-Daten an die kanadischen Behörden übermittelt, von diesen verarbeitet, gespeichert sowie gegebenenfalls weiterübermittelt werden, hinreichend verstehen und ihr Verhalten entsprechend einrichten können. Außerdem sieht Art. 11 des geplanten Abkommens eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen vor, die die Vertragsparteien zu erlassen haben, um die Information der Öffentlichkeit zu gewährleisten, und die insbesondere die Gründe für die Erhebung von PNR-Daten sowie ihre Nutzung und ihre Weitergabe betreffen.

b)      Eingriff, der einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entspricht

194. Der Eingriff, der sich aus dem geplanten Abkommen ergibt, entspricht meines Erachtens ohne Zweifel einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta, nämlich der Bekämpfung des Terrorismus und der (grenzübergreifenden) schweren Kriminalität zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, wie insbesondere aus der Präambel und den Art. 1 und 3 des geplanten Abkommens hervorgeht. Keiner der Beteiligten hat die Legitimität der Verfolgung einer solchen Zielsetzung durch das geplante Abkommen in Frage gestellt. Mit leicht anderer Formulierung wurde der dem Gemeinwohl dienende Charakter dieser Zielsetzung für die Zwecke der Anwendung von Art. 52 Abs. 1 der Charta außerdem bereits von der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt(79).

195. Es ist also jetzt zu prüfen, ob der Eingriff in die durch Art. 7 und Art. 8 Abs. 1 der Charta garantierten Rechte in einem angemessenen Verhältnis zu dem zulässigerweise verfolgten Ziel steht.

c)      Zur Verhältnismäßigkeit des mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffs

i)      Allgemeine Erwägungen

196. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Unionsorgane geeignet sind, die mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele zu erreichen, und nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich ist(80).

197. Insoweit haben die Beteiligten zunächst den Umfang der gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung dieser Voraussetzungen erörtert. Während das Parlament, die estnische Regierung und der EDSB das Erfordernis einer strikten Kontrolle der Einhaltung dieser Voraussetzungen befürworten, wie sie der Gerichtshof in den Urteilen vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), anerkannt habe, vertreten insbesondere Irland, die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs im Wesentlichen die Auffassung, dass der Gerichtshof den Umfang seiner Kontrolle beschränken müsse, indem er den Organen im Fall des Erlasses eines Rechtsakts im Kontext der internationalen Beziehungen und im Hinblick auf die Begrenztheit des mit diesem Rechtsakt verbundenen Eingriffs einen weiteren Ermessensspielraum gewähre.

198. Die Ansicht der letzteren Beteiligten überzeugt mich nicht.

199. Ich räume durchaus ein, dass der Umfang des Ermessensspielraums der Organe unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob der Erlass eines Rechtsakts des abgeleiteten Unionsrechts oder der Abschluss eines internationalen Abkommens geplant ist, der naturgemäß Verhandlungen mit einem oder mehreren Drittländern impliziert. Es liegt auf der Hand, dass es im besonderen Kontext der PNR-Daten, die zur Verarbeitung an Drittländer übermittelt werden, mit Sicherheit zweckmäßiger ist, ein internationales Abkommen zu schließen, das den Fluggästen, die Unionsbürger sind, einen hinreichenden Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten gewährleistet, der so weit wie möglich den Anforderungen des Unionsrechts entspricht, statt jedem der betreffenden Drittländer die einseitige Anwendung seiner nationalen Rechtsvorschriften freizustellen.

200. Diese Erwägungen sind zwar berücksichtigenswert, doch kann der Gerichtshof nicht auf die Ausübung einer strikten Kontrolle der Einhaltung der Erfordernisse verzichten, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und insbesondere aus der Angemessenheit des Schutzniveaus der in der Union garantierten Grundrechte ergeben, wenn Kanada aufgrund des geplanten Abkommens PNR-Daten verarbeitet und nutzt.

201. Die Notwendigkeit, eine derartige gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, beruht nämlich auf der besonderen Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten für das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und auf dem Ausmaß und der Schwere des Eingriffs in dieses Recht(81), wozu die große Anzahl von Personen gehören kann, deren Grundrechte im Fall der Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland verletzt werden können(82). Wie ich bereits dargelegt habe, scheint mir der mit dem geplanten Abkommen verbundene Eingriff in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte von einem gewissen Ausmaß und einer nicht zu vernachlässigenden Schwere zu sein.

202. In diesem Sinne ergibt sich aus dem Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 72 und 78), dass die Organe über einen eingeschränkten Wertungsspielraum hinsichtlich der Angemessenheit des Schutzniveaus verfügen, das durch ein Drittland, an das personenbezogene Daten übermittelt werden, gewährleistet wird, so dass eine strikte Kontrolle des Fortbestands des vom Unionsrecht vorgesehenen hohen Niveaus des Schutzes personenbezogener Daten vorzunehmen ist.

203. Das geplante Abkommen kann sich zwar, wie ich bereits ausgeführt habe, nicht auf eine Entscheidung beschränken, mit der festgestellt wird, dass die zuständige kanadische Behörde ein angemessenes Schutzniveau sicherstellt, doch sieht Art. 5 des geplanten Abkommens in der Tat vor, dass vorbehaltlich der Einhaltung dieses Abkommens davon ausgegangen wird, dass die zuständige kanadische Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz im Sinne der einschlägigen Datenschutzvorschriften der Union gewährleistet. Die Vertragsparteien haben tatsächlich die Absicht, zu garantieren, dass das in der Union erreichte hohe Niveau des Schutzes personenbezogener Daten gewährleistet werden kann, wenn die PNR-Daten nach Kanada übermittelt werden. In Anbetracht dieser Absicht sehe ich keinen Grund, warum der Gerichtshof nicht eine strikte Kontrolle der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vornehmen sollte.

204. Zwar ist entsprechend den Ausführungen des Gerichtshofs in Rn. 74 des Urteils vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), zuzugeben, dass sich die Mittel, die Kanada anwenden kann, um ein angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten, von denen unterscheiden können, die in der Union herangezogen werden. Wie jedoch der Gerichtshof in dieser Randnummer seines Urteils auch festgestellt hat, müssen sich diese Mittel gleichwohl in der Praxis als wirksam erweisen, um einen Schutz zu gewährleisten, der dem in der Union garantierten „der Sache nach gleichwertig“ ist. Dabei kann die Kontrolle des Gerichtshofs, ob das sich aus den Bestimmungen des geplanten Abkommens ergebende Schutzniveau dem vom Unionsrecht garantierten Schutzniveau „der Sache nach gleichwertig“ ist, nicht beschränkt sein.

ii)    Zur Eignung des Eingriffs zur Erreichung des vom geplanten Abkommen verfolgten Ziels der öffentlichen Sicherheit

205. Nachdem dieser Punkt geklärt ist, denke ich, dass nichts wirklich dagegen spricht, anzuerkennen, dass der mit dem geplanten Abkommen verbundene Eingriff zur Erreichung des von ihm verfolgten Ziels der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität, geeignet ist. Wie nämlich insbesondere die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission geltend gemacht haben, bietet die Übermittlung von PNR-Daten zum Zweck einer Analyse und Speicherung den kanadischen Behörden zusätzliche Möglichkeiten zur Erkennung von bis dahin unbekannten und nicht verdächtigten Fluggästen, die Verbindungen zu anderen, in ein Terroristennetz einbezogenen oder an grenzübergreifender schwerer Kriminalität beteiligten Personen und/oder Fluggästen haben könnten. Diese Daten stellen, wie die von der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission übermittelten Statistiken über die frühere Praxis der kanadischen Behörden veranschaulichen, nützliche Mittel für strafrechtliche Ermittlungen dar(83), die insbesondere im Hinblick auf die vom geplanten Abkommen geschaffene polizeiliche Zusammenarbeit auch zur Verhinderung und Aufdeckung einer terroristischen Straftat oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität innerhalb der Union beitragen können.

206. Zwar kann die Nichtbeteiligung des Königreichs Dänemark die Eignung der vom geplanten Abkommen vorgesehenen Maßnahmen, zur Stärkung der Sicherheit innerhalb der Union beizutragen, mindern, doch macht sie für sich genommen den Eingriff nicht zur Erreichung des von diesem Abkommen verfolgten Ziels der öffentlichen Sicherheit ungeeignet. Zum einen sind nämlich alle Fluggesellschaften, die Flüge nach Kanada durchführen, verpflichtet, die von ihnen erhobenen PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde zu übermitteln(84), und zum anderen ist die zuständige kanadische Behörde nach Art. 19 des geplanten Abkommens befugt, im Einzelfall, sofern strenge Bedingungen eingehalten werden, PNR-Daten an Staatsbehörden außerhalb Kanadas, deren Aufgaben einen direkten Bezug zum Zweck nach Art. 3 dieses Abkommens aufweisen, weiterzugeben(85).

iii) Zur unbedingten Erforderlichkeit des Eingriffs

207. Zur Beurteilung der unbedingten Erforderlichkeit des mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffs ist meines Erachtens zu prüfen, ob die Vertragsparteien zum einen das Ziel der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität und zum anderen dasjenige des Schutzes personenbezogener Daten unter Achtung des Privatlebens der betreffenden Personen „ausgewogen gewichtet“ haben(86).

208. Eine solche ausgewogene Gewichtung muss sich meiner Meinung nach in den Bestimmungen des geplanten Abkommens niederschlagen. Diese Bestimmungen müssen daher klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung einer Maßnahme festlegen, die einen Eingriff in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte vorsieht, und Mindestanforderungen aufstellen, so dass die betroffenen Personen über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten Nutzung ermöglichen(87). Die Bestimmungen des geplanten Abkommens müssen zudem solche Maßnahmen vorsehen, die am wenigsten in die durch die Art. 7 und 8 der Charta gewährten Rechte eingreifen, und trotzdem zu dem vom geplanten Abkommen verfolgten Ziel der öffentlichen Sicherheit wirksam beitragen(88). Dies bedeutet, dass es nicht genügt, dass weniger stark in die fraglichen Grundrechte eingreifende Alternativmaßnahmen abstrakt vorstellbar sind; diese alternativen Maßnahmen müssen auch hinreichend wirksam sein(89), d. h., sie müssen meines Erachtens ebenso wirksam sein wie die vom geplanten Abkommen zur Erreichung des von ihm verfolgten Ziels der öffentlichen Sicherheit vorgesehenen Maßnahmen.

209. In Bezug darauf haben die Beteiligten sowohl die unbedingte Erforderlichkeit der PNR-Abkommen im Allgemeinen als auch einige Bestimmungen des geplanten Abkommens erörtert. Da diese beiden Aspekte meiner Auffassung nach eng miteinander verknüpft sind, sind sie meines Erachtens bei der Prüfung der verschiedenen Teile des geplanten Abkommens zu behandeln.

210. Ich werde mich daher auf die folgenden acht Punkte konzentrieren, die speziell Gegenstand des Gutachtenantrags sind oder die von den Beteiligten im Verfahren vor dem Gerichtshof erörtert worden sind: die vom geplanten Abkommen genannten Kategorien von PNR-Daten, die hinreichende Genauigkeit des Ziels, für das die Verarbeitung von PNR-Daten gestattet ist, die Bestimmung der für die Verarbeitung von PNR-Daten zuständigen Behörde, die automatisierte Verarbeitung von PNR-Daten, den Zugang zu den PNR-Daten, die Speicherung der PNR-Daten, die Weiterübermittlung der PNR-Daten und schließlich die vom geplanten Abkommen vorgesehenen Maßnahmen zur Aufsicht und gerichtlichen Kontrolle.

–       Zu den vom geplanten Abkommen genannten Kategorien von PNR-Daten

211. Wie bereits gesagt sieht das geplante Abkommen die Übermittlung von 19 Kategorien von PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde vor, die von den Fluggesellschaften für Buchungen von Flügen erhoben werden und im Anhang dieses Abkommens aufgezählt sind.

212. Vor dem Gerichtshof haben die Beteiligten Ausführungen gemacht zur Bedeutung einiger dieser Kategorien und zu ihren etwaigen Überschneidungen mit den Daten, die von den kanadischen Behörden zu Zwecken der Grenzkontrolle oder, seit dem 15. März 2016, für die Erteilung einer elektronischen Reisegenehmigung (Electronic Travel Authorization, im Folgenden: eTA) erhoben werden, sowie zur Bestimmung der PNR-Daten, die sensible Daten enthalten könnten. Dazu hat die Kommission im Verfahren vor dem Gerichtshof vorgebracht, dass nur Rubrik 17 („Allgemeine Eintragungen einschließlich OSI- [Other Supplementary Information], SSI- [Special Service Information] und SSR-Informationen [Special Service Request]“) im Anhang des geplanten Abkommens sensible Daten im Sinne des geplanten Abkommens enthalten könne. Außerdem hat sich aus der Erörterung vor dem Gerichtshof ergeben, dass die Informationen in Rubrik 17 nur übermittelt werden, wenn die Person, die einen Flug bucht, bestimmte Leistungen an Bord verlangt, z. B. Unterstützungsleistungen, die gegebenenfalls im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen, Mobilitätsproblemen oder Sonderkostwünschen stehen, die eventuell Hinweise auf den Gesundheitszustand geben oder aus denen die ethnische Herkunft oder die religiösen Überzeugungen dieser Person oder der sie begleitenden Fluggäste hervorgehen könnten.

213. Es steht fest, dass die 19 Kategorien von PNR-Daten, deren Übermittlung an die zuständige kanadische Behörde vom geplanten Abkommen vorgesehen ist, den Kategorien entsprechen, die in den Buchungssystemen der Fluggesellschaften erscheinen. Diese Kategorien entsprechen auch den PNR-Datenelementen, die in Anhang I der Leitlinien zu Fluggastdatensätzen genannt werden, die die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) erlassen und im Jahr 2010 veröffentlicht hat(90). Die in diesen Kategorien enthaltenen Elemente sind daher den Marktteilnehmern in der Luftverkehrsbranche durchaus bekannt. Diese Elemente betreffen letztlich alle erforderlichen Informationen zur Buchung eines Fluges, sei es bezüglich der für die Buchung und für die Zahlung verwendeten Mittel, der gewählten Reiseroute oder der gegebenenfalls an Bord verlangten Leistungen.

214. Wie außerdem Irland, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission dargelegt haben, enthalten die PNR-Daten in ihrer Gesamtheit zusätzliche Informationen zu den Daten, welche die kanadischen Einwanderungsbehörden zu Zwecken der Grenzkontrolle erheben. Die erweiterten Fluggastdaten (Advance Passenger Information – API) biografischer Art und über die gewählte Reiseroute, die von den Fluggesellschaften erhoben werden, sollen nämlich in erster Linie die Kontrolle der Identität der Fluggäste an der Grenze erleichtern und beschleunigen, indem sie gegebenenfalls ermöglichen, die Beförderung von Personen zu verhindern, die z. B. mit einem Aufenthaltsverbot belegt sind, oder bestimmte bereits identifizierte Fluggäste einer eingehenderen Kontrolle an der Grenze zu unterziehen(91). Ebenso ist in Kanada das neue Erfordernis einer eTA unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Einwanderungspolitik dieses Landes eingeführt worden, weil danach jede Person, die auf dem Luftweg nach Kanada einreisen will und keiner Visumpflicht unterliegt, auf der Grundlage von biografischen und die Einreise und den Aufenthalt in Kanada betreffenden Auskünften elektronisch eine vorherige Reisegenehmigung einholen muss, deren Geltungsdauer höchstens fünf Jahre beträgt(92). Diese Art von Daten erlaubt jedoch nicht, Informationen über die für die Buchung und die Zahlung verwendeten Mittel sowie über die Reisegewohnheiten zu erlangen, deren Abgleich einen gewissen Nutzen bei der Bekämpfung des Terrorismus und anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität aufweist. Unabhängig von den zur Verarbeitung dieser Daten verwendeten Methoden wären die API-Daten und die für die Erlangung einer eTA erforderlichen Daten daher nicht hinreichend, um das vom geplanten Abkommen verfolgte Ziel der öffentlichen Sicherheit ebenso wirksam zu erreichen.

215. Zwar werden diese Kategorien von PNR-Daten an die kanadischen Behörden in Bezug auf alle Reisenden übermittelt, die von einer Flugverbindung zwischen Kanada und der Union Gebrauch machen, ohne dass ein Anhaltspunkt dafür bestehen muss, dass das Verhalten dieser Reisenden in einem Zusammenhang mit terroristischen Handlungen oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität stehen könnte.

216. Wie jedoch die Beteiligten ausgeführt haben, liegt die Bedeutung der PNR-Regelungen, seien sie einseitig erlassen oder Gegenstand eines internationalen Abkommens, gerade in der Garantie der massenhaften Übermittlung von Daten, die den zuständigen Behörden erlaubt, mit Hilfe von Instrumenten zur automatisierten Verarbeitung und im Voraus festgelegten Szenarien oder Beurteilungskriterien Personen zu identifizieren, die den Strafverfolgungsbehörden unbekannt waren, aber für die öffentliche Sicherheit von „Interesse“ oder eine Gefahr sein könnten und daher später eingehenderen individuellen Kontrollen unterzogen werden können.

217. Ich habe allerdings ernste Zweifel, ob die Formulierung gewisser Kategorien von PNR-Daten im Anhang des geplanten Abkommens hinreichend klar und präzise ist. Einige von ihnen sind nämlich sehr oder sogar zu offen formuliert, so dass eine angemessen informierte Person die Art oder den Umfang der personenbezogenen Daten, die diese Kategorien umfassen können, nicht bestimmen kann. Ich denke dabei vor allem an Rubrik 5 „Verfügbare Vielflieger- und Bonus-Daten (d. h. Gratisflugscheine, Upgrades usw.)“, an Rubrik 7 „Sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, einschließlich Informationen zur Identifizierung des Dateneingebers“, sowie die bereits angeführte Rubrik 17 „Allgemeine Eintragungen“. Die Erläuterungen der Kommission in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs haben diese Zweifel nicht ausräumen können. Insbesondere zu Rubrik 7 hat dieses Organ zugegeben, dass es sich um „sämtliche Kontaktangaben im Zusammenhang mit der Buchung, darunter u. a. Postanschrift oder E‑Mail-Adresse, Telefonnummer des Reisenden, der Person oder des Reisebüros, die oder das den Flug gebucht hat“, handele, wobei dies nicht abschließend sei. Ebenso hat die Kommission zu Rubrik 17 angegeben, dass sie alle „zusätzlichen Informationen neben den an anderer Stelle im Anhang des geplanten Abkommens aufgelisteten“ betreffe.

218. Das geplante Abkommen sieht zwar gewisse Garantien vor, die sicherstellen sollen, dass die übermittelten Daten nicht über die Elemente im Besitz der Fluggesellschaften hinausgehen, die in der Liste im Anhang des geplanten Abkommens aufgezählt sind. Aus Art. 4 Abs. 3 des geplanten Abkommens geht nämlich hervor, dass keine anderen Daten an die zuständige kanadische Behörde zu übermitteln sind, da Kanada bei Erhalt alle übermittelten Daten zu löschen hat, wenn sie nicht in den Kategorien im Anhang des geplanten Abkommens aufgeführt sind. So sind zwar nach der Angabe in Rubrik 8 dieses Anhangs die den Flug betreffenden verfügbaren Zahlungsinformationen an die zuständige kanadische Behörde zu übermitteln, doch dürfen sie keine Informationen über die Modalitäten der Bezahlung anderer Leistungen umfassen, die nicht unmittelbar mit dem Flug verknüpft sind, wie die Miete eines Fahrzeugs bei der Ankunft.

219. Da einige Rubriken sehr oder sogar zu offen formuliert sind, ist allerdings besonders schwer zu begreifen, welche Daten als von der Übermittlung an Kanada ausgeschlossen anzusehen und folglich von Kanada nach Art. 4 Abs. 3 des geplanten Abkommens zu löschen sind. Eine Fluggesellschaft wird wahrscheinlich der Einfachheit halber und zur Senkung der Kosten alle zuvor erhobenen Daten, ob sie in den Rubriken im Anhang des geplanten Abkommens aufgezählt sind oder nicht, übermitteln.

220. Ich bin daher der Ansicht, dass die Kategorien von Daten im Anhang des geplanten Abkommens zur Gewährleistung der Rechtssicherheit der Personen, deren personenbezogene Daten nach dem geplanten Abkommen übermittelt und verarbeitet werden, und zur Erfüllung des Erfordernisses, klare und präzise Regeln für die sachliche Tragweite dieses Abkommens festzulegen, prägnanter und präziser abgefasst werden müssten und den Fluggesellschaften oder den zuständigen kanadischen Behörden hinsichtlich der konkreten Tragweite dieser Kategorien kein Ermessensspielraum belassen werden kann.

221. Schließlich bin ich der Meinung, dass das geplante Abkommen über das hinausgeht, was unbedingt erforderlich ist, indem es in seinen Anwendungsbereich die Übermittlung von PNR-Daten einbezieht, die sensible Daten enthalten könnten, die konkret Hinweise auf den Gesundheitszustand geben können oder aus denen die ethnische Herkunft oder die religiösen Überzeugungen des betreffenden Fluggasts und/oder derjenigen, die ihn begleiten, hervorgehen können.

222. In diesem Zusammenhang ergibt sich aus den Informationen, die der Gerichtshof erhalten hat, dass die PNR-Daten, die solche sensiblen Daten enthalten könnten, nur fakultativ mitgeteilt werden, d. h. nur, wenn ein Fluggast eine zusätzliche Leistung an Bord verlangt. Es scheint mir jedoch offenkundig, dass eine noch nicht „identifizierte“ Person, die mit einem internationalen Terroristennetz oder einem zur Begehung schwerer Straftaten aufgebauten Netz zusammenarbeitet oder an diesem beteiligt ist, vorsichtshalber die Inanspruchnahme solcher Leistungen vermeiden wird, die insbesondere Hinweise auf die ethnische Herkunft oder religiösen Überzeugungen dieser Person geben können. Die von den zuständigen kanadischen Behörden verwendeten modernen Ermittlungsmethoden, die nach den Ausführungen vor dem Gerichtshof darin bestehen, die erhaltenen PNR-Daten mit Szenarien oder Standardprofilen von Risikopersonen abzugleichen, und die sich auf solche sensible Daten gründen könnten, weil es das geplante Abkommen nicht verbietet, werden letztlich nur die Verarbeitung der sensiblen Daten von Personen ermöglichen, die legitimerweise eine dieser Unterstützungsleistungen an Bord verlangen und auf denen kein Verdacht lastet und wahrscheinlich auch weiterhin nicht lasten wird. Die mit der Nutzung solcher sensiblen Daten verbundene Gefahr einer Stigmatisierung einer großen Zahl von Personen, die jedoch keiner Straftat verdächtig sind, ist meines Erachtens jedoch besonders besorgniserregend und veranlasst mich, dem Gerichtshof vorzuschlagen, diese Daten vom Anwendungsbereich des geplanten Abkommens auszuschließen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Art. 8 des mit Australien geschlossenen PNR-Abkommens seinerseits jegliche Verarbeitung sensibler PNR-Daten untersagt. Dies lässt mangels besser untermauerter Erläuterungen im geplanten Abkommen zur unbedingten Erforderlichkeit der Verarbeitung sensibler Daten darauf schließen, dass das Ziel der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität ebenso wirksam verwirklicht werden kann, ohne dass solche Daten nach Kanada übermittelt werden.

223. Außerdem reichen die Garantien nach Art. 8 des geplanten Abkommens, der die „Verwendung sensibler Daten“ betrifft, meines Erachtens nicht aus, um eine andere Lösung als den vorgeschlagenen Ausschluss der sensiblen Daten vom Anwendungsbereich des geplanten Abkommens zu rechtfertigen.

224. Trotz der in Art. 8 Abs. 1 bis 4 des geplanten Abkommens vorgesehenen Maßnahmen gestattet nämlich Abs. 5 a. E. dieses Artikels „Kanada“ (und nicht nur der zuständigen kanadischen Behörde), die sensiblen Daten gemäß Art. 16 Abs. 5 des geplanten Abkommens zu speichern. Aus dieser Bestimmung geht u. a. hervor, dass diese Daten höchstens fünf Jahre lang gespeichert werden dürfen, wenn diese Daten „bis zum Abschluss einer besonderen Maßnahme, Überprüfung, Untersuchung, Vollzugsmaßnahme, eines Gerichtsverfahrens, einer strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung von Strafen erforderlich sind“. Art. 16 Abs. 5 des geplanten Abkommens verweist außerdem, im Gegensatz zu dem ihm unmittelbar vorangehenden Absatz, nicht auf die in Art. 3 des Abkommens genannten Zwecke. Folglich könnten die sensiblen Daten eines Unionsbürgers, der mit dem Flugzeug nach Kanada reist, für eine „besondere Maßnahme“, „Überprüfung“ oder ein „Gerichtsverfahren“, die in keinem Zusammenhang mit dem vom geplanten Abkommen verfolgten Ziel stehen ‒ z. B., wie das Parlament geltend gemacht hat, im Fall eines das Vertragsrecht oder das Familienrecht betreffenden Verfahrens ‒, fünf Jahre lang von jeder kanadischen Behörde gespeichert (und in diesem Zeitraum gegebenenfalls die Unkenntlichmachung aufgehoben und die Daten analysiert) werden. Die Möglichkeit eines solchen Falles legt den Schluss nahe, dass die Vertragsparteien die vom geplanten Abkommen verfolgten Ziele in diesem Punkt nicht ausgewogen gewichtet haben.

225. In Anbetracht dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die Kategorien von PNR-Daten im Anhang des geplanten Abkommens klarer und präziser formuliert und jedenfalls die sensiblen Daten vom Anwendungsbereich des geplanten Abkommens ausgeschlossen werden müssten. Daraus folgt, dass die in Art. 8 des geplanten Abkommens vorgesehene Nutzung der sensiblen Daten meines Erachtens nicht mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar ist.

–       Zur hinreichenden Genauigkeit des Ziels, für das die Verarbeitung von PNR-Daten gestattet ist

226. Wie bereits dargelegt sieht Art. 3 Abs. 1 des geplanten Abkommens vor, dass die zuständige kanadische Behörde die auf der Grundlage dieses Abkommens erhaltenen PNR-Daten nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verarbeitet.

227. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a des geplanten Abkommens enthält eine genaue Definition des Begriffs „terroristische Straftat“, während Abs. 3 dieses Artikels die „grenzübergreifende schwere Kriminalität“ als „jede Straftat, die nach kanadischem Recht in Kanada mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren oder mit einer schwereren Strafe geahndet wird, wenn die Straftat grenzübergreifenden Charakter hat“, definiert. Die Voraussetzungen für eine solche Einstufung einer Straftat sind ebenfalls in Art. 3 Abs. 3 Buchst. a bis e des geplanten Abkommens aufgezählt.

228. Art. 3 Abs. 5 des geplanten Abkommens gewährt Kanada das Recht, im Einzelfall PNR-Daten zu verarbeiten, damit entweder die Aufsicht und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Verwaltung gewährleistet ist (Abs. 5 Buchst. a) oder einer Vorladung, einem erlassenen Haftbefehl oder einer gerichtlichen Verfügung Folge geleistet werden kann (Abs. 5 Buchst. b).

229. In seinem Antrag räumt das Parlament ein, dass Art. 3 des geplanten Abkommens eine Reihe objektiver Kriterien enthalte, vertritt aber die Ansicht, dass der Verweis auf das Recht eines Drittlands in Abs. 3 dieser Bestimmung und die Möglichkeit der zusätzlichen Verarbeitung nach ihrem Abs. 5 zu Unsicherheiten bezüglich der Frage führten, ob das Abkommen auf das beschränkt sei, was unbedingt erforderlich sei.

230. Ich kann diesem Vorbringen nur teilweise zustimmen.

231. Zunächst bin ich der Meinung, dass anders als im Fall des in der Rechtssache Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238) in Rede stehenden Rechtsakts Art. 3 des geplanten Abkommens objektive Kriterien vorsieht, die die Natur und den Schweregrad der Straftaten betreffen, die den kanadischen Behörden die Verarbeitung der PNR-Daten gestatten. So ist die terroristische Straftat unmittelbar in Art. 3 Abs. 2 des geplanten Abkommens definiert und verweist auch auf Handlungen, die in den internationalen Übereinkünften und den Protokollen zur Terrorismusbekämpfung als solche definiert sind. Die Natur und die Schwere einer als „grenzübergreifende schwere Kriminalität“ eingestuften Straftat ergibt sich ebenso durchaus aus Art. 3 Abs. 3 des geplanten Abkommens, da es sich um eine Straftat handelt, die in mehr als einem Land verübt wird und die in Kanada mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren geahndet wird. Es handelt sich eindeutig nicht um minder schwere Straftaten oder Straftaten, deren Schwere, wie es bei dem dem Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), zugrunde liegenden Rechtsakt der Fall war, nach dem innerstaatlichen Recht in mehreren Staaten variieren kann und es damit unmöglich macht, den Eingriff in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte als auf das unbedingt Erforderliche beschränkt anzusehen.

232. Allerdings ist zuzugeben, dass der Verweis auf das innerstaatliche kanadische Recht es nicht erlaubt zu bestimmen, welche Straftaten genau, wenn sie überdies grenzübergreifenden Charakter haben, von Art. 3 Abs. 3 des geplanten Abkommens umfasst sein können.

233. Dazu hat die Kommission dem Gerichtshof ein von den kanadischen Behörden übermitteltes Dokument vorgelegt, das eine nicht abschließende Liste der unter die Definition von Art. 3 Abs. 3 des geplanten Abkommens fallenden Straftaten enthält und laut diesen Behörden den überwiegenden Teil der Straftaten angibt, die unter diese Definition fallen können.

234. Diese Liste zeigt deutlich die Schwere der betroffenen Straftaten, die sich auf den illegalen Handel mit Waffen, Munition, Sprengstoffen, Menschenhandel, auf die Verbreitung oder den Besitz von Kinderpornografie, auf die Geldwäsche in Bezug auf Erträge aus Straftaten, auf die Falschmünzerei und das Nachmachen von ausländischem Geld, auf Mord, auf Entführung, auf Sabotage, auf Geiselnahme oder auf Flugzeugentführung beziehen.

235. Um die Straftaten, bezüglich deren die Verarbeitung von PNR-Daten gestattet ist, auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken und um die Rechtssicherheit der Fluggäste, deren Daten an die kanadischen Behörden übermittelt werden, zu gewährleisten, bin ich jedoch der Ansicht, dass die Straftaten, die unter die Definition von Art. 3 Abs. 3 des geplanten Abkommens fallen, abschließend aufgezählt werden müssten, z. B. in einem Anhang zum geplanten Abkommen selbst.

236. Außerdem teile ich die Bedenken des Parlaments in Bezug auf die Formulierung von Art. 3 Abs. 5 Buchst. b des geplanten Abkommens, die zu einer Erweiterung der Zwecke führt, welche die Verarbeitung der PNR-Daten gestatten. Nach dieser Bestimmung ist nämlich die Verarbeitung von PNR-Daten „außerdem“ im Einzelfall gestattet, um einer Vorladung, einem erlassenen Haftbefehl oder einer gerichtlichen Verfügung Folge zu leisten, ohne dass darauf hingewiesen wird, dass das betreffende Gericht im Kontext der Zwecke des geplanten Abkommens handelt. Dieser Artikel scheint daher die Verarbeitung von PNR-Daten zu anderen Zwecken als den vom geplanten Abkommen verfolgten und/oder möglicherweise in Bezug auf Situationen, Verhalten oder Straftaten, die nicht in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen, zu gestatten.

237. In Anbetracht dieser Erwägungen bin ich der Meinung, dass dem geplanten Abkommen zur Beschränkung auf das, was unbedingt erforderlich ist, und zur Gewährleistung der Rechtssicherheit der Fluggäste, insbesondere der Unionsbürger, eine abschließende Liste der Straftaten, die unter die Definition „grenzübergreifende schwere Kriminalität“ nach Art. 3 Abs. 3 dieses Abkommens fallen, beizufügen ist. Außerdem ist Art. 3 Abs. 5 des geplanten Abkommens bei seiner gegenwärtigen Formulierung nicht mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar, da er über das, was unbedingt erforderlich ist, hinaus gestattet, die Möglichkeiten der Verarbeitung von PNR-Daten unabhängig von den vom geplanten Abkommen verfolgten Zwecken zu erweitern.

–       Zum persönlichen Anwendungsbereich des geplanten Abkommens

238. Es steht fest, dass die im Rahmen des geplanten Abkommens übermittelten PNR-Daten alle Reisenden betreffen, die von den Flugverbindungen zwischen Kanada und der Union Gebrauch machen, ohne dass ein Anhaltspunkt dafür bestehen muss, dass das Verhalten dieser Reisenden in einem Zusammenhang mit terroristischen Handlungen oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität stehen könnte. Die Übermittlung dieser Daten an die zuständige kanadische Behörde, ihre automatisierte Verarbeitung und ihre anschließende Speicherung erfolgen also ohne Unterscheidung nach dem möglichen Risiko, das gewisse Kategorien von Reisenden darstellen könnten.

239. Im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), hat der Gerichtshof entschieden, dass insbesondere der undifferenzierte und allgemeine Charakter der Speicherung der Daten aller Personen, die elektronische Kommunikationsdienste in der Union nutzen, unabhängig von dem Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten, das die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG(93) verfolgt, über das hinausgeht, was unbedingt erforderlich ist.

240. Zwar ist der mit dem geplanten Abkommen verbundene Eingriff weniger weitreichend als der von der Richtlinie 2006/24 vorgesehene und wirkt sich auch weniger stark auf das täglichen Leben jedes Einzelnen aus, doch wirft sein undifferenzierter und allgemeiner Charakter Fragen auf.

241. Wie ich allerdings bereits in Nr. 216 dieser Schlussanträge dargelegt habe, liegt die Bedeutung der PNR-Regelungen gerade in der Garantie der massenhaften Übermittlung von Daten, die den zuständigen Behörden erlaubt, mit Hilfe von Instrumenten zur automatisierten Verarbeitung und im Voraus festgelegter Szenarien oder Kriterien Personen zu identifizieren, die den Strafverfolgungsbehörden bis dahin unbekannt waren, aber für die öffentliche Sicherheit von „Interesse“ sein oder eine Gefahr darstellen könnten, und daher später eingehenderen individuellen Kontrollen unterzogen werden können. Diese Kontrollen müssen auch während eines bestimmten Zeitraums, nachdem die fraglichen Fluggäste gereist sind, erfolgen können.

242. Außerdem machen, anders als die Personen, deren Daten Gegenstand der von der Richtlinie 2006/24 vorgesehenen Verarbeitung waren, alle Personen, die unter das geplante Abkommen fallen, freiwillig von einem internationalen Transportmittel für die Reise in ein oder aus einem Drittland Gebrauch, wobei dieses Transportmittel selbst leider immer wieder Mittel oder Ziel terroristischer Handlungen oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität ist, was den Erlass von Maßnahmen erfordert, die ein hohes Sicherheitsniveau für sämtliche Fluggäste gewährleisten.

243. Zwar ist eine Regelung der Übermittlung und Verarbeitung von PNR-Daten vorstellbar, die die Fluggäste z. B. nach geografischen Herkunftsgebieten (im Fall der Zwischenlandung in der Union) oder nach ihrem Alter unterscheidet, wobei z. B. Minderjährige von vornherein ein geringeres Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen könnten. Sofern in ihnen keine verbotene Diskriminierung gesehen werden kann, bestände bei solchen Maßnahmen, sobald sie bekannt wären, jedoch die Gefahr, dass die Bestimmungen des geplanten Abkommens umgangen würden, was jedenfalls die wirksame Erreichung eines seiner Ziele beeinträchtigte.

244. Wie ich bereits ausgeführt habe, ist es nicht hinreichend, abstrakt Alternativmaßnahmen zu ersinnen, die die Grundrechte weniger stark einschränken. Diese Maßnahmen müssen meiner Ansicht nach auch Garantien aufweisen, dass sie ebenso wirksam sind wie die Maßnahmen, die zur Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität eingeführt werden sollen. Dem Gerichtshof ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keine andere Maßnahme mitgeteilt worden, die die Anzahl der Personen beschränkt, deren PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde einer automatisierten Verarbeitung unterzogen werden, gleichzeitig aber ebenso wirksam das von den Vertragsparteien verfolgte Ziel der öffentlichen Sicherheit erreichen könnte.

245. Alles in allem kann daher nach meiner Ansicht allgemein der persönliche Anwendungsbereich des geplanten Abkommens nicht weiter eingegrenzt werden, ohne den Zweck der PNR-Regelungen selbst zu beeinträchtigen.

–       Zur Bestimmung der für die Verarbeitung von PNR-Daten zuständigen Behörde

246. Nach Art. 5 des geplanten Abkommens wird lediglich bei „der zuständigen kanadischen Behörde“ vorbehaltlich der Einhaltung dieses Abkommens davon ausgegangen, dass sie bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz gewährleistet.

247. Wie das Parlament vorgebracht hat, ist im geplanten Abkommen nicht angegeben, welche Behörde dies ist. Unter Berücksichtigung des Abkommens von 2006 und der Bestätigung im Schreiben der Mission Kanadas bei der Europäischen Union vom 25. Juni 2014, das der Kommission nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. a des geplanten Abkommens notifiziert und dem Gerichtshof im Rahmen dieses Verfahrens vorgelegt wurde, handelt es sich jedoch unzweifelhaft um die CBSA.

248. Mehr als die Identität dieser Behörde ist es die häufige Ungenauigkeit der Bestimmungen des geplanten Abkommens, die unter dem Blickwinkel der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Zweifel weckt, welche Behörden die PNR-Daten verarbeiten können.

249. Mehrere Bestimmungen des geplanten Abkommens beziehen sich nämlich allgemein auf „Kanada“ und nicht auf „die zuständige kanadische Behörde“, die jedoch die einzige Behörde ist, bei der davon ausgegangen wird, dass sie bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten nach dem geplanten Abkommen einen angemessenen Schutz gewährleistet. So verhält es sich bei Art. 3 Abs. 5 des geplanten Abkommens, der außerdem, wie ich weiter oben geprüft habe(94), die Zwecke erweitert, für die die PNR-Daten verarbeitet werden können, Art. 8 des geplanten Abkommens, dessen Art. 12 Abs. 3 über die Offenlegung gegenüber jeder Einzelperson sowie dessen Art. 16 über die Speicherung von PNR-Daten(95).

250. Entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung lässt die Ersetzung des Ausdrucks „zuständige kanadische Behörde“ durch die allgemeine Bezeichnung „Kanada“ Zweifel an der Zahl der Behörden aufkommen, die zur Verarbeitung der Daten befugt sind, zumal Art. 18 des geplanten Abkommens die zuständige kanadische Behörde unter den in diesem Artikel genannten Bedingungen berechtigt, die PNR-Daten an andere Staatsbehörden in Kanada weiterzugeben(96).

251. Die Bestimmungen des geplanten Abkommens scheinen mir daher hinsichtlich der Bestimmung der für die Verarbeitung von PNR-Daten zuständigen Behörde nicht hinreichend klar und präzise, um den Schutz und die Sicherheit dieser Daten zu gewährleisten.

–       Zur automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten

252. Den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen zufolge ist der wichtigste Mehrwert der Verarbeitung der PNR-Daten die Abgleichung der gesammelten Daten mit im Voraus festgelegten Risikoszenarien oder Kriterien für die Risikobeurteilung oder mit Datenbanken, wodurch mittels der automatisierten Verarbeitung „Ziele“ identifiziert werden können, die später eingehenderen Kontrollen unterzogen werden können. In der Praxis hat die Anwendung dieser Techniken nach den von der CBSA an die Kommission und an die Regierung des Vereinigten Königreichs übermittelten Informationen, die dem Gerichtshof von diesen Beteiligten vorgelegt wurden, es ermöglicht, mittels der automatisierten Verarbeitung der PNR-Daten von den 28 Millionen Fluggästen, die zwischen April 2014 und März 2015 von einer Flugverbindung zwischen Kanada und der Union Gebrauch gemacht haben, ungefähr 9 500 „Ziele“ zu ermitteln.

253. Allerdings betrifft keine Bestimmung des geplanten Abkommens gerade diese Datenbanken, Szenarien oder Beurteilungskriterien, die daher weiterhin nach dem alleinigen Ermessen der kanadischen Behörden zu bestimmen und zu verwenden sind.

254. Zwar sieht das geplante Abkommen vor, dass Kanada dafür sorgt, dass die auf die Verarbeitung von PNR-Daten anwendbaren Garantien für alle Fluggäste gleichermaßen gelten und keinen Fluggast unrechtmäßig diskriminieren (Art. 7 des geplanten Abkommens), und dass Kanada Entscheidungen, die einen Fluggast erheblich beeinträchtigen, nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten trifft (Art. 15 des geplanten Abkommens).

255. Im Hinblick auf eine ausgewogene Gewichtung der beiden vom geplanten Abkommen verfolgten Ziele und der erheblichen praktischen Bedeutung dieses Aspekts, da die Abgleichung der PNR-Daten mit diesen im Voraus festgelegten Szenarien oder Beurteilungskriterien dazu führen kann, wie einige Beteiligte eingeräumt haben, „Ziele“ fälschlicherweise als positiv zu identifizieren, bin ich jedoch der Überzeugung, dass das geplante Abkommen eine Reihe von ausdrücklichen Grundsätzen und Vorschriften sowohl zu diesen im Voraus festgelegten Szenarien oder Beurteilungskriterien als auch zu den Datenbanken, mit denen die PNR-Daten abgeglichen werden, enthalten müsste.

256. Der genaue Rahmen und die genaue Bestimmung der im Voraus festgelegten Szenarien und Beurteilungskriterien müssen weitgehend Ergebnisse ermöglichen, die gezielt Personen betreffen, gegen die ein „begründeter Verdacht“ der Beteiligung an terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität bestehen könnte(97).

257. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass der Gerichtshof die Grundsätze aufzeigt, die die Bestimmung dieser Szenarien und Beurteilungskriterien oder der Datenbanken, mit denen die PNR-Daten abgeglichen werden, regeln müssten.

258. Meiner Meinung nach müsste das geplante Abkommen allerdings zumindest ausdrücklich bestimmen, dass sich weder die im Voraus festgelegten Szenarien und Beurteilungskriterien noch die verwendeten Datenbanken auf die rassische oder ethnische Herkunft einer Person, ihre politischen Meinungen, ihre Religion oder ihre weltanschaulichen Überzeugungen, ihre Gewerkschaftszugehörigkeit, ihren Gesundheitszustand oder ihre sexuelle Ausrichtung stützen dürfen. Außerdem müssten die Kriterien, Szenarien und Datenbanken ausdrücklich auf die von Art. 3 des geplanten Abkommens vorgesehenen Zwecke und Straftaten eingegrenzt werden.

259. Darüber hinaus müsste das geplante Abkommen meines Erachtens klarer festlegen, als es derzeit sein Art. 15 tut, dass in dem Fall, dass die Abgleichung der PNR-Daten mit den im Voraus festgelegten Kriterien und Szenarien zu einem positiven Ergebnis führt, dieses Ergebnis mit Mitteln eines nicht automatisierten Verfahrens geprüft werden muss. Durch diese Garantie könnte die Zahl der Personen verringert werden, die für eine spätere eingehendere physische Kontrolle in Betracht kommen können.

260. Zur Beschränkung auf das, was unbedingt erforderlich ist, müssten zudem diese relevanten Kriterien, Szenarien und Datenbanken sowie ihre Überprüfung meiner Ansicht nach der Kontrolle der im geplanten Abkommen genannten unabhängigen Behörde, nämlich des kanadischen Datenschutzbeauftragten (Privacy Commissioner)(98) unterliegen und Gegenstand eines Berichts über ihre Anwendung sein, der an die zuständigen Organe und Einrichtungen der Union im Kontext von Art. 26 des geplanten Abkommens, der die gemeinsame Überprüfung und Evaluierung der Durchführung des Abkommens regelt, übermittelt wird.

261. Folglich bin ich der Auffassung, dass die Vertragsparteien durch das Versäumnis, ausdrückliche Grundsätze und Vorschriften zur Festlegung und Nutzung der im Voraus festgelegten Szenarien und Kriterien sowie der Datenbanken, mit denen die PNR-Daten mittels automatisierter Verarbeitung abgeglichen werden, aufzustellen, die beiden vom geplanten Abkommen verfolgten Ziele nicht ausgewogen gewichtet haben.

–       Zum Zugang zu den PNR-Daten

262. Wenn die Fluggäste identifiziert sind, die nach der automatisierten Verarbeitung ihrer PNR-Daten ein den im Voraus festgelegten Szenarien oder Kriterien entsprechendes Profil aufweisen, greifen die Bediensteten der CBSA nach den dem Gerichtshof gegebenen Erläuterungen auf die Daten dieser Fluggäste zu, um zu entscheiden, ob sie einer eingehenderen Kontrolle zu unterziehen sind. In der Praxis wurden, nach den von der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission übermittelten Informationen, von den 9 500 zwischen April 2014 und März 2015 identifizierten „Zielen“ 1 765 Personen einer eingehenden Kontrolle aus Gründen der nationalen öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit einer grenzübergreifenden schweren Straftat unterzogen,. Von diesen Personen wurden 178 wegen einer grenzübergreifenden schweren Straftat, insbesondere im Zusammenhang mit dem Drogenhandel, festgenommen.

263. Im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 62 und 66), hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Richtlinie 2006/24 zum einen kein objektives Kriterium vorsah, das es erlaubte, die Zahl der Personen, die zum Zugang zu den in Rede stehenden personenbezogenen Daten befugt waren, zu beschränken, und dass der Zugang zu diesen Daten keiner vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterlag, und dass zum anderen dieser Rechtsakt auch keine Regeln gegen Missbrauchsrisiken sowie gegen jeden unberechtigten Zugang zu diesen Daten oder jede unberechtigte Nutzung enthielt.

264. Die Bestimmungen des geplanten Abkommens genügen dagegen zum Teil diesen Anforderungen.

265. Wie bereits dargelegt, verlangt Art. 9 Abs. 1 und 2 des geplanten Abkommens, dass Kanada regulatorische, verfahrensrechtliche oder technische Maßnahmen ergreift, um PNR-Daten vor Verarbeitung oder Verlust zu schützen und den Zugriff darauf zu verhindern, wenn dies versehentlich, unrechtmäßig oder ohne Befugnis geschieht, und u. a. für die Sicherheit, die Vertraulichkeit und die Integrität der Daten sorgt, indem es insbesondere Verschlüsselungsverfahren und Verfahren zur Speicherung der Daten in einer gesicherten physischen Umgebung, die durch Zugangskontrollen geschützt ist, anwendet.

266. Außerdem sehen sowohl Art. 9 Abs. 2 Buchst. b als auch Art. 16 Abs. 2 des geplanten Abkommens vor, dass Kanada den Zugriff auf PNR-Daten auf eine Anzahl von eigens hierzu befugten Bediensteten beschränkt. Im Bereich der Speicherung der PNR-Daten bestimmt Art. 16 Abs. 4 des geplanten Abkommens auch, dass die Unkenntlichmachung von anonymisierten Daten nur aufgehoben werden darf, wenn Untersuchungen nach Maßgabe von Art. 3 des geplanten Abkommens durchgeführt werden müssen, und zwar je nach der Dauer der Speicherung der betreffenden PNR-Daten entweder durch eine begrenzte Anzahl eigens hierzu befugter Bediensteter oder nur mit vorheriger Genehmigung des Leiters der zuständigen kanadischen Behörde oder eines vom Leiter eigens hiermit beauftragten hohen Beamten.

267. Ebenso wie die Richtlinie 2006/24 gibt das geplante Abkommen jedoch nicht die objektiven Kriterien an, anhand deren die Bediensteten bestimmt werden, die Zugang zu den PNR-Daten haben, und legt auch nicht fest, ob diese Bediensteten alle den Dienststellen der CBSA angehören. Diese Angaben sind umso wichtiger, als die Gruppe der Bediensteten, die Zugang zu diesen Daten haben, im Kontext von Art. 9 Abs. 2 des geplanten Abkommens meines Erachtens größer ist als die als „begrenzt“ bezeichnete Gruppe, die im Kontext von Art. 16 Abs. 2 dieses Abkommens über 30 Tage hinaus auf die gespeicherten Daten zugreifen kann. Die Kriterien, anhand deren die beiden Gruppen von Bediensteten unterschieden werden können, die zum Zugang zu den PNR-Daten befugt sind, ergeben sich jedoch nicht aus den Bestimmungen des geplanten Abkommens und sind daher in das alleinige Ermessen von Kanada gestellt. Meiner Auffassung nach genügt diese Freiheit nicht der im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), aufgestellten Anforderung, auf die ich in Nr. 263 dieser Schlussanträge hingewiesen habe.

268. Ebenso ist zu bemerken, dass das geplante Abkommen nicht vorsieht, dass der Zugang zu den PNR-Daten einer vorherigen Kontrolle durch eine unabhängige Behörde, wie den kanadischen Datenschutzbeauftragten (Privacy Commissioner)(99) oder ein Gericht, unterliegt, deren Entscheidung den Zugang zu den Daten oder ihre Nutzung beschränken könnte und auf einen mit Gründen versehenen Antrag der CBSA ergeht.

269. Die angemessene Abwägung zwischen der wirksamen Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität einerseits und der Wahrung eines hohen Niveaus des Schutzes der personenbezogenen Daten der betreffenden Fluggäste andererseits verlangt allerdings nicht zwangsläufig, dass eine vorherige Kontrolle des Zugangs zu den PNR-Daten vorgesehen wird.

270. Ohne dass geprüft werden müsste, ob eine solche vorherige Kontrolle, insbesondere im Hinblick auf die Menge zu prüfender Daten und die Mittel, über die die unabhängigen Kontrollbehörden verfügen, in der Praxis denkbar und hinreichend wirksam wäre, möchte ich darauf hinweisen, dass der EGMR im Zusammenhang mit der Beachtung von Art. 8 EMRK durch die Behörden, die Maßnahmen zur Erfassung und Überwachung der privaten Kommunikation getroffen haben, anerkannt hat, dass vorbehaltlich besonderer Umstände, die insbesondere die Vertraulichkeit der Informationsquellen der Journalisten oder die Kommunikation zwischen Anwälten und ihren Mandanten betreffen, eine Vorabkontrolle dieser Maßnahmen durch eine unabhängige Behörde oder einen Richter kein absolutes Erfordernis darstellt, sofern eine nachträgliche umfassende gerichtliche Kontrolle dieser Maßnahmen garantiert ist(100).

271. Insoweit ist unabhängig von den Zweifeln, die die Verteilung der Zuständigkeiten für die Aufsicht und Kontrolle der CBSA zwischen der „unabhängigen Behörde“ und der „durch administrative Mittel eingerichteten Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft“, aufwirft ‒ worauf ich später zurückkommen werde(101) ‒, zu beachten, dass nach Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens Kanada dafür zu sorgen hat, dass jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte durch eine Entscheidung oder Maßnahme in Bezug auf ihre PNR-Daten verletzt wurden, Anspruch auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach kanadischem Recht u. a. im Hinblick auf eine gerichtliche Überprüfung hat. Angesichts des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 des geplanten Abkommens und der Ausführungen der Beteiligten steht außer Frage, dass dieser Rechtsbehelf gegen jede Entscheidung über den Zugang zu den PNR-Daten der betreffenden Personen gegeben ist, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Wohnsitz oder ihrem Aufenthalt im kanadischen Hoheitsgebiet. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur präventiven Prüfung der Vereinbarkeit der Bestimmungen des geplanten Abkommens mit den Art. 7 und 8 der Charta erfüllt die Garantie eines solchen Rechtsbehelfs, dessen Wirksamkeit von keinem Beteiligten angezweifelt wurde, meines Erachtens die nach diesen Bestimmungen erforderlichen Voraussetzungen im Licht der Auslegung von Art. 8 EMRK durch den EGMR.

272. Folglich ist der Umstand, dass das geplante Abkommen den Zugang der hierzu befugten Bediensteten der CBSA zu den PNR-Daten nicht einer vorherigen Kontrolle durch eine unabhängige Verwaltungsbehörde oder ein Gericht unterwirft, meiner Meinung nach nicht mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta unvereinbar, soweit das geplante Abkommen Kanada verpflichtet ‒ was der Fall ist ‒, jedem Betroffenen das Recht zu garantieren, die Entscheidungen oder Maßnahmen, die den Zugang zu seinen PNR-Daten betreffen, einer effektiven nachträglichen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.

273. Dagegen meine ich, dass das geplante Abkommen, um auf das beschränkt zu sein, was unbedingt erforderlich ist, klar angeben muss, dass nur die Bediensteten der CBSA zum Zugang zu diesen Daten befugt sind, und objektive Kriterien vorsehen muss, die es ermöglichen, die Zahl der Bediensteten im Hinblick auf die von den Art. 9 und 16 des geplanten Abkommens vorgesehenen verschiedenen Situationen konkret zu bestimmen.

–       Zur Speicherung der PNR-Daten

274. Die Beteiligten haben vor dem Gerichtshof die Folgen, die sich aus dem Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), im Hinblick auf die unbedingte Erforderlichkeit der Regelung der Speicherung der PNR-Daten in Art. 16 des geplanten Abkommens ergeben, eingehend erörtert.

275. Zum einen hat der Gerichtshof in diesem Urteil beanstandet, dass der Unionsgesetzgeber nicht vorgeschrieben hatte, dass die in dieser Rechtssache fraglichen Daten im Unionsgebiet gespeichert werden, so dass nicht vollumfänglich gewährleistet war, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit, wie in Art. 8 Abs. 3 der Charta ausdrücklich gefordert, durch eine unabhängige Stelle überwacht wird(102).

276. Zum anderen hat der Gerichtshof bezüglich der von der Richtlinie 2006/24 vorgesehenen Dauer der Speicherung von höchstens zwei Jahren gerügt, dass die Richtlinie weder eine Unterscheidung zwischen Datenkategorien nach Maßgabe ihres Nutzens für das verfolgte Ziel oder anhand der betroffenen Personen getroffen hatte noch die Dauer anhand von objektiven Kriterien festgelegt worden war(103).

277. Was den ersten Punkt betrifft, so ist offenkundig, dass die PNR-Daten, die unter die Bestimmungen des geplanten Abkommens fallen, nicht im Unionsgebiet gespeichert werden. Diese Feststellung genügt jedoch für sich genommen nicht, um die Regelung der Speicherung nach Art. 16 des geplanten Abkommens in Frage zu stellen, es sei denn, dieses Abkommen gewährleistet nicht vollumfänglich, dass die Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht werden. Wie ich später noch untersuchen werde, ist Art. 10 Abs. 1 des geplanten Abkommens trotz der Absicht der Vertragsparteien, die von Art. 8 Abs. 3 der Charta aufgestellten Erfordernisse vollumfänglich zu beachten, doch zu unklar formuliert, um in jedem Fall eine solche Kontrolle zu gewährleisten(104).

278. Was die Dauer der Speicherung der PNR-Daten betrifft, so beträgt sie nach Art. 16 Abs. 1 des geplanten Abkommens höchstens fünf Jahre ab dem Tag des Erhalts der Daten(105). Nach Ablauf dieser Frist hat Kanada nach Art. 16 Abs. 6 die PNR-Daten zu vernichten.

279. Es steht fest, dass die Dauer der Speicherung gegenüber der im Abkommen von 2006 vorgesehenen um eineinhalb Jahre verlängert wurde. Abgesehen von den Ausführungen und Beispielen einiger Beteiligter im Verfahren vor dem Gerichtshof, die sich im Wesentlichen auf die durchschnittliche Lebensdauer der internationalen Netze schwerer Kriminalität sowie die Dauer und Komplexität der diese Netze betreffenden Ermittlungen bezogen, gibt das geplante Abkommen die objektiven Gründe nicht an, die die Vertragsparteien veranlasst haben, die Dauer der Speicherung der PNR-Daten auf höchstens fünf Jahre zu verlängern.

280. Ich bin der Ansicht, dass diese objektiven Gründe im geplanten Abkommen angegeben werden müssen, womit von vornherein sichergestellt werden könnte, dass diese Dauer für die vom geplanten Abkommen verfolgten Zwecke erforderlich ist. Diese Erwägung gilt, um insoweit keine Zweifel aufkommen zu lassen, auch für Art. 16 Abs. 5 des geplanten Abkommens, der, wie ich bereits in meinen Ausführungen zu den sensiblen Daten, die aus dem Anwendungsbereich dieses Abkommens auszuschließen sind, dargelegt habe, hinsichtlich der Speicherung der anderen PNR-Daten für eine Dauer von höchstens fünf Jahren in seiner Tragweite auf den von Art. 3 des geplanten Abkommens beschriebenen Zweck eingegrenzt werden müsste(106).

281. Somit ist festzustellen, dass die Vertragsparteien nicht begründet haben, warum die Speicherung aller PNR-Daten für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren erforderlich ist.

282. Der Gerichtshof könnte sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf diese Feststellung beschränken und brauchte daher nicht zu prüfen, ob die fünfjährige Speicherung aller PNR-Daten sämtlicher Fluggäste zwischen Kanada und der Union nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Sicherheitsziels des geplanten Abkommens unbedingt erforderlich ist.

283. Für den Fall, dass der Gerichtshof dennoch der Ansicht sein sollte, dass dieser Frage einige Erwägungen gewidmet werden sollten, erlaube ich mir die folgenden Bemerkungen.

284. Zunächst kann man sich im Hinblick auf die Menge der gespeicherten PNR-Daten meines Erachtens zu Recht fragen, ob es nach mehreren Jahren gerechtfertigt ist, gewisse Kategorien dieser Daten noch zu speichern, da die zuständige kanadische Behörde über PNR-Daten verfügt oder verfügen kann ‒ indem sie die Unkenntlichmachung gemäß den von Art. 16 Abs. 3 des geplanten Abkommens vorgesehenen Bedingungen aufhebt ‒, die wesentliche Informationen über die Identität des Fluggastes oder der im PNR-Datensatz erfassten Fluggäste, den Zeitpunkt der Reise, die verwendeten Zahlungsmittel, sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, die Reiseroute, die Kontaktangaben des Reisebüros und die Informationen zum Gepäck betreffen. Insbesondere frage ich mich, ob die Informationen betreffend die Vielflieger- und Bonus-Daten (Rubrik 5 des Anhangs des geplanten Abkommens), über den Eincheckstatus des Fluggastes (Rubrik 13 des Anhangs), die Flugscheininformationen oder die Tarifanzeige (Rubrik 14 des Anhangs) und die Code-Sharing-Informationen (Rubrik 11 des Anhangs), die laut der Kommission nur über das ausführende Luftfahrtunternehmen informieren, sich nach einer gewissen Zahl von Jahren der Speicherung als Informationen erweisen, die einen wirklichen Mehrwert gegenüber den anderen PNR-Daten haben, die auch gespeichert sind und deren Unkenntlichmachung im Hinblick auf das Ziel der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität aufgehoben werden kann.

285. Abgesehen von den Zweifeln, die an der unbedingten Erforderlichkeit der vom geplanten Abkommen vorgesehenen Dauer der Speicherung aller PNR-Daten bestehen können, sind die Garantien nach Art. 16 Abs. 3 des Abkommens bezüglich der „Anonymisierung“ durch Unkenntlichmachung meines Erachtens in jedem Fall unzureichend, um den Schutz und die Sicherheit der personenbezogenen Daten der betroffenen Fluggäste zu gewährleisten.

286. Zwar sieht dieser Artikel eine Unkenntlichmachung der Namen sämtlicher Fluggäste 30 Tage nach Erhalt vor. Er bestimmt auch, dass die PNR-Datenelemente der Kategorien 6, 7, 17 und 18, die im Anhang des geplanten Abkommens aufgeführt sind(107), zwei Jahre nach Erhalt dieser Daten unkenntlich gemacht werden; im Fall der zwei letzten Kategorien gilt dies, wenn durch sie eine natürliche Person identifiziert werden kann.

287. Gerade diese abschließende Aufzählung ist besorgniserregend. Eine natürliche Person kann nämlich ebenso anhand anderer Rubriken des Anhangs des geplanten Abkommens, die nicht in der Aufzählung von Art. 16 Abs. 3 des geplanten Abkommens enthalten sind, unmittelbar identifiziert werden. Ich denke hierbei vor allem an die verfügbaren Vielflieger- und Bonus-Daten (Rubrik 5 des Anhangs) und an sämtliche verfügbaren, den Flugschein betreffenden Zahlungs‑/Abrechnungsinformationen (Rubrik 8), die insbesondere die Angaben zu dem (den) verwendeten Zahlungsmittel(n) umfassen.

288. Folglich bin ich der Auffassung, dass die Vertragsparteien durch das Versäumnis, eine „Anonymisierung“ durch Unkenntlichmachung aller PNR-Daten sicherzustellen, anhand deren ein Fluggast unmittelbar identifiziert werden kann, die vom geplanten Abkommen verfolgten Ziele nicht ausgewogen gewichtet haben.

289. Was schließlich die Regeln und Modalitäten für das Aufheben der Unkenntlichmachung der PNR-Daten betrifft, so darf ein solcher Vorgang nach Art. 16 Abs. 4 des geplanten Abkommens nur erfolgen, wenn aufgrund der verfügbaren Informationen Untersuchungen nach Maßgabe von Art. 3 des geplanten Abkommens durchgeführt werden müssen, und zwar entweder bis zwei Jahre nach dem erstmaligen Erhalt der PNR-Daten durch eine begrenzte Zahl eigens befugter Bediensteter oder zwei bis fünf Jahre nach dem Erhalt nur mit vorheriger Genehmigung des Leiters der zuständigen kanadischen Behörde oder eines vom Leiter eigens hiermit beauftragten hohen Beamten.

290. Vorbehaltlich der Ausführungen weiter oben zu den objektiven Kriterien, anhand deren die zum Zugang zu den Daten befugten Bediensteten bestimmt werden können(108), und der folgenden Ausführungen zur Aufsicht über die zuständige kanadische Behörde durch eine unabhängige Behörde(109) bin ich der Ansicht, dass Art. 16 Abs. 4 des geplanten Abkommens für sich genommen nicht über das hinausgeht, was unbedingt erforderlich ist.

–       Zur Weitergabe und zur Weiterübermittlung der PNR-Daten

291. Die Art. 12, 18 und 19 des geplanten Abkommens betreffen unmittelbar die Weitergabe der PNR-Daten.

292. Art. 12 („Zugang von Einzelpersonen“) des geplanten Abkommens scheint zunächst unbedenklich, da er den Zugang jeder Einzelperson zu ihren eigenen PNR-Daten sicherstellen soll.

293. Abs. 3 dieses Artikels weitet meines Erachtens jedoch die Möglichkeiten des Zugangs zu den PNR-Daten und den daraus entnommenen Informationen übermäßig auf jede Person aus, ohne dass präzise Garantien vorgesehen sind. Art. 12 Abs. 3 des geplanten Abkommens gewährt nämlich Kanada das Recht, „jede Offenlegung von Informationen angemessenen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen [zu] unterwerfen, … unter gebührender Beachtung des berechtigten Interesses der betroffenen Person“. Allerdings werden weder die Empfänger dieser „Informationen“ noch deren Verwendung im geplanten Abkommen eingegrenzt. Es ist daher durchaus möglich, dass diese Informationen an jede natürliche oder juristische Person, wie z. B. eine Bank, übermittelt werden, soweit Kanada der Ansicht ist, dass die Weitergabe einer solchen Information „angemessene“ rechtliche Grenzen nicht überschreitet, die außerdem im geplanten Abkommen nicht definiert sind.

294. Insbesondere wegen seiner besonders vagen und weiten Formulierung geht daher Art. 12 Abs. 3 des geplanten Abkommens meines Erachtens über das hinaus, was zur Erreichung des vom geplanten Abkommen verfolgten Ziels der öffentlichen Sicherheit unbedingt erforderlich ist.

295. Die Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens betreffen jeweils die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere Staatsbehörden in Kanada und an andere Staatsbehörden in anderen Ländern als den Mitgliedstaaten der Union.

296. Ebenso wie das Parlament bin ich der Auffassung, dass die Vertragsparteien, da das „angemessene Schutzniveau“, das als dem im Unionsrecht garantierten entsprechend angesehen wird, nur die Beachtung der Bestimmungen des geplanten Abkommens durch die zuständige kanadische Behörde betrifft, sicherstellen müssen, dass dieses Schutzniveau nicht umgangen werden kann, indem personenbezogene Daten an andere kanadische Staatsbehörden oder in Drittländer übermittelt werden(110).

297. Zwar machen die Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens die Weiterübermittlung solcher Daten oder der analytischen Informationen, die PNR-Daten enthalten, unleugbar von strengen kumulativen Bedingungen abhängig, von denen vier gleich lauten. So werden diese Daten und Informationen nur weitergegeben, wenn die fraglichen Staatsbehörden Aufgaben haben, die einen direkten Bezug zu dem von Art. 3 des geplanten Abkommens erfassten Bereich aufweisen, außerdem nur fallweise und nur dann, wenn unter den betreffenden Umständen die Weitergabe zu den in diesem Art. 3 genannten Zwecken notwendig ist. Zudem werden nur die unbedingt erforderlichen PNR-Daten oder analytischen Informationen weitergegeben(111).

298. Die Garantien, die diese beiden Bestimmungen bieten, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der anderen Bedingungen.

299. Während nach Art. 18 des geplanten Abkommens die anderen kanadischen Staatsbehörden, die die PNR-Daten erhalten, „einen den i[m geplanten] Abkommen beschriebenen Garantien entsprechenden Schutz“ gewährleisten müssen, bestimmt Art. 19 Abs. 1 Buchst. e dieses Abkommens, dass die zuständige kanadische Behörde „die Zusicherung erhalten“ haben muss, dass die ausländische Behörde, die die PNR-Daten erhält, entweder im Einklang mit den Abkommen und Vereinbarungen, die Normen zum Schutz von PNR-Daten umfassen, solche Normen anwendet und diese den im geplanten Abkommen festgelegten Normen entsprechen, oder die von ihr mit der Union vereinbarten Normen zum Schutz dieser Daten anwendet.

300. In beiden Fällen steht fest, dass die Prüfung, ob der Schutz, den die die PNR-Daten erhaltende Behörde gewährt, angemessen ist, ausschließlich Sache der zuständigen kanadischen Behörde, nämlich der CBSA, ist. Weder die Prüfung der CBSA noch die etwaige Entscheidung über die Weitergabe der PNR-Daten unterliegen einer Vorabkontrolle durch eine unabhängige Behörde oder einen Richter. Außerdem sieht das geplante Abkommen nicht vor, dass die Absicht, PNR-Daten eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Union zu übermitteln, zumindest der zuständigen Behörde des fraglichen Mitgliedstaats und/oder der Kommission vor jeder tatsächlichen Übermittlung im Voraus mitgeteilt werden muss. Art. 18 des geplanten Abkommens schweigt zu der letzteren Möglichkeit, während dessen Art. 19 Abs. 2 nur eine nachträgliche Information der zuständigen Behörden des fraglichen Mitgliedstaats „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ vorsieht.

301. Die in der vorstehenden Nummer genannten zusätzlichen Garantien müssten jedoch meines Erachtens sichergestellt werden.

302. Zum einen kann eine bloß nachträgliche Kontrolle der Weitergabe dieser Daten weder eine fehlerhafte Beurteilung des Schutzniveaus, das von der die PNR-Daten erhaltenden Behörde gewährt wird, ausgleichen, noch den privaten und vertraulichen Charakter dieser Daten wiederherstellen, wenn sie an die Behörde, die die PNR-Daten erhält, übermittelt und von dieser verwendet worden sind(112). Dies gilt insbesondere für die Weitergabe von Daten in ein Drittland, dessen spätere Nutzung der Daten auch nicht unter die Zuständigkeit und die nachträgliche Kontrolle der kanadischen Behörden und Gerichte fällt.

303. Zum anderen könnte eine vorherige Information der Kommission und der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, aus dem der Staatsangehörige stammt, dessen PNR-Daten auf diese Weise übermittelt werden, sicherstellen, dass die Prüfung des „entsprechenden Schutzniveaus“ durchgeführt wurde. Außerdem kann, unter einem anderen Blickwinkel betrachtet, eine solche vorherige Information, da die Übermittlung von PNR-Daten nach den Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens nur in besonderen Fällen und unter ordnungsgemäß begründeten besonderen Umständen und daher in Situationen erfolgen kann, in denen anzunehmen ist, dass erhebliche Verdachtsmomente auf der betreffenden Person lasten, insbesondere dazu beitragen, im Einklang mit dem vom geplanten Abkommen verfolgten Ziel der Verhinderung und Aufdeckung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden Kanadas, der Union und ihrer Mitgliedstaaten auszubauen.

304. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 Abs. 1 Buchst. f des geplanten Abkommens der kanadischen Staatsbehörde, die die PNR-Daten erhält, untersagt, diese an eine andere Stelle weiterzugeben, außer wenn die Weitergabe von der CBSA unter Einhaltung der in diesem Absatz festgelegten Bedingungen genehmigt wurde. Hingegen schreibt Art. 19 des geplanten Abkommens der CBSA nicht vor, dass sie sich vor jeder Übermittlung von PNR-Daten vergewissert, dass die Behörde eines Drittlands, die die PNR-Daten erhält, diese Daten nicht selbst an eine andere Einheit, gegebenenfalls in einem anderen Drittland, weiter übermitteln kann.

305. Da jedoch das Risiko, dass eine solche Situation eintreten könnte, nicht ausgeschlossen ist ‒ wodurch das vom Unionsrecht im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten garantierte Niveau umgangen würde ‒, ist festzustellen, dass Art. 19 des geplanten Abkommens ungerechtfertigte Eingriffe in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte gestattet(113).

–       Zu den die Aufsicht, die Verwaltungskontrolle und die gerichtliche Kontrolle betreffenden Maßnahmen

306. Die Überwachung durch eine unabhängige Stelle, die sowohl von Art. 8 Abs. 3 der Charta als auch von Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV gefordert wird, stellt ein wesentliches Element zur Wahrung des Schutzes der natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Union dar(114).

307. Aus den Bestimmungen des geplanten Abkommens geht hervor, dass sich die Vertragsparteien dieses Erfordernisses bewusst sind, obwohl das geplante Abkommen es nicht völlig erfüllt, worauf ich noch zurückkommen werde.

308. Um zu gewährleisten, dass das von der zuständigen kanadischen Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten gewährte Schutzniveau nach Art. 5 des geplanten Abkommens „angemessen … im Sinne der einschlägigen EU-Datenschutzvorschriften“ ist, muss diese Behörde u. a. den Vorgaben des Art. 10 des geplanten Abkommens entsprechen, d. h. der Überwachung durch eine „Aufsichtsbehörde“ unterliegen. Diese Behörde muss „befugt [sein], die Einhaltung der Vorschriften bezüglich der Erhebung, Verwendung, Weitergabe, Speicherung oder Vernichtung von PNR-Daten zu überprüfen“. Zu diesen Befugnissen gehört auch, Überprüfungen durchzuführen, der zuständigen kanadischen Behörde Empfehlungen zu unterbreiten und bei Zuwiderhandlungen im Zusammenhang mit dem geplanten Abkommen eine strafrechtliche Verfolgung einleiten oder Disziplinarmaßnahmen verhängen zu lassen. Nach Art. 14 Abs. 1 des geplanten Abkommens nimmt die Aufsichtsbehörde Beschwerden von Einzelpersonen entgegen, die ihren Antrag auf Auskunft über ihre PNR-Daten, Berichtigung dieser Daten oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks betreffen, und prüft und beantwortet diese.

309. Folglich haben die Vertragsparteien durchaus die Absicht, zu gewährleisten, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch die CBSA einem wirksamen Mechanismus zur Überwachung und Kontrolle etwaiger Verstöße gegen die Vorschriften des geplanten Abkommens, der den Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten der Fluggäste gewährleistet, unterliegt, um ein Schutzniveau sicherzustellen, das „der Sache nach gleichwertig“ mit demjenigen sein soll, das diese Personen genössen, wenn ihre Daten im Unionsgebiet verarbeitet und gespeichert würden.

310. Daraus folgt, dass die u. a. von Art. 8 Abs. 3 der Charta geforderte Überwachung durch eine unabhängige Stelle im vorliegenden Fall in vollem Umfang zu verwirklichen ist.

311. Die Besonderheit der im geplanten Abkommen eingerichteten Aufsichtsbehörde besteht jedoch darin, dass sie doppelgesichtig ist, was das Parlament und der EDSB im Hinblick auf ihre volle Unabhängigkeit beanstanden. Nach Art. 10 des geplanten Abkommens ist diese Behörde nämlich entweder eine „unabhängige Behörde“ oder eine „durch administrative Mittel eingerichtet[e] Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft“.

312. Die erste dieser Behörden wird, wie sich aus dem Schreiben der Mission Kanadas bei der Europäischen Union vom 25. Juni 2014(115) und den Ausführungen der Kommission im Verfahren vor dem Gerichtshof ergibt, durch den kanadischen Privacy Commissioner (Datenschutzbeauftragten) verkörpert, dessen Statut, Art und Weise der Bestellung, siebenjährige Amtszeit, in der er unabsetzbar ist, und Befugnisse zur Untersuchung, auch von Amts wegen, und zur Empfehlung im kanadischen Privacy Act (Datenschutzgesetz) von 1985(116) im Einzelnen geregelt sind. Es ist darauf hinzuweisen, dass keiner der Beteiligten bezweifelt hat, dass der kanadische Privacy Commissioner, der ausschließlich den Kammern des kanadischen Parlaments Bericht erstattet, über eine Unabhängigkeit und eine Unparteilichkeit verfügt, die ihm erlauben, seine Aufgaben ohne äußere Einflussnahme oder Weisungen, insbesondere durch die Exekutive, wahrzunehmen(117).

313. Aus den dem Gerichtshof gegebenen Erläuterungen ergibt sich, dass der kanadische Privacy Commissioner nach dem Privacy Act für die Beschwerden der Einzelnen gegenüber einer Verletzung der Vorschriften über die Privatsphäre und den Schutz der personenbezogenen Daten durch eine kanadische föderale öffentliche Einrichtung zuständig ist.

314. Allerdings lässt die alternative Formulierung von Art. 10 Abs. 1 des geplanten Abkommens darauf schließen, dass die Kontrolle über die Verarbeitung der PNR-Daten durch die CBSA auch vollständig von der „durch administrative Mittel eingerichteten Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft“, übernommen werden kann, d. h. vom Recourse Directorate der CBSA, das unter dem Abkommen von 2006 geschaffen wurde.

315. Unabhängig von den im Schreiben der Mission Kanadas bei der Europäischen Union vom 25. Juni 2014 genannten Garantien, denen zufolge das Recourse Directorate der CBSA keinen Weisungen anderer operativer Einheiten der CBSA unterliegt, bleibt es wie alle anderen Einheiten der CBSA doch dem für die Aufsicht zuständigen Minister unmittelbar unterstellt, von dem es Weisungen erhalten kann(118). Da das Recourse Directorate der CBSA einer ‒ insbesondere politischen ‒ Einflussnahme durch die für die Aufsicht zuständige Behörde oder allgemeiner durch die Exekutive ausgesetzt sein kann, kann es nicht als eine unabhängige Kontrollbehörde im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Charta angesehen werden.

316. Da Art. 10 des geplanten Abkommens im Wesentlichen vorsieht, dass die Aufsichtsbehörde alternativ entweder der kanadische Privacy Commissioner oder das Recourse Directorate der CBSA sein kann, stellt diese Bestimmung folglich keine klare und präzise Regel dar, die garantiert, dass die Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten der Personen, die von der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitung der PNR-Daten betroffen sind, durch eine unabhängige Stelle im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Charta systematisch überwacht wird. Es obliegt den Vertragsparteien, die Unklarheit auszuräumen, die sich aus der Formulierung von Art. 10 Abs. 1 dieses Abkommens ergibt, und dafür zu sorgen, dass die Überwachung der Achtung der durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte einer unabhängigen Kontrollbehörde im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Charta übertragen wird.

317. Bezüglich Art. 14 Abs. 1 des geplanten Abkommens, der verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe betrifft, geht aus den Ausführungen der Kommission hervor, dass der kanadische Privacy Commissioner nach dem kanadischen Privacy Act von 1985 nicht für die Entscheidung über Anträge auf Zugang zu den PNR-Daten, auf Berichtigung oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks zuständig ist, die von Personen, die sich außerhalb Kanadas aufhalten, eingereicht werden, d. h. über Anträge dieser Personen nach den Art. 12 und 13 des geplanten Abkommens.

318. Nach den Erläuterungen der Kommission obliegt die Bearbeitung von Anträgen auf Zugang, auf Berichtigung oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks sowie die Beantwortung dieser Anträge, die von Personen eingereicht werden, die sich außerhalb Kanadas aufhalten, was zweifelsfrei bei den meisten Unionsbürgern der Fall ist, dem Recourse Directorate der CBSA.

319. In ihren Erklärungen sowie ihren Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs hat die Kommission darauf hingewiesen, dass eine Person, deren Antrag auf Zugang zu ihren PNR-Daten, auf Berichtigung dieser Daten oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks vom Recourse Directorate der CBSA abgelehnt worden sei, über einen Bevollmächtigten, der sich im kanadischen Hoheitsgebiet aufhalte, eine Beschwerde beim kanadischen Privacy Commissioner einlegen könne.

320. Das Bestehen dieses beim kanadischen Privacy Commissioner einzulegenden verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfs wird jedoch weder im geplanten Abkommen angeführt, noch ergibt es sich aus einer dem Gerichtshof mitgeteilten Bestimmung des kanadischen Rechts. Sofern der Rechtsbehelf tatsächlich in Betracht kommen kann, bin ich der Ansicht, dass diese Möglichkeit klar im geplanten Abkommen angegeben werden müsste, so dass jedermann den Umfang der Verfahrensrechte, die ihm das Abkommen gewährt, erkennen kann. Wenn eine derartige Möglichkeit letztlich besteht, müsste der kanadische Privacy Commissioner meines Erachtens unmittelbar die Aufgabe übernehmen können, jeden Antrag auf Zugang, auf Berichtigung oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks zu beantworten, den eine Einzelperson, die sich nicht in Kanada aufhält, eingereicht hat. Wenn keine dieser Optionen vorgesehen ist, wäre nämlich keine unabhängige Kontrollbehörde für die Prüfung dieser Art von Anträgen zuständig, obwohl es sich gerade um Anträge handelt, die ausschließlich von Unionsbürgern in Bezug auf ihre eigenen personenbezogenen Daten gestellt werden. Die Möglichkeit, dass ein solcher Fall eintritt, bedeutet meiner Ansicht nach, dass die Vertragsparteien die beiden vom geplanten Abkommen verfolgten Ziele nicht ausgewogen gewichtet haben.

321. Jedenfalls müsste Art. 14 Abs. 1 des geplanten Abkommens klar bestimmen, dass die Anträge auf Zugang, auf Berichtigung und Anbringung eines Bestreitungsvermerks von Fluggästen, die sich nicht im kanadischen Hoheitsgebiet aufhalten, entweder unmittelbar oder im Wege eines verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfs vor eine unabhängige Behörde gebracht werden können.

322. Der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass dagegen die Rügen des Parlaments, wonach Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens gegen Art. 47 der Charta verstoßen könnte, meiner Auffassung nach nicht begründet sind.

323. Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens sieht nämlich vor, dass Kanada dafür sorgt, dass jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte durch eine Entscheidung oder Maßnahme in Bezug auf ihre PNR-Daten verletzt wurden, Anspruch hat auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach kanadischem Recht im Hinblick auf eine gerichtliche Überprüfung oder auf eine andere Wiedergutmachung, wozu auch Schadensersatzzahlungen gehören können.

324. Wie der Rat geltend gemacht hat, stellt diese Bestimmung sicher, dass Einzelpersonen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Wohnsitz oder dem Umstand, ob sie sich in Kanada aufhalten, über einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz im Sinne von Art. 47 der Charta verfügen. Dass Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens davon ausgeht, dass der „wirksame gerichtliche Rechtsbehelf“ nicht nur in Form einer gerichtlichen Überprüfung, sondern auch einer Schadensersatzklage erfolgen kann, lässt erkennen, dass Kanada sich verpflichtet, sicherzustellen, dass alle betroffenen Personen wirksam Rechtsbehelfe einlegen können.

325. Außerdem hat nach Art. 14 Abs. 1 des geplanten Abkommens die Behörde, die einen Antrag auf Zugang, auf Berichtigung oder auf Anbringung eines Bestreitungsvermerks abgelehnt hat, den Beschwerdeführer über die Möglichkeiten der Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gemäß Abs. 2 dieses Artikels zu informieren, was eine angemessene individuelle Information der betroffenen Unionsbürger sicherstellt.

326. Entgegen den Mutmaßungen, die das Parlament unter Bezugnahme auf Rn. 95 des Urteils vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), angestellt hat, ist eine solche Situation nicht mit derjenigen vergleichbar, die den Gerichtshof in jener Rechtssache zur Feststellung veranlasst hat, dass der Wesensgehalt des Grundrechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verletzt wurde. In jener Rechtssache ging es nämlich um die Regelung eines Drittlands, bei der die Kommission davon ausgegangen war, dass sie ein angemessenes Schutzniveau der Grundrechte gewährleiste, die aber später erlangten Informationen zufolge keine Möglichkeit für den Bürger vorsah, mittels eines Rechtsbehelfs Zugang zu seinen eigenen personenbezogenen Daten zu erlangen oder ihre Berichtigung oder Löschung zu erwirken.

327. Das geplante Abkommen, das für Kanada eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt, schreibt diesem Land vor zu gewährleisten, dass solche Rechtsbehelfe eingerichtet werden und wirksam sind. Insoweit und in Anbetracht der präventiven Natur des Gutachtenverfahrens reicht diese Feststellung meines Erachtens aus, um den Schluss zu ziehen, dass Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens mit Art. 47 der Charta vereinbar ist(119).

VIII – Ergebnis

328. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf das Ersuchen des Parlaments um ein Gutachten wie folgt zu antworten:

1.      Der Rechtsakt des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR), das am 25. Juni 2014 unterzeichnet wurde, muss auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV gestützt werden.

2.      Das geplante Abkommen ist mit Art. 16 AEUV sowie Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unter folgenden Voraussetzungen vereinbar:

–        Die Kategorien von Fluggastdatensätzen (PNR) der Fluggäste im Anhang des geplanten Abkommens werden klar und präzise formuliert und die sensiblen Daten im Sinne des geplanten Abkommens vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossen;

–        die Straftaten, die unter die Definition der grenzübergreifenden schweren Kriminalität nach Art. 3 Abs. 3 des geplanten Abkommens fallen, werden in diesem oder einem Anhang zum Abkommen abschließend aufgezählt;

–        das geplante Abkommen bestimmt die für die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen zuständige Behörde hinreichend klar und präzise, um den Schutz und die Sicherheit dieser Daten zu gewährleisten;

–        das geplante Abkommen bestimmt ausdrücklich die Grundsätze und Vorschriften, die auf die im Voraus festgesetzten Szenarien oder Beurteilungskriterien sowie die Datenbanken, mit denen die Fluggastdatensätze mittels automatisierter Verarbeitung dieser Daten abgeglichen werden, anwendbar sind, so dass die Anzahl der als „Ziel“ erfassten Personen weitgehend und nicht diskriminierend auf diejenigen beschränkt werden kann, denen gegenüber ein begründeter Verdacht der Beteiligung an einer terroristischen Straftat oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität besteht;

–        das geplante Abkommen legt fest, dass nur die Bediensteten der zuständigen kanadischen Behörde zum Zugang zu den Fluggastdatensätzen befugt sind, und sieht objektive Kriterien vor, die es ermöglichen, die Anzahl dieser Bediensteten konkret zu bestimmen;

–        das geplante Abkommen gibt substantiiert die objektiven Gründe an, aus denen die Speicherung aller Fluggastdatensätze der Fluggäste für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren erforderlich ist;

–        für den Fall, dass die Dauer der Speicherung der Fluggastdatensätze von höchstens fünf Jahren als erforderlich angesehen wird, stellt das geplante Abkommen eine „Anonymisierung“ durch Unkenntlichmachung aller PNR-Daten sicher, anhand deren ein Fluggast unmittelbar identifiziert werden kann;

–        das geplante Abkommen macht die Prüfung der zuständigen kanadischen Behörde betreffend das von anderen kanadischen Staatsbehörden oder Staatsbehörden von Drittländern gewährleistete Schutzniveau sowie die etwaige Entscheidung über die Weitergabe der Fluggastdatensätze an diese Behörden im Einzelfall von einer Vorabkontrolle durch eine unabhängige Behörde oder ein Gericht abhängig;

–        die Absicht, Fluggastdatensätze eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Union an eine andere kanadische Staatsbehörde oder eine Staatsbehörde eines Drittlands zu übermitteln, ist vor jeder tatsächlichen Übermittlung der zuständigen Behörde des fraglichen Mitgliedstaats und/oder der Kommission im Voraus mitzuteilen;

–        das geplante Abkommen garantiert durch eine klare und präzise Regel planmäßig eine Überwachung der Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten der Fluggäste, deren Fluggastdatensätze verarbeitet werden, durch eine unabhängige Stelle im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und

–        das geplante Abkommen bestimmt klar, dass die Anträge auf Zugang, auf Berichtigung und auf Anbringung eines Bestreitungsvermerks von Fluggästen, die sich nicht im kanadischen Hoheitsgebiet aufhalten, entweder unmittelbar oder im Wege eines verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfs vor eine unabhängige Behörde gebracht werden können.

3.      Das geplante Abkommen ist mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar, soweit

–        Art. 3 Abs. 5 des geplanten Abkommens über das, was unbedingt erforderlich ist, hinaus gestattet, die Möglichkeiten der Verarbeitung von Fluggastdatensätzen unabhängig von dem in Art. 3 dieses Abkommens genannten Zweck der Verhinderung und Aufdeckung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zu erweitern;

–        Art. 8 des geplanten Abkommens die Verarbeitung, die Nutzung und die Speicherung von Fluggastdatensätzen, die sensible Daten enthalten, durch Kanada vorsieht;

–        Art. 12 Abs. 3 des geplanten Abkommens Kanada über das, was unbedingt erforderlich ist, hinaus das Recht gewährt, jede Information offenzulegen, sofern es angemessene rechtliche Anforderungen und Beschränkungen einhält;

–        Art. 16 Abs. 5 des geplanten Abkommens Kanada gestattet, die Fluggastdatensätze für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren insbesondere für eine besondere Maßnahme, Überprüfung, Untersuchung oder ein Gerichtsverfahren zu speichern, ohne dass ein Zusammenhang mit dem in Art. 3 dieses Abkommens genannten Zweck der Verhinderung und Aufdeckung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität erforderlich ist, und

–        Art. 19 des geplanten Abkommens die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an eine Staatsbehörde eines Drittlands erlaubt, ohne dass die zuständige kanadische Behörde von einer unabhängigen Stelle überwacht wird und sich zuvor vergewissert hat, dass die Staatsbehörde des fraglichen Drittlands diese Daten nicht selbst an eine andere Einheit, gegebenenfalls in einem anderen Drittland, weiter übermitteln kann.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR), COM(2013) 528 final.


3      Vgl. Beschluss 2012/381/EU des Rates vom 13. Dezember 2011 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an den Australian Customs and Border Protection Service (ABl. 2012, L 186, S. 3).


4      Vgl. Beschluss 2012/472/EU des Rates vom 26. April 2012 über den Abschluss des Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union über die Verwendung von Fluggastdatensätzen und deren Übermittlung an das United States Department of Homeland Security (ABl. 2012, L 215, S. 4).


5      Vgl. Standpunkt des Europäischen Parlaments, festgelegt in erster Lesung am 14. April 2016 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2016/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR‑Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität (EP-PETC1‑COD[2011]0023).


6      Vgl. Nrn. 66 bis 135 dieser Schlussanträge. Zu bemerken ist, dass der Gerichtshof infolge seiner Entscheidung auch zum ersten Mal über „Schlussanträge“ verfügt, die vor der Erstellung seines Gutachtens vorgelegt und veröffentlicht worden sind.


7      Vgl. Beschluss 2006/230/EG des Rates vom 18. Juli 2005 über den Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung Kanadas über die Verarbeitung von API/PNR-Daten (ABl. 2006, L 82, S. 14).


8      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31).


9      Entscheidung der Kommission vom 6. September 2005 über die Angemessenheit des Schutzes der personenbezogenen Daten, die in den Passenger Name Records enthalten sind, welche der Canada Border Services Agency übermittelt werden (ABl. 2006, L 91, S. 49).


10      Nach ihrem Art. 7 lief die Entscheidung 2006/253 drei Jahre und sechs Monate nach dem Tag ihrer Bekanntmachung aus. Sie hätte nach dem Verfahren von Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie 95/46 verlängert werden können, was jedoch nicht geschah.


11      Vgl. Art. 5 des Abkommens von 2006.


12      ABl. 2011, C 81 E, S. 70.


13      Vgl. Nrn. 7 und 9 dieser Entschließung.


14      Jeweils SEC(2010) 1082, SEC(2010) 1083 und SEC(2010) 1084.


15      Vgl. Fn. 3 bzw. 4 dieser Schlussanträge.


16      Der vollständige Text der Stellungnahme des EDSB in Deutsch, Englisch und Französisch ist unter folgender Internetadresse abrufbar: https://secure.edps.europa.eu/EDPSWEB/webdav/site/mySite/shared/Documents/Consultation/Opinions/2013/13-09-30_Canada_DE.pdf


17      Obwohl das keineswegs bestritten wird, weise ich der Vollständigkeit halber darauf hin, dass Gegenstand des Gutachtenantrags eine „geplante Übereinkunft“ im Sinne von Art. 218 Abs. 11 AEUV ist, da das hier in Rede stehende Abkommen zwar zum Zeitpunkt der Befassung des Gerichtshofs bereits durch den Rat unterzeichnet gewesen war, jedoch bis heute nicht abgeschlossen wurde. Vgl. dazu Gutachten 3/94 vom 13. Dezember 1995 (EU:C:1995:436, Rn. 18 und 19).


18      Vgl. u. a. Gutachten 1/75 vom 11. November 1975 (EU:C:1975:145), Gutachten 1/08 vom 30. November 2009 (EU:C:2009:739, Rn. 108 und 109) und Gutachten 1/13 vom 14. Oktober 2014 (EU:C:2014:2303, Rn. 43).


19      Ohne dass dies streitig wäre, ergänze ich der Vollständigkeit halber, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Tatsache, dass keine Klage auf Nichtigerklärung der Unterzeichnung des Abkommens erhoben wurde, nicht zur Unzulässigkeit eines Ersuchens um ein Gutachten über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit dem Primärrecht der Union führt. Vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001 (EU:C:2001:664, Rn. 11).


20      Vgl. Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001 (EU:C:2001:664) und Gutachten 1/08 vom 30. November 2009 (EU:C:2009:739).


21      Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001 (EU:C:2001:664, Rn. 5) und Gutachten 1/08 vom 30. November 2009 (EU:C:2009:739, Rn. 110).


22      Vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001 (EU:C:2001:664, Rn. 5) und Gutachten 1/08 vom 30. November 2009 (EU:C:2009:739, Rn. 110).


23      Vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001 (EU:C:2001:664, Rn. 6).


24      Vgl. Gutachten 1/75 vom 11. November 1975 (EU:C:1975:145, S. 1356).


25      Vgl. Urteil vom 11. Juni 2014, Kommission/Rat (C‑377/12, EU:C:2014:1903, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


26      Vgl. u. a. Urteile vom 6. November 2008, Parlament/Rat (C‑155/07, EU:C:2008:605, Rn. 36), vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 44), vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 43), und vom 14. Juni 2016, Parlament/Rat (C‑263/14, EU:C:2016:453, Rn. 44). Zu diesem Punkt ist anzumerken, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs offenbar nicht völlig einheitlich ist, da einige Urteile seltsamerweise lediglich die Verfolgung mehrerer Ziele nennen, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne auf die Komponenten des geprüften Rechtsakts Bezug zu nehmen. Vgl. z. B. Urteile vom 29. April 2004, Kommission/Rat (C‑338/01, EU:C:2004:253, Rn. 56), und vom 11. Juni 2014, Kommission/Rat (C‑377/12, EU:C:2014:1903, Rn. 34).


27      Vgl. u. a. Urteile vom 6. November 2008, Parlament/Rat (C‑155/07, EU:C:2008:605, Rn. 76 bis 79), und vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 45 bis 49).


28      Die gewählte verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage, nämlich Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV, die verlangt, dass der Rat den Beschluss über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft nur nach Zustimmung des Parlaments erlassen kann, wenn diese Übereinkunft „in Bereichen, für die … das ordentliche Gesetzgebungsverfahren … gilt“ geschlossen wird, ist nicht Gegenstand des Antrags des Parlaments und ist unter den Beteiligten nicht streitig. Diese Bestimmung ist nämlich offensichtlich die zutreffende verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens.


29      Vgl. Urteil vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346, Rn. 57 bis 59).


30      ABl. 2011, L 288, S. 1.


31      Urteil vom 6. Mai 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑43/12, EU:C:2014:298, Rn. 42).


32      Nach dem zweiten Satz dieses Artikels des geplanten Abkommens „wird davon ausgegangen, dass Fluggesellschaften, die Kanada auf der Grundlage dieses Abkommens PNR-Daten übermitteln, die rechtlichen Anforderungen in der Europäischen Union bezüglich der Übermittlung von PNR-Daten aus der Europäischen Union an Kanada erfüllen“.


33      Art. 20 des geplanten Abkommens bestimmt insbesondere, dass die Vertragsparteien „sicher[stellen], dass die Fluggesellschaften der zuständigen kanadischen Behörde die PNR-Daten ausschließlich im ‚Push‘-Verfahren … übermitteln“ (Hervorhebung nur hier).


34      Nach Art. 21 Abs. 1 des geplanten Abkommens, der die Häufigkeit der Übermittlung von PNR-Daten betrifft, sorgt „Kanada … dafür, dass die zuständige kanadische Behörde von den Fluggesellschaften verlangt, … die PNR-Daten … zu übermitteln …“ (Hervorhebung nur hier).


35      Vgl. Nr. 21 dieser Schlussanträge.


36      Vgl. auch entsprechend Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑263/14, EU:C:2015:729, Rn. 67).


37      Vgl. Urteil vom 6. Mai 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑43/12, EU:C:2014:298, Rn. 48 und 49).


38      Vgl. entsprechend Urteil vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346, Rn. 56).


39      Art. 23 Abs. 2 des geplanten Abkommens bestätigt die Bedeutung der Sicherheit der Unionsbürger, indem er vorsieht, dass die Vertragsparteien zusammenarbeiten, um die Kohärenz ihrer Verarbeitungsregelungen für PNR-Daten weiter auszubauen, um „die Sicherheit der Bürger in Kanada [und] der Europäischen Union … weiter zu verbessern“.


40      Vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2006:346, Rn. 59).


41      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Februar 2009, Irland/Parlament und Rat (C‑301/06, EU:C:2009:68, Rn. 83).


42      Hervorhebung nur hier.


43      Vgl. die Bezugsvermerke des Beschlusses 2012/381 und des Beschlusses 2012/472, jeweils oben in den Fn. 3 bzw. 4 dieser Schlussanträge angeführt.


44      Vgl. u. a. Urteile vom 10. Januar 2006, Kommission/Rat (C‑94/03, EU:C:2006:2, Rn. 50), vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 48), und vom 18. Dezember 2014, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 36).


45      ABl. 2008, L 350, S. 60.


46      Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Léger in den verbundenen Rechtssachen Parlament/Rat und Kommission (C‑317/04 und C‑318/04, EU:C:2005:710, Nr. 160).


47      Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 28 und 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48      Vgl. die in Fn. 27 dieser Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.


49      So hat der Vertreter des Rates in der mündlichen Verhandlung auf eine Reihe von Fragen des Gerichtshofs eingeräumt, dass die drei betreffenden Mitgliedstaaten nicht über den Erlass eines Rechtsakts abstimmen könnten, der für sie nicht bindend sei. Außerdem sehe ich einen Widerspruch in dem Vorbringen dieses Organs, wenn es einerseits, wie ich weiter oben dargelegt habe, die zweite Frage des Gutachtenantrags für unzulässig hält, da die Wahl von Art. 16 AEUV als materielle Rechtsgrundlage des Rechtsakts über den Abschluss des geplanten Abkommens keine Auswirkungen habe, weil das Verfahren zum Erlass der auf diese Bestimmung gestützten Maßnahmen das gleiche sei wie die in Art. 82 Abs. 1 Buchst. a und in Art. 87 Abs. 2 Buchst. d AEUV jeweils vorgesehenen Verfahren, andererseits bei der Prüfung dieser Frage in der Sache vorbringt, dass sich diese Verfahren nicht miteinander vereinbaren ließen.


50      Vgl. Urteile vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat (C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 73), und vom 18. Dezember 2014, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 37).


51      Vgl. Urteil vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 80).


52      Zum letzteren Artikel vgl. Fn. 28 dieser Schlussanträge.


53      Das Parlament zieht insoweit eine Parallele zu dem im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 37), gewählten Ansatz.


54      EGMR, 1. Juli 2008, Liberty u. a./Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2008:0701JUD005824300, Rn. 63).


55      Diese Ausdrücke wurden jeweils von Irland und der Regierung des Vereinigten Königreichs in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs verwendet.


56      Ebenso müssen für die Prüfung, wie unabhängig die durch das geplante Abkommen geschaffene „Aufsichtsbehörde“ ist, die kanadischen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden. Vgl. Nrn. 311 bis 316 dieser Schlussanträge.


57      Nach Art. 6 Abs. 1 EUV sind „die Charta … und die Verträge … rechtlich gleichrangig“.


58      Vgl. zu diesem Kriterium für die Anwendung der Art. 7 und 8 der Charta Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52), vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito (C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 42), und vom 17. Oktober 2013, Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 26).


59      Vgl. u. a. Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 47), und vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito (C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 41).


60      Nach den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) „entsprechen“ die Rechte nach Art. 7 der Charta den Rechten, die durch Art. 8 EMRK garantiert sind, während Art. 8 der Charta sich sowohl auf Art. 8 EMRK als auch auf das von allen Mitgliedstaaten ratifizierte Übereinkommen (Nr. 108) des Europarates vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten „stützte“.


61      Urteil vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 74).


62      Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 34 und 35).


63      Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 29 und 36).


64      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 284 und 285).


65      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 75), vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 33), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 87).


66      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 75), vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 33), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 87).


67      Nach den dem Gerichtshof übermittelten Informationen haben zwischen April 2014 und März 2015 28 Millionen Fluggäste von den Flugverbindungen zwischen Kanada und der Europäischen Union Gebrauch gemacht.


68      Es ist zu beachten, dass der Gerichtshof im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 37), festgestellt hat, dass die Eindrücke oder die Gefühle, die bei der von einer Regelung über die Verarbeitung und die Speicherung personenbezogener Daten betroffenen Öffentlichkeit erzeugt werden, im Kontext der Beurteilung der Schwere des Eingriffs in die durch Art. 7 und Art. 8 Abs. 1 der Charta garantierten Grundrechte von gewisser Bedeutung sind.


69      Wie bereits gesagt, führt Art. 11 Abs. 1 des geplanten Abkommens nur Informationen an, die die zuständige kanadische Behörde auf ihrer Website bereitstellt, während sein Abs. 2 eine ziemlich vage Verpflichtung enthält, die Transparenz ‒ vorzugsweise zum Zeitpunkt der Buchung ‒ zu fördern, indem die Fluggäste u. a. über die Gründe für die Erhebung und die Verwendung von PNR-Daten informiert werden.


70      Vgl. u. a. EGMR, 24. April 1990, Kruslin/Frankreich (CE:ECHR:1990:0424JUD001180185, Rn. 27), und EGMR, 1. Juli 2008, Liberty u. a./Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2008:0701JUD005824300, Rn. 59).


71      Vgl. EGMR, 1. Dezember 2015, Brito Ferrinho Bexiga Villa-Nova/Portugal (CE:ECHR:2015:1201JUD006943610, Rn. 47).


72      Vgl. EGMR, 2. August 1984, Malone/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:0802JUD000869179, Rn. 66).


73      Vgl. EGMR, 6. Juli 2010, Neulinger und Shuruk/Schweiz (CE:ECHR:2010:0706JUD004161507, Rn. 99), und EGMR, 12. Juni 2014, Fernández Martínez/Spanien (CE:ECHR:2014:0612JUD005603007, Rn. 118).


74      Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 66).


75      Urteil vom 17. Oktober 2013, Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 35).


76      Vgl. u. a. Urteile vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a. (C‑308/06, EU:C:2008:312, Rn. 42), sowie vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 52).


77      Vgl. u. a. in diesem Sinne EGMR, 12. Juni 2014, Fernández Martínez/Spanien (CE:ECHR:2014:0612JUD005603007, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).


78      Vgl. allgemein die Ausführungen in den Nrn. 217 bis 320 dieser Schlussanträge.


79      Vgl. Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 42).


80      Vgl. u. a. Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 74), und vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 46).


81      Vgl. Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 48).


82      Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 78).


83      Vgl. entsprechend Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 49).


84      Laut den Beteiligten führt nur Air Canada Flüge zwischen Dänemark und Kanada durch.


85      Da sich das Königreich Dänemark nicht am geplanten Abkommen beteiligt, ist es für die Zwecke des Abkommens als Drittland anzusehen. Die Zusammenarbeit zwischen der zuständigen kanadischen Behörde und den Behörden des Königreichs Dänemark wird von Art. 19 des geplanten Abkommens geregelt.


86      Vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 77).


87      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 91).


88      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 86), und vom 17. Oktober 2013, Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 46).


89      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Oktober 2013, Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 53).


90      Vgl. Dokument 9944, vom Generalsekretär der ICAO genehmigt und unter seiner Verantwortung veröffentlicht. Die englische Fassung dieses Dokuments ist unter folgender Internetadresse abrufbar: www.iata.org/iata/passenger-data-toolkit/assets/doc_library/04-pnr/New Doc 9944 1st Edition PNR.pdf


91      Vgl. insoweit Rn. 3.8 der im Jahr 2010 unter der Leitung der Weltzollorganisation, der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (IATA) und der ICAO ausgearbeiteten Guidelines on Advance Passenger Information (API), zugänglich unter der Internetadresse: http://www.icao.int/Security/FAL/Documents/2010%20API%20Guidelines%20Final%20Version.ICAO.2011%20full%20x2.pdf. In der Union wird die Erhebung der erweiterten Fluggastdaten (API-Daten) von der Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (ABl. 2004, L 261, S. 24), geregelt.


92      Vgl. u. a. die Informationen auf der Internetseite der kanadischen Einwanderungsbehörde (Citizenship and Immigration Canada): http://www.cic.gc.ca/english/visit/apply-who.asp


93      ABl. 2006, L 105, S. 54.


94      Vgl. Nr. 236 dieser Schlussanträge.


95      Ich werde die beiden letzteren Bestimmungen später genauer prüfen. Vgl. jeweils Nrn. 292 bis 294 und Nrn. 274 bis 290 dieser Schlussanträge.


96      Vgl. zu Art. 18 des geplanten Abkommens Nrn. 295 bis 304 dieser Schlussanträge.


97      Im Kontext der Anwendung von Art. 8 EMRK zieht der EGMR das Kriterium des „begründeten Verdachts“ heran, der die Überwachung der privaten Kommunikation von Personen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit rechtfertigen kann. Vgl. insoweit EGMR, 4. Dezember 2015, Zakharov/Russland (CE:ECHR:2015:1204JUD004714306, Rn. 260).


98      Vgl. zu dieser Behörde Nrn. 311 bis 313 dieser Schlussanträge.


99      Vgl. zu dieser Behörde Nrn. 311 bis 313 dieser Schlussanträge.


100      Vgl. EGMR, 12. Januar 2016, Szabó und Vissy/Ungarn (CE:ECHR:2016:0112JUD003713814, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).


101      Vgl. Nrn. 306 bis 321 dieser Schlussanträge.


102      Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 68).


103      Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 62 bis 64).


104      Vgl. Nrn. 306 bis 316 dieser Schlussanträge.


105      Zu bemerken ist jedoch, dass nach Art. 16 Abs. 5 Buchst. b des geplanten Abkommens die Daten länger, und zwar „während weiterer zwei Jahre nur [gespeichert werden dürfen], um die Rechenschaftspflicht oder Aufsicht der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten, so dass sie dem [Fluggast] offengelegt werden können, sollte dieser dies beantragen“. Diese Verlängerung der Speicherdauer, zu der sich die Beteiligten nicht geäußert haben, wirft als solche offensichtlich keine besonderen Probleme auf, da sie ausschließlich die Rechte des von der Verarbeitung seiner PNR-Daten betroffenen Fluggastes schützen soll.


106      Vgl. Nr. 224 dieser Schlussanträge.


107      Das sind: „andere Namen im PNR-Datensatz sowie Anzahl der in dem Datensatz erfassten Reisenden“, „sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, einschließlich Informationen zur Identifizierung des Dateneingebers“, „allgemeine Eintragungen, unter anderem Other Supplementary Information (OSI), Special Service Information (SSI) und Special Service Request (SSR) Information, sofern sie Angaben enthalten, anhand deren eine natürliche Person identifiziert werden kann“, und „etwaige für Buchungszwecke erhobene Daten zur Advance Passenger Information (API), sofern sie Angaben enthalten, anhand deren eine natürliche Person identifiziert werden kann“.


108      Vgl. Nr. 267 dieser Schlussanträge.


109      Vgl. Nrn. 306 bis 316 dieser Schlussanträge.


110      Vgl. entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 73).


111      Vgl. jeweils Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis d und Art. 19 Abs. 1 Buchst. a bis d des geplanten Abkommens. Aus Art. 18 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 3 des geplanten Abkommens geht hervor, dass die von diesen Bestimmungen vorgesehenen Garantien ebenso gelten, wenn analytische Informationen übermittelt werden, die PNR-Daten enthalten.


112      Vgl. entsprechend EGMR, 12. Januar 2016, Szabó und Vissy/Ungarn (CE:ECHR:2016:0112JUD003713814, Rn. 77).


113      Im Übrigen weise ich darauf hin, dass nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. h des mit Australien geschlossenen PNR-Abkommens die fallweise Weitergabe von PNR-Daten an eine Drittstaatsbehörde nur erfolgen kann, wenn der Australian Customs and Border Protection Service von der empfangenden Behörde die Zusicherung erhalten hat, dass sie die PNR-Daten ihrerseits nicht weitergibt.


114      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C‑614/10, EU:C:2012:631, Rn. 36 und 37), vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn (C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 47 und 48), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. [41]).


115      Dieses Schreiben stellt nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. b des geplanten Abkommens die Mitteilung der beiden Behörden nach Art. 10 und Art. 14 Abs. 1 dieses Abkommens auf diplomatischem Wege dar.


116      R.S.C., 1985, c. P-21. Die konsolidierte Fassung dieses Gesetzes vom 16. März 2016 ist auf der Internetseite des kanadischen Justizministeriums verfügbar: http://lois-laws.justice.gc.ca.


117      Im Kontext der Anwendung von Art. 8 EMRK verlangt der EGMR die Unabhängigkeit der Kontrollbehörden gegenüber der Exekutive. Vgl. in Bezug auf die Kontrolle von Überwachungen der privaten Kommunikation, EGMR, 4. Dezember 2015, Zakharov/Russland (CE:ECHR:2015:1204JUD004714306, Rn. 278 und 279).


118      So geht aus den Bestimmungen des Canada Border Services Agency Act (S.C. 2005, c. 38) hervor, dass der Minister für die CBSA verantwortlich ist (Art. 6 Abs. 1), dass der Präsident der CBSA mit der Verwaltung derselben „unter der Leitung des Ministers“ betraut ist (Art. 8 Abs. 1) und dass die CBSA die gesetzlich übertragenen Aufgaben betreffend die Grenzgesetze „vorbehaltlich etwaiger Weisungen des Ministers“ wahrnimmt (Art. 12 Abs. 1). Keine der Bestimmungen des Gesetzes nennt das Recourse Directorate der CBSA oder räumt ihm gar eine besondere Stellung in der CBSA ein. Der Wortlaut des Gesetzes in der Fassung vom 16. März 2016 ist auf der Internetseite des kanadischen Justizministeriums verfügbar: http://lois‑laws.justice.gc.ca


119      Wenn das geplante Abkommen geschlossen ist, sieht außerdem sein Art. 26 die gemeinsame Überprüfung der Durchführung des Abkommens ein Jahr nach dessen Inkrafttreten, danach in regelmäßigen Abständen und jedenfalls vier Jahre nach dessen Inkrafttreten vor. Wenn die Durchführung von Art. 14 Abs. 2 des Abkommens Schwierigkeiten bereitet, könnten diese also von den Vertragsparteien überprüft und gegebenenfalls nach Art. 25 Abs. 1 des Abkommens beseitigt werden; ist dies nicht möglich, könnten sie die Union veranlassen, die Anwendung des Abkommens nach dem von Art. 25 Abs. 2 des geplanten Abkommens vorgesehenen Verfahren auszusetzen. Außerdem würde meiner Ansicht nach keines dieser Verfahren, wenn das geplante Abkommen in die Unionsrechtsordnung übernommen worden ist, die Möglichkeit eines nationalen Gerichts eines Mitgliedstaats beeinträchtigen, das eventuell mit einem Rechtsstreit über die Anwendung des Abkommens befasst ist, eine Frage nach der Gültigkeit des Beschlusses über den Abschluss des Abkommens im Hinblick auf dessen Art. 5 und auf nach dem Erlass dieses Beschlusses eingetretene Umstände ‒ entsprechend der Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 77 des Urteils vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650), zur Prüfung der Gültigkeit einer Angemessenheitsentscheidung der Kommission ‒ dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Frage, welchen Einfluss das Gutachten des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache auf die Antwort auf ein solches Vorabentscheidungsersuchen über die Gültigkeit hätte, geht über den Rahmen dieser Schlussanträge hinaus.