Language of document : ECLI:EU:C:2017:653

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 7. September 2017(1)

Rechtssache C360/16

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Aziz Hasan

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Asylpolitik – Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Modalitäten und Fristen, die auf die Überstellung eines Drittstaatsangehörigen in den Mitgliedstaat des ersten Asylantrags anwendbar sind – Beginn der Frist für die Überstellung des Asylbewerbers“






I.      Einleitung

1.        In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, die Art. 18, 23, 24, 27 und 29 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013(2) auszulegen, um zum einen den endgültigen Charakter der Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats, zum anderen den Umfang der gerichtlichen Überprüfung von Überstellungsentscheidungen und schließlich die Modalitäten, die Verfahren und die Fristen festzulegen, die anwendbar sind, wenn die Person, die internationalen Schutz beantragt und bereits in den für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Mitgliedstaat überstellt wurde, illegal in das Hoheitsgebiet des ursprünglich ersuchenden Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, in dem eine Klage gegen die Überstellungsentscheidung anhängig ist.

2.        In der Dublin‑III-Verordnung wird die häufig vorkommende Situation, dass die Person, die internationalen Schutz beantragt, in den für die Prüfung ihres Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat überstellt wurde und sich dann erneut in den ursprünglich ersuchenden Staat begibt, nicht geregelt. Das vorlegende Gericht wirft daher Fragen zu Gesichtspunkten auf, mit denen sich der Gesetzgeber der Europäischen Union nicht ausdrücklich befasst hat.

3.        Auch wenn sich die Antworten auf die Fragen des vorlegenden Gerichts nicht unmittelbar aus der Dublin‑III-Verordnung ergeben, können sie jedoch der Systematik dieses Rechtstexts und der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs entnommen werden, wobei allerdings die verschiedenen vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele miteinander in Einklang zu bringen sind, im Kontext des auf der Grundlage von Art. 78 AEUV geschaffenen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (im Folgenden: GEAS)(3).

4.        Die dem GEAS zugrunde liegende Logik kann zu der Feststellung führen, dass das auf europäischer Ebene eingeführte System den realen Gegebenheiten vor Ort nicht angemessen ist. Dieses System kann zum einen ein Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, nach sich ziehen. Zum anderen kann es dazu führen, dass die Betroffenen gezwungen sind, sich in nur einem Mitgliedstaat aufzuhalten, und zwar in dem, der für die Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.

5.        Das derzeit geltende System darf es aber weder den Mitgliedstaaten gestatten, sich der ihnen ausdrücklich auferlegten Verantwortung für die effiziente Bearbeitung dieser Anträge insbesondere dadurch zu entziehen, dass sie in ihrem Hoheitsgebiet nicht die Kontrollen und den Verbleib der Antragsteller, für die sie zuständig sind, sicherstellen, noch umgekehrt den Personen, die internationalen Schutz beantragen, ermöglichen, sich durch Sekundärmigration und die Stellung zahlreicher Asylanträge in verschiedenen Mitgliedstaaten den für die Bearbeitung ihres Antrags zuständigen Mitgliedstaat auszusuchen.

6.        Am Ende meiner Analyse werde ich dem Gerichtshof daher vorschlagen, zu entscheiden, dass die Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt, nicht zur endgültigen Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats führt.

7.        Ich werde ferner erläutern, dass es in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden möglich sein muss, die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über die Überstellung eines Asylbewerbers auf nach dem Vollzug dieser Maßnahme eingetretene Umstände zu erstrecken.

8.        Schließlich werde ich die Gründe darlegen, aus denen ich der Auffassung bin, dass der ursprünglich ersuchende Mitgliedstaat im Fall der illegalen Rückkehr des Asylbewerbers ein neues Überstellungsverfahren einleiten muss, das ein neues Wiederaufnahmegesuch umfasst und neuen Fristen unterliegt, die anhand der Bestimmungen der Dublin‑III-Verordnung zu berechnen sind.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      DublinIII-Verordnung

9.        In den Erwägungsgründen 4, 5, 19 und 21 dieser Verordnung heißt es:

„(4)      … [D]as GEAS [sollte] auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel zur Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats umfassen.

(5)      Eine solche Formel sollte auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden.

(19)      Um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenen zu gewährleisten, sollten im Einklang insbesondere mit Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[(4)] Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden. …

(21)      Mängel in Asylsystemen oder gar der Zusammenbruch von Asylsystemen, die häufig dadurch verschlimmert oder mitverursacht werden, dass die Asylsysteme besonderem Druck ausgesetzt sind, können das reibungslose Funktionieren des mit dieser Verordnung eingeführten Systems beeinträchtigen, was dazu führen könnte, dass die im Asylrecht der Union und in der [Charta] sowie in anderen internationalen Menschenrechts- und Flüchtlingsrechtsverpflichtungen niedergelegten Rechte der Antragsteller verletzt werden könnten.“

10.      Nach Art. 2 der Verordnung bezeichnet der Ausdruck

„…

c)      ,Antragsteller‘ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde;

d)      ‚Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz‘ die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Behörden in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß der Richtlinie 2013/32/EU[(5)] und der Richtlinie 2011/95/EU[(6)] mit Ausnahme der Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß dieser Verordnung …“

11.      Art. 3 der Dublin‑III-Verordnung sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2)      Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der [Charta] mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3)      Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie [2013/32] in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.“

12.      In Art. 7 dieser Verordnung heißt es:

„…

(2)      Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3)      Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 16 genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.“

13.      Art. 18 („Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats“) der Verordnung sieht vor:

„(1)      Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

b)      einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c)      einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d)      einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2)      Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie [2013/32] behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie [2013/32] einzulegen.“

14.      Art. 19 Abs. 3 Unterabs. 2 der Dublin‑III-Verordnung lautet:

„Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.“

15.      Art. 20 („Einleitung des Verfahrens“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(4)      Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

(5)      Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

…“

16.      Art. 22 Abs. 1 und 2 der Verordnung lautet:

„(1)      Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs.

(2)      In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.“

17.      Art. 23 („Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

(2)      Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013[(7)] zu stellen.

(3)      Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde.

…“

18.      In Art. 24 („Wiederaufnahmegesuch, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde“) der Dublin‑III-Verordnung heißt es:

„(1)      Ist ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ohne Aufenthaltstitel aufhält und bei dem kein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, der Auffassung, dass ein anderer Mitgliedstaat gemäß Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

(2)      Beschließt ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, in Abweichung von Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger[(8)] eine Abfrage de[s] Eurodac-System[s] gemäß Artikel 17 der Verordnung … Nr. 603/2013, so ist das Gesuch um Wiederaufnahme einer Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b oder c dieser Verordnung oder einer Person im Sinne ihres Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe d, deren Antrag auf internationalen Schutz nicht durch eine endgültige Entscheidung abgelehnt wurde, so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach de[m] Erhalt der Eurodac–Treffermeldung im Sinne von Artikel 17 Absatz 5 der Verordnung … Nr. 603/2013 zu unterbreiten.

Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der ersuchende Mitgliedstaat festgestellt hat, dass ein anderer Mitgliedstaat für die betreffende Person zuständig sein könnte, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.

(3)      Wird das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist unterbreitet, so gibt der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich die betreffende Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, dieser Person Gelegenheit, einen neuen Antrag zu stellen.

(4)      Hält sich eine Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe d dieser Verordnung, deren Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat durch eine rechtskräftige Entscheidung abgelehnt wurde, ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats auf, so kann der letzte Mitgliedstaat den früheren Mitgliedstaat entweder um Wiederaufnahme der betreffenden Person ersuchen oder ein Rückkehrverfahren gemäß der Richtlinie [2008/115] durchführen.

Beschließt der letzte Mitgliedstaat, den früheren Mitgliedstaat um Wiederaufnahme der betreffenden Person zu ersuchen, so finden die Bestimmungen der Richtlinie [2008/115] keine Anwendung.

…“

19.      Art. 25 („Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch“) dieser Verordnung lautet:

„(1)      Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2)      Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.“

20.      Art. 27 („Rechtsmittel“) der Verordnung lautet:

„(1)      Der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d hat das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.

(3)      Zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung oder einer Überprüfung einer Überstellungsentscheidung sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vor:

a)      dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben; oder

b)      dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und diese Aussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, innerhalb der ein Gericht, nach eingehender und gründlicher Prüfung, darüber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gewährt wird; oder

c)      die betreffende Person hat die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Die Mitgliedstaaten sorgen für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eine eingehende und gründliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung ermöglicht. Die Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begründen.

(4)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen.

…“

21.      Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung lautet:

„Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.“

22.      Art. 29 („Modalitäten und Fristen“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

(2)      Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

(3)      Wurde eine Person irrtümlich überstellt oder wird einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben, nimmt der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die Person unverzüglich wieder auf.

…“

2.      Richtlinie 2013/32

23.      Die Erwägungsgründe 13, 18, 25 und 36 dieser Richtlinie lauten:

„(13)      Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes soll dazu beitragen, die Sekundärmigration von Antragstellern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie auf rechtliche Unterschiede zurückzuführen ist, einzudämmen, und gleiche Bedingungen für die Anwendung der Richtlinie [2011/95] in den Mitgliedstaaten zu schaffen.

(18)      Es liegt im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Personen, die internationalen Schutz beantragen, dass über die Anträge auf internationalen Schutz so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge, entschieden wird.

(25)      Im Interesse einer ordnungsgemäßen Feststellung der Personen, die Schutz als Flüchtlinge im Sinne des Artikels 1 der Genfer Flüchtlingskonvention[(9)] oder als Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz benötigen, sollte jeder Antragsteller effektiven Zugang zu den Verfahren und die Gelegenheit erhalten, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und effektiv mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen den ihn betreffenden Sachverhalt darlegen zu können; ferner sollten ausreichende Verfahrensgarantien bestehen, damit er sein Verfahren über sämtliche Instanzen betreiben kann. Außerdem sollte das Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz dem Antragsteller in der Regel zumindest das Recht auf Verbleib bis zur Entscheidung der Asylbehörde einräumen …

(36)      Stellt der Antragsteller einen Folgeantrag, ohne neue Beweise oder Argumente vorzubringen, so wäre es unverhältnismäßig, die Mitgliedstaaten zur erneuten Durchführung des gesamten Prüfungsverfahrens zu verpflichten. In diesen Fällen sollten die Mitgliedstaaten einen Antrag gemäß dem Grundsatz der rechtskräftig entschiedenen Sache (res iudicata) als unzulässig abweisen können.“

24.      Art. 9 („Berechtigung zum Verbleib im Mitgliedstaat während der Prüfung des Antrags“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Antragsteller dürfen ausschließlich zum Zwecke des Verfahrens so lange im Mitgliedstaat verbleiben, bis die Asylbehörde auf der Grundlage der in Kapitel III genannten erstinstanzlichen Verfahren über den Antrag entschieden hat. Aus dieser Berechtigung zum Verbleib ergibt sich kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel.“

25.      In Abs. 3 von Art. 31 („Prüfungsverfahren“) der Richtlinie 2013/32 heißt es:

„(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird.

Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der [Dublin‑III-Verordnung] zu behandeln, so beginnt die Sechsmonatsfrist, sobald der für die Prüfung zuständige Mitgliedstaat gemäß jener Verordnung bestimmt ist, sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet und er von der zuständigen Behörde betreut wird.

Die Mitgliedstaaten können die in dem vorliegenden Absatz festgelegte Sechsmonatsfrist um höchstens neun weitere Monate verlängern, wenn

c)      die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Antragsteller seinen Pflichten nach Artikel 13 nicht nachgekommen ist.

…“

26.      Art. 33 („Unzulässige Anträge“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der [Dublin‑III-Verordnung] ein Antrag nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie [2011/95] zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird.

(2)      Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn

d)      es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie [2011/95] als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind …“

27.      Art. 40 („Folgeanträge“) der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Wenn eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gestellt hat, in demselben Mitgliedstaat weitere Angaben vorbringt oder einen Folgeantrag stellt, prüft dieser Mitgliedstaat diese weiteren Angaben oder die Elemente des Folgeantrags im Rahmen der Prüfung des früheren Antrags oder der Prüfung der Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, insoweit die zuständigen Behörden in diesem Rahmen alle Elemente, die den weiteren Angaben oder dem Folgeantrag zugrunde liegen, berücksichtigen können.

(2)      Für die Zwecke der gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe d zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz wird ein Folgeantrag auf internationalen Schutz zunächst daraufhin geprüft, ob neue Elemente oder Erkenntnisse betreffend die Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie [2011/95] als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind.

(5)      Wird ein Folgeantrag nach diesem Artikel nicht weiter geprüft, so wird er gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe d als unzulässig betrachtet.

…“

28.      In Art. 46 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“) der Richtlinie 2013/32 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

a)      eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz, einschließlich einer Entscheidung,

iv)      keine Prüfung nach Artikel 39 vorzunehmen;

(3)      Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie [2011/95] zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird.

(5)      Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf.

(6)      Im Fall einer Entscheidung,

b)      einen Antrag gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstaben a, b oder d als unzulässig zu betrachten,

ist das Gericht befugt, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden und wenn in diesen Fällen das Recht auf Verbleib in dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist.

…“

3.      Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014(10)

29.      Durch Art. 1 Nr. 4 dieser Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003(11) wurde ein neuer Absatz in Art. 9 eingefügt, der wie folgt lautet:

„(1a)      Wurde eine Überstellung auf Ersuchen des überstellenden Mitgliedstaats verschoben, so nehmen der überstellende und der zuständige Mitgliedstaat wieder Kontakt auf, um möglichst bald und nicht später als zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Behörden erfahren, dass die Umstände, die die Verzögerung oder Verschiebung verursacht haben, nicht mehr vorliegen, eine neue Überstellung gemäß Artikel 8 zu organisieren. In diesem Fall wird vor der Überstellung ein aktualisiertes Standardformblatt für die Übermittlung von Daten vor einer Überstellung gemäß Anhang VI übermittelt.“

30.      Durch Art. 1 Nr. 5 der Durchführungsverordnung Nr. 118/2014 erhielt Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 folgende Fassung:

„(2)      Ein Mitgliedstaat, der aus einem der in Artikel 29 Absatz 2 der [Dublin‑III-Verordnung] genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, vornehmen kann, unterrichtet den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist. Ansonsten fallen die Zuständigkeit für die Behandlung des Antrags auf internationalen Schutz bzw. die sonstigen Verpflichtungen aus der [Dublin‑III-Verordnung] gemäß Artikel 29 Absatz 2 der genannten Verordnung dem ersuchenden Mitgliedstaat zu.“

B.      Deutsches Recht

31.      § 27a des Asylgesetzes in der Fassung vom 2. September 2008(12) sieht nach Änderung vor:

„Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.“

32.      § 34a dieses Gesetzes lautet:

„(1)      Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. …

(2)      Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung[(13)] gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. …“

33.      § 77 Abs. 1 des Asylgesetzes bestimmt:

„In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.“

34.      Art. 2 Abs. 1 und 2 des Übereinkommens zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1993 sieht vor:

„(1)      Die Vertragspartei, über deren Außengrenze die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, übernimmt auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person.

(2)      Als Außengrenze im Sinne dieses Artikels gilt die zuerst überschrittene Grenze, die nicht Binnengrenze der Vertragsparteien gemäß dem [am 14. Juni 1985 in Schengen (Luxemburg) unterzeichneten und am 26. März 1995 in Kraft getretenen] Übereinkommen von Schengen vom 14. Juni 1985 [zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik] betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen[(14)] ist.“

III. Sachverhalt und Vorlagefragen

35.      Nachdem Herr Aziz Hasan in Frankfurt am Main (Deutschland) aufgegriffen worden war, stellte er am 29. Oktober 2014 in Deutschland einen Asylantrag. Eine Abfrage des Eurodac-Systems ergab, dass er bereits am 4. September 2014 in Italien um internationalen Schutz ersucht hatte.

36.      Die deutschen Behörden ersuchten daher am 11. November 2014 die italienischen Behörden, Herrn Hasan auf der Grundlage der Dublin‑III-Verordnung wieder aufzunehmen. Die italienischen Behörden beantworteten dieses Wiederaufnahmegesuch nicht.

37.      Am 30. Januar 2015 lehnten die deutschen Behörden den von Herrn Hasan gestellten Asylantrag als unzulässig ab. Sie stützten sich dabei auf die Tatsache, dass Italien für die Prüfung seines Antrags zuständig sei, und ordneten seine Überstellung nach Italien an.

38.      Herr Hasan focht diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht Trier (Deutschland) an und beantragte, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde am 12. März 2015 zurückgewiesen, und die Klage wurde am 30. Juni 2015 abgewiesen.

39.      Am 3. August 2015 überstellten die deutschen Behörden Herrn Hasan nach Italien. Er kehrte jedoch noch im August 2015 illegal nach Deutschland zurück.

40.      Herr Hasan legte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Deutschland) ein, das ihr am 3. November 2015 stattgab, wobei es u. a. ausführte, dass Herr Hasan nach Ablauf der in Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen sechsmonatigen Frist nach Italien überstellt worden sei, so dass Deutschland für die Prüfung des von ihm gestellten Asylantrags zuständig geworden sei.

41.      Die Bundesrepublik Deutschland legte gegen diese Entscheidung beim vorlegenden Gericht Revision ein. Das Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) hält die Würdigung des Berufungsgerichts für fehlerhaft, da die Überstellung von Herrn Hasan nach Italien bei korrekter Berechnung der in Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Frist vor deren Ablauf stattgefunden habe.

42.      Allerdings könne die originäre Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrags von Herrn Hasan nicht abschließend beurteilt werden, da nicht auszuschließen sei, dass diese Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung wegen systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen von Personen, die internationalen Schutz beantragten, außer Betracht zu lassen sei.

43.      Unter diesen Umständen möchte das Bundesverwaltungsgericht wissen, ob bereits infolge der illegalen Rückkehr von Herrn Hasan in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die Zuständigkeit für die Prüfung seines Asylantrags zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung auf Deutschland übergegangen sei. Außerdem möchte es wissen, ob zu diesem Zeitpunkt noch ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt werden könne.

44.      Um über diese Punkte entscheiden zu können, stellen sich dem vorlegenden Gericht Fragen zu den Wirkungen der ersten Überstellung von Herrn Hasan, zu dem für die Beurteilung der relevanten Tatsachen im Rahmen der Prüfung seiner Klage maßgebenden Zeitpunkt und zur Möglichkeit, seine erneute Überstellung nach Italien in Betracht zu ziehen.

45.      Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      In einem Fall, in dem der Drittstaatsangehörige nach Stellung eines zweiten Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) aufgrund gerichtlicher Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Überstellungsentscheidung nach der Dublin‑III-Verordnung in den originär zuständigen Mitgliedstaat der ersten Asylantragstellung (hier: Italien) überstellt wurde und er danach umgehend illegal in den zweiten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) zurückgekehrt ist:

a)      Ist nach den Grundsätzen der Dublin‑III-Verordnung für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der Überstellung maßgeblich, weil mit der fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt und daher zuständigkeitsrelevante Vorschriften der Dublin‑III-Verordnung für die weitere Entwicklung nicht mehr anzuwenden sind, oder sind nachträgliche Entwicklungen der für die Zuständigkeit im Allgemeinen erheblichen Umstände – z. B. Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder (neuerlichen) Überstellung – zu berücksichtigen?

b)      Sind nach abgeschlossener Zuständigkeitsbestimmung aufgrund der Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet?

2.      Wenn die Zuständigkeit mit der Überstellung nicht endgültig bestimmt ist: Welche der nachstehend genannten Regelungen ist in einem solchen Fall auf eine Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b, c oder d der Dublin‑III-Verordnung wegen des noch laufenden Rechtsbehelfsverfahrens gegen die bereits vollzogene Überstellungsentscheidung anzuwenden:

a)      Art. 23 der Dublin‑III-Verordnung (analog) mit der Folge, dass bei einem nicht fristgerechten erneuten Wiederaufnahmegesuch ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 2 und 3 der Dublin‑III-Verordnung eintreten kann, oder

b)      Art. 24 der Dublin‑III-Verordnung (analog) oder

c)      keine der unter a und b genannten Regelungen?

3.      Für den Fall, dass auf eine solche Person weder Art. 23 noch Art. 24 der Dublin‑III-Verordnung (analog) anwendbar sind (Frage 2 Buchst. c): Sind aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet – unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 3 oder Art. 24 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung und unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 der Dublin‑III-Verordnung?

4.      Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 23 der Dublin‑III-Verordnung (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchst. a): Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 23 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

5.      Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 24 der Dublin‑III-Verordnung (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchst. b):

a)      Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 24 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

b)      Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Begründet die Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung unmittelbar die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats (hier: Deutschland) oder kann dieser trotz des neuen Asylantrags erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

c)      Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Ist dann die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung gleichzustellen?

d)      Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt und der Ausländer weder einen neuen Asylantrag stellt noch die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung gleichzustellen ist: Kann der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

IV.    Würdigung

46.      Mit fünf sehr detaillierten Fragen, die zahlreiche Unterfragen umfassen, befasst das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Kern mit drei unterschiedlichen Problemkreisen und stellt dabei verschiedene Hypothesen auf.

47.      Diese Fragen betreffen zum einen den endgültigen Charakter der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durch die Überstellungsentscheidung, zum anderen den Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Überstellungsentscheidung und schließlich die Modalitäten, die Verfahren und die Fristen, die auf eine Person anwendbar sind, die internationalen Schutz beantragt hat und bereits überstellt wurde, aber illegal in das Hoheitsgebiet des ursprünglich ersuchenden Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, wo noch ein Rechtsbehelf gegen die ursprüngliche Überstellungsentscheidung anhängig ist(15).

48.      Um dem vorlegenden Gericht bestmöglich Aufschluss über die im Ausgangsrechtsstreit aufgetretenen und in der Vorlageentscheidung besonders detailliert dargestellten Fragen zu geben, sollten sie daher zusammengefasst werden, indem nur zu diesen drei Hauptproblemen Stellung genommen wird, was es dem vorlegenden Gericht ermöglichen wird, sämtliche durch den Ausgangsrechtsstreit aufgeworfenen Fragen zu lösen.

A.      Zum endgültigen Charakter der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats

49.      Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, sich zum endgültigen Charakter der Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats(16) durch die Überstellungsentscheidung zu äußern.

50.      Die Republik Polen vertritt in ihren schriftlichen Erklärungen die Auffassung, eine Überstellungsentscheidung ermögliche die endgültige Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, in den der Antragsteller überstellt werden könne, damit sein Antrag auf internationalen Schutz geprüft werde; sie stützt sich dabei u. a. auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, auf die Notwendigkeit, Anträge auf internationalen Schutz zügig zu bearbeiten, und auf das Bestehen objektiver Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats. Ich teile diese Einschätzung nicht.

51.      In den übrigen, dem Gerichtshof von der Bundesrepublik Deutschland, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Kommission unterbreiteten Erklärungen wird hingegen übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass die Überstellungsentscheidung keine endgültige Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats gestatte. Diese Auslegung halte ich für vorzugswürdig, und sie lässt sich anhand verschiedener Indizien im Wortlaut und in der Rechtsprechung bestätigen.

52.      Zunächst sieht Art. 27 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vor, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, über wirksame Rechtsbehelfe zur Anfechtung ihnen gegenüber ergangener Überstellungsentscheidungen verfügen müssen. Die Möglichkeit, die Überstellung anzufechten, muss innerhalb einer angemessenen Frist ausgeübt werden können und kann sich auf Gründe stützen, die die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in Frage stellen.

53.      In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass die Überstellung und die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zwei Seiten ein und derselben Medaille darstellen(17). Die Überstellung kann nur erfolgen, wenn die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Folge hatte, dass ein anderer Mitgliedstaat als der, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller befindet, als für die Prüfung seines Antrags zuständig erklärt wird(18).

54.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass die Gründe, auf die eine Anfechtung der Überstellungsentscheidung gestützt werden kann, darin bestehen können, die Anwendung der in Kapitel III der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen objektiven Kriterien zur Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats in Frage zu stellen(19).

55.      Die Tatsache, dass die Überstellungsentscheidung im Klageweg und insbesondere auf der Grundlage einer Anfechtung der Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats in Frage gestellt werden kann, setzt spiegelbildlich voraus, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nur dann als endgültig angesehen werden kann, wenn die Überstellungsentscheidung nicht mehr anfechtbar ist, was hier im Übrigen nicht der Fall ist, da die Klage gegen die Überstellung von Herrn Hasan noch beim vorlegenden Gericht anhängig ist.

56.      Des Weiteren ist nach Art. 29 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung, wenn die Überstellung nicht innerhalb von sechs Monaten durchgeführt wird, der ursprünglich als für die Prüfung des Asylantrags zuständig angesehene Mitgliedstaat seiner Zuständigkeit enthoben, und sie geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Die Überstellungsentscheidung kann somit auch durch die Untätigkeit der nationalen Behörden in Frage gestellt werden, die zur Folge hat, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats hinfällig wird, da vorgesehen ist, dass die Zuständigkeit auf den säumigen Mitgliedstaat übergeht.

57.      Auch nach Art. 29 Abs. 3 kann die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats hinfällig werden. Wurde eine Person irrtümlich überstellt oder wird nach Vollzug der Überstellung einem Rechtsbehelf stattgegeben, muss nämlich der Mitgliedstaat, der die Überstellung vorgenommen hat, die betreffende Person wieder aufnehmen und wird dann für die Prüfung ihres Antrags auf Schutz zuständig.

58.      Zudem sieht Art. 19 der Verordnung vor, dass die Zuständigkeit des Mitgliedstaats aus verschiedenen Gründen wie etwa der Erteilung eines Aufenthaltstitels, der (freiwilligen oder durch eine Abschiebung erzwungenen) Abwesenheit des Betroffenen vom Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats oder der Rücknahme des Asylantrags durch den Betroffenen erlischt.

59.      Aufgrund dieser dem Wortlaut und der Rechtsprechung zu entnehmenden Gesichtspunkte lässt sich ausschließen, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durch eine Überstellungsentscheidung, sei sie vollzogen worden oder nicht, endgültig vorgenommen werden kann, sofern sie noch auf verschiedene Weise in Frage gestellt werden kann, und zwar im Klageweg oder durch Zeitablauf und das Versäumnis der Behörden, den Betroffenen tatsächlich zu überstellen. Die Anfechtung der Überstellungsentscheidung wirkt sich zwangsläufig auf die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats aus.

60.      Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats kann daher nicht als durch den Erlass der Überstellungsentscheidung endgültig festgelegt angesehen werden, zumal wenn, wie im vorliegenden Fall, diese Entscheidung Gegenstand einer Anfechtung ist, über die noch nicht endgültig entschieden wurde.

61.      Schließlich kann die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Zeitpunkt der Überstellung keinen endgültigen Charakter haben, weil, wie ich nachfolgend darlegen werde, zeitlich nach der Überstellungsentscheidung liegende Aspekte bei der Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit berücksichtigt werden müssen, wenn sie sich auf die originäre Zuständigkeit beziehen, auf der die Entscheidung beruht.

62.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass die Entscheidung über die Überstellung eines Asylbewerbers der Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats keinen endgültigen Charakter verleiht.

B.      Zum Umfang der gerichtlichen Überprüfung

63.      Nunmehr ist zum Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Überstellungsentscheidungen durch die nationalen Gerichte Stellung zu nehmen. Konkret ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen um Klarstellung, ob die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung auf der Sachlage zum Zeitpunkt der Überstellung oder auf der nachträglichen Entwicklung der im Allgemeinen für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erheblichen Umstände wie z. B. dem Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder für eine erneute Überstellung beruhen muss.

64.      Wie ich in der Antwort auf die erste Frage ausgeführt habe, ist die Überstellungsentscheidung als zweite Phase des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats anzusehen. Diese Entscheidung wird unter Berücksichtigung der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats getroffen, die unter Heranziehung der in Kapitel III der Dublin‑III-Verordnung aufgestellten objektiven Kriterien erfolgt, und diese beiden Entscheidungen, die nicht unabhängig voneinander betrachtet werden dürfen, können aus unterschiedlichen Gründen und mit verschiedenen Angriffsmitteln angefochten werden.

65.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die Entscheidungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und damit die Überstellungsentscheidungen negativ auf die Interessen der Personen, die internationalen Schutz beantragen, auswirken können(20), was es notwendig macht, ihnen echte Rechtsschutzgarantien gegen diese Entscheidungen zu geben.

66.      Zur Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage ist auf den 19. Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung sowie auf ihren Art. 27 abzustellen, aus denen zu schließen ist, dass die Asylbewerber zwangsläufig der Wirksamkeit ihres Rechts auf einen Rechtsbehelf beraubt würden, wenn Entwicklungen nach der Überstellung von der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Überstellungsentscheidung ausgeschlossen würden, vor allem in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die Überstellung vorgenommen wurde, aber immer noch Gegenstand einer Anfechtung ist, als die betreffende Person in den überstellenden Mitgliedstaat zurückkehrte.

67.      Aus dem 19. Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung geht nämlich hervor, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der Personen, die internationalen Schutz beantragen, im Einklang mit Art. 47 der Charta Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden sollten. Weiter heißt es darin, dass dieses Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowohl die Prüfung der Anwendung der Verordnung als auch die Prüfung der Sach- oder Rechtslage in dem Mitgliedstaat umfassen sollte, in den der Antragsteller überstellt wird. Die Verordnung präzisiert zwar nicht den Umfang des somit geschaffenen Rechts auf einen Rechtsbehelf, doch kann er aus der teleologischen Auslegung dieser Bestimmungen abgeleitet werden. Des Weiteren sollten gleichartige Überlegungen auf den Ablauf der Fristen für eine Wiederaufnahme oder eine erneute Überstellung angewendet werden.

68.      Zwar sieht Art. 7 der Verordnung vor, dass bei der Bestimmung des nach den Kriterien ihres Kapitels III zuständigen Mitgliedstaats von der Sachlage zu dem Zeitpunkt ausgegangen wird, zu dem der Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal gestellt wird. Pragmatisch betrachtet kann diese Bestimmung jedoch nicht ausschließen, dass bei der Anerkennung und Gewährung internationalen Schutzes die Situation des Betroffenen, wie sie sich nach diesem maßgebenden Zeitpunkt darstellt, gewürdigt wird, um über die Rechtmäßigkeit der Überstellungsentscheidung zu befinden. Tatsächlich ist die Situation, in der sich der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose vor seiner Einreise in das Unionsgebiet befand, ausschlaggebend dafür, ob ihm der Schutz, den er begehrt, gewährt wird oder nicht. Bei der Beurteilung der Frage, welcher Mitgliedstaat für die Bearbeitung seines Antrags auf Schutz zuständig ist, und damit der Notwendigkeit, eine Überstellung vorzunehmen, ist dies jedoch anders.

69.      Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Überstellungsentscheidung ist nämlich ein anderer Vorgang als die der Gewährung internationalen Schutzes. Beim ersten dieser Vorgänge sollten zeitlich nach der Stellung des ersten Antrags auf internationalen Schutz liegende Gesichtspunkte und die Sachlage nach der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet berücksichtigt werden, um zu gewährleisten, dass er effektiven gerichtlichen Rechtsschutz erhält.

70.      Hierzu geht aus dem 21. Erwägungsgrund und aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Dublin‑III-Verordnung hervor, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im ersuchten Mitgliedstaat bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Überstellung berücksichtigt werden müssen und gegebenenfalls, bei systematischen Schwachstellen im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Antragsteller, die Zuständigkeit des Mitgliedstaats für die Bearbeitung des Antrags und damit die Überstellung vereiteln können. Diese Umstände müssen zwangsläufig pragmatisch und an dem Tag, an dem das Gericht über die Anfechtung der Überstellungsentscheidung befindet, gewürdigt werden.

71.      Bei einer solchen Würdigung kann nämlich nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz abgestellt werden, sondern die Entwicklung der tatsächlichen Umstände im zuständigen Mitgliedstaat, in den der Antragsteller überstellt werden soll, muss berücksichtigt werden. Zudem kann, wenn wie im vorliegenden Fall eine Überstellung bereits vorgenommen wurde, die Sachlage im ersuchten Mitgliedstaat nicht von der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ausgenommen werden. Ebenso ist bei allen etwaigen Entwicklungen zwischen der Stellung des Antrags und dem Tag, an dem das Gericht über die Anfechtung der Überstellung entscheidet, vorzugehen, wie z. B. dem Ablauf der Fristen für eine Wiederaufnahme oder eine erneute Überstellung.

72.      Hierzu hat der Gerichtshof im Übrigen entschieden, dass durch die Dublin‑III-Verordnung, wie aus ihrem neunten Erwägungsgrund hervorgeht, u. a. die notwendigen Verbesserungen nicht nur im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems vorgenommen werden sollen, sondern auch im Hinblick auf den Schutz der Antragsteller, der insbesondere durch den ihnen zu gewährenden effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sichergestellt wird(21).

73.      Ferner wurde in diesem Zusammenhang entschieden, dass das mit einem Rechtsbehelf befasste Gericht, um sich zu vergewissern, dass die Überstellungsentscheidung nach einer fehlerfreien Anwendung der in der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ergangen ist, das Vorbringen eines Antragstellers so umfangreich wie möglich prüfen können muss(22). Der Gerichtshof entnimmt Art. 22 der Dublin‑III-Verordnung, dass die Antwort auf ein solches Gesuch auf einer Prüfung der Beweise und Indizien beruhen muss, die die Anwendung der in Kapitel III der Verordnung genannten Kriterien erlauben(23). Der Gerichtshof hat überdies entschieden, dass sich der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Dublin‑III-Verordnung nicht darauf beschränkt hat, organisatorische Regeln nur für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu normieren, um den zuständigen Mitgliedstaat bestimmen zu können, sondern die Asylbewerber an diesem Verfahren beteiligt hat, indem er die Mitgliedstaaten dazu verpflichtete, sie über die Zuständigkeitskriterien zu unterrichten, ihnen Gelegenheit zur Mitteilung der Informationen zu geben, die eine fehlerfreie Anwendung dieser Kriterien erlauben, und zu gewährleisten, dass sie über einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung verfügen(24).

74.      Dieses Recht würde zwangsläufig entwertet, wenn sich die gerichtliche Überprüfung nur auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Überstellung erstrecken dürfte und nicht auf Entwicklungen nach dieser Entscheidung. Die Gründe, die bei der Anfechtung einer Überstellungsentscheidung geltend gemacht werden können, dürfen nicht auf diejenigen beschränkt werden, die vorlagen, als die Entscheidung getroffen wurde. Nachträgliche Gesichtspunkte müssen die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung und ihre Implikationen ergänzen können. Dabei müssen Gesichtspunkte wie die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im ersuchten Mitgliedstaat oder der Ablauf der Fristen für eine Wiederaufnahme oder eine erneute Überstellung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Überstellung berücksichtigt werden, zumal diese Aufnahmebedingungen schnell von einem Mitgliedstaat zum anderen und je nach dem aktuellen Migrationsdruck an dem Tag, an dem das Gericht entscheidet, variieren können.

75.      Zudem sieht der 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 vor, dass im Interesse einer ordnungsgemäßen Feststellung der Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, die Antragsteller „effektiven Zugang zu den Verfahren und die Gelegenheit erhalten [sollten], mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und effektiv mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen den [sie] betreffenden Sachverhalt darlegen zu können; ferner sollten ausreichende Verfahrensgarantien bestehen, damit [sie ihr] Verfahren über sämtliche Instanzen betreiben [können]“(25). Wenn, wie gesagt, die Gewährung internationalen Schutzes ein anderer Vorgang als die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und damit der Erlass einer Überstellungsentscheidung ist, schließt die letztgenannte Angabe zwangsläufig die Phase nach dem Überstellungsverfahren ein, da die Richtlinie die Kriterien für die Gewährung des beantragten internationalen Schutzes festlegt, was in nur einem Mitgliedstaat der Union, wie aus der Dublin‑III-Verordnung hervorgeht, nach Maßgabe der Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer Überstellung geprüft wird.

76.      Auch wenn die Überstellungsentscheidungen in Art. 46 Abs. 1 der Richtlinie nicht erwähnt werden, gibt sein Abs. 3 zudem einen Hinweis auf den Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen in Bezug auf Personen, die internationalen Schutz beantragen. Darin heißt es, dass zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht eine umfassende Exnunc-Prüfung, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, stattfinden muss. Dies muss in Anbetracht ihrer Auswirkungen auf die Situation der Betroffenen erst recht für Überstellungsentscheidungen gelten.

77.      Auch Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 bestätigt diese Auslegung, da er vorsieht, dass der Mitgliedstaat vom Betroffenen vorgelegte weitere Angaben oder die Elemente eines von ihm gestellten Folgeantrags im Rahmen der Prüfung des früheren Antrags oder der Prüfung der Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, prüfen muss, soweit die zuständigen Behörden in diesem Rahmen alle Elemente, die den weiteren Angaben oder dem Folgeantrag zugrunde liegen, berücksichtigen können.

78.      Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der im vorliegenden Fall anwendbare § 77 des Asylgesetzes vorsieht, dass das Gericht auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung gefällt wird, abstellt. Daher dürfen nach dem deutschen Recht von der Person, die internationalen Schutz beantragt, vorgebrachte Gesichtspunkte, die nach der angefochtenen Entscheidung liegen, nicht von der gerichtlichen Überprüfung der Überstellungsentscheidung ausgeschlossen werden, selbst wenn der Gerichtshof entscheiden sollte, dass dies in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fällt – wobei ich eine solche Auslegung angesichts des verbindlichen Charakters der Bestimmungen von Art. 27 der Dublin‑III-Verordnung keineswegs teile.

79.      In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte bin ich der Auffassung, dass sich die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung deshalb auch auf zeitlich nach der angefochtenen Entscheidung liegende rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte erstrecken und eventuelle Entwicklungen bei Umständen einschließen können muss, die zur Bestimmung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz relevant sind.

C.      Zu den anwendbaren Modalitäten, Verfahren und Fristen

80.      Schließlich sind die Fragen bezüglich der Modalitäten, Verfahren und Fristen zu beantworten, die auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar sind, in der eine Person, die internationalen Schutz beantragt, einen ersten Asylantrag in einem Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Italien) gestellt hat, diesen Mitgliedstaat dann verlassen und in einem anderen Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Deutschland) erneut Asyl beantragt hat, sodann im Anschluss an ein Überstellungsverfahren nach der Dublin‑III-Verordnung vom zweiten Mitgliedstaat (Deutschland) in den ersten Mitgliedstaat (Italien) überstellt worden ist und illegal in den zweiten Mitgliedstaat (Deutschland) zurückgekehrt ist, ohne einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, während vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats noch eine Klage gegen ihre Überstellung anhängig ist.

81.      Ich werde hier darlegen, weshalb ich dem Gerichtshof vorschlagen werde, auf die Fragen bezüglich der Modalitäten, Verfahren und Fristen zu antworten, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Dublin‑III-Verordnung anzuwenden haben, ohne dass das erste Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu einer Vielzahl von Überstellungen führen darf, was die Anwendung der in dieser Verordnung aufgestellten zwingenden Regeln beeinträchtigen könnte.

82.      Es ist nämlich nicht statthaft, dass sich die Mitgliedstaaten angesichts einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden über die für Personen, die internationalen Schutz beantragen, geltenden Regeln hinwegsetzen oder von den in der Verordnung aufgestellten Regeln für das Verfahren und die Berechnung der Fristen abweichen.

83.      Dabei wird der Gerichtshof klarzustellen haben, wann die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Fristen zu laufen beginnen. Meines Erachtens sollte dies der Zeitpunkt sein, zu dem der ursprünglich ersuchende Mitgliedstaat Kenntnis davon hat, dass sich in seinem Hoheitsgebiet eine Person befindet, deren Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat, der ihrer Wiederaufnahme zugestimmt hat, noch geprüft wird.

84.      Um dem vorlegenden Gericht bestmöglichen Aufschluss zu geben, sind in einem ersten Schritt die in diesem Kontext anzuwendenden Modalitäten und Verfahren zu behandeln, und in einem zweiten Schritt ist näher auf die Berechnung der Fristen einzugehen.

1.      Modalitäten und Verfahren

85.      Die Frage der hier anwendbaren Modalitäten und Verfahren ist von den beiden vorherigen Fragen zu unterscheiden, die die erste Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die ursprüngliche Überstellung betrafen(26). Jetzt geht es um die Situation des Betroffenen nach seiner Rückkehr in das Hoheitsgebiet des ursprünglich ersuchenden Mitgliedstaats, nachdem seine Überstellung vorgenommen wurde, deren Rechtmäßigkeit nach wie vor und unabhängig von diesem Gesichtspunkt bestritten wird, wie die Kommission in ihren Erklärungen ausführt. Diese Trennung des vorliegenden Falles in zwei verschiedene Phasen(27) ermöglicht es, die zu lösenden Probleme gut zu erfassen.

86.      Es kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass in der ersten den Ausgangsfall kennzeichnenden Phase die Bestimmungen der Dublin‑III-Verordnung zutreffend angewandt wurden und zu der ersten Überstellungsentscheidung führten, die noch angefochten wird. Der Gerichtshof wird hier nur ersucht, das einzuhaltende Verfahren zu präzisieren, wenn der Betreffende im Anschluss an seine erfolgreiche Überstellung(28) in den für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedstaat illegal in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgekehrt ist.

87.      Dies entspricht dem, was gemeinhin als „Sekundärmigration“ der Person, die internationalen Schutz beantragt, bezeichnet wird. Solche Migrationen kommen recht oft vor und müssen bekämpft werden(29). Auf diese relativ häufige Situation wurde jedoch in den Vorschriften über das GEAS nicht ausdrücklich eingegangen. Auf den ersten Blick befindet sich die vom Ausgangsverfahren betroffene Person – in dem Stadium, in dem das nationale Gericht zu entscheiden haben wird – wegen ihrer Rückkehr in das Hoheitsgebiet des ursprünglich ersuchenden Mitgliedstaats nicht in einer Situation, in der die Bestimmungen der Dublin‑III-Verordnung gewöhnlich zur Anwendung kommen(30).

88.      Aus den Bestimmungen dieser Verordnung geht jedoch hervor, dass sie auf den Ausgangsfall anwendbar ist, was die übrigen Rechtsvorschriften des GEAS ausschließt(31). Insoweit hat die Tatsache, dass Herr Hasan illegal nach Deutschland, dem ursprünglich ersuchenden Mitgliedstaat, zurückgekehrt ist, keinen Einfluss auf das auf ihn in seiner Eigenschaft als Person, die in einem Mitgliedstaat der Union internationalen Schutz beantragt(32) und sich illegal in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, anwendbare Recht.

89.      Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 23 und 24 der Dublin‑III-Verordnung, die auf den Ausgangsfall anwendbar sind, unterschiedliche Situationen betreffen. Während Art. 23 Personen betrifft, die in dem Mitgliedstaat, in den sie sich begeben, einen neuen Antrag stellen, ist Art. 24 auf Personen anzuwenden, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich illegal aufhalten, keinen neuen Antrag stellen(33).

90.      Im vorliegenden Fall steht indes fest, dass Herr Hasan bei seiner illegalen Rückkehr nach Deutschland keinen neuen Asylantrag gestellt hat. Daher sind, anders als vom vorlegenden Gericht ins Auge gefasst, nur die Bestimmungen von Art. 24 der Verordnung dafür maßgebend, welche Folgen die Anwesenheit von Herrn Hasan im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland hat, was die Anwendung ihres Art. 23 sowie jeder anderen Vorschrift ausschließt(34).

91.      Die Bestimmungen von Art. 24 der Dublin‑III-Verordnung sollen es nämlich letztlich den Asylbewerbern erlauben, den von ihnen gestellten Antrag auf internationalen Schutz von nur einem Mitgliedstaat prüfen zu lassen(35), und zwar auch dann, wenn der Antragsteller sich illegal in einem anderen Mitgliedstaat aufhält.

92.      Daher wird dem Gerichtshof vorgeschlagen, festzustellen, dass ein neues Überstellungsverfahren, wie es Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung vorsieht, von dem Mitgliedstaat in die Wege geleitet werden muss, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller illegal aufhält. Nach dieser Bestimmung muss der Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten ein Wiederaufnahmegesuch an den Mitgliedstaat richten, den er als für die Prüfung des Antrags zuständig erachtet. Nach Art. 24 Abs. 3 muss der ersuchende Mitgliedstaat, wenn diese Frist abläuft, bevor dem ersuchten Mitgliedstaat ein Wiederaufnahmegesuch unterbreitet wurde, der betreffenden Person Gelegenheit geben, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Dies kann keine erneute Überstellung auf der Grundlage der alten Entscheidung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, wie die Kommission in ihren Erklärungen zutreffend ausführt.

93.      Dem Gerichtshof wird daher vorgeschlagen, zu antworten, dass Art. 24 der Dublin‑III-Verordnung auf den Ausgangsfall erneut anzuwenden ist, und zwar ausschließlich. Dies bedeutet, dass Deutschland den italienischen Behörden ein Wiederaufnahmegesuch unterbreiten und die in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahren und Fristen einhalten muss.

2.      Berechnung der Fristen

94.      Was die Frage der Berechnung der Fristen betrifft, ist zunächst eine grundlegende Klarstellung vorzunehmen. Es wird hier nicht darum gehen, sich zur aufschiebenden Wirkung einer gegen die erste Überstellungsmaßnahme erhobenen Klage zu äußern, da wir uns bei der Prüfung dieser Frage in einem Stadium nach der von Herrn Hasan gegen die erste Überstellungsentscheidung erhobenen und immer noch anhängigen Klage befinden. Sollte die noch zu erlassende Überstellungsentscheidung jedoch angefochten werden, wären die Bestimmungen über die aufschiebende Wirkung einer solchen Klage anwendbar, was die Frist für die Vornahme der Überstellung entsprechend verlängern würde.

95.      Ferner ist vorab festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Bestimmungen über die Überstellung von Personen, die internationalen Schutz beantragen, erreichen wollte, dass die Beschränkungen der Rechte der Asylbewerber innerhalb der Grenzen des unbedingt Erforderlichen bleiben und zugleich gewährleistet ist, dass die Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten die materiellen Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, die Überstellung ordnungsgemäß durchzuführen(36). Den Mitgliedstaaten müssen durch die Berechnung der Fristen ausreichende Mittel verschafft werden, um praktische Vorkehrungen für die Überstellung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in den dafür zuständigen Mitgliedstaat zu treffen(37). Zu diesem Zweck lässt der Gesetzgeber die Frist ab dem Zeitpunkt laufen, zu dem die künftige Vornahme der Überstellung vereinbart und sichergestellt wurde und nur noch ihre praktischen Modalitäten zu regeln sind.

96.      In diesem Kontext wurde vom Unionsgesetzgeber eine Frist von sechs Wochen für vernünftigerweise notwendig erachtet, um praktische Vorkehrungen für die Überstellung zu treffen. Die Berechnung der Fristen muss es den Mitgliedstaaten erlauben, tatsächlich über diese objektive Frist von sechs Wochen zu verfügen, um die praktischen Modalitäten der Überstellung ab dem Zeitpunkt, ab dem sie möglich ist, zu regeln(38).

97.      Gemäß Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 der Dublin‑III-Verordnung beträgt die Frist für die Durchführung eines Überstellungsverfahrens, wenn die betreffende Person keinen neuen Antrag gestellt hat, drei Monate ab Kenntnis von der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats. Auf den Ausgangsfall übertragen, bedeutet diese Bestimmung, dass die Frist ab Kenntnis von der Rückkehr der betreffenden Person in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats läuft.

98.      Dann muss meines Erachtens eine neue sechswöchige Frist für die Überstellung zu laufen beginnen, sobald der ersuchte Mitgliedstaat dem Wiederaufnahmegesuch zustimmt(39), oder gegebenenfalls sobald der Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder deren Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, wie aus Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung hervorgeht. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller gegen die neue Überstellungsentscheidung mit einem neuen Rechtsbehelf vorgeht. Der Gesetzgeber stellt im Übrigen in Art. 28 der Verordnung klar, dass die Überstellung vorzunehmen ist, „sobald diese praktisch durchführbar ist“(40), was impliziert, dass es zuvor eine unanfechtbare Entscheidung gibt, die im Grundsatz festlegt, dass der Antragsteller aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen ist. Der Überstellung darf kein Hindernis mehr im Weg stehen, damit eine objektive Frist zu laufen beginnen kann.

99.      Diese Berechnung der Fristen steht nicht der ordnungsgemäßen Anwendung von Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Weg, wonach die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz, sobald sich die betreffende Person im Hoheitsgebiet des dafür zuständigen Mitgliedstaats befindet und von der zuständigen Behörde betreut wird, innerhalb von sechs Monaten zum Abschluss zu bringen ist, zumal nach Buchst. c dieser Bestimmung Verzögerungen bei der Bearbeitung des Antrags dem Umstand angelastet werden können, dass der Antragsteller seinen Pflichten, zu denen es gehört, bei den für die Bearbeitung des Antrags zuständigen Behörden vorstellig zu werden, nicht nachgekommen ist. Daher kann die Tatsache, dass der Antragsteller den für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat verlässt, eine Überschreitung der üblichen Bearbeitungsfrist dieses Antrags ausnahmsweise rechtfertigen.

100. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der ersuchte Mitgliedstaat nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b, Art. 18 Abs. 2 sowie Art. 20 Abs. 5 der Dublin‑III-Verordnung verpflichtet ist, den Betroffenen wieder aufzunehmen, wenn er in Anbetracht des Ablaufs der Fristen und des neuen Wiederaufnahmegesuchs als für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig anzusehen ist.

101. Eine andere Auslegung als die hier befürwortete scheint mir der Bedeutung, die den zwingenden und unmittelbar anwendbaren Bestimmungen dieser Verordnung beizumessen ist, sowie der Bindungswirkung der Unionsverordnungen zuwiderzulaufen. Insoweit ist hervorzuheben, dass die Mitgliedstaaten von der Anwendung der einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung nicht deshalb absehen dürfen, weil die Person, die internationalen Schutz beantragt hat, nach ihrer Überstellung, deren Rechtmäßigkeit noch ungeklärt ist, zu Unrecht das Hoheitsgebiet des für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Mitgliedstaats verlassen haben soll. Selbst bei einem Rechtsmissbrauch des Drittstaatsangehörigen, der mehrere Anträge auf internationalen Schutz stellt, müssen sich die betreffenden Mitgliedstaaten nämlich an die Bestimmungen der Dublin‑III-Verordnung halten. Mit dieser Auslegung können die vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele am besten miteinander in Einklang gebracht werden.

102. Es würde diesen Zielen ebenfalls zuwiderlaufen, Asylbewerbern zu gestatten, dadurch Einfluss auf die Bestimmung des für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Mitgliedstaats zu nehmen, dass ihren Sekundärmigrationen oder der von ihnen selbst getroffenen Wahl des Aufenthaltslandes irgendwelche Wirkungen beigemessen werden(41). Da das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats im Wesentlichen objektiv ist, kann es die Präferenzen und Wünsche der Betroffenen nicht berücksichtigen(42), darf allerdings nicht dazu führen, dass ihre Rechte unzureichend gewahrt werden.

103. Überdies muss das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf Schutz, das durch die schnelle Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erreicht wird, dagegen abgewogen werden, dass zu erwartende neue Überstellungen zwar die Bearbeitung der Anträge verlangsamen, aber eine abschreckende Wirkung auf die Antragsteller haben, mit der Sekundärmigrationen eingedämmt werden können(43).

104. Insoweit ist bei der Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz der Zuständigkeit größeres Gewicht beizumessen als der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, da die einschlägigen Bestimmungen es nicht ausschließen, dass Asylbewerber während eines für die Prüfung ihres Antrags unbedingt notwendigen Zeitraums in dem dafür zuständigen Mitgliedstaat in Haft genommen werden.

105. Angesichts aller vorstehenden Gesichtspunkte ist davon auszugehen, dass der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält, über eine Frist von drei Monaten ab der Kenntniserlangung von der Anwesenheit der betreffenden Person in seinem Hoheitsgebiet verfügt, um den für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat um Wiederaufnahme zu ersuchen. Nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Zustimmung der Behörden dieses Mitgliedstaats ist die Überstellung innerhalb von sechs Wochen oder gegebenenfalls innerhalb von sechs Wochen nach der Zurückweisung des Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung oder der Ablehnung seiner aufschiebenden Wirkung vorzunehmen.

106. In Anbetracht der Antworten auf diese drei Fragen, auf denen das Vorabentscheidungsersuchen des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen beruht, ist es nicht erforderlich, sich zu den übrigen vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Vorlageentscheidung aufgestellten Hypothesen zu äußern.

V.      Ergebnis

107. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Entscheidung über die Überstellung eines Asylbewerbers verleiht der Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats keinen endgültigen Charakter.

2.      Die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung muss sich auch auf zeitlich nach der angefochtenen Entscheidung liegende rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte erstrecken und eventuelle Entwicklungen bei Umständen einschließen können, die zur Bestimmung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz relevant sind.

3.      Im Ausgangsfall sind allein die Vorschriften von Art. 24 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, anwendbar; dies bedeutet, dass die Bundesrepublik Deutschland den italienischen Behörden ein Wiederaufnahmegesuch unterbreiten und die in dieser Vorschrift vorgesehenen Verfahren und Fristen einhalten muss. In diesem Kontext verfügt der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält, über eine Frist von drei Monaten ab der Kenntniserlangung von der Anwesenheit der betreffenden Person in seinem Hoheitsgebiet, um den für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat um Wiederaufnahme zu ersuchen. Nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Zustimmung der Behörden dieses Mitgliedstaats ist die Überstellung innerhalb von sechs Wochen oder gegebenenfalls innerhalb von sechs Wochen nach der Zurückweisung des Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung oder der Ablehnung seiner aufschiebenden Wirkung vorzunehmen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31, im Folgenden: Dublin-III-Verordnung).


3      Nämlich u. a. die Leistungsfähigkeit des Systems zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats, die zügige Bearbeitung dieser Anträge, die Verhinderung von „forum shopping“, Sekundärmigration und Missbrauch durch das Stellen mehrerer Anträge, aber auch die Sicherstellung der Rechte der Antragsteller sowie die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen der Zuständigkeit und der Solidarität der Mitgliedstaaten zur Vermeidung von „refugees in orbit“ (vgl. in diesem Sinne u. a. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ghezelbash, C‑63/15, EU:C:2016:186, Nr. 37, wo das Urteil vom 21. Dezember 2011, N. S. u. a., C‑411/10 und C‑493/10, EU:C:2011:865, Rn. 78 und 79 angeführt wird).


4      Im Folgenden: Charta.


5      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60).


6      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9).


7      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der [Dublin-III-Verordnung] zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. 2013, L 180, S. 1).


8      ABl. 2008, L 348, S. 98.


9      Am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnetes Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge.


10      Verordnung der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2014, L 39, S. 1).


11      Verordnung der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 222, S. 3).


12      BGBl. 2008 I S. 1798.


13      BGBl. 1960 I S. 686.


14      ABl. 2000, L 239, S. 13.


15      Die Rechtssache Ahmed, in der der Beschluss vom 5. April 2017 (C‑36/17, EU:C:2017:273) ergangen ist, wirft ähnliche Fragen auf. Gleiches gilt in gewissem Maß für die derzeit anhängige Rechtssache Shiri, C‑201/16.


16      Die Antwort auf diese Frage kann dem vorlegenden Gericht Hinweise für die zweite zu klärende Frage geben, die den Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Überstellungsentscheidung betrifft. Sie ist daher zuerst zu behandeln.


17      Diese Entscheidungen können nicht als autonom angesehen werden.


18      Vgl. in diesem Sinne und entsprechend Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Kastrati u. a. (C‑620/10, EU:C:2012:10, Nrn. 29 ff.), die zwei Phasen unterscheidet: die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die eigentliche Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch den dafür zuständigen Mitgliedstaat. In diesem Sinne soll die Dublin-III-Verordnung nicht die Kriterien für die Gewährung des beantragten Schutzstatus festlegen, sondern nur die Verteilung der Pflichten zwischen den Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz.


19      Vgl. Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 42 und 44).


20      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:186, Nrn. 77 ff.) sowie Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 53).


21      Vgl. Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 51 und 52).


22      Vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 7. Juni 2016, Karim (C‑155/15, EU:C:2016:410, Rn. 26).


23      Vgl. Urteile vom 7. Juni 2016, Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 47 bis 51), und vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587, Rn. 45).


24      Vgl. Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 51).


25      Hervorhebung nur hier.


26      Diese beiden Phasen sind voneinander zu trennen, wozu der Gerichtshof in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Mirza (C‑695/15 PPU, EU:C:2016:146, Nr. 42) aufgefordert wurde.


27      Die erste Phase des Ausgangsverfahrens umfasst die von Herrn Hasan am 4. September 2014 in Italien und dann am 29. Oktober 2014 in Deutschland gestellten Asylanträge sowie seine Überstellung nach Italien im August 2015. Eine zweite Phase beginnt dann mit seiner Rückkehr in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. In dieser zweiten Phase hat Herr Hasan keinen neuen Asylantrag in Deutschland gestellt, und seine Klage gegen die Überstellungsentscheidung vom 30. Januar 2015 ist nach wie vor anhängig.


28      Auch wenn dies tatsächlich nicht zur Prüfung seines Asylantrags durch den zuständigen Mitgliedstaat geführt hat.


29      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 17. März 2016, Mirza (C‑695/15 PPU, EU:C:2016:188, Rn. 47 ff.). Vgl. auch die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 6. April 2016, Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa (COM[2016] 197 final), in der abschreckende Maßnahmen in Betracht gezogen werden, mit denen Sekundärmigration vorgebeugt und/oder diese geahndet werden kann. Vgl. auch den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2016 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (COM[2016] 466 final).


30      Das vorlegende Gericht befragt den Gerichtshof nämlich dazu, welche Bestimmungen auf den Betroffenen anzuwenden wären, falls weder Art. 23 der Verordnung noch ihr Art. 24 anwendbar sein sollte.


31      Art. 24 Abs. 4 der Dublin-III-Verordnung impliziert, dass die Richtlinie 2008/115 nur dann auf den Betroffenen angewendet werden kann, wenn sein Asylantrag endgültig abgelehnt wurde. Da im vorliegenden Fall über den Asylantrag von Herrn Hasan in der Sache nicht entschieden worden ist, kann diese Richtlinie nicht als auf ihn anwendbar angesehen werden. Von der Prüfung der neben dieser Hypothese vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ist daher abzusehen, da die Verordnung der einzige Rechtstext ist, der angewendet werden kann. Nach der Verordnung und nach Art. 9 der Richtlinie 2013/32 haben Asylbewerber nämlich das Recht, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Antrag gestellt haben, zu bleiben, bis zumindest erstinstanzlich über den Antrag entschieden wurde. Zwar ist dieses Bleiberecht einem Aufenthaltsrecht nicht gleichzustellen, doch kann ein Antragsteller nicht als illegal aufhältig angesehen werden, solange er das Ende des seinen Asylantrag betreffenden Verfahrens abwartet, zumindest bis zur erstinstanzlichen Ablehnung (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Gnandi, C‑181/16, EU:C:2017:467, Nrn. 53 bis 55, sowie Urteil vom 30. Mai 2013, Arslan, C‑534/11, EU:C:2013:343, Rn. 44 bis 49). In gleicher Weise heißt es im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115, dass Drittstaatsangehörige, die einen Asylantrag gestellt haben, so lange nicht als illegal im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhältige Person gelten, bis eine abschlägige Entscheidung über ihren Antrag oder eine Entscheidung, mit der ihr Aufenthaltsrecht als Asylbewerber beendet wird, bestandskräftig geworden ist (vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Arslan, C‑534/11, EU:C:2013:52, Nrn. 62 bis 64).


32      Die Tatsache, dass er sich in Deutschland, dem ursprünglich ersuchenden Mitgliedstaat, befindet, darf nicht dazu führen, dass das in den Vorschriften der Dublin-III-Verordnung festgelegte Verfahren nicht strikt eingehalten wird.


33      Vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 5. April 2017, Ahmed (C‑36/17, EU:C:2017:273, Rn. 26).


34      Die übrigen vom vorlegenden Gericht angesprochenen Hypothesen, die auf Erläuterungen zu anderen Bestimmungen des GEAS abzielen, sind als hypothetisch und für die Lösung des vorliegenden Falles irrelevant anzusehen. Sie sind außer Betracht zu lassen, auch wenn sie bei einem anderen Sachverhalt in gleicher Weise anzuwenden wären, wie es für Art. 24 der Dublin-III-Verordnung vorgeschlagen wird. Auch die fünfte Frage ist außer Betracht zu lassen, da sie gleichermaßen für die Lösung des vom vorlegenden Gericht unterbreiteten Falles irrelevant erscheint.


35      Im vorliegenden Fall wurde der Antrag von Herrn Hasan in Deutschland für unzulässig erklärt, und in Italien wurde noch nicht über ihn entschieden.


36      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Khir Amayry (C‑60/16, EU:C:2017:147, Nr. 37).


37      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Khir Amayry (C‑60/16, EU:C:2017:147, Nrn. 43 und 54).


38      Vgl. entsprechend meine Schlussanträge in der Rechtssache Khir Amayry (C‑60/16, EU:C:2017:147, Nrn. 71 ff.).


39      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Khir Amayry (C‑60/16, EU:C:2017:147, Nr. 66) sowie entsprechend Urteil vom 29. Januar 2009, Petrosian (C‑19/08, EU:C:2009:41, Rn. 32 ff.).


40      Hervorhebung nur hier.


41      Vgl. in diesem Sinne und entsprechend Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Kastrati u. a. (C‑620/10, EU:C:2012:10, Nrn. 44 ff.) sowie Urteil vom 17. März 2016, Mirza (C‑695/15 PPU, EU:C:2016:188, Rn. 47 ff.).


42      Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:186, Nr. 39).


43      Dabei sind die Bestimmungen der Richtlinie 2013/32, die darauf abzielen, die Gefahr von Sekundärmigration zu begrenzen, sowie Anhang X der Verordnung Nr. 1560/2003 zu berücksichtigen, mit dem die Antragsteller über ihre Pflicht informiert werden sollen, im Hoheitsgebiet des für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Mitgliedstaats zu bleiben. Außerdem ist hier auf den 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 hinzuweisen, in dem es heißt, dass es im Interesse sowohl der Betroffenen als auch der Mitgliedstaaten liegt, dass über die Anträge auf internationalen Schutz so rasch wie möglich entschieden wird. Demnach wäre jede Auslegung, die es ermöglicht, Antragsteller von Sekundärmigration abzuhalten, zu begrüßen.