Language of document : ECLI:EU:C:2012:138

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

13. März 2012(*)

„Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Gegen die Republik der Union von Myanmar erlassene restriktive Maßnahmen – Einfrieren von Geldern von Personen, Organisationen und Einrichtungen – Rechtsgrundlage“

In der Rechtssache C‑376/10 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 23. Juli 2010,

Pye Phyo Tay Za, wohnhaft in Yangon (Myanmar), Prozessbevollmächtigte: D. Anderson, QC, S. Kentridge, QC, M. Lester, Barrister, und G. Martin, Solicitor,

Rechtsmittelführer,

andere Verfahrensbeteiligte:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und E. Finnegan als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten und D. Beard, Barrister,

Europäische Kommission, vertreten durch S. Boelaert und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), K. Lenaerts, J.‑C. Bonichot und M. Safjan, der Richter K. Schiemann, G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič, J.‑J. Kasel und D. Šváby sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2011,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. November 2011

folgendes

Urteil

1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Tay Za, ein Staatsangehöriger der Republik der Union von Myanmar, die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 19. Mai 2010, Tay Za/Rat (T‑181/08, Slg. 2010, II‑1965, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht seine Klage abgewiesen hat, mit der er die Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 194/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 817/2006 (ABl. L 66, S. 1, im Folgenden: streitige Verordnung) begehrt hatte, soweit sein Name in der Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt ist, auf die diese Verordnung Anwendung findet.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Verordnung

2        Aufgrund der mangelnden Fortschritte im Hinblick auf eine Demokratisierung und der anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte in Myanmar erließ der Rat der Europäischen Union am 28. Oktober 1996 in dem Gemeinsamen Standpunkt 96/635/GASP (ABl. L 287, S. 1) eine Reihe restriktiver Maßnahmen gegen dieses Land. Da sich die Situation, die die Festlegung dieses Gemeinsamen Standpunkts gerechtfertigt hatte, nicht änderte, wurden die fraglichen restriktiven Maßnahmen in den folgenden Jahren verlängert und ausgeweitet.

3        Der Rechtsmittelführer wurde erstmals im Alter von 16 Jahren von restriktiven Maßnahmen erfasst, die der Rat mit dem Beschluss 2003/907/GASP vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung des Gemeinsamen Standpunkts 2003/297/GASP (ABl. L 340, S. 81) erlassen hatte und die in der Verordnung (EG) Nr. 2297/2003 der Kommission vom 23. Dezember 2003 zur dritten Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1081/2000 des Rates über das Verbot des Verkaufs, der Lieferung und der Ausfuhr nach Birma/Myanmar von Ausrüstungen, die zur internen Repression oder für terroristische Zwecke benutzt werden können, und über das Einfrieren der Gelder bestimmter, mit wichtigen Regierungsfunktionen verbundener Personen in diesem Land (ABl. L 340, S. 37) getroffen worden waren.

4        Am 27. April 2006 nahm der Rat den Gemeinsamen Standpunkt 2006/318/GASP zur Verlängerung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar (ABl. L 116, S. 77) an. Er verfügte insbesondere das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Eigentum von Mitgliedern der Regierung der Republik der Union von Myanmar oder im Eigentum von mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen befanden, wobei diesen Regierungsmitgliedern und diesen natürlichen Personen ferner verboten wurde, in die Mitgliedstaaten zu reisen. Diese Maßnahmen wurden durch den Gemeinsamen Standpunkt 2007/248/GASP des Rates vom 23. April 2007 zur Verlängerung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar (ABl. L 107, S. 8) bis zum 30. April 2008 verlängert.

5        Angesichts der sehr ernsten Lage in Myanmar hielt der Rat es für notwendig, den Druck auf das Militärregime zu erhöhen, und nahm den Gemeinsamen Standpunkt 2007/750/GASP vom 19. November 2007 zur Änderung des Gemeinsamen Standpunkts 2006/318 (ABl. L 308, S. 1) an.

6        Art. 5 Abs. 1 und 2 des Gemeinsamen Standpunkts 2006/318 in der durch den Gemeinsamen Standpunkt 2007/750 geänderten Fassung lautet wie folgt:

„(1)      Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Eigentum oder Besitz der einzelnen Mitglieder der Regierung von Birma/Myanmar befinden oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden und die sich im Eigentum oder Besitz der in der Liste in Anhang II aufgeführten mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen befinden oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)      Den in der Liste in Anhang II genannten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.“

7        Im Abschnitt J („Personen, die Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung ziehen“) in Anhang II des Gemeinsamen Standpunkts 2006/318 in der durch den Gemeinsamen Standpunkt 2007/750 geänderten Fassung werden u. a. der Name des Rechtsmittelführers mit dem Zusatz „Sohn von Tay Za“ (J1c) und der Name seines Vaters, Herrn Tay Za, mit dem Zusatz „Geschäftsführender Direktor, Htoo Trading Co.; …“ (J1a) genannt.

8        Soweit die Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft betroffen waren, wurden mit der streitigen Verordnung, die auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG erlassen wurde, einige der in den Gemeinsamen Standpunkten 2006/318 und 2007/750 vorgesehenen restriktiven Maßnahmen durchgeführt. Die Anhänge dieser Verordnung, die die Listen mit Personen, Organisationen und Einrichtungen enthalten, die von den restriktiven Maßnahmen erfasst wurden, wurden mit der Verordnung (EG) Nr. 385/2008 der Kommission vom 29. April 2008 zur Änderung der Verordnung Nr. 194/2008 (ABl. L 116, S. 5) geändert.

9        Art. 11 Abs. 1 und 2 der streitigen Verordnung bestimmt:

„(1)      Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der einzelnen Mitglieder der Regierung von Birma/Myanmar und der mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind, die in Anhang VI aufgeführt sind, oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)      Den in Anhang VI aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen weder unmittelbar noch mittelbar zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.“

10      Anhang VI der streitigen Verordnung ist mit „Liste der Mitglieder der Regierung von Burma/Myanmar und der mit ihnen verbundenen Personen, Organisationen oder Einrichtungen gemäß Artikel 11“ überschrieben.

11      Im Abschnitt J dieses Anhangs VI der streitigen Verordnung in der Fassung der Verordnung Nr. 385/2008 werden „Personen, die Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung ziehen, und andere mit dem Regime verbundene Personen“ aufgezählt. Unter den Einträgen J1c und J1a sind der Name des Rechtsmittelführers mit dem Zusatz „Sohn von Tay Za“ und der Name seines Vaters, Herrn Tay Za, mit dem Zusatz „Geschäftsführender Direktor, Htoo Trading Co; Htoo Construction Co.“ verzeichnet.

12      In Art. 18 Abs. 2 der streitigen Verordnung ist die Veröffentlichung einer Bekanntmachung mit Vorgaben für die Bereitstellung von Informationen im Zusammenhang mit Anhang VI vorgesehen.

13      Am 11. März 2008 veröffentlichte der Rat eine Mitteilung an die Personen und Organisationen, die in den Listen nach den Art. 7, 11 und 15 der streitigen Verordnung aufgeführt sind (ABl. C 65, S. 12).

14      In Nr. 2 dieser Mitteilung gibt der Rat an, dass in Anhang VI der streitigen Verordnung folgende Personen und Organisationen aufgeführt werden:

„a)      einzelne Mitglieder der Regierung von … Myanmar;

b)      natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, die mit diesen verbunden sind“.

15      In derselben Mitteilung heißt es, dass „[d]ie betroffenen Personen und Organisationen … jederzeit beim Rat unter Vorlage entsprechender Nachweise beantragen [können], dass der Beschluss, sie in die vorgenannten Listen aufzunehmen und dort weiter zu führen, überprüft wird“.

16      Der Rechtsmittelführer lebte in den Jahren 2000 bis 2007 mit seiner Mutter in Singapur; im Jahr 2007 kehrte er nach Myanmar zurück.

17      Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 beantragte der Rechtsmittelführer beim Rat, ihm die tatsächlichen Angaben zugänglich zu machen, die die Aufnahme seines Namens in die Liste in Anhang VI der streitigen Verordnung rechtfertigten, und seinen Namen von dieser Liste zu streichen.

18      Der Rat antwortete mit Schreiben vom 26. Juni 2008, dass der Rechtsmittelführer in der Liste des genannten Anhangs verzeichnet sei, weil er als Sohn von Herrn Tay Za zu der Gruppe von Personen gehöre, die Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung der Republik der Union von Myanmar zögen.

 Klage beim Gericht und angefochtenes Urteil

19      Mit Klageschrift, die am 16. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob der Rechtsmittelführer Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung.

20      Der Rechtsmittelführer stützte seine Klage auf acht Klagegründe, nämlich eine fehlende Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung, Verstoß gegen die Begründungspflicht, Verletzung des Anspruchs auf einen fairen Prozess, Verletzung des Anspruchs auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, Verletzung des Eigentumsrechts und Verstöße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gegen die Rechtsgrundsätze, die sich aus dem Strafcharakter der Anordnung des Einfrierens der Vermögenswerte ergeben, und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

21      Der Rat, unterstützt durch das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission, beantragte, die Klage abzuweisen.

22      Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage in vollem Umfang ab.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof

23      Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        festzustellen, dass die streitige Verordnung nichtig ist, soweit sie ihn betrifft, und

–        dem Rat die Kosten des Rechtsmittelführers für das Rechtsmittelverfahren und das Verfahren vor dem Gericht aufzuerlegen.

24      Der Rat beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

25      Das Vereinigte Königreich beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

26      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

27      Der Rechtsmittelführer stützt sich auf vier Rechtsmittelgründe, mit denen vom Gericht begangene Rechtsfehler in Bezug auf erstens die Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung, zweitens die dem Rat obliegende Begründungspflicht, drittens die Verteidigungsrechte und viertens die Achtung des Eigentumsrechts und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geltend gemacht werden.

28      Der erste Rechtsmittelgrund – Rechtsfehler bei der Auslegung der Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung – betrifft folgende Randnummern des angefochtenen Urteils:

„57      [Es] ist festzustellen, dass Gegenstand der streitigen Verordnung die Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen die Union Myanmar ist. Es ergibt sich nämlich aus dem sechsten Erwägungsgrund der streitigen Verordnung, dass der Rat und die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft seit über einem Jahrzehnt vor Erlass der streitigen Verordnung immer wieder die Praktiken des Militärregimes von Myanmar, insbesondere die Beschneidung der Grundrechte, verurteilt haben und dass in Anbetracht der anhaltenden schweren Grundrechtsverletzungen des Regimes die vom Rat erlassenen restriktiven Maßnahmen zur Förderung der Achtung der Grundrechte und somit zum Schutz öffentlicher Werte der Gesellschaft beitragen sollten.

58      Folglich richtet sich die streitige Verordnung allgemein eindeutig gegen ein Drittland, nämlich die Union Myanmar.

61      [Es] ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der ‚dritten Länder‘ im Sinne der Art. 60 EG und 301 EG die Machthaber eines solchen Landes sowie die mit diesen Machthabern verbundenen oder unmittelbar oder mittelbar von ihnen kontrollierten Personen und Organisationen einschließen kann [Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P (Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 166)]. Zur Einstufung als mit den Machthabern eines Drittlands verbundener Person muss eine hinreichende Verbindung zwischen der betreffenden Person und dem fraglichen Regime vorliegen.

66      Außerdem ist festzustellen, dass der Rat zu Recht die Ansicht vertreten hat, dass sich die wichtigen Führungskräfte von Unternehmen des Militärregimes von Myanmar, wie der Vater des Klägers als geschäftsführender Direktor der Unternehmen Htoo Trading Co. und Htoo Construction Co., als mit diesem Regime verbundene Personen einstufen ließen. Denn in Myanmar können die geschäftlichen Aktivitäten der genannten Unternehmen nur mit der Gunst dieses Regimes gedeihen. Als Führungskräfte dieser Unternehmen ziehen sie dank ihrer Funktion Nutzen aus der Wirtschaftspolitik dieses Landes. Folglich besteht eine enge Verbindung zwischen den Führungskräften dieser Unternehmen und dem Militärregime.

67      In Bezug auf die Familienangehörigen dieser Führungskräfte lässt sich vermuten, dass sie aus der von diesen Führungskräften ausgeübten Funktion Nutzen ziehen, so dass nichts der Schlussfolgerung entgegensteht, dass sie ebenfalls Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung ziehen.

68      Allerdings lässt sich die Vermutung, dass die Familienangehörigen der bedeutenden Führungskräfte von Unternehmen eines Drittlands ebenfalls Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung dieses Landes ziehen, widerlegen, sofern es einem Kläger gelingt, darzutun, dass er zu der Führungskraft, die zu seiner Familie gehört, keine enge Verbindung hat.

69      Hierzu ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass er sich von seinem Vater getrennt hat und dessen Stellung als wichtige Führungskraft von Unternehmen es ihm nicht mehr erlaubt, Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung von Myanmar zu ziehen. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er habe, seit er 13 Jahre alt gewesen sei, mit seiner Mutter in Singapur gelebt, niemals für seinen Vater gearbeitet und halte keine Beteiligung an den Gesellschaften von Myanmar. Er hat jedoch nicht die Herkunft der Geldmittel angegeben, die es ihm erlaubt [haben], zwischen 2005 und 2007 Aktionär zweier Gesellschaften seines Vaters mit Sitz in Singapur zu sein.

70      Ferner kann nach Art. 301 EG ein Tätigwerden der Gemeinschaft bis zur vollständigen Einstellung der Wirtschaftsbeziehungen mit einem Drittland gehen. Der Rat könnte daher gemäß Art. 60 EG die notwendigen Sofortmaßnahmen auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs zur Durchführung einer solchen Aktion ergreifen. Ein allgemeines Handelsembargo gegen ein Drittland beträfe in Myanmar jedermann und nicht nur diejenigen, die aus der Wirtschaftspolitik des Militärregimes von Myanmar aufgrund ihrer persönlichen Situation in diesem Land Nutzen ziehen. Erst recht ist im vorliegenden Fall zu entscheiden, dass die restriktiven Maßnahmen auf der Grundlage der gezielten und ausgewählten Sanktionen, die bestimmte Gruppen von Personen treffen, die der Rat für mit dem fraglichen Regime verbunden hält, darunter die Familienangehörigen der wichtigen Führungskräfte von Unternehmen des betreffenden Drittlands, in den Anwendungsbereich der Art. 60 EG und [301 EG] fallen.

72      Zudem lässt sich die Einbeziehung der Familienangehörigen in die Gruppe der von den restriktiven Maßnahmen gegen die Union Myanmar betroffenen Personen durch Effizienzerwägungen rechtfertigen. … Die Einbeziehung von Familienangehörigen der bedeutenden Führungskräfte von Unternehmen verhindert die Umgehung der fraglichen restriktiven Maßnahmen durch Übertragung der Vermögenswerte dieser Führungskräfte auf ihre Familienangehörigen.“

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

29      Der Rechtsmittelführer trägt vor, dass die Art. 60 EG und 301 EG dem Rat angesichts der unzureichenden Verbindung zwischen ihm und der Regierung der Republik der Union von Myanmar nicht die Befugnis verliehen, seine Vermögenswerte einzufrieren. Aus Randnr. 166 des Urteils Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission ergebe sich, dass auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG erlassene restriktive Maßnahmen nur gegen die Machthaber eines Drittlands und gegen mit diesen Machthabern verbundene oder von ihnen kontrollierte Personen gerichtet werden dürften. Es sei nicht zulässig, solche Maßnahmen gegen Einzelpersonen allein deshalb zu richten, weil vermutet werde, dass sie aus der Wirtschaftspolitik eines Regimes Nutzen zögen, und zwar aufgrund ihrer Verbindungen zu Personen, bei denen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Wirtschaftskreisen davon ausgegangen werde, dass sie ihrerseits von dem Regime profitiert hätten.

30      Unter Berufung auf das Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat (T‑256/07, Slg. 2008, II‑3019), trägt der Rechtsmittelführer vor, dass dem Rat die Beweislast dafür obliege, dass das Einfrieren von Geldern gerechtfertigt sei. Aus diesem Urteil ergebe sich, dass die Entscheidung, den Betroffenen in die fragliche Liste aufzunehmen, auf ernsthaften und schlüssigen Beweisen beruhen müsse und dass die Organe der betroffenen Person die Gründe dafür mitteilen müssten.

31      In dem angefochtenen Urteil habe das Gericht ihm vorgeworfen, er habe die Vermutung nicht widerlegt, die gegen ihn spreche, weil er keine näheren Angaben zur Herkunft der Gelder gemacht habe, die es ihm erlaubt hätten, in den Jahren 2005 bis 2007 Aktionär von zwei in Singapur niedergelassenen Gesellschaften seines Vaters zu sein. Der Rechtsmittelführer weist darauf hin, dass er weder im Jahr 2003, als er zum ersten Mal in die fragliche Liste eingetragen worden sei, noch im Jahr 2008, als die streitige Verordnung erlassen worden sei, derartige Aktien besessen habe und dass er keinerlei Verbindung mit den wirtschaftlichen Interessen seines Vaters aufweise.

32      Der Rechtsmittelführer macht geltend, die Eintragung von Familienmitgliedern der Personen, auf die die streitige Verordnung abziele, in eine solche Liste mit dem Ziel, die Gefahr der Umgehung des Einfrierens von Geldern zu verhindern, sei keine überzeugende Rechtfertigung, da eine solche Eintragung die vorsorgliche Übertragung von Vermögenswerten auf entferntere Familienmitglieder oder Dritte nicht verhindere.

33      In Bezug auf die Befugnis der Gemeinschaft, gezielte restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Kategorien von Personen zu erlassen, habe der Gerichtshof im Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission entschieden, dass die Art. 60 EG und 301 EG zwar die Anwendung von Sanktionen gegen ein Drittland ermöglichten, dass sich daraus aber nicht ohne Weiteres eine Ermächtigung zum Erlass selektiver Maßnahmen gegen natürliche Personen ergebe.

34      Der Rat entgegnet auf diese Argumente, dass der Rechtsmittelführer entgegen seinem Vorbringen in seiner Eigenschaft als Mitglied einer besonderen Kategorie von in der streitigen Verordnung bestimmten Personen und nicht als individuell betroffene Person in der Liste dieser Verordnung verzeichnet sei. Soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorlägen, werde bei den Familienmitgliedern von Personen, die mit dem Militärregime der Republik der Union von Myanmar verbunden seien, vermutet, dass sie aus der Wirtschaftspolitik dieses Landes Nutzen zögen. Der Rechtsmittelführer sei damit im Sinne des Urteils Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission tatsächlich mit diesem Regime verbunden. Im Übrigen habe der Rechtsmittelführer sich immer als Studenten dargestellt und zu keiner Zeit zu verstehen gegeben, dass er von seinem Vater finanziell unabhängig sei.

35      Zur Gefahr einer Umgehung der restriktiven Maßnahmen trägt der Rat vor, dass die gleichzeitige Eintragung einer Führungskraft eines Unternehmens und seiner Familienmitglieder in die fragliche Liste gerade bewirke, dass alle betroffenen Vermögenswerte eingefroren würden, auch die, die zuvor möglicherweise auf die Familienmitglieder übertragen worden seien. Angesichts des für eine solche Übertragung notwendigen Maßes an Vertrauen seien Führungskräfte von Unternehmen weniger geneigt, sie zugunsten von Dritten vorzunehmen.

36      Das Vereinigte Königreich, das nur zu dem vorliegenden Klagegrund Stellung genommen hat, und die Kommission sind der Ansicht, dass das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden habe, dass die streitige Verordnung auf eine geeignete Rechtsgrundlage gestützt worden sei. Im Licht des Wortlauts und des Zwecks des Gemeinsamen Standpunkts 2006/318 und der streitigen Verordnung sowie der Notwendigkeit, jede Umgehung wichtiger Maßnahmen zu verhindern, sei der Ausdruck der mit den Mitgliedern der Regierung der Republik der Union von Myanmar „verbundenen … Personen“ in Art. 11 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass er die Familienmitglieder dieser Personen und die Familienmitglieder von Personen umfasse, die aus der Wirtschaftspolitik dieser Regierung Nutzen zögen.

37      Die Kommission meint, der Rechtsmittelführer greife anscheinend den vom Rat gewählten Mechanismus der „gezielten Sanktionen“ als solchen an. Es sei jedoch nicht Sache der Unionsgerichte, diesen für die Anwendung eines Handelsembargos gegen Drittländer gewählten besonderen Mechanismus zu überprüfen.

38      In der Unionsrechtsordnung verfüge der Rat hinsichtlich der Umstände, die bei der Verhängung von wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG nach Maßgabe eines im Rahmen der gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik angenommenen Gemeinsamen Standpunkts zu berücksichtigen seien, über ein weites Ermessen.

39      Da der Unionsrichter insbesondere nicht seine Beurteilung der Beweise, Tatsachen und Umstände, mit denen der Erlass derartiger Maßnahmen gerechtfertigt werde, an die Stelle der Beurteilung des Rates setzen dürfe, müsse sich die vom Gericht ausgeübte Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über das Einfrieren von Geldern auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden seien, der Sachverhalt richtig ermittelt worden sei und kein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung der Tatsachen oder Ermessensmissbrauch vorliege. Der Rechtsmittelführer habe aber nicht nachgewiesen, dass sein Vorbringen, wonach die vom Rat für den Erlass der streitigen Verordnung angeführten Verfahrensvorschriften und Gründe fehlerhaft gewesen seien, vom Gericht zu Unrecht zurückgewiesen worden sei.

40      Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei der Frage, ob zwischen dem Rechtsmittelführer und den Machthabern der Republik der Union von Myanmar eine hinreichende Verbindung besteht, und bei der vom Gericht vorgenommenen Tatsachenwürdigung, dass die vom Rechtsmittelführer beigebrachten Beweise und vorgetragenen Argumente nicht ausreichten, um seine unmittelbare oder mittelbare Verbindung mit dem Militärregime dieses Landes zu widerlegen, nicht um Rechtsfragen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

 Vorbemerkungen

41      Ohne ausdrücklich die Einrede der Unzulässigkeit in Bezug auf diesen Rechtsmittelgrund zu erheben, trägt die Kommission vor, dass die Frage, ob eine hinreichende Verbindung zwischen dem Rechtsmittelführer und den Machthabern der Republik der Union von Myanmar bestehe, die die Anwendung der fraglichen restriktiven Maßnahmen rechtfertigen könne, eine Tatsachen‑ und keine Rechtsfrage sei. Da der Rechtsmittelführer nicht dargetan habe, dass das Gericht den Sachverhalt nicht richtig ermittelt oder Beweise verfälscht habe, müssten die tatsächlichen Feststellungen, zu denen es gelangt sei, vom Gerichtshof aufrechterhalten werden.

42      Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

43      Wie das Gericht in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils dargelegt hat, kann nämlich der Begriff der „dritten Länder“ im Sinne der Art. 60 EG und 301 EG nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Machthaber eines solchen Landes sowie die mit diesen Machthabern verbundenen oder unmittelbar oder mittelbar von ihnen kontrollierten Personen und Organisationen einschließen (vgl. Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Randnr. 166).

44      Das Gericht hat nach Maßgabe dieser Rechtsprechung geprüft, ob zwischen dem Rechtsmittelführer und den Machthabern der Republik der Union von Myanmar eine hinreichende Verbindung bestand, die den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen den Rechtsmittelführer auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG rechtfertigen konnte.

45      Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels geht es um die Frage, ob das Gericht die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Tragweite der Art. 60 EG und 301 EG, so wie sie sich insbesondere aus dem Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission ergibt, richtig übertragen hat, indem es in den Randnrn. 66 und 67 des angefochtenen Urteils dargelegt hat, dass sich vermuten lasse, dass die Familienmitglieder von Führungskräften wichtiger Unternehmen des Militärregimes in Myanmar Nutzen aus der von diesen Führungskräften von Unternehmen ausgeübten Funktion zögen, so dass gefolgert werden könne, dass sie ebenfalls Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung dieses Landes zögen.

 Zur Begründetheit

46      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (vgl. u. a. Urteil vom 16. November 2011, Bank Melli Iran/Rat, C‑548/09 P, Slg. 2011, I‑11381, Randnr. 66).

47      Art. 60 Abs. 1 EG sieht vor, dass der Rat, falls ein Tätigwerden der Gemeinschaft in den in Art. 301 EG vorgesehenen Fällen für erforderlich erachtet wird, die notwendigen Sofortmaßnahmen auf dem Gebiet des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs mit den betroffenen dritten Ländern ergreifen kann.

48      Nach Art. 301 EG trifft der Rat die erforderlichen Sofortmaßnahmen, wenn in gemeinsamen Standpunkten oder gemeinsamen Aktionen, die nach den Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik angenommen worden sind, ein Tätigwerden der Gemeinschaft vorgesehen ist, um die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen.

49      Die streitige Verordnung hat den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen die Republik der Union von Myanmar zum Gegenstand.

50      Aus dem sechsten Erwägungsgrund der streitigen Verordnung geht hervor, dass die mit ihr verhängten restriktiven Maßnahmen in Anbetracht der anhaltenden schweren Grundrechtsverletzungen durch das in diesem Land bestehende Regime zur Förderung der Achtung der Menschenrechte und damit zum Schutz öffentlicher Werte in diesem Land beitragen sollen.

51      Gemäß Art. 11 der streitigen Verordnung wirkten sich die fraglichen restriktiven Maßnahmen dahin gehend aus, dass sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die den Mitgliedern der Regierung der Republik der Union von Myanmar und den mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen gehörten, eingefroren wurden.

52      Die in Anhang VI der streitigen Verordnung enthaltene Liste der Mitglieder dieser Regierung und der mit ihnen verbundenen Personen, Organisationen und Einrichtungen, auf die in Art. 11 Bezug genommen wird, verzeichnet u. a. die Namen der Mitglieder des Staatsrats für Frieden und Entwicklung, der Minister, der höheren Offiziere der Streitkräfte und der Personen, die Nutzen aus der Wirtschaftspolitik dieser Regierung ziehen.

53      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Art. 60 EG und 301 EG im Hinblick auf ihren Wortlaut, insbesondere die Wendungen „mit den betroffenen dritten Ländern“ und „zu einem oder mehreren dritten Ländern“, den Erlass von Maßnahmen gegenüber Drittländern betreffen, wobei der zuletzt genannte Begriff die Machthaber eines solchen Landes sowie die mit diesen Machthabern verbundenen oder unmittelbar oder mittelbar von ihnen kontrollierten Personen oder Organisationen einschließen kann (Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Randnr. 166).

54      In der im Abschnitt J des Anhangs VI der streitigen Verordnung stehenden Liste der Personen, die Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung der Republik der Union von Myanmar ziehen und deren jeweilige Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden, werden u. a. die Namen von Familienmitgliedern von Führungskräften bestimmter Unternehmen genannt, darunter der Name des Klägers.

55      Angesichts der in Randnr. 53 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich nicht ausschließen, dass gegen die Führungskräfte bestimmter Unternehmen auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG restriktive Maßnahmen erlassen werden können, soweit nachgewiesen ist, dass sie mit den Machthabern der Republik der Union von Myanmar verbunden sind oder dass die Tätigkeiten dieser Unternehmen von diesen Machthabern abhängig sind.

56      Die in der Liste im Anhang VI der streitigen Verordnung eingetragenen Familienangehörigen der Führungskräfte von Unternehmen unterliegen den Maßnahmen der Einfrierung von Geldern indessen allein deshalb, weil sie zur Familie von Personen gehören, die mit den genannten nationalen Machthabern verbunden sind.

57      In Bezug auf solche Familienangehörigen hat das Gericht in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich vermuten lasse, dass sie aus der von den Führungskräften von Unternehmen ausgeübten Funktion Nutzen zögen, so dass nichts der Schlussfolgerung entgegenstehe, dass sie ebenfalls Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung zögen. Ferner hat das Gericht entschieden, dass sich diese Vermutung widerlegen lasse, sofern es dem jeweiligen Kläger gelinge, darzutun, dass er zu der Führungskraft, die zu seiner Familie gehöre, keine enge Verbindung habe (Randnr. 68 des angefochtenen Urteils).

58      Das Gericht hat daher den Schluss gezogen (Randnr. 70 des angefochtenen Urteils), dass die restriktiven Maßnahmen auf der Grundlage von gezielten und ausgewählten Sanktionen, die bestimmte Gruppen von Personen träfen, die der Rat für mit dem fraglichen Regime verbunden halte, darunter die Familienangehörigen der Führungskräfte wichtiger Unternehmen des betreffenden Drittlands, in den Anwendungsbereich der Art. 60 EG und 301 EG fielen.

59      Zu prüfen ist, ob das Gericht mit diesem Vorgehen einen Rechtsfehler hinsichtlich der Tragweite der Art. 60 EG und 301 EG in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof (vgl. insbesondere Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission) begangen hat.

60      Der Gerichtshof hat zwar in Randnr. 166 des Urteils Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission die Art. 60 EG und 301 EG weit ausgelegt, indem er den in diesen Artikeln verwendeten Begriff „dritte Länder“ auch auf die Machthaber eines solchen Landes sowie die mit diesen Machthabern verbundenen oder unmittelbar oder mittelbar von ihnen kontrollierten Personen und Organisationen bezogen hat, doch hat er diese Auslegung von Voraussetzungen abhängig gemacht, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Art. 60 EG und 301 EG im Einklang mit ihrer Zielsetzung angewandt werden.

61      Der Gerichtshof hat insoweit die von der Kommission vertretene These zurückgewiesen, wonach es genügen soll, dass sich die fraglichen Restriktionen gegen Personen oder Organisationen richten, die sich in einem Drittland befinden oder in anderer Art und Weise mit diesem verbunden sind, damit sie als gegen dieses Land gerichtete Restriktionen im Sinne der Art. 60 EG und 301 EG angesehen werden können (vgl. Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Randnr. 168).

62      Nach Ansicht des Gerichtshofs würde eine solche Auslegung der Art. 60 EG und 301 EG diesen Bestimmungen einen zu weiten Anwendungsbereich geben und nicht berücksichtigen, dass, wie sich aus diesen Artikeln ausdrücklich ergibt, die auf der Grundlage dieser Bestimmungen beschlossenen Maßnahmen gegenüber Drittländern getroffen werden müssen (Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Randnr. 168).

63      Daraus folgt, dass nur solche gegen natürliche Personen gerichtete Maßnahmen als restriktive Maßnahmen gegen Drittländer auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG erlassen werden können, die allein auf die Machthaber dieser Länder und mit ihnen verbundene Personen abzielen (Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Randnr. 166).

64      Mit diesem Erfordernis wird sichergestellt, dass eine hinreichende Verbindung zwischen den betroffenen Personen und dem Drittland besteht, gegen das sich die von der Union erlassenen restriktiven Maßnahmen richten, indem verhindert wird, dass die Art. 60 EG und 301 EG zu weit und damit im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt werden.

65      Mit der Annahme, dass sich vermuten lasse, dass die Familienangehörigen der Führungskräfte von bedeutenden Unternehmen ebenfalls Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung ziehen, hat das Gericht den Kreis der natürlichen Personen, gegen die gezielte restriktive Maßnahmen gerichtet werden können, erweitert.

66      Die Anwendung solcher Maßnahmen auf natürliche Personen allein wegen ihrer familiären Bindung zu Personen, die mit den Machthabern des betroffenen Drittlands verbunden sind, und unabhängig von ihrem persönlichen Verhalten steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Art. 60 EG und 301 EG.

67      Es lässt sich nämlich nicht ohne Weiteres eine auch nur mittelbare Verbindung herstellen zwischen den mangelnden Fortschritten im Hinblick auf eine Demokratisierung sowie den anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte in Myanmar, die nach dem ersten Erwägungsgrund der streitigen Verordnung einer der Gründe für ihren Erlass waren, und dem Verhalten der Familienangehörigen von Führungskräften von Unternehmen, das als solches in keiner Weise gerügt wird.

68      Zudem wollte der Gerichtshof, indem er in Randnr. 168 des Urteils Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission entschieden hat, dass die gegen ein Drittland erlassenen restriktiven Maßnahmen nicht auf Personen abzielen dürfen, die „in anderer Art und Weise“ mit diesem Land verbunden sind, die Kategorien von natürlichen Personen, gegen die gezielte restriktive Maßnahmen gerichtet werden können, auf diejenigen beschränken, deren Verbindung mit dem fraglichen Drittland ganz offensichtlich ist, also auf die Machthaber der entsprechenden Drittländer und mit ihnen verbundene Personen.

69      Im Übrigen beruht das Kriterium, das das Gericht herangezogen hat, um die Familienmitglieder von Führungskräften von Unternehmen einzubeziehen, auf einer Vermutung, die weder in der streitigen Verordnung noch in den Gemeinsamen Standpunkten 2006/318 und 2007/750, auf die diese Verordnung verweist, vorgesehen ist und die nicht dem Ziel der entsprechenden Regelung entspricht.

70      Folglich konnte eine Maßnahme zur Einfrierung der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen des Rechtsmittelführers im Rahmen einer Verordnung, mit der auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG Sanktionen gegen ein Drittland vorgesehen werden sollten, nur gestützt auf genaue und konkrete Umstände erlassen werden, anhand deren sich feststellen ließ, dass der Rechtsmittelführer Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Machthaber der Republik der Union von Myanmar zieht.

71      Nach alledem hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden hat, dass sich vermuten lasse, dass die Familienmitglieder von Führungskräften von Unternehmen aus der von diesen ausgeübten Funktion Nutzen zögen, so dass sie ebenfalls Nutzen aus der Wirtschaftspolitik der Regierung zögen und somit zwischen dem Rechtsmittelführer und dem Militärregime von Myanmar eine für die Art. 60 EG und 301 EG hinreichende Verbindung bestehe.

72      Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund begründet und das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als darin die streitige Verordnung, was den Rechtsmittelführer betrifft, nicht wegen fehlender Rechtsgrundlage für nichtig erklärt wurde.

73      Da die Bejahung der Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, sind die weiteren Rechtsmittelgründe nicht zu prüfen.

 Zur Klage vor dem Gericht

74      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hebt der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

75      Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof über die erforderlichen Angaben, um endgültig über die vom Rechtsmittelführer beim Gericht erhobene Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung zu entscheiden.

76      Insoweit genügt der Hinweis, dass die Klage aus den in den Randnrn. 60 bis 70 des vorliegenden Urteils genannten Gründen begründet ist und die streitige Verordnung, soweit sie den Rechtsmittelführer betrifft, wegen fehlender Rechtsgrundlage für nichtig zu erklären ist.

 Kosten

77      Nach Art. 122 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet, über die Kosten.

78      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rechtsmittelführer die Verurteilung des Rates beantragt hat und dieser mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

79      Nach Art. 69 § 4 der Verfahrensordnung, der ebenfalls nach deren Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Danach haben das Vereinigte Königreich und die Kommission ihre eigenen Kosten sowohl für das Verfahren vor dem Gericht als auch für das Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 19. Mai 2010, Tay Za/Rat (T‑181/08), wird aufgehoben.

2.      Die Verordnung (EG) Nr. 194/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 817/2006 wird für nichtig erklärt, soweit sie Herrn Tay Za betrifft.

3.      Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren.

4.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.