Vorabentscheidungsersuchen des Grondwettelijk Hof (Belgien), eingereicht am 28. April 2011 - All Projects & Developments u. a.
(Rechtssache C-203/11)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Grondwettelijk Hof
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: All Projects & Developments NV
Bouw- en Coördinatiekantoor Andries NV
Belgische Gronden Reserve NV
Bouwonderneming Ooms NV
Bouwwerken Taelman NV
Brummo NV
Cordeel Zetel Temse NV
DMI Vastgoed NV
Dumobil NV
Durabrik NV
Eijssen NV
Elbeko NV
Entro NV
Extensa NV
Flanders Immo JB NV
Green Corner NV
Huysman Bouw NV
Imano BVBA
Immpact Ontwikkeling NV
Invest Group Dewaele NV
Invimmo NV
Kwadraat NV
Liburni NV
Lotinvest NV
Matexi NV
Novus NV
Plan & Bouw NV
7Senses Real Estate NV
Sibomat NV
Tradiplan NV
Uma Invest NV
Versluys Bouwgroep BVBA
Villabouw Francis Bostoen NV
Willemen General Contractor NV
Wilma Project Development NV
Woningbureau Paul Huyzentruyt NV
Verfahrensbeteiligte: Ministerraad (Ministerrat)
Vlaamse regering (Flämische Regierung)
Immo Vilvo NV
PSR Brownfield Developers NV
College van de Franse Gemeenschapscommissie (Kollegium der Französischen Gemeinschaftskommission)
Franse Gemeenschapsregering (Regierung der Französischen Gemeinschaft)
Vorlagefragen
Sind die Art. 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV], an sich oder in Verbindung mit der Entscheidung 2005/842/EG der Kommission vom 28. November 2005
1 über die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, so auszulegen, dass sie es erfordern, dass die in den Art. 3.1.3, 3.1.10, 4.1.20 § 3 Abs. 2, 4.1.21 und 4.1.23 des Dekrets der Flämischen Region vom 27. März 2009 über die Grundstücks- und Immobilienpolitik enthaltenen Maßnahmen bei der Europäischen Kommission gemeldet werden müssen vor der Annahme oder dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen?
Ist eine Regelung, die privaten Akteuren, deren Parzellierung oder Bauprojekt eine bestimmte Mindestgröße aufweist, von Rechts wegen eine soziale Auflage in Höhe eines Prozentsatzes von mindestens 10 Prozent und höchstens 20 Prozent dieser Parzellierung oder dieses Bauprojektes auferlegt, die in natura oder durch Zahlung einer Geldsumme von 50 000 Euro pro nicht verwirklichte soziale Parzelle oder Sozialwohnung ausgeführt werden kann, anhand der Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit oder des freien Kapitalverkehrs zu prüfen, oder ist sie als eine komplexe Regelung einzustufen, die anhand jeder dieser Freiheiten zu prüfen ist?
Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und j der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006
2 über Dienstleistungen im Binnenmarkt anwendbar auf einen Pflichtbeitrag von privaten Akteuren zur Erstellung von Sozialwohnungen und Appartements, die von Rechts wegen auferlegt wird als soziale Auflage in Verbindung mit jeder Bau- oder Parzellierungsgenehmigung für ein Projekt, das einen gesetzlich festgelegten Mindestumfang aufweist, wobei die verwirklichten Sozialwohnungen zu vorher festgelegten Höchstpreisen durch soziale Wohnungsbaugesellschaften gekauft werden, um an eine breite Kategorie von Privatpersonen vermietet zu werden, oder mit Rechtsübertragung zugunsten der sozialen Wohnungsbaugesellschaften an Privatpersonen verkauft werden, die derselben Kategorie angehören?
Ist, wenn die dritte Vorabentscheidungsfrage bejahend beantwortet wird, der Begriff "zu prüfende Anforderung" in Art. 15 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen, dass er eine Verpflichtung für private Akteure, zusätzlich zu oder als Teil ihrer üblichen Tätigkeit zum sozialen Wohnungsbau beizutragen und die erstellten Wohnungen zu Höchstpreisen an halböffentliche Behörden oder mit deren Rechtsübertragung zu übertragen, obwohl diese privaten Akteure kein weiteres Initiativrecht auf dem Markt der Sozialwohnungen besitzen, erfasst?
Hat, wenn die dritte Vorabentscheidungsfrage bejahend beantwortet wird, der nationale Richter mit
der Feststellung, dass eine gemäß Art. 15 der Richtlinie 2006/123 neue zu prüfende Anforderung nicht auf spezifische Weise gemäß Art. 15 Abs. 6 dieser Richtlinie geprüft worden wäre, und
der Feststellung, dass diese neue Anforderung nicht gemäß Art. 15 Abs. 7 dieser Richtlinie mitgeteilt worden wäre, eine Sanktion - und bejahendenfalls welche - zu verbinden?
Ist, wenn die dritte Vorabentscheidungsfrage bejahend beantwortet wird, der Begriff "unzulässige Anforderung" in Art. 14 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen, dass er nicht nur unter den in diesem Art. beschriebenen Hypothesen eine nationale Regelung verbietet, wenn diese die Aufnahme oder Ausübung der Dienstleistungstätigkeit von einer Anforderung abhängig macht, sondern auch, wenn diese Regelung lediglich vorsieht, dass die Nichterfüllung dieser Anforderung zur Folge hat, dass der finanzielle Ausgleich für die Erbringung einer gesetzlich vorgeschriebenen Dienstleistung verfällt und dass die geleistete finanzielle Garantie für die Ausübung dieser Dienstleistung nicht zurückgezahlt wird?
Ist, wenn die dritte Vorabentscheidungsfrage bejahend beantwortet wird, der Begriff "konkurrierender Marktteilnehmer" in Art. 14 Nr. 6 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen, dass er auch auf eine öffentliche Einrichtung anwendbar ist, deren Aufgaben sich teilweise mit denjenigen von Dienstleistungserbringern überschneiden können, wenn sie die in Art. 14 Nr. 6 derselben Richtlinie erwähnten Entscheidungen trifft und gleichzeitig verpflichtet ist, als letzte Phase in einem Stufensystem die Sozialwohnungen zu kaufen, die von einem Dienstleistungserbringer zur Ausführung der ihm obliegenden sozialen Auflage erstellt wurden?
a) Ist, wenn die dritte Vorabentscheidungsfrage bejahend beantwortet wird, der Begriff "Genehmigungsregelung" in Art. 4 Nr. 6 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen, dass er auf Bescheinigungen anwendbar ist, die durch eine öffentliche Einrichtung erteilt werden, nachdem die ursprüngliche Bau- oder Parzellierungsgenehmigung bereits erteilt wurde, und die notwendig sind, um Anspruch auf einige der Ausgleichszahlungen für die Ausführung einer sozialen Auflage zu haben, die von Rechts wegen mit dieser ursprünglichen Genehmigung verbunden war, und die gleichzeitig notwendig sind, um Anspruch auf die Rückgabe der durch den Dienstleistungserbringer verpflichtend zu leistenden finanziellen Garantie zugunsten dieser öffentlichen Einrichtung zu erheben?
b) Ist, wenn die dritte Vorabentscheidungsfrage bejahend beantwortet wird, der Begriff "Genehmigungsregelung" in Art. 4 Nr. 6 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen, dass er auf eine Vereinbarung anwendbar ist, die ein privater Akteur aufgrund einer Gesetzesnorm mit einer öffentlichen Einrichtung im Rahmen der Rechtsübertragung zugunsten dieser öffentlichen Einrichtung für den Verkauf einer Sozialwohnung schließt, die durch diesen privaten Akteur erstellt wurde, und zwar zur Ausführung einer sozialen Auflage in natura, die von Rechts wegen mit einer Bau- oder Parzellierungsgenehmigung verbunden ist, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Abschluss dieser Vereinbarung eine Voraussetzung für die Ausführbarkeit dieser Genehmigung darstellt?
Sind die Art. 49 und 56 AEUV so auszulegen, dass sie eine Regelung verbieten, die zur Folge hat, dass mit der Erteilung einer Bau- oder Parzellierungsgenehmigung bezüglich eines Projektes von einem bestimmten Mindestumfang von Rechts wegen eine soziale Auflage verbunden wird, die darin besteht, in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Projektes Sozialwohnungen zu erstellen, die anschließend zu nach oben begrenzten Preisen an eine öffentliche Einrichtung oder mit deren Rechtsübertragung verkauft werden müssen?
Ist Art. 63 AEUV so auszulegen, dass er eine Regelung verbietet, die zur Folge hat, dass mit der Erteilung einer Bau- oder Parzellierungsgenehmigung bezüglich eines Projektes von einem bestimmten Mindestumfang von Rechts wegen eine soziale Auflage verbunden wird, die darin besteht, in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Projektes Sozialwohnungen zu erstellen, die anschließend zu nach oben begrenzten Preisen an eine öffentliche Einrichtung oder mit deren Rechtsübertragung verkauft werden müssen?
Ist der Begriff "öffentlicher Bauauftrag" in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004
3 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge so auszulegen, dass er auf eine Regelung Anwendung findet, die zur Folge hat, dass mit der Erteilung einer Bau- oder Parzellierungsgenehmigung bezüglich eines Projektes von einem bestimmten Mindestumfang von Rechts wegen eine soziale Auflage verbunden wird, die darin besteht, in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Projektes Sozialwohnungen zu erstellen, die anschließend zu nach oben begrenzten Preisen an eine öffentliche Einrichtung oder mit deren Rechtsübertragung verkauft werden müssen?
Sind die Art. 21, 45 und 49, 56 und 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und die Art. 22 und 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004
4 "über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG" dahin gehend auszulegen, dass sie der durch Buch 5 des Dekrets der Flämischen Region vom 27. März 2009 über die Grundstücks- und Immobilienpolitik mit der Überschrift "Wohnen in der eigenen Region" eingeführten Regelung entgegenstehen, durch welche die Übertragung von Grundstücken und darauf errichteten Bauten in bestimmten, so genannten Zielgemeinden davon abhängig gemacht wird, dass der Käufer oder Mieter eine ausreichende Bindung zu der betreffenden Gemeinde im Sinne von Art. 5.2.1 § 2 des Dekrets nachweist?
____________1 - ABl. L 312, S. 67.2 - ABl. L 376, S. 36.3 - ABl. 134, S. 114.4 - ABl. L 158, S. 77.