Language of document : ECLI:EU:C:2015:45

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 29. Januar 2015(1)

Rechtssache C‑1/14

Base Company NV, vormals KPN Group Belgium NV

und

Mobistar NV

gegen

Ministerraad

(Vorabentscheidungsersuchen des Grondwettelijk Hof [Belgien])

„Universaldienstrichtlinie – Art. 9 und 32 – Elektronische Kommunikation – Netze und Dienste – Universaldienst und Nutzerrechte – Soziale Dienstverpflichtungen – Zusätzliche Pflichtdienste“





1.        Der belgische Gesetzgeber hat aufgrund der Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Kommission/Belgien(2) und Base(3) eine gesetzliche Regelung erlassen, deren Vereinbarkeit mit der „Universaldienstrichtlinie“(4) erneut angezweifelt wird. Bei dieser Gelegenheit fragt der Grondwettelijk Hof des Königreichs Belgien den Gerichtshof, ob der nationale Gesetzgeber die Mobilfunkdienste und die elektronische Kommunikation (Internet) unter die Kategorie „Universaldienst“ dieser Richtlinie fassen kann. Zudem wird die Gültigkeit der „Universaldienstrichtlinie“ selbst wegen eines möglichen Verstoßes gegen Art. 20 der Charta der Grundrechte der Union in Frage gestellt. Ich schicke bereits jetzt voraus, dass diese Infragestellung aus meiner Sicht eindeutig unzulässig ist.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Universaldienstrichtlinie

2.        Art. 3 der Richtlinie („Verfügbarkeit des Universaldienstes“) leitet Kapitel II („Universaldienstverpflichtungen einschließlich sozialer Verpflichtungen“) ein und bestimmt Folgendes:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in diesem Kapitel beschriebenen Dienste mit der angegebenen Qualität allen Endnutzern in ihrem Hoheitsgebiet, unabhängig von ihrem geografischen Standort und, unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten, zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung gestellt werden.

(2)      Die Mitgliedstaaten legen den effizientesten und am besten geeigneten Ansatz fest, mit dem der Universaldienst sichergestellt werden kann, wobei die Grundsätze der Objektivität, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit einzuhalten sind. Sie tragen dafür Sorge, Marktverfälschungen zu minimieren, insbesondere die Erbringung von Diensten zu Preisen oder sonstigen Bedingungen, die von normalen wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichen, und berücksichtigen dabei die Wahrung des öffentlichen Interesses.“

3.        Art. 4 („Bereitstellung des Zugangs an einem festen Standort und Erbringung von Telefondiensten“) lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass allen zumutbaren Anträgen auf Anschluss an ein öffentliches Kommunikationsnetz an einem festen Standort von mindestens einem Unternehmen entsprochen wird.

(2)      Der bereitgestellte Anschluss muss Gespräche, Telefaxübertragungen und die Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglichen, die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen; zu berücksichtigen sind dabei die von der Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwendeten Technologien und die technische Durchführbarkeit.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass allen zumutbaren Anträgen auf Erbringung eines über den in Absatz 1 genannten Netzanschluss öffentlich zugänglichen Telefondienstes, der aus- und eingehende Inlands- und Auslandsgespräche ermöglicht, von mindestens einem Unternehmen entsprochen wird.“

4.        Art. 9 („Erschwinglichkeit der Tarife“) hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Die nationalen Regulierungsbehörden überwachen die Entwicklung und Höhe der Endnutzertarife der Dienste, die gemäß den Artikeln 4 bis 7 unter die Universaldienstverpflichtungen fallen und entweder von benannten Unternehmen erbracht werden oder auf dem Markt erbracht werden, falls keine Unternehmen für diese Dienste benannt sind, insbesondere im Verhältnis zu den nationalen Verbraucherpreisen und Einkommen.

(2)      Die Mitgliedstaaten können unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten verlangen, dass die benannten Unternehmen den Verbrauchern Tarifoptionen oder Tarifbündel anbieten, die von unter üblichen wirtschaftlichen Gegebenheiten gemachten Angeboten abweichen, insbesondere um sicherzustellen, dass einkommensschwache Personen oder Personen mit besonderen sozialen Bedürfnissen Zugang zu dem Netz gemäß Artikel 4 Absatz 1 haben oder die Dienste, die gemäß Artikel 4 Absatz 3 und den Artikeln 5, 6 und 7 unter die Universaldienstverpflichtungen fallen und von benannten Unternehmen erbracht werden, nutzen können.

(3)      Die Mitgliedstaaten können – über Vorschriften für die Bereitstellung besonderer Tarifoptionen durch die benannten Unternehmen oder zur Einhaltung von Preisobergrenzen oder der Anwendung geografischer Mittelwerte oder anderer ähnlicher Systeme hinaus – dafür Sorge tragen, dass diejenigen Verbraucher unterstützt werden, die über niedrige Einkommen verfügen oder besondere soziale Bedürfnisse haben.

…“

5.        Die Abs. 1 und 2 von Art. 13 („Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen“) sehen vor:

„(1)      Wenn die nationalen Regulierungsbehörden auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten nach Artikel 12 feststellen, dass ein Unternehmen unzumutbar belastet wird, beschließen die Mitgliedstaaten auf Antrag eines benannten Unternehmens,

a)      ein Verfahren einzuführen, mit dem das Unternehmen für die ermittelten Nettokosten unter transparenten Bedingungen aus öffentlichen Mitteln entschädigt wird, und/oder

b)      die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten aufzuteilen.

(2)      Wenn die Nettokosten gemäß Absatz 1 Buchstabe b) aufgeteilt werden, haben die Mitgliedstaaten ein Aufteilungsverfahren einzuführen, das von der nationalen Regulierungsbehörde oder einer Stelle verwaltet wird, die von den Begünstigten unabhängig ist und von der nationalen Regulierungsbehörde überwacht wird. Es dürfen nur die gemäß Artikel 12 ermittelten Nettokosten der in den Artikeln 3 bis 10 vorgesehenen Verpflichtungen finanziert werden.“

6.        Art. 32 („Zusätzliche Pflichtdienste“) leitet Kapitel V der Richtlinie („Allgemeine und Schlussbestimmungen“) ein und bestimmt: „Die Mitgliedstaaten können ‒ zusätzlich zu den Diensten im Rahmen der Universaldienstverpflichtungen nach Kapitel II ‒ nach eigenem Ermessen weitere Dienste in ihrem Hoheitsgebiet öffentlich zugänglich machen, ohne dass in einem solchen Fall jedoch ein Entschädigungsverfahren mit Beteiligung bestimmter Unternehmen vorgeschrieben werden darf.“

7.        Seiner Überschrift zufolge hat Anhang IV der Richtlinie die „Berechnung etwaiger Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen und [die] Schaffung eines Verfahrens zur Kostenanlastung oder Kostenteilung gemäß den Artikeln 12 und 13“ zum Gegenstand. Nach seinem Teil A („Berechnung der Nettokosten“) beziehen sich „Universaldienstverpflichtungen … auf diejenigen Verpflichtungen, die einem Unternehmen von einem Mitgliedstaat auferlegt werden und die Bereitstellung eines Netzes sowie die Erbringung von Diensten in einem bestimmten räumlichen Gebiet betreffen, gegebenenfalls einschließlich Durchschnittspreisen in diesem räumlichen Gebiet für die Erbringung des Dienstes oder einschließlich der Bereitstellung bestimmter Tarifoptionen für einkommensschwache Verbraucher oder für Verbraucher mit besonderen sozialen Bedürfnissen …“.

2.      Richtlinie 2002/21/EG(5)

8.        Art. 2 der Richtlinie 2002/21 enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„…

c)      ‚elektronische Kommunikationsdienste‘: gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben; nicht dazu gehören die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 98/34/EG, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen;

d)      ‚öffentliches Kommunikationsnetz‘: ein elektronisches Kommunikationsnetz, das ganz oder überwiegend der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste dient, die die Übertragung von Informationen zwischen Netzabschlusspunkten ermöglichen;

j)      ‚Universaldienst‘: ein in der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) definiertes Mindestangebot an Diensten von bestimmter Qualität, das allen Nutzern unabhängig von ihrem Standort und, gemessen an den landesspezifischen Bedingungen, zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung steht;

…“

B –    Nationales Recht

9.        Art. 74 der Wet van 13 juni 2005 betreffende de elektronische communicatie (Gesetz vom 13. Juni 2005 über die elektronische Kommunikation; im Folgenden: Gesetz über die elektronische Kommunikation) in seiner durch Art. 50 des Gesetzes vom 10. Juli 2012 geänderten Fassung bestimmt:

„(1) Die soziale Komponente des Universaldienstes besteht in der Bereitstellung von besonderen Tarifbedingungen an bestimmte Kategorien von Begünstigten seitens aller in den Absätzen 2 und 3 erwähnten Betreiber, die Verbrauchern einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst anbieten.

(2)      Betreiber, die Verbrauchern einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst anbieten und deren Umsatz im Bereich der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste über 50 Millionen EUR liegt, stellen die in Absatz 1 erwähnte soziale Komponente des Universaldienstes bereit.

(3)      Betreiber, die Verbrauchern einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst anbieten und deren Umsatz im Bereich der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste bei 50 Millionen EUR oder darunter liegt und die dem Institut ihre Absicht erklären, die in Absatz 1 erwähnte soziale Komponente des Universaldienstes in einem festen oder mobilen terrestrischen Netz oder in beiden Netzen bereitzustellen, stellen diese Komponente für eine Dauer von fünf Jahren bereit.

…“

10.      Art. 74/1 des Gesetzes über die elektronische Kommunikation, eingefügt durch Art. 51 des Gesetzes vom 10. Juli 2012, bestimmt:

„(1)      Wenn nach Auffassung des BIPT [Belgisches Institut für Post und Fernmeldewesen] die Bereitstellung der sozialen Komponente möglicherweise eine unzumutbare Belastung für einen Anbieter darstellt, verlangt es von jedem Anbieter von Sozialtarifen die Mitteilung der in Absatz 2 erwähnten Informationen und berechnet die Nettokosten.

(2)      Jeder Anbieter von Sozialtarifen teilt dem BIPT gemäß den aufgrund von Artikel 137 Absatz 2 festgelegten Modalitäten spätestens am 1. August des Kalenderjahres nach dem berücksichtigten Jahr den indexierten Betrag der Kostenschätzung des berücksichtigten Jahres mit, der nach der in der Anlage definierten Berechnungsmethode errechnet wird.

(3)      Das BIPT stellt für jeden betreffenden Anbieter das Vorliegen einer unzumutbaren Belastung fest, wenn die Bereitstellung der sozialen Komponente des Universaldienstes angesichts seiner Belastungsfähigkeit aufgrund aller ihm eigenen Merkmale, insbesondere des Stands seiner Ausrüstungen, seiner wirtschaftlichen und finanziellen Situation und seines Anteils am Markt der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste übermäßig ist.

(4)      Für Universaldienste in Bezug auf den Sozialtarif wird ein Fonds eingerichtet, aus dem die Anbieter von Sozialtarifen entschädigt werden, für die die Bereitstellung der sozialen Komponente des Universaldienstes eine unzumutbare Belastung darstellt und die zu diesem Zweck beim BIPT einen Antrag eingereicht haben. Die Entschädigung entspricht den Nettokosten, die vom Betreiber getragen werden, für den die Bereitstellung der sozialen Komponente des Universaldienstes eine unzumutbare Belastung darstellt. Der Fonds besitzt Rechtspersönlichkeit und wird vom BIPT verwaltet.

Der Fonds wird von den Beiträgen der Betreiber gespeist, die die soziale Komponente des Universaldienstes anbieten.

Die Beiträge werden im Verhältnis zu ihrem Umsatz im Bereich der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste errechnet.

Der berücksichtigte Umsatz entspricht dem Umsatz vor Steuern, der mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste auf dem nationalen Hoheitsgebiet gemäß Artikel 95 Absatz 2 erzielt wird.

Die Verwaltungskosten des Fonds setzen sich aus allen Kosten für den Betrieb des Fonds zusammen; dazu gehören Kosten, die mit der Bestimmung eines Kostenmodells einhergehen, das je nach Art des elektronischen Kommunikationsnetzes, über das die soziale Komponente des Universaldienstes bereitgestellt wird, auf einem fiktiven effizienten Betreiber beruht. Der König legt durch einen im Ministerrat beratenen Erlass den Höchstbetrag für die Verwaltungskosten des Fonds fest.

Die Verwaltungskosten des Fonds werden von den in Absatz 2 erwähnten Betreibern im Verhältnis zu ihrem in Absatz 3 erwähnten Umsatz getragen.

(5) Der König bestimmt nach Stellungnahme des BIPT durch einen im Ministerrat beratenen Erlass die Funktionsweise dieses Mechanismus.“

11.      Nach Art. 146 Abs. 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2012 wird Art. 51 dieses Gesetzes „wirksam mit 30. Juni 2005“.

II – Sachverhalt

12.      Die Vorlagefrage geht auf eine Klage auf Nichtigerklärung der Art. 50, 51 und 146 des Gesetzes über die elektronische Kommunikation in seiner nach den Urteilen des Gerichtshofs in den bereits angeführten Rechtssachen Kommission/Belgien und Base geänderten Fassung zurück, die die KPN Group Belgium NV (im Folgenden: KPN) und die Mobistar NV (im Folgenden: Mobistar) beim Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof) erhoben haben.

13.      Durch die angefochtenen Bestimmungen wird ein Mechanismus zur sektoriellen Finanzierung der Nettokosten des Angebots elektronischer Kommunikation mittels mobiler Kommunikationsdienste (Mobilfunk) und/oder Internetabonnements eingeführt, der aus Beiträgen der Betreiber der den Verbrauchern zugänglichen elektronischen Kommunikationsnetze und ‑dienste einschließlich des Mobilfunkdiensts und/oder Internetabonnements gespeist wird.

14.      Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, die angefochtenen Bestimmungen seien verfassungswidrig und – soweit es hier von Bedeutung ist – mit Art. 9 und 32 der Universaldienstrichtlinie unvereinbar.

III – Vorlagefragen

15.      Die am 2. Januar 2014 eingegangenen Vorlagefragen haben folgenden Wortlaut:

1.      Ist die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) – und insbesondere deren Art. 9 und 32 – dahin auszulegen, dass der Sozialtarif für die Universaldienste sowie der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Universaldienstrichtlinie vorgesehene Ausgleichsmechanismus nicht nur auf elektronische Kommunikation mittels eines Telefonanschlusses an ein öffentliches Kommunikationsnetz an einem festen Standort, sondern auch auf elektronische Kommunikation mittels mobiler Kommunikationsdienste und/oder Internetabonnements anwendbar ist?

2.       Ist Art. 9 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten erlaubt, besondere Tarifoptionen für andere als die in Art. 9 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie beschriebenen Dienste dem Universaldienst hinzuzufügen?

3.       Falls die erste und die zweite Frage verneinend beantwortet werden: Sind die betreffenden Bestimmungen der Universaldienstrichtlinie vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz, so wie er unter anderem in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      KPN und Mobistar, die belgische Regierung, das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich beteiligt und schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie alle sind in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2014 erschienen, in der sie vom Gerichtshof aufgefordert wurden, ihre Ausführungen auf die erste und die zweite Frage zu konzentrieren.

V –    Vorbringen

A –    Erste Frage

17.      KPN und Mobistar schlagen vor, die Frage zu verneinen, da die Universaldienstrichtlinie, wie sich aus ihren Art. 4 bis 7 ergebe, eine erschöpfende Liste der Dienste enthalte, bei denen die Auferlegung von Sozialtarifen in Betracht komme und zu denen weder die Mobilfunkdienste noch die Internetabonnements gehörten, so dass diese Dienstleistungen von den Universaldienstverpflichtungen und dem in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehenen Finanzierungsmechanismus ausgenommen seien.

18.      Die belgische Regierung ist hingegen der Ansicht, die Frage sei zu bejahen, da Art. 9 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie allgemeineren Charakter habe als Art. 9 Abs. 2 und die Mitgliedstaaten ermächtige, bestimmte Verbraucher zu unterstützen, so dass sich diese Unterstützung auf andere Dienste beziehen könne als die, die in der Richtlinie selbst genannt seien. Die belgische Regierung meint zudem, dass es Art. 32 der Universaldienstrichtlinie ermögliche, die Kosten der auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 vorgeschriebenen Dienste über Mechanismen zu entschädigen, an denen die Betreiber beteiligt seien.

B –    Zweite Frage

19.      Die Kommission schlägt vor, die erste und die zweite Frage gemeinsam dahin zu beantworten, dass die Universaldienstrichtlinie und insbesondere ihre Art. 3, 4, 9 und 13 dahin auszulegen sei, dass die Regeln über die Tarife und die Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen in den Art. 9 und 13 nicht auf Mobilfunkdienste, wohl aber auf Internetabonnements anwendbar seien, bei denen ein funktionaler Zugang zum Netz an einem festen Standort möglich ist.

20.      Andererseits vertritt die Kommission die Ansicht, Art. 32 der Richtlinie sei dahin auszulegen, dass die Mobilfunkdienste grundsätzlich als zusätzliche Dienste im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden könnten, weist aber auch darauf hin, dass er die Anwendung der in den Art. 9 und 13 vorgesehenen Regeln über die Tarife und die Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen sowie die Einführung eines Entschädigungsverfahrens unter Beteiligung bestimmter Unternehmen untersage. Insoweit macht die Kommission darauf aufmerksam, dass sich aus Art. 4 der Universaldienstrichtlinie zwar ergebe, dass die Telefondienste unter den Begriff „öffentliches Kommunikationsnetz“ fielen, dieser Artikel aber ausschließlich den Zugang und den Anschluss an einem festen Standort betreffe und Mobilfunkdienste daher ausgeschlossen seien.

21.      Zu den Tarifregeln in Art. 9 der Richtlinie führt die Kommission zum einen aus, diese Bestimmung nehme keinen Bezug auf die Tarife für die in den Art. 4 bis 7 der Richtlinie definierten Dienste, und zum anderen, dass die Art. 5, 6 und 7 der Richtlinie im Rahmen der Prüfung des Falles nicht einschlägig seien. Folglich seien die Regeln des zitierten Art. 9 auf Mobilfunkdienste nicht anwendbar.

22.      Die Kommission meint, Art. 9 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie erlaube es nicht, die Reichweite des Universaldienstes, wie sie sich aus den Art. 4 bis 7 ergebe, auszudehnen. Darüber hinaus lasse sich keine Bestimmung der Richtlinie dahin auslegen, dass die in Kapitel II für den Bereich der Tarife und der Finanzierung aufgestellten Regeln auf Mobilfunkdienste anzuwenden seien. Hingegen sei in Übereinstimmung mit Art. 4 der Richtlinie davon auszugehen, dass die Internetdienste im Hinblick auf die Anschlüsse, die einen funktionalen Netzzugang ermöglichten, vom Universaldienst des Kapitels II erfasst seien, so dass die übrigen Bestimmungen des Kapitels II der Richtlinie sowie ihre Art. 9 und 13 auch auf Internetdienste anzuwenden seien.

23.      Da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Mobilfunkdienste unter die Kategorie des „Universaldienstes“ im Sinne des Kapitels II der Richtlinie fielen, müsse festgestellt werden, ob sie als zusätzliche Dienste im Sinne von Art. 32 der Universaldienstrichtlinie eingestuft werden könnten. Da die Richtlinie insoweit keine Regelung enthalte, stehe es den Mitgliedstaaten frei, sie als solche einzustufen.

24.      KPN und Mobistar führen aus, Art. 9 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie ermächtige die Mitgliedstaaten nicht, besondere Tarifoptionen für andere als die in Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie beschriebenen Dienste hinzuzufügen.

25.      Die belgische Regierung ist der Ansicht, Art. 9 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie sei dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten ermächtige, dem Universaldienst besondere Tarifoptionen für andere als die in Abs. 2 dieser Bestimmung definierten Dienste hinzuzufügen.

C –    Dritte Frage

26.      KPN und Mobistar schlagen vor, die Frage dahin zu beantworten, dass die Universaldienstrichtlinie und insbesondere ihre Art. 9, 13 und 32 mit Art. 20 der Charta vereinbar seien, und führen insoweit aus, die unterschiedliche Behandlung der Bereitstellung von Telefondiensten im Festnetz und in den Mobilfunkdiensten gehe darauf zurück, dass die unzumutbaren Belastungen aufgrund der Verpflichtung zur Bereitstellung von Telefondiensten über die allgemeine Besteuerung oder einen sektoriellen Finanzierungsmechanismus ausgeglichen werden könnten, während die Entschädigung wegen der Belastungen durch Mobilfunkdienste und/oder Internetabonnements nur aus öffentlichen Mitteln erfolgen könne. Da dieser Unterschied nur begrenzt sei, fragen sich KPN und Mobistar, ob tatsächlich eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 20 der Charta vorliegt, und kommen zu dem Ergebnis, dass anders als bei den Telefondiensten im Festnetz im Zusammenhang mit dem Zugang zu Mobilfunkdiensten nicht von sozialer Ausgrenzung und damit auch nicht von der Notwendigkeit einer Universaldienstverpflichtung die Rede sein könne. Daneben vertreten sie die Ansicht, dass der Mechanismus zur sektoriellen Finanzierung der Sozialtarife für die Bereitstellung von Internetabonnements eine schwere Belastung für die Betreiber darstelle und sich negativ auf das Funktionieren des Binnenmarkts und die Verbraucher auswirke.

27.      Die belgische Regierung ist der Ansicht, bei einer Verneinung der beiden vorhergehenden Fragen (die nach ihrer Auffassung das System der Finanzierung der mit den Sozialtarifen verbundenen Kosten gefährden und den Verbrauchern, zu deren Gunsten die soziale Komponente des Universaldienstes auf Mobilfunkdienste und/oder Internetabonnements ausgedehnt werde, den Vorteil der Sozialtarife nehmen würde) müsse die dritte Frage dahin beantwortet werden, dass die Universaldienstrichtlinie gegen Art. 20 der Charta verstoße. Sie führt hierzu aus, die Richtlinie sei nach ihrem Art. 3 und ihrem 25. Erwägungsgrund dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten ermächtige, nach Maßgabe der nationalen Gegebenheiten und unter Beachtung der Technologieneutralität festzulegen, welche Dienste mittels Sozialtarifen mit einem Mechanismus zur Finanzierung der Nettokosten, wie ihn Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorsehe, bereitzustellen seien.

28.      Die Kommission bezweifelt die Zulässigkeit der dritten Frage, da das vorlegende Gericht weder die Bestimmungen der Universaldienstrichtlinie, die vermeintlich mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar seien, noch die Gründe für diese Unvereinbarkeit angegeben habe, und sich dem Vorlagebeschluss nicht entnehmen lasse, dass ein möglicher Verstoß gegen diesen Grundsatz Folgen für die Parteien des Ausgangsverfahrens haben könnte.

29.      Das Europäische Parlament hat seine Ausführungen auf die Prüfung der dritten Frage beschränkt und sich aus denselben Gründen, wie sie die Kommission bereits dargelegt hat, auf ihre Unzulässigkeit berufen. In der Sache vertritt es die Ansicht, dass die Betreiber, die einen Sozialtarif für Mobilfunkdienste und/oder Internetabonnements anbieten müssten, nicht schlechter gestellt seien als die, die diesen Tarif für Telefondienste an einem festen Standort anbieten müssten. Das Europäische Parlament ist der Ansicht, der einzige Unterschied hinsichtlich der Behandlung der Bereitstellung dieser Dienste betreffe die Art und Weise, in der die Entschädigung für die durch sie entstandenen Nettokosten erfolgen könne.

30.      Andererseits ist das Europäische Parlament der Auffassung, dass die Nettokosten, die mit den zusätzlichen Pflichtdiensten im Sinne von Art. 32 der Richtlinie zusammenhingen, nur aus öffentlichen Mitteln finanziert werden könnten, nicht aber durch von spezifischen Betreibern getragene Entschädigungszahlungen.

31.      Hilfsweise führt das Europäische Parlament aus, dass sich die Betreiber von Telefondiensten im Festnetz und die Betreiber von Mobilfunkdiensten nicht in einer vergleichbaren Lage befänden, denn nur der von Ersteren erbrachte Dienst erfülle die Kriterien des Universaldienstes. Sollte ein Unterschied bestehen, sei er jedenfalls objektiv gerechtfertigt, denn die Entscheidung, die Mobilfunkdienste und/oder Internetabonnements nicht einzuschließen, beruhe auf der Anwendung objektiver Kriterien, die sich unmittelbar aus der Notwendigkeit ergäben, einen Ausgleich zwischen zwei Zielen herzustellen, nämlich dem Schutz der Verbraucher vor sozialer Ausgrenzung und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Betreibern.

32.      Der Rat schließlich ist wie die Kommission und das Europäische Parlament und aus denselben Gründen der Meinung, dass die dritte Frage, auf die auch er seine schriftlichen Erklärungen beschränkt, unzulässig sei.

33.      Er ist der Auffassung, die Universaldienstrichtlinie stelle hinsichtlich der Finanzierung der Bereitstellung der in Art. 32 vorgesehenen zusätzlichen Pflichtdienste ein ausdrückliches Verbot auf, wenn sie bestimme, dass eine Finanzierung unter Beteiligung der Betreiber nicht vorgeschrieben werden dürfe. Die Mitgliedstaaten könnten seiner Ansicht nach entscheiden, dass zusätzliche Pflichtdienste mittels Sozialtarifen angeboten werden müssten, sofern die spezifischen Anforderungen der Richtlinie und der Gleichheitsgrundsatz beachtet würden. Die Behandlung der Unternehmen, die Universaldienstverpflichtungen übernähmen, die über den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b vorgesehenen Mechanismus finanziert würden, sei nicht mit der von Unternehmen vergleichbar, die Verpflichtungen im Zusammenhang mit zusätzlichen Pflichtdiensten übernähmen, für die ein derartiger Mechanismus untersagt sei.

34.      Darüber hinaus weist der Rat darauf hin, dass die Betreiber zu dem in der belgischen Regelung vorgesehenen Fonds, aus dem die Entschädigung für die unzumutbare Belastung im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Mobilfunkdiensten und/oder Internetabonnements geleistet werde, beitragen müssten, obwohl sich aus diesen Bestimmungen ergebe, dass diese Dienste unter die Kategorie der zusätzlichen Pflichtdienste im Sinne der Universaldienstrichtlinie fielen. Allerdings sei diese Kostenteilung nur auf den Universaldienst anwendbar, also auf das in Kapitel II der Richtlinie definierte Mindestangebot an Diensten, das weder die Mobilfunkdienste noch die Internetabonnements umfasse, mit Ausnahme derjenigen, die sich auf den funktionalen Internetzugang an einem festen Standort beziehen.

VI – Würdigung

35.      Kurz gesagt fragt das vorlegende Gericht, ob die nach den Urteilen des Gerichtshofs in den Rechtssachen Base und Kommission/Belgien ergangene belgische Regelung mit der Universaldienstrichtlinie vereinbar ist, soweit sie Mobilfunkdienste und elektronische Kommunikationsdienste (Internet) unter die Kategorie des Universaldienstes fasst.

36.      Die Zweifel des belgischen Gerichts gehen letztendlich dahin, ob 1. der Sozialtarif des Universaldienstes – und das entsprechende Entschädigungsverfahren – auf den Mobilfunk und Internetabonnements anwendbar ist, 2. die Mitgliedstaaten die Regelung über besondere Tarifoptionen auf diese Kommunikationsarten anwenden können und 3., wenn Vorstehendes nicht möglich ist, die Universaldienstrichtlinie wegen eines Verstoßes gegen Art. 20 der Charta unwirksam ist.

A –    Einleitende Überlegungen zum System der Universaldienstrichtlinie

37.      Durch die Universaldienstrichtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass alle Endnutzer zu einem erschwinglichen Preis Zugang zum öffentlichen Kommunikationsnetz an einem festen Standort und zu Telefondiensten haben (Art. 3 Abs. 1). Die Mitgliedstaaten stellen hierzu sicher, dass allen zumutbaren Anträgen auf Anschluss an das öffentliche Netz und auf Zugang zu öffentlichen Telefondiensten von mindestens einem Unternehmen entsprochen wird (Art. 4 Abs. 1).

38.      Ebenso regelt die Richtlinie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, andere Dienste sicherzustellen, nämlich: Auskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse (Art. 5), öffentliche Münz- und Kartentelefone (Art. 6) sowie Maßnahmen für behinderte Nutzer (Art. 7).

39.      Alle diese Dienste fallen unter den sogenannten „Universaldienst“. Nach der Richtlinie können die Mitgliedstaaten die zu Erbringung des „Universaldienstes“ benannten Unternehmen (Art. 8) verpflichten, aus sozialen Gründen besondere Tarife für bestimmte Verbraucher anzubieten („Sozialtarif“) (Art. 9).

40.      Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten für den Fall, dass die Bereitstellung des „Universaldienstes“ eine unzumutbare Belastung für die zu seiner Erbringung verpflichteten Unternehmen darstellt, entweder, ein Verfahren zur Entschädigung aus öffentlichen Mitteln vorzusehen, oder die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten aufzuteilen (Art. 12).

41.      Neben dem „Universaldienst“ im eigentlichen Sinne können die Mitgliedstaaten die sogenannten „zusätzlichen Pflichtdienste“ vorschreiben, ohne dass in einem solchen Fall jedoch ein Entschädigungsverfahren mit Beteiligung bestimmter Unternehmen vorgesehen werden darf (Art. 32). Abseits dieser Vorschrift sagt die Richtlinie nichts zur Entschädigung für diese zusätzlichen Dienste; es scheint jedoch klar zu sein, dass sie entschädigt werden können, denn die Richtlinie steht dem nicht entgegen und beschränkt sich darauf, eine konkrete Entschädigungsregelung auszuschließen.

42.      Die Frage, die sich im vorliegenden Verfahren stellt, geht dahin, ob der Sozialtarif (und das entsprechende Entschädigungsverfahren) auf Mobilfunkkommunikation und Internetabonnements anwendbar ist, entweder, weil die Richtlinie dies vorschreibt (erste Frage) oder weil die Mitgliedstaaten dies entscheiden können (zweite Frage). Sollte die Frage in beiden Fällen verneint werden, wird gefragt, ob die Richtlinie gegen Art. 20 der Charta verstößt (dritte Frage).

B –    Erste und zweite Frage

43.      Der Grondwettelijk Hof fragt zunächst, ob die Art. 9 und 32 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen sind, dass der Sozialtarif für die Universaldienste sowie der Ausgleichsmechanismus nicht nur auf elektronische Kommunikation mittels eines Telefonanschlusses an ein öffentliches Kommunikationsnetz an einem festen Standort, sondern auch auf elektronische Kommunikation mittels mobiler Kommunikationsdienste und/oder Internetabonnements anwendbar ist.

44.      Die Frage, die das vorlegende Gericht aufgeworfen hat, lässt sich meiner Ansicht nach einfacher formulieren, denn ihr liegt eine Grundsatzfrage zugrunde: ob Mobilfunk und Internetabonnements Dienste darstellen, die unter die „Universaldienste“ im Sinne der Richtlinie fallen. Davon hängt es ab, ob sie Gegenstand des „Sozialtarifs“ und folglich Grundlage für die Entschädigung sein können, für die die Richtlinie ein Verfahren vorsieht.

45.      Um feststellen zu können, ob Mobilfunk und Internetabonnements vom Begriff „Universaldienst“ erfasst sind, müssen beide Kommunikationssysteme in Anbetracht ihrer unterschiedlichen Techniken getrennt behandelt werden.

1.      Mobilfunk

46.      Was den Mobilfunk anbelangt, scheint klar zu sein, dass er nicht unter den Begriff „Universaldienst“ im Sinne der Richtlinie fällt. Im Rahmen der Dienste, die unter diesen Begriff fallen, nennt sie ausschließlich den „Anschluss an das öffentliche Telefonnetz an einem festen Standort“ (Art. 4 Abs. 1)(6), was den Mobilfunk definitionsgemäß eindeutig ausschließt(7).

47.      Wenn die Richtlinie den Mobilfunk nicht als integrierenden Bestandteil des „Universaldienstes“ regelt, stellt sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten ihn unter diesen Begriff fassen können. Diejenigen, die sich für diese Möglichkeit aussprechen, stützen sich auf den Wortlaut von Art. 9 der Richtlinie. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung können „[d]ie Mitgliedstaaten … unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten verlangen, dass die benannten Unternehmen den Verbrauchern Tarifoptionen oder Tarifbündel anbieten, die von unter üblichen wirtschaftlichen Gegebenheiten gemachten Angeboten abweichen, insbesondere um sicherzustellen, dass einkommensschwache Personen oder Personen mit besonderen sozialen Bedürfnissen Zugang zu dem Netz gemäß Artikel 4 Absatz 1 haben oder die Dienste, die gemäß Artikel 4 Absatz 3 und den Artikeln 5, 6 und 7 unter die Universaldienstverpflichtungen fallen und von benannten Unternehmen erbracht werden, nutzen können“.

48.      Art. 9 Abs. 3 bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … über Vorschriften für die Bereitstellung besonderer Tarifoptionen durch die benannten Unternehmen oder zur Einhaltung von Preisobergrenzen oder der Anwendung geografischer Mittelwerte oder anderer ähnlicher Systeme hinaus dafür Sorge tragen, dass diejenigen Verbraucher unterstützt werden, die über niedrige Einkommen verfügen oder besondere soziale Bedürfnisse haben“.

49.      Beiden Bestimmungen lässt sich entnehmen, dass die Richtlinie die Möglichkeit, reduzierte Tarife vorzuschreiben, nur zulässt, um bestimmte Dienste sicherzustellen, und zwar genau die, die den durch die Richtlinie selbst definierten „Universaldienst“ darstellen, zu denen nach den vorstehenden Ausführungen der Mobilfunk nicht zählt.

50.      Die Richtlinie gestattet es den Mitgliedstaaten zwar, „zusätzliche Pflichtdienste“ (Art. 32) hinzuzufügen, nicht aber, die Liste der Dienste, die die Richtlinie als Inhalt des „Universaldienstes“ vorschreibt, zu erweitern (oder zu reduzieren).

51.      Folglich kann das Königreich Belgien Mobilfunkbetreibern zwar „zusätzliche Pflichtdienste“ vorschreiben, aber es kann diese Dienste nicht unter die Kategorie des „Universaldienstes“ fassen. Als Anbieter eines „zusätzlichen Pflichtdienstes“ hätten dessen Betreiber zwar gegebenenfalls Anspruch auf eine Entschädigung, aber nicht auf die, die in dem in Art. 13 der Richtlinie vorgesehenen Verfahren festgelegt wird (der die Möglichkeit der Entschädigung auf Kosten der Betreiber von Kommunikationsdiensten vorsieht), sondern auf die, die mittels der Verfahren ohne Beteiligung bestimmter Unternehmen festgelegt wird(8). 

2.      Das Internetabonnement

52.      Bezüglich des Internetabonnements stellen sich die Dinge meiner Ansicht nach eher anders dar.

53.      Im Rahmen der Dienste, die unter die „Universaldienste“ fallen, bezieht sich Art. 4 auf den „Anschluss an ein öffentliches Kommunikationsnetz an einem festen Standort“ (Abs. 1) und stellt klar, dass dieser Anschluss „Gespräch, Telefaxübertragungen und die Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglichen [muss], die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen“ (Abs. 2).

54.      Folglich fallen Internetabonnements unter den Begriff „Universaldienst“ der Richtlinie, so dass der „Sozialtarif“ (Art. 9), der nach dem in Art. 13 der Richtlinie vorgesehenen Verfahren ausgeglichen werden kann, anwendbar ist. Offenkundig gilt dies aber nur für Internetabonnements mit Zugang an einen festen Standort, während die Abonnements mit Zugang über einen Mobilfunkanschluss ausgeschlossen sind. Letztere können, wie es beim Mobilfunk im Allgemeinen der Fall ist, von den Mitgliedstaaten als „zusätzliche Pflichtdienste“ vorgeschrieben werden, aber nicht in die Kategorie des „Universaldienstes“ aufgenommen werden. Ihre Entschädigung kann letztendlich nicht im Wege des in der Richtlinie für die Universaldienste vorgesehenen Verfahrens geregelt werden.

55.      Als erstes Zwischenergebnis schlage ich daher vor, die ersten beiden Fragen dahin zu beantworten, dass die Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Mobilfunkdienste nicht zum „Universaldienst“ gehören und daher weder der Sozialtarif für den Universaldienst noch der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Ausgleichsmechanismus auf sie anwendbar sind. Nur Internetabonnements mit Zugang an einem festen Standort gehören zum „Universaldienst“ im Sinne der Universaldienstrichtlinie, während mobile Internetabonnements nicht unter diesen Begriff fallen. Demnach können die Mitgliedstaaten der Liste der „Universaldienste“ im Sinne der Universaldienstrichtlinie keine neuen Dienste hinzufügen. Allerdings können sie Mobilfunkdienste und mobile Internetabonnements als „zusätzliche Pflichtdienste“ vorschreiben. In diesem Fall muss die Entschädigung im Wege eines anderen als dem in der Universaldienstrichtlinie vorgesehenen Verfahren erfolgen, für das insbesondere nicht die Beteiligung bestimmter Unternehmen vorgeschrieben werden darf.

C –    Dritte Frage

56.      Meiner Ansicht nach ist die dritte Frage aus den vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission angeführten Gründen unzulässig.

57.      Konkret fragt das vorlegende Gericht, ob „die betreffenden Bestimmungen der Universaldienstrichtlinie … mit dem Gleichheitsgrundsatz, so wie er unter anderem in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist“, vereinbar sind.

58.      Angesichts des Fehlens jeglicher Argumente des vorlegenden Gerichts wäre es sehr risikoreich, sich auf eine Prüfung der Frage aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes einzulassen. Die Kommission hat dies versucht und ist dabei von der Annahme ausgegangen, dass sich die Kläger des Ausgangsverfahrens als Opfer einer Diskriminierung sehen, da sie aufgrund der nationalen Regelung eine Belastung treffe, die mit der Universaldienstrichtlinie unvereinbar sei. Wäre dies der Fall, wäre die Fragestellung abwegig, denn das Problem läge nicht in der Richtlinie, sondern in der nationalen Regelung.

59.      Das Europäische Parlament und der Rat beantworten die Frage wiederum, indem sie eine Gleichheitsbeurteilung der Richtlinie ausgehend von der Prüfung der Unterschiede zwischen den unter den Begriff „Universaldienst“ fallenden Diensten einerseits und den von dieser Kategorie ausgeschlossenen Diensten andererseits vornehmen. Auf diese Weise nehmen sie die einzige Beurteilung vor, der die Richtlinie in Ermangelung konkreter Argumente unterzogen werden kann, nämlich eine abstrakte Beurteilung.

60.      Ich bin der Ansicht, dass die Infragestellung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Norm – denn nichts anderes bedeutet die dritte Frage, die das vorlegende Gericht gestellt hat – unzulässig ist, wenn sie nicht wenigstens ansatzweise begründet ist, so dass im vorliegenden Fall nicht einmal ihre hilfsweise Beantwortung gerechtfertigt wäre. Dies ganz einfach, weil angesichts der vorstehenden Ausführungen meine Meinung hierzu nur auf der Grundlage bloßer Annahmen begründet werden oder in eine abstrakte, von den konkreten Umständen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Frage losgelöste Prüfung abgleiten könnte.

61.      Als letztes Mittel könnte, um eine hilfsweise Antwort dennoch rechtfertigen zu können, die Frage aus der Perspektive der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Rechtssachen Kommission/Belgien und Base geprüft werden, da die in beiden Rechtssachen ergangenen Urteile der im Ausgangsverfahren angefochtenen nationalen Regelung zugrunde liegen und sich in ihnen gerade ein Problem der Gleichbehandlung stellte.

62.      Allerdings betraf die damals vom Gerichtshof festgestellte Diskriminierung die unterschiedslose Behandlung der eine Entschädigung für die Bereitstellung des Universaldienstes begehrenden Betreiber durch die belgische Regelung. Der Gerichtshof entschied damals, dass die Feststellung einer unzumutbaren Belastung einzelfallbezogen erfolgen müsse und eine allgemeine und undifferenzierte Behandlung der verschiedenen Tatbestände diskriminierend sei. Dieses Problem weist offenkundig keinen Bezug zu demjenigen auf, um das es im vorliegenden Verfahren geht.

63.      Zusammenfassend erscheint es unter keinem Gesichtspunkt angezeigt, der Kammer eine Antwort auf die dritte Frage vorzuschlagen.

VII – Ergebnis

64.      Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

1.      Die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass Mobilfunkdienste nicht zum „Universaldienst“ gehören und daher weder der Sozialtarif für den Universaldienst noch der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Ausgleichsmechanismus auf sie anwendbar sind. Nur Internetabonnements mit Zugang an einem festen Standort gehören zum „Universaldienst“ im Sinne der Universaldienstrichtlinie, während mobile Internetabonnements nicht unter diesen Begriff fallen.

2.      Die Mitgliedstaaten können der Liste der „Universaldienste“ im Sinne der Universaldienstrichtlinie keine neuen Dienste hinzufügen. Die Mitgliedstaaten können Mobilfunkdienste und mobile Internetabonnements als „zusätzliche Pflichtdienste“ vorschreiben. In diesem Fall muss die Entschädigung im Wege eines anderen als des in der Universaldienstrichtlinie vorgesehenen Verfahrens erfolgen, für das insbesondere nicht die Beteiligung bestimmter Unternehmen vorgeschrieben werden darf.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 –      C‑222/08, EU:C:2010:583.


3 –      C‑389/08, EU:C:2010:584.


4 – Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (ABl. L 108, S. 51) in ihrer durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337, S. 11) geänderten Fassung.


5 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33), geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337, S. 37).


6 – Hervorhebung nur hier.


7 – Genauso klar heißt es im achten Erwägungsgrund der Richtlinie: „Eine grundlegende Anforderung an den Universaldienst besteht darin, den Nutzern auf Antrag einen Anschluss an das öffentliche Telefonnetz an einem festen Standort zu einem erschwinglichen Preis bereitzustellen.“


8 – Vgl. hierzu Urteil Kommission/Belgien (C‑222/08, EU:C:2010:583, Rn. 46).