Language of document : ECLI:EU:C:2015:480

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

16. Juli 2015(*)

„Richtlinie 2000/43/EG – Grundsatz der Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – Stadtviertel, in denen überwiegend Personen mit Roma-Herkunft wohnen – Anbringung von Stromzählern in einer Höhe von sechs bis sieben Metern an den Betonmasten des Freileitungsnetzes – Begriff der ‚unmittelbaren Diskriminierung‘ und der ‚mittelbaren Diskriminierung‘ – Beweislast – Etwaige Rechtfertigung – Verhinderung von Manipulationen an den Stromzählern und von illegalen Stromentnahmen – Verhältnismäßigkeit – Allgemeiner Charakter der Maßnahme – Beleidigende und stigmatisierende Wirkung der Maßnahme – Richtlinien 2006/32/EG und 2009/72/EG – Unmöglichkeit für den Endverbraucher, seinen Stromverbrauch zu kontrollieren“

In der Rechtssache C‑83/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 5. Februar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 2014, in dem Verfahren

CHEZ Razpredelenie Bulgaria AD

gegen

Komisia za zashtita ot diskriminatsia,

Beteiligte:

Anelia Nikolova,

Darzhavna Komisia po energiyno i vodno regulirane

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und S. Rodin, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Richter A. Rosas, E. Juhász, J. Malenovský und D. Šváby, der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und C. Lycourgos,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der CHEZ Razpredelenie Bulgaria AD, vertreten durch A. Ganev, V. Bozhilov und A. Dzhingov, avocats,

–        der Komisia za zashtita ot diskriminatsia, vertreten durch A. Strashimirova als Bevollmächtigte,

–        von Frau Nikolova, vertreten durch S. Cox, Barrister, sowie durch M. Ferschtman und Y. Grozev, avocats,

–        der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und D. Drambozova als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und D. Roussanov als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. März 2015

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 und 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22) sowie von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem die CHEZ Razpredelenie Bulgaria AD (im Folgenden: CHEZ RB) die Nichtigerklärung einer Entscheidung der Komisia za zashtita ot dikriminatsia (Kommission für den Schutz vor Diskriminierung, im Folgenden: KZD) begehrt, mit der diese CHEZ RB verpflichtet hat, Frau Nikolova nicht mehr zu diskriminieren und sich für die Zukunft solcher diskriminierender Praktiken zu enthalten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2000/43

3        Die Erwägungsgründe 2, 3, 9, 12, 13, 15, 16 und 28 der Richtlinie 2000/43 lauten:

„(2)      Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind den Mitgliedstaaten gemeinsam. Nach Artikel 6 EU-Vertrag sollte die Union ferner die Grundrechte, wie sie in der [am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten] Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben, achten.

(3)      Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein allgemeines Menschenrecht. Dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche und politische Rechte sowie im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten anerkannt, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden.

(9)      Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Solidarität. Ferner kann das Ziel der Weiterentwicklung der Europäischen Union zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beeinträchtigt werden.

(12)      Um die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – eine Teilhabe ermöglichen, sollten spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft über die Gewährleistung des Zugangs zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit hinausgehen und auch Aspekte wie Bildung, Sozialschutz, einschließlich sozialer Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, mit abdecken.

(13)      Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. …

(15)      Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten. In diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen sein, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.

(16)      Es ist wichtig, alle natürlichen Personen gegen Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu schützen. Die Mitgliedstaaten sollten auch, soweit es angemessen ist und im Einklang mit ihren nationalen Gepflogenheiten und Verfahren steht, den Schutz juristischer Personen vorsehen, wenn diese aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft ihrer Mitglieder Diskriminierungen erleiden.

(28)      … das Ziel dieser Richtlinie, nämlich ein einheitliches, hohes Niveau des Schutzes vor Diskriminierungen in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, [kann] auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden …“

4        Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/43 ist der Zweck dieser Richtlinie „die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

5        Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.

(2)      Im Sinne von Absatz 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3)      Unerwünschte Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft einer Person stehen und bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, sind Belästigungen, die als Diskriminierung im Sinne von Absatz 1 gelten. …

…“

6        Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie sieht vor:

„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen … in Bezug auf:

h)      den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.“

7        Art. 6 („Mindestanforderungen“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 bestimmt:

„Es bleibt den Mitgliedstaaten unbenommen, Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.“

8        Art. 8 („Beweislast“) Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.“

 Richtlinie 2006/32/EG

9        Der 29. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen und zur Aufhebung der Richtlinie 93/76/EWG des Rates (ABl. L 114, S. 64) lautete:

„Damit die Endverbraucher besser fundierte Entscheidungen in Bezug auf ihren individuellen Energieverbrauch treffen können, sollten sie mit ausreichenden Informationen über diesen Verbrauch und mit weiteren zweckdienlichen Informationen versorgt werden … Die Verbraucher sollten zusätzlich aktiv ermutigt werden, ihre Zählerstände regelmäßig zu überprüfen.“

10      Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/32 sah vor:

„Soweit es technisch machbar, finanziell vertretbar und im Vergleich zu den potenziellen Energieeinsparungen angemessen ist, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Endkunden in den Bereichen Strom … individuelle Zähler zu wettbewerbsorientierten Preisen erhalten, die den tatsächlichen Energieverbrauch des Endkunden und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln.“

 Richtlinie 2009/72/EG

11      Art. 3 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. L 211, S. 55) bestimmt:

„(3)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass alle Haushalts-Kunden … in ihrem Hoheitsgebiet über eine Grundversorgung verfügen, also das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu angemessenen, leicht und eindeutig vergleichbaren und transparenten und nichtdiskriminierenden Preisen haben. …

(7)      Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden … Zumindest im Fall der Haushalts-Kunden schließen solche Maßnahmen die in Anhang I aufgeführten Maßnahmen ein.“

12      Anhang I Abs. 1 Buchst. h und i der Richtlinie 2009/72 lautet:

„(1)      … mit den in Artikel 3 genannten Maßnahmen [soll] sichergestellt werden, dass die Kunden

h)      über ihre Verbrauchsdaten verfügen können …

i)      häufig genug in angemessener Form über ihren tatsächlichen Stromverbrauch und ihre Stromkosten informiert werden, um ihren eigenen Stromverbrauch regulieren zu können. …“

 Bulgarisches Recht

 Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung

13      Art. 4 des Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung (Zakon za zashtita ot diskriminatsia, im Folgenden: ZZD) sieht vor:

„(1)      Verboten ist jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen … der Rasse, der Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit, … der persönlichen … Verhältnisse …

(2)      Eine unmittelbare Diskriminierung liegt immer dann vor, wenn eine Person aufgrund von Eigenschaften nach Abs. 1 weniger günstig behandelt wird, als eine andere Person unter vergleichbaren oder ähnlichen Umständen behandelt wird, behandelt wurde oder behandelt würde.

(3)      Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund von Eigenschaften nach Abs. 1 durch dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren in eine im Vergleich zu anderen Personen weniger günstige Lage versetzt wird, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind im Hinblick auf ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich.“

14      In § 1 Ziff. 7 bis 9 der Ergänzungsvorschriften zum ZZD heißt es:

„Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

7.      ‚ungünstige Behandlung‘: jeder Akt, jede Handlung und jede Unterlassung, der/die Rechte oder legitime Interessen unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt;

8.      ‚aufgrund der Eigenschaften nach Art. 4 Abs. 1‘: aufgrund des tatsächlichen gegenwärtigen oder vergangenen oder des vermuteten Vorliegens einer oder mehrerer dieser Eigenschaften bei der diskriminierten Person oder bei einer Person, mit der sie verbunden ist oder bezüglich deren anzunehmen ist, dass sie mit ihr verbunden ist, wenn diese Verbindung Grund für die Diskriminierung ist;

9.      ‚verbundene Personen‘: … Personen, die aus anderen Gründen als von der diskriminierten Person unmittelbar oder mittelbar abhängig anzusehen sind, sofern diese Verbindung die Ursache für die Diskriminierung ist; …“

15      Art. 40 Abs. 1 und 2 ZZD sieht vor:

„(1)      Die [KZD] ist eine spezialisierte und unabhängige staatliche Stelle zur Verhinderung von und zum Schutz vor Diskriminierungen sowie zur Gewährleistung der Chancengleichheit.

(2)      Die KZD überwacht die Anwendung und die Einhaltung des vorliegenden Gesetzes …“

 Energiegesetz

16      In Art. 10 des Energiegesetzes (Zakon za energetikata, im Folgenden: ZE) heißt es, dass „[f]ür die Regelung der Tätigkeiten im Energiebereich die Darzhavna Komisia za energiyno i vodno regulirane [Nationale Regulierungskommission für Energie und Wasser] … als spezialisierte und unabhängige staatliche Stelle … zuständig ist“.

17      Art. 104a Abs. 4 ZE bestimmt:

„Die veröffentlichten allgemeinen Bedingungen gelten für den Endkunden auch ohne ausdrückliche schriftliche Anerkennung.“

18      Art. 120 Abs. 1 und 3 ZE sieht vor:

„(1)      Die dem Endkunden gelieferte elektrische Energie wird mit Mitteln zur kommerziellen Messung abgelesen, die im Eigentum des Betreibers des Netzes für den Transport und die Verteilung elektrischer Energie stehen …

(3)      Der Betreiber des Netzes für den Transport und die Verteilung elektrischer Energie bestimmt Art, Anzahl und Standort der Messgeräte und ‑einrichtungen …“

 Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von CHEZ RB

19      In Art. 27 der von der Darzhavna Komisia po energiyno i vodno regulirane genehmigten Allgemeinen Geschäftsbedingungen von CHEZ RB heißt es:

„(1)      Die Mittel zur kommerziellen Messung … werden derart angebracht, dass dem Kunden eine Sichtkontrolle der angezeigten Werte möglich ist.

(2)      Werden die Mittel zur kommerziellen Messung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bürger, des Eigentums, der Qualität der elektrischen Energie, der kontinuierlichen Energieversorgung, der Sicherheit und der Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems an schwer zugänglichen Orten angebracht, ist das Stromversorgungsunternehmen verpflichtet, auf seine Kosten sicherzustellen, dass auf einen entsprechenden schriftlichen Antrag eines Verbrauchers hin eine Sichtkontrolle innerhalb von drei Tagen möglich ist.“

20      Zu dieser Möglichkeit einer Sichtkontrolle sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von CHEZ RB vor, dass diese Gesellschaft ein mit einer Hebebühne ausgerüstetes Fahrzeug entsendet, mittels dessen Mitarbeiter von CHEZ RB die hoch angebrachten Stromzähler ablesen und diese Angaben dem Kunden mitteilen können. Außerdem steht es dem Kunden frei, in seiner Wohnung einen zweiten, sogenannten „Kontrollzähler“ kostenpflichtig installieren zu lassen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

21      Frau Nikolova betreibt als Einzelkauffrau ein Lebensmittelgeschäft in der Stadt Dupnitsa (Bulgarien), und zwar in dem Stadtteil „Gizdova mahala“, in dem im Wesentlichen Personen mit Roma-Herkunft wohnen.

22      In den Jahren 1999 und 2000 installierte CHEZ RB die Stromzähler aller ihrer Kunden in diesem Stadtteil an den Betonmasten des Freileitungsnetzes in einer Höhe von sechs bis sieben Metern, während sich die von CHEZ RB in den anderen Stadtteilen installierten Zähler in einer Höhe von 1,70 Meter befanden, meistens in den Wohnungen der Kunden, an der Fassade oder an Zäunen (im Folgenden: streitige Praxis).

23      Im Dezember 2008 beschwerte sich Frau Nikolova bei der KZD über die streitige Praxis, die darauf beruhe, dass die meisten Bewohner des Stadtteils „Gizdova mahala“ Personen mit Roma-Herkunft seien, und zur Folge habe, dass sie selbst dadurch einer unmittelbaren Diskriminierung wegen ihrer Nationalität (narodnost) unterliege. Insbesondere rügte sie, dass sie den Zählerstand von ihrem Stromzähler nicht zur Kontrolle ihres Verbrauchs ablesen und die an sie gerichteten Stromrechnungen, die sie für überhöht halte, nicht überprüfen könne.

24      Mit Entscheidung vom 6. April 2010 stellte die KZD fest, dass die streitige Praxis eine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund der Nationalität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 3 ZZD darstelle.

25      Diese Entscheidung wurde vom Varhoven administrativen sad (Oberster Verwaltungsgerichtshof) mit Urteil vom 19. Mai 2011 mit der Begründung aufgehoben, dass die KZD nicht angegeben habe, im Vergleich zu welcher anderen Nationalität Frau Nikolova diskriminiert worden sei. Die Sache wurde an die KZD zurückverwiesen.

26      Am 30. Mai 2012 erließ die KZD erneut eine Entscheidung, mit der sie feststellte, CHEZ RB habe Frau Nikolova aufgrund ihrer „persönlichen Verhältnisse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 ZZD unmittelbar diskriminiert, denn Frau Nikolova sei aufgrund des Orts ihrer Geschäftsniederlassung weniger günstig behandelt worden als andere Kunden von CHEZ RB, deren Zähler an zugänglichen Orten angebracht seien.

27      CHEZ RB erhob gegen diese Entscheidung beim Administrativen sad Sofia-grad Klage.

28      In seiner Vorlageentscheidung weist dieses Gericht zunächst darauf hin, dass die Richtlinie 2000/43 eine konkrete Anwendung des insbesondere in Art. 21 der Charta festgelegten allgemeinen Grundsatzes des Verbots einer Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft bilde und dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. h dieser Richtlinie in deren sachlichen Anwendungsbereich falle. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts stehe daher außer Frage, und deshalb lege das Gericht hierzu keine Frage zur Vorabentscheidung vor, obwohl der Gerichtshof, bevor er sich den Vorlagefragen des Gerichts zuwende, in jedem Fall diesen Punkt zu beurteilen haben werde.

29      Das vorlegende Gericht weist in seiner weiteren Begründung für die Vorlage an den Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die KZD zwar von einer Diskriminierung aufgrund der „persönlichen Verhältnisse“ von Frau Nikolova ausgegangen sei und dass Letztere selbst in ihrer Klageschrift fälschlicherweise eine Diskriminierung aus Gründen der Nationalität geltend gemacht habe, dass aber im vorliegenden Fall hinsichtlich der geschützten persönlichen Eigenschaft auf die „ethnische Herkunft“ der Roma abzustellen sei, die die meisten Bewohner des Stadtteils „Gizdova mahala“ besäßen.

30      Erstens handele es sich bei den Roma durchaus um eine Volksgruppe, und im Übrigen genieße diese in Bulgarien den Status einer ethnischen Minderheit.

31      Zweitens gebe es zwar keine Statistiken über die Zahl der in dem fraglichen Stadtteil wohnenden und zur Bevölkerungsgruppe der Roma gehörenden Personen, doch sei dieser Stadtteil allgemein als größter „Roma-Bezirk“ von Dupnista bekannt. Im Übrigen seien sich die Parteien des Ausgangsrechtsstreits darüber einig, dass die streitige Praxis ganz allgemein nur in den „Roma-Bezirken“ verschiedener bulgarischer Städte geübt werde. Dies sei der entscheidende Grund für die Entscheidung von CHEZ RB, die Stromzähler in einer unzugänglichen Höhe anzubringen, und auch wenn CHEZ RB nicht ausdrücklich erklärt habe, dass die illegalen Stromentnahmen vor allem von Personen mit Roma-Herkunft getätigt würden, ergebe sich dieser Grund aus dem Kontext.

32      Drittens habe die KZD zu Unrecht festgestellt, dass die Roma-Herkunft von Frau Nikolova nicht erwiesen sei. Dadurch nämlich, dass sich Frau Nikolova in ihrer Beschwerde mit den Bewohnern mit Roma-Herkunft des Stadtteils „Gizdova mahala“ identifiziert habe, habe sie sich selbst als eine Person dieser Herkunft definiert. Das vorlegende Gericht meint jedenfalls unter Hinweis auf das Urteil Feryn (C‑54/07, EU:C:2008:397), dass das Vorliegen einer Diskriminierung nicht voraussetze, dass eine beschwerte Person identifizierbar sei, die behaupte, Opfer einer derartigen Diskriminierung geworden zu sein. Außerdem ergebe sich aus dem Urteil Coleman (C‑303/06, EU:C:2008:415), dass sich die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht auf diejenigen Personen beschränke, welche die geschützte persönliche Eigenschaft aufwiesen.

33      Die erste Vorlagefrage beziehe sich auf die vorstehenden Erwägungen.

34      Weiter führt das vorlegende Gericht aus, es neige zwar selbst der Auffassung der KZD zu, dass die streitige Praxis eine unmittelbare Diskriminierung darstelle, aber die Generalanwältin Kokott habe in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Belov (C‑394/11, EU:C:2012:585, Nr. 99) festgestellt, dass bei einer Praxis wie der streitigen der erste Anschein einer mittelbaren Diskriminierung bestehe. Im Übrigen habe der Varhoven administrativen sad in ähnlichen Rechtssachen seinerseits entschieden, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft vorliege.

35      In diesem Zusammenhang hegt das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Begriffe „unmittelbare Diskriminierung“ und „mittelbare Diskriminierung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2000/43 sowie der Frage, ob die streitige Praxis unter einen dieser Begriffe fällt.

36      Für den Fall, dass die genannte Praxis in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie fällt, wirft das vorlegende Gericht schließlich die Frage auf, ob diese Praxis sachlich gerechtfertigt, angemessen und erforderlich im Sinne der genannten Vorschrift sein kann. Insbesondere weist es darauf hin, dass diese Praxis zwar nach Ansicht von CHEZ RB aufgrund der Vielzahl illegaler Stromentnahmen, Beschädigungen und Manipulationen von Zählern gerechtfertigt sei, aber diese Gesellschaft ihre bei der KZD ursprünglich gestellten Anträge auf Beibringung eines Gutachtens und auf Anhörung von Zeugen mit der Begründung zurückgenommen habe, dass die genannten Verhaltensweisen allgemein bekannt seien. Die Parteien des Ausgangsverfahrens hätten beim vorlegenden Gericht im Übrigen trotz der Aufforderungen, die an sie im Hinblick auf die Beweislast ergangen seien, keine weiteren Beweise vorgetragen. Zudem sei auf Presseartikel zu verweisen, in denen über neue und effiziente, für die Verbraucher weniger restriktive Methoden berichtet werde, insbesondere durch den Einsatz von Zählern, bei denen das Versorgungsunternehmen eine Fernablesung vornehmen könne und ihm jeder Versuch einer Manipulation signalisiert werde.

37      Vor diesem Hintergrund hat der Administrativen sad Sofia-grad beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist der in der Richtlinie 2000/43 und in der Charta verwendete Begriff „ethnische Herkunft“ dahin auszulegen, dass er eine kompakte Gruppe bulgarischer Staatsangehöriger mit Roma-Herkunft wie die im Stadtteil „Gizdova mahala“ der Stadt Dupnitsa Wohnenden erfasst?

2.      Ist der Begriff „vergleichbare Situation“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar, bei dem die Mittel zur kommerziellen Messung in Roma-Stadtteilen in einer Höhe von 6 bis 7 Metern angebracht werden, während sie in anderen Stadtteilen ohne kompakte Roma-Bevölkerung üblicherweise in einer Höhe von weniger als 2 Metern angebracht werden?

3.      Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen, dass die Anbringung von Mitteln zur kommerziellen Messung in Roma-Stadtteilen in einer Höhe von 6 bis 7 Metern eine weniger günstige Behandlung der Bevölkerung mit Roma-Herkunft im Vergleich zu der Bevölkerung mit anderer ethnischer Herkunft darstellt?

4.      Wenn es sich um eine weniger günstige Behandlung handelt, ist dann die genannte Bestimmung dahin auszulegen, dass diese Behandlung beim Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ganz oder teilweise auf dem Umstand beruht, dass sie die ethnische Gruppe der Roma betrifft?

5.      Ist nach der Richtlinie 2000/43 eine nationale Bestimmung wie § 1 Nr. 7 der Ergänzungsvorschriften zum ZZD zulässig, wonach jeder Akt, jede Handlung und jede Unterlassung, der/die unmittelbar oder mittelbar Rechte oder rechtmäßige Interessen beeinträchtigt, eine „ungünstige Behandlung“ ist?

6.      Ist der Begriff „dem Anschein nach neutrale Verfahren“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 auf die Praxis der CHEZ RB, Mittel zur kommerziellen Messung in einer Höhe von 6 bis 7 Metern anzubringen, anwendbar? Wie ist der Begriff „dem Anschein nach“ auszulegen – dahin, dass die Praxis offensichtlich neutral ist, oder dahin, dass sie nur auf den ersten Blick neutral erscheint, d. h. scheinbar neutral ist?

7.      Ist es für das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 erforderlich, dass das neutrale Verfahren die Personen aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in eine in besonderem Maß ungünstigere Lage versetzt, oder genügt es, wenn dieses Verfahren nur Personen mit einer bestimmten ethnischen Herkunft beeinträchtigt? Ist in diesem Zusammenhang nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 eine nationale Bestimmung wie Art. 4 Abs. 3 ZZD zulässig, wonach eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn eine Person wegen Eigenschaften nach Abs. 1 (einschließlich der ethnischen Zugehörigkeit) in eine ungünstigere Lage versetzt wird?

8.      Wie ist der Begriff „in besonderer Weise benachteiligen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 auszulegen? Entspricht er dem in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 verwendeten Begriff „weniger günstige Behandlung“, oder umfasst er nur besonders erhebliche, offensichtliche und schwerwiegende Fälle der Ungleichbehandlung? Stellt die im vorliegenden Fall beschriebene Praxis eine besonders ungünstige Lage dar? Falls kein besonders erheblicher, offensichtlicher und schwerwiegender Fall der Versetzung in eine ungünstige Lage vorliegt, genügt dies, um eine mittelbare Diskriminierung zu verneinen (ohne zu prüfen, ob die jeweilige Praxis im Hinblick auf die Erreichung eines rechtmäßigen Ziels gerechtfertigt, angemessen und erforderlich ist)?

9.      Sind nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2000/43 nationale Bestimmungen wie Art. 4 Abs. 2 und 3 ZZD zulässig, die für das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung eine „ungünstigere Behandlung“ und für das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung die „Versetzung in eine ungünstigere Lage“ verlangen, ohne wie die Richtlinie nach der Schwere der jeweiligen ungünstigen Behandlung zu differenzieren?

10.      Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen, dass die in Rede stehende Praxis der CHEZ RB im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit des Elektrizitätsnetzes und die ordnungsgemäße Erfassung der verbrauchten Elektrizität sachlich gerechtfertigt ist? Ist diese Praxis auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Beklagten, den Verbrauchern freien Zugang zu den Anzeigen der Stromzähler zu ermöglichen, angemessen? Ist diese Praxis erforderlich, wenn aus Veröffentlichungen in den Medien andere technisch und finanziell zugängliche Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit der Mittel zur kommerziellen Messung bekannt sind?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

38      Wie sich aus Rn. 28 des vorliegenden Urteils ergibt, fällt zwar der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2000/43 in deren sachlichen Anwendungsbereich, so dass es keine Notwendigkeit sieht, dem Gerichtshof hierzu eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass der Gerichtshof diesen Aspekt zu beurteilen haben werde, bevor er sich den Vorlagefragen zuwende.

39      Während die streitige Praxis nach Ansicht der bulgarischen Regierung und der Europäischen Kommission in diesen sachlichen Anwendungsbereich fällt, ist das nach Ansicht von CHEZ RB nicht der Fall, weil die Klarstellung in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, wonach diese „[i]m Rahmen der auf die [Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt“, zur Folge habe, dass die Richtlinie nur für Sachverhalte gelte, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fielen. Dazu müsste das materielle Unionsrecht auf den fraglichen Sachverhalt anwendbar sein. Die Union habe jedoch für die Aufstellung oder die Ablesbarkeit von Stromzählern keinerlei Regelung erlassen.

40      Insoweit hat der Unionsgesetzgeber, wie sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 ergibt, den Standpunkt eingenommen, dass, um die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – eine Teilhabe ermöglichen, spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft auch Aspekte wie die in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten mit abdecken sollten (vgl. Urteil Runevič-Vardyn und Wardyn, C‑391/09, EU:C:2011:291, Rn. 41).

41      Art. 3 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2000/43 nimmt allgemein auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, Bezug (vgl. Urteil Runevič-Vardyn und Wardyn, C‑391/09, EU:C:2011:291, Rn. 45).

42      Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, darf der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/43 in Anbetracht ihres Gegenstands und der Natur der Rechte, die sie schützen soll, sowie des Umstands, dass sie in dem jeweiligen Bereich nur dem Gleichbehandlungsgrundsatz Ausdruck gibt, der einer der tragenden Grundsätze des Unionsrechts und in Art. 21 der Charta niedergelegt ist, nicht eng definiert werden (Urteil Runevič-Vardyn und Wardyn, C‑391/09, EU:C:2011:291, Rn. 43).

43      Unter diesen Umständen und mit Rücksicht darauf, dass die Elektrizitätsversorgung ohne Zweifel, wie die Generalanwältin in den Nrn. 38 und 39 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2000/43 fällt, ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass die Anbringung eines Stromzählers beim Endverbraucher, die einen untrennbar mit der Elektrizitätsversorgung verbundenen Nebengegenstand darstellt, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt und dem in dieser niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung unterliegt.

44      Hinsichtlich der Bezugnahme in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 auf den „Rahmen der auf die [Union] übertragenen Zuständigkeiten“ genügt im vorliegenden Fall der Hinweis, dass sich Vorschriften wie Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/32 und Art. 3 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2009/72 in Verbindung mit deren Anhang I Nr. 1 Buchst. h und i auf die Bereitstellung von individuellen Stromzählern für die Endverbraucher beziehen, wobei diese Stromzähler es im Rahmen des Universaldiensts den betroffenen Personen ermöglichen sollen, ihren Stromverbrauch zu verfolgen und zu regulieren. Deshalb steht es außer Frage, dass die Bedingungen für eine solche Bereitstellung in den Zuständigkeitsbereich der Union fallen, so insbesondere gemäß Art. 95 EG, jetzt Art. 114 AEUV, oder Art. 175 EG, jetzt Art. 191 AEUV, die die Rechtsgrundlage der genannten Richtlinien bilden.

 Zur ersten Frage

45      Die erste Frage bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf den Begriff „ethnische Herkunft“ im Sinne der Richtlinie 2000/43 und von Art. 21 der Charta und geht dahin, ob dieser Begriff so auszulegen ist, dass er „eine kompakte Gruppe bulgarischer Staatsangehöriger mit Roma-Herkunft“ wie diejenigen erfasst, die in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Stadtteil wohnen.

46      Den detaillierten Ausführungen, die die Vorlageentscheidung hierzu enthält und die in den Rn. 29 bis 33 des vorliegenden Urteils zusammengefasst worden sind, ist zu entnehmen, dass sich die Fragen des vorlegenden Gerichts nicht darauf beziehen, ob eine Roma-Herkunft als „ethnische Herkunft“ im Sinne der Richtlinie 2000/43 und ganz allgemein des Unionsrechts anzusehen ist, was das vorlegende Gericht zu Recht für unstreitig erachtet. Der Begriff der ethnischen Herkunft, der auf dem Gedanken beruht, dass gesellschaftliche Gruppen insbesondere durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturelle und traditionelle Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet sind, erfasst nämlich auch die Gemeinschaft der Roma (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten EGMR, Natchova u. a./Bulgarien, Nrn. 43577/98 und 43579/98, EGMR 2005-VII, sowie Sejdić und Finbci/Bosnien-Herzegovina, Nrn. 27996/06 und 34836/06, §§ 43 bis 45 und 50, EGMR 2009).

47      Der ausschlaggebende Gesichtspunkt, der das vorlegende Gericht zu seiner ersten Frage veranlasst hat, liegt vielmehr, wie sich aus den Rn. 31 und 32 des vorliegenden Urteils ergibt, offenbar darin, dass die streitige Praxis in einem gesamten Stadtteil geübt wird, in dem überwiegend, aber nicht ausschließlich Personen mit Roma-Herkunft wohnen.

48      Insoweit ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass Frau Nikolova dadurch, dass sie sich mit ihrer Beschwerde der Bevölkerung mit Roma-Herkunft, die in dem fraglichen Stadtteil lebe und wie sie die mit der streitigen Praxis verbundenen Unannehmlichkeiten erleide, selbst zugerechnet habe, sich selbst als Roma definiert habe. Aber auch wenn Frau Nikolova nicht als Roma anzusehen sein sollte, hätte dies nach Auffassung des vorlegenden Gerichts im vorliegenden Fall keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/43 und darauf, dass Frau Nikolova im vorliegenden Fall einen Verstoß gegen diese Richtlinie in ihrem eigenen Fall geltend machen könnte.

49      Frau Nikolova hat indessen in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, die zu berücksichtigen sind, ausdrücklich erklärt, dass sie bulgarischer Abstammung sei, sich nicht als Roma definiere und nicht als Roma anzusehen sei.

50      Nach alledem ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob der Begriff der „Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft“ im Sinne der Richtlinie 2000/43, insbesondere ihrer Art. 1 und 2 Abs. 1, und gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 21 der Charta, dahin auszulegen ist, dass er auf einen Sachverhalt wie den im Ausgangsverfahren fraglichen unterschiedslos anzuwenden ist, gleichviel ob die fragliche Maßnahme Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Personen anderer Herkunft betrifft, die durch diese Maßnahme zusammen mit Ersteren weniger günstig behandelt oder in besonderer Weise benachteiligt werden.

51      In diesem Zusammenhang ist angesichts des Wortlauts der Richtlinie 2000/43 festzustellen, dass deren Zweck gemäß ihrem Art. 1 die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung „der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ bildet.

52      In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie wird der Gleichbehandlungsgrundsatz dahin definiert, dass es „keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ geben darf.

53      Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 sieht, wie die Generalanwältin in Nr. 53 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, in den meisten Sprachfassungen dieser Richtlinie vor, dass eine unmittelbare Diskriminierung gegeben ist, wenn eine Person „aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft“ in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, während nur in einigen Sprachfassungen dieser Bestimmung die Rede von einer weniger günstigen Behandlung aufgrund „ihrer“ Rasse oder „ihrer“ ethnischen Herkunft ist.

54      Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“.

55      Da der Wortlaut der fraglichen Bestimmungen als solcher angesichts insbesondere der in Rn. 53 des vorliegenden Urteils genannten Abweichung zwischen den einzelnen Sprachfassungen der Richtlinie 2000/43 keine Antwort auf die Frage erlaubt, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz, den die Richtlinie gewährleisten soll, nur denjenigen Personen zugutekommen soll, die von einer auf die Rasse oder die ethnische Herkunft abstellenden diskriminierenden Maßnahme betroffen sind und die tatsächlich dieser Rasse angehören oder diese Herkunft besitzen, sind zur Auslegung dieser Bestimmungen auch der Zusammenhang, in dem sie stehen, sowie der allgemeine Aufbau und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Richtlinie 2000/43 verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Kommission/Portugal, C‑450/11, EU:C:2013:611, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Die bereits in Rn. 42 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/43 in Anbetracht ihres Gegenstands und der Natur der Rechte, die sie schützen soll, nicht eng definiert werden darf, vermag im vorliegenden Fall eine Auslegung zu rechtfertigen, nach der der Gleichbehandlungsgrundsatz, den die Richtlinie zum Gegenstand hat, nicht für eine bestimmte Kategorie von Personen, sondern nach Maßgabe der in ihrem Art. 1 genannten Gründe anwendbar ist, so dass er auch für Personen zu gelten hat, die zwar nicht selbst der betreffenden Rasse oder Ethnie angehören, aber gleichwohl aus einem dieser Gründe weniger günstig behandelt werden oder in besonderer Weise benachteiligt werden (vgl. entsprechend Urteil Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 38 und 50).

57      Für diese Auslegung sprechen außerdem der 16. Erwägungsgrund und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie, wonach der mit ihr angestrebte Schutz vor einer Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft für „alle“ Personen gelten soll.

58      Für diese Auslegung sprechen desgleichen sowohl der Wortlaut von Art. 13 EG, der nach Änderungen zum jetzigen Art. 19 AEUV wurde und die Rechtsgrundlage der Richtlinie 2000/43 bildet und in dem der Union die Zuständigkeit übertragen wird, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen u. a. aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu bekämpfen (vgl. entsprechend Urteil Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 38), als auch, wie die Generalanwältin in Nr. 53 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, das in Art. 21 der Charta niedergelegte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, dessen konkreten Ausdruck die Richtlinie in den von ihr erfassten Bereichen bildet (vgl. Urteil Runevič-Vardyn und Wardyn, C‑391/09, EU:C:2011:291, Rn. 43, sowie entsprechend Urteil Felber, C‑529/13, EU:C:2015:20, Rn. 15 und 16).

59      In dem Sachverhalt, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, bleibt auch dann, wenn Frau Nikolova keine Roma-Herkunft aufweist, wie sie vor dem Gerichtshof erklärt hat, gleichwohl die Roma-Herkunft, nämlich die des größten Teils der übrigen Bewohner des Stadtviertels, in dem sie ihr Geschäft unterhält, der Gesichtspunkt, aufgrund dessen sie nach ihrem Vorbringen weniger günstig behandelt oder in besonderer Weise benachteiligt worden sei.

60      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass der Begriff der „Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft“ im Sinne der Richtlinie 2000/43, insbesondere ihrer Art. 1 und 2 Abs. 1, dahin auszulegen ist, dass er auf einen Sachverhalt wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, in dem in einem Stadtviertel, in dem im Wesentlichen Personen mit Roma-Herkunft wohnen, sämtliche Stromzähler in einer Höhe von sechs bis sieben Metern an den Masten des Freileitungsnetzes angebracht sind, während solche Zähler in den übrigen Stadtvierteln in einer Höhe von weniger als zwei Metern angebracht sind, unterschiedslos anzuwenden ist, gleichviel ob die fragliche Maßnahme Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Personen anderer Herkunft betrifft, die durch diese Maßnahme zusammen mit Ersteren weniger günstig behandelt oder in besonderer Weise benachteiligt werden.

 Zur fünften Frage

61      Mit seiner fünften Frage, die als Zweites zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob § 1 Nr. 7 der Ergänzungsvorschriften zum ZZD, der eine „ungünstige Behandlung“ als jede Handlungsweise definiert, die unmittelbar oder mittelbar „Rechte oder legitime Interessen“ beeinträchtigt, mit der Richtlinie 2000/43 vereinbar ist.

62      Es ist daran zu erinnern, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, sich im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit denen des Unionsrechts zu äußern. Der Gerichtshof ist jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu entscheiden (vgl. u. a. Urteil Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Im Übrigen ergibt sich aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts, dass der genannte Begriff der „ungünstigen Behandlung“ nach dem nationalen Recht bei der Prüfung der Frage zur Anwendung kommt, ob eine unmittelbare oder eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 und 3 ZZD vorliegt.

64      Nach alledem ist die fünfte Frage dahin zu verstehen, dass mit ihr Aufschluss darüber begehrt wird, ob die Richtlinie 2000/43, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b, dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der, um das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft in den von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie erfassten Bereichen bejahen zu können, die weniger günstige Behandlung oder die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie in einer Beeinträchtigung von Rechten oder legitimen Interessen bestehen muss.

65      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/43, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 12 und 13 ergibt, darauf gerichtet ist, die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – eine Teilhabe ermöglichen, und dass hierfür „jede“ unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen in der Union untersagt werden soll. Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bekräftigt im gleichen Sinne, dass unter dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstehen ist, dass es „keine“ unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.

66      Des Weiteren darf der Geltungsbereich der genannten Richtlinie, wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht eng definiert werden.

67      Schließlich weist der 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 darauf hin, dass deren Ziel darin besteht, ein einheitliches, hohes Niveau des Schutzes vor Diskriminierungen in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Insoweit geht aus Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie hervor, dass sie „Mindestanforderungen“ enthält, wobei es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes „günstiger“ sind.

68      Es ist festzustellen, dass eine nationale Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren fragliche, wonach als „weniger günstige“ Behandlung bzw. als „in besonderer Weise benachteiligen[d]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a bzw. b lediglich eine Handlungsweise anzusehen ist, die ein „Recht“ oder ein „legitimes Interesse“ einer Person beeinträchtigt, eine sich nicht aus diesen Richtlinienbestimmungen ergebende Bedingung aufstellt und dadurch bewirkt, dass der Geltungsbereich des durch die genannte Richtlinie gewährleisteten Schutzes eingeschränkt wird.

69      Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/43, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b, dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der, um das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft in den von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie erfassten Bereichen bejahen zu können, die weniger günstige Behandlung oder die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie in einer Beeinträchtigung von Rechten oder legitimen Interessen bestehen muss.

 Zu den Fragen 2 bis 4

70      Mit seinen Fragen 2 bis 4, die zusammen als Drittes zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen ist, dass eine Maßnahme wie die streitige Praxis geeignet ist, eine Situation zu schaffen, in der Personen im Sinne dieser Bestimmung aus Gründen, die ausschließlich oder teilweise auf der ethnischen Herkunft beruhen, „in einer vergleichbaren Situation“ eine „weniger günstige Behandlung“ erfahren als andere Personen, so dass die streitige Praxis eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund einer solchen Herkunft im Sinne dieser Bestimmung bewirkt.

71      Insoweit ist daran zu erinnern, dass Art. 267 AEUV dem Gerichtshof nicht die Befugnis gibt, die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, sondern nur die, sich zur Auslegung der Verträge und der Rechtsakte der Unionsorgane zu äußern. Der Gerichtshof kann aber das Unionsrecht im Rahmen der durch diesen Artikel begründeten Zusammenarbeit zwischen den Gerichten unter Berücksichtigung der Akten auslegen, soweit dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen dieser Bestimmung dienlich sein könnte (vgl. u. a. Urteil Feryn, C‑54/07, EU:C:2008:397, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/43, wie bereits in Rn. 58 des vorliegenden Urteils ausgeführt, den konkreten Ausdruck des in Art. 21 der Charta niedergelegten Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft in ihrem Geltungsbereich bildet.

73      Zweitens ist zu beachten, dass der dritte Erwägungsgrund dieser Richtlinie auf mehrere internationale Abkommen verweist, zu denen insbesondere das am 21. Dezember 1965 angenommene Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung gehört. Gemäß Art. 1 dieses Übereinkommens stellt jede auf dem Volkstum einer Person beruhende Unterscheidung eine Form der Rassendiskriminierung dar.

74      Drittens hat der Unionsgesetzgeber, wie sich aus den Erwägungsgründen 9, 12 und 13 der Richtlinie 2000/43 ergibt, zum einen auch hervorheben wollen, dass Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft die Verwirklichung der im Vertrag festgelegten Ziele untergraben können, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Solidarität und das Ziel der Weiterentwicklung der Europäischen Union zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, und zum anderen, dass das Verbot jeglicher Diskriminierung dieser Art, das die genannte Richtlinie für die von ihr geregelten Bereiche vorsieht, insbesondere darauf gerichtet ist, die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – eine Teilhabe ermöglichen.

75      Nach diesen Vorüberlegungen ist, erstens, zu der Frage, ob davon ausgegangen werden kann, dass die sich aus der streitigen Praxis ergebende Ungleichbehandlung aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 eingeführt wurde – was Gegenstand der vierten Vorlagefrage ist –, zunächst hervorzuheben, dass der bloße Umstand, dass in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Stadtviertel auch Bewohner leben, die keine Roma sind, nicht ausschließt, dass diese Praxis wegen der ethnischen Roma-Herkunft eingeführt wurde, die den meisten Bewohnern dieses Viertels gemeinsam ist.

76      Weiter ist in Anbetracht der Bezugnahme dieser vierten Frage auf eine weniger günstige Behandlung, die „ganz oder teilweise“ darauf zurückzuführen sein könnte, dass sie die ethnische Gruppe der Roma betrifft, klarzustellen, dass es für das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 genügt, dass diese ethnische Herkunft für die Entscheidung, die genannte Behandlung einzuführen, auschlaggebend war, wobei die in den Art. 4 und 5 der Richtlinie 2000/43 vorgesehenen und für die vorliegende Rechtssache nicht einschlägigen Ausnahmen für wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen und für positive Maßnahmen der Mitgliedstaaten, mit denen Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft verhindert oder ausgeglichen werden sollen, unbeschadet bleiben.

77      Schließlich ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, dass, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt, zu beweisen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde.

78      Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass es zwar der Person obliegt, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, zunächst Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, jedoch im Rahmen des Nachweises solcher Tatsachen sicherzustellen ist, dass eine Verweigerung von Informationen durch den Beklagten nicht die Verwirklichung der mit der Richtlinie 2000/43 verfolgten Ziele zu beeinträchtigen droht (Urteil Meister, C‑415/10, EU:C:2012:217, Rn. 36 und 40).

79      Es obliegt dem einzelstaatlichen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle, die Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu bewerten, wie es der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 vorsieht (Urteil Meister, C‑415/10, EU:C:2012:217, Rn. 37).

80      Daher hat im vorliegenden Fall das vorlegende Gericht sämtliche mit der streitigen Praxis zusammenhängenden Umstände zu berücksichtigen, um festzustellen, ob es hinreichende Anhaltspunkte gibt, die darauf schließen lassen, dass das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft erwiesen ist, und darüber zu wachen, dass eine Auskunftsverweigerung seitens der Beklagten, hier CHEZ RB, im Rahmen des Nachweises derartiger Tatsachen nicht die Verwirklichung der mit der Richtlinie 2000/43 verfolgten Ziele zu beeinträchtigen droht (vgl. in diesem Sinne Urteil Meister, C‑415/10, EU:C:2012:217, Rn. 42).

81      Zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehört insbesondere der vom vorlegenden Gericht dargelegte Umstand, dass CHEZ RB unstrittig – und auch von ihr selbst nicht bestritten – die streitige Praxis nur in Stadtvierteln eingeführt hat, in denen, wie im Stadtteil „Gizdova mahala“, bekanntermaßen überwiegend bulgarische Staatsangehörige mit Roma-Herkunft wohnen.

82      Das Gleiche gilt für den von der KZD in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geltend gemachten Umstand, dass CHEZ RB in mehreren Verfahren, mit denen die KZD befasst gewesen sei, behauptet habe, die Beschädigungen und illegalen Stromentnahmen seien hauptsächlich von bulgarischen Bürgern mit Roma-Herkunft begangen worden. Derartige Behauptungen könnten nämlich dafür sprechen, dass die streitige Praxis auf ethnischen Stereotypen oder Vorurteilen beruht, womit sich rassenbezogene Motive mit anderen Motiven verbänden.

83      Zu den Gesichtspunkten, die Berücksichtigung finden können, zählt auch der vom vorlegenden Gericht erwähnte Umstand, dass CHEZ RB trotz entsprechender Aufforderungen dieses Gerichts zur Frage der Beweislast davon abgesehen hat, für die behaupteten Beschädigungen und Manipulationen von Zählern sowie illegalen Stromentnahmen Beweise beizubringen, um stattdessen lediglich vorzutragen, diese seien allgemein bekannt.

84      Das vorlegende Gericht hat darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die streitige Praxis einen zwingenden, verallgemeinerten und dauerhaften Charakter trägt, denn zum einen wurde sie unterschiedslos auf alle Bewohner des Stadtteils unabhängig davon erstreckt, ob deren individuelle Verbrauchszähler Gegenstand von Manipulationen oder illegalen Stromentnahmen waren und wer diese verübte, und zum anderen existiert diese Praxis, nachdem sie vor nahezu einem Vierteljahrhundert eingeführt wurde, noch immer, was darauf hindeutet, dass die Bewohner dieses Stadtteils, von dem bekannt ist, dass dort im Wesentlichen bulgarische Staatsangehörige mit Roma-Herkunft wohnen, in ihrer Gesamtheit als potenzielle Urheber derartiger illegaler Handlungen angesehen werden. Eine solche Wahrnehmung kann nämlich ebenfalls ein stichhaltiges Indiz für die Gesamtwürdigung der im Ausgangsverfahren streitigen Praxis darstellen (vgl. entsprechend Urteil Asociația Accept, C‑81/12, EU:C:2013:275, Rn. 51).

85      Im Übrigen würde, wenn das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass eine Diskriminierung zu vermuten ist, die tatsächliche Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangen, dass die Beweislast bei den Beklagten des Ausgangsverfahrens liegt, die beweisen müssten, dass dieser Grundsatz nicht verletzt wurde (vgl. u. a. Urteile Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 54, und Asociația Accept, C‑81/12, EU:C:2013:275, Rn. 55). In einem solchen Fall obläge es CHEZ RB als der Beklagten, das Vorliegen einer solchen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den Nachweis zu bestreiten, dass die Einführung der streitigen Praxis und deren Beibehaltung keineswegs auf dem Umstand beruhen, dass in den fraglichen Stadtteilen überwiegend bulgarische Staatsangehörige mit Roma-Herkunft wohnen, sondern ausschließlich auf objektiven Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu tun haben (vgl. entsprechend Urteile Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 55, und Asociația Accept, C‑81/12, EU:C:2013:275, Rn. 56).

86      Als Zweites steht außer Frage, dass eine Praxis wie die streitige im Hinblick auf die übrigen in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 vorgesehenen Voraussetzungen, die Gegenstand der zweiten und der dritten Vorlagefrage sind, d. h. das Vorliegen einer „weniger günstigen Behandlung“ und die „Vergleichbarkeit“ der geprüften Situationen, diese Merkmale aufweist.

87      Zum einen nämlich lässt sich die ungünstige Behandlung der Bewohner des betroffenen Stadtteils, die überwiegend eine Roma-Herkunft haben, nicht bestreiten, da es für die Betroffenen außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich ist, ihren Stromzähler abzulesen, um ihren Verbrauch zu überprüfen, und diese Praxis, wie bereits in Rn. 84 des vorliegenden Urteils ausgeführt, einen beleidigenden und stigmatisierenden Charakter trägt.

88      Zum anderen ergibt sich hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzung des Vorliegens einer „vergleichbaren Situation“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 im Ausgangsverfahren erfüllt sein kann, aus der Vorlageentscheidung, dass die vom vorlegenden Gericht in dieser Hinsicht gehegten Zweifel auf dem zweifachen Umstand beruhen, dass in den „Roma-Stadtteilen“ wohnende Personen, die keine Roma-Herkunft aufweisen, ebenfalls von der streitigen Praxis betroffen sind und dass umgekehrt Personen mit Roma-Herkunft, die in Stadtteilen wohnen, in denen die meisten Bewohner nicht dieser Herkunft sind, von ihr nicht betroffen sind.

89      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Vergleichbarkeit der Situationen für die Feststellung, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt, im Hinblick auf alle Merkmale zu beurteilen ist, die diese Situationen kennzeichnen (vgl. u. a. Urteil Arcelor Atlantique und Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 25).

90      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass grundsätzlich alle vom selben städtischen Versorgungsunternehmen belieferten Endabnehmer elektrischem Stroms unabhängig von dem Stadtteil, in dem sie wohnen, im Hinblick auf dieses Versorgungsunternehmen als Personen anzusehen sind, die sich hinsichtlich der Bereitstellung eines Zählers, durch den sie ihren Stromverbrauch ablesen und verfolgen können, in einer vergleichbaren Situation befinden.

91      Nach alledem ist auf die Fragen 2 bis 4 zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen ist, dass eine Maßnahme wie die streitige Praxis eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn sich erweist, dass diese Maßnahme aus Gründen eingeführt und/oder beibehalten wurde, die mit der ethnischen Herkunft des überwiegenden Teils der Bewohner des betroffenen Stadtteils zusammenhängen. Dies ist vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher relevanten Umstände des Falles und der in Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Regeln über die Beweislastumkehr zu beurteilen.

 Zu den Fragen 6 bis 9

92      Mit seinen Fragen 6 bis 9, die zusammen als Viertes zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Tragweite die Begriffe „dem Anschein nach neutral“ und „Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 haben und ob eine Praxis wie die hier streitige, falls sie keine unmittelbare Diskriminierung darstellt, die genannten Voraussetzungen erfüllt und demzufolge eine mittelbare Diskriminierung im Sinne der genannten Bestimmung sein kann. Ferner möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der das Bestehen einer solchen mittelbaren Diskriminierung voraussetzt, dass die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft ergriffen wurde.

93      Was erstens das Vorliegen einer „dem Anschein nach neutrale[n] Praxis“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 und die Frage angeht, ob dieser Begriff, wie das vorlegende Gericht mit seiner sechsten Frage wissen möchte, dahin aufzufassen ist, dass er eine Praxis bezeichnet, die „offensichtlich“ neutral ist, oder vielmehr dahin, dass er eine „dem Anschein nach“ oder „auf den ersten Blick neutral[e]“ Praxis bezeichnet, besteht, wie die Generalanwältin in Nr. 92 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, kein Zweifel, dass der genannte Begriff im zweitgenannten Sinne zu verstehen ist.

94      Abgesehen davon, dass diese Auslegung dem natürlichsten Sinn des benutzten Begriffs entspricht, ist dieser Wortsinn in Anbetracht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff der mittelbaren Diskriminierung geboten, der zufolge die mittelbare Diskriminierung im Gegensatz zu einer unmittelbaren Diskriminierung aus einer Maßnahme resultieren kann, die zwar neutral formuliert ist, d. h. unter Bezugnahme auf andere Kriterien, die mit dem geschützten Merkmal in keinem Zusammenhang stehen, gleichwohl aber die Personen, die dieses Merkmal aufweisen, in besonderer Weise benachteiligt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Z., C‑363/12, EU:C:2014:159, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Zweitens ist hinsichtlich der Zweifel, die das vorlegende Gericht mit seiner siebten Frage in Bezug auf Art. 4 Abs. 3 ZZD aufgeworfen hat, wonach eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn eine Person wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft in eine ungünstigere Lage versetzt wird, darauf hinzuweisen, dass – wie sich aus der Antwort auf die zweite, die dritte und die vierte Frage ergibt – eine Maßnahme, die zu einer Ungleichbehandlung führt, eine „unmittelbare Diskriminierung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 darstellt, wenn sie aus Gründen eingeführt wurde, die mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft zusammenhängen.

96      Demgegenüber ist für eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft nicht erforderlich, dass die fragliche Maßnahme auf derartigen Gründen beruht. Wie sich nämlich aus der in Rn. 94 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, fällt eine Maßnahme, auch wenn sie unter Rückgriff auf neutrale Kriterien formuliert ist, die nicht auf das geschützte Merkmal abstellen, bereits dann unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43, wenn sie bewirkt, dass die Personen, die dieses Merkmal aufweisen, in besonderer Weise benachteiligt werden.

97      Nach alledem ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft voraussetzt, dass die fragliche Maßnahme aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft ergriffen wurde.

98      Drittens weist das vorlegende Gericht hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43, dass Personen, die einer bestimmten Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, „in besonderer Weise benachteilig[t werden]“, im Rahmen seiner achten Frage darauf hin, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie hinsichtlich einer unmittelbaren Diskriminierung auf das Vorliegen „eine[r] weniger günstige[n] Behandlung“ abstelle. Angesichts dieser terminologischen Unterscheidung wirft es die Frage auf, ob nur ein „besonders erheblicher, offensichtlicher und schwerwiegender Fall“ unter den Begriff „in besonderer Weise benachteiligen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 fallen kann.

99      Insoweit ist weder dem Wortlaut „in besonderer Weise benachteiligen“ in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b noch den übrigen in dieser Vorschrift enthaltenen Tatbestandsmerkmalen zu entnehmen, dass eine solche Benachteiligung lediglich in einem besonders erheblichen, offensichtlichen und schwerwiegenden Fall von Ungleichheit vorliegt.

100    Die genannte Bedingung ist vielmehr im Sinne der Bedeutung zu verstehen, dass es insbesondere Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft sind, die durch die fragliche Maßnahme benachteiligt werden.

101    Zum einen steht diese Auslegung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff der mittelbaren Diskriminierung, wonach eine solche insbesondere dann vorliegen kann, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Inhaber der geschützten persönlichen Eigenschaft benachteiligt als Personen, die diese Eigenschaft nicht besitzen (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteile Z., C‑363/12, EU:C:2014:159, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Cachaldora Fernández, C‑527/13, EU:C:2015:215, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Zum anderen wird die genannte Auslegung gegenüber der, wonach lediglich besonders erhebliche, offensichtliche und schwerwiegende Fälle von Ungleichheit unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 fallen, den in den Rn. 42, 67 und 72 bis 74 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Zielen des Unionsgesetzgebers am ehesten gerecht.

103    Viertens kann es hinsichtlich der neunten Frage des vorlegenden Gerichts, mit der es wissen möchte, ob Art. 4 Abs. 2 und 3 ZZD, der sowohl für die Definition der unmittelbaren Diskriminierung als auch die der mittelbaren Diskriminierung auf eine „ungünstigere“ Behandlung oder Lage und damit auf den gleichen Schweregrad abhebt, mit der Richtlinie 2000/43 in Einklang steht, mit dem Hinweis sein Bewenden haben, dass nach der in den Rn. 99 bis 102 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Auslegung die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie keinen bestimmten Schweregrad voraussetzt. Dass die genannte nationale Regelung kein solches auf den Schweregrad abstellendes Kriterium enthält, stellt daher ihre Übereinstimmung mit der Richtlinie nicht in Frage.

104    Fünftens ist hinsichtlich der mit der sechsten und der achten Frage angesprochenen Überlegung, ob eine Praxis wie die streitige „dem Anschein nach“ neutral und im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 in seiner vorstehend näher umrissenen Bedeutung „in besonderer Weise benachteiligen[d]“ ist, ebenso wie bereits in Rn. 71 des vorliegenden Urteils darauf hinzuweisen, dass es dem vorlegenden Gericht zwar obliegt, den Sachverhalt zu beurteilen und die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, aber der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht die Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben kann, die ihm bei der Beurteilung der Wirkungen einer bestimmten Vorschrift dienlich sein könnten.

105    In der vorliegenden Rechtssache ist für den Fall, dass das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen sollte, es sei nicht erwiesen, dass die streitige Praxis eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft darstellt, darauf hinzuweisen, dass der vom vorlegenden Gericht festgestellte Sachverhalt den Schluss zulässt, dass eine derartige Praxis die erforderlichen Merkmale aufweist, um – vorausgesetzt, dass sie nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 gerechtfertigt werden kann – eine mittelbare Diskriminierung darzustellen.

106    Denn es besteht erstens kein Zweifel daran, dass diese Praxis und das Kriterium, nach dem sie ausschließlich ins Werk gesetzt worden sein soll, nämlich die Belegenheit der betroffenen Wohnungen in einem Stadtteil, in dem zahlreiche Manipulationen und Beschädigungen der Stromzähler sowie illegale Stromentnahmen festgestellt worden seien, eine Praxis und ein Kriterium, die dem Anschein nach neutral sind, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 in seiner in den Rn. 93 und 94 des vorliegenden Urteils dargelegten Bedeutung bilden.

107    Da zweitens in Anbetracht der in der Vorlageentscheidung enthaltenen Angaben feststeht, dass die genannte Praxis nur in Stadtteilen verwirklicht worden ist, in denen, wie in dem im Ausgangsverfahren fraglichen Stadtviertel, im Wesentlichen Personen mit Roma-Herkunft wohnen, ist eine solche Praxis geeignet, Personen mit einer solchen ethnischen Herkunft in erheblich größerem Maße zu beeinträchtigen und daher Personen mit einer solchen ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 in seiner in den Rn. 100 bis 102 des vorliegenden Urteils dargelegten Bedeutung in besonderer Weise zu benachteiligen.

108    Wie bereits in Rn. 87 des vorliegenden Urteils hervorgehoben worden ist, liegt diese Benachteiligung insbesondere in dem beleidigenden und stigmatisierenden Charakter der fraglichen Praxis und der Tatsache, dass es für den Endverbraucher außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich ist, seinen Stromzähler abzulesen, um seinen Verbrauch zu überprüfen.

109    Nach alledem ist auf die Fragen 6 bis 9 zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen ist, dass

–        diese Bestimmung einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft nur vorliegt, wenn die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft ergriffen wurde;

–        mit dem Begriff „dem Anschein nach neutrale“ Vorschriften, Kriterien oder Verfahren im Sinne dieser Bestimmung solche Vorschriften, Kriterien oder Verfahren gemeint sind, die dem Anschein nach in neutraler Weise formuliert sind und angewendet werden, d. h. nach Maßgabe von Faktoren, die andere als das geschützte Merkmal und diesem auch nicht gleichwertig sind;

–        der Begriff „in besonderer Weise benachteiligen“ im Sinne dieser Bestimmung nicht besonders erhebliche, offensichtliche und schwerwiegende Fälle von Ungleichheit bezeichnet, sondern vielmehr bedeutet, dass es insbesondere Personen einer bestimmten Rasse oder mit einer bestimmten ethnischen Herkunft sind, die durch die Vorschrift, das Kriterium oder das Verfahren, welche in Frage stehen, benachteiligt werden;

–        eine Praxis wie die im Ausgangsverfahren fragliche, falls in ihr keine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie liegen sollte, grundsätzlich geeignet ist, eine im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie dem Anschein nach neutrale Praxis darzustellen, die Personen mit einer bestimmten ethnischen Herkunft in besonderer Weise benachteiligt.

 Zur zehnten Frage

110    Mit seiner zehnten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen ist, dass eine Praxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit des Elektrizitätsnetzes und die ordnungsgemäße Erfassung der verbrauchten Elektrizität sachlich gerechtfertigt sein kann, wenn insbesondere das Erfordernis, den Endverbrauchern freien Zugang zu ihrem Stromzähler zu gewähren, und die Tatsache berücksichtigt wird, dass in den Medien über das Bestehen anderer technisch und finanziell verfügbarer Mittel berichtet wurde, die die Sicherheit der Stromzähler gewährleisten können.

111    Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 liegt eine mittelbare und damit verbotene Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

112    In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass in Anbetracht der in den Rn. 72 bis 74 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Erwägungen und Ziele der Begriff der sachlichen Rechtfertigung im Fall einer Ungleichbehandlung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft eng auszulegen ist.

113    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung und aus den Erklärungen, die CHEZ RB beim Gerichtshof eingereicht hat, dass nach dem Vorbringen dieser Gesellschaft die streitige Praxis eingeführt wurde, um die zahlreichen Beschädigungen und Manipulationen der Stromzähler sowie illegale Stromentnahmen zu bekämpfen, die in dem fraglichen Stadtteil festgestellt worden seien. Die genannte Praxis diene somit dazu, Betrug und Missbrauch zu verhindern, die Einzelnen vor den durch solche Handlungen verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen sowie die Qualität und die Sicherheit der Elektrizitätsversorgung im Interesse aller Verbraucher zu gewährleisten.

114    Insoweit ist erstens den Ausführungen der Generalanwältin in Nr. 117 ihrer Schlussanträge zuzustimmen, dass solche Ziele, in ihrer Gesamtheit betrachtet, vom Unionsrecht anerkannte, legitime Ziele sind (vgl. in Bezug auf die Bekämpfung von Betrug und Kriminalität Urteil Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 46 sowie 55).

115    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die untersuchten Maßnahmen nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 durch solche Ziele „sachlich“ gerechtfertigt sein müssen.

116    Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens und in Anbetracht des Umstands, dass CHEZ RB die streitige Praxis mit einer Vielzahl von Beschädigungen der Stromzähler und illegalen Stromentnahmen, die sich in der Vergangenheit in dem fraglichen Stadtteil ereignet haben sollen, sowie mit der Gefahr begründet, dass sich derartige Handlungen fortsetzen könnten, ist es zumindest, wie die Generalanwältin in Nr. 115 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, Sache dieser Gesellschaft, zum einen das tatsächliche Bestehen und den tatsächlichen Umfang der genannten illegalen Handlungen objektiv nachzuweisen und zum anderen, nachdem seither ungefähr 25 Jahre verstrichen sind, die genauen Gründe darzutun, aus denen gegenwärtig in dem betroffenen Stadtteil eine erhebliche Gefahr besteht, dass sich derartige Beschädigungen der Stromzähler und illegale Stromentnahmen fortsetzen könnten.

117    Ihrer insoweit bestehenden Beweislast könnte CHEZ RB nicht bereits dadurch genügen, dass sie lediglich behauptete, derartige Handlungen und Gefahren seien „bekannt“, wie sie es vor dem vorlegenden Gericht offenbar getan hat.

118    Auch wenn, drittens, CHEZ RB nachweisen könnte, dass die streitige Praxis durch die von ihr geltend gemachten rechtmäßigen Ziele sachlich gerechtfertigt ist, bedürfte es gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 außerdem des Nachweises, dass diese Praxis ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung dieser Ziele darstellt.

119    Wie die Generalanwältin in den Nrn. 121 bis 124 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, erscheint a priori und vorbehaltlich der abschließenden Feststellungen zum Sachverhalt, die insoweit dem vorlegenden Gericht obliegen, eine Praxis wie die hier streitige geeignet, die im vorliegenden Fall angeblich anvisierten illegalen Handlungen wirksam zu bekämpfen, so dass die Voraussetzung der Geeignetheit einer solchen Praxis, um die angeführten rechtmäßigen Ziele zu erreichen, offenbar erfüllt ist.

120    Was die Voraussetzung der Erforderlichkeit der streitigen Praxis im Hinblick auf diese Ziele angeht, wird das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen haben, ob die Stadtteile wie der im Ausgangsverfahren fragliche, in denen CHEZ RB die streitige Praxis übt, Besonderheiten aufweisen, die so beschaffen sind, dass die entstandenen Probleme nicht durch andere geeignete und weniger einschneidende Mittel gelöst werden können.

121    Die KZD macht hierzu in ihren Erklärungen geltend, andere Stromversorgungsunternehmen hätten die streitige Praxis aufgegeben und stattdessen andere Techniken zur Bekämpfung von Beschädigungen und Manipulationen gewählt. Gleichzeitig hätten sie die Stromzähler in den betroffenen Stadtteilen wieder in einer normalen Höhe angebracht.

122    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es andere geeignete und weniger einschneidende Maßnahmen gibt, um die von CHEZ RB geltend gemachten Ziele zu erreichen, und, falls es solche Maßnahmen gibt, die Feststellung zu treffen, dass die streitige Praxis nicht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 erforderlich ist.

123    Im Übrigen wird das vorlegende Gericht, falls keine andere ebenso wirksame Maßnahme wie die streitige Praxis ermittelt werden kann, weiter zu prüfen haben, ob die durch diese Praxis verursachten Nachteile im Hinblick auf die angestrebten Ziele nicht unverhältnismäßig sind und ob diese Praxis nicht eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen bewirkt, die in den betroffenen Stadtteilen wohnen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Ingeniørforeningen i Danmark, C‑499/08, EU:C:2010:600, Rn. 32 und 47, sowie Nelson u. a., C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 76 ff.).

124    Das vorlegende Gericht wird zum Ersten das legitime Interesse der Endabnehmer elektrischen Stroms am Zugang zur Stromversorgung unter Bedingungen zu berücksichtigen haben, die weder beleidigend noch stigmatisierend sind.

125    Ferner wird es den zugleich zwingenden, verallgemeinerten und zeitlich weit zurückreichenden Charakter der streitigen Praxis in Rechnung zu stellen haben, die unstrittig, wie in Rn. 84 des vorliegenden Urteils festgestellt, unterschiedslos und dauerhaft alle Bewohner des betroffenen Stadtteils betrifft, obwohl – was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen sein wird – den meisten von ihnen keinerlei rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann und sie nicht für derartige Handlungen Dritter verantwortlich gemacht werden dürfen.

126    Im Rahmen seiner Beurteilung wird das vorlegende Gericht schließlich das legitime Interesse der in dem betroffenen Stadtteil wohnenden Endverbraucher zu berücksichtigen haben, ihren Stromverbrauch effektiv und regelmäßig ablesen und kontrollieren zu können. Dieses Interesse und diese Kontrolle sind, wie oben in Rn. 44 des vorliegenden Urteils dargelegt, vom Unionsgesetzgeber ausdrücklich anerkannt und gefördert worden.

127    Obgleich die Berücksichtigung sämtlicher vorstehender Beurteilungskriterien offenbar zu dem Schluss führen muss, dass die streitige Praxis nicht nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 gerechtfertigt sein kann, weil die durch sie verursachten Nachteile im Hinblick auf die angestrebten Ziele als unverhältnismäßig erscheinen, ist es im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV Sache des vorlegenden Gerichts, die in dieser Hinsicht erforderliche abschließende Beurteilung vorzunehmen.

128    Nach alledem ist auf die zehnte Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 dahin auszulegen ist, dass eine Praxis wie die im Ausgangsverfahren fragliche durch das Bestreben, die Sicherheit des Elektrizitätsnetzes zu gewährleisten und ordnungsgemäß den Stromverbrauch zu erfassen, nur dann sachlich gerechtfertigt sein kann, wenn sie nicht über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Verwirklichung dieser rechtmäßigen Ziele angemessen und erforderlich ist, und wenn die verursachten Nachteile im Hinblick auf die damit angestrebten Ziele nicht unverhältnismäßig sind. Das ist nicht der Fall, wenn, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, festgestellt wird, dass es andere geeignete und weniger einschneidende Mittel gibt, um die genannten Ziele zu erreichen, oder wenn, sollte es solche anderen Mittel nicht geben, diese Praxis eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des legitimen Interesses darstellt, das die Endabnehmer elektrischen Stroms, die in dem betroffenen Stadtteil leben, das im Wesentlichen von Personen mit Roma-Herkunft bewohnt wird, am Zugang zur Stromversorgung unter Bedingungen haben, die weder beleidigend noch stigmatisierend sind und es ihnen ermöglichen, ihren Stromverbrauch regelmäßig zu kontrollieren.

 Kosten

129    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Der Begriff der „Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft“ im Sinne der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, insbesondere ihrer Art. 1 und 2 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass er auf einen Sachverhalt wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, in dem in einem Stadtviertel, in dem im Wesentlichen Personen mit Roma-Herkunft wohnen, sämtliche Stromzähler in einer Höhe von sechs bis sieben Metern an den Masten des Freileitungsnetzes angebracht sind, während solche Zähler in den übrigen Stadtvierteln in einer Höhe von weniger als zwei Metern angebracht sind, unterschiedslos anzuwenden ist, gleichviel ob die fragliche Maßnahme Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Personen anderer Herkunft betrifft, die durch diese Maßnahme zusammen mit Ersteren weniger günstig behandelt oder in besonderer Weise benachteiligt werden.

2.      Die Richtlinie 2000/43, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der, um das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft in den von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie erfassten Bereichen bejahen zu können, die weniger günstige Behandlung oder die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie in einer Beeinträchtigung von Rechten oder legitimen Interessen bestehen muss.

3.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43 ist dahin auszulegen, dass eine Maßnahme wie die in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils beschriebene eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn sich erweist, dass diese Maßnahme aus Gründen eingeführt und/oder beibehalten wurde, die mit der ethnischen Herkunft des überwiegenden Teils der Bewohner des betroffenen Stadtteils zusammenhängen. Dies ist vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher relevanten Umstände des Falles und der in Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Regeln über die Beweislastumkehr zu beurteilen.

4.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 ist dahin auszulegen, dass

–        diese Bestimmung einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft nur vorliegt, wenn die in besonderer Weise benachteiligende Maßnahme aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft ergriffen wurde;

–        mit dem Begriff „dem Anschein nach neutrale“ Vorschriften, Kriterien oder Verfahren im Sinne dieser Bestimmung solche Vorschriften, Kriterien oder Verfahren gemeint sind, die dem Anschein nach in neutraler Weise formuliert sind und angewendet werden, d. h. nach Maßgabe von Faktoren, die andere als das geschützte Merkmal und diesem auch nicht gleichwertig sind;

–        der Begriff „in besonderer Weise benachteiligen“ im Sinne dieser Bestimmung nicht besonders erhebliche, offensichtliche und schwerwiegende Fälle von Ungleichheit bezeichnet, sondern vielmehr bedeutet, dass es insbesondere Personen einer bestimmten Rasse oder mit einer bestimmten ethnischen Herkunft sind, die durch die Vorschrift, das Kriterium oder das Verfahren, welche in Frage stehen, benachteiligt werden;

–        eine Maßnahme wie die in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils beschriebene, falls in ihr keine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie liegen sollte, grundsätzlich geeignet ist, eine im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie dem Anschein nach neutrale Praxis darzustellen, die Personen mit einer bestimmten ethnischen Herkunft in besonderer Weise benachteiligt;

–        eine solche Maßnahme durch das Bestreben, die Sicherheit des Elektrizitätsnetzes zu gewährleisten und ordnungsgemäß den Stromverbrauch zu erfassen, nur dann sachlich gerechtfertigt sein kann, wenn sie nicht über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Verwirklichung dieser rechtmäßigen Ziele angemessen und erforderlich ist, und wenn die verursachten Nachteile im Hinblick auf die damit angestrebten Ziele nicht unverhältnismäßig sind. Das ist nicht der Fall, wenn, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, festgestellt wird, dass es andere geeignete und weniger einschneidende Mittel gibt, um die genannten Ziele zu erreichen, oder wenn, sollte es solche anderen Mittel nicht geben, diese Praxis eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des legitimen Interesses darstellt, das die Endabnehmer elektrischen Stroms, die in dem betroffenen Stadtteil leben, das im Wesentlichen von Personen mit Roma-Herkunft bewohnt wird, am Zugang zur Stromversorgung unter Bedingungen haben, die nicht beleidigend oder stigmatisierend sind und es ihnen ermöglichen, ihren Stromverbrauch regelmäßig zu kontrollieren.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Bulgarisch.