Language of document : ECLI:EU:C:2016:386

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 2. Juni 2016(1)

Rechtssache C‑76/15

Paul Vervloet u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des Grondwettelijk Hof [Verfassungsgerichtshof, Belgien])

„Wettbewerb – Staatliche Beihilfen (Art. 107 Abs. 1 AEUV) – Belgische Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Anteilseigner an zugelassenen Finanzgenossenschaften – Gültigkeit des Beschlusses der Europäischen Kommission zur Untersagung der Garantieregelung (Beschluss 2014/686/EU) – Stillhalteverpflichtung (Art. 108 Abs. 3 AEUV) – Einlagensicherungssysteme (Richtlinie 94/19/EG)“





I –    Einleitung

1.        Die Bewältigung der 2008 ausgebrochenen weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise hat in der Europäischen Union zu mannigfaltigen Problemen geführt, mit denen auch unser Gerichtshof immer wieder befasst wird. Von herausragender Bedeutung waren in den letzten Jahren sicherlich zwei Verfahren mit verfassungsrechtlicher Dimension, in denen der Gerichtshof aufgerufen war, die Rechtmäßigkeit einiger auf europäischer Ebene getroffener Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion zu beurteilen(2). Weniger spektakulär, aber gleichwohl von großer wirtschaftlicher, sozialer und politischer Tragweite sind bestimmte Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Stabilisierung ihres jeweiligen nationalen Finanzsektors und zum Schutz der Spareinlagen der Unionsbürger. Genau um eine solche Maßnahme geht es im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren.

2.        Im Zusammenhang mit der Rekapitalisierung der in schwere Turbulenzen geratenen belgisch-französischen Dexia-Bank hat der belgische Staat eine Garantie zugunsten der zahlreichen natürlichen Personen(3) abgegeben, die seinerzeit als Anteilseignerinnen an drei Finanzgenossenschaften der ARCO-Gruppe(4) beteiligt waren (im Folgenden auch: ARCO-Finanzgenossenschaften oder schlicht ARCO). ARCO war damals einer der Hauptaktionäre von Dexia.

3.        Die besagte Garantie für von Privatpersonen gehaltene Anteile an den Genossenschaften der ARCO-Gruppe (im Folgenden auch: ARCO-Garantie) stieß in zweierlei Hinsicht auf rechtlichen Widerstand.

4.        Zum einen beschäftigte die ARCO-Garantie die Europäische Kommission, welche die zugrunde liegende Garantieregelung im Jahr 2014 mit Beschluss 2014/686/EU(5) als staatliche Beihilfe einstufte und sie für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärte. Die Kommission verpflichtete das Königreich Belgien, die damit verbundenen Vorteile zurückzufordern sowie keinerlei Zahlungen auf die ARCO-Garantie hin zu leisten. Gegen jenen Beschluss sind derzeit zwei Nichtigkeitsklagen vor dem Gericht der Europäischen Union anhängig(6).

5.        Zum anderen rief die ARCO-Garantie eine Reihe von privaten und institutionellen Anlegern in Belgien auf den Plan, die ihr Geld nicht in Genossenschaftsanteilen der ARCO-Gruppe, sondern direkt oder vermittelt durch Holdinggesellschaften in Aktien von Dexia oder anderen Kapitalgesellschaften investiert hatten und sich nun benachteiligt fühlten, weil sie nicht in den Genuss einer solchen Garantie kamen. Durch ihre Klagen gegen den belgischen Staat haben sie einen Rechtsstreit initiiert, der inzwischen den Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof des Königreichs Belgien) erreicht hat.

6.        Mit beiden Aspekten der ARCO-Garantie hat sich unser Gerichtshof nunmehr auf Vorlage des belgischen Verfassungsgerichtshofs zu befassen. Neben der Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 der Kommission hat der Gerichtshof zu prüfen, ob eine Garantieregelung wie die belgische mit den Vorgaben des Unionsrechts zur Einlagensicherung gemäß der Richtlinie 94/19/EG(7) sowie mit dem Verbot staatlicher Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV und Art. 108 Abs. 3 AEUV vereinbar ist.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

7.        Der unionsrechtliche Rahmen dieses Falles wird zum einen durch die Art. 107 AEUV, 108 AEUV, 296 AEUV sowie die Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte bestimmt, zum anderen durch die Richtlinie 94/19(8). Nachfolgend beschränke ich mich darauf, allein die einschlägigen Vorschriften der Richtlinie wiederzugeben.

8.        Für die Zwecke der Richtlinie 94/19 sind in ihrem Art. 1 u. a. diese Begriffsbestimmungen enthalten:

„1.      Einlage: ein Guthaben, das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist, sowie Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat.

Anteile an britischen und irischen Bausparkassen, ausgenommen solche, die im Sinne des Artikels 2 ihrem Wesen nach als Kapital anzusehen sind, gelten als Einlagen.

4.      Kreditinstitut: ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren;

…“

9.        Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 94/19 ist folgendermaßen abgefasst:

„Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen darf ein in dem Mitgliedstaat nach Artikel 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.“

10.      Ergänzend ist auf Art. 2 der Richtlinie 94/19 hinzuweisen:

„Folgende Einlagen sind von einer Rückzahlung durch die Einlagensicherungssysteme ausgeschlossen:

–        vorbehaltlich des Artikels 8 Absatz 3 Einlagen, die andere Kreditinstitute im eigenen Namen und auf eigene Rechnung getätigt haben;

–        alle Instrumente, die unter die Definition der ‚Eigenmittel’ in Artikel 2 der Richtlinie 89/299/EWG … über die Eigenmittel von Kreditinstituten … fallen;

–        Einlagen im Zusammenhang mit Transaktionen, aufgrund deren Personen in einem Strafverfahren wegen Geldwäsche im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 91/308/EWG … verurteilt worden sind.“

B –    Nationales Recht

11.      Aus dem belgischen Recht ist in erster Linie das Gesetz vom 22. Februar 1998 zur Festlegung des Grundlagenstatuts der Belgischen Nationalbank (im Folgenden: Nationalbankgesetz) relevant.

12.      Mit Königlichem Erlass vom 3. März 2011, der später vom belgischen Parlament ratifiziert wurde(9), fand ab dem 1. April 2011 ein neuer Art. 36/24 Eingang in das Nationalbankgesetz, der in seiner für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt lautet:

„§ 1.      Der König kann nach einer Stellungnahme der Bank in dem Fall, dass es plötzlich zu einer Krise auf den Finanzmärkten kommt oder eine ernsthafte Bedrohung durch eine systemische Krise eintritt, mit dem Ziel, deren Ausmaß oder Folgen zu begrenzen,

2.      ein System vorsehen, durch das eine Staatsgarantie gewährt wird für Verpflichtungen, die durch die aufgrund des vorerwähnten Gesetzes einer Aufsicht unterliegenden Institute, die Er bestimmt, eingegangen wurden, oder die Staatsgarantie für bestimmte Forderungen, die im Besitz dieser Institute sind, gewähren;

3.      ein System vorsehen, gegebenenfalls durch Verordnungen, die gemäß Nr. 1 angenommen werden, das dazu dient, Gesellschaftern, die natürliche Personen sind, die Staatsgarantie zu gewährleisten für die Erstattung ihres Anteils am Kapital von Genossenschaften, die zugelassen sind gemäß dem königlichen Erlass vom 8. Januar 1962 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung der nationalen Genossenschaftsverbände und der Genossenschaften, die Einrichtungen sind, die aufgrund der vorerwähnten Gesetze einer Aufsicht unterliegen oder deren Vermögen wenigstens zur Hälfte in solche Einrichtungen investiert wird;

Die … königlichen Erlasse werden wirkungslos, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach dem Datum ihres Inkrafttretens durch Gesetz bestätigt wurden. Die Bestätigung gilt rückwirkend zum Datum des Inkrafttretens der königlichen Erlasse. Die aufgrund von Absatz 1 Nrn. 2 bis 6 ergangenen königlichen Erlasse werden im Ministerrat beraten.

…“

13.      Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wurde jene Bestimmung – wie auch ihre Vorläuferregelungen(10) – im Kontext der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 erlassen. Die Bestimmung soll es ermöglichen, zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, um das Ausmaß und die Folgen einer etwaigen plötzlichen Krise auf den Finanzmärkten oder einer ernsthaften Bedrohung durch eine systemische Krise zu begrenzen. Speziell mit Blick auf Finanzgenossenschaften war der belgische Gesetzgeber außerdem der Ansicht, dass deren Anteile in gewissen Fällen alle Merkmale eines Sparprodukts aufwiesen, so dass sie in derselben Weise zu schützen seien wie Bankeinlagen oder bestimmte Arten von Lebensversicherungen.

14.      Auf der Grundlage von Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes erging sodann der Königliche Erlass vom 10. Oktober 2011, mit dem es den im Finanzsektor tätigen zugelassenen Genossenschaften ermöglicht wurde, sich auf freiwilliger Basis an dem 2008 in Belgien eingeführten Sonderschutzfonds für Einlagen und Lebensversicherungen zu beteiligen. Der besagte Fonds wurde gleichzeitig in „Sonderschutzfonds für Einlagen, Lebensversicherungen und das Kapital zugelassener Genossenschaften“ umbenannt.

15.      Mit Königlichem Erlass vom 7. November 2011 wurde schließlich der Antrag von drei zugelassenen Genossenschaften der ARCO-Gruppe, namentlich Arcopar, Arcofin und Arcoplus, auf Schutz ihres Kapitals angenommen. Andere Anträge von Genossenschaften auf Erteilung derartiger Garantien lagen nicht vor.

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

16.      Der Verfassungsgerichtshof des Königreichs Belgien wird derzeit in drei verbundenen Verfahren vom Raad van State (Staatsrat, Belgien) zur Verfassungsmäßigkeit von Art. 36/24 des Nationalbankgesetzes befragt, einer Bestimmung, die der belgische Gesetzgeber, wie bereits erwähnt, als Reaktion auf die 2008 ausgebrochene weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise erließ.

17.      Anlass für jenes Normenkontrollverfahren ist die vom belgischen Staat auf der Grundlage von Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes geschaffene Garantieregelung für Anteile an bestimmten zugelassenen Finanzgenossenschaften, soweit sie von natürlichen Personen gehalten werden, und zwar bis zur gesetzlich festgelegten Höhe von 100 000 Euro pro Anleger.

18.      Die Absicht, eine solche Garantie zu gewähren, war bereits einige Zeit zuvor Gegenstand zweier Regierungsmitteilungen gewesen, und zwar zunächst am 10. Oktober 2008 und sodann erneut am 21. Januar 2009(11). Die Mitteilung vom 21. Januar 2009 hat auch die ARCO-Gruppe am selben Tag auf ihre Internetseite eingestellt.

19.      Bei der Europäischen Kommission hat der belgische Staat die besagte Garantieregelung erst am 7. November 2011 angemeldet, dem Tag der Aufnahme der ARCO-Finanzgenossenschaften in das belgische Einlagensicherungssystem durch Königlichen Erlass(12).

20.      Der Verfassungsgerichtshof hat nun auf ein Ersuchen des Staatsrats hin zu klären, ob die in Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes vorgesehene Garantieregelung mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung vereinbar ist, wie sie in den Art. 10 und 11 der belgischen Verfassung verankert sind. Im Kern lautet der Vorwurf der Kläger vor dem Staatsrat, jene Garantieregelung führe zu einer Diskriminierung zwischen den privaten Anteilseignern von Finanzgenossenschaften und diversen Anteilseignern anderer auf dem Markt tätiger Kapitalgesellschaften und Einrichtungen.

21.      Als Vorfrage für seine verfassungsrechtliche Beurteilung von Art. 36/24 des Nationalbankgesetzes begehrt der Verfassungsgerichtshof Auskunft darüber, ob der belgische Staat mit der streitigen Garantieregelung gegen das Unionsrecht verstoßen hat, und zwar zum einen gegen die Vorgaben zur Einlagensicherung und zum anderen gegen das Recht der staatlichen Beihilfen. Zur Klärung dieser Vorfrage hält er eine Vorabentscheidung unseres Gerichtshofs für erforderlich.

IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

22.      Mit Urteil vom 5. Februar 2015, eingegangen am 19. Februar 2015, hat der belgische Verfassungsgerichtshof unserem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt(13):

1)      Sind die Art. 2 und 3 der Richtlinie 94/19/EG, gegebenenfalls in Verbindung mit den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichheit, dahin auszulegen, dass

a)      sie den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegen, die Anteile der im Finanzsektor tätigen zugelassenen Genossenschaften auf die gleiche Weise zu garantieren wie die Einlagen?

b)      sie dem entgegenstehen, dass ein Mitgliedstaat der Einheit, die teilweise mit der Gewährleistung der in dieser Richtlinie erwähnten Einlagen beauftragt ist, den Auftrag erteilt, ebenfalls bis zu einem Betrag von 100 000 Euro den Wert der Anteile der natürlichen Personen, die Gesellschafter einer im Finanzsektor tätigen zugelassenen Genossenschaft sind, zu garantieren?

2)      Ist der Beschluss 2014/686/EU vereinbar mit den Art. 107 AEUV und 296 AEUV, sofern dadurch die Garantieregelung, die Gegenstand dieses Beschlusses ist, als neue staatliche Beihilfe eingestuft wird?

3)      Ist – falls die zweite Frage verneinend beantwortet wird – Art. 107 AEUV dahin auszulegen, dass eine Regelung der Staatsgarantie, die den natürlichen Personen gewährt wird, die Gesellschafter von im Finanzsektor tätigen zugelassenen Genossenschaften sind, im Sinne von Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes eine neue staatliche Beihilfe ist, die der Europäischen Kommission gemeldet werden muss?

4)      Ist – falls die zweite Frage bejahend beantwortet wird – der Beschluss 2014/686 vereinbar mit Art. 108 Abs. 3 AEUV, wenn er dahin ausgelegt wird, dass darin davon ausgegangen wird, dass die fragliche staatliche Beihilfe vor dem 3. März 2011 oder dem 1. April 2011 oder an einem dieser beiden Daten zur Durchführung gebracht wurde, oder umgekehrt, wenn er dahin ausgelegt wird, dass darin davon ausgegangen wird, dass die besagte staatliche Beihilfe zu einem späteren Datum zur Durchführung gebracht wurde?

5)      Ist Art. 108 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, eine Maßnahme wie diejenige, die in Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes enthalten ist, anzunehmen, wenn diese Maßnahme eine staatliche Beihilfe zur Durchführung bringt oder eine staatliche Beihilfe darstellt, die bereits zur Durchführung gebracht wurde, und diese staatliche Beihilfe noch nicht der Europäischen Kommission gemeldet wurde?

6)      Ist Art. 108 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, ohne vorherige Anmeldung bei der Europäischen Kommission eine Maßnahme wie diejenige, die in Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes enthalten ist, anzunehmen, wenn diese Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt, die noch nicht zur Durchführung gebracht wurde?

23.      Auf Ersuchen des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht im Januar 2016 gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung die Entscheidungserheblichkeit der zweiten bis sechsten Frage für den Ausgangsrechtsstreit näher erläutert.

24.      Am schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof haben die Kläger des Ausgangsverfahrens (zum einen Herr Vervloet u. a., zum anderen die Gemeinde Schaerbeek und der Pensionsfonds Ogeo Fund), die drei am Ausgangsverfahren als Streithelferinnen beteiligten Finanzgenossenschaften der ARCO-Gruppe (Arcopar, Arcofin und Arcoplus) sowie das Königreich Belgien und die Europäische Kommission mitgewirkt. Dieselben Beteiligten waren auch in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2016 vertreten.

V –    Würdigung

25.      Mit seinem umfangreichen Fragenkatalog möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der belgische Staat gegen das Unionsrecht verstoßen hat, als er im Zusammenhang mit der 2008 ausgebrochenen Wirtschafts- und Finanzkrise eine Garantieregelung zugunsten der privaten Anteilseigner bestimmter Finanzgenossenschaften ins Leben rief.

A –    Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

26.      Bevor ich mich der inhaltlichen Würdigung der Vorlagefragen zuwende, sind einige Worte zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens veranlasst. Von einigen Verfahrensbeteiligten wurde nämlich die Entscheidungserheblichkeit von Rechtsproblemen des Unionsrechts mit der Begründung angezweifelt, im Ausgangsrechtsstreit komme es allein auf belgisches Verfassungsrecht an, und weder die Richtlinie 94/19 noch das Recht der staatlichen Beihilfen – auch nicht die Frage der Selektivität von Beihilfen – hätten damit etwas zu tun.

27.      Hierzu ist anzumerken, dass für Vorlagefragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(14).

28.      Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.

29.      Sicherlich ist der belgische Verfassungsgerichtshof hier aufgerufen, die streitige Garantieregelung gemäß Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes aus dem Blickwinkel der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung zu prüfen, wie sie in den Art. 10 und 11 der belgischen Verfassung verankert sind. Dafür sieht der Verfassungsgerichtshof aber offenbar die von ihm vorgelegten unionsrechtlichen Fragen als vorgreiflich an. Dies hat er schon in seinem Vorlagebeschluss angedeutet und in seinen ergänzenden Klarstellungen gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung weiter ausgeführt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor unserem Gerichtshof haben dies die Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Gemeinde Schaerbeek und der Ogeo Fund, klar herausgearbeitet.

30.      In sehr überzeugender Weise geht der Verfassungsgerichtshof zunächst der Vorfrage nach, ob die streitige Garantieregelung unionsrechtskonform ist. Daraus zieht er sodann Rückschlüsse für das Bestehen oder Nichtbestehen einer verbotenen Ungleichbehandlung im Sinne der belgischen Verfassung.

31.      Sollte nämlich aus dem Unionsrecht folgen, dass besagte Garantieregelung unionsrechtlich geboten ist (beispielsweise, weil aus den Vorschriften über die Einlagensicherung gemäß der Richtlinie 94/19 eine entsprechende Verpflichtung für den belgischen Staat folgt), so könnte dies auch eine Rechtfertigung für eine etwaige Ungleichbehandlung unter Anlegern darstellen. Sollte sich hingegen erweisen, dass das Unionsrecht einer solchen Garantieregelung entgegensteht (beispielsweise, weil sie unter Missachtung der Vorgaben der Richtlinie 94/19 oder der Anforderungen des Rechts der staatlichen Beihilfen eingeführt wurde), so könnte diese Regelung womöglich auch keine Ungleichbehandlung zwischen Anlegern im Sinne der belgischen Verfassung rechtfertigen.

32.      Damit sind die Vorlagefragen nicht offensichtlich unerheblich für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits, und an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens können somit keine ernsthaften Zweifel bestehen.

B –    Inhaltliche Würdigung der Vorlagefragen

33.      Inhaltlich ist der Gerichtshof aufgerufen, eine Garantieregelung wie die belgische einerseits an den unionsrechtlichen Vorgaben zur Einlagensicherung zu messen (erste Vorlagefrage, vgl. dazu sogleich Abschnitt 1) und sie andererseits aus dem Blickwinkel des unionsrechtlichen Verbots staatlicher Beihilfen zu beurteilen (zweite bis sechste Vorlagefrage, vgl. dazu unten Abschnitt 2).

1.      Die unionsrechtlichen Vorgaben zur Einlagensicherung (erste Vorlagefrage)

34.      Mit seiner ersten Frage begehrt das vorlegende Gericht im Kern Auskunft darüber, ob eine Garantieregelung wie die hier streitige mit den unionsrechtlichen Anforderungen bezüglich der Einlagensicherung im Einklang steht. Zu diesem Zweck befragt der Verfassungsgerichtshof unseren Gerichtshof zur Bedeutung der Art. 2 und 3 der Richtlinie 94/19, ausgelegt im Lichte der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte und des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung.

35.      Während ARCO der Meinung ist, die Garantieregelung sei nach dem Sinn und Zweck der Einlagensicherung gemäß der Richtlinie 94/19 geboten gewesen, vertreten die Gemeinde Schaerbeek und der Ogeo Fund die entgegengesetzte Auffassung. Belgien und die Kommission meinen, im Grundsatz sei eine solche Garantieregelung nach der Richtlinie weder geboten noch verboten. Die privaten Kläger um Herrn Vervloet betonen ihrerseits, die Garantieregelung stelle keine Umsetzung der Richtlinie 94/19 dar, und eine Ausdehnung der Einlagensicherung auf die Anteile von Finanzgenossenschaften sei systemwidrig.

36.      Wie ich im Folgenden darlegen werde, verhält sich die Richtlinie 94/19 zu einer Problematik wie der hier fraglichen grundsätzlich neutral. Eine Ausdehnung der Einlagensicherung auf Anteile von Finanzgenossenschaften ist nach dieser Richtlinie weder geboten (siehe dazu sogleich in Abschnitt a) noch verboten (siehe dazu weiter unten in Abschnitt b).

a)      Kein aus der Richtlinie 94/19 folgendes Gebot der Ausdehnung der Einlagensicherung auf Anteile von Finanzgenossenschaften (erster Teil der ersten Vorlagefrage)

37.      Zunächst ist zu klären, ob es nach der Richtlinie 94/19 geboten war, ein nationales Einlagensicherungssystem wie das belgische auch auf die von Privaten gehaltenen Anteile an Finanzgenossenschaften auszudehnen.

38.      Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung von Einlagensicherungssystemen zu sorgen, folgt aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 94/19. Welche Reichweite diese Verpflichtung hat, muss mit Blick auf den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie beurteilt werden.

39.      In sachlicher Hinsicht findet die Richtlinie 94/19 auf Einlagen Anwendung. Dabei handelt es sich nach der Begriffsbestimmung in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie um Guthaben auf Konten, die dem Inhaber zurückzuzahlen sind, sowie um Forderungen, die in Urkunden verbrieft sind.

40.      Weder das eine noch das andere trifft nach den uns vorliegenden Informationen auf die Anteile von belgischen Finanzgenossenschaften wie denen der ARCO-Gruppe zu. Denn im Kern handelt es sich bei solchen Anteilen um eine Beteiligung am Eigenkapital des betreffenden Unternehmens, während Einlagen sich dadurch auszeichnen, dass sie zum Fremdkapital eines Kreditinstituts gehören.

41.      Überdies sind Einlagen ihrem Inhaber bei Fälligkeit zum Nominalwert zurückzuzahlen, gegebenenfalls zuzüglich der vereinbarten Verzinsung und abzüglich etwaiger Gebühren und Steuern, wohingegen der Geldbetrag, den ein Genosse bei seinem Rückzug aus der jeweiligen Genossenschaft erhält, die Ertragsentwicklung dieses Unternehmens widerspiegelt und dementsprechend mal höher, mal niedriger ausfallen kann.

42.      Folglich ist der Erwerb eines Genossenschaftsanteils durch einen Anleger, mag er ihm auch noch so sehr als Sparprodukt angepriesen worden sein, weniger mit der Einzahlung auf ein Bankkonto oder mit dem Erwerb einer Obligation zu vergleichen als vielmehr mit dem Kauf einer Aktie, für den nach der Richtlinie 94/19 keinerlei Absicherung vorgeschrieben ist.

43.      Die in Rede stehenden Anteile der belgischen Finanzgenossenschaften sind im Übrigen auch nicht den Anteilen an Bausparkassen gleichzustellen, wie sie in Art. 1 Nr. 1 Abs. 2 der Richtlinie 94/19 erwähnt werden. Denn zum einen betrifft diese besondere Ausweitung des Begriffs der Einlage schon nach ihrem Wortlaut ausschließlich Anteile britischer und irischer Bausparkassen, wohingegen in jener Vorschrift von Finanzgenossenschaften belgischen Rechts keine Rede ist. Und zum anderen gilt diese Sonderregelung ausdrücklich nicht für solche Anteile, die ihrem Wesen nach als Kapital anzusehen sind. Genau darum – um eine Beteiligung am Eigenkapital – handelt es sich aber, wie schon erwähnt, bei den hier streitigen Anteilen an Finanzgenossenschaften wie denen der ARCO-Gruppe.

44.      In persönlicher Hinsicht ist die Richtlinie 94/19 nur auf Kreditinstitute anwendbar. Dabei dreht es sich gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie um Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren.

45.      Auch daran fehlt es im Fall der Finanzgenossenschaften, auf die die streitige belgische Garantieregelung abzielt. Denn nach den übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten des Ausgangsrechtsstreits, einschließlich ARCO selbst, sind Finanzgenossenschaften wie die der ARCO-Gruppe keine Kreditinstitute. Weder nehmen sie Einlagen des Publikums entgegen, noch vergeben sie in der für Banken charakteristischen Weise regelmäßig Kredite für eigene Rechnung.

46.      Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Richtlinie 94/19 im Lichte des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung auslegt, wie es der belgische Verfassungsgerichtshof mit seiner Vorlagefrage suggeriert.

47.      Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte verankert ist(15). Er kann nicht je nach Rechtsgebiet unterschiedlich ausgelegt und angewandt werden.

48.      Nach ständiger Rechtsprechung besagt dieser Grundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist(16).

49.      Wie oben dargelegt(17), unterscheiden sich die in Rede stehenden Anteile an Finanzgenossenschaften mit Blick auf den Gegenstand der unionsrechtlichen Einlagensicherung maßgeblich von klassischen Einlagen bei Kreditinstituten, auch wenn sie in mancherlei Hinsicht – beispielsweise in Bezug auf ihre Besteuerung, auf ihre Reglementierung durch den Staat und auf ihre Beliebtheit beim Publikum – klassischen Sparprodukten ähneln mögen. Dementsprechend ist es aus Gründen der Gleichbehandlung keineswegs unionsrechtlich geboten, ein nationales Einlagensicherungssystem wie das belgische auf solche Genossenschaftsanteile zu erstrecken.

50.      Folglich war Belgien weder nach der Richtlinie 94/19 noch nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz unionsrechtlich verpflichtet, sein nationales System der Einlagensicherung auf diese Form der Kapitalanlage auszudehnen.

b)      Kein aus der Richtlinie 94/19 folgendes Verbot der Ausdehnung der Einlagensicherung auf Anteile von Finanzgenossenschaften (zweiter Teil der ersten Vorlagefrage)

51.      Des Weiteren ist zu erörtern, ob es nach der Richtlinie 94/19 verboten war, ein nationales Einlagensicherungssystem wie das belgische auch auf die von Privaten gehaltenen Anteile an Finanzgenossenschaften auszudehnen.

52.      Für die Beantwortung dieser Frage kommt es in erster Linie auf den zweiten Gedankenstrich von Art. 2 der Richtlinie 94/19 an. Gemäß jener Vorschrift sind von der Rückzahlung durch die Einlagensicherungssysteme alle Instrumente ausgeschlossen, die unter die Definition der Eigenmittel in Art. 2 der Richtlinie 89/299 fallen, wozu nicht zuletzt das „eingezahlte Kapital“ gehört.

53.      Auf den ersten Blick scheint dieser Ausschlussgrund hier tatsächlich einschlägig zu sein. Denn wie schon oben ausgeführt, handelt es sich bei den in Rede stehenden Anteilen von Finanzgenossenschaften um ein Instrument, mit dem der Anleger ähnlich wie beim Kauf von Aktien eine Beteiligung am Eigenkapital des jeweiligen Unternehmens erwirbt(18).

54.      Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sich der Ausschlussgrund im zweiten Gedankenstrich von Art. 2 der Richtlinie 94/19 nur auf die Eigenmittel von Kreditinstituten bezieht. Denn es ist dort ausdrücklich von „Eigenmitteln“ die Rede, „die unter die Definition von Art. 2 der Richtlinie 89/299 über die Eigenmittel von Kreditinstituten … fallen“. Wie bereits erwähnt(19), handelt es sich aber bei den zugelassenen Finanzgenossenschaften belgischen Rechts gerade nicht um solche Kreditinstitute.

55.      Damit steht Art. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 94/19 einer Ausdehnung des nationalen Einlagensicherungssystems auf die von Privatpersonen gehaltenen Anteile von Finanzgenossenschaften grundsätzlich nicht entgegen.

56.      Mehr noch: Der Umstand, dass die Richtlinie in Sachen Einlagensicherung lediglich eine Mindestharmonisierung vornimmt(20), spricht für einen Spielraum der Mitgliedstaaten zur Einbeziehung weiterer, unionsrechtlich nicht vorgesehener Fallgestaltungen in ihre nationalen Einlagensicherungssysteme.

57.      Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten nicht völlig frei, ihre nationalen Einlagensicherungssysteme nach Belieben über den von der Richtlinie 94/19 vorgegebenen Sicherungsgegenstand der Einlagen bei Kreditinstituten hinaus auf andere Sachverhalte auszudehnen. Zwar sind sie insoweit nicht gehalten, den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, denn dieser bindet die nationalen Stellen nur bei der Durchführung des Unionsrechts (vgl. Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte). Sie dürfen aber die praktische Wirksamkeit des Systems der Einlagensicherung, wie es im gesamten Binnenmarkt mit der Richtlinie 94/19 verwirklicht werden soll, nicht beeinträchtigen.

58.      Wie die Kommission in diesem Zusammenhang zu Recht unterstreicht, könnte es zu einer solchen Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Einlagensicherung kommen, wenn ein Mitgliedstaat seinem nationalen Einlagensicherungssystem in größerem Umfang Risiken aufbürdete, die mit dem Zweck dieses Systems nicht unmittelbar etwas zu tun haben. Denn je höher die abzusichernden Risiken sind, desto mehr wird die Einlagensicherung verwässert und desto weniger kann das Einlagensicherungssystem – bei im Wesentlichen gleichbleibenden Mitteln – zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie 94/19 beitragen, das darin besteht, eine harmonische Entwicklung der Tätigkeiten der Kreditinstitute zu fördern, die Stabilität des Bankensystems zu stärken und die Sparer zu schützen(21).

59.      Ob die streitige Garantieregelung tatsächlich die praktische Wirksamkeit des belgischen Einlagensicherungssystems konkret beeinträchtigt, müssen die nationalen Gerichte beurteilen. Dabei werden sie zu berücksichtigen haben, dass eine Garantie wie die ARCO-Garantie eine große Anzahl von Kleinanlegern in das Einlagensicherungssystem einbezieht, dass die Finanzgenossenschaften in der Vergangenheit keinerlei Beitrag zur Finanzierung des Systems geleistet haben(22) und dass sie überhaupt nur wenige Tage vor Eintritt des Sicherungsfalls – nämlich rund einen Monat vor dem Beschluss zu ihrer freiwilligen Liquidierung – in das System aufgenommen wurden. Damit erhalten sie aus dem nationalen System der Einlagensicherung eine deutlich lukrativere Gegenleistung als andere, schon seit längerer Zeit als Beitragszahler dem System angeschlossene Unternehmen.

60.      Es versteht sich im Übrigen von selbst, dass auch sonstige unionsrechtliche Vorgaben – insbesondere die Anforderungen des Rechts der staatlichen Beihilfen gemäß den Art. 107 AEUV und 108 AEUV(23) – nicht missachtet werden dürfen.

c)      Zwischenergebnis

61.      Alles in allem ist also die Richtlinie 94/19 dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, es ihnen aber auch nicht verwehrt, die Anteile natürlicher Personen an zugelassenen Finanzgenossenschaften in ihr jeweiliges nationales System der Einlagensicherung einzubeziehen, sofern dadurch nicht die praktische Wirksamkeit der Einlagensicherung beeinträchtigt oder sonstige unionsrechtliche Vorgaben missachtet werden.

2.      Die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Recht der staatlichen Beihilfen (zweite bis sechste Vorlagefrage)

62.      Mit seiner zweiten bis sechsten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Garantieregelung wie die hier streitige mit den unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Recht der staatlichen Beihilfen in Konflikt steht. Im Wesentlichen geht es dem Verfassungsgerichtshof darum, zu klären, ob es sich bei dieser Garantieregelung um eine neue staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV handelte, die bei der Kommission anzumelden war und vor ihrer Genehmigung durch die Kommission nicht durchgeführt werden durfte: Diese Problematik zieht sich wie ein roter Faden durch die Gesamtheit der Fragen zwei bis sechs.

63.      Hingegen ist die Vereinbarkeit der Garantieregelung mit dem Binnenmarkt, insbesondere im Lichte von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV, zu der sich mehrere Verfahrensbeteiligte vor dem Gerichtshof geäußert haben, nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des Verfassungsgerichtshofs.

a)      Zur Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 der Kommission (zweite Frage)

64.      Mit seiner zweiten Frage bringt das vorlegende Gericht zunächst den Beschluss 2014/686 auf den Prüfstand, um dessen Gültigkeitsprüfung es den Gerichtshof ersucht. Solange nämlich dieser Beschluss nicht vom Unionsrichter auf eine Klage hin für nichtig erklärt oder auf ein Vorabentscheidungsersuchen hin für ungültig erklärt wurde, bleibt der Verfassungsgerichtshof an die darin enthaltene Einschätzung der Kommission gebunden(24), wonach es sich bei der ARCO-Garantie um eine neue staatliche Beihilfe handelt, die in rechtswidriger Weise durchgeführt wurde, deren Vorteile zurückzufordern sind und auf die keinerlei Zahlungen geleistet werden dürfen.

65.      Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, stellen die drei Finanzgenossenschaften der ARCO-Gruppe die Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 im Ausgangsrechtsstreit vor den belgischen Gerichten (Verfassungsgerichtshof und Staatsrat) im Wesentlichen mit denselben Argumenten in Frage, mit denen sie auch ihre vor dem Gericht der Europäischen Union gegen jenen Beschluss erhobene Nichtigkeitsklage begründet haben(25). Letztlich wird also unser Gerichtshof mit seiner Gültigkeitsprüfung zu diesem Beschluss nicht nur eine wichtige Weichenstellung für das Verfahren vor dem nationalen Richter vornehmen, sondern auch eine gewisse Vorentscheidung für das anhängige erstinstanzliche Verfahren vor dem Unionsrichter treffen(26).

66.      Die von ARCO gegen den Beschluss 2014/686 vorgebrachten Rügen, wie sie in der Vorlageentscheidung zusammengefasst sind, beziehen sich zum einen auf den Begriff der staatlichen Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV und zum anderen auf die der Kommission obliegende Begründungspflicht gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV. Beiden Aspekten wende ich mich nun nacheinander zu.

i)      Der Begriff der staatlichen Beihilfe

67.      Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV „[sind, soweit] in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, … staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.

68.      Die Qualifizierung als „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind(27).

69.      So muss es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss diese Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen(28).

70.      Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen kommt es nach gefestigter Rechtsprechung nicht so sehr auf die subjektive Zielsetzung der nationalen Stellen an (die streitige Garantieregelung beruht zweifelsohne auf der guten Absicht, Privatpersonen vor dem Verlust ihrer Ersparnisse zu bewahren und zugleich einen Beitrag zur Stabilisierung des nationalen Finanzsystems zu leisten), sondern auf die Wirkungen der getroffenen Maßnahme(29).

71.      Im vorliegenden Fall ist zum einen streitig, ob die belgische Garantieregelung einen selektiven Vorteil für die ARCO-Genossenschaften darstellt (dritte Voraussetzung des Beihilfenbegriffs), und zum anderen, ob sie geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen sowie den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu verfälschen (zweite und vierte Voraussetzung des Beihilfenbegriffs)(30).

–       Die ARCO-Genossenschaften als Begünstigte der Garantieregelung

72.      Zunächst führt die Kommission in den Erwägungsgründen 80 bis 84 des Beschlusses 2014/686 aus, dass ARCO „die einzige echte Begünstigte der Garantieregelung war“.

73.      Dagegen wendet ARCO ein, die wahren Begünstigten der Garantieregelung seien zum einen die privaten Anteilseigner der ARCO-Finanzgenossenschaften, weil ihnen ausdrücklich die Rückzahlung ihres Kapitals bis zur Höhe von 100 000 Euro garantiert werde, und zum anderen die Dexia-Bank, zu deren Rettung die besagte Garantieregelung beitragen sollte.

74.      Ein solcher Einwand ist jedoch nicht zielführend. Denn der Umstand allein, dass andere Betroffene – die privaten Anteilseigner der Finanzgenossenschaften sowie die Dexia-Bank – Vorteile aus der streitigen Garantieregelung ziehen konnten, schließt keineswegs aus, dass auch ARCO selbst als Begünstigte, ja sogar als Hauptbegünstigte jener Regelung anzusehen ist (oder, um es mit den Worten der Kommission zu sagen, als „der einzige echte Begünstigte“).

75.      Insbesondere verkennt ARCO in diesem Zusammenhang, dass als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV alle Maßnahmen gleich welcher Art anzusehen sind, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen(31). Zumindest ein mittelbarer Vorteil folgte für ARCO als im Finanzsektor tätiges Unternehmen ohne jeden Zweifel aus der belgischen Garantieregelung. Denn erst durch diese Garantieregelung wurde die ARCO-Gruppe vor einer drohenden Flucht ihrer privaten Anleger aus den drei ARCO-Finanzgenossenschaften bewahrt(32) und gleichzeitig in die Lage versetzt, als Hauptaktionärin an der seinerzeit geplanten Rekapitalisierung der Dexia-Bank mitzuwirken. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die ARCO-Finanzgenossenschaften selbst – im Gegensatz zu allen anderen Finanzgenossenschaften – den Antrag stellten, in den Genuss der Garantieregelung zu kommen. Einen solchen Antrag hätten sie wohl kaum gestellt, wenn sie sich nicht einen konkreten wirtschaftlichen Vorteil davon versprochen hätten.

76.      Wenig überzeugend ist auch das Gegenargument von ARCO, ein Abfluss von Eigenkapital hätte sich nicht notwendigerweise nachteilig für die drei ARCO-Finanzgenossenschaften auswirken müssen. Sinkt nämlich das Eigenkapital eines Unternehmens, so erhöht sich seine Verschuldungsquote und verschlechtert sich seine Bonität, so dass sich dieses Unternehmen künftig nur noch zu weniger günstigen Konditionen neues Kapital verschaffen kann. Gerade in einer Situation wie der von ARCO, die sich seinerzeit durch ihre Mitwirkung an den Versuchen zur Rettung der Dexia-Bank ein erhebliches wirtschaftliches Engagement vorgenommen hatte, ist dieser Gesichtspunkt nicht zu vernachlässigen.

–       Die Selektivität des Vorteils

77.      Art. 107 Abs. 1 AEUV untersagt Beihilfen, die „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen“, d. h. selektive Beihilfen(33). Kennzeichnend für diese Selektivität des Vorteils ist es nach der Rechtsprechung, dass bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen begünstigt werden, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden(34).

78.      In den Erwägungsgründen 100 bis 107 des Beschlusses 2014/686 führt die Kommission aus, die streitige Garantieregelung verschaffe ARCO einen Vorteil, der „eindeutig selektiv“ sei(35).

79.      ARCO bestreitet hingegen, in den Genuss eines solchen selektiven Vorteils gekommen zu sein. Ihrer Ansicht nach befinden sich die Finanzgenossenschaften tatsächlich und rechtlich in einer Lage, die mit der von Anbietern klassischer Sparprodukte vergleichbar ist, so dass eine Ausdehnung der belgischen Einlagensicherung auf die Anteilseigner solcher Finanzgenossenschaften völlig systemkonform war.

80.      Dieses Vorbringen überzeugt jedoch nicht. Wie bereits weiter oben im Zusammenhang mit der Richtlinie 94/19 näher ausgeführt, sind die Anteile an Finanzgenossenschaften wie denen der ARCO-Gruppe im Hinblick auf die Ziele der Einlagensicherung weniger mit klassischen Einlagen bei Kreditinstituten als vielmehr mit Aktien vergleichbar(36). Zudem haben die besagten Finanzgenossenschaften nach ihren eigenen Angaben nicht die Eigenschaft von Kreditinstituten(37).

81.      Damit befanden sich Finanzgenossenschaften wie die der ARCO-Gruppe im Hinblick auf die mit der Einlagensicherung verfolgten Ziele nicht in einer den Kreditinstituten vergleichbaren Lage, die es als natürlich erscheinen ließe, sie mittels der streitigen Garantieregelung in das belgische Einlagensicherungssystem einzubeziehen. Im Gegenteil war ihre Lage eher mit der von Unternehmen vergleichbar, welche ihre Unternehmensanteile in Form von Aktien zum Kauf anbieten und damit dem Publikum eine Art der Kapitalanlage zur Verfügung stellen, die grundsätzlich keiner Einlagensicherung unterliegt.

82.      Nichts anderes folgt aus dem von ARCO und Belgien ins Feld geführten Urteil Paint Graphos(38).

83.      In jenem Urteil ist der Gerichtshof in einem steuerrechtlichen Kontext der Frage nachgegangen, unter welchen Voraussetzungen ein von einem Mitgliedstaat gewährter Vorteil selektiv ist, so dass er eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen kann. Kurz gesagt kommt es nach diesem Urteil für die Selektivität darauf an, dass die Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden(39).

84.      Nach dem „allgemeinen System“, um das es im vorliegenden Fall geht, unterliegen Kapitalanlagen grundsätzlich keiner Einlagensicherung. Nur Einlagen bei Kreditinstituten fallen unter die Einlagensicherung, wohingegen Anlagen, welche die Form von Beteiligungen an Unternehmen annehmen und in ihrem Wert von der Ertragsentwicklung des Unternehmens abhängen, grundsätzlich nicht in den Genuss einer solchen Sicherung kommen.

85.      Wenn nun Belgien bestimmte Formen der Unternehmensbeteiligung – im vorliegenden Fall die von Privatpersonen gehaltenen Anteile am Kapital zugelassener Finanzgenossenschaften – gleichwohl der Einlagensicherung unterstellt, so wird, um es mit den Worten des Urteils Paint Graphos zu sagen, eine „Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern“ eingeführt.

86.      Unterschieden wird zwischen Finanzgenossenschaften einerseits und sonstigen Genossenschaften oder Gesellschaften andererseits, also zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich – trotz mancher Eigenheiten, die aus ihrer jeweiligen Rechtsform folgen mögen(40) – jedenfalls im Hinblick auf die mit der Einlagensicherung verfolgten Ziele in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Alle diese Unternehmen können nämlich ihr Kapital für Privatanleger öffnen. Aber nur Beteiligungen am Kapital der Ersteren – der Finanzgenossenschaften – kommen in den Genuss der Einlagensicherung.

87.      Damit liegt auch nach dem Kriterium, das der Gerichtshof im Urteil Paint Graphos und in einigen anderen Urteilen(41) geprägt hat, eine selektive Bevorzugung der Finanzgenossenschaften vor.

88.      Völlig zu Recht nimmt also die Kommission im Beschluss 2014/686 an, dass die Finanzgenossenschaften der ARCO-Gruppe mit der streitigen Garantieregelung einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erlangt haben.

–       Die Verfälschung des Wettbewerbs und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

89.      ARCO bemängelt darüber hinaus die Annahme der Kommission in den Erwägungsgründen 108 und 109 des Beschlusses 2014/686, dass durch die streitige Garantieregelung „der Wettbewerb verfälscht wird“ und dass sie „zweifellos Auswirkungen auf den Handel in der gesamten Union“ hat.

90.      Der Löwenanteil der von ARCO in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente, wie sie im Vorlagebeschluss zusammengefasst sind, stützt sich allerdings erneut auf die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen den Anteilen von Finanzgenossenschaften und klassischen Spareinlagen. Dass diese Argumente nicht stichhaltig sind, habe ich bereits weiter oben in anderem Zusammenhang ausgeführt(42).

91.      Abgesehen davon ist in Erinnerung zu rufen, dass die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe nach ständiger Rechtsprechung nicht den Nachweis einer tatsächlichen Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung erfordert, sondern nur die Prüfung, ob die Maßnahme geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen oder den Wettbewerb zu verfälschen(43).

92.      Was zunächst eine mögliche Wettbewerbsverfälschung anbelangt, so hat die Kommission überzeugend dargelegt(44), dass die streitige Garantieregelung die Finanzgenossenschaften der ARCO-Gruppe gegen Kapitalabflüsse wappnete oder solche Abflüsse zumindest abschwächte und verzögerte. Es ist offensichtlich, dass darin ein Vorteil im Wettbewerb mit anderen im Finanzsektor tätigen Unternehmen lag, zumal in einer Zeit, in der angesichts einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise große Nervosität an den Märkten herrschte und insbesondere Banken große Schwierigkeiten hatten, sich mit frischem Kapital zu versorgen, sowie allenthalben die Gefahr bestand, dass vor allem Kleinanleger ihr Kapital abziehen würden.

93.      Was sodann die Beeinträchtigung des unionsinternen Handels betrifft, so ist diese immer schon dann anzunehmen, wenn die in Rede stehende nationale Maßnahme die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen, konkurrierenden Unternehmen stärkt. Das begünstigte Unternehmen braucht dazu nicht selbst am unionsinternen Handel teilzunehmen. Schon der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor wie der der Finanzdienstleistungen auf Unionsebene in erheblichem Umfang liberalisiert worden ist, was den Wettbewerb verschärft hat, kann dazu führen, dass staatliche Beihilfen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich oder potenziell beeinflussen(45).

94.      Wenig überzeugend ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von ARCO auf den vermeintlich geringen Betrag der individuellen Beteiligung des einzelnen privaten Anteilseigners an den Finanzgenossenschaften der ARCO-Gruppe. Denn zum einen sind die Auswirkungen der streitigen Garantieregelung auf den Wettbewerb und auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten mit Blick auf die Gesamtheit aller von ihr erfassten Genossenschaftsanteile zu beurteilen und nicht mit Blick auf das abgesicherte Kapital eines einzelnen Privatanlegers. Und zum anderen schließt weder der verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens von vornherein die Möglichkeit einer Verfälschung des Wettbewerbs oder einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus(46).

95.      Somit ist – jedenfalls auf der Basis der in der Vorlageentscheidung wiedergegebenen Rügen – die Schlussfolgerung der Kommission nicht zu beanstanden, dass die streitige Garantieregelung den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt(47).

ii)    Die Begründungspflicht

96.      Zu guter Letzt möchte das vorlegende Gericht im Rahmen dieser zweiten Vorlagefrage geklärt wissen, ob dem Beschluss 2014/686 ein Begründungsmangel anhaftet.

97.      Die Pflicht zur Begründung eines Unionsrechtsakts folgt aus Art. 296 Abs. 2 AEUV und ist zudem als Teil des Rechts auf eine gute Verwaltung auch in Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert.

98.      Da die Qualifizierung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, wie schon erwähnt, verlangt, dass alle vier in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind(48), muss die Kommission einen Beschluss, in dem sie vom Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausgeht, mit Blick auf jede dieser vier Voraussetzungen begründen(49).

99.      Diesem Erfordernis wird der Beschluss 2014/686 gerecht. Seine Präambel(50) enthält detaillierte Ausführungen dazu, warum die Kommission im vorliegenden Fall eine staatliche Beihilfe annimmt, wobei dort jede einzelne der vier Voraussetzungen von Art. 107 Abs. 1 AEUV mit der gebotenen Ausführlichkeit angemessen gewürdigt wird.

100. ARCO bemängelt gleichwohl, dass die Begründung des Beschlusses 2014/686 nicht detailliert genug sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Beschluss „keiner festen Entscheidungspraxis entspreche“.

101. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, zumal sich die in der Vorlageentscheidung wie auch im Schriftsatz von ARCO wiedergegebenen Rügen auf äußerst vage und allgemein gehaltene Vorwürfe stützen und keinerlei konkrete Angaben dazu enthalten, inwieweit die Ausführungen der Kommission unverständlich sein sollen und zu welchen Gesichtspunkten des Falles es an ausführlicheren Angaben fehlen soll.

102. Im Übrigen muss zwar nach ständiger Rechtsprechung die Begründung eines Unionsrechtsakts die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt angenommen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann(51).

103. In dieser Begründung brauchen aber nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet(52).

104. Im vorliegenden Fall wird aus den Ausführungen der Kommission in den Erwägungsgründen des Beschlusses 2014/686 hinreichend deutlich, warum die Kommission jede einzelne der Voraussetzungen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV bejaht hat. Zudem war speziell ARCO der Kontext, in dem der Beschluss 2014/686 ergangen ist, hinlänglich bekannt, da sie als Hauptbetroffene an dem vorausgehenden Verwaltungsverfahren beteiligt war(53).

105. Wenig überzeugend ist schließlich auch die Kritik von ARCO an der im Beschluss 2014/686 – dort in Fußnote 65 – zitierten Rechtsprechung(54). Denn anders als ARCO zu unterstellen scheint, behauptet die Kommission keineswegs, dass die von ihr angeführten Urteile exakt die gleiche Problematik beträfen, die im vorliegenden Fall im Streit steht. Vielmehr versucht die Kommission lediglich, eine Parallele zu jenen Urteilen zu ziehen, was aus der Begründung des Beschlusses(55) hinreichend deutlich wird. Ob die von der Kommission aus der Rechtsprechung gezogenen Schlüsse inhaltlich stichhaltig sind, ist eine materiell-rechtliche Frage, die nichts mit der Einhaltung der Begründungspflicht als formaler Anforderung zu tun hat(56).

iii) Zwischenergebnis

106. Insgesamt hat also die Prüfung der Vorlagefragen mit Blick auf den Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV und auf die Begründungspflicht gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV nichts ergeben, was die Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 berühren könnte.

107. Sollte sich der Gerichtshof dieser Meinung anschließen, so würde sein Urteil in diesem Punkt zwar keine formale Bindungswirkung für das Gericht der Europäischen Union in den anhängigen Rechtssachen T‑664/14 und T‑711/14 entfalten, es würde aber sicherlich de facto einen nicht zu vernachlässigenden Präzedenzfall für den Ausgang jener Verfahren darstellen. Die Möglichkeit einer Nichtigerklärung des Beschlusses 2014/686 aus anderen, im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren nicht erörterten Gesichtspunkten bleibt für das Gericht freilich unberührt.

b)      Zum Vorliegen einer neuen staatlichen Beihilfe (dritte Frage)

108. Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts ist, wie schon die zweite, erneut dem Begriff der neuen staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV und Art. 108 Abs. 3 AEUV gewidmet. Sie ist nur für den Fall gestellt, dass die zweite Frage verneint wird.

109. Wird die zweite Frage entsprechend meinem Vorschlag(57) beantwortet, so hat der Verfassungsgerichtshof den Beschluss 2014/686 als gültig anzusehen und muss die ARCO-Garantie, wie von der Kommission festgestellt, als eine neue staatliche Beihilfe behandeln. Dann erübrigt sich eine Beantwortung der dritten Frage.

c)      Zu den Pflichten der Mitgliedstaaten gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV (vierte bis sechste Frage)

110. Mit seiner vierten, fünften und sechsten Frage, die zusammen behandelt werden können, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Garantieregelung wie die hier streitige gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV verstößt.

i)      Zu den Pflichten der nationalen Stellen vor dem Hintergrund der Chronologie der Ereignisse

111. Zwar betrachtet das vorlegende Gericht in jeder dieser Fragen den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits mit Blick auf unterschiedliche Zeitpunkte, an denen die innerstaatlichen Stellen jeweils bestimmte Handlungen zur Verwirklichung der streitigen Garantieregelung erlassen haben, von der bloßen Ankündigung über die gesetzliche Ermächtigung in Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Nationalbankgesetzes bis hin zur konkreten Umsetzung durch Königlichen Erlass. Letztlich kommt es aber in allen drei betroffenen Fragen nur darauf an, ob jene Garantieregelung vom belgischen Staat im Widerspruch zu Art. 108 Abs. 3 AEUV ins Werk gesetzt wurde oder nicht.

112. Mit Blick auf neue staatliche Beihilfen erlegt Art. 108 Abs. 3 AEUV den Mitgliedstaaten eine doppelte Verpflichtung auf. Zum einen sind sie gehalten, die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von staatlichen Beihilfen so rechtzeitig zu informieren, dass sie sich dazu äußern kann (Anmeldepflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV). Zum anderen müssen sie es unterlassen, die beabsichtigten Maßnahmen durchzuführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat (Durchführungsverbot oder Stillhalteverpflichtung, vgl. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV). Beide Verpflichtungen sind Ausdruck der präventiven Kontrolle neuer staatlicher Beihilfen durch die Kommission, die für die Gewährleistung des Funktionierens des Binnenmarkts wesentlich ist(58).

113. Fest steht im vorliegenden Fall, dass die streitige Garantieregelung erst am 7. November 2011 bei der Kommission angemeldet wurde, also an dem Tag, an dem die drei ARCO-Finanzgenossenschaften durch Königlichen Erlass formell in das belgische System der Einlagensicherung aufgenommen wurden.

114. Anders als Belgien meint, kann eine Notifizierung zu diesem späten Zeitpunkt auf keinen Fall als rechtzeitig im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV angesehen werden.

115. Es mag sein, dass der belgische Einlagensicherungsfonds bis zum heutigen Tage noch keine effektiven Zahlungen an private Anteilseigner von zugelassenen Finanzgenossenschaften getätigt hat. Wie aber die Kommission zu Recht hervorhebt, gilt eine staatliche Beihilfe nicht erst dann als „eingeführt“ oder „durchgeführt“ und damit vollzogen im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV, wenn tatsächlich staatliche oder aus staatlichen Mitteln stammende Gelder fließen, sondern bereits dann, wenn die mit der Beihilfe verbundene Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eintritt oder einzutreten droht. Denn das Durchführungsverbot soll gewährleisten, dass die Wirkungen einer Beihilferegelung nicht eintreten, bevor die Kommission sie – innerhalb einer angemessenen Frist – prüfen und darüber entscheiden konnte(59).

116. Wann genau im vorliegenden Fall eine solche Wettbewerbsverfälschung eingetreten ist oder einzutreten drohte, kann nicht ohne eingehende Prüfung beurteilt werden. Auf der Grundlage der Informationen, die dem Gerichtshof in der Vorlageentscheidung mitgeteilt wurden, spricht vieles dafür und ist jedenfalls keineswegs auszuschließen, dass der belgische Staat bereits mit seiner ersten Regierungsmitteilung vom 10. Oktober 2008 in hinreichend konkreter Art und Weise die beabsichtigte Beihilfemaßnahme angekündigt und allein schon dadurch ganz erheblichen Einfluss auf die Wettbewerbsverhältnisse genommen hat(60). Im Gegenteil spricht angesichts der Nervosität der Märkte auf dem Höhepunkt der 2008 ausgebrochenen Wirtschafts- und Finanzkrise vieles dafür, dass jene Regierungsmitteilung – wie übrigens von der Kommission im Beschluss 2014/686 festgestellt(61) – die Anteilseigner von Finanzgenossenschaften wie denen der ARCO-Gruppe beruhigen sollte und so die Wettbewerbssituation dieser Unternehmen stärkte. Damit war jene Regierungsmitteilung mit Blick auf ihre Auswirkungen auf dem Markt, trotz aller Unterschiede in der Rechtsform, einer Bürgschaft nicht unähnlich(62).

117. Letztlich kann aber für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens offenbleiben, ob die staatliche Beihilfe bereits mit ihrer ersten Verlautbarung durch die Regierungsmitteilung vom 10. Oktober 2008 oder erst mit dem Königlichen Erlass vom 7. November 2011 oder aber an einem der vom vorlegenden Gericht genannten Tage zwischen diesen beiden Daten vollzogen wurde. Denn wie die Kommission in ihrem Beschluss 2014/686 zu Recht hervorgehoben hat(63), sind die Ankündigung der Garantieregelung und die einzelnen rechtlichen Schritte zu ihrer Verwirklichung als eine Einheit anzusehen(64). Spätestens mit dem Königlichen Erlass vom 7. November 2011 hatten die Begünstigten der streitigen Garantieregelung einen Rechtsanspruch auf Aufnahme in das nationale Einlagensicherungssystem erworben, so dass die staatliche Beihilfe sich nicht mehr im Entwurfsstadium befand(65), sondern als gewährt(66) und damit als „eingeführt“ oder „durchgeführt“ im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV anzusehen war.

118. Die Notifizierung der Garantieregelung gegenüber der Kommission an eben jenem Tag, dem 7. November 2011, war folglich auf jeden Fall verspätet. Denn sie erfolgte nicht mehr rechtzeitig vor der beabsichtigten Einführung der Garantieregelung, sondern allenfalls zeitgleich mit ihr, so dass das Prinzip der präventiven Kontrolle durch die Kommission missachtet wurde(67). Selbst wenn man annimmt, dass bestimmte Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 besonders dringlich waren, hätte zwischen 2008 und 2011 zweifelsohne ausreichend Gelegenheit bestanden, eine rechtzeitige Anmeldung des Beihilfevorhabens bei der Kommission vorzunehmen.

119. Alles in allem hat also Belgien mit der am 7. November 2011 erfolgten Notifizierung der streitigen Garantieregelung sowohl gegen die Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV als auch gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßen und somit eine rechtswidrige staatliche Beihilfe vergeben.

ii)    Speziell zur Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 mit Blick auf Art. 108 Abs. 3 AEUV (vierte Vorlagefrage)

120. Ergänzend ist im Zusammenhang mit Art. 108 Abs. 3 AEUV noch auf einen weiteren Aspekt einzugehen, den das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage ebenfalls thematisiert: Der Gerichtshof wird um Klarstellung ersucht, ob die Kommission sich in ihrem Beschluss 2014/686 hinsichtlich des Zeitpunkts der Durchführung der staatlichen Beihilfe geirrt hat, die in der streitigen Garantieregelung zum Ausdruck kommt.

121. Diese Frage wird nur für den Fall gestellt, dass die zweite Frage zu bejahen ist. Kommt der Gerichtshof im Rahmen jener zweiten Frage entsprechend meinem Vorschlag(68) zu dem Ergebnis, dass der Beschluss 2014/686 weder gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV noch gegen Art. 296 Abs. 2 AEUV verstößt, so muss er im Rahmen der vierten Frage die Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV untersuchen.

122. Hintergrund dieser Frage ist anscheinend, dass der Verfassungsgerichtshof den Beschluss 2014/686, in dem die Kommission ausdrücklich eine Verletzung von Art. 108 Abs. 3 AEUV durch Belgien feststellt(69), hinsichtlich des von der Kommission angenommenen Zeitpunkts der Durchführung der staatlichen Beihilfe für nicht ganz klar hält. Der Verfassungsgerichtshof scheint zu zweifeln, ob die Kommission die staatliche Beihilfe als vor oder nach dem Erlass von Art. 36/24 des Nationalbankgesetzes durchgeführt ansieht. Denn genau darauf beziehen sich die beiden vom Verfassungsgerichtshof in der vierten Frage genannten Daten: Am 3. März 2011 wurde Art. 36/24 mit Königlichem Erlass in das Nationalbankgesetz eingefügt, und am 1. April 2011 trat die neue Vorschrift in Kraft.

123. Im Erwägungsgrund 110, dritter Satz, des Beschlusses 2014/686 führt die Kommission aus, die konstitutiven Merkmale einer staatlichen Beihilfe seien „spätestens mit Annahme des Königlichen Erlasses vom 10. Oktober 2011 gegeben“ gewesen. Sie fügt außerdem hinzu: „[D]er mit der Maßnahme geschaffene Vorteil bestand jedoch bereits seit der Ankündigung zu ihrer Einführung am 10. Oktober 2008.“

124. Es trifft zu, dass diese Formulierung für sich genommen nicht eindeutig erkennen lässt, ob die Kommission die streitige Garantieregelung bereits zum 10. Oktober 2008 oder erst zum 10. Oktober 2011 als „eingeführt“ oder „durchgeführt“ im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV ansieht. Die Abfassung des Beschlusses 2014/686 ist diesbezüglich nicht gerade ein Vorbild an Klarheit, mag auch die Bezugnahme auf einen seit der ersten Ankündigung bestehenden „Vorteil“ eher darauf hindeuten, dass die Kommission das frühere der beiden Daten – also den 10. Oktober 2008 – zugrunde legt.

125. Für die Zwecke des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens kann es jedoch letztlich offenbleiben, ob die Kommission in ihrem Beschluss den früheren oder den späteren Zeitpunkt für maßgeblich erachtete. Denn die von der Kommission im Erwägungsgrund 143 des Beschlusses 2014/686 getroffene Feststellung, dass die streitige Garantieregelung „von Belgien rechtswidrig unter Verletzung [von Art. 108 Abs. 3 AEUV] durchgeführt wurde“, trifft unabhängig davon zu, ob die staatliche Beihilfe eher früher oder eher später als „eingeführt“ oder „durchgeführt“ im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV anzusehen ist. Entscheidend ist, dass die Durchführung zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der Kommission am 7. November 2011 auf jeden Fall schon erfolgt war, so dass jene Anmeldung auf keinen Fall rechtzeitig war und die staatliche Beihilfe allein aus diesem Grund schon als rechtswidrig anzusehen ist.

126. Damit hat auch die Prüfung der vierten Vorlagefrage nichts ergeben, was auf eine rechtsfehlerhafte Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV seitens der Kommission hindeuten und insoweit die Gültigkeit des Beschlusses 2014/686 berühren könnte.

iii) Zwischenergebnis

127. Zusammenfassend ist zur zweiten bis sechsten Vorlagefrage festzustellen, dass eine Garantieregelung wie die streitige belgische eine neue staatliche Beihilfe darstellt. Wird eine solche Maßnahme nicht bei der Kommission angemeldet, rechtzeitig bevor die mit ihr verbundene Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt eintritt oder einzutreten droht, so ist sie im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV als rechtswidrig durchgeführt anzusehen.

VI – Ergebnis

128. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf das Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Verfassungsgerichtshofs wie folgt zu antworten:

1)      Die Richtlinie 94/19/EG ist dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, es ihnen aber auch nicht verwehrt, die Anteile natürlicher Personen an zugelassenen Finanzgenossenschaften wie solchen des Ausgangsrechtsstreits in ihr jeweiliges nationales System der Einlagensicherung einzubeziehen, sofern dadurch nicht die praktische Wirksamkeit der Einlagensicherung beeinträchtigt oder sonstige unionsrechtliche Vorgaben missachtet werden.

2)      Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Beschlusses 2014/686/EU berühren könnte.

3)      Eine Garantieregelung wie die, zu der Art. 36/24 § 1 Abs. 1 Nr. 3 des belgischen Nationalbankgesetzes ermächtigt, stellt eine neue staatliche Beihilfe dar. Wird eine solche Garantieregelung nicht bei der Europäischen Kommission angemeldet, rechtzeitig bevor die mit ihr verbundene Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt eintritt oder einzutreten droht, so ist sie im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV als rechtswidrig durchgeführt anzusehen.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Urteile Pringle (C‑370/12, EU:C:2012:756) und Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400).


3 – Im Folgenden – in Anlehnung an den Sprachgebrauch der Europäischen Kommission in diesem Fall – auch als „Private“, „Privatpersonen“ oder „private Anteilseigner“ bezeichnet.


4 – Die ARCO-Gruppe besteht aus mehreren Genossenschaften, die ihre Ursprünge in Belgiens christlicher Arbeitnehmerbewegung der 1930er Jahre finden, namentlich im Algemeen Christelijk Werknemersverbond (ACW) und im Mouvement Ouvrier Chrétien (MOC). Nach den Angaben von ARCO vor dem Gerichtshof sind an den ARCO-Finanzgenossenschaften, deren Anteile zu 99 % von Privatpersonen gehalten werden, heute rund 7 % der belgischen Bevölkerung beteiligt. Ähnlich formuliert das vorlegende Gericht, es seien rund 800 000 Privatpersonen betroffen. Seit Ende 2011 befinden sich die drei ARCO-Finanzgenossenschaften, namentlich Arcopar, Arcofin und Arcoplus, in Abwicklung.


5 – Beschluss der Kommission vom 3. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.33927 (12/C) (ex 11/NN) Belgiens – Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Anteilseigner an Finanzgenossenschaften, bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2014) 1021 (ABl. 2014, L 284, S. 53).


6 – Rechtssachen Belgien/Kommission (T‑664/14) und Arcofin u. a./Kommission (T‑711/14).


7 – Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5).


8 – Die Richtlinie 94/19 wurde zwischenzeitlich aufgehoben und durch eine Neufassung ersetzt, allerdings erst mit Wirkung vom 4. Juli 2019 (vgl. Art. 21 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme, ABl. 2014, L 173, S. 149). Damit findet auf den vorliegenden Fall weiterhin allein die Richtlinie 94/19 Anwendung.


9 – Art. 36/24 des Nationalbankgesetzes wurde durch Art. 195 des besagten Königlichen Erlasses eingefügt. Dieser Königliche Erlass hat Gesetzeskraft, da er durch Art. 298 des Gesetzes vom 3. August 2012 über bestimmte Formen der gemeinsamen Portfolioverwaltung rückwirkend zum Datum seines Inkrafttretens bestätigt wurde.


10 – Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorläuferregelung zu einigen der zitierten Bestimmungen von Art. 36/24 § 1 des Nationalbankgesetzes fand sich seit 2009 zunächst in Art. 117bis des Gesetzes vom 2. August 2002 über die Aufsicht über den Finanzsektor und die Finanzdienstleistungen, später in Art. 105 desselben Gesetzes.


11 – Es handelte sich um eine Pressemitteilung des Finanzministers vom 10. Oktober 2008 sowie um eine Pressemitteilung des Premierministers und des Finanzministers vom 21. Januar 2009.


12 – Erwägungsgrund 1 des Beschlusses 2014/686.


13 – Urteil Nr. 15/2015, auf der Internetseite des belgischen Verfassungsgerichtshofs unter http://www.const-court.be/de/common/home.html abrufbar (zuletzt besucht am 22. März 2016).


14 – Urteil Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 25); siehe auch Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 34 und 35), Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 13 und 14) und Association Kokopelli (C‑59/11, EU:C:2012:447, Rn. 28 und 29); zur Vermutung der Entscheidungserheblichkeit vgl. ferner bereits Urteil Beck und Bergdorf (C‑355/97, EU:C:1999:391, Rn. 22).


15 – Urteile Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 54) und Sky Italia (C‑234/12, EU:C:2013:496, Rn. 15); im selben Sinne bereits Urteil Ruckdeschel u. a. (117/76 und 16/77, EU:C:1977:160, Rn. 7).


16 – Urteile Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 23), S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:430, Rn. 74), Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 55), Sky Italia (C‑234/12, EU:C:2013:496, Rn. 15) sowie P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 41).


17 – Siehe dazu insbesondere die Rn. 40 bis 42 und 45 dieser Schlussanträge.


18 – Siehe dazu Rn. 40 bis 42 dieser Schlussanträge.


19 – Siehe oben, Rn. 45 dieser Schlussanträge.


20 – In diesem Sinne die Erwägungsgründe 8, 16 und 17 der Richtlinie 94/19.


21 – Vgl. Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 94/19.


22 – Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, war die Beteiligung der Finanzgenossenschaften an dem Einlagensicherungssystem freiwillig, und in den Genuss der Absicherung kamen lediglich die Inhaber von Anteilen, welche vor 2011 – also vor ihrer Einbeziehung in das System – ausgegeben worden waren.


23 – Vgl. dazu meine Ausführungen zur zweiten bis sechsten Vorlagefrage in den Rn. 62 bis 127 dieser Schlussanträge.


24 – Zur Bindung nationaler Gerichte an die Beschlüsse der Kommission auf dem Gebiet des Rechts der staatlichen Beihilfen siehe Urteil Deutsche Lufthansa (C‑284/12, EU:C:2013:755, insbesondere Rn. 41, letzter Satz) und Beschluss Flughafen Lübeck (C‑27/13, EU:C:2014:240, insbesondere Rn. 24, letzter Satz); im selben Sinne Urteil Masterfoods und HB (C‑344/98, EU:C:2000:689, Rn. 49 bis 52) aus dem Blickwinkel des Unionskartellrechts (heute Art. 101 AEUV und 102 AEUV).


25 – Anhängige Rechtssache Arcofin u. a./Kommission (T‑711/14); vgl. ergänzend die anhängige Rechtssache Belgien/Kommission (T‑664/14).


26 – Dementsprechend hat die Sechste Kammer des Gerichts im Oktober 2015 beschlossen, die Verfahren in den Rechtssachen T‑664/14 und T‑711/14 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache auszusetzen.


27 – Urteile Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 74), Kommission/Deutsche Post (C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 38), Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 74), Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 45) und BVVG (C‑39/14, EU:C:2015:470, Rn. 23).


28 – Urteile Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 75), Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 74), BVVG (C‑39/14, EU:C:2015:470, Rn. 24) und EasyPay und Finance Engineering (C‑185/14, EU:C:2015:716, Rn. 35).


29 – Urteile Heiser (C‑172/03, EU:C:2005:130, Rn. 46), France Télécom/Kommission (C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 17) und BVVG (C‑39/14, EU:C:2015:470, Rn. 52); ähnlich Urteil Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 102).


30 – Hingegen wird laut Vorlageentscheidung im Ausgangsrechtsstreit nicht bestritten, dass die streitige Garantieregelung auf den Staat zurückzuführen sei und dass dafür staatliche Mittel mobilisiert würden (erste Voraussetzung des Art. 107 Abs. 1 AEUV).


31 – Urteile Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 84), Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 83) und Frankreich/Kommission (C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 94); im selben Sinne bereits Urteil Costa/ENEL (6/64, EU:C:1964:66, Slg. 1964, 1253, 1272).


32 – Vgl. dazu auch Erwägungsgrund 100 des Beschlusses 2014/686 („… Im vorliegenden Fall hat die Maßnahme [ARCO] geholfen, ihr Kapital zu halten, indem die Anteilseigner dadurch davon überzeugt wurden, nicht aus den Genossenschaften auszutreten …[,] was insbesondere angesichts der Nervosität der Märkte unmittelbar nach der Lehman-Brothers-Pleite einen erheblichen Vorteil darstellte …“). Ich füge hinzu, dass die nach belgischem Recht bestehende Möglichkeit einer Begrenzung des Rückzugs von Genossen auf jährlich 10 % des Genossenschaftskapitals keineswegs gegen die Annahme einer Begünstigung von ARCO durch die Garantieregelung spricht; allenfalls wird dadurch das Ausmaß des von ARCO erlangten Vorteils begrenzt.


33 – Urteil Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 54).


34 – Urteile Heiser (C‑172/03, EU:C:2005:130, Rn. 40) und Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 55); im selben Sinne bereits Urteil Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 41).


35 – Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 101, erster Satz, des Beschlusses 2014/686.


36 – Siehe oben, insbesondere Rn. 40 bis 42 dieser Schlussanträge.


37 – Siehe oben, Rn. 45 dieser Schlussanträge.


38 – Urteil Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550).


39 – Urteil Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, insbesondere Rn. 49; vgl. ergänzend Rn. 65); ähnliche Aussagen finden sich auch sonst zuhauf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, vgl. etwa die Urteile Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 41 und 42), Portugal/Kommission (C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 54 und 56), Kommission/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 73 und 75) und P (C‑6/12, EU:C:2013:525, Rn. 22).


40 – Die „besonderen Eigenheiten der Genossenschaften“ erkennt auch der Gerichtshof im Urteil Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 61) durchaus an. Entgegen der Auffassung von ARCO darf dieser Hinweis aber nicht dahin gehend missverstanden werden, dass sich Genossenschaften immer und ausnahmslos in einer anderen Lage befänden als Handelsgesellschaften. Vielmehr kommt es stets darauf an, ob sich die Wirtschaftsteilnehmer „im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden“ (vgl. dazu nochmals die in Fn. 39 angeführte Rechtsprechung).


41 – Vgl. dazu nochmals die soeben in Fn. 39 angeführte Rechtsprechung.


42 – Vgl. insbesondere Rn. 40 bis 42, 45, 80 und 84 bis 88 dieser Schlussanträge.


43 – Urteile Cassa di Risparmio di Firenze u. a. (C‑222/04, EU:C:2006:8, Rn. 140), Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 76), Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 65) und Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 46 und 49).


44 – Erwägungsgrund 108 des Beschlusses 2014/686.


45 – Urteile Cassa di Risparmio di Firenze u. a. (C‑222/04, EU:C:2006:8, Rn. 141 bis 143), Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 77 und 78) und Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 51).


46 – In diesem Sinne – speziell zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Urteile Belgien/Kommission (C‑142/87, EU:C:1990:125, Rn. 43), Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 81) und Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 81).


47 – Erwägungsgrund 110 des Beschlusses 2014/686.


48 – Zu diesen vier Voraussetzungen vgl. oben, Rn. 68 und 69 dieser Schlussanträge.


49 – Urteil Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 45).


50 – Vgl. Erwägungsgründe 91 bis 110 des Beschlusses 2014/686.


51 – Urteile Kommission/Sytraval und Brink’s France (C-367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 63), Italien/Kommission (C‑66/02, EU:C:2005:768, Rn. 26), Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 44) und Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission (C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 93 und 94).


52 – Urteile Kommission/Sytraval und Brink’s France (C-367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 63), Italien/Kommission (C‑66/02, EU:C:2005:768, Rn. 26) und Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission (C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 93 und 94).


53 – Vgl. dazu die Erwägungsgründe 55 bis 57 des Beschlusses 2014/686.


54 – Es handelt sich um die Urteile Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), Niederlande/Kommission (C‑382/99, EU:C:2002:363) und Associazione italiana del risparmio gestito und Fineco Asset Management/Kommission (T‑445/05, EU:T:2009:50).


55 – Siehe dazu den Erwägungsgrund 100 des Beschlusses 2014/686.


56 – Urteile Italien/Kommission (C‑66/02, EU:C:2005:768, Rn. 26 und 55), Régie Networks (C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 71), Kommission/Italien und Wam (C‑494/06 P, EU:C:2009:272, Rn. 33), Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 46) und Total/Kommission (C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 18).


57 – Vgl. dazu oben, Rn. 106 dieser Schlussanträge.


58 – Urteile Frankreich/Kommission (C‑301/87, EU:C:1990:67, Rn. 17), Centre d’exportation du livre français (C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 36 und 37), Deutsche Lufthansa (C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 25 und 26) und Klausner Holz Niedersachsen (C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 18 und 19).


59 – Urteile Frankreich/Kommission (C‑301/87, EU:C:1990:67, Rn. 17), Centre d’exportation du livre français (C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 36) und Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 57).


60 – Wie bedeutsam Pressemitteilungen oder auch nur mündliche Verlautbarungen von Behörden und öffentlichen Einrichtungen für die Entwicklung auf den Finanzmärkten sein können, konnte der Gerichtshof auch in anderem Zusammenhang schon feststellen; vgl. etwa Urteile Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, insbesondere Rn. 131 und 132) und Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400).


61 – Erwägungsgründe 100 und 108 des Beschlusses 2014/686.


62 – Zur Einstufung einer Bürgschaft als Vorteil im Sinne des Rechts der staatlichen Beihilfen vgl. Urteile Residex Capital IV (C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 39) und Frankreich/Kommission (C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 96).


63 – Erwägungsgründe 85 bis 90 des Beschlusses 2014/686.


64 – Zur Möglichkeit, mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV als eine einzige Maßnahme zu betrachten, vgl. Urteil Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 103 und 104).


65 – Vgl. dazu Urteile Waterleiding Maatschappij/Kommission (T‑188/95, EU:T:1998:217, Rn. 118) und ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni/Kommission (T‑62/08, EU:T:2010:268, Rn. 235).


66 – In diesem Sinne Urteile Magdeburger Mühlenwerke (C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40) und Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑227/01 bis T‑229/01, T‑265/01, T‑266/01 und T‑270/01, EU:T:2009:315, Rn. 172).


67 – Im selben Sinne Urteil Kommission/Italien (169/82, EU:C:1984:126, Rn. 11), in dem der Gerichtshof einen Verstoß der Italienischen Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 93 Abs. 3 EWG-Vertrag (heute Art. 108 Abs. 3 AEUV) festgestellt hat, weil sie die Entwürfe der damals in Rede stehenden Gesetze erst nach deren Erlass angezeigt hatte. Vgl. außerdem Urteil ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni/Kommission (T‑62/08, EU:T:2010:268, Rn. 235 und 236).


68 – Vgl. dazu oben meine Ausführungen zur zweiten Vorlagefrage in den Rn. 64 bis 106 dieser Schlussanträge.


69 – Erwägungsgrund 143 des Beschlusses 2014/686.