Language of document : ECLI:EU:C:2017:486

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 21. Juni 2017(1)

Rechtssache C306/16

António Fernando Maio Marques da Rosa

gegen

Varzim Sol – Turismo, Jogo e Animação SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal da Relação do Porto [Berufungsgericht Porto, Portugal])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Richtlinie 2003/88 – Art. 5 – Wöchentliche Ruhezeit – Nationale Vorschrift, die wenigstens einen Ruhetag pro Siebentageszeitraum vorsieht – Schichtarbeit – Zeitraum von mehr als sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen“






I.      Einleitung

1.        Das vorliegende Verfahren betrifft ein Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal da Relação do Porto (Berufungsgericht Porto, Portugal) zur Auslegung des jeweiligen Art. 5 der Richtlinien 93/104/EG(2) und 2003/88/EG(3) betreffend die wöchentliche Ruhezeit, sowie des Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) hinsichtlich des Rechts auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die wöchentliche Ruhezeit, auf die der Arbeitnehmer aufgrund dieser Bestimmungen einen Anspruch hat, spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss.

2.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich die Gründe erläutern, aus denen ich der Ansicht bin, dass diese Frage zu verneinen ist und dass gemäß den genannten Bestimmungen der wöchentliche Ruhetag an jedem beliebigen Tag innerhalb des jeweiligen Siebentageszeitraums gewährt werden kann.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Die Richtlinie 93/104 wurde mit Wirkung vom 2. August 2004 aufgehoben und durch die Richtlinie 2003/88 ersetzt(4). Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens fällt teilweise in den zeitlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 und teilweise in den der Richtlinie 2003/88(5).

4.        Art. 5 („Wöchentliche Ruhezeit“) der Richtlinie 93/104 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Artikel 3 gewährt wird.

Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen, kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden.“

5.        Art. 5 der Richtlinie 2003/88 ist wortgleich mit Art. 5 der Richtlinie 93/104(6).

B.      Portugiesisches Recht

1.      Arbeitsgesetzbuch 2003

6.        Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass die Richtlinie 93/104 mit dem Erlass des Código do Trabalho 2003(7) (Arbeitsgesetzbuch 2003) in portugiesisches Recht umgesetzt wurde. Dieser bestimmt in Art. 205 Abs. 1(8):

„Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf wenigstens einen Ruhetag pro Woche.“

7.        Art. 206 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs 2003 lautet:

„In einzelnen oder allen Wochen des Jahres kann über den gesetzlich vorgeschriebenen wöchentlichen Ruhetag hinaus ein halber oder ganzer Ruhetag gewährt werden.“

8.        In Art. 207 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs 2003 heißt es:

„Zum vorgeschriebenen wöchentlichen Ruhetag tritt ein Zeitraum von elf Stunden als tägliche Mindestruhezeit gemäß Art. 176 hinzu.“

2.      Arbeitsgesetzbuch 2009

9.        Die Richtlinie 2003/88 wurde mit dem Erlass des Código do Trabalho 2009(9) (Arbeitsgesetzbuch 2009) in portugiesisches Recht umgesetzt.

10.      Art. 232 Abs. 1 und 3 des Arbeitsgesetzbuchs 2009 bestimmt:

„(1)      Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf wenigstens einen Ruhetag pro Woche.

(3)      Kollektivvertragliche oder arbeitsvertragliche Regelungen können eine zusätzliche, zusammenhängende oder nicht zusammenhängende, wöchentliche Ruhezeit in einzelnen oder allen Wochen des Jahres gewähren.“

11.      Art. 233 Abs. 1 und 2 Arbeitsgesetzbuch 2009 lautet:

„(1)      Die vorgeschriebene wöchentliche Ruhezeit und der Zeitraum von elf Stunden als tägliche Ruhezeit nach Art. 214 sind zusammenhängend zu gewähren.

(2)      Der im vorstehenden Absatz genannte Zeitraum von elf Stunden gilt als ganz oder teilweise gewährt, wenn die zusätzliche wöchentliche Ruhezeit im Anschluss an die vorgeschriebene wöchentliche Ruhezeit gewährt wird.“

3.      Betriebsvereinbarungen

12.      Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens auch durch zwei Betriebsvereinbarungen aus den Jahren 2002 und 2003 geregelt wurde(10). Diese Vereinbarungen sehen insbesondere für einen Arbeitnehmer in der Stellung des Klägers des Ausgangsverfahrens einen Anspruch auf zwei zusammenhängende wöchentliche Ruhetage vor.

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

13.      Der Kläger des Ausgangsverfahren, Herr Maio Marques da Rosa, war von 1991 bis 2014 – seit 1999 als Kassierer – bei der beklagten Gesellschaft, der Varzim Sol – Turismo, Jogo e Animação SA (im Folgenden: Varzim Sol) beschäftigt, die in Portugal ein Casino besitzt und betreibt. Das Casino ist mit Ausnahme des 24. und 25. Dezembers täglich vom Nachmittag bis zum Morgen eine bestimmte Anzahl von Stunden geöffnet.

14.      Im Sachverhaltszeitraum sah der Stundenplan der Beschäftigten von Varzim Sol, die eine Tätigkeit in den Spielsalons ausübten, zwei zusammenhängende Ruhetage vor. Die Kassierer, einschließlich des Klägers, wechselten reihum zwischen vier Arbeitszeiten, entsprechend dem von Varzim Sol im Voraus festgelegten und bekannt gegebenen Arbeitszeitplan.

15.      Während der Jahre 2008 und 2009 arbeitete der Kläger manchmal an sieben aufeinanderfolgenden Tagen. Von 2010 an änderte Varzim Sol die Schichtpläne, so dass die Arbeitnehmer an nicht mehr als sechs aufeinanderfolgenden Tagen arbeiteten.

16.      Der Arbeitsvertrag des Klägers endete zum 16. März 2014.

17.      Der Kläger hat gegen Varzim Sol Klage erhoben, mit der im Wesentlichen festgestellt werden soll, dass die Beklagte ihm nicht die vorgeschriebenen Ruhetage gewährt habe, auf die er nach portugiesischem Recht und nach den Betriebsvereinbarungen Anspruch zu haben glaubt. Er fordert Ausgleichs- und Entschädigungszahlungen in Höhe der einschlägigen Vergütung für die zusätzlich geleistete Arbeitszeit, für die Arbeit am jeweils siebten der aufeinanderfolgenden Tage, an dem er habe arbeiten müssen, für den Wegfall des zweiten wöchentlichen Ruhetags, sowie für die Ausgleichsruhetage, die ihm nicht gewährt worden seien.

18.      Nach Zurückweisung seiner Klage durch das Gericht erster Instanz hat der Kläger Rechtsmittel beim Tribunal da Relação do Porto (Berufungsgericht Porto) eingelegt.

19.      Da es Zweifel an der Auslegung von Art. 5 der Richtlinien 93/104 und 2003/88 hatte, hat dieses Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Muss im Licht von Art. 5 der Richtlinien 93/104 und 2003/88 sowie von Art. 31 der Charta im Fall von Arbeitnehmern, die in reihum wechselnden Schichten mit entsprechenden freien Zeiträumen in Einrichtungen arbeiten, die an allen Wochentagen geöffnet sind, in denen jedoch nicht 24 Stunden am Tag durchgehend gearbeitet wird, der obligatorische Ruhetag, auf den der Arbeitnehmer Anspruch hat, zwingend in jedem Siebentageszeitraum gewährt werden, d. h. zumindest am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen?

2.      Steht die Auslegung, dass es dem Arbeitgeber in Bezug auf diese Arbeitnehmer freisteht, die Tage auszuwählen, an denen er dem Arbeitnehmer in jeder Woche die Ruhezeiten gewährt, auf die dieser Anspruch hat, wobei der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, ohne Vergütung von Überstunden bis zu zehn Tage in Folge zu arbeiten (z. B. vom Mittwoch einer Woche, in der er am Montag und Dienstag seine Ruhetage hatte, bis zum Freitag der darauf folgenden Woche, mit Ruhetagen am Samstag und Sonntag), mit diesen Richtlinien und Bestimmungen im Einklang?

3.      Steht eine Auslegung dahin gehend, dass die kontinuierliche Ruhezeit von 24 Stunden auf jeden Kalendertag eines bestimmten Zeitraums von sieben Kalendertagen fallen kann und dass die darauf folgende kontinuierliche Ruhezeit von 24 Stunden (zu denen die tägliche Ruhezeit von elf Stunden hinzukommt) ebenfalls auf jeden der Kalendertage des unmittelbar auf den vorangegangenen Siebentageszeitraum folgenden Zeitraums von sieben Kalendertagen fallen kann, mit diesen Richtlinien und Bestimmungen im Einklang?

4.      Steht die Auslegung, dass dem Arbeitnehmer anstelle einer kontinuierlichen Ruhezeit von 24 Stunden (zu denen die tägliche Ruhezeit von elf Stunden hinzukommt) in jedem Siebentageszeitraum zwei aufeinanderfolgende oder nicht aufeinanderfolgende kontinuierliche Ruhezeiten von 24 Stunden an beliebigen Tagen der vier Kalendertage eines bestimmten Bezugszeitraums von 14 Kalendertagen gewährt werden können, unter Berücksichtigung auch von Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2003/88 mit diesen Richtlinien und Bestimmungen im Einklang?

20.      Der Kläger des Ausgangsverfahrens, Varzim Sol, die portugiesische, die ungarische, die polnische, die finnische und die schwedische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2017 haben Varzim Sol, die portugiesische Regierung und die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

IV.    Würdigung

A.      Zum Gegenstand der Vorlagefragen und zum auszulegenden Unionsrecht

1.      Zu den ersten drei Vorlagefragen

21.      Mit seinen ersten drei Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 der Richtlinien 93/104 und 2003/88 sowie Art. 31 der Charta dahin auszulegen sind, dass die wöchentliche Ruhezeit, auf die der Arbeitnehmer Anspruch hat, spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss oder ob es dem Arbeitgeber freisteht, für jeden Siebentageszeitraum den Zeitpunkt der wöchentlichen Ruhezeit zu bestimmen.

22.      Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens fällt teilweise in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104, die bis zum 1. August 2004 in Kraft war, und teilweise in den der Richtlinie 2003/88, die mit Wirkung vom 2. August 2004 die in wesentlichen Punkten geänderte Richtlinie 93/104 kodifiziert hat(11). Da jedoch die Art. 5 der genannten Richtlinien einen identischen Wortlaut haben(12) und die Antworten auf die ersten drei Fragen des vorlegenden Gerichts wegen dieser Übereinstimmung unabhängig davon, welche Richtlinie anwendbar ist, die gleichen sind, ist zur Beantwortung dieser Fragen allein auf die Bestimmungen der Richtlinie 2003/88 abzustellen(13). Aus demselben Grund ist die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung des Art. 5 der Richtlinie 93/104 auch vollständig auf Art. 5 der Richtlinie 2003/88 übertragbar(14).

23.      Die erste Frage betrifft außerdem spezifisch den „Fall von Arbeitnehmern, die in reihum wechselnden Schichten mit entsprechenden freien Zeiträumen in Einrichtungen arbeiten, die an allen Wochentagen geöffnet sind, in denen jedoch nicht 24 Stunden am Tag durchgehend gearbeitet wird“. Diese Formulierung wirft die Frage auf, inwiefern hier Art. 17 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2003/88 einschlägig sein könnte, nach dem für Tätigkeiten in Schichtarbeit u. a. von Art. 5 dieser Richtlinie abgewichen werden kann(15).

24.      Das vorlegende Gericht gibt jedoch nicht an, ob es davon ausgeht, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seiner Tätigkeit bei Varzim Sol als Schichtarbeiter im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2003/88 anzusehen war und/oder ob er bei dieser Gesellschaft Schichtarbeit im Sinne von Art. 2 Nr. 5 dieser Richtlinie verrichtete(16). Darüber hinaus führt das vorlegende Gericht keinerlei Anhaltspunkte dafür an, dass das portugiesische Recht für Tätigkeiten in Schichtarbeit Abweichungen von Art. 5 der Richtlinie 2003/88 vorsieht, die nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. a dieser Richtlinie zulässig wären(17). Dieses Gericht geht nämlich mit keinem Wort auf die letztgenannte Bestimmung oder auf die vom Kläger geltend gemachten Bestimmungen des portugiesischen Rechts zu Schichtarbeitern ein(18).

25.      Unter diesen Umständen gehe ich davon aus, dass das portugiesische Recht für Schichtarbeit keine von Art. 5 der Richtlinie 2003/88 abweichenden Bestimmungen gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie vorsieht(19) und dass letztere Bestimmung daher für die Entscheidung im Ausgangsverfahren unerheblich ist.

26.      Des Weiteren führt das vorlegende Gericht auch nicht aus, ob die Betriebsvereinbarungen, die das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens regeln, von Art. 5 der Richtlinie 2003/88 abweichende Bestimmungen nach Art. 18 dieser Richtlinie enthalten(20). Im Gegenteil ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass diese Vereinbarungen dem Kläger einen Anspruch auf einen weiteren wöchentlichen Ruhetag gewähren, zusätzlich zu dem, der in Art. 5 der Richtlinie 2003/88 vorgesehen ist(21). Mit anderen Worten gewähren diese Vereinbarungen dem Kläger einen über Art. 5 der Richtlinie hinausgehenden Schutz(22).

27.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die ersten drei Vorlagefragen nicht den Fall betreffen, dass das nationale Recht oder Tarifverträge gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2003/88 oder gemäß Art. 18 dieser Richtlinie Abweichungen von deren Art. 5 gestatten, sondern vielmehr den „Normalfall“, der ausschließlich von Art. 5 dieser Richtlinie geregelt wird. Tatsächlich hebt das vorlegende Gericht selbst hervor, dass die im Ausgangsverfahren anwendbaren Bestimmungen der Arbeitsgesetzbücher 2003 und 2009 sowie der Betriebsvereinbarungen im Einklang mit Art. 5 der Richtlinie ausgelegt werden müssten.

28.      Schließlich fragt das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Vorlagefrage nach der Vereinbarkeit eines Sachverhalts, in dem der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, „ohne Vergütung von Überstunden“ bis zu zehn Tage in Folge zu arbeiten, mit Art. 5 der Richtlinie 2003/88 und mit Art. 31 der Charta.

29.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich insofern, dass sich die Richtlinie 2003/88 mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten besonderen Falles des bezahlten Jahresurlaubs darauf beschränkt, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, so dass sie grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet(23). Folglich fällt die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger – wie er vorträgt(24) – Anspruch auf die Vergütung von Überstunden hätte, nicht unter die Richtlinie 2003/88, sondern gegebenenfalls unter die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts und die anwendbaren Betriebsvereinbarungen.

30.      Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass die ersten drei Vorlagefragen so zu verstehen sind, dass mit ihnen im Wesentlichen gefragt wird, ob Art. 5 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 der Charta dahin auszulegen sind, dass die wöchentliche Ruhezeit spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss.

2.      Zur vierten Vorlagefrage

31.      Mit seiner vierten Frage erkundigt sich das vorlegende Gericht im Wesentlichen nach der Auslegung von Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2003/88, demzufolge die Mitgliedstaaten für die Anwendung von Art. 5 der Richtlinie einen Bezugszeitraum bis zu 14 Tagen vorsehen können(25).

32.      Das vorlegende Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegt, dass die Portugiesische Republik von der in Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, einen solchen Bezugszeitraum für die Anwendung von Art. 5 der Richtlinie festzulegen. Sowohl der Kläger des Ausgangsverfahrens als auch die portugiesische Regierung und die Kommission tragen vor, dass diese Möglichkeit im portugiesischen Recht nicht umgesetzt wurde.

33.      Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung festzustellen, dass die vierte Frage unzulässig ist(26).

B.      Zur Auslegung des Art. 5 der Richtlinie 2003/88 und des Art. 31 Abs. 2 der Charta

34.      Gemäß Art. 5 der Richtlinie 2003/88 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden (im Folgenden: wöchentliche Ruhezeit) zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Art. 3 dieser Richtlinie gewährt wird.

35.      Der Kläger und die portugiesische Regierung machen im Wesentlichen geltend, dass nach Art. 5 der Richtlinie 2003/88 die wöchentliche Ruhezeit spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden müsse. Demgegenüber sind Varzim Sol, die ungarische, die polnische, die finnische und die schwedische Regierung sowie die Europäische Kommission im Wesentlichen der Ansicht, dass diese Bestimmung lediglich vorschreibe, dass eine Ruhezeit von wenigstens 35 Stunden(27) für jeden Siebentageszeitraum gewährt werde und dass die wöchentliche Ruhezeit daher auf jeden beliebigen Tag innerhalb des jeweiligen Siebentageszeitraums fallen könne.

36.      Der Ausdruck „pro Siebentageszeitraum“ in Art. 5 der Richtlinie 2003/88 verweist nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten und ist daher nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen(28).

37.      Aus den nachstehend angeführten Gründen folge ich der Auslegung, nach der Art. 5 der Richtlinie 2003/88 nicht vorschreibt, dass die wöchentliche Ruhezeit zwingend spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss, sondern dass gemäß dieser Bestimmung die Ruhezeit innerhalb des jeweiligen Siebentageszeitraums zu gewähren ist. Diese Auslegung impliziert, dass der Arbeitnehmer in Anwendung dieser Bestimmung im Prinzip verpflichtet sein kann, an bis zu zwölf aufeinanderfolgenden Tage zu arbeiten(29), soweit die anderen Mindestvorgaben der Richtlinie 2003/88 erfüllt sind, insbesondere hinsichtlich der täglichen Ruhezeit und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit(30).

38.      Erstens ergibt sich dieses Ergebnis meiner Ansicht nach aus dem Wortlaut des Art. 5 der Richtlinie 2003/88. Der Ausdruck „pro Siebentageszeitraum“ bezieht sich nämlich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der wöchentlichen Ruhezeit, sondern vielmehr auf einen Zeitraum (sieben Tage), innerhalb dessen eine solche Ruhezeit gewährt werden muss. Der Wortlaut dieser Bestimmung erwähnt auch nicht „aufeinanderfolgende Arbeitstage“, sondern verlangt, im Gegenteil, dass die wöchentliche Ruhezeit „pro Siebentageszeitraum“ gewährt wird, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer während dieser sieben Tage gearbeitet hat oder nicht(31).

39.      Daraus folgt meiner Ansicht nach, dass der Begriff „Siebentageszeitraum“ in Art. 5 der Richtlinie 2003/88 nicht einen Zeitraum bezeichnet, dessen Anfang variabel ist, so dass er nach dem Ende der jeweiligen wöchentlichen Ruhezeit beginnt, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens und die portugiesische Regierung offenbar annehmen, sondern vielmehr feste, aufeinanderfolgende Zeiträume(32).

40.      Zweitens ist zu beachten, dass der Unionsgesetzgeber in anderen unionsrechtlichen Texten den Mitgliedstaaten explizit vorgeschrieben hat, den Arbeitnehmern nach einem bestimmten Zeitraum eine Ruhezeit zu gewähren(33). Die Tatsache, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 5 der Richtlinie 2003/88 eine flexiblere Formulierung gewählt hat, zeigt meines Erachtens, dass er nicht vorschreiben wollte, dass die in diesem Artikel vorgesehene wöchentliche Ruhezeit nach einer bestimmten Anzahl aufeinanderfolgender Arbeitstage gewährt werden muss(34). Die vom Kläger und von der portugiesischen Regierung vertretene Auslegung, wonach Art. 5 die Anzahl der aufeinanderfolgenden Arbeitstage auf sechs beschränke, findet dagegen in keiner der Sprachfassungen der Richtlinie 2003/88 eine Stütze(35).

41.      Drittens bestätigen die Vorarbeiten zur Richtlinie 93/104, die durch die Richtlinie 2003/88 ersetzt wurde(36), meiner Ansicht nach, dass Art. 5 der Richtlinie den Arbeitnehmern eine wöchentliche Mindestruhezeit gewährleisten soll, wobei den nationalen Gesetzgebern und den Sozialpartnern ein gewisser Spielraum hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung gelassen wird(37). Dieses Verständnis scheint auch in den Dokumenten der Kommission über die Umsetzung der Richtlinien 93/104 und 2003/88 in den Mitgliedstaaten durch(38). Schließlich erwähnte die ursprüngliche Fassung des Art. 5 der Richtlinie 93/104 zwar die sonntägliche Ruhezeit, doch schrieb diese Bestimmung nur vor, dass die wöchentliche Mindestruhezeit „grundsätzlich“ den Sonntag einschließt(39).

42.      Schließlich bin ich der Ansicht, dass eine obligatorische wöchentliche Ruhezeit innerhalb des jeweiligen Siebentageszeitraums mit dem vom Gerichtshof festgestellten Hauptzweck der Richtlinie 2003/88 übereinstimmt, nämlich die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schützen(40). Insofern stellt Art. 5 der Richtlinie 2003/88 nur die für alle Arbeitnehmer geltende Grundregel dar, zu der besondere Regeln für Tätigkeitsbereiche hinzutreten, die besonders anstrengend oder gefährlich sind(41).

43.      Was Art. 31 der Charta anbelangt, der in den Vorlagefragen ebenfalls angesprochen wird, so hat nach dessen Abs. 2 jeder Arbeitnehmer u. a. das Recht auf wöchentliche Ruhezeiten. Aus den Erläuterungen zur Charta(42) ergibt sich aber, dass sich dieser Absatz auf die Richtlinie 93/104, sowie auf Art. 2 der Europäischen Sozialcharta(43) und auf Nr. 8 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer(44) stützt.

44.      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass hinsichtlich der wöchentlichen Ruhezeit die Tragweite des Art. 31 Abs. 2 der Charta mit der des Art. 5 der Richtlinie 2003/88 übereinstimmt. Daraus folgt, dass Art. 31 Abs. 2 der Charta zur erbetenen Auslegung des Art. 5 der Richtlinie 2003/88 keine weiter gehenden hilfreichen Hinweise liefern kann.

45.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass Art. 5 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 der Charta dahin auszulegen sind, dass diese Bestimmungen nicht vorschreiben, dass eine Ruhezeit spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss, sondern, dass diese Ruhezeit innerhalb des jeweiligen Siebentageszeitraums zu gewähren ist. Wie dargelegt gilt diese Auslegung auch für Art. 5 der Richtlinie 93/104(45). Diese Auslegung impliziert, dass der Arbeitnehmer nach diesen Vorschriften grundsätzlich verpflichtet sein kann, an bis zu zwölf aufeinanderfolgenden Tagen zu arbeiten, soweit die anderen Mindestvorgaben der Richtlinie 2003/88 erfüllt sind, insbesondere hinsichtlich der täglichen Ruhezeit und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit(46).

46.      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es den Mitgliedstaaten angesichts der mit der Richtlinie 2003/88 erfolgten Mindestharmonisierung freisteht, nationale Bestimmungen einzuführen, die den Arbeitnehmern hinsichtlich der wöchentlichen Ruhezeit einen weiter gehenden Schutz gewähren als den nach der Richtlinie 2003/88. Wie sich ausdrücklich aus Art. 15 dieser Richtlinie ergibt, lässt diese das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen, unberührt(47). Das vorlegende Gericht hat zu beurteilen, ob und inwieweit es derartige günstigere Vorschriften im portugiesischen Recht(48) und/oder in im Ausgangsverfahren anwendbaren Betriebsvereinbarungen gibt(49).

V.      Ergebnis

47.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Tribunal da Relação do Porto (Berufungsgericht Porto, Portugal) wie folgt zu beantworten:

Art. 5 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, Art. 5 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen nicht verlangen, dass die wöchentliche Ruhezeit spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss, sondern vorschreiben, dass diese Ruhezeit innerhalb des jeweiligen Siebentageszeitraums zu gewähren ist.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1993, L 307, S. 18) in der Fassung der Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. 2000, L 195, S. 41).


3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).


4      Vgl. Art. 27 und 28 der Richtlinie 2003/88.


5      Das Ausgangsverfahren betrifft den Zeitraum von 1991 bis 2014. Siehe Nrn. 13 bis 17 und 22 der vorliegenden Schlussanträge.


6      In seiner ursprünglichen Fassung bestimmte Art. 5 der Richtlinie 93/104 in Abs. 2, dass „[d]ie Mindestruhezeit gemäß Absatz 1 … grundsätzlich den Sonntag ein[schließt]“. Dieser Absatz wurde jedoch – im Anschluss an das Urteil vom 12. November 1996, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑84/94, EU:C:1996:431), mit dem der Gerichtshof ihn für nichtig erklärt hatte – durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 zur Änderung der Richtlinie 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung hinsichtlich der Sektoren und Tätigkeitsbereiche, die von jener Richtlinie ausgeschlossen sind (ABl. 2000, L 195, S. 41), aufgehoben.


7      Das vorlegende Gericht verweist auf Art. 2 Buchst. f des Gesetzes Nr. 99/2003 vom 27. August 2003.


8      Die portugiesische Regierung trägt vor, dass der Anspruch auf eine wöchentliche Ruhezeit auch in Art. 59 Buchst. d der Verfassung der Portugiesischen Republik verankert sei.


9      Das vorlegende Gericht verweist auf Art. 2 Buchst. n des Gesetzes Nr. 7/2009 vom 12. Februar 2009.


10      Betriebsvereinbarung zwischen Varzim Sol – Turismo, Jogo e Animação SA und Sindicato dos Profissionais de Banca de Casinos e outros (Gewerkschaft der Beschäftigten im Bank-, Casino- und anderen Gewerben, Portugal), veröffentlicht im Boletim do Trabalho e do Emprego Nr. 22 von 2002 bzw. im Boletim do Trabalho e do Emprego Nr. 29 von 2003, geänderte und konsolidierte Fassung im Boletim do Trabalho e do Emprego Nr. 31 von 2007.


11      Vgl. erster Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 und Nr. 3 der vorliegenden Schlussanträge.


12      Siehe Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge.


13      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 32).


14      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 22).


15      Vgl. auch Art. 17 Abs. 2 Nr. 2.3 Buchst. a der Richtlinie 93/104.


16      Gemäß dieser Nr. 6 ist unter Schichtarbeiter im Sinne der Richtlinie „jeder in einem Schichtarbeitsplan eingesetzte Arbeitnehmer“ zu verstehen. Gemäß der genannten Nr. 5 ist unter Schichtarbeit zu verstehen „jede Form der Arbeitsgestaltung kontinuierlicher oder nicht kontinuierlicher Art mit Belegschaften, bei der Arbeitnehmer nach einem bestimmten Zeitplan, auch im Rotationsturnus, sukzessive an den gleichen Arbeitsstellen eingesetzt werden, so dass sie ihre Arbeit innerhalb eines Tages oder Wochen umfassenden Zeitraums zu unterschiedlichen Zeiten verrichten müssen“. Vgl. auch Art. 2 Nrn. 5 und 6 der Richtlinie 93/104.


17      Sowohl der Kläger als auch die Kommission tragen vor, dass der portugiesische Gesetzgeber von der in Art. 17 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Möglichkeit, für die Tätigkeit in Schichtarbeit von Art. 5 der Richtlinie abzuweichen, keinen Gebrauch gemacht habe; dies wird von keiner der Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, bestritten. Varzim Sol und die portugiesische Regierung bestätigen in allgemeiner Form, dass die in den Art. 17 und 18 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Abweichungen vorliegend nicht einschlägig seien.


18      Der Kläger beruft sich insbesondere auf Art. 189 Abs. 5 des Arbeitsgesetzbuchs 2003 und Art. 221 Abs. 5 des Arbeitsgesetzbuchs 2009, während die Beklagte vorträgt, dass diese Bestimmungen auf den Kläger nicht anwendbar seien, da dieser nicht kontinuierlich im Schichtbetrieb gearbeitet habe. Nach den schriftlichen Erklärungen des Klägers sehen diese Bestimmungen insbesondere für Schichtarbeit in einem kontinuierlichen Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf mindestens „einen Ruhetag in jedem Siebentageszeitraum“ vor.


19      Um die in den Art. 17 und 18 der Richtlinie 2003/88 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch nehmen zu können, unter bestimmten Umständen von den Erfordernissen insbesondere des Art. 5 dieser Richtlinie abzuweichen, müssen die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Entscheidung treffen, sich auf sie zu berufen. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2010, Accardo u. a. (C‑227/09, EU:C:2010:624, Rn. 51). Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Hälvä u. a. (C‑175/16, EU:C:2017:285, Nr. 89).


20      Gemäß Art. 18 der Richtlinie kann von Art. 5 insbesondere im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene abgewichen werden oder, bei zwischen den Sozialpartnern getroffenen Abmachungen, im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern auf niedrigerer Ebene; dies ist unter der Voraussetzung zulässig, dass die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten. Vgl. auch Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 93/104. Die portugiesische Regierung trägt vor, dass das portugiesische Recht keine Abweichung von Art. 5 der Richtlinie 2003/88 durch Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern oder Tarifverträge vorsehe.


21      Siehe Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge.


22      Gemäß Art. 15 der Richtlinie 2003/88 berührt diese nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten. Siehe dazu Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge.


23      Vgl. Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Siehe Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge.


25      Vgl. auch Art. 16 Nr. 1 der Richtlinie 93/104.


26      Vgl. insoweit Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos (C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 115), aus dem sich insbesondere ergibt, dass das vorlegende Gericht die genauen Gründe angeben muss, aus denen ihm die Auslegung bestimmter Unionsbestimmungen fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint. Varzim Sol macht außerdem geltend, dass die Formulierung der vierten Frage, die auf einen Vorschlag dieser Beteiligten zurückgehe, einen Schreibfehler enthalte, da die Zahl „vier“ in dem Satzteil „der vier Kalendertage eines bestimmten Bezugszeitraums“ irrtümlich eingefügt worden sei. Siehe Nr. 19 der vorliegenden Schlussanträge. Angesichts der Unzulässigkeit der Frage erscheint es mir nicht erforderlich, dass der Gerichtshof zu diesem Punkt Stellung nimmt.


27      D. h. die 24 Stunden wöchentlicher Ruhezeit zuzüglich der täglichen Mindestruhezeit von elf Stunden gemäß Art. 3 der Richtlinie 2003/88. Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden, wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen.


28      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, DR und TV2 Danmark (C‑510/10, EU:C:2012:244, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Anzumerken ist, dass der Ausdruck „pro Siebentageszeitraum“ in Art. 5 der Richtlinien 2003/88 und 93/104 sich in den am 17. November 1921 bzw. am 26. Juni 1957 in Genf angenommenen Übereinkommen Nrn. 14 und 106 der Internationalen Arbeitsorganisation über die wöchentliche Ruhezeit wiederfindet (Ersteres für die Industrie und Letzteres für Handel und Büros). Vgl. Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens von 1921 und Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens von 1957. Vgl. auch den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/104 und den sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88, die hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung auf die Grundsätze der Internationalen Arbeitsorganisation verweisen. Vgl. außerdem Nr. 10 der Begründung der Kommission vom 20. September 1990 für den Vorschlag, der zum Erlass der Richtlinie 93/104 führte (KOM[90] 317 endg.).


29      Z. B. vom Dienstag einer bestimmten Woche, der auf einen Ruhetag am Montag folgt, bis zum Samstag der folgenden Woche, auf den ein Ruhetag am Sonntag folgt. In einer Situation wie der vorliegenden, in der das nationale Recht oder Tarifverträge einen Anspruch auf zwei zusammenhängende wöchentliche Ruhetage vorsehen, impliziert diese Auslegung, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, an bis zu zehn aufeinanderfolgenden Tagen zu arbeiten. Vgl. Nrn. 7, 10 und 12 der vorliegenden Schlussanträge.


30      Vgl. Art. 3 und 6 der Richtlinie 2003/88.


31      Zu den Begriffen „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ vgl. Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinien 2003/88 und 93/104 sowie Urteile vom 3. Oktober 2000, Simap (C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 47), und vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 25 bis 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32      Vgl. insofern Urteil vom 12. November 1996, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑84/94, EU:C:1996:431, Rn. 62), wo „der Bezugszeitraum von sieben Tagen“ erwähnt wird. Ich weise darauf hin, dass hinsichtlich der täglichen Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. 1985, L 370, S. 1) der Gerichtshof entschieden hat, dass der Ausdruck „Zeitraum von 24 Stunden“ in diesem Artikel so zu verstehen ist, dass er sich auf jede Zeitspanne dieser Dauer bezieht, die in dem Moment beginnt, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt. Vgl. Urteil vom 2. Juni 1994, Van Swieten (C‑313/92, EU:C:1994:219, Rn. 22 bis 27). Ich meine jedoch, dass diese Auslegung nicht auf Art. 5 der Richtlinie 2003/88 übertragbar ist. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil nämlich das besondere Ziel betont, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, das im Zusammenhang der Richtlinie 2003/88 nicht relevant ist.


33      Vgl. insbesondere Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 1), wonach „[e]ine wöchentliche Ruhezeit … spätestens am Ende von sechs 24-Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit [beginnt]“ (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung.


34      Vgl. hierzu 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88, wonach in Anbetracht der Fragen, die sich aufgrund der Arbeitszeitgestaltung im Unternehmen stellen können, eine gewisse Flexibilität bei der Anwendung einzelner Bestimmungen dieser Richtlinie vorzusehen ist, wobei jedoch die Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu beachten sind.


35      Mit Ausnahme der ungarischen Fassung teilen sich die verschiedenen Sprachfassungen der Richtlinie 2003/88, wie mir scheint, in zwei Gruppen auf. In der Mehrzahl der Fassungen heißt es, dass die wöchentliche Ruhezeit für jeden Siebentageszeitraum zu gewähren ist. Vgl. insbesondere die englische („per each seven-day period“) und die deutsche Fassung („pro Siebentageszeitraum“). Vgl. auch die Fassungen in portugiesischer, bulgarischer, spanischer, tschechischer, dänischer, estnischer, griechischer, italienischer, niederländischer, slowakischer und finnischer Sprache. Die anderen Sprachfassungen ähneln der französischen Fassung, der zufolge die wöchentliche Ruhezeit während des jeweiligen Siebentageszeitraums zu gewähren ist („au cours de chaque période de sept jours“). Die ungarische Fassung ist weniger eindeutig, da der Ausdruck „hétnaponként“ sowohl nach einem als auch während eines Siebentageszeitraums bedeuten kann.


36      Siehe Nr. 3 der vorliegenden Schlussanträge.


37      Vgl. insbesondere Nrn. 1, 2, 16 und 35 der Begründung des Vorschlags, der zum Erlass der Richtlinie 93/104 führte (oben in Fn. 28 angeführt), wo mehrfach von Mindestruhezeiten pro Woche die Rede ist und in der die Kommission u. a. die Bedeutung der Flexibilität der Arbeit betont, die es den Betrieben erlaube, sich den Bedingungen des Wettbewerbs anzupassen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Vgl. auch Nr. 2.10 der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 18. Dezember 1990 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1991, C 60, S. 26), wonach „[d]ie Ruhezeit … pro Woche ermittelt werden [sollte]“. Vgl. zum Erlass der Richtlinie 2003/88 auch die Mitteilung der Kommission vom 15. Januar 2004 an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen und die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene hinsichtlich der Überprüfung der Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (KOM[2003] 843 endg./2, S. 3), aus der sich ergibt, dass die Richtlinie 93/104 „eine Mindestruhezeit von 24 Stunden pro Woche“ vorsieht.


38      Vgl. Bericht der Kommission vom 1. Dezember 2000, Stand der Umsetzung der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung („Arbeitszeitrichtlinie“) (KOM[2000] 787 endg., Nr. 6, S. 14) und Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission vom 21. Dezember 2010, Detailed report on the implementation by the Member States of Directive 2003/88/EC concerning certain aspects of the organisation of working time (,,The Working Time Directive“)(SEC[2010] 1611 final,Nr. 6.1.5, S. 102). In letzterem Dokument erläutert die Kommission u. a.: „The Working Time Directive does not require the weekly rest to be taken on any particular day of the week … These factors would suggest that in general, the weekly rest should be provided within each 7 day period.“


39      Siehe Fn. 6 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch zehnter Erwägungsgrund der Richtlinie 93/104 in seiner ursprünglichen Fassung, wonach es „in den Zuständigkeitsbereich eines jeden Mitgliedstaats [fällt], letztlich darüber zu befinden, ob und in welchem Maße der Sonntag in die wöchentliche Ruhezeit einzubeziehen ist“. Beim Erlass der Richtlinie 93/104 hatte das Europäische Parlament vorgeschlagen, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, sicherzustellen, dass jeder Arbeitnehmer „grundsätzlich über ein freies Wochenende und gesetzliche Urlaubstage verfügt …“. Dieser Vorschlag fand jedoch nicht die Zustimmung des Rates oder der Kommission. Vgl. insbesondere Stellungnahme des Europäischen Parlaments in erster Lesung vom 20. Februar 1991 (Änderung Nr. 14) (ABl. 1991, C 72, S. 86), Standpunkt der Kommission zu Änderungsanträgen des Parlaments in erster Lesung vom 23. April 1991 (KOM[91] 130 endg.) und Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 30. Juni 1993 (Dok. 7253/2/93 SOC 196).


40      Vgl. insbesondere Urteile vom 9. September 2003, Jaeger (C‑151/02, EU:C:2003:437, Rn. 92), und vom 14. Oktober 2010, Union syndicale Solidaires Isère (C‑428/09, EU:C:2010:612, Rn. 37), aus denen sich auch ergibt, dass jedem Arbeitnehmer angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen müssen, die nicht nur effektiv sein müssen, indem sie es den Betreffenden erlauben, sich von der durch ihre Arbeit hervorgerufenen Ermüdung zu erholen, sondern auch vorbeugenden Charakter haben müssen, indem sie die Gefahr einer Verschlechterung der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer, die in der Kumulierung von Arbeitsphasen ohne die erforderliche Ruhepause liegen kann, so weit wie möglich verringern.


41      Vgl. insbesondere hinsichtlich des Straßenverkehrs die Art. 6 bis 8 der Verordnung Nr. 561/2006.


42      ABl. 2007, C 303, S. 17.


43      Europäische Sozialcharta, unterzeichnet am 18. Oktober 1961 in Turin und revidiert am 3. Mai 1996 in Straßburg. Art. 2 Nr. 5 bestimmt insbesondere, dass „sich die Vertragsparteien [verpflichten], eine wöchentliche Ruhezeit sicherzustellen, die, soweit möglich, mit dem Tag zusammenfällt, der in dem betreffenden Land oder Bezirk durch Herkommen oder Brauch als Ruhetag anerkannt ist“.


44      Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer, auf der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 verabschiedet. Nr. 8 lautet: „Jeder Arbeitnehmer der Europäischen Gemeinschaft hat Anspruch auf die wöchentliche Ruhezeit und auf einen bezahlten Jahresurlaub, deren Dauer gemäß den einzelstaatlichen Gepflogenheiten auf dem Wege des Fortschritts in den einzelnen Staaten einander anzunähern ist.“ Vgl. auch Urteil vom 19. September 2013, Überprüfung Kommission/Strack (C‑579/12 RX-II, EU:C:2013:570, Rn. 27).


45      Siehe Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge.


46      Siehe Nr. 37 und Fn. 30 der vorliegenden Schlussanträge.


47      Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten auch die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern gestatten. Vgl. zur Mindestharmonisierung durch die Richtlinien 93/104 und 2003/88 Urteile vom 12. November 1996, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑84/94, EU:C:1996:431, Rn. 42), und vom 26. Juni 2001, BECTU (C‑173/99, EU:C:2001:356, Rn. 55).


48      Die portugiesische Regierung deutet meines Erachtens an, dass sich ein weiter gehender Schutz aus den Vorschriften über den Schichtplanwechsel von Schichtarbeitern gemäß Art. 221 Abs. 4 des portugiesischen Arbeitsgesetzbuchs ergeben könnte, der den Wechsel zwischen zwei Schichtplänen, denen kein wöchentlicher Ruhetag vorhergehe, untersage.


49      Siehe hierzu Nrn. 12 und 26 der vorliegenden Schlussanträge.