SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA
vom 10. September 2020(1)
Verbundene Rechtssachen C‑407/19 und C‑471/19
Katoen Natie Bulk Terminals NV,
General Services Antwerp NV
gegen
Belgische Staat
(Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State [Staatsrat, Belgien])
und
Middlegate Europe NV
gegen
Ministerraad,
Beteiligte:
Katoen Natie Bulk Terminals NV,
General Services Antwerp NV,
Koninklijk Verbond der Beheerders van Goederenstromen (KVBG) CVBA,
MVH Logistics en Stuwadoring BV
(Vorabentscheidungsersuchen des Grondwettelijk Hof [Verfassungsgerichtshof, Belgien])
„Vorabentscheidungsersuchen – Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Ausübung von Hafentätigkeiten – Hafenarbeiter (Stauer) – Zugang zum Beruf und Einstellung – Erfordernisse für die Anerkennung von Stauern – In ein Kontingent (Pool) aufgenommene Hafenarbeiter – Direkte Einstellung von Stauern – Befristung des Arbeitsvertrags – Mobilität der Stauer zwischen den Hafengebieten – Logistische Arbeitnehmer – Vorläufige Anwendung einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Regelung“
1. Das Be- und Entladen der Schiffe in den Häfen wurde von Stauern durchgeführt, die für gewöhnlich für kurze Zeiträume und unter schwierigen Bedingungen arbeiteten. Ihr Kampf um bessere Arbeitsbedingungen hat mit der Unterstützung einiger gut organisierter Gewerkschaften dazu geführt, dass viele Staaten besondere Vorschriften zur Regelung dieses Arbeitsverhältnisses erlassen haben.
2. Die verschiedenen staatlichen Regelungen behielten diese Arbeit übereinstimmend ausschließlich Stauern vor, die zu einem begrenzten Kontingent oder Pool gehörten (die in den vorliegenden Rechtssachen überwiegend als „anerkannte“ Stauer bezeichnet werden). Auf sie mussten Unternehmen, die Hafendienste erbrachten, zwangsläufig zurückgreifen.
3. Das Stauen und die übrige Hafenarbeit haben sich im Zuge der technologischen Entwicklung verändert, aber die arbeitsrechtlichen Regelungen, die in unterschiedlicher Ausgestaltung das „Monopol“ der anerkannten Stauer begünstigten, gelten in einigen Mitgliedstaaten weiterhin mehr oder weniger unverändert(2).
4. Im Jahr 2014 entschied der Gerichtshof(3), dass die spanischen Regelungen über das Stauen in Häfen, die den traditionellen Modellen in diesem Bereich entsprachen, mit der in Art. 49 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit unvereinbar waren.
5. Der Unionsgesetzgeber hat trotz der Bemühungen der Kommission weder vor noch nach diesem Urteil eine Harmonisierung der Regelungen über die Erbringung von Hafendiensten im Hinblick auf die Arbeitsverhältnisse und die sozialen Bedingungen der Hafenarbeiter erreicht(4).
6. Diese beiden Vorabentscheidungsersuchen geben dem Gerichtshof Gelegenheit zu klären, ob die belgischen Vorschriften (die weiterhin besondere arbeitsrechtliche Regelungen für die Einstellung von Stauern vorsehen) mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sind. Gleichzeitig könnte er in seinem Urteil weitere Kriterien festlegen, um klarzustellen, dass die Regelungen für Hafenarbeiter den Anforderungen des Unionsrechts und insbesondere dieser Freiheit entsprechen müssen. Die Häfen sind kein rechtsfreier Raum(5).
I. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
7. Art. 49 AEUV lautet:
„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.“
B. Belgisches Recht
1. Wet van 8 juni 1972 betreffende de havenarbeid(6)
8. Folgende Artikel dieses Gesetzes, das mehrfach geändert worden ist, sind hier von Bedeutung:
„Artikel 1
Niemand darf in Hafengebieten Hafenarbeit von anderen Arbeitnehmern als anerkannten Hafenarbeitern verrichten lassen.
Artikel 2
Für die Anwendung dieses Gesetzes gilt die vom König gemäß den Artikeln 35 und 37 des Gesetzes vom 5. Dezember 1968 über Tarifverträge und paritätische Ausschüsse vorgenommene Umschreibung der Hafengebiete und der Hafenarbeit.
Artikel 3
Der König legt nach Stellungnahme des für das betreffende Hafengebiet zuständigen paritätischen Ausschusses die Voraussetzungen und Bedingungen für die Anerkennung der Hafenarbeiter fest.
…
Artikel 3bis
Nach Stellungnahme des für das betreffende Hafengebiet zuständigen paritätischen Ausschusses kann der König die Arbeitgeber, die Hafenarbeiter in diesem Gebiet beschäftigen, verpflichten, einer von ihm anerkannten Arbeitgeberorganisation beizutreten, die als Beauftragte alle Verpflichtungen erfüllt, die sich nach den Regelungen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit aus der Beschäftigung von Hafenarbeitern für die Arbeitgeber ergeben.
Eine Arbeitgeberorganisation im Sinne des ersten Absatzes kann nur dann anerkannt werden, wenn sie bereits die Mehrheit der betroffenen Arbeitgeber zu ihren Mitgliedern zählt.“
2. Koninklijk besluit van 12 januari 1973 tot oprichting en vaststelling van de benaming en van de bevoegdheid van het Paritair Comité voor het Havenbedrijf(7)
9. Art. 1 bestimmt:
„Es wird ein paritätischer Ausschuss mit der Bezeichnung ‚Paritätischer Hafenausschuss‘ (der für Arbeitnehmer im Allgemeinen und deren Arbeitgeber zuständig ist) eingesetzt für
alle Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber, die in Hafengebieten
A. als Haupt- oder Nebentätigkeit Hafenarbeit verrichten, d. h. jede Behandlung von Waren, die per See- oder Binnenschiff, Bahn oder Lastkraftwagen an- oder abtransportiert werden, und die mit diesen Waren in Zusammenhang stehenden Nebendienstleistungen, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten in Docks, auf Wasserstraßen oder Kaianlagen oder in Einrichtungen ausgeübt werden, die sich auf die Einfuhr, die Ausfuhr und den Transit von Waren beziehen, sowie jede Behandlung von Waren, die per See- oder Binnenschiff auf Kaianlagen von Industrieeinrichtungen an- oder von diesen abtransportiert werden.
Es gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. Behandlung von Waren:
a) Waren: sämtliche Waren einschließlich Container und Transportmittel, mit Ausnahme von:
– Beförderung von Erdöl als Schüttgut, (flüssigen) Erdölerzeugnissen und flüssigen Rohstoffen für Raffinerien, die chemische Industrie und Lagerungs- und Verarbeitungstätigkeiten in Erdölanlagen;
– durch Fischereifahrzeuge transportierte Fische,
– unter Druck stehende Flüssiggase und Gase als Schüttgut.
b) Behandlung: das Beladen, Entladen, Stauen, Löschen, Bewegen der Fracht, Ausladen von Schüttgut, Ingangsetzen, Einstufen, Auswählen, Schätzen, Stapeln sowie Zusammensetzen und Auseinandernehmen von Stückgut.
2. Mit diesen Waren in Zusammenhang stehende Nebendienstleistungen: das Kennzeichnen, Wiegen, Messen, Berechnen des Volumens, Überprüfen, Entgegennehmen, Schützen (mit Ausnahme von Schutzdiensten, die von Gesellschaften, die der Gerichtsbarkeit der Gemeinsamen Kommission für Schutz- und/oder Überwachungsdienstleistungen unterliegen, im Namen von Gesellschaften erbracht werden, die der Kommission für die gemeinsamen Häfen Bericht erstatten), Liefern, Beproben und Versiegeln, Festmachen und Losmachen.
…“
3. Koninklijk besluit van 5 juli 2004 betreffende de erkenning van havenarbeiders in de havengebieden die onder het toepassingsgebied vallen van de wet van 8 juni 1972 betreffende de havenarbeid(8)
10. Ursprünglich sah dieser Erlass eine Anerkennungspflicht für alle Stauer vor, die Hafenarbeit im Sinne des Königlichen Erlasses von 1973 durchführten. Diese wurden nach ihrer Anerkennung dem allgemeinen Kontingent („Pool“) oder dem Logistik-Kontingent zugeordnet.
11. Der Königliche Erlass vom 5. Juli 2004 wurde durch den Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 geändert, der auf das von der Kommission am 28. März 2014 an Belgien übermittelte Mahnschreiben hin angenommen wurde(9).
12. Infolge dieser Änderung bestimmt der Königliche Erlass vom 5. Juli 2004 in seiner in den vorliegenden Rechtssachen anwendbaren Fassung:
„Artikel 1
§ 1. In jedem Hafengebiet werden die Hafenarbeiter vom eingerichteten paritätischen Ausschuss (im Folgenden: Verwaltungskommission) anerkannt, der aus dem paritätischen Unterausschuss gebildet wird, der für das betreffende Hafengebiet zuständig ist.
Diese Verwaltungskommission setzt sich zusammen aus:
1. einem Vorsitzenden und einem stellvertretenden Vorsitzenden;
2. vier Vollmitgliedern und vier Stellvertretern, die von den Arbeitgeberorganisationen ernannt werden, die im paritätischen Unterausschuss vertreten sind;
3. vier Vollmitgliedern und vier Stellvertretern, die von den Arbeitnehmerorganisationen ernannt werden, die im paritätischen Unterausschuss vertreten sind;
4. einem oder mehreren Schriftführer(n).
Die Bestimmungen des Königlichen Erlasses vom 6. November 1969 zur Festlegung der allgemeinen Bedingungen für die Arbeitsweise der Ausschüsse und der paritätischen Unterausschüsse sowie die in Art. 10 des vorliegenden Königlichen Erlasses vorgesehenen Sonderregelungen sind auf die Arbeitsweise der Verwaltungskommission anzuwenden.
§ 2. Der Antrag auf Anerkennung ist schriftlich bei dem zuständigen paritätischen Unterausschuss mittels eines Formulars zu stellen, das zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wird.
In dem Antrag ist anzugeben, ob er für eine Beschäftigung im Pool oder außerhalb des Pools gestellt wird.
§ 3. Unbeschadet der Regelung in § 1 Abs. 1 gilt für Arbeitnehmer, die eine Arbeit im Sinne von Art. 1 des [Königlichen Erlasses vom 12. Januar 1973] an Orten verrichten, an denen Waren zur Vorbereitung ihrer weiteren Verteilung oder Versendung eine Veränderung erfahren, die mittelbar zu einem nachweislichen Mehrwert führt, und die über eine Sicherheitsbescheinigung mit der Bezeichnung ‚Logistikarbeitnehmer‘ verfügen, diese Sicherheitsbescheinigung als Anerkennung im Sinne des [Gesetzes von 1972].
Der Arbeitgeber, der mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, beantragt für die Verrichtung der im vorstehenden Absatz genannten Tätigkeiten eine Sicherheitsbescheinigung; die Ausstellung erfolgt gegen Vorlage des Personalausweises und des Arbeitsvertrags. Die Modalitäten dieses Verfahrens werden durch Tarifvertrag festgelegt.
Artikel 2
§ 1. Die Hafenarbeiter im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 werden nach ihrer Anerkennung entweder in den Pool von Hafenarbeitern aufgenommen oder nicht aufgenommen.
Bei der Entscheidung, ob sie in den Pool aufgenommen werden, ist dem Bedarf an Arbeitskräften Rechnung zu tragen.
§ 2. Die Anerkennung der in den Pool aufgenommenen Hafenarbeiter ist befristet oder unbefristet.
Die Modalitäten der Dauer der Anerkennung werden durch Tarifvertrag festgelegt.
§ 3. Hafenarbeiter, die nicht in den Pool aufgenommen werden, werden von einem Arbeitgeber im Einklang mit dem Gesetz vom 3. Juli 1978 über die Arbeitsverträge unmittelbar mittels eines Arbeitsvertrags eingestellt.
Die Dauer der Anerkennung ist auf die Laufzeit dieses Arbeitsvertrags beschränkt.
…
Artikel 4
§ 1. Für die Anerkennung als Hafenarbeiter im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 gelten die folgenden Voraussetzungen:
…
2. Der Arbeitnehmer wird vom externen Dienst für Vorbeugung und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, dem die gemäß Art. 3bis des [Gesetzes von 1972] als Beauftragte benannte Arbeitgeberorganisation angehört, für gesundheitlich tauglich erklärt.
3. Der Arbeitnehmer hat die psychotechnischen Prüfungen bestanden, die von dem Organ abgenommen werden, das von der gemäß Art. 3bis des [Gesetzes von 1972] als Beauftragten benannten Arbeitgeberorganisation zu diesem Zweck benannt worden ist; der Zweck dieser Prüfungen besteht darin, festzustellen, ob der Bewerber auf die Stelle des Hafenarbeiters über eine hinreichende Intelligenz und eine geeignete Persönlichkeit und Motivation verfügt, um nach einer Ausbildung als Hafenarbeiter tätig werden zu können.
…
6. Der Arbeitnehmer hat drei Wochen lang die Vorbereitungskurse für Arbeitssicherheit und zum Erwerb der fachlichen Eignung besucht und die Abschlussprüfung bestanden. Die zuständige Behörde kann Anforderungen an die Qualität der Ausbildung, die frei erteilt werden kann, festlegen.
7. In den letzten fünf Jahren ist seine Anerkennung als Hafenarbeiter nicht gemäß Art. 7 § 1 Nr. 1 oder 3 des vorliegenden Erlasses widerrufen worden …
8. Im Fall der Anerkennung eines Hafenarbeiters nach Art. 2 § 3 muss dieser zudem über einen Arbeitsvertrag verfügen.
§ 2. Die Anerkennung eines Hafenarbeiters gilt innerhalb der vom König gemäß Art. 35 und 37 des Gesetzes vom 5. Dezember 1968 über Tarifverträge und paritätische Ausschüsse festgelegten Grenzen eines jeden Hafengebiets.
Die Bedingungen und Modalitäten, unter denen ein Hafenarbeiter in einem anderen Hafengebiet als dem, in dem er anerkannt worden ist, beschäftigt werden kann, werden durch Tarifvertrag festgelegt.
Für den Fall, dass der Hafenarbeiter außerhalb des Hafengebiets beschäftigt wird, in dem er anerkannt worden ist, bleibt die gemäß Art. 3bis des [Gesetzes von 1972] als Beauftragte benannte Arbeitgeberorganisation Beauftragte.
§ 3. Hafenarbeiter, die nachweisen können, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union vergleichbare Voraussetzungen im Bereich der Hafenarbeit erfüllen, müssen diese Voraussetzungen für die Zwecke des vorliegenden Königlichen Erlasses nicht mehr erfüllen.
§ 4. Die Anträge auf Anerkennung und erneute Anerkennung sind bei der Verwaltungskommission zu stellen und werden von dieser bearbeitet.
…
Artikel 13/1
1. Der Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 2 § 3 Abs. 2 ist auf unbestimmte Zeit zu schließen;
2. der Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 2 § 3 Abs. 2 ist mit einer Laufzeit von mindestens zwei Jahren zu schließen;
3. der Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 2 § 3 Abs. 2 ist mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr zu schließen;
4. der Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 2 § 3 Abs. 2 ist mit einer Laufzeit von mindestens sechs Monaten zu schließen;
…
Artikel 15/1
Für die Anwendung dieses Königlichen Erlasses gilt Folgendes:
1. Die nach dem früheren Art. 2 § 2 anerkannten Hafenarbeiter werden vorbehaltlich der Anwendung der Art. 5 bis 9 dieses Königlichen Erlasses von Rechts wegen als in den Pool aufgenommene Hafenarbeiter gemäß Art. 2 § 1 anerkannt.
2. Die nach dem früheren Art. 2 § 3 anerkannten Hafenarbeiter werden vorbehaltlich der Anwendung der Art. 5 bis 9 dieses Königlichen Erlasses von Rechts wegen den logistischen Arbeitnehmern im Sinne von Art. 1 § 3 gleichgestellt.
…“
II. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
A. Rechtssache C‑407/19
13. Die Katoen Natie Bulk Terminals NV (im Folgenden: Katoen)(10) und die General Services Antwerp NV (im Folgenden: General Services)(11) sind zwei in Belgien ansässige Gesellschaften, zu deren Tätigkeiten dort und im Ausland Hafenarbeit gehört.
14. Am 5. September 2016 fochten diese beiden Gesellschaften beim Staatsrat (Belgien) den Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 an. Sie beantragten die Nichtigerklärung dieses Erlasses, weil er ihrer Ansicht nach gegen die Grundfreiheiten des Binnenmarkts der Union und gegen die Vorschriften über den freien Wettbewerb(12) verstieß und, obwohl mit ihm scheinbar eine Liberalisierung des Arbeitsmarkts angestrebt worden sei, in Wirklichkeit sieben unnötige und unverhältnismäßige Beschränkungen zementiert oder den bestehenden Rechtsvorschriften über die Hafenarbeit hinzugefügt worden seien.
15. Insbesondere handele es sich um folgende Beschränkungen:
– Das Erfordernis einer Anerkennung aller nicht logistischen Hafenarbeiter durch eine Verwaltungskommission, die sich aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zusammensetze, was zu einem abgeschotteten Arbeitsmarkt („closed shop“) führe.
– Die örtlichen Arbeitgeberorganisationen und die Gewerkschaften der jeweiligen Hafengebiete kontrollierten die Organe, die über die medizinische Tauglichkeit, die psychotechnischen Voraussetzungen und die für eine Bewerbung als Stauer zu absolvierenden Berufsausbildungskurse entschieden.
– Die Liberalisierung des Zugangs zum Hafenarbeitsmarkt sei für nicht zum Pool gehörende Arbeitnehmer (die unmittelbar einen Vertrag mit einem Arbeitgeber abschlössen) rein theoretisch: Die Anerkennung solcher Arbeitnehmer sei auf die Laufzeit ihres Vertrags beschränkt und müsse für jeden neuen Vertrag erneut beantragt werden.
16. Diese Beschränkungen gingen über das zur Erreichung der verfolgten Ziele des Allgemeininteresses erforderliche Maß hinaus und seien nicht gerechtfertigt. Dass die Europäische Kommission das Vertragsverletzungsverfahren vorbehaltlich eines Monitorings aus politischen Gründen eingestellt habe, ändere nichts an der Unvereinbarkeit dieser Beschränkungen mit dem Unionsrecht.
17. Die belgische Regierung bestreitet, dass der Königliche Erlass vom 10. Juli 2016 gegen die Niederlassungsfreiheit oder andere Freiheiten verstoße. Weder das Mahnschreiben der Kommission noch die von den Klägerinnen angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs seien ein hinreichender Nachweis für das Vorliegen eines Verstoßes. Die Kommission habe das Vertragsverletzungsverfahren nicht aus politischen Gründen eingestellt, sondern deshalb, weil die von ihr geäußerten Bedenken ausgeräumt worden seien.
18. Nach Ansicht der belgischen Regierung liegt keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vor, da alle Gesellschaften unabhängig vom Ort ihres Sitzes denselben Regeln unterworfen seien. Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten würden genauso behandelt wie nationale Gesellschaften.
19. Schließlich macht die belgische Regierung geltend, dass die Hafenarbeitsregelung, zu der der Königliche Erlass vom 10. Juli 2016 gehöre – selbst wenn es die behaupteten Beschränkungen gäbe (was sie bestreitet) –, erforderlich, verhältnismäßig und hinreichend gerechtfertigt sei, da sie
– den Hafenarbeitern eine erhöhte Sicherheit garantiere,
– hinreichende Flexibilität vorsehe, da diese Arbeitnehmer in einer Weise eingesetzt würden bzw. eingesetzt werden könnten, die dem konstant fluktuierenden Charakter des Arbeitsangebots Rechnung trage, und
– die Qualität und die Sicherheit der Hafenarbeit gewährleiste.
20. Unter diesen Umständen hat der Staatsrat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der Regelung in Art. 1 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 in Verbindung mit Art. 2 dieses Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 entgegensteht, nämlich der Regelung, wonach Hafenarbeiter im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 des erwähnten Erlasses vom 5. Juli 2004 bei ihrer Anerkennung durch eine – aus von den im betreffenden paritätischen Unterausschuss vertretenen Arbeitgeberorganisationen einerseits und den darin vertretenen Arbeitnehmerorganisationen andererseits benannten Mitgliedern paritätisch zusammengesetzte – Verwaltungskommission entweder in den Pool von Hafenarbeitern aufgenommen oder nicht aufgenommen werden, wobei dem Bedarf an Arbeitskräften Rechnung getragen wird, wenn gleichzeitig berücksichtigt wird, dass für diese Verwaltungskommission keine Entscheidungsfrist vorgesehen und gegen ihre Anerkennungsentscheidungen lediglich ein gerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist?
2. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der mit Art. 4 § 1 Nrn. 2, 3, 6 und 8 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung von Art. 4 Nrn. 2, 3, 4 und 6 des angefochtenen Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 eingeführten Regelung entgegensteht, nämlich der Regelung, wonach eine Anerkennung als Hafenarbeiter voraussetzt, dass der Arbeitnehmer a) vom externen Dienst für Vorbeugung und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, dem die gemäß Art. 3bis des Gesetzes vom 8. Juni 1972 als Beauftragte benannte Arbeitgeberorganisation angehört, für tauglich erklärt wird, b) die psychotechnischen Prüfungen bestanden hat, die das von der anerkannten Arbeitgeberorganisation gemäß demselben Art. 3bis des Gesetzes vom 8. Juni 1972 hierfür als Beauftragter benannte Organ abgenommen hat, c) drei Wochen lang die Vorbereitungskurse für Arbeitssicherheit und zum Erwerb der fachlichen Eignung besucht und die Abschlussprüfung bestanden hat, sowie d) bereits über einen Arbeitsvertrag verfügt, wenn es um einen Hafenarbeiter geht, der nicht in den Pool aufgenommen wird, wobei ausländische Hafenarbeiter in Verbindung mit Art. 4 § 3 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 nachweisen können müssen, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat vergleichbare Voraussetzungen erfüllen, damit sie diesen Voraussetzungen für die Zwecke der angefochtenen Regelung nicht mehr unterworfen werden?
3. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der mit Art. 2 § 3 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung von Art. 2 des angefochtenen Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 eingeführten Regelung entgegensteht, nämlich der Regelung, wonach die Dauer der Anerkennung von Hafenarbeitern, die nicht in den Pool aufgenommen und deshalb von einem Arbeitgeber im Einklang mit der Wet van 3 juli 1978 „betreffende de arbeidsovereenkomsten“ (Gesetz vom 3. Juli 1978 „über die Arbeitsverträge“) unmittelbar mit einem Arbeitsvertrag eingestellt werden, auf die Laufzeit dieses Arbeitsvertrags beschränkt wird, so dass jeweils ein neues Anerkennungsverfahren eingeleitet werden muss?
4. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der mit Art. 13/1 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung von Art. 17 des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 eingeführten Regelung entgegensteht, nämlich der Übergangsmaßnahme, wonach der Arbeitsvertrag, von dem in der dritten Vorlagefrage die Rede ist, zunächst auf unbestimmte Zeit, ab dem 1. Juli 2017 für mindestens zwei Jahre, ab dem 1. Juli 2018 für mindestens ein Jahr, ab dem 1. Juli 2019 für mindestens sechs Monate und ab dem 1. Juli 2020 mit einer frei bestimmbaren Laufzeit geschlossen worden sein muss?
5. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der Regelung in Art. 15/1 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung von Art. 18 des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 entgegensteht, nämlich der (Übergangs‑)Maßnahme, wonach die unter der alten Regelung anerkannten Hafenarbeiter automatisch als Pool-Hafenarbeiter anerkannt werden, wodurch die Möglichkeit eines Arbeitgebers, diese Hafenarbeiter unmittelbar (mit einem unbefristeten Vertrag) zu beschäftigen, eingeschränkt wird und Arbeitgeber daran gehindert werden, gute Arbeitskräfte an sich zu binden, indem sie mit ihnen unmittelbar einen unbefristeten Vertrag schließen und ihnen nach den Regeln des allgemeinen Arbeitsrechts Beschäftigungssicherheit bieten?
6. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der mit Art. 4 § 2 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung von Art. 4 Nr. 7 des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 eingeführten Regelung entgegensteht, nämlich der Regelung, wonach ein Tarifvertrag die Bedingungen und Modalitäten festlegt, unter denen ein Hafenarbeiter in einem anderen Hafengebiet als demjenigen beschäftigt werden kann, in dem er anerkannt worden ist, wodurch die Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Hafengebieten eingeschränkt wird, ohne dass der Gesetzgeber selbst klarstellt, welche Bedingungen oder Modalitäten dies sein können?
7. Ist Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 oder 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, dahin auszulegen, dass er der mit Art. 1 § 3 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung von Art. 1 Nr. 2 des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 eingeführten Regelung entgegensteht, nämlich der Regelung, wonach (logistische) Arbeitnehmer, die im Sinne von Art. 1 des Koninklijk besluit van 12 januari 1973 „tot oprichting en vaststelling van de benaming en van de bevoegdheid van het Paritair Comité voor het Havenbedrijf“ (Königlicher Erlass vom 12. Januar 1973 „zur Einsetzung des paritätischen Ausschusses für den Hafenbetrieb sowie zur Festlegung seiner Bezeichnung und seiner Zuständigkeit“) an Orten Arbeit verrichten, an denen Waren zur Vorbereitung ihrer weiteren Verteilung oder Versendung eine Veränderung erfahren, die mittelbar zu einem nachweislichen Mehrwert führt, über eine Sicherheitsbescheinigung verfügen müssen, wobei diese Sicherheitsbescheinigung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie von einem Arbeitgeber beantragt wird, der mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag über die Verrichtung entsprechender Tätigkeiten geschlossen hat, ihre Ausstellung gegen Vorlage des Arbeitsvertrags und des Personalausweises erfolgt und die Modalitäten des einzuhaltenden Verfahrens in einem Tarifvertrag festgelegt werden, ohne dass der Gesetzgeber in diesem Punkt Klarheit schafft, als eine Anerkennung im Sinne des Gesetzes vom 8. Juni 1972 über die Hafenarbeit gilt?
B. Rechtssache C‑471/19
21. Middlegate Europe ist ein europaweit tätiges Transportunternehmen mit Sitz in Zeebrugge (Belgien). Im Rahmen des internationalen Straßentransports bereiten seine Arbeitnehmer auf dem Hafenkai von Zeebrugge mit Hilfe einer Zugmaschine u. a. Auflieger für die Verschiffung in das Vereinigte Königreich und nach Irland vor.
22. Anlässlich einer am 12. Januar 2011 durchgeführten Kontrolle leitete die Polizei ein Verfahren gegen Middlegate Europe wegen eines Verstoßes gegen Art. 1 des Gesetzes von 1972 (Verrichtung von Hafenarbeit durch einen nicht anerkannten Hafenarbeiter) ein. Mit Bescheid vom 17. Januar 2013 wurde gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro verhängt.
23. Middlegate Europe focht die Geldbuße vor der Arbeidsrechtbank te Gent, afdeling Brugge (Arbeitsgericht Gent, Abteilung Brügge, Belgien), an, die das Rechtsmittel als unbegründet zurückwies. Der Arbeidshof te Gent (Arbeitsgerichtshof Gent, Belgien) wies die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung ebenfalls zurück.
24. Middlegate Europe legte Revision beim Kassationshof (Belgien) ein und machte geltend, dass die Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 gegen die Art. 10, 11 und 23 der belgischen Verfassung verstießen (Grundsatz der Gleichheit und der Freiheit des Handels sowie der Unternehmensfreiheit).
25. Im Rahmen dieses Verfahrens legte der Kassationshof dem Verfassungsgerichtshof (Belgien) eine Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen vor. Der Verfassungsgerichtshof hält seinerseits zur Beantwortung dieser Frage eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs für erforderlich, da vor ihm rechtliche Argumente für und gegen die Vereinbarkeit des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht geltend gemacht worden sind.
26. Konkret hat der Verfassungsgerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 49 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 56 AEUV, Art. 15 und 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem Gleichheitsgrundsatz, dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Personen oder Unternehmen, die Hafenarbeiten im Sinne des Gesetzes von 1972 – einschließlich Tätigkeiten ohne Zusammenhang mit dem Be- und Entladen von Schiffen im strengen Sinne – in einem belgischen Hafengebiet verrichten möchten, dazu verpflichtet, dafür nur anerkannte Hafenarbeiter in Anspruch zu nehmen?
2. Darf der Verfassungsgerichtshof, falls die erste Frage bejaht wird, die Wirkungen der in Frage stehenden Art. 1 und 2 des Gesetzes vom 8. Juni 1972 über die Hafenarbeit vorläufig aufrechterhalten, um Rechtsunsicherheit sowie soziale Spannungen zu vermeiden und es dem Gesetzgeber zu ermöglichen, sie mit den sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen in Einklang zu bringen?
III. Verfahren vor dem Gerichtshof
27. Nachdem Katoen, die belgische Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht hatten, sind die Rechtssachen C‑407/19 und C‑471/19 verbunden worden.
28. Die mündliche Verhandlung, die am 23. April 2020 hätte stattfinden sollen, ist durch die den Parteien vom Gerichtshof zur schriftlichen Beantwortung gestellten Fragen ersetzt worden, auf die diese geantwortet haben.
IV. Vorbemerkungen
A. Rein innerstaatlicher Sachverhalt?
29. Da die Rechtsstreitigkeiten, aus denen die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen hervorgegangen sind, keine grenzüberschreitenden Aspekte aufweisen, könnte man sich fragen (wie es der Staatsrat tut)(13), ob der Gerichtshof für die Entscheidung über die Vorlagefragen zuständig ist.
30. Grundsätzlich sind die Vorschriften des AEU-Vertrags über die Verkehrsfreiheiten und die zu ihrer Durchführung erlassenen Maßnahmen nicht auf Sachverhalte anwendbar, deren Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen(14).
31. Als Ausnahme zu dieser Regel hat der Gerichtshof festgestellt, dass dann, wenn das vorlegende Gericht ihn im Rahmen eines Verfahrens zur Nichtigerklärung von Bestimmungen anruft, die nicht nur für Inländer, sondern auch für die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Geltung haben, die Entscheidung, die das vorlegende Gericht im Anschluss an das Vorabentscheidungsurteil des Gerichtshofs treffen wird, auch in Bezug auf die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Wirkungen entfalten wird, was es rechtfertigt, dass er die ihm im Zusammenhang mit den die Grundfreiheiten betreffenden Vorschriften des Vertrags gestellten Fragen trotz des Umstands beantwortet, dass die Merkmale des Ausgangsrechtsstreits sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen(15).
32. In solchen Fällen ist das vorlegende Gericht verpflichtet, die Erforderlichkeit der Auslegung im Wege der Vorabentscheidung durch den Gerichtshof zu begründen(16). Der Staatsrat hat diese Verpflichtung erfüllt, indem er ausgeführt hat:
– Die angefochtene belgische Regelung gelte für alle Wirtschaftsteilnehmer, die wirtschaftliche Aktivitäten im Zusammenhang mit den Häfen entfalten wollten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.
– Die Regelung gelte für die belgischen Hafengebiete von Antwerpen und Zeebrugge, die in einem aufgrund der Nähe zu anderen Häfen der „Nordrange“ von starkem Wettbewerbsdruck geprägten Umfeld für den grenzüberschreitenden Transport geöffnet seien.
– In diesen Hafengebieten gebe es eindeutig grenzüberschreitende Interessen: Dort fänden viele Ein- und Ausfuhren von Waren statt, an denen internationale Wirtschaftsteilnehmer beteiligt seien, die auf Hafenarbeiter aus anderen Mitgliedstaaten zurückgreifen wollten, um ihre Arbeiten verrichten zu lassen.
33. Aufgrund dieser Ausführungen bin ich der Ansicht, dass der Staatsrat hinreichend begründet hat, dass der Rechtsstreit, obwohl es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handelt, einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen kann, der ausreicht, um die Mitwirkung des Gerichtshofs im Wege der Vorabentscheidung zu erfordern.
B. Anwendbarkeit des Unionsrechts
34. In der Rechtssache C‑407/19 stellt der Staatsrat nicht weniger als sieben Fragen, die die Art. 49, 56, 45, 34, 35, 101 und 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 AEUV, betreffen. Diese Artikel führt das vorlegende Gericht an, damit überprüft werden kann, ob die streitgegenständlichen belgischen Rechtsvorschriften mit ihnen vereinbar sind.
35. Allerdings wird im Vorlagebeschluss nicht begründet, warum eine Auslegung jeder dieser Bestimmungen des Primärrechts der Union unbedingt erforderlich ist.
36. Dies gilt insbesondere für den freien Warenverkehr und in geringerem Maße für den freien Dienstleistungsverkehr und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (auf die beiden zuletzt genannten Freiheiten wird im fraglichen Beschluss an einigen Stellen Bezug genommen). Die Argumentation des vorlegenden Gerichts konzentriert sich auf die Niederlassungsfreiheit, was logisch ist, weil der Rechtsstreit Beschränkungen betrifft, die sich für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in den belgischen Häfen niederlassen und dort Dienstleistungen erbringen wollen, aus der belgischen Regelung über die Einstellung von Stauern ergeben(17).
37. Der Vorlagebeschluss enthält auch keine hinreichenden Angaben, um dem Gerichtshof die Auslegung der auf Unternehmen (Art. 101 und 102 AEUV) oder auf öffentliche Unternehmen oder Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten (Art. 106 Abs. 1 AEUV) anwendbaren Bestimmungen über den Wettbewerb zu ermöglichen und die Vereinbarkeit der streitgegenständlichen nationalen Regelungen mit diesen Bestimmungen festzustellen(18).
38. Insoweit ist zu ergänzen, dass der Gerichtshof im Urteil Becu u. a.(19) die belgischen Regelungen über die Hafenarbeiter bereits im Hinblick auf Art. 106 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit den Art. 101 und 102 AEUV geprüft hat. Damals hat der Gerichtshof bestätigt, dass diese Bestimmungen dem Einzelnen nicht das Recht verleihen, sich der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats zu widersetzen, die ihn verpflichtet, für die Verrichtung von Hafenarbeiten ausschließlich anerkannte Hafenarbeiter wie die im Gesetz von 1972 bezeichneten in Anspruch zu nehmen und diesen ein Arbeitsentgelt zu zahlen, das weit über die Löhne seiner eigenen Beschäftigten oder die Löhne, die er anderen Arbeitnehmern zahlt, hinausgeht(20).
39. Demzufolge ist in Anbetracht des Inhalts des Vorlagebeschlusses im Wesentlichen Art. 49 AEUV auszulegen, um zu prüfen, ob eine nationale Regelung mit den bereits beschriebenen Merkmalen gegen ihn verstößt. Außerdem ist Art. 45 AEUV über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
C. Primärrecht oder Harmonisierungsvorschriften?
40. Der Unionsgesetzgeber hat die Erbringung von Hafenarbeit erst mit der Verabschiedung der Verordnung 2017/352(21) harmonisiert. Frühere Versuche (in den Jahren 2004 und 2007), Richtlinien in diesem Bereich zu verabschieden, scheiterten, und zwar größtenteils am Widerstand der Stauergewerkschaften, die gegen die Einführung der „Selbstabfertigung“ („self-handling“) waren(22).
41. Der Vorschlag der Kommission sah diese Art des Umschlags in Häfen vor, bei der das Be- und Entladen durch Arbeitnehmer des eigenen Schiffs (oder durch nicht anerkannte Arbeitnehmer, die einen Vertrag mit den Reedern oder den Erbringern von Hafendiensten geschlossen haben) erfolgt(23).
42. Wie ich bereits angemerkt habe(24), wurde der Bereich der arbeitsrechtlichen Aspekte der Hafendienste von der Verordnung 2017/352 ausgenommen: Art. 9 Abs. 1 der Verordnung bestimmt, dass sie „nicht die Anwendung sozial- und arbeitsrechtlicher Vorschriften der Mitgliedstaaten [berührt]“(25). Es wurde also darauf verzichtet, in die Schlüsselbereiche der Regelungen über die Stauer einzugreifen(26). Daher sind die staatlichen Regelungen in diesem Bereich unmittelbar am Primärrecht der Union zu messen.
43. Auch wenn sie in den Vorlagebeschlüssen nicht erwähnt wird, könnte sich die Auslegung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen(27) als relevant erweisen.
D. Zusammenhang zwischen den Vorabentscheidungsersuchen
44. Da diese beiden Vorabentscheidungsersuchen (C‑407/19 und C‑471/19) eng miteinander verknüpft sind, wurden sie verbunden. Allerdings werden sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln formuliert: Der Verfassungsgerichtshof möchte die Vereinbarkeit der Gesetze mit der belgischen Verfassung klären, während der Staatsrat die Rechtmäßigkeit von Bestimmungen überprüft, die im Rang unter einem Gesetz stehen.
45. Die Rechtssache C‑471/19 betrifft die Vereinbarkeit zweier Artikel des Gesetzes von 1972 mit Art. 49 AEUV, bezieht sich jedoch auf Ereignisse im Jahr 2011, als noch der Königliche Erlass vom 5. Juli 2004 ohne die 2016 eingeführten Änderungen in Kraft war.
46. Im Grunde genommen fragt der Verfassungsgerichtshof nach der Vereinbarkeit der Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 – für sich genommen und ungeachtet der Entwicklung der auf ihnen beruhenden Durchführungsverordnungen – mit Art. 49 AEUV (und den Art. 15 und 16 der Charta)(28).
47. In der Rechtssache C‑407/19 geht es um die Vereinbarkeit der durch den Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 eingeführten Vorschriften.
V. Zur ersten Frage in der Rechtssache C‑471/19
48. Ich schlage vor, zuerst auf die Vereinbarkeit des nationalen Gesetzes, das die Möglichkeit, Hafenarbeit zu verrichten, auf „anerkannte“ Arbeitnehmer beschränkt, mit Art. 49 AEUV einzugehen. Sodann werde ich die Art. 15 und 16 der Charta ansprechen. Die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes fällt unter Art. 49 AEUV und bedarf daher keiner besonderen Behandlung.
A. Beschränkung der Einstellung von Hafenarbeitern als Beschränkung des Niederlassungsrechts
49. Das, worum es geht, ist das Niederlassungsrecht (Art. 49 AEUV) der Unternehmen, die in belgischen Häfen tätig werden und dort andere Arbeitnehmer als die anerkannten Stauer einsetzen möchten. Diese sind, wie bereits ausgeführt, die einzigen, denen es gestattet ist, Hafenarbeit zu verrichten.
50. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt jede nationale Maßnahme, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, aber die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit seitens der Unionsangehörigen untersagt, behindert oder weniger attraktiv macht, eine Beschränkung im Sinne von Art. 49 AEUV dar(29).
51. Die belgische Regelung bewirkt keine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, da sie in gleicher Weise für belgische Unternehmen wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gilt, die bestrebt sind, sich in den Hafengebieten niederzulassen und dort ihre Dienstleistungen zu erbringen. Sie alle müssen für ihre Tätigkeit anerkannte Arbeitnehmer beschäftigen, ohne auf ihre eigenen (oder andere nicht anerkannte) Arbeitnehmer zurückgreifen zu können.
52. Diese Regelung entfaltet daher negative Wirkungen für die Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in den belgischen Hafengebieten niederlassen möchten, da sie nicht frei und auf anderem Wege Arbeitnehmer für ihre Aufgaben einstellen können. In diesem Maße ist sie geeignet, solche Unternehmen daran zu hindern oder davon abzuhalten, sich in den belgischen Häfen niederzulassen, um eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben(30).
53. Das vorlegende Gericht teilt diese Auffassung, ebenso wie ich. Es merkt an, dass die Verpflichtung, ausschließlich zum Pool gehörende Hafenarbeiter als Stauer einzustellen, und zwar zu Bedingungen, die sich der Kontrolle der Hafenunternehmen entziehen, sowie die Verpflichtung, einer Arbeitgeberorganisation beizutreten, dazu führten, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten daran gehindert oder davon abgehalten würden, sich in den belgischen Hafengebieten niederzulassen(31).
54. Aus dem Urteil Kommission/Spanien geht eindeutig hervor, dass derartige Maßnahmen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen(32). Ich halte es daher nicht für erforderlich, auf diesen Punkt weiter einzugehen.
B. Rechtfertigung der Beschränkung
55. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gelten, können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(33).
56. Das vorlegende Gericht hat in seinem Beschluss dieselben zwingenden Gründe des Allgemeininteresses angeführt wie die belgische Regierung in ihren Erklärungen(34), und zwar:
– die Notwendigkeit, die Sicherheit in den Häfen zu gewährleisten und Arbeitsunfälle zu verhüten;
– die Notwendigkeit, über spezialisierte Arbeitskräfte zu verfügen, die auch angesichts der Fluktuation der Arbeitsnachfrage in den Hafengebieten produktiv, dienstleistungsorientiert und wettbewerbsfähig sind;
– die Sicherstellung der Gleichbehandlung im Hinblick auf die sozialen Bedingungen der Hafenarbeiter.
57. Was die Hafensicherheit anbelangt, hat der Gerichtshof diese als zwingenden Grund des Allgemeininteresses angesehen(35). In jenem Fall war die Berufung auf die Hafensicherheit mit dem Ziel der Unfallverhütung verknüpft, da es sich um eine Tätigkeit handelt, die mit einem erheblichen Risiko verbunden ist.
58. Zur Gefährlichkeit der Hafenarbeit vertreten die belgische Regierung und die klagenden Unternehmen entgegengesetzte Auffassungen:
– Die belgische Regierung macht geltend, das Unfallrisiko bestehe nicht nur beim Be- und Entladen von Schiffen im engeren Sinne, sondern auch bei den verschiedenen damit untrennbar verbundenen Tätigkeiten(36).
– Die klagenden Unternehmen hingegen tragen vor, dass die Gefährlichkeit der Hafenarbeit infolge der technischen Entwicklung stark abgenommen habe(37). Ihrer Auffassung nach setze die belgische Regierung das Be- und Entladen von Schiffen, die komplizierteste Tätigkeit, mit anderen weniger gefährlichen Tätigkeiten (wie dem Be- und Entladen von Lastkraftwagen und Zügen, die im Hafen ankommen, oder der Lagerung und Stapelung von Waren in einem Lager) gleich, die außerhalb der Hafengebiete von gewöhnlichen Arbeitnehmern verrichtet würden, ohne dass von ihnen eine vorherige Anerkennung verlangt werde. Die Durchführung von Tätigkeiten in den Häfen mache sie nicht gefährlicher.
59. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, abschließend über diese Argumente zu entscheiden, aber ich möchte nicht ausschließen, dass die Hafenarbeit auch heute noch so gefährlich ist, dass der Erlass von Vorschriften zur Gewährleistung der Sicherheit im Hafenbereich durch die Behörden eines Mitgliedstaats gerechtfertigt ist.
60. Die Internationale Arbeitsorganisation (im Folgenden: IAO) hat Empfehlungen erarbeitet, aus denen sich die Gefährlichkeit von Hafenarbeit ersehen lässt(38). Auch wenn es in diesem Bereich Verbesserungen gegeben hat, stellt sie fest, dass „nach wie vor davon auszugehen ist, dass bei der Hafenarbeit ein sehr hohes Risiko für Arbeitsunfälle besteht“(39).
61. Die Hafensicherheit als auf die Unfallverhütung ausgerichtetes Ziel kann als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen werden. Als solches kann sie Beschränkungen des Zugangs zur Hafenarbeit einschließlich solcher Beschränkungen rechtfertigen, die sich auf die Einstellungsvoraussetzungen für die sie ausübenden Personen beziehen.
62. Den Schutz der Arbeitnehmer hat der Gerichtshof auch ganz allgemein als einen der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses angesehen, der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen kann(40).
63. Die belgische Regierung beruft sich auf den Schutz der Arbeitsbedingungen der anerkannten, zum Pool gehörenden Hafenarbeiter im Gegensatz zu jenen, die noch nicht in den Genuss dieser Anerkennung und der Aufnahme in den Pool gekommen sind. Meines Erachtens vermag dieses Argument jedoch nicht zu rechtfertigen, dass zum Schutz jener Arbeiter die Einstellung von Stauern beschränkt wird und dadurch die einen den anderen gegenüber bevorzugt werden, wie es im Gesetz von 1972 vorgesehen ist.
64. Diese Art Maßnahme könnte eine gewisse Stütze im Übereinkommen 137 über die Hafenarbeit, angenommen von der IAO in Genf am 25. Juni 1973 (im Folgenden: Übereinkommen Nr. 137)(41), finden, nach dessen Art. 3 Abs. 2 bei der Durchführung von Hafenarbeit den registrierten Hafenarbeitern der Vorzug gegeben wird. Das Übereinkommen enthält Vorschriften zum Schutz dieser Art registrierter Stauer.
65. Allerdings handelt es sich bei dem Übereinkommen Nr. 137 um ein vorläufiges technisches Übereinkommen der IAO, da es nur von 25 Ländern (eigentlich nur von 24, denn die Niederlande haben es im Jahr 2006 gekündigt) einschließlich elf EU-Mitgliedstaaten, zu denen Belgien nicht gehört, angenommen worden ist(42). Es handelt sich zudem um ein Übereinkommen, dass aufgrund der technischen Entwicklung der Hafenarbeit nicht mehr aktualisiert worden ist und dessen Registrierungsmechanismus für Hafenarbeiter teilweise als ein System der beruflichen Bevorzugung oder Monopolstellung funktioniert hat, das nur einer Gruppe von Arbeitnehmern Vorteile bringt(43).
66. Die Union ist nicht Vertragspartei des Übereinkommens Nr. 137, und der Gerichtshof hat sich im Urteil Kommission/Spanien(44) zu dessen Auswirkungen auf das Unionsrecht nicht geäußert, obwohl das Königreich Spanien sich zur Rechtfertigung seiner nationalen Regelung über die Einstellung von Stauern, die letztlich als mit Art. 49 AEUV unvereinbar angesehen wurde, darauf berufen hatte. Dass das Übereinkommen Nr. 137 vorläufigen Charakter hat, erklärt auch, warum sein Inhalt im Gegensatz zu dem anderer Übereinkommen der IAO(45) nicht in Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern auf internationaler Ebene aufgenommen worden ist, um ihn später in Richtlinien der Union zu übernehmen.
67. Aus dem Vorstehenden schließe ich, dass die Beschränkung der Einstellung von Stauern durch das Anerkennungserfordernis nur zum Schutz der Hafensicherheit gerechtfertigt sein könnte, d. h., um in Anbetracht der Gefährlichkeit dieser Arbeit Unfälle im Hafenbereich zu verhüten.
68. Was die Notwendigkeit anbelangt, sicherzustellen, dass Arbeitskräfte für die Durchführung von Hafenarbeit zur Verfügung stehen, würde dies, sofern es als zwingendes Erfordernis angesehen würde, nicht zwangsläufig ein geschlossenes Kontingentsystem wie das hier in Rede stehende erfordern. Um diesen Bedarf dauerhaft zu befriedigen, könnte man auf Hafenarbeitszentren, Leiharbeitsunternehmen oder andere nicht so strenge Systeme zurückgreifen.
C. Verhältnismäßigkeit der Beschränkung
69. Abgesehen davon, dass eine das Niederlassungsrecht beschränkende nationale Maßnahme durch einen zwingenden Grund gerechtfertigt sein muss, ist sie nur dann zulässig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dazu muss ihr Inhalt zwingend erforderlich sein, um die Verwirklichung des Ziels der Hafensicherheit zu gewährleisten, d. h., es darf keine weniger einschränkende Regelung geben, die es ermöglicht, das Ziel ebenso wirksam zu erreichen(46).
70. Die Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 beschränken sich darauf, den Mechanismus der Anerkennung als Instrument zur Kontrolle und Beschränkung der Einstellung von Stauern zu schaffen. Sie konkretisieren allerdings nicht die Modalitäten der Umsetzung dieses Mechanismus.
71. Meines Erachtens könnte man diese beiden Bestimmungen, isoliert betrachtet, als verhältnismäßig ansehen. Die vorherige Anerkennung der Stauer – ohne weitere Vorgaben – als Voraussetzung für ihre Einstellung könnte geeignet sein, die Sicherheit der Hafenarbeit zu schützen(47).
72. Alles hängt jedoch davon ab, wie die Modalitäten der Anerkennung strukturiert sind. Zulässig wären Modalitäten, die auf objektiven, nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, im Voraus bekannt sind und den Stauern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die mit denen vergleichbar sind, die für die inländischen Hafenarbeiter gelten(48).
73. Die Anerkennung, die erforderlich ist, damit die Stauer in den belgischen Häfen eingestellt werden können, könnte auf all diejenigen erstreckt werden, die in ihrem Herkunftsland über eine vergleichbare abgeschlossene Berufsausbildung verfügen(49), die sich beispielsweise an den von der IAO genannten Kriterien orientiert(50). Diese Ausbildung könnte zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation führen, die zur Verrichtung von Hafenarbeit befähigt(51).
74. Im Urteil Kommission/Spanien(52) hat der Gerichtshof festgestellt, dass es für die Niederlassungsfreiheit weniger einschneidende Alternativen gab als die nationale Regelung(53), die u. a. eine Verpflichtung vorsah, vorrangig Arbeitnehmer einzustellen, die von einer bestimmten Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellt wurden.
75. Der Gerichtshof hat seinerzeit die Vorschläge der Kommission zum Schutz der Sicherheit der Hafenarbeiter als weniger einschneidende Alternativen angesehen, und zwar, „… dass es die Stauereien selbst sind, die die Arbeitsvermittlungsstellen betreiben, die ihnen die Arbeitskräfte zur Verfügung stellen und die Ausbildung dieser Arbeitnehmer organisieren, wobei sie uneingeschränkt Arbeitnehmer dauerhaft oder befristet einstellen können, oder die Möglichkeit, eine Arbeitnehmerreserve bei Privatunternehmen zu schaffen, die als Zeitarbeitsunternehmen tätig sind und den Stauereien Arbeitnehmer zur Verfügung stellen“(54).
76. Um die Hafensicherheit zu gewährleisten, könnte man diese Alternativen um die Vorgabe ergänzen, dass die Hafenarbeiter, um als für eine Einstellung geeignet anerkannt zu werden, über eine ausreichende Berufsausbildung verfügen müssen, die gegebenenfalls durch Zeugnisse über die berufliche Befähigung bescheinigt wird.
77. Dagegen bestehen die Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht, wenn ihre Durchführungsbestimmungen zu einem Monopol auf die Erteilung der für die Einstellung von Stauern erforderliche Anerkennung führen, dessen Kontrolle bei den Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen der Hafengebiete liegt.
78. So verhält es sich mit der zur Durchführung des Gesetzes von 1972 erlassenen belgischen Regelung, die von der Kommission als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen wurde, weshalb sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitete(55). Diese Regelung (insbesondere der Königliche Erlass vom 5. Juli 2004) schuf einen Mechanismus zur Anerkennung von Stauern, der mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar war. Insbesondere war er für die Verbesserung der Hafensicherheit nicht zwingend erforderlich, sondern dieses Ziel konnte durch Maßnahmen erreicht werden, die das Niederlassungsrecht weniger stark einschränkten.
79. Statt eine erschöpfende Würdigung vorzunehmen(56), möchte ich mich darauf beschränken, auf mehrere Aspekte dieser Regelung hinzuweisen, die das Niederlassungsrecht in unverhältnismäßiger Weise einschränkten und gegen Art. 49 AEUV verstießen.
80. Erstens handelte es sich um ein abgeschottetes System der Einstellung von Stauern („closed shop“), in dem die Arbeitnehmerorganisationen eine privilegierte Stellung innehatten. Die Anerkennung der Stauer zur Aufnahme in den allgemeinen Pool oder in den Logistikpool wurde von einer Kommission des jeweiligen Hafens erteilt, die zu gleichen Teilen aus Gewerkschaftsvertretern und Vertretern der örtlichen Arbeitgeberorganisation bestand.
81. In der Praxis(57) scheint es, dass die Gewerkschaften den Mechanismus der Anerkennung neuer Stauer in den jeweiligen Häfen vollständig kontrollierten, bis hin zu dem Punkt, dass die Bewerber von den Gewerkschaften vorgeschlagen werden oder ihnen beitreten mussten, falls die Arbeitgeberorganisation sie vorstellte(58).
82. Zweitens wurde der Korporatismus dieses Systems durch das Monopol auf die Einstellung von Stauern verstärkt, das Art. 3bis des Gesetzes von 1972 den örtlichen Arbeitgeberorganisationen einräumte(59). In jedem Hafen gab es eine einzige Arbeitgeberorganisation, der die Mehrheit der Arbeitgeber angehören musste, und de facto war die Mitgliedschaft in ihr praktisch obligatorisch.
83. Eine direkte Einstellung der Hafenarbeiter durch die Unternehmen, die ihre Dienste benötigten, wurde auf diese Weise verhindert. Es wurde ein Dreiecksverhältnis geschaffen, in dem die örtliche Arbeitgebervereinigung die Anwendung der in dem betreffenden Hafen geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen gewährleistete.
84. Drittens verstärkten die in den jeweiligen Häfen zwischen den Gewerkschaften und der örtlichen Arbeitgebervereinigung ausgehandelten Tarifverträge den „closed shop“. Das Ergebnis dieser Tarifverhandlungen waren die in den jeweiligen Häfen angenommenen so genannten „Kodizes“, die die Kontrolle über den Mechanismus zur Einstellung von Stauern untermauerten. So wurde sogar deren Wechsel zwischen den verschiedenen belgischen Häfen erschwert, da die Anerkennung für die Arbeit in einem einzigen Hafen gewährt wurde.
85. Viertens hatten die Gewerkschaften und die Arbeitgeberorganisationen das Monopol auf die für die Bewerbung als Stauer erforderlichen Ausbildungskurse. Die Ausbildung zum Hafenarbeiter wurde von denselben Organisationen erteilt, die auch die Entscheidungen über die Anerkennung kontrollierten(60).
86. Schließlich wurde mit dem Königlichen Erlass vom 12. Januar 1973 im Rahmen der Durchführung des Gesetzes von 1972 eine sachliche und geografische Abgrenzung der Hafengebiete festgelegt, die unverhältnismäßig war:
– In materieller Hinsicht stufte sie die von allen Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern in Hafengebieten wahrgenommenen Aufgaben als Haupt- oder Nebentätigkeit ein(61), ebenso wie andere warenbezogene Hilfsdienstleistungen wie das Kennzeichnen oder Wiegen. Viele dieser Tätigkeiten sind weniger gefährlich als das Be- und Entladen eines Schiffes im eigentlichen Sinne, was es Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten erschwerte, sich in belgischen Häfen niederzulassen, um diese Art von Dienstleistungen zu erbringen.
– In geografischer Hinsicht erfolgte die Abgrenzung der Hafengebiete sehr weitläufig und umfasste auch Grundstücke mit Lagerhallen und Fabriken neben den Kais und sogar Wohngebiete(62).
87. Die restriktive Wirkung dieser weit gefassten materiellen und geografischen Abgrenzung der Hafenarbeit verstärkte die restriktive Wirkung der in den Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 vorgesehenen Maßnahme.
88. Wenn diese beiden Artikel in ihrem weiter gefassten normativen Kontext (der sich aus dem Königlichen Erlass vom 5. Juli 2004 und den davor geltenden Bestimmungen ergibt), so wie ich ihn beschrieben habe, beurteilt werden, könnte die Anerkennung der Stauer als Instrument zur Kontrolle und Beschränkung ihrer Einstellung im Ergebnis als nicht mit Art. 49 AEUV vereinbar angesehen werden. Das wäre der Fall, weil ein „closed shop“ unter der Kontrolle der Gewerkschaften und der Arbeitgeberorganisationen der jeweiligen Häfen zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten führen würde.
89. Dagegen wären, wie ich bereits ausgeführt habe, Modalitäten der Anerkennung zulässig, die auf objektiven, nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, im Voraus bekannt sind und den Stauern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die mit denen vergleichbar sind, die für die inländischen Hafenarbeiter gelten.
D. Vereinbarkeit mit den Art. 15 und 16 der Charta
90. Eine Beschränkung im Sinne von Art. 49 AEUV berührt abgeleitet auch die in Art. 15 Abs. 2 (Niederlassungsfreiheit) und in Art. 16 (Unternehmensfreiheit) der Charta verankerten Freiheiten. Beide Bestimmungen verweisen u. a. auf Art. 49 AEUV(63).
91. Die Prüfung der Vereinbarkeit der belgischen Rechtsvorschriften, die die Einstellung der Stauer beschränken, mit Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 der Charta entspräche daher der Prüfung, die ich soeben in Bezug auf Art. 49 AEUV vorgenommen habe.
VI. Zur zweiten Frage in der Rechtssache C‑471/19
92. Für den Fall, dass seine erste Frage bejaht wird, möchte der Verfassungsgerichtshof wissen, ob er die Wirkungen der Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 aufrechterhalten darf, um Rechtsunsicherheit und soziale Spannungen zu vermeiden, bis der belgische Gesetzgeber seine Regelung mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht hat.
93. Wie ich bereits ausgeführt habe, schaffen die Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 für sich genommen keine mit Art. 49 AEUV und Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 der Charta unvereinbare Beschränkung. So betrachtet, wäre es nicht erforderlich, auf die zweite Vorlagefrage einzugehen.
94. Anders verhält es sich, wenn man das aus diesen Artikeln und den auf ihnen beruhenden Durchführungsverordnungen (Königlicher Erlass vom 5. Juli 2004) gebildete normative Geflecht betrachtet, das meines Erachtens mit dem Unionsrecht unvereinbar ist. Allerdings ist dieses normative Geflecht nicht mehr in Kraft, da der belgische Staat es mit dem Erlass vom 10. Juli 2016 geändert hat, um den Forderungen der Kommission nachzukommen.
95. Die Frage könnte umformuliert werden, indem sie auf die vorläufige Aufrechterhaltung der Wirkungen des aus den Art. 1 und 2 des Gesetzes von 1972 und den im Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 enthaltenen Durchführungsmodalitäten gebildeten normativen Geflechts bezogen wird. Dabei würde man davon ausgehen, dass diese neuen Modalitäten ebenso wie die des Königlichen Erlasses von 2004 mit Art. 49 AEUV unvereinbar sind, was ich im Folgenden prüfen werde.
96. Der Gerichtshof kann in Ausnahmefällen und aus zwingenden Erwägungen der Rechtssicherheit eine vorübergehende Aussetzung der Verdrängungswirkung herbeiführen, die eine Rechtsvorschrift der Union gegenüber ihr entgegenstehendem nationalem Recht ausübt(64).
97. Während es sich um ein ausschließliches Vorrecht des Gerichtshofs handelt, hat dieser darauf hingewiesen, dass er den nationalen Gerichten die Befugnis verleihen kann, die Anwendung des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts vorübergehend auszusetzen und die Wirkungen der unionsrechtswidrigen nationalen Vorschrift nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls aufrechtzuerhalten. Diese Aussetzung muss durch ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft(65).
98. In mehreren Urteilen wurde die Aussetzung der mit dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verbundenen Unanwendbarkeit unter vorläufiger Beibehaltung der Wirkung nationaler Bestimmungen, die gegen die verfahrensrechtlichen Umweltnormen der Union verstießen (insbesondere solcher, die zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen verpflichteten), zugelassen(66).
99. In der Rechtssache Winner Wetten(67) (die deutsche Vorschriften über das Sportwettenmonopol betraf) ging es hingegen um einen materiell-rechtlichen Verstoß gegen das Unionsrecht. Dieser Umstand hat den Gerichtshof allerdings nicht davon abgehalten, implizit die Möglichkeit zuzulassen(68), dass die Wirkungen seines Urteils ausgesetzt werden, wobei er sich auf eine analoge Anwendung der Rechtsprechung zur Aufrechterhaltung der Wirkungen eines für nichtig oder ungültig erklärten Unionsrechtsakts gestützt hat (auch wenn der Schutz der Sozialordnung und der Bürger vor den mit dem Glücksspiel verbundenen Risiken die vorläufige Aufrechterhaltung der deutschen Regelung nicht rechtfertigte)(69).
100. Ich bin ebenso wie die Kommission der Ansicht, dass es auch im vorliegenden Fall keine ausreichenden Gründe gibt, um die vorläufige Aufrechterhaltung der Wirkungen der belgischen Regelungen zu rechtfertigen. Weder die angebliche Rechtsunsicherheit noch die etwaigen sozialen Spannungen, auf die sich das vorlegende Gericht beruft, rechtfertigen dies.
101. Die belgische Regierung beruft sich auch auf die Rechtsprechung zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen von Urteilen des Gerichtshofs über Vorabentscheidungsersuchen auf vergangene rechtliche Sachverhalte.
102. Diese Rechtsprechung (auf die das vorlegende Gericht nicht Bezug nimmt) kann hier nicht angewandt werden, da die beiden grundlegenden Kriterien, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen, nicht erfüllt sind(70).
103. Der Berufung auf den guten Glauben kann nicht gefolgt werden, wenn die belgischen Rechtsvorschriften über die Hafenarbeit Gegenstand einer Überwachung und einer Vertragsverletzungsklage der Kommission waren, die, wie diese einräumt, aus politischen Gründen beendet wurde(71). Außerdem war im Anschluss an das Urteil Kommission/Spanien die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 49 AEUV mehr als zweifelhaft.
104. Die Gefahr schwerwiegender Störungen liegt ebenfalls nicht vor: Die Unzufriedenheit der anerkannten Stauer (selbst wenn es zu Streiks kommen sollte, wie die belgische Regierung geltend macht) mit den Veränderungen, die zur Überwindung eines „closed shop“, der ihnen nützt, aber gegen das Unionsrecht verstößt, zwingend erforderlich sind, erfüllt dieses Kriterium nicht.
VII. Rechtssache C‑407/19
A. Allgemeine Erwägungen zum neuen, mit dem Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 geschaffenen Rechtsrahmen im Hinblick auf die Art. 49 und 45 AEUV
105. Mit seinen sieben Vorlagefragen ersucht der Staatsrat den Gerichtshof u. a. um Auslegung im Hinblick auf die Frage, ob die Art. 45 und 49 AEUV(72) mit verschiedenen Elementen der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz von 1972, festgelegt im Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016, in Einklang zu bringen sind.
106. Wie ich bereits erwähnt habe, hat die Kommission am 28. März 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien eingeleitet, weil die nationale Regelung über die Organisation der Hafenarbeit ihrer Ansicht nach in bestimmten wesentlichen Punkten gegen das Unionsrecht, insbesondere die Niederlassungsfreiheit, verstieß.
107. Das vorlegende Gericht merkt an, dass im Anschluss an das Mahnschreiben der Kommission weder das Gesetz von 1972 noch seine wesentlichen Grundsätze geändert worden seien. Gleichwohl hat der belgische Staat den Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 angenommen, um den Beanstandungen der Kommission nachzukommen, und diese beschloss aus politischen Gründen(73), das Verfahren am 17. Mai 2017 zu beenden.
108. Die wesentlichen Elemente des neuen Beschäftigungssystems für Stauer(74) sind:
– Es bleibt bei dem Erfordernis der Anerkennung aller nicht logistischer Hafenarbeiter durch eine Verwaltungskommission, die aus dem für das betreffende Hafengebiet zuständigen Unterausschuss gebildet wird. Diese Kommission setzt sich paritätisch aus Vertretern der zugelassenen örtlichen Unternehmervereinigungen und der Gewerkschaften des betreffenden Hafens zusammen.
– Die Einstellung neuer Hafenarbeiter für logistische Tätigkeiten erfordert nicht mehr deren Zugehörigkeit zum Pool; stattdessen wurde das Erfordernis einer Sicherheitsbescheinigung eingeführt. Die logistischen Arbeitnehmer des früheren Pools bleiben anerkannte Arbeitnehmer.
– Für Hafenarbeiter, denen nicht logistische Aufgaben übertragen werden, bleibt es bei dem allgemeinen Pool und dem Erfordernis der Anerkennung. Diese kann beantragt werden, um in den Pool aufgenommen zu werden oder um außerhalb des Pools unmittelbar von Arbeitgebern eingestellt zu werden(75).
– Die Voraussetzungen für die Anerkennung einschließlich der Anforderungen an Ausbildung und fachliche Eignung sowie das Erfordernis des Bestehens ärztlicher und psychologischer Tests sind geregelt worden.
– Die paritätische Verwaltungskommission nimmt neue Arbeitnehmer nach Maßgabe des Arbeitskräftebedarfs in den Pool auf. Die Arbeitnehmer im Pool verbleiben dort als anerkannte Arbeitnehmer.
109. Dieses System der Einstellung von Hafenarbeitern beschränkt weiterhin die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit. Meine Erwägungen im Rahmen der Prüfung der ersten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑471/19 sind darauf uneingeschränkt anwendbar.
110. Auch wenn die Argumente des Gerichtshofs im Urteil AGET Iraklis(76) (über die öffentliche Intervention im Rahmen von Massenentlassungen durch Unternehmen des Hafensektors) in einem anderen Zusammenhang stehen, können sie mutatis mutandis auf die Maßnahmen des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 übertragen werden.
111. Diese Maßnahmen bewirken ebenfalls „eine erhebliche Einmischung in bestimmte Freiheiten …, die den Wirtschaftsteilnehmern im Allgemeinen zustehen …, mit den Arbeitnehmern Verträge zur Durchführung ihrer Tätigkeiten zu schließen, oder auch ihre Freiheit, die Tätigkeit ihrer Niederlassung von sich aus zu beenden“(77).
112. Gleichermaßen sind die Ausführungen im Urteil Kommission/Spanien anwendbar, soweit es sich dabei um Maßnahmen handelt, die „ausländische Stauereien dazu [zwingen], eine Anpassung vorzunehmen, die finanzielle Folgen haben und Störungen ihrer Arbeitsweise hervorrufen kann, was so weit gehen kann, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten davon abgehalten werden, sich in Häfen … von allgemeinem Interesse niederzulassen“(78).
113. Außerdem sind einige Bestandteile dieser Regelung geeignet, die Freizügigkeit der Hafenarbeiter aus anderen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, die in belgischen Häfen eingestellt werden möchten, und verstößt damit gegen Art. 45 AEUV. Die Rechtsprechung zu dieser Freiheit entspricht, was die Art und Weise anbelangt, in der die Vereinbarkeit der nationalen restriktiven Maßnahmen mit dem Unionsrecht betrachtet wird, der zur Niederlassungsfreiheit angeführten Rechtsprechung.
114. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sämtliche Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern sollen. Diese Bestimmungen stehen Maßnahmen entgegen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen(79).
115. Daher stellen Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, eine Beschränkung dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden(80).
116. Der in Art. 45 AEUV verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen. Sofern eine Vorschrift des nationalen Rechts nicht objektiv gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel steht, ist sie, auch wenn sie ungeachtet der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, als mittelbar diskriminierend anzusehen, falls sie sich ihrem Wesen nach stärker auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt(81).
117. Die vom vorlegenden Gericht in seinen sieben Fragen beschriebenen Maßnahmen sind (mit Ausnahme der Maßnahme in der fünften Frage), auch wenn sie nicht unmittelbar diskriminierend aufgrund der Staatsangehörigkeit sind, geeignet, die Ausübung der innergemeinschaftlichen Freizügigkeit von Hafenarbeitern aus anderen Ländern zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.
118. Die zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses, auf die sich der belgische Staat zur Rechtfertigung dieser Maßnahmen beruft, die von der in diesem Land geltenden allgemeinen Arbeitsregelung abweichen, sind die Hafensicherheit und der Schutz der Rechte der Hafenarbeiter(82).
119. Wie ich bereits ausgeführt habe, sind diese beiden Interessen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs als zwingende Gründe anerkannt worden; es ist jedoch zu prüfen, ob die Regelung im Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, d. h., ob sie für die Verfolgung dieser Gründe des Allgemeininteresses erforderlich ist und ob es zu ihrer Erreichung keine weniger einschränkenden Alternativen gibt.
120. Ich werde jede der vom Staatsrat angeführten Maßnahmen anhand der von ihm selbst gemachten Angaben prüfen. Wenn diese Angaben unzureichend sind, werde ich mich darauf beschränken, die Mindestanforderungen darzulegen, damit dieses Gericht, dem sämtliche Informationen für eine umfassende Entscheidung zur Verfügung stehen, ein Urteil über die Verhältnismäßigkeit fällen kann.
B. Anerkennung der Stauer durch Entscheidung einer paritätischen Verwaltungskommission (erste Vorlagefrage)
121. Nach Art. 1 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 werden die Hafenarbeiter in jedem Hafengebiet von einer Verwaltungskommission anerkannt, die sich zu gleichen Teilen aus Vertretern der Arbeitgeberorganisation und der Gewerkschaften dieses Gebiets zusammensetzt.
122. Die herausragendsten Merkmale der Arbeitsweise dieser Kommissionen sind:
– Die Anträge auf Anerkennung sind schriftlich unter Verwendung eines Formulars zu stellen, in dem anzugeben ist, ob sie für eine Beschäftigung im Pool oder außerhalb des Pools gestellt werden.
– Die Anerkennung von Hafenarbeitern zur Aufnahme in den Pool erfolgt unter Berücksichtigung des „Bedarfs an Arbeitskräften“. Diese Anerkennung erfolgt befristet oder unbefristet, wobei die Modalitäten durch Tarifvertrag festgelegt werden.
123. Die klagenden Unternehmen machen geltend, dieses System enthalte im Hinblick auf die Anerkennung von Hafenarbeitern, die nicht logistische Tätigkeiten verrichten sollten, mehrere mit dem Unionsrecht unvereinbare Merkmale, nämlich:
– Die Zusammensetzung der Verwaltungskommission ermögliche es den zugelassenen örtlichen Arbeitgebervereinigungen und den im Hafen ansässigen Gewerkschaften, den Zugang zur Tätigkeit als Stauer vollständig zu kontrollieren („closed shop“). Sie könne zu einer künstlichen Abschottung des Hafenarbeitsmarkts durch die Monopolinhaber führen.
– Es werde ein wirtschaftliches Kriterium (der Bedarf an Arbeitskräften) herangezogen, um zu entscheiden, ob neue Arbeitnehmer in den Pool aufgenommen würden oder nicht.
– Das Verfahren entbehre der elementaren Verfahrensgarantien, da es keine Frist gebe, innerhalb der die Verwaltungskommission entscheiden müsse, die Entscheidung einstimmig erfolgen müsse und Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen der Kommission oder ihre Untätigkeit nicht gegeben oder unzureichend seien.
124. Die Verwaltungskommission, die im jeweiligen Hafen die Anerkennung der Stauer sowohl für eine Aufnahme in den Pool als auch für eine Tätigkeit außerhalb des Pools erteilt, erteilt in Wirklichkeit eine Genehmigung für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, der des Hafenarbeiters.
125. Art. 49 AEUV verlangt keine besonderen Garantien im Hinblick auf die Schaffung und die Arbeitsweise einer Kommission, die Entscheidungen über die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit fällt. Da diese Genehmigung schon für sich genommen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gewahrt, wenn das der Kommission eingeräumte Ermessen nach transparenten und objektiven Kriterien ausgeübt wird, um eine willkürliche Ausübung ihrer Aufgaben zu verhindern(83).
126. Eine Kommission, die derartige Genehmigungen (Anerkennungen) erteilt, muss darüber hinaus ihre Unparteilichkeit wahren, was zweifelhaft ist, wenn ihr mit Dezisivstimme ausgestattete Teilnehmer des betreffenden Marktes oder deren Vertreter angehören(84). Die Unabhängigkeit der Kommission von den genannten Marktteilnehmern gewährleistet, dass es bei der Abstimmung keine Interessenkonflikte gibt(85).
127. Die Verwaltungskommissionen, die über die Anträge auf Anerkennung der Hafenarbeiter entscheiden, weisen, wie soeben dargelegt, eine Zusammensetzung und Arbeitsweise auf, die von den bereits in den Häfen tätigen Wirtschaftsteilnehmern, vertreten durch die Gewerkschaften und die örtliche Arbeitgebervereinigung, kontrolliert wird.
128. Bei dieser Zusammensetzung ist es sehr unwahrscheinlich, dass ihre Mitglieder nicht von Interessenkonflikten betroffen sind und objektiv, unparteiisch und nicht willkürlich über die Anträge auf Anerkennung neuer Stauer entscheiden können.
129. Auch wenn die endgültige Beurteilung in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt, das über alle Informationen verfügt, erscheint es schwer vorstellbar, dass die Handlungen solcher paritätischer Kommissionen, wenn sie über die Anerkennung von Stauern entscheiden, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.
130. Es gibt zudem noch weitere Elemente des Systems der Verwaltungskommissionen, die diese Bewertung bestätigen.
131. Das Erfordernis einer einstimmigen Entscheidung(86) verstärkt die Kontrolle der bereits in den Häfen tätigen Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere der Gewerkschaften, da es ihnen ein Vetorecht in Bezug auf die Zulassung neuer Stauer einräumt. Nach Ansicht der Klägerinnen erstreckt sich dieses Vetorecht auch auf den Widerruf der Anerkennung, was für die gewerkschaftsangehörigen Stauer, zu denen so gut wie alle gehören, eine praktisch auf Lebenszeit gesicherte Arbeit bedeutet.
132. Diese Beurteilung wird dadurch untermauert, dass das Kriterium, anhand dessen festgelegt wird, ob der Pool neuen Arbeitnehmern offensteht, rein wirtschaftlicher Natur ist: der Bedarf an Arbeitskräften. Dieser Gesichtspunkt kann, wie ich im Folgenden darlegen werde, nicht als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkannt werden, das eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigt.
133. Die belgische Regierung macht zwar geltend, dass die Verwaltungskommissionen das Kriterium des Bedarfs an Arbeitskräften anwenden müssten, damit das Poolsystem wirtschaftlich tragfähig sei, und dass die Unternehmen seit dem Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 die Möglichkeit hätten, anerkannte Arbeitnehmer außerhalb des Pools einzustellen.
134. Ich bin jedoch der Ansicht, dass
– die Tragfähigkeit des Poolsystems unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kein Grund ist, der eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen vermag(87);
– die Erteilung der Anerkennung vom Bedarf an Arbeitskräften abhängig zu machen, in erster Linie dem Schutz derjenigen dient, die bereits zum Pool gehören, und dazu, deren Vorteile gegenüber neuen Hafenarbeitern zu wahren, die in den Pool aufgenommen werden möchten;
– die Möglichkeit, anerkannte, aber nicht zum Pool gehörende Arbeitnehmer einzustellen, äußerst restriktiv geregelt ist: Die Anerkennung gilt nur für die Laufzeit des Vertrags, und der Arbeitnehmer muss für jeden neuen Vertrag erneut anerkannt werden. Da die Hafenarbeit einer starken Fluktuation unterliegt, greifen die Unternehmen meistens auf kurzfristige Verträge zurück, bei denen der Einsatz von Stauern aus dem Pool praktisch die einzige Alternative ist.
135. Ein letzter Faktor, der zur Beurteilung des Systems der Verwaltungskommissionen als unverhältnismäßig beiträgt, ist der Aspekt des Verfahrens und der Rechtsbehelfe gegen ihre Entscheidungen oder ihre Untätigkeit. Das Vorhandensein einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle ist nach Art. 47 der Charta geboten und von Bedeutung für die Feststellung, ob eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält(88).
136. Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge ist eine Frist für die Entscheidungen dieser Kommissionen über die Anträge nicht vorgesehen. Sie entscheiden in einem Verfahren, das weder Fristen noch besondere Verfahrensgarantien oder eine Begründungspflicht vorsieht(89), was zu einer beträchtlichen Unsicherheit der Antragsteller führt(90).
137. Darüber hinaus ist gegen die Entscheidung über die Anerkennung nur ein gerichtlicher Rechtsbehelf vor dem Tribunal du travail (Arbeitsgericht) gegeben(91). Es ist Sache des Staatsrats, zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des nationalen Rechts in seiner Gesamtheit diese Entscheidungen einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen können.
138. Nach alledem schlage ich vor, die erste Vorlagefrage zu bejahen.
C. Medizinische, psychologische und die Ausbildung betreffende Voraussetzungen für die Anerkennung der Stauer (zweite Vorlagefrage)
139. Art. 4 § 1 Nrn. 2, 3, 6 und 8 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der durch den Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 geänderten bzw. ergänzten Fassung sieht vor, dass der Arbeitnehmer, um als Hafenarbeiter anerkannt zu werden,
– vom externen Dienst für Vorbeugung und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, dem die als Beauftragte benannte Arbeitgeberorganisation angehört, für tauglich erklärt wird;
– die psychotechnischen Prüfungen bestanden hat, die das von der anerkannten Arbeitgeberorganisation hierfür benannte Organ abgenommen hat;
– einen Kurs für Arbeitssicherheit und zum Erwerb der fachlichen Eignung besucht und die Abschlussprüfung bestanden hat und
– über einen Arbeitsvertrag verfügt, falls er ein Hafenarbeiter ist, der nicht zum Pool gehört(92).
140. Der Staatsrat möchte wissen, ob diese Voraussetzungen durch das Ziel des Schutzes der Hafensicherheit gerechtfertigt sind. Ich stimme der Kommission darin zu, dass die medizinische Eignung, das Bestehen eines psychologischen Tests und die vorherige berufliche Qualifikation grundsätzlich geeignet sind, die Hafensicherheit zu gewährleisten.
141. Um als mit Art. 49 AEUV vereinbar angesehen werden zu können, müssen diese Voraussetzungen im Hinblick auf Transparenz, Objektivität und Unparteilichkeit beurteilt werden. Insoweit betonen die klagenden Unternehmen, der Königliche Erlass vom 10. Juli 2016 gebe der anerkannten Arbeitgeberorganisation (und den Gewerkschaften) gemäß Art. 3bis des Gesetzes von 1972 die Kontrolle über den externen Dienst für Vorbeugung und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, der die medizinische Eignung der Bewerber bestätigen müsse, und über das mit der Durchführung der psychotechnischen Prüfungen beauftragte Organ.
142. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dem alle für die Beurteilung relevanten Kriterien bekannt sind, festzustellen, ob die Kontrolle, die die anerkannten Arbeitgeberorganisationen und die Gewerkschaften über die Organe ausüben, die die Bescheinigungen über die medizinische Eignung ausstellen und die psychotechnischen Prüfungen durchführen, sich in fehlender Objektivität und Transparenz äußert(93).
143. Im Rahmen dieser Beurteilung kann eine wichtige Erwägung sein, dass sich Bewerber um Anerkennung auf einem nicht kontrollierten Arbeitsmarkt an jedes beliebige Unternehmen wenden könnten, das zur Ausstellung der betreffenden medizinischen und psychotechnischen Bescheinigungen befugt ist.
144. Zur Berufsausbildung als Voraussetzung für die Anerkennung habe ich bereits ausgeführt, dass sie geeignet ist, die Hafensicherheit zu gewährleisten.
145. Das vorlegende Gericht muss jedoch prüfen, ob die Berufsausbildung, über die die Bewerber auf eine Stelle als Stauer für die Anerkennung verfügen müssen, wie die klagenden Unternehmen behaupten, auch von den Arbeitgeberorganisationen und den Gewerkschaften der Hafengebiete kontrolliert wird, so dass sie nicht allen potenziellen Arbeitnehmern unter objektiv gleichen Bedingungen offensteht. Trifft das zu, so könnten dieselben Risiken (fehlende Unparteilichkeit, Interessenkonflikte) bestehen, auf die ich in meinem Vorschlag zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage hingewiesen habe.
146. Art. 4 § 1 Nr. 6 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 macht die Ausübung des Berufs des Hafenarbeiters vom Besitz bestimmter beruflicher Qualifikationen abhängig. Die belgischen Stauer gehören daher offenbar einem „reglementierten Beruf“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 und ihrer nationalen Durchführungsbestimmungen an(94). Belgien müsste die Qualifikationen, die Hafenarbeiter in anderen Mitgliedstaaten erworben haben, in denen sie diesen Beruf ausgeübt haben, nach den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren und in den sich daraus ergebenden besonderen Grenzen anerkennen(95).
147. Nach Art. 4 § 3 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 dürfen Hafenarbeiter aus anderen Mitgliedstaaten, die in ihrem Herkunftsland vergleichbare Voraussetzungen erfüllen, für die Anerkennung nicht den Voraussetzungen der belgischen Regelung unterworfen werden.
148. Das Fehlen von Informationen (sowohl im Vorlagebeschluss als auch in den Erklärungen und Antworten der belgischen Regierung) macht es schwierig, festzustellen, ob das Verfahren zur Bewertung der Vergleichbarkeit der beruflichen Qualifikationen der Stauer aus anderen Mitgliedstaaten mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Die Kommission trägt vor, die belgische Regierung habe ihr den Beruf des Hafenarbeiters nicht zum Zweck der Aufnahme in die Datenbank (der Kommission) für reglementierte Berufe im Sinne der Richtlinie 2005/36 mitgeteilt.
149. Das vorlegende Gericht wird, nachdem es diese Punkte geklärt hat, zu berücksichtigen haben, dass die Anerkennung von Hafenarbeitern aus anderen Mitgliedstaaten jedenfalls für alle belgischen Hafengebiete gelten muss und ohne dass es einer erneuten Anerkennung für jeden neuen Arbeitsvertrag bedarf.
D. Anerkennung von nicht zum Pool gehörenden Stauern (dritte und vierte Vorlagefrage)
150. Art. 2 § 3 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 sieht vor, dass die Anerkennung von Hafenarbeitern außerhalb des Pools auf die Laufzeit ihres Arbeitsvertrags beschränkt ist.
151. Eine solche Bestimmung bedeutet eine schwerwiegende Beschränkung für die Einstellung von Hafenarbeitern und hat eine abschreckende Wirkung. Wer eine Anerkennung als Arbeitnehmer außerhalb des Pools anstrebt, muss diese jedes Mal neu beantragen, wenn er einen Vertrag mit demselben oder einem anderen Unternehmen schließt. In dieser Ausgestaltung stellt diese Maßnahme eine erhebliche Beschränkung sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.
152. Bei der Hafenarbeit überwiegen Arbeiten von kurzer Dauer, so dass das Erfordernis, für jeden neuen Vertrag eine neue Anerkennung beantragen zu müssen, unweigerlich dazu führt, dass die Arbeitnehmer es vorziehen, ihre Aufnahme in den Pool zu beantragen. So wird der Fortbestand des „closed shop“ unter der Kontrolle der Gewerkschaften und der anerkannten Arbeitgeberorganisation sichergestellt, damit neuen Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten die Niederlassung in den belgischen Häfen erschwert wird(96).
153. Die belgische Regierung gibt an, dass die Anerkennung von Arbeitnehmern außerhalb des Pools, die schon einmal anerkannt worden seien, schnell erfolge und dass zu diesem Zweck eine elektronische Datenbank (mit dem Namen „Portunus“) geschaffen werde, um das Verfahren zu beschleunigen und Verzögerungen zu vermeiden(97).
154. Meiner Ansicht nach dürfte es in jedem Fall unverhältnismäßig sein, die Gewährung der Anerkennung nur bei Arbeitnehmern außerhalb des Pools und nicht bei denen, die zum Pool gehören, an die Laufzeit des Arbeitsvertrags zu knüpfen. Die Notwendigkeit, bei Ersteren zu überprüfen, ob sie noch immer die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllen (auf dieses Argument stützt sich die belgische Regierung), ließe sich auch auf die Arbeitnehmer im Pool erstrecken, die ebenfalls nicht mehr über die medizinische oder psychologische Eignung zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen könnten.
155. Auch die Übergangsregelung in Art. 13/1 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 für die Anerkennung von Stauern außerhalb des Pools, die an Verträge mit Unternehmen geknüpft ist, dürfte unverhältnismäßig sein.
156. Nach dieser Übergangsregelung müssen Arbeitsverträge zunächst unbefristet geschlossen werden; ab dem 1. Juli 2017 mindestens für zwei Jahre; ab dem 1. Juli 2018 mindestens für ein Jahr; ab dem 1. Juli 2019 mindestens für sechs Monate; und ab dem 1. Juli 2020 für eine frei zu bestimmende Dauer.
157. Da bei der Hafenarbeit Tätigkeiten von kurzer Dauer überwiegen, wird durch diese Übergangsregelung sichergestellt, dass nahezu ausschließlich Stauer aus dem Pool beschäftigt werden, und die direkte Einstellung von Hafenarbeitern wird erschwert.
158. Die belgische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, dass der Zweck dieser Übergangsregelung darin bestehe, eine schrittweise Öffnung des „closed shop“ zu ermöglichen, um seine wirtschaftliche Tragfähigkeit nicht zu gefährden. Aber der Erhalt der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Poolsystems kann, wie ich bereits dargelegt habe, nicht als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen werden.
159. Sicherlich könnte hypothetisch gesehen eine Übergangsregelung die vorteilhaften sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der zum Pool gehörenden Stauer schützen, um zu verhindern, dass ihre sofortige Abschaffung zu einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit führt(98). Allerdings hat die belgische Regierung dieses Argument nicht vorgetragen, und zudem ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die sofortige Abschaffung des streitgegenständlichen Systems erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung des belgischen Systems der sozialen Sicherheit hätte.
E. Automatische Anerkennung der unter der alten Regelung zum allgemeinen Kontingent gehörenden Arbeitnehmer als Pool-Arbeitnehmer (fünfte Vorlagefrage)
160. Nach Art. 15/1 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004, der durch den Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 eingefügt wurde, werden „[d]ie nach [der früheren Regelung] anerkannten Hafenarbeiter … von Rechts wegen als in den Pool aufgenommene Hafenarbeiter … anerkannt“.
161. Die klagenden Unternehmen machen geltend, diese automatische Anerkennung erschwere die direkte (unbefristete) Einstellung von Hafenarbeitern. Die Arbeitgeber würden auf diese Weise daran gehindert, sich qualifizierte Arbeitnehmer zu verschaffen, direkt mit ihnen einen unbefristeten Arbeitsvertrag abzuschließen und ihnen Beschäftigungssicherheit nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften anzubieten.
162. Ich stimme jedoch der Kommission darin zu, dass die automatische Anerkennung der ehemals zum allgemeinen Kontingent gehörenden Arbeitnehmer als Pool-Arbeitnehmer ihre Rechte schützt, ohne zugleich eine unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu bewirken.
163. Wie die belgische Regierung vorträgt, entbindet dieser Automatismus die aktiven Stauer von der Verpflichtung, ihre Anerkennung nach dem Königlichen Erlass vom 10. Juli 2016 zu beantragen.
164. Diese Maßnahme entspricht der Logik, da die betreffenden Arbeitnehmer bereits über einige Erfahrung in der Hafenarbeit verfügen, die ihre Fähigkeit gewährleistet, diese Arbeit mit der erforderlichen Kenntnis und Sicherheit auszuführen. Darüber hinaus hindert diese Maßnahme Unternehmen nicht daran, sie direkt einzustellen, auch wenn in der Praxis die Arbeitsbedingungen im Pool günstiger sind und dieser Fall nicht häufig eintreten wird.
F. Beschränkung der Mobilität der anerkannten Stauer aufgrund von Tarifverträgen (sechste Vorlagefrage)
165. Nach Art. 4 § 2 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 gilt Folgendes:
– Die Anerkennung eines Hafenarbeiters gilt innerhalb des jeweiligen Hafengebiets.
– „Die Bedingungen und Modalitäten, unter denen ein Hafenarbeiter in einem anderen Hafengebiet als dem, in dem er anerkannt worden ist, beschäftigt werden kann, werden durch Tarifvertrag festgelegt.“
– „Für den Fall, dass der Hafenarbeiter außerhalb des Hafengebiets beschäftigt wird, in dem er anerkannt worden ist, bleibt die gemäß Art. 3bis des [Gesetzes von 1972] als Beauftragte benannte Arbeitgeberorganisation Beauftragte.“(99)
166. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Festlegung der Bedingungen für die Mobilität der Stauer durch Tarifvertrag eine gegen die Art. 45 und 49 AEUV verstoßende Beschränkung ihrer Mobilität zwischen den belgischen Hafengebieten darstellen könne, weil nicht der Gesetzgeber die Bedingungen oder Modalitäten dafür festgelegt habe.
167. Die Art. 45 und 49 AEUV gelten nicht nur für Maßnahmen der öffentlichen Gewalt, sondern auch für Tarifverträge(100). Auch wenn es grundsätzlich nicht in Widerspruch zu diesen Artikeln steht, dass der Gesetzgeber die Befugnis zur Regelung der Mobilität der anerkannten Stauer auf die Tarifparteien überträgt, ist diese Übertragung nur als wirksam anzusehen, wenn die Tarifverträge nicht korporativ dazu genutzt werden, Hindernisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit zu errichten(101).
168. Die klagenden Unternehmen weisen auf das Bestehen eines Tarifvertrags hin, der die Mobilität der anerkannten Stauer zwischen den belgischen Häfen vollständig verbiete. Die belgische Regierung trägt vor, dass der betreffende Tarifvertrag schon eine gewisse Mobilität erlaube, der Wechsel von Arbeitnehmern zwischen verschiedenen Pools aber kompliziert sei, weil er von dem Bedarf an Arbeitskräften im Empfangspool abhänge. Zudem macht sie geltend, zwar könne ein zum Pool gehörender anerkannter Arbeitnehmer nicht in einem anderen Hafengebiet arbeiten, aber die in einem Hafengebiet außerhalb des Pools anerkannten Arbeitnehmer könnten in einem anderen Hafengebiet – ebenfalls außerhalb des Pools – eingestellt werden.
169. In Ermangelung weiterer Angaben ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Tarifverträge in den belgischen Häfen die Mobilität der Arbeitnehmer zwischen den Pools beschränken. Im Rahmen dieser Prüfung kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die im jeweiligen Hafen zwischen den Gewerkschaften und der zugelassenen Arbeitgeberorganisation geführten Tarifverhandlungen dazu genutzt werden können, Beschränkungen der Freiheiten des Binnenmarkts aufrechtzuerhalten und die Vorteile der Tarifparteien zu schützen, wenn sich die Tarifverträge auf den Zugang zur Hafenarbeit und die Beschäftigung der Stauer auswirken.
170. Jedenfalls scheint die nationale Regelung die Anerkennung der Stauer aus anderen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, und diese müsste für alle belgischen Hafengebiete gelten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs beschränkt die Verpflichtung, eine behördliche Genehmigung für die Ausübung einer Tätigkeit zu beantragen, die Niederlassungsfreiheit stärker, wenn das Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats bei verschiedenen Behörden des Staates mehrere Genehmigungen einholen muss(102). Das wäre der Fall, wenn nacheinander (oder gleichzeitig) die Anerkennung durch mehrere Verwaltungskommissionen in den verschiedenen belgischen Häfen beantragt werden müsste.
G. Erfordernis einer Sicherheitsbescheinigung für logistische Arbeitnehmer (siebte Vorlagefrage)
171. Art. 1 § 3 des Königlichen Erlasses vom 5. Juli 2004 in der Fassung des Königlichen Erlasses vom 10. Juli 2016 lautet:
– Wenn (logistische) Arbeitnehmer „eine Arbeit … an Orten verrichten, an denen Waren zur Vorbereitung ihrer weiteren Verteilung oder Versendung eine Veränderung erfahren, die mittelbar zu einem nachweislichen Mehrwert führt, und über eine Sicherheitsbescheinigung … verfügen, [gilt] diese Sicherheitsbescheinigung als Anerkennung im Sinne des [Gesetzes von 1972]“.
– „Der Arbeitgeber, der mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, beantragt für die Verrichtung der im vorstehenden Absatz genannten Tätigkeiten eine Sicherheitsbescheinigung; die Ausstellung erfolgt gegen Vorlage des Personalausweises und des Arbeitsvertrags. Die Modalitäten dieses Verfahrens werden durch Tarifvertrag festgelegt.“
172. Folglich hat die Sicherheitsbescheinigung als Äquivalent zur Anerkennung seit dem Inkrafttreten des Königlichen Erlasses von 2016 den früheren Pool der logistischen Arbeitnehmer ersetzt.
173. Wie das vorlegende Gericht, die Kommission und die belgische Regierung bin ich der Ansicht, dass das Erfordernis dieser Bescheinigung für logistische Arbeitnehmer grundsätzlich durch Gründe der Hafensicherheit gerechtfertigt sein kann.
174. Diese Maßnahme wird aber nur dann der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten, wenn ihre Durchführungsmodalitäten angemessen sind. Die belgische Regierung trägt vor, diese seien in einem Tarifvertrag vom 28. September 2016 geregelt worden. Der Vorlagebeschluss enthält hierzu nur wenige Informationen, so dass der Staatsrat ihre Verhältnismäßigkeit zu beurteilen hat.
175. Im Rahmen dieser Beurteilung ist Folgendes zu berücksichtigen:
– Es ist zu prüfen, ob die Verpflichtung des Arbeitgebers, für jeden Vertrag mit dem logistischen Arbeitnehmer eine Sicherheitsbescheinigung einzuholen, unverhältnismäßig ist. Da viele Verträge über Hafenarbeit eine Laufzeit von Tagen oder Wochen haben, kann sich dieser Verwaltungsaufwand als unverhältnismäßig erweisen(103).
– Nach den Angaben der belgischen Regierung und der klagenden Unternehmen erfolgt die Erteilung der Sicherheitsbescheinigung durch die Ausgabe der so genannten Alfapass-Karte, die von einem privaten Unternehmen ausgestellt wird, das die Arbeitgeberorganisation des Hafens von Antwerpen kontrolliert(104). Die klagenden Unternehmen finden es unverständlich, dass eine verwaltungsrechtliche Genehmigung wie die Sicherheitsbescheinigung für einen logistischen Arbeitnehmer ohne jede Vorbedingung über den Kauf einer von einem nicht zugelassenen privaten Unternehmen ausgestellten Karte zum Marktpreis eingeholt werden muss.
– Die Verwendung der Alfapass-Karte, die seinerzeit eingeführt wurde, um die Häfen vor terroristischen Aktivitäten zu schützen, könnte ungeeignet sein, um zu überprüfen, ob die logistischen Arbeitnehmer in der Lage sind, ihre Aufgaben sicher auszuführen. Ihre automatische Erteilung wäre kein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels, das theoretisch damit verfolgt wird.
VIII. Ergebnis
176. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑407/19 und
C‑471/19 wie folgt zu antworten:
In der Rechtssache C‑471/19:
1. Art. 49 AEUV sowie Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen einem System zur Anerkennung von Hafenarbeitern, das dem Schutz der Sicherheit in den Hafengebieten dient, grundsätzlich nicht entgegen, sofern dessen Anwendungsmodalitäten auf transparenten, objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind und den Stauern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die mit denen vergleichbar sind, die für die inländischen Hafenarbeiter gelten.
Mit den genannten Bestimmungen des Unionsrechts unvereinbar sind Anwendungsmodalitäten des Anerkennungssystems, mit denen ein „closed shop“ unter der Kontrolle der Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen des jeweiligen Hafens geschaffen und unverhältnismäßige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit der Unternehmen und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten errichtet werden.
2. Die Rechtsunsicherheit und die Gefahr sozialer Spannungen stellen keine zwingenden Gründe dar, die die vorläufige Aufrechterhaltung eines Systems der Anerkennung von Hafenarbeitern wie dem im vorstehen Absatz beschriebenen, das mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, rechtfertigen.
In der Rechtssache C‑407/19:
Die Art. 49 und 45 AEUV stehen einer nationalen Regelung entgegen, die für den Zugang zur Hafenarbeit eine vorherige Anerkennung der Arbeitnehmer voraussetzt, wenn deren Anwendungsmodalitäten eines der folgenden Merkmale umfassen:
– Die Betrauung von paritätisch mit Vertretern der örtlichen Arbeitgeberorganisation und der Gewerkschaften der jeweiligen Hafengebiete besetzten Verwaltungskommissionen mit der Entscheidung über die Anträge, die es den bereits im Hafengebiet ansässigen Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, den Eintritt neuer Arbeitnehmer durch ein Verfahren zu kontrollieren, das keine angemessenen Verfahrensgarantien bietet.
– Das Erfordernis einer medizinischen und psychologischen Eignung sowie einer beruflichen Qualifikation, wenn diese durch Organe bescheinigt werden, die von der Arbeitgebervereinigung und den Gewerkschaften des jeweiligen Hafens kontrolliert werden.
– Die Anerkennung von nicht zum Kontingent (Pool) gehörenden Hafenarbeitern nur für die Laufzeit ihrer Arbeitsverträge und unter Anwendung einer restriktiven Übergangsregelung im Hinblick auf diese Laufzeit.
– Die im Rahmen von Tarifverträgen vereinbarte Beschränkung der Mobilität der Arbeitnehmer zwischen den verschiedenen Hafengebieten eines Mitgliedstaats.
– Das Erfordernis einer Sicherheitsbescheinigung für logistische Arbeitnehmer, die für jeden Arbeitsvertrag erneuert werden muss und die durch die Ausgabe einer Karte durch ein privates Unternehmen erteilt wird.