Rechtssache T‑796/16
(auszugsweise Veröffentlichung)
CEDC International sp. z o.o.
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum
Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 23. September 2020
„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke – Form eines Grashalms in einer Flasche – Ältere nationale dreidimensionale Marke – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Art. 15 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 18 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 2 und 3 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Art der Benutzung – Beeinflussung der Unterscheidungskraft – Benutzung in Verbindung mit anderen Marken – Gegenstand des Schutzes – Erfordernis der Klarheit und Deutlichkeit – Erfordernis der Übereinstimmung der Beschreibung mit der Darstellung – Entscheidung, die nach Aufhebung einer früheren Entscheidung durch das Gericht ergangen ist – Verweisung auf die Gründe einer früheren Entscheidung, die aufgehoben wurde – Begründungspflicht“
1. Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Markenfähige Zeichen – Grafische Darstellung einer dreidimensionalen Marke – Registrierungsbedingungen – Hinreichend klare und deutliche grafische Darstellung – Übereinstimmung einer etwaigen Beschreibung mit der Darstellung
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 4; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 3 Abs. 3 und 4)
(vgl. Rn. 105-112, 128-130)
2. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Ernsthafte Benutzung – Verwendung der Marke in einer Form, die nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird – Gegenstand und materieller Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 – Prüfung der Beeinflussung der Unterscheidungskraft
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 15 Abs. 2 Buchst. a und Art. 43 Abs. 2 und 3)
(vgl. Rn. 137-140, 148)
3. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Ernsthafte Benutzung – Begriff – Marke, die lediglich als Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird – Dreidimensionale Marke
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 15 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 2 und 3)
(vgl. Rn. 142-146, 166, 167)
4. Unionsmarke – Verfahrensvorschriften – Begründung von Entscheidungen – Umfang – Entscheidung der Beschwerdekammer, die nach Aufhebung einer früheren Entscheidung durch das Gericht ergangen ist – Verweisung auf die Gründe dieser aufgehobenen früheren Entscheidung – Unzulässigkeit
(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 75 Satz 1)
(vgl. Rn. 202, 203)
Zusammenfassung
Im Urteil CEDC International/EUIPO – Underberg (Form eines Grashalms in einer Flasche) (T‑796/16), das am 23. September 2020 ergangen ist, hat das Gericht über das Erfordernis der Klarheit und Deutlichkeit der Darstellung einer dreidimensionalen Marke in der Eintragungsurkunde im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 40/94(1) entschieden.
Im vorliegenden Fall hatte die Underberg AG die Eintragung einer dreidimensionalen Unionsmarke für Spirituosen und Liköre beantragt, die einen Grashalm in einer Flasche darstellt. Die CEDC International sp. z o.o. (im Folgenden: Klägerin) hatte einen Widerspruch eingelegt, der auf ihre ältere französische dreidimensionale Marke, die für alkoholische Getränke eingetragen war, gestützt war (im Folgenden: ältere Marke).
Der Widerspruch und dann die Beschwerde der Klägerin wurden von der Widerspruchsabteilung bzw. von der Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Klägerin die Art der Benutzung der älteren Marke, d. h. die Benutzung dieser Marke in ihrer eingetragenen oder in einer Form, die von der eingetragenen nur in Bestandteilen abweiche, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form beeinflusst werde, nicht nachgewiesen habe. Auf die Klage der Klägerin hin hatte das Gericht die Entscheidung der Beschwerdekammer aufgehoben und festgestellt, dass sie ihr Ermessen in Bezug auf die Berücksichtigung der verspätet eingereichten Benutzungsnachweise nicht ausgeübt habe(2). Mit ihrer zweiten Entscheidung (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hatte die Beschwerdekammer die Beschwerde erneut zurückgewiesen und dazu festgestellt, dass die besagten Beweise nichts an ihrer früheren Entscheidung änderten.
Das mit einer Klage gegen diese letzte Entscheidung befasste Gericht hat entschieden, dass bei der Auslegung und Anwendung des Unionsmarkenrechts die Darstellung der Marke, die klar und deutlich sein muss, den Gegenstand des durch die Eintragung verliehenen Schutzes definiert. Zudem muss die Beschreibung, die die Darstellung gegebenenfalls begleiten kann, mit dieser so, wie sie eingetragen wurde, übereinstimmen und kann den derart definierten Geltungsbereich der Marke nicht erweitern. Dieses Erfordernis der Übereinstimmung einer etwaigen Beschreibung mit der Darstellung ist daher eine logische Folge des Erfordernisses der Klarheit und Deutlichkeit der Darstellung, die den Gegenstand des Schutzes definiert.
Das Gericht hat dazu festgestellt, dass die Beschreibung der älteren Marke im vorliegenden Fall nicht ihrer Klarstellung oder Verdeutlichung dienen kann, da sie nicht mit der Darstellung, die eine Linie und nicht wie beschrieben einen Grashalm zeigt, übereinstimmt(3). Denn nur eine realistischere Darstellung eines Grashalms oder die echte Abbildung eines solchen in eine Flasche gesteckten Halms hätte seine Präsenz in dieser Marke klar und deutlich festlegen können. Somit ist ein Grashalm nicht vom genauen Gegenstand des Schutzes, der durch die ältere Marke gewährt wurde, erfasst.
Nach diesen Feststellungen hat das Gericht die Beurteilung der Beschwerdekammer bestätigt, wonach die Benutzung der älteren Marke in ihrer dargestellten und eingetragenen Form nicht nachgewiesen worden ist.
Der Rüge eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht ist hingegen stattgegeben worden(4). Das Gericht hat nämlich festgestellt, dass die Beschwerdekammer bei der Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sämtliche Widerspruchsgründe zurückgewiesen wurden, in Bezug auf einige dieser Gründe nicht auf die Begründung einer früheren Entscheidung, die in ihrer Gesamtheit vom Gericht aufgehoben worden war, verweisen durfte, ohne die einzelnen Widerspruchsgründe zu prüfen und zurückzuweisen. Folglich hat das Gericht die angefochtene Entscheidung nur in Bezug auf die von der Beschwerdekammer nicht geprüften Gründe aufgehoben.