Language of document : ECLI:EU:C:2009:533

Rechtssache C-44/08

Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ry u. a.

gegen

Fujitsu Siemens Computers Oy

(Vorabentscheidungsersuchen des Korkein oikeus)

„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 98/59/EG – Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen – Art. 2 – Schutz der Arbeitnehmer – Information und Konsultation der Arbeitnehmer – Konzern – Muttergesellschaft – Tochtergesellschaft“

Leitsätze des Urteils

1.        Sozialpolitik – Rechtsangleichung – Massenentlassungen – Richtlinie 98/59 – Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer

(Richtlinie 98/59 des Rates, Art. 2 Abs. 1 und 2)

2.        Sozialpolitik – Rechtsangleichung – Massenentlassungen – Richtlinie 98/59 – Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer

(Richtlinie 98/59 des Rates, Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b)

3.        Sozialpolitik – Rechtsangleichung – Massenentlassungen – Richtlinie 98/59 –Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer

(Richtlinie 98/59 des Rates, Art. 2 Abs. 1 und 4)

4.        Sozialpolitik – Rechtsangleichung – Massenentlassungen – Richtlinie 98/59 –Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer

(Richtlinie 98/59 des Rates, Art. 2 Abs. 1 und 4)

1.        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 98/59 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass innerhalb eines Konzerns der Erlass von strategischen Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit, die den Arbeitgeber zwingen, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen, bei diesem Arbeitgeber die Pflicht zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter entstehen lässt. Aus Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass sich die Konsultationen insbesondere auf die Möglichkeit erstrecken sollen, geplante Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken. Eine Konsultation, die beginnt, obwohl bereits eine Entscheidung getroffen wurde, die derartige Massenentlassungen notwendig macht, könnte sich nicht mehr auf die Prüfung etwaiger Alternativen erstrecken, um diese Massenentlassungen zu vermeiden.

(vgl. Randnrn. 47, 49, Tenor 1)

2.        Das Entstehen der Verpflichtung des Arbeitgebers, Konsultationen über die beabsichtigten Massenentlassungen zu beginnen, setzt nicht voraus, dass er bereits in der Lage ist, den Arbeitnehmervertretern alle Auskünfte gemäß Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 98/59 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen zu gewähren. Der Beginn der Konsultationen kann nicht davon abhängen, ob der Arbeitgeber bereits in der Lage ist, den Arbeitnehmervertretern alle in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 98/59 genannten Informationen zu liefern. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern nämlich nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen mitzuteilen. Eine flexible Handhabung ist erforderlich, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen können, was bedeutet, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit und die Pflicht hat, die Auskünfte im Laufe dieses Verfahrens zu vervollständigen.

(vgl. Randnrn. 53-55, Tenor 2)

3.        Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 98/59 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass im Fall eines Konzerns, bestehend aus einer Muttergesellschaft und einer oder mehreren Tochtergesellschaften, die Pflicht der Tochtergesellschaft, die die Arbeitgebereigenschaft hat, zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter erst dann entsteht, wenn diese Tochtergesellschaft, bei der es zu Massenentlassungen kommen könnte, benannt worden ist. Die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter können nämlich erst dann beginnen, wenn das Unternehmen, in dem es zu Massenentlassungen kommen könnte, bekannt ist. Trifft die Muttergesellschaft eines Konzerns Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze der in diesem Konzern beschäftigten Arbeitnehmer haben könnten, ist es Sache der Tochtergesellschaft, deren Arbeitnehmer von den Massenentlassungen betroffen sein könnten, in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber Konsultationen mit den Arbeitnehmervertretern einzuleiten. Derartige Konsultationen können demnach nicht aufgenommen werden, solange diese Tochtergesellschaft nicht feststeht.

(vgl. Randnrn. 63, 65, Tenor 3)

4.        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 98/59 in Verbindung mit deren Art. 2 Abs. 4 ist dahin auszulegen, dass im Fall eines Konzerns das Konsultationsverfahren von der durch Massenentlassungen betroffenen Tochtergesellschaft abgeschlossen worden sein muss, bevor diese, gegebenenfalls auf unmittelbare Anweisung ihrer Muttergesellschaft, die Verträge der von diesen Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmer kündigt.

(vgl. Randnr. 72, Tenor 4)