Language of document : ECLI:EU:C:2012:241

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

26. April 2012(*)

„Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV und 37 AEUV – Nationale Regelung, die Tabakeinzelhändlern die Einfuhr von Tabakerzeugnissen verbietet – Bestimmungen über das Bestehen und die Funktionsweise des Handelsmonopols für Tabakerzeugnisse – Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen – Rechtfertigung – Verbraucherschutz“

In der Rechtssache C‑456/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 1. Juli 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 17. September 2010, in dem Verfahren

Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre (ANETT)

gegen

Administración del Estado,

Beteiligte:

Unión de Asociaciones de Estanqueros de España,

Logivend SLU,

Organización Nacional de Asociaciones de Estanqueros,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre (ANETT), vertreten durch J. E. Garrido Roselló, abogado,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch B. Plaza Cruz und S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von B. Tidore, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Alcover San Pedro, L. Banciella und G. Wilms als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 34 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre (ANETT) und der Administración del Estado wegen nationaler Vorschriften, die es Inhabern von Verkaufsstellen für Tabak und Stempelmarken (im Folgenden: Tabakeinzelhändler) verbieten, Tabakerzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen.

 Nationales Recht

3        In Art. 1 Abs. 1 und 2 der Ley 13/1998 de Ordenación del Mercado de Tabacos y Normativa Tributaria (Gesetz 13/1998 zur Ordnung des Tabakmarkts nebst steuerlichen Bestimmungen) vom 4. Mai 1998 (BOE Nr. 107 vom 5. Mai 1998, S. 14871) in der geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz 13/1998) heißt es:

„(1)      Der Tabakmarkt ist vorbehaltlich der in diesem Gesetz festgelegten Grenzen liberalisiert, und daher wird das … Herstellungs-, Einfuhr- und Großhandelsmonopol für außerhalb der Gemeinschaft hergestellte Tabakerzeugnisse auf dem Gebiet der Iberischen Halbinsel, den balearischen Inseln, Ceuta und Melilla abgeschafft.

(2)      Jede natürliche oder juristische Person, die über die für die Ausübung eines Gewerbes erforderliche Rechtsfähigkeit verfügt, kann die in Abs. 1 genannten Tätigkeiten in der Form und zu den Bedingungen ausüben, die in den Art. 2 und 3 des vorliegenden Gesetzes vorgesehen sind. Personen, auf die einer der folgenden Tatbestände zutrifft, können die genannten Tätigkeiten jedoch nicht ausüben:

...

c)      [Tabakeinzelhändler], Inhaber einer Genehmigung für eine Abgabestelle für den Verkauf mit Aufschlag oder Inhaber einer … Verkaufsstelle, die der Sonderregelung unterliegt“.

4        In Art. 2 Abs. 3 des genannten Gesetzes heißt es:

„Die Hersteller und gegebenenfalls die Importeure gewährleisten, dass [die Tabakerzeugnisse] das gesamte Staatsgebiet im Sinne des Art. 1 Abs. 1 erreichen, sofern dort eine Nachfrage besteht.“

5        Art. 3 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:

„Die Einfuhr und der Großhandelsvertrieb von Tabakerzeugnissen sind unabhängig von ihrer Herkunft erlaubt, unterliegen jedoch der Voraussetzung, dass bei der Kommission für den Tabakmarkt eine Verpflichtungserklärung abgegeben wird, [die geltenden Regeln] zu beachten. ...“

6        Art. 4 des Gesetzes 13/1998 bestimmt:

„(1)      Der Einzelhandel mit Tabakerzeugnissen in Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln fällt weiterhin unter ein Monopol, dessen Inhaber der Staat ist, der es über das Verkaufsstellennetz für Tabak und Stempelmarken wahrnimmt.

(2)      Die Einzelhandelspreise der verschiedenen Tabakarten, -marken und -sorten, die für den Vertrieb in Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln bestimmt sind, werden von den Herstellern oder gegebenenfalls ihren Vertretern oder Bevollmächtigten in der Europäischen Union … festgelegt. …

(3)      [Tabakeinzelhändler] können nur natürliche Personen sein, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sind; sie sind Konzessionsnehmer des Staates. … Sie dürfen weder Inhaber einer anderen Verkaufsstelle oder einer Abgabestelle für den Verkauf mit Aufschlag noch beruflich oder arbeitsvertraglich mit einem auf dem Tabakmarkt tätigen Einführer, Hersteller oder Großhändler verbunden sein, sofern nicht diese Verbindung vor der endgültigen Zuteilung der Tabakverkaufsstelle endet.

(4)      Die Konzession für eine Tabakverkaufsstelle wird aufgrund einer Ausschreibung ... vergeben.

Die Konzession hat eine Dauer von fünfundzwanzig Jahren. …

...

(7)      Die Spanne der Einzelhändler beim Verkauf der zwingend von einem zugelassenen Großhändler zu beziehenden Tabakerzeugnisse beträgt unabhängig vom Preis oder Typ des Erzeugnisses, seiner Herkunft und vom liefernden Großhändler 8,5 % des Einzelhandelspreises. Unbeschadet dessen gilt beim Verkauf von Zigarren in jedem Fall eine Spanne von 9 % für den Einzelhändler.

...“

7        Art. 1 Abs. 1 des Königlichen Dekrets 1199/1999 vom 9. Juli 1999 zur Durchführung des Gesetzes 13/1998 (BOE Nr. 166 vom 13. Juli 1999, S. 26330, im Folgenden: Königliches Dekret 1199/1999) lautet:

„Gemäß Art. 1 des Gesetzes [13/1998] kann jede natürliche oder juristische Person, die über die für die Ausübung eines Gewerbes erforderliche Rechtsfähigkeit verfügt, die Tätigkeiten der Herstellung, der Einfuhr und des Großhandels von Tabakerzeugnissen unabhängig von deren Herkunft unter den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen ausüben.“

8        Art. 2 Abs. 1 dieses Königlichen Dekrets bestimmt:

„Personen, auf die einer der folgenden Tatbestände zutrifft, können die in Art. 1 Abs. 1 genannten Tätigkeiten nicht ausüben:

...

c)      [Tabakeinzelhändler], Inhaber einer Genehmigung für eine Abgabestelle für den Verkauf mit Aufschlag oder Inhaber einer … Verkaufsstelle, die der Sonderregelung unterliegt“.

9        Das Königliche Dekret 1199/1999 wurde durch das Königliche Dekret 1/2007 vom 12. Januar 2007 (BOE Nr. 18 vom 20. Januar 2007, S. 2845, im Folgenden: Königliches Dekret 1/2007) geändert.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10      Mit einer beim Tribunal Supremo eingereichten Klage beantragt ANETT, mehrere Bestimmungen des Königlichen Dekrets 1/2007 für nichtig zu erklären, da mit diesem Dekret das Königliche Dekret 1199/1999 abgeändert worden sei, ohne dass dadurch der Widerspruch zwischen dem Unionsrecht und der Regelung, die für den Tabakmarkt und das Tabakvertriebsmonopol in Spanien gelte, gelöst werde.

11      ANETT macht insbesondere geltend, das den Tabakeinzelhändlern auferlegte Verbot, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen auszuüben, laufe den Grundsätzen des freien Warenverkehrs zuwider, wie er in Art. 34 AEUV garantiert sei, da dieses Verbot eine mengenmäßige Beschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung darstelle.

12      Das Tribunal Supremo hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Kann Art. 34 AEUV dahin ausgelegt werden, dass das im spanischen Recht vorgesehene Verbot für Tabakeinzelhändler, der Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten nachzugehen, eine nach dem AEU‑Vertrag verbotene mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellt?

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

13      In der mündlichen Verhandlung hat die spanische Regierung die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung bestritten, die Antwort des Gerichtshofs sei für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht von Nutzen, da dieser die Rechtmäßigkeit des Königlichen Dekrets 1/2007 betreffe.

14      Dieses Dekret ändere nämlich einige Bestimmungen des Königlichen Dekrets 1199/1999 ab, ohne das den Tabakeinzelhändlern auferlegte Verbot, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen auszuüben, zu regeln oder auch nur zu erwähnen. Dieses Verbot ergebe sich aus den Art. 4 des Gesetzes 13/1998 und 2 des Königlichen Dekrets 1199/1999, die vom Königlichen Dekret 1/2007 nicht berührt würden. Folglich könne im Ausgangsrechtsstreit das vorlegende Gericht keine Bestimmung für nichtig erklären, die mit diesem Verbot in Verbindung stehe.

15      Außerdem habe ANETT bereits Klage gegen das Königliche Dekret 1199/1999 erhoben, in dem das gleiche Verbot vorgesehen sei, ohne dieses Verbot zu beanstanden; diese Klage sei vom Tribunal Supremo abgewiesen worden. Im Hinblick auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtskraft könne das nationale Gericht daher das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot keiner weiteren Prüfung unterziehen.

16      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteile vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a., C‑222/05 bis C‑225/05, Slg. 2007, I‑4233, Randnr. 22, und vom 4. Juni 2009, Pometon, C‑158/08, Slg. 2009, I‑4695, Randnr. 13).

17      Im Ausgangsverfahren steht zwar nicht fest, dass sich die etwaige Unvereinbarkeit des betroffenen Verbots mit dem Unionsrecht auf die Rechtmäßigkeit des Königlichen Dekrets 1/2007 auswirkt, da dieses Dekret nicht dieses Verbot regelt und eine Klage gegen das Königliche Dekret 1199/1999, in dem das genannte Verbot vorgesehen ist, schon vom Tribunal Supremo abgewiesen wurde.

18      Aus einer Gesamtschau des Vorlagebeschlusses ergibt sich jedoch, dass nicht definitiv ausgeschlossen werden kann, dass die Antwort des Gerichtshofs für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von Nutzen ist. Unter diesen Umständen reichen die genannten Gesichtspunkte für sich allein nicht aus, die in Randnr. 16 des vorliegenden Urteils genannte Vermutung der Entscheidungserheblichkeit zu beseitigen.

19      Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher als zulässig anzusehen.

 Zur Vorlagefrage

20      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die es Tabakeinzelhändlern verbietet, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten auszuüben.

 Zu den einschlägigen Bestimmungen

21      Die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen und die spanische Regierung in der mündlichen Verhandlung haben geltend gemacht, dass entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts in seiner Vorlagefrage die nationale Regelung im Licht von Art. 37 AEUV und nicht anhand von Art. 34 AEUV zu beurteilen sei. Diese Regelung betreffe nämlich die Funktionsweise eines Handelsmonopols im Sinne von Art. 37 AEUV und habe den Handel beschränkende Auswirkungen, die durch das Bestehen eines solchen Monopols bedingt seien.

22      Hierzu ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Bestimmungen über das Bestehen und die Funktionsweise eines Monopols an Art. 37 AEUV zu messen sind, der speziell den Fall betrifft, dass ein staatliches Handelsmonopol seine Ausschließlichkeitsrechte ausübt (vgl. u. a. Urteile vom 23. Oktober 1997, Franzén, C‑189/95, Slg. 1997, I‑5909, Randnr. 35, und vom 5. Juni 2007, Rosengren u. a., C‑170/04, Slg. 2007, I‑4071, Randnr. 17).

23      Dagegen ist die Auswirkung der anderen Bestimmungen der nationalen Regelung, die sich von der Funktionsweise des Monopols trennen lassen, auch wenn sie sich auf dieses auswirken, auf den Handel innerhalb der Union an Art. 34 AEUV zu messen (vgl. u. a. Urteile Franzén, Randnr. 36, und Rosengren u. a., Randnr. 18).

24      Daher ist zu prüfen, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot eine Bestimmung ist, die das Bestehen oder die Funktionsweise des Monopols betrifft.

25      Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die dem betreffenden Monopol zugewiesene besondere Funktion darin besteht, den Konzessionsnehmern das ausschließliche Recht zum Einzelhandelsverkauf von Tabakerzeugnissen vorzubehalten, ohne dass dies bedeutet, dass ihnen die Einfuhr solcher Erzeugnisse verboten wird.

26      Indem somit das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot die Tabakeinzelhändler daran hindert, die genannten Erzeugnisse in das spanische Hoheitsgebiet einzuführen, berührt es zwar den freien Warenverkehr in der Union, ohne jedoch die Ausübung des zu dem fraglichen Monopol gehörenden ausschließlichen Rechts zu regeln.

27      Daher berührt diese Maßnahme nicht die Ausübung der besonderen Funktion des in Rede stehenden Monopols und kann folglich nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die das Bestehen des Monopols betrifft (vgl. entsprechend Urteil Rosengren u. a., Randnr. 22).

28      Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass das Verbot für Tabakeinzelhändler, Tabakerzeugnisse einzuführen, eine Kanalisierung der Bedarfsdeckung dieser Einzelhändler bei den zugelassenen Großhändlern bewirkt. Aus diesem Grund kann sich das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot auf die Funktionsweise dieses Monopols auswirken.

29      In Anbetracht dessen, und wenngleich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme anders als die Regelung, die Gegenstand der Rechtssache gewesen ist, in der das Urteil Rosengren u. a. ergangen ist, nicht Privatpersonen, sondern die Konzessionsnehmer des betroffenen Monopols, d. h. Tabakeinzelhändler, betrifft, kann eine solche Maßnahme von der Funktion des Monopols getrennt werden, da sie sich nicht auf die Modalitäten des Einzelhandelsverkaufs von Tabakerzeugnissen im spanischen Hoheitsgebiet bezieht, sondern auf den vorgelagerten Markt für diese Erzeugnisse. Sie zielt nämlich nicht darauf ab, das System zu organisieren, nach dem das Monopol die Erzeugnisse auswählt. Ebenso zielt die genannte Maßnahme weder auf das Vertriebsnetz des betroffenen Monopols noch auf die Vermarktung oder die Werbung für die von ihm vertriebenen Erzeugnisse ab (vgl. entsprechend Urteil Rosengren u. a., Randnr. 24).

30      Folglich kann das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot nicht als eine Bestimmung angesehen werden, die das Bestehen oder die Funktionsweise des Monopols betrifft. Für die Prüfung, ob eine solche Maßnahme mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Bestimmungen des Vertrags über den freien Warenverkehr vereinbar ist, ist Art. 37 AEUV daher nicht einschlägig.

31      Demzufolge ist eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die Tabakeinzelhändlern die Einfuhr von Tabakerzeugnissen verbietet, im Licht von Art. 34 AEUV zu beurteilen.

 Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Warenverkehrs

32      Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, und vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, C‑110/05, Slg. 2009, I‑519, Randnr. 33).

33      Aus ebenfalls ständiger Rechtsprechung geht hervor, dass Art. 34 AEUV die Verpflichtung widerspiegelt, sowohl die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der gegenseitigen Anerkennung von Erzeugnissen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden, einzuhalten als auch Erzeugnissen aus der Union einen freien Zugang zu den nationalen Märkten zu gewährleisten (vgl. Urteile Kommission/Italien, Randnr. 34, und vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika, C‑108/09, Slg. 2010, I‑12213, Randnr. 48).

34      Demgemäß sind Maßnahmen eines Mitgliedstaats, mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Waren aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, ebenso als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen anzusehen wie Vorschriften über die Voraussetzungen, denen die Waren entsprechen müssen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten (vgl. Urteile Kommission/Italien, Randnrn. 35 und 37, und Ker-Optika, Randnr. 49).

35      Ebenfalls unter diesen Begriff fällt jede sonstige Maßnahme, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert (Urteile Kommission/Italien, Randnr. 37, und Ker-Optika, Randnr.  50).

36      Im Ausgangsverfahren weist nichts darauf hin, dass mit der in Rede stehenden nationalen Regelung bezweckt oder bewirkt wird, Tabakerzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln. Ebenso wenig betrifft sie die Voraussetzungen, denen diese Erzeugnisse entsprechen müssen.

37      Es ist jedoch noch zu prüfen, ob diese Regelung nicht den Zugang zum spanischen Markt für Tabakerzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert.

38      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Regelung dadurch, dass sie es Tabakeinzelhändlern verbietet, solche Erzeugnisse direkt aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, diese Einzelhändler dazu zwingt, ihren Bedarf bei zugelassenen Großhändlern zu decken. Eine solche Art der Bedarfsdeckung kann aber verschiedene Nachteile aufweisen, auf die diese Einzelhändler nicht stoßen würden, wenn sie die Einfuhr selbst vornehmen würden.

39      Insbesondere können die betreffenden Einzelhändler ein aus einem anderen Mitgliedstaat stammendes Tabakerzeugnis nur vermarkten, wenn ein solches Erzeugnis im Erzeugnissortiment der in Spanien zugelassenen Großhändler angeboten wird und diese Großhändler es vorrätig haben. Wenn somit ein bestimmtes Erzeugnis im Erzeugnissortiment dieser Großhändler nicht enthalten ist, haben die Tabakeinzelhändler keine direkte, flexible und schnelle Möglichkeit, die Nachfrage ihrer eigenen Kunden, die an diesem Erzeugnis interessiert sind, zu befriedigen.

40      Diese Feststellung wird kaum dadurch in Frage gestellt, dass in den nationalen Rechtsvorschriften für Einführer die Pflicht vorgesehen ist, die Verfügbarkeit von Tabakerzeugnissen im gesamten Staatsgebiet zu gewährleisten, sofern eine Nachfrage für diese Erzeugnisse besteht. Diese Einführer können sich nämlich dafür entscheiden, von der Einfuhr bestimmter Erzeugnisse, die von einer für zu klein befundenen Zahl von Interessierten nachgefragt werden, ganz abzusehen oder die Einfuhr später vorzunehmen. Jeder Tabakeinzelhändler wäre hingegen zweifellos in der Lage, anstelle dieser Einführer auf flexiblere und schnellere Weise auf die Nachfrage der Kunden zu reagieren, die mit ihm in direktem und häufigem Kontakt stehen.

41      Zudem sind Tabakeinzelhändler daran gehindert, ihren Bedarf in den anderen Mitgliedstaaten zu decken, auch wenn die dort niedergelassenen Hersteller oder Großhändler insbesondere in den Grenzregionen günstigere Bezugsbedingungen anbieten können, sei es aufgrund ihrer geografischen Nähe oder aufgrund der besonderen Lieferbedingungen, die sie anbieten.

42      Alle diese Gesichtspunkte können negative Auswirkungen auf die Auswahl der Erzeugnisse, die die Tabakeinzelhändler in ihre Erzeugnissortimente aufnehmen, und letztlich auf den Zugang zum spanischen Markt für die verschiedenen aus den anderen Mitgliedstaaten stammenden Erzeugnisse haben.

43      Daher ist festzustellen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot den Zugang zum Markt für diese Erzeugnisse behindert.

44      Folglich stellt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne des Art. 34 AEUV dar.

 Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Warenverkehrs

45      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Beschränkung des freien Warenverkehrs durch die in Art. 36 AEUV aufgezählten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. In beiden Fällen muss die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile Kommission/Italien, Randnr. 59, und Ker‑Optika, Randnr. 57).

 Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

46      Die spanische und die italienische Regierung machen erstens geltend, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot könne durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, eine Steuer- und Zollkontrolle der Tabakerzeugnisse zu gewährleisten und ihre Hygienekontrolle sicherzustellen.

47      Zweitens machen diese Regierungen geltend, die genannte Maßnahme sei zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes erforderlich. Wenn nämlich Tabakeinzelhändlern die Einfuhr von Tabakerzeugnissen gestattet würde, könnten sie versucht sein, bestimmte Erzeugnisse anderen gegenüber zu bevorzugen, zulasten der Neutralität des Tabakmarkts.

48      Drittens ist die spanische Regierung der Ansicht, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot sei dadurch gerechtfertigt, dass der Umstand, den Tabakeinzelhändlern die Möglichkeit zu geben, diese Erzeugnisse einzuführen, darauf hinausliefe, ihnen einen übermäßigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

49      Viertens ist die spanische Regierung der Ansicht, dass eine Beschränkung des freien Warenverkehrs jedenfalls nur dann zu beseitigen sei, wenn diese Beseitigung den Verbrauchern einen Vorteil verschaffe, und zwar insbesondere einen Rückgang der Preise. Da jedoch Tabak ein monopolisiertes Erzeugnis sei, das zu festen Preisen verkauft werde, würde die Beseitigung des Einfuhrverbots für Tabakeinzelhändler den Verbrauchern nicht von Nutzen sein, weil ausschließlich die Einzelhändler selbst davon profitieren könnten.

 Antwort des Gerichtshofs

50      Was zunächst das Vorbringen der spanischen und der italienischen Regierung betrifft, es sei notwendig, eine Steuer-, Zoll- und Hygienekontrolle der Tabakerzeugnisse sicherzustellen, ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der nationalen Stellen ist, wenn sie eine Maßnahme erlassen, die von einem im Unionsrecht verankerten Grundsatz abweicht, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass diese Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des mit ihr angestrebten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht. Neben den Rechtfertigungsgründen, die ein Mitgliedstaat geltend machen kann, muss dieser daher eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen (vgl. Urteile vom 18. März 2004, Leichtle, C‑8/02, Slg. 2004, I‑2641, Randnr. 45, und vom 13. April 2010, Bressol u. a., C‑73/08, Slg. 2010, I‑2735, Randnr. 71).

51      Die spanische und die italienische Regierung haben jedoch ihr Vorbringen nicht in einer Weise untermauert, die die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere haben sie nicht erklärt, inwiefern die den Tabakeinzelhändlern eröffnete Möglichkeit, selbst Tabakerzeugnisse einzuführen, der Anwendung der Maßnahmen zur Steuer-, Zoll- und Hygienekontrolle dieser Erzeugnisse entgegensteht.

52      Außerdem ist das Vorbringen zurückzuweisen, das auf den Verbraucherschutz gestützt ist. Denn selbst wenn man annimmt, dass das Erfordernis, im Allgemeinen ein einheitliches Erzeugnissortiment zu gewährleisten, ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel darstellt, das es verdient, durch Rechtsvorschriften anstatt durch die Gesetze des Marktes verfolgt zu werden, könnte die Einhaltung dieses Erfordernisses jedenfalls durch weniger einschränkende Maßnahmen erreicht werden, wie beispielsweise die Auferlegung einer Pflicht für die Tabakeinzelhändler, ein vorab festgelegtes Mindesterzeugnissortiment vorrätig zu haben.

53      Ferner kann die spanische Regierung nicht mit Erfolg geltend machen, die betreffende Beschränkung könne dadurch gerechtfertigt sein, dass die Möglichkeit, Tabakerzeugnisse einzuführen, den Tabakeinzelhändlern einen übermäßigen Wettbewerbsvorteil verschaffen würde. Eine solche Erwägung hat nämlich ausschließlich eine wirtschaftliche Dimension. Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch rein wirtschaftliche Motive keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten (vgl. Urteile vom 13. Januar 2000, TK-Heimdienst, C‑254/98, Slg. 2000, I‑151, Randnr. 33, und vom 17. März 2005, Kranemann, C‑109/04, Slg. 2005, I‑2421, Randnr. 34).

54      Schließlich ist das Vorbringen der spanischen Regierung zurückzuweisen, wonach die Beseitigung einer Beschränkung des freien Warenverkehrs nur unter der Bedingung gerechtfertigt sei, dass dies zu einem Vorteil bei den Verbrauchern führen könne. Insofern genügt die Feststellung, dass im vorliegenden Fall die Verbraucher von der Beseitigung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbots dadurch profitieren können, dass es den Tabakeinzelhändlern ermöglicht wird, das Sortiment an Erzeugnissen, über die sie verfügen, zu erweitern.

55      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschränkung, die sich aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung ergibt, nicht durch die Verwirklichung der angeführten Ziele gerechtfertigt werden kann.

56      Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 34 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die es Tabakeinzelhändlern verbietet, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten auszuüben.

 Kosten

57      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 34 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die es Inhabern von Verkaufsstellen für Tabak und Stempelmarken verbietet, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten auszuüben.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.