Language of document : ECLI:EU:C:2012:669

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 25. Oktober 2012(1)

Rechtssache C‑375/11

Belgacom SA,

Mobistar SA,

KPN Group Belgium SA

gegen

État belge

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour constitutionnelle [Belgien])

„Telekommunikationsdienste – Richtlinie 2002/20/EG – Rechte zur Nutzung von Funkfrequenzen – Einmalige Entgelte für Zuweisung und Verlängerung – Berechnungsmethode – Änderung bestehender Rechte – Rüge der rückwirkenden Anwendung der Richtlinie 2002/20 durch einen Mitgliedstaat“






I –    Einführung

1.        Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits wird der Gerichtshof um Prüfung der Frage ersucht, ob nach dem Telekommunikationsrecht der Union für die Verlängerung der Genehmigung zur Nutzung von Funkfrequenzen im Telekommunikationsbereich in derselben Weise Abgaben verlangt werden können wie für die erste Erteilung solcher Berechtigungen. Im Kern geht es um die Entscheidung, ob die Mitgliedstaaten legitimerweise weitere einmalige Entgelte für die Nutzung von Funkfrequenzen in Fällen erheben dürfen, in denen die Telekommunikationsbetreiber beim Markteintritt bereits ein einmaliges Entgelt in beträchtlicher Höhe gezahlt haben, und wenn sie im Rahmen der Nutzungsrechte bereits ein Jahresentgelt zahlen.

2.        Die belgische Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) hat ein Vorabentscheidungsersuchen gestellt im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Belgacom SA (im Folgenden: Belgacom), der Mobistar SA (im Folgenden: Mobistar) und der KPN Group Belgium SA (im Folgenden: KPN Group Belgium) auf der einen Seite und dem belgischen Staat auf der anderen Seite, da die erstgenannten Parteien die Vereinbarkeit der Regelung für die vom belgischen Staat erhobenen Abgaben mit den Art. 3, 12 und 13 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste(2) (im Folgenden: Genehmigungsrichtlinie) bestreiten. Bei den Art. 12 und 13 handelt es sich um die Nachfolgebestimmungen von Art. 11 der (jetzt aufgehobenen) Richtlinie 97/13/EG(3). Darüber hinaus wird der Gerichtshof gefragt, ob Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie, der die Änderung von Rechten und Pflichten der Telekommunikationsbetreiber seitens der Mitgliedstaaten betrifft, der Erhebung der in Rede stehenden Abgabe durch die belgische Regierung entgegensteht.

3.        Durch die Richtlinie 97/13 wurden die Befugnisse der Mitgliedstaaten zur Erhebung von Abgaben bei Telekommunikationsunternehmen eingeschränkt. Die Mitgliedstaaten dürfen keine anderen Gebühren oder Abgaben für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste als die in der Richtlinie 97/13 vorgesehenen verlangen(4). In seinem in diesem Jahr ergangenen Urteil Vodafone España u. a.(5) hat der Gerichtshof dies auch hinsichtlich der Genehmigungsrichtlinie bestätigt.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

4.        Art. 8 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„Die nationalen Regulierungsbehörden fördern den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste, indem sie unter anderem

…;

d) für eine effiziente Nutzung der Funkfrequenzen und der Nummerierungsressourcen sorgen und deren effiziente Verwaltung sicherstellen.“

5.        In den Erwägungsgründen 31 bis 33 der Genehmigungsrichtlinie heißt es:

„(31) Die Regelungen zur Erhebung von Verwaltungsabgaben sollten den Wettbewerb nicht verzerren und keine Schranken für den Marktzugang errichten. …

(32) Zusätzlich zu den Verwaltungsabgaben können für Nutzungsrechte an Frequenzen und Nummern Entgelte erhoben werden, um eine optimale Nutzung dieser Güter sicherzustellen. Diese Entgelte sollten die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb auf dem Markt nicht erschweren. Durch diese Richtlinie werden die Zwecke, für die Entgelte für die Nutzungsrechte verwendet werden, nicht berührt. Diese Entgelte können beispielsweise zur Finanzierung derjenigen Tätigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden verwendet werden, die nicht über die Verwaltungsabgaben finanziert werden können. Bestehen im Fall von Auswahl- bzw. Vergleichswettbewerben die Entgelte für Frequenznutzungsrechte ausschließlich oder teilweise aus einem Pauschalbetrag, so sollten Zahlungsregelungen sicherstellen, dass diese Entgelte in der Praxis nicht zu einer Auswahl nach Kriterien führen, die nicht in Beziehung zu dem Ziel der optimalen Nutzung von Funkfrequenzen stehen. …

(33) Die Mitgliedstaaten können die mit einer Allgemeingenehmigung und mit Nutzungsrechten verbundenen Rechte, Bedingungen, Verfahren, Gebühren und Entgelte ändern, wenn dies objektiv gerechtfertigt ist. Solche Änderungen sollten allen interessierten Parteien ordnungsgemäß und rechtzeitig mitgeteilt werden, wobei ihnen angemessen Gelegenheit zu geben ist, ihren Standpunkt zu einer solchen Änderung darzulegen.“

6.        In Art. 3 („Allgemeingenehmigung für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste“) der Genehmigungsrichtlinie ist als Grundsatz die Freiheit gewährleistet, elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste gemäß einer Allgemeingenehmigung bereitzustellen.

7.        Art. 12 („Verwaltungsabgaben“) der Genehmigungsrichtlinie lautet:

„(1) Verwaltungsabgaben, die von Unternehmen verlangt werden, die aufgrund einer Allgemeingenehmigung einen Dienst oder ein Netz bereitstellen oder denen ein Nutzungsrecht gewährt wurde,

a)      dienen insgesamt lediglich zur Deckung der administrativen Kosten für die Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen und Nutzungsrechten sowie der in Artikel 6 Absatz 2 genannten besonderen Verpflichtungen, die die Kosten für internationale Zusammenarbeit, Harmonisierung und Normung, Marktanalyse, Überwachung der Einhaltung und andere Marktkontrollmechanismen sowie für Regulierungstätigkeiten zur Ausarbeitung und Durchsetzung des abgeleiteten Rechts und von Verwaltungsbeschlüssen, beispielsweise von Beschlüssen über den Zugang und die Zusammenschaltung, einschließen können, und

b)      werden den einzelnen Unternehmen in einer objektiven, verhältnismäßigen und transparenten Weise auferlegt, bei der die zusätzlichen Verwaltungskosten und zugehörigen Aufwendungen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

(2) Erheben die nationalen Regulierungsbehörden Verwaltungsabgaben, so veröffentlichen sie einen jährlichen Überblick über ihre Verwaltungskosten und die insgesamt eingenommenen Abgaben. Entsprechend der Differenz der Gesamtsumme der Abgaben und der Verwaltungskosten werden entsprechende Berichtigungen vorgenommen.“

8.        Art. 13 („Entgelte für Nutzungsrechte und für Rechte für die Installation von Einrichtungen“) der Genehmigungsrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können der zuständigen Behörde gestatten, bei Nutzungsrechten für Funkfrequenzen oder Nummern oder bei Rechten für die Installation von Einrichtungen auf, über oder unter öffentlichem oder privatem Grundbesitz Entgelte zu erheben, die eine optimale Nutzung dieser Ressourcen sicherstellen sollen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entgelte objektiv gerechtfertigt, transparent, nichtdiskriminierend und ihrem Zweck angemessen sind, und tragen den in Artikel 8 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) genannten Zielen Rechnung.“

9.        Art. 14 („Änderung von Rechten und Pflichten“) der Genehmigungsrichtlinie(6) lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechte, Bedingungen und Verfahren im Zusammenhang mit den Allgemeingenehmigungen und den Nutzungsrechten oder den Rechten zur Installation von Einrichtungen nur in objektiv gerechtfertigten Fällen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit geändert werden können. Eine solche Absicht ist in geeigneter Weise anzukündigen, und den Beteiligten, einschließlich Nutzern und Verbrauchern, ist eine ausreichende Frist einzuräumen, um ihren Standpunkt zu den geplanten Änderungen darzulegen; diese Frist beträgt, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, mindestens vier Wochen.

(2) Die Mitgliedstaaten dürfen Rechte zur Installation von Einrichtungen vor Ablauf des Zeitraums, für den sie gewährt worden sind, nicht einschränken oder zurücknehmen, außer in begründeten Fällen oder gegebenenfalls in Einklang mit einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften über Entschädigungen für die Zurücknahme von Rechten.“

10.      In Teil B („Bedingungen, die an Frequenznutzungsrechte geknüpft werden können“) des Anhangs der Genehmigungsrichtlinie sind in Nr. 6 genannt:

„Nutzungsentgelte gemäß Artikel 13 dieser Richtlinie“.

B –    Nationales Recht

11.      Art. 2 des Gesetzes vom 15. März 2010 bestimmt im Wesentlichen Folgendes:

„Art. 30 des Gesetzes vom 13. Juni 2005 über die elektronische Kommunikation wird wie folgt geändert:

1. Zwischen den Paragraphen 1 und 2 werden Paragraphen 1/1, 1/2, 1/3 und 1/4 mit folgendem Wortlaut eingefügt:

‚§ 1/1 – Zu dem … Zweck [der Sicherstellung der optimalen Nutzung dieser Mittel] müssen Betreiber, die über Nutzungsrechte für Funkfrequenzen verfügen dürfen, im Hinblick auf den Betrieb eines Netzes oder die Bereitstellung von mobilen elektronischen Kommunikationsdiensten, die der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, zu Beginn des Gültigkeitszeitraums der Nutzungsrechte ein einmaliges Entgelt zahlen.

Das einmalige Entgelt wird bei der Zuweisung der Frequenzen festgelegt.

Das einmalige Entgelt beträgt:

1. 51 644 Euro je MHz und Monat für die Frequenzbänder 880-915 MHz und 925-960 MHz. …;

2. 20 833 Euro je MHz und Monat für die Frequenzbänder 1920-1980 MHz und 2110-2170 MHz. …;

3. 2 778 Euro je MHz und Monat für das Frequenzband 2500-2690 MHz.

Bei einer Zuweisung von Frequenzen durch Versteigerung gilt der in vorliegendem Paragraph 1/1 erwähnte Mindestbetrag des einmaligen Entgelts als Anfangsgebot für die Kandidaten.

§ 1/2 – Betreiber müssen für jeden Zeitraum, für den die Zulassung verlängert wird, ein einmaliges Entgelt entrichten.

Der Betrag des einmaligen Entgelts entspricht dem in § 1/1 Absatz 1 erwähnten einmaligen Entgelt.

Bei der Berechnung des Betrags wird der Teil der Nutzungsrechte berücksichtigt, den der Betreiber bei der Verlängerung aufrechterhalten möchte.

§ 1/3 [Zahlungsmodalitäten für das einmalige Entgelt]

Das einmalige Entgelt wird unter keinen Umständen erstattet, weder ganz noch teilweise.

§ 1/4 [Entzug des Nutzungsrechts bei Nichtzahlung des einmaligen Entgelts]‘“.

12.      Art. 3 des Gesetzes vom 15. März 2010 bestimmt:

„Ist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes die Frist, in der sich der Betreiber der stillschweigenden Verlängerung seiner Zulassung widersetzen kann, schon abgelaufen, so kann sich der Betreiber übergangsweise dennoch der Verlängerung seiner Nutzungsrechte bis zum ersten Tag des neuen Zeitraums, für den Nutzungsrechte verlängert werden, widersetzen, ohne dass er das einmalige Entgelt für den neuen Zeitraum entrichten muss.“

III – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13.      Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium die Vereinbarkeit der Regelung für die Entgelte, die diese Betreiber nach den Art. 2 und 3 des Gesetzes vom 15. März 2010 zur Änderung von Art. 30 des Gesetzes vom 13. Juni 2005 zu entrichten haben, mit den Art. 3, 12, 13 und 14 der Genehmigungsrichtlinie bestreiten.

14.      Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium sind Mobiltelefoniebetreiber, denen von 1995 an verschiedene Genehmigungen zur Bereitstellung von Mobiltelekommunikationsdiensten in Frequenzbändern erteilt wurden.

15.      Zum Zeitpunkt jeder einzelnen Genehmigungserteilung waren Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium zu folgenden Zahlungen verpflichtet:

–        „einmalige Konzessionsabgabe“;

–        Jahresentgelt für die Bereitstellung der Frequenzbänder;

–        Jahresabgabe für die Verwaltung der Genehmigungen.

16.      Mit Entscheidung vom 25. November 2008 nahm das Institut belge des services postaux et des télécommunications (IBPT) die stillschweigende Verlängerung der Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium erteilten Genehmigungen für die Nutzung von GSM-Funkfrequenzen zurück, um ein neues Entgelt zu erheben und hinsichtlich dieses Spektrums eine möglichst effiziente Politik durchzusetzen. Allerdings waren bereits die Belgacom erteilte Genehmigung für einen Zeitraum von fünf Jahren vom 8. April 2010 bis zum 8. April 2015 und die Mobistar erteilte Genehmigung für einen Zeitraum vom 27. November 2010 bis zum 27. November 2015 stillschweigend verlängert worden.

17.      Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium fochten diese Entscheidung bei der Cour d’appel de Bruxelles an. Dieses Gericht hob die Entscheidung in Bezug auf Belgacom mit Urteil vom 20. Juli 2009 und in Bezug auf Mobistar mit Urteil vom 22. September 2009 auf. Aufgrund dieser Urteile nahm das IBPT seine Entscheidung vom 25. November 2008 in Bezug auf KPN Group Belgium zurück, um eine Gleichbehandlung aller drei Betreiber sicherzustellen.

18.      In der Zeit nach diesen Urteilen der Cour d’appel de Bruxelles erließ der belgische Gesetzgeber am 15. März 2010 ein Gesetz zur Änderung von Art. 30 des Gesetzes vom 13. Juni 2005 über die elektronische Kommunikation. Die Art. 2 und 3 des Gesetzes vom 15. März 2010 sehen Folgendes vor:

–        ein den Mobiltelefoniebetreibern auferlegtes „einmaliges Entgelt“, das anstelle der „einmaligen Konzessionsabgabe“ mit dem Ziel erhoben wird, eine optimale Nutzung dieser Funkfrequenzen zu gewährleisten, und nicht nur bei der Erteilung der Genehmigung für die Nutzung von Funkfrequenzen, sondern ebenso auch bei jeder Verlängerung einer bereits erteilten Genehmigung zu entrichten ist. Die Höhe dieses einmaligen Entgelts variiert je nach den betreffenden Funkfrequenzen. Es wird auf der Grundlage der „einmaligen Konzessionsabgabe“ berechnet, die die Betreiber beim erstmaligen Erwerb der Genehmigung im Wege eines Auswahlwettbewerbs oder einer Versteigerung entrichtet haben;

–        die Möglichkeit der Mobiltelefoniebetreiber, auf ihre stillschweigend verlängerte Nutzungsberechtigung zu verzichten, ohne für die Rechte, auf die sie verzichtet haben, das einmalige Entgelt zahlen zu müssen.

19.      Gleichzeitig blieben die Mobiltelefoniebetreiber weiterhin zur Zahlung der beiden Jahresentgelte verpflichtet, d. h. eines Entgelts zur Deckung der Kosten für die Bereitstellung der Frequenzen und einer Abgabe für die Verwaltung der Genehmigung.

20.      Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium erhoben bei der Cour constitutionnelle Klage auf Nichtigerklärung der Art. 2 und 3 des Gesetzes vom 15. März 2010. Zur Begründung führen sie aus, die Bestimmungen verstießen gegen die Art. 3, 12, 13 und 14 der Genehmigungsrichtlinie. Genauer gesagt wenden sie sich gegen die Regelung, wonach das einmalige Entgelt nicht nur bei der Erteilung der Genehmigung, sondern auch bei deren Verlängerung fällig sei. Außerdem bemängeln sie, dass das einmalige Entgelt ergänzend zu dem Jahresentgelt für die Bereitstellung der Frequenzen erhoben werde. Des Weiteren beanstanden Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium die Höhe des entrichteten Betrags und die Methode zur Berechnung des einmaligen Entgelts, da sich dieses nach dem Marktwert für die Betreiber und nicht nach dem wirtschaftlichen Wert der Frequenzen richten müsse.

21.      Nach Angaben der belgischen Regierung ist seit der Übermittlung des Vorabentscheidungsersuchens durch die Cour constitutionnelle am 16. Juni 2011 nach Durchführung von Versteigerungen einem vierten Betreiber der letzte Frequenzblock im 2‑GHz-Band zugewiesen worden, um ein UMTS-Netz zu verwerten. Im Oktober 2011 wurde mit der Versteigerung von Frequenzen im 2,6‑GHz-Band begonnen. Dieses Frequenzband ermöglicht die Bereitstellung von LTE-Diensten.

22.      Die Cour constitutionnelle führt in ihrem Vorlagebeschluss aus, dass gemäß den Vorarbeiten zum Gesetz vom 15. März 2010 das einmalige Entgelt eine Entschädigung für die Nutzung der Frequenz darstelle und dem gleichen Ziel wie die jährlichen Gebühren für die Bereitstellung der Frequenzen diene, ohne jedoch die Zahlung dieser Gebühren zu ersetzen. Laut dem belgischen Gesetzgeber stünden die bei der Cour constitutionnelle angefochtenen Art. 2 und 3 des Gesetzes vom 15. März 2010 im Einklang mit der Genehmigungsrichtlinie, da diese Bestimmungen eine Aufteilung der für die Nutzungsrechte geschuldeten Entgelte vorsehe, nämlich in einmalige Entgelte für Nutzungsrechte und in jährliche Entgelte. Das einmalige Entgelt decke das Recht auf Nutzung der Frequenzen und entspreche dem Wert der seltenen Ressource, die das Spektrum darstelle, während das jährliche Entgelt die Kosten der Nutzung der Frequenzen decke, nämlich die Kontrolle, die Koordinierung, die Prüfung und andere diesbezügliche Tätigkeiten der zuständigen Behörde.

23.      Die Cour constitutionnelle stellt fest, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens unterschiedlicher Meinung hinsichtlich der Vereinbarkeit der im Gesetz vom 15. März 2010 vorgesehenen Regelung für das einmalige Entgelt mit den Art. 3, 12 und 13 der Genehmigungsrichtlinie seien. Des Weiteren gehen ihre Meinungen zu der Frage der Auslegung und Anwendbarkeit von Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie in Bezug auf die Methode zur Berechnung des einmaligen Entgelts auseinander.

24.      Unter diesen Umständen hat die Cour constitutionnelle dem Gerichtshof die nachstehenden vier Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt:

1.      Erlauben die Art. 3, 12 und 13 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) in der derzeit geltenden Fassung es den Mitgliedstaaten, den Betreibern, die im Besitz individueller Rechte zur Nutzung von Mobilfunkfrequenzen für einen Zeitraum von 15 Jahren im Rahmen von Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes auf ihrem Gebiet sind, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, ein einmaliges Entgelt für die Verlängerung ihrer individuellen Rechte zur Nutzung der Frequenzen vorzuschreiben, dessen Höhe hinsichtlich der Anzahl der Frequenzen und der Monate, auf die sich die Nutzungsrechte beziehen, auf der Grundlage der früheren einmaligen Konzessionsabgabe berechnet wird, die mit der Erteilung der vorerwähnten Zulassungen verbunden war, wobei dieses einmalige Entgelt zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen, die vor allem zur Deckung der Kosten für die Bereitstellung der Frequenzen und gleichzeitig zur teilweisen Inwertsetzung derselben dient, wobei beide Entgelte mit der Absicht, die optimale Nutzung der Frequenzen zu fördern, begründet werden, und andererseits zu einem Entgelt zur Deckung der Verwaltungskosten der Zulassung anfällt?

2.      Erlauben die Art. 3, 12 und 13 derselben Genehmigungsrichtlinie es den Mitgliedstaaten, den Betreibern, die sich um den Erhalt neuer Rechte zur Nutzung von Mobilfunkfrequenzen bewerben, die Zahlung eines einmaligen Entgelts aufzuerlegen, dessen Höhe durch Versteigerung bei der Zuteilung der Frequenzen bestimmt wird, damit diese in Wert gesetzt werden, wobei dieses einmalige Entgelt zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen, die vor allem zur Deckung der Kosten für die Bereitstellung der Frequenzen und gleichzeitig zur teilweisen Inwertsetzung derselben dient, wobei beide Entgelte mit der Absicht, die optimale Nutzung der Frequenzen zu fördern, begründet werden, und andererseits zu einer jährlichen Gebühr für die Verwaltung der Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, anfällt?

3.      Erlaubt Art. 14 Abs. 2 derselben Genehmigungsrichtlinie es einem Mitgliedstaat, den Mobilfunkbetreibern für einen weiteren Zeitraum zur Verlängerung ihrer individuellen Rechte zur Nutzung von Mobilfunkfrequenzen, die für einige von ihnen bereits galt, jedoch vor dem Beginn dieses neuen Zeitraums, die Zahlung eines einmaligen Entgelts aufzuerlegen, das sich auf die Verlängerung der Nutzungsrechte für die Frequenzen, über die sie zum Beginn dieses neuen Zeitraums verfügten, bezieht und das mit der Absicht begründet wird, die optimale Nutzung der Frequenzen durch deren Inwertsetzung zu fördern, und das zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen, die vor allem zur Deckung der Kosten für die Bereitstellung der Frequenzen und gleichzeitig zur teilweisen Inwertsetzung derselben dient, wobei beide Entgelte mit der Absicht, die optimale Nutzung der Frequenzen zu fördern, begründet werden, und andererseits zu einer jährlichen Gebühr für die Verwaltung der Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, anfällt?

4.      Erlaubt Art. 14 Abs. 1 derselben Genehmigungsrichtlinie es einem Mitgliedstaat, als Bedingung für den Erhalt und die Verlängerung der Nutzungsrechte für die Frequenzen ein einmaliges Entgelt hinzuzufügen, das durch Versteigerung und ohne Obergrenze festgelegt wird und zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen, die vor allem zur Deckung der Kosten für die Bereitstellung der Frequenzen und gleichzeitig zur teilweisen Inwertsetzung derselben dient, wobei beide Entgelte mit der Absicht, die optimale Nutzung der Frequenzen zu fördern, begründet werden, und andererseits zu einer jährlichen Gebühr für die Verwaltung der Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, anfällt?

25.      Belgacom, Mobistar, KPN Group Belgium, die belgische, die zyprische, die niederländische und die litauische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der zyprischen, der niederländischen und der litauischen Regierung haben alle diese Verfahrensbeteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2012 teilgenommen.

IV – Würdigung

A –    Vorbemerkungen

1.      Überblick über die einschlägigen Rechtsgrundsätze

26.      Die Festsetzung der Gebühren im Telekommunikationssektor erfordert die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte, so dass von den nationalen Behörden dabei nicht die Einhaltung starrer Kriterien verlangt werden kann, solange sie die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Beschränkungen beachten(7). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht „den wirtschaftlichen Wert der fraglichen Lizenzen festzustellen, wobei es insbesondere den Umfang der verschiedenen zugeteilten Frequenzspektren, den Zeitpunkt des Markteintritts des jeweiligen Betreibers und die Bedeutung der Fähigkeit zu berücksichtigen hat, sämtliche Mobilfunksysteme anbieten zu können“(8). Die Beurteilung, inwieweit die Regelung für die Höhe des von den belgischen Behörden auferlegten Entgelts mit Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie vereinbar ist, obliegt also dem nationalen Gericht, das zu diesem Zweck Auslegungshinweise des Gerichtshofs erhält.

27.      Bei der Auslegung einer Unionsvorschrift sind nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört(9). Demzufolge sind die Art. 12, 13 und 14 der Genehmigungsrichtlinie im Licht der zusammengehörenden Unionsrechtsakte zur Liberalisierung des Telekommunikationssektors, insbesondere der Rahmenrichtlinie, auszulegen(10).

28.      Im Urteil Vodafone España u. a. heißt es, dass Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie unmittelbare Wirkung habe, so dass sich der Einzelne vor einem nationalen Gericht unmittelbar auf diese Bestimmung berufen könne(11). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran gehindert werden, die Abgabe für eine bestimmte Technologie je nach den technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Markt für Telekommunikationsdienste – sogar beträchtlich – heraufzusetzen und sie gleichzeitig für eine andere Technologie unverändert zu lassen, sofern die unterschiedliche Höhe den wirtschaftlichen Wert der jeweiligen Nutzung der betreffenden knappen Ressource widerspiegelt(12).

2.      Mit dem Vorabentscheidungsersuchen angesprochene Kernprobleme

29.      Zusammenfassend gesagt, wenden sich Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium gegen die Zahlung des von den belgischen Behörden gemäß dem Gesetz vom 15. März 2010 festgesetzten einmaligen Entgelts, soweit dies als Ergänzung zu der von ihnen beim Markteintritt gezahlten einmaligen Konzessionsabgabe und als Ergänzung zu den beiden Jahresentgelten zu entrichten ist, bei denen es sich zum einen um ein Jahresentgelt für die Frequenznutzung und zum anderen um ein Jahresentgelt für die Verwaltung der Genehmigungen handelt. Die genannten Verfahrensbeteiligten beanstanden auch die Höhe des von ihnen zu zahlenden Betrags, insbesondere weil dieser anhand der einmaligen Konzessionsabgabe errechnet werde, die sie beim Erhalt ihrer Genehmigung für den Markteintritt (entweder im Rahmen eines Auswahlwettbewerbs oder bei der Zuweisung von Frequenzen im Wege der Versteigerung) gezahlt hätten. Darüber hinaus bezweifeln sie, dass die Regelung für das einmalige Entgelt im Einklang mit dem in Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie festgelegten Verfahren steht.

30.      Meines Erachtens betreffen die Meinungsverschiedenheiten der Parteien folgende fünf Problemkreise:

i)      Befugnis der Mitgliedstaaten zur Auferlegung eines einmaligen Entgelts, das die Gewährleistung der optimalen Nutzung der Funkfrequenzen zum Ziel hat, soweit es zu zwei Jahresentgelten hinzutritt: zum einen als Ergänzung zu einer Jahresabgabe, die die Kosten der Verwaltung der Genehmigung deckt, und zum anderen als Ergänzung zu einem Entgelt, das die Kosten der Bereitstellung der Frequenzen deckt, wobei das letztgenannte Entgelt vom belgischen Staat bereits mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit, die optimale Nutzung der Funkfrequenzen sicherzustellen, gerechtfertigt wird. Es geht mit anderen Worten um die Frage, ob zur Erreichung des mit Art. 13 verfolgten Ziels mehr als ein Entgelt erhoben werden darf (erste und zweite Frage);

ii)      Rechtmäßigkeit der Einbeziehung von Abgaben in die von den Mitgliedstaaten auferlegten Entgelte, die vorderhand nicht den in der Genehmigungsrichtlinie vorgesehenen Regelungen entsprechen (Art. 12 und 13 der Genehmigungsrichtlinie überspannende Mischentgelte – erste und zweite Frage);

iii)      Umfang der gerichtlichen Überprüfung, die zur Kontrolle erforderlich ist, ob die von einem Mitgliedstaat vorgesehene Entgeltregelung unter Beachtung der in der Genehmigungsrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen auf die Telekommunikationsbetreiber angewandt wird (erste und zweite Frage);

iv)      Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Werts der Funkfrequenzen und bei der Berechnung der Höhe des zu entrichtenden einmaligen Entgelts (erste und zweite Frage);

v)      Verhältnis zwischen Einschränkung von Rechten und der Änderung bestehender Rechte, einschließlich einer gerügten rückwirkenden Umsetzung der Genehmigungsrichtlinie (dritte und vierte Frage).

B –    Beantwortung der ersten und der zweiten Frage

1.      Zulässigkeit der zweiten Frage und andere vorgelagerte Probleme

31.      Die zyprische Regierung macht geltend, dass die zweite Frage unzulässig sei, da ihre Beantwortung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits objektiv nicht erforderlich sei(13). Sie wendet ein, dass mit dieser Frage die Entgelte angesprochen würden, die bei der Erteilung neuer Genehmigungen anfielen, während es nach dem in der Vorlageentscheidung dargestellten Sachverhalt den Anschein habe, dass der Rechtsstreit die Verlängerung bestehender Berechtigungen der Betreiber betreffe, nicht jedoch die Gewährung neuer Rechte.

32.      Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, geht es im vorliegenden Fall um zweierlei. Erstens geht es um die Verlängerung der Genehmigungen, die Belgacom, Mobistar und KPN Group bereits für das 900-MHz- und das 1800-MHz-Band erteilt worden sind. Alle drei Betreiber bewerben sich jedoch auch um die Erteilung neuer Genehmigungen für die Bereitstellung von LTE-Diensten im 2,6-GHz-Band (2 600 Mhz). Dieser Punkt ist Gegenstand der zweiten Frage und ist weder hypothetisch noch für das Ausgangsverfahren unerheblich.

33.      Darüber hinaus betrifft der vorliegende Fall die gerichtliche Überprüfung der Gültigkeit nationaler Rechtsvorschriften. Bei Verfassungsrechtsstreitigkeiten dieser Art unterliegt der Bezug, der zwischen den Streitparteien und den von ihnen bei der Cour constitutionnelle angefochtenen Rechtsvorschriften verlangt wird, dem Recht des Mitgliedstaats. Was das Unionsrecht anbelangt, ist nur erforderlich, dass eine unionsrechtliche Bestimmung für die Rechtmäßigkeit der innerstaatlichen Bestimmungen relevant ist. Die Genehmigungsrichtlinie hat eindeutig diese Relevanz. Die zweite Frage ist daher zulässig und vom Gerichtshof zu beantworten.

34.      Allerdings zielen die von der belgischen Cour constitutionnelle vorgelegten Fragen ausschließlich auf Nutzungsrechte ab, die sich aus der Erteilung individueller Lizenzen im Gegensatz zu Allgemeingenehmigungen ergeben. Art. 3 der Genehmigungsrichtlinie gilt für Allgemeingenehmigungen. Folglich ist diese Bestimmung, obwohl sie in den Vorlagefragen angeführt wird, meines Erachtens bei der Entscheidung über das hier in Rede stehende Vorabentscheidungsersuchen nicht einschlägig.

35.      Des Weiteren ist festzuhalten, dass die belgische Regierung sich zur Verteidigung des einmaligen Entgelts auf die Art. 13 und 14 der Genehmigungsrichtlinie beruft. Die Betreiber, die sich gegen das einmalige Entgelt wenden, machen nicht geltend, dass die das einmalige Entgelt betreffende Regelung einen eigenständigen Verstoß gegen Art. 12 darstelle und die Grenzen verletze, die diese Bestimmung der Erhebung von Verwaltungsabgaben setze. Art. 12 ist daher nur insofern einschlägig, als er die auf Art. 13 gestützte Anfechtung in einen Zusammenhang stellt.

2.      Vorgehensweise

36.      Meiner Meinung nach sind die erste und die zweite Frage zusammen zu prüfen, da sie sich nur in zweifacher Hinsicht unterscheiden und im Übrigen gemeinsame Elemente aufweisen. Der erste Unterschied besteht darin, dass die erste Frage die Vereinbarkeit der Regelung für das einmalige Entgelt mit der Genehmigungsrichtlinie im Rahmen der Verlängerung bestehender Genehmigungen für die Nutzung von Frequenzen betrifft, während es bei der zweiten Frage um dieselbe Problematik im Rahmen der Erteilung neuer Genehmigungen geht.

37.      Der zweite Unterschied ergibt sich aus dem Umstand, dass mit der ersten Frage geklärt werden soll, ob es Art. 13 erlaubt, die Höhe des „einmaligen Entgelts“ anhand der ursprünglich in den 1990er-Jahren an den belgischen Staat gezahlten „einmaligen Konzessionsabgabe“ zu berechnen, während es bei der zweiten Frage um dieselbe Problematik unter dem Gesichtspunkt der Berechnung des Entgelts anhand der Beträge geht, die bei der Zuweisung von Frequenzen im Wege der Versteigerung ermittelt werden.

38.      Beide Fragen betreffen jedoch gleichermaßen die Erhebung von mehr als einem Entgelt nach Art. 13, die Erhebung von die Art. 12 und 13 der Genehmigungsrichtlinie überspannenden Mischentgelten, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung, die erforderlich ist, um die Beachtung der in der Genehmigungsrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen zu gewährleisten, sowie die Höhe des erhobenen Entgelts.

3.      Rechtslage hinsichtlich Verlängerungen

39.      Vorweg lässt sich jedenfalls sagen, dass die Genehmigungsrichtlinie nicht dahin ausgelegt werden kann, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt wäre, die in Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie bezeichneten Entgelte, die eine optimale Nutzung sicherstellen sollen, bei einer Verlängerung bestehender Genehmigungen zu erheben. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, ist dies zum Teil damit zu begründen, dass ein Entgelt lediglich für die Gültigkeitsdauer einer bestehenden Genehmigung erhoben werden kann, und zum Teil damit, dass die Mitgliedstaaten die Wertsteigerung der Frequenzen berücksichtigen dürfen, die gegebenenfalls im Verlängerungszeitraum eintritt.

40.      Wie die litauische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen hervorhebt, ist die Verlängerung einer Genehmigung ihrem Wesen nach als Zuteilung eines neuen Rechts für einen neuen Zeitraum anzusehen. Individuelle Nutzungsrechte werden von den Mitgliedstaaten für einen begrenzten Zeitraum gewährt. Nach Ablauf dieses Zeitraums müssen die nationalen Behörden erneut prüfen, ob diese knappen Ressourcen angemessen und effizient genutzt werden.

4.      Erhebung mehrerer Entgelte nach Art. 13

41.      Die Betreiber tragen vor, dass Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie den Mitgliedstaaten verwehre, mehr als ein Entgelt zur Sicherstellung der optimalen Nutzung knapper Ressourcen zu erheben. So hat z. B. KPN Group Belgium in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass die in den Art. 12 und 13 aufgezählten Entgelte, die die Mitgliedstaaten erheben dürften, auf zwei beschränkt seien, der belgische Staat hingegen drei Entgelte verlange. Dies stehe auch im Widerspruch zum Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Albacom und Infostrada(14), in dem der Gerichtshof ausgeführt habe, dass der Unionsgesetzgeber eine strikte Beschränkung der Art der zulässigen Entgelte bezweckt habe. Zudem weist Mobistar darauf hin, der Gerichtshof habe im Urteil Telefónica Móviles España(15) festgestellt, dass zwar eine beträchtliche Erhöhung von Nutzungsentgelten zulässig sei, dies aber stets im Einklang mit Art. 13 stehen müsse.

42.      Wie jedoch in den schriftlichen Erklärungen der niederländischen Regierung dargelegt worden ist, sind in den Art. 12 und 13 der Genehmigungsrichtlinie die Begriffe „Entgelte“ und „Abgaben“ in der englischen und in der niederländischen Sprachfassung – und, wie ich hinzufügen möchte, auch noch in mehreren anderen(16) – in den Plural gesetzt. Obwohl dieses auf den Wortlaut gestützte Argument für sich allein genommen nicht entscheidend ist, da die Formulierung durch einen bestimmten Gesetzgebungsstil bedingt sein kann, ist doch zu beachten, dass im 32. Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie ausdrücklich von Entgelten die Rede ist, die im Fall von Auswahl- bzw. Vergleichswettbewerben ausschließlich oder teilweise aus einem Pauschalbetrag bestehen.

43.      Mithin lässt die Genehmigungsrichtlinie zu, zur Erreichung des in Art. 13 genannten Ziels – nämlich Sicherstellung der optimalen Nutzung einer knappen Ressource – ein oder mehrere Entgelte zu erheben. Als einzige sonstige einschränkende Voraussetzung verlangt Art. 13, dass solche Entgelte objektiv gerechtfertigt, transparent, nicht diskriminierend und ihrem Zweck angemessen sind. Die legitimen Ziele, die mit der Genehmigungsrichtlinie verfolgt werden dürfen, sind in Art. 8 der Rahmenrichtlinie genannt und umfassen die Förderung des Wettbewerbs sowie die effiziente Nutzung der Funkfrequenzen(17).

44.      Zudem betrifft das Urteil Albacom und Infostrada – wie die belgische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt – nicht ein Entgelt, das zur Sicherstellung der optimalen Nutzung von Ressourcen erhoben wird, sondern das für die Mitgliedstaaten geltende Verbot, andere als nach der Richtlinie 97/13 zulässige finanzielle Belastungen aufzuerlegen(18). Das hier in Rede stehende einmalige Entgelt weist keinerlei Ähnlichkeit mit der in der Rechtssache Albacom und Infostrada streitigen Umsatzsteuerregelung auf, mit der ein Beitrag zu den vom italienischen Staat vorgenommenen Investitionen im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationssektors geleistet werden sollte und die der Gerichtshof nach der Richtlinie 97/13 für unzulässig erklärt hat.

45.      Was das Urteil Telefónica Móviles España angeht, so hat der Gerichtshof dort festgestellt, dass die Mitgliedstaaten Abgaben in „unterschiedlicher Höhe“ für unterschiedliche Technologien erheben dürften, sofern die unterschiedliche Höhe den wirtschaftlichen Wert der jeweiligen Nutzung der betreffenden knappen Ressource widerspiegele(19). Wollte man die Befugnis der Mitgliedstaaten auf die Erhebung nur eines einzigen Entgelts je Betreiber zur Verfolgung der in Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie genannten Ziele beschränken, stünde dies im Widerspruch zu eben dieser im Urteil Telefónica Móviles España getroffenen Feststellung.

5.      Mischentgelte und gerichtliche Überprüfung

46.      Entsprechend dem Hinweis der belgischen Regierung in der mündlichen Verhandlung ist zu beachten, dass im Ausgangsverfahren nicht gerügt wird, das seit Langem bei Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium erhobene Jahresentgelt für die Bereitstellung der Frequenzen stehe im Widerspruch zu Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie. Streitig ist vielmehr die Richtlinienkonformität der mit dem Gesetz vom 15. März 2010 eingeführten neuen Regelung für das einmalige Entgelt.

47.      Gleichwohl wird gerügt, dass die Auferlegung eines einmaligen Entgelts zur Sicherstellung der optimalen Ressourcennutzung nach Art. 13 in Verbindung mit einem Jahresentgelt, das sowohl der Erreichung dieses Ziels als auch der Deckung der Verwaltungskosten nach Art. 12 diene (was die belgische Regierung hinsichtlich des Jahresentgelts für die Bereitstellung der Frequenzen einräumt), die Beurteilung unmöglich mache, ob die erhobenen Beträge objektiv gerechtfertigt, verhältnismäßig und nicht diskriminierend seien.

48.      Der Gerichtshof hat im Urteil Telefónica Móviles España jedoch bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet seien, den Ertrag aus den nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 97/13 (und dementsprechend Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie) erhobenen Entgelten für einen besonderen Zweck zu verwenden. Die Mitgliedstaaten können „diesen Ertrag frei verwenden“(20). Dies gilt selbst im Fall einer damit einhergehenden beträchtlichen Erhöhung der Abgaben für eine bestimmte Technologie. Gemäß dem 32. Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie können Nutzungsentgelte beispielsweise zur Finanzierung derjenigen Tätigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden verwendet werden, die nicht über die Verwaltungsabgaben finanziert werden können. Die nach Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie erhobenen Entgelte können daher auch zur Deckung von Verwaltungskosten verwendet werden.

49.      Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen die nach Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie erhobenen Verwaltungsabgaben jedoch selbstverständlich bestimmbar und quantifizierbar sein, damit die in Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Genehmigungsrichtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

50.      Der Mitgliedstaat muss demnach jederzeit in der Lage sein, die von ihm als Verwaltungsabgaben einerseits und die als Entgelte für die Nutzung knapper Ressourcen andererseits erhobenen Beträge zu individualisieren, und die Telekommunikationsbetreiber müssen die Möglichkeit haben, die Rechtsgrundlage und die Höhe der Abgaben gerichtlich anzufechten. Die von den Mitgliedstaaten angewandten Verfahren für die Rechnungstellung fallen indessen nicht in den Bereich des Unionsrechts.

51.      Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob die Angaben des Mitgliedstaats über den Verwendungszweck der erhobenen Entgelte hinreichen, um eine angemessene gerichtliche Kontrolle der Einhaltung der in den Art. 12 und 13 normierten Voraussetzungen zu gewährleisten. Dieses Erfordernis ist von fundamentaler Bedeutung für den zur Rechtsordnung der Union gehörenden Grundsatz des wirksamen Rechtsschutzes und der gerichtlichen Nachprüfbarkeit(21).

6.      Höhe der auferlegten Beträge und Methoden zu ihrer Festsetzung

52.      Zu diesem Problemkreis finden sich ebenfalls wichtige Hinweise im Urteil Telefónica Móviles España. Dort hat der Gerichtshof festgestellt, dass „das Ziel, sicherzustellen, dass die Betreiber die ihnen zugänglichen knappen Ressourcen optimal nutzen, voraus[setzt], dass die betreffende Abgabe in angemessener Höhe festgesetzt wird, also u. a. den Wert der Nutzung dieser Ressourcen widerspiegelt, was eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technologischen Situation auf dem relevanten Markt erfordert“(22).

53.      Während die Höhe der in Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie genannten Verwaltungsabgaben rechtlich auf die Kosten des mit der Lizenzerteilung verbundenen Verwaltungsaufwands beschränkt ist, findet sich in Art. 13 der Richtlinie keine entsprechende Obergrenze. Wie Litauen in seinen schriftlichen Erklärungen ausführt, können im Rahmen von Art. 13 seinem Wortlaut nach nur diejenigen Faktoren berücksichtigt werden, die in dieser Vorschrift selbst genannt sind(23).

54.      Bezüglich der Berechnung der Verlängerungsentgelte anhand der ursprünglichen einmaligen Konzessionsabgabe macht die belgische Regierung geltend, dass Bemessungsgrundlage für diese Abgabe die Rentabilität der betreffenden Frequenzen unter gebotener Berücksichtigung der bei den einzelnen Frequenzen auftretenden Rentabilitätsschwankungen gewesen sei. Sollte das nationale Gericht diesem Vorbringen folgen, muss zwangsläufig ein Bezug zwischen den erhobenen Entgelten und dem Wert der Frequenzen bestehen(24).

55.      Dass es sich bei der ursprünglichen einmaligen Konzessionsabgabe um ein Markteintrittsentgelt handelte, das seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 97/13 in dieser Art unionsrechtlich verboten ist, ändert entgegen dem Vortrag der Betreiber nichts an diesem Ergebnis. Der Umstand, dass das Eintrittsentgelt nicht mehr zu den Entgelten gehört, die die Mitgliedstaaten erheben dürfen, steht der Heranziehung dieses Entgelts zur Feststellung des Werts der Ressource nicht entgegen.

56.      Was die Festsetzung der Entgelte nach Art. 13 im Fall von Neugenehmigungen anhand der bei einer Versteigerung ermittelten Beträge betrifft, so handelt es sich hierbei, wie die belgische und die niederländische Regierung argumentiert haben, um die klassische Methode zur Feststellung des Wertes der Frequenzen schlechthin, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil dabei der Marktwert der Frequenzen unmittelbar erkennbar wird.

57.      Das Merkmal, dass das einmalige Entgelt nicht erstattet wird, steht in einem logischen Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die optimale Nutzung der Ressourcen sicherzustellen. Wie die belgische und die niederländische Regierung sowie die Kommission hervorheben, hat nur ein begrenzter Kreis von Betreibern Zugang zu den Frequenzen für mobile Telekommunikationsdienste. Wenn für diese Betreiber kein Anreiz zur Nutzung der ihnen zugewiesenen Frequenzen besteht, entsteht die Gefahr einer Abschottung der Märkte, indem die Betreiber de facto den Eintritt von Wettbewerbern dadurch blockieren, dass sie die ihnen zugewiesenen Frequenzen nicht nutzen.

58.      Ich schlage daher vor, die erste und die zweite Frage in dem Sinne zu beantworten, dass die Art. 12 und 13 nicht der Erhebung eines einmaligen Entgelts entgegenstehen, das ein Mitgliedstaat sowohl bei der Erteilung als auch bei der Verlängerung von Genehmigungen für die Nutzung von Telekommunikationsfrequenzen verlangt, und zwar gleichviel, ob die Berechnung anhand der in einem Auswahlwettbewerb beim Markteintritt oder anhand der im Rahmen einer Versteigerung bei der Zuweisung der Frequenzen gezahlten Beträge erfolgt; dies gilt selbst dann, wenn ein Jahresentgelt zum Teil mit demselben Ziel wie das einmalige Entgelt erhoben wird.

C –    Beantwortung der dritten und der vierten Frage

59.      Ich werde diese Fragen ebenfalls zusammen beantworten, weil sie nämlich beide die sich aus Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie ergebenden Grenzen betreffen, die der Änderung bestehender Rechte gesetzt sind.

1.      Zeitlich anwendbare Fassung von Art. 14

60.      Mit der dritten und der vierten Frage soll geklärt werden, ob die Regelung für das einmalige Entgelt mit Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie vereinbar ist, da diese Vorschrift die Änderung, die Einschränkung und den Entzug der Rechte zur Nutzung von Funkfrequenzen nur in Grenzen zulässt. Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium bezweifeln die Vereinbarkeit der belgischen Rechtsvorschriften mit diesen Bestimmungen.

61.      Die Kommission betont, dass man sich vor Beantwortung dieser Frage bewusst machen müsse, in welcher Fassung Art. 14 zum Zeitpunkt des Entstehens des Rechtsstreits anwendbar gewesen sei und von den Beteiligten vor den nationalen Gerichten herangezogen werden könne. Ich würde diesen Zeitpunkt auf den 25. März 2010, den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes vom 15. März 2010, legen. Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie wurde durch eine auf den 25. November 2009 datierte Bestimmung geändert, die geänderte Fassung hat jedoch erst ab dem 26. Mai 2011 Anwendung gefunden(25).

62.      Zeitlich anwendbar war daher Art. 14 in der vor der Richtlinie 2009/140 geltenden Fassung, und in dieser Fassung ist weder im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 bezüglich der Gewährung von Rechten (vierte Frage) noch im Rahmen von Art. 14 Abs. 2 bezüglich der Verlängerung von Rechten (dritte Frage) von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen die Rede.

63.      Die Kommission hat zwar „theoretisch“ recht mit ihrem Hinweis zur zeitlich anwendbaren Fassung von Art. 14, jedoch ist daran zu erinnern, dass die in Rede stehende nationale Regelung die Erhebung von Entgelten nach dem 26. Mai 2011 vorsieht. Die Cour constitutionnelle wird ihr Urteil in Bezug auf einen Sachverhalt erlassen, auf den der neue Wortlaut von Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie in vollem Umfang anwendbar sein wird. Um sachdienliche Hinweise zur dritten und zur vierten Frage zu geben, sollte der Gerichtshof daher meines Erachtens auch den seit dem 26. Mai 2011 geltenden Wortlaut von Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie berücksichtigen.

2.      Rechtfertigung nach Art. 14 Abs. 1 und 2

64.      Auf jeden Fall lassen sich die dritte und die vierte Frage einfach beantworten. Zwischen der Kommission und der belgischen Regierung auf der einen Seite und Belgacom, Mobistar und KPN Group Belgium auf der anderen Seite ist streitig, ob das einmalige Entgelt auf eine Änderung, Einschränkung oder einen Entzug von Rechten im Sinne von Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie hinausläuft.

65.      Meines Erachtens ist diese Diskussion müßig. Erstens sind die Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie berechtigt, Nutzungsrechte in objektiv gerechtfertigten Fällen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu ändern, wobei sie gegebenenfalls die besonderen, für übertragbare Frequenznutzungsrechte geltenden Bedingungen berücksichtigen. Meiner Meinung nach sind diese Voraussetzungen erfüllt, sofern festgestellt wird, dass das einmalige Entgelt erhoben wird, um die optimale Nutzung knapper Ressourcen sicherzustellen.

66.      Ähnlich bestimmt Art. 14 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie, dass die Mitgliedstaaten Rechte nicht einschränken oder entziehen dürfen, außer in begründeten Fällen und gegebenenfalls im Einklang mit dem Anhang und einschlägigen nationalen Vorschriften über Entschädigungen für den Entzug von Rechten. Derselbe Rechtfertigungsgrund gilt, wenn die Erfordernisse des Art. 13 der Richtlinie erfüllt sind. Die Entscheidung der Frage, ob es einschlägige nationale Vorschriften über Entschädigungen für den Entzug von Rechten im Sinne von Art. 14 Abs. 2 gibt, ist offenkundig Sache des nationalen Gerichts.

3.      Grundrechtsfragen

67.      Alle Betreiber äußern Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Regelung für das einmalige Entgelt mit verschiedenen Grundrechten, die durch das Unionsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt sind. Angeführt wird das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen, der Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie der Schutz des Eigentumsrechts(26).

68.      Belgacom und Mobistar machen geltend, dass das Gesetz vom 15. März 2010 angesichts der Tatsache, dass die stillschweigende Verlängerung der Genehmigungen zur Nutzung der GSM-Frequenzen im Fall von Belgacom am 8. April 2008 für einen (am 8. April 2010 beginnenden) Zeitraum von fünf Jahren und im Fall von Mobistar am 27. November 2008 für einen (am 27. November 2010 beginnenden) Zeitraum von fünf Jahren erfolgt sei, Rückwirkung entfalte. Sie vertreten diese Auffassung, obwohl der eigentliche Verlängerungszeitraum im Fall von Belgacom am 8. April 2010 und im Fall von Mobistar am 27. November 2010 begann, d. h. jeweils zu einem Zeitpunkt, der nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. März 2010 liegt.

69.      Meines Erachtens kann das Gesetz vom 15. März 2010, das nach Ansicht der belgischen Regierung mit Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie im Einklang steht, nicht als rückwirkende Maßnahme angesehen werden, da es auf Rechte an Telekommunikationsfrequenzen Anwendung findet, die noch nicht entstanden sind, und eine Verzichtsmöglichkeit für diejenigen Betreiber vorsieht, deren Genehmigungen bereits stillschweigend verlängert wurden, die aber nicht zur Entrichtung des Entgelts bereit sind(27). Im Übrigen wurde, wie die belgische Regierung in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, mit allen drei Betreibern vertraglich vereinbart, dass Regelungen betreffend die Nutzungsrechte jederzeit geändert werden können. Meiner Meinung nach sind damit alle auf den Vertrauensschutz gestützten Argumente hinfällig(28).

70.      Was die Verletzung des Eigentumsrechts betrifft, die insbesondere Mobistar und Belgacom in ihren schriftlichen Erklärungen rügen, so kann die Erhebung neuer Abgaben bei der Verlängerung befristeter Nutzungsrechte für Funkfrequenzen keine Verletzung des Rechts auf Achtung des „Eigentums“ im Sinne von Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK oder auch im Sinne von Art. 17 der Unionscharta darstellen, insbesondere da die vertraglichen Vereinbarungen über solche Nutzungsrechte offenbar ausdrücklich die Möglichkeit des Entzugs dieser Rechte vorsehen(29). Dieses Vorbringen scheitert daher bereits an der ersten Hürde.

71.      Ich schlage daher vor, die dritte und die vierte Frage in dem Sinne zu beantworten, dass Art. 14 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie einem Mitgliedstaat gestattet, Mobiltelefoniebetreibern die Zahlung der in Rede stehenden Entgelte für den Erhalt und die Verlängerung individueller Nutzungsrechte für Mobiltelefoniefrequenzen aufzuerlegen.

V –    Ergebnis

72.      Aus den vorstehend dargelegten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Cour constitutionnelle vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 13 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste erlaubt es den Mitgliedstaaten, den Betreibern, die im Besitz individueller Rechte zur Nutzung von Mobilfunkfrequenzen für einen Zeitraum von 15 Jahren im Rahmen von Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes auf ihrem Gebiet sind, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, ein einmaliges Entgelt für die Verlängerung ihrer individuellen Rechte zur Nutzung der Frequenzen vorzuschreiben, dessen Höhe hinsichtlich der Anzahl der Frequenzen und der Monate, auf die sich die Nutzungsrechte beziehen, auf der Grundlage der früheren einmaligen Konzessionsabgabe berechnet wird, die mit der Erteilung der vorerwähnten Zulassungen verbunden war, wobei dieses einmalige Entgelt zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen und andererseits zu einem Entgelt zur Deckung der Verwaltungskosten der Zulassung anfällt.

2.      Art. 13 der Richtlinie 2002/20 erlaubt es den Mitgliedstaaten, den Betreibern, die sich um den Erhalt neuer Rechte zur Nutzung von Mobilfunkfrequenzen bewerben, die Zahlung eines einmaligen Entgelts aufzuerlegen, dessen Höhe durch Versteigerung bei der Zuteilung der Frequenzen bestimmt wird, damit diese in Wert gesetzt werden, wobei dieses einmalige Entgelt zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen und andererseits zu einer jährlichen Gebühr für die Verwaltung der Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, anfällt.

3.      Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2002/20 erlaubt es einem Mitgliedstaat, den Mobilfunkbetreibern für einen weiteren Zeitraum zur Verlängerung ihrer individuellen Rechte zur Nutzung von Mobilfunkfrequenzen, die für einige von ihnen bereits galt, jedoch vor dem Beginn dieses neuen Zeitraums, die Zahlung eines einmaligen Entgelts aufzuerlegen, das sich auf die Verlängerung der Nutzungsrechte für die Frequenzen, über die sie zum Beginn dieses neuen Zeitraums verfügten, bezieht und das mit der Absicht begründet wird, die optimale Nutzung der Frequenzen durch deren Inwertsetzung zu fördern, und das zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen und andererseits zu einer jährlichen Gebühr für die Verwaltung der Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, anfällt.

4.      Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2002/20 erlaubt es einem Mitgliedstaat, als Bedingung für den Erhalt und die Verlängerung der Nutzungsrechte für die Frequenzen ein einmaliges Entgelt hinzuzufügen, das durch Versteigerung und ohne Obergrenze festgelegt wird und zusätzlich einerseits zu einer jährlichen Gebühr für die Bereitstellung der Frequenzen, die vor allem zur Deckung der Kosten für die Bereitstellung der Frequenzen und gleichzeitig zur teilweisen Inwertsetzung derselben dient, wobei beide Entgelte mit der Absicht, die optimale Nutzung der Frequenzen zu fördern, begründet werden, und andererseits zu einer jährlichen Gebühr für die Verwaltung der Zulassungen zur Errichtung und zum Betrieb eines Mobilfunknetzes, die nach dem System des früheren Rechtsrahmens erteilt worden sind, anfällt.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – ABl. L 108, S. 21.


3 – Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. L 117, S. 15). Die Richtlinie 97/13 wurde durch Art. 26 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie) aufgehoben.


4 – Urteile vom 18. September 2003, Albacom und Infostrada (C‑292/01 und C‑293/01, Slg. 2003, I‑9449, Randnrn. 40 f.), vom 18. Juli 2006, Nuova società di telecomunicazioni (C‑339/04, Slg. 2006, I‑6917, Randnr. 35), vom 10. März 2011, Telefónica Móviles España (C‑85/10, Slg. 2011, I‑1575, Randnr. 21), und vom 21. Juli 2011, Telefónica de España (C‑284/10, Slg. 2011, I‑6991, Randnr. 19).


5 – Vom 12. Juli 2012 (C‑55/11, C‑57/11 und C‑58/11, Randnr. 28).


6 – Durch Art. 3 der Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. L 337, S. 37) wurde Art. 14 wie folgt geändert: „(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechte, Bedingungen und Verfahren im Zusammenhang mit Allgemeingenehmigungen und Nutzungsrechten oder Rechten zur Installation von Einrichtungen nur in objektiv gerechtfertigten Fällen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit geändert werden können, wobei sie gegebenenfalls die besonderen, für übertragbare Frequenznutzungsrechte geltenden Bedingungen berücksichtigen. Außer wenn die vorgeschlagenen Änderungen geringfügig sind und mit dem Inhaber der Rechte oder der Allgemeingenehmigung vereinbart wurden, wird eine solche Änderungsabsicht in geeigneter Weise angekündigt, und den interessierten Kreisen, einschließlich Nutzern und Verbrauchern, wird eine ausreichende Frist eingeräumt, um ihren Standpunkt zu den geplanten Änderungen darzulegen; diese Frist beträgt, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, mindestens vier Wochen. (2) Die Mitgliedstaaten dürfen Rechte zur Installation von Einrichtungen oder Rechte zur Nutzung von Funkfrequenzen nicht vor Ablauf des Zeitraums, für den sie gewährt wurden, einschränken oder entziehen, außer in begründeten Fällen und gegebenenfalls im Einklang mit dem Anhang und einschlägigen nationalen Vorschriften über Entschädigungen für den Entzug von Rechten.“


7 – Urteil vom 22. Mai 2003, Connect Austria (C‑462/99, Slg. 2003, I‑5197 Randnr. 92).


8 – Urteil Connect Austria, Randnr. 93.


9 – Urteil vom 8. September 2005, Mobistar und Belgacom Mobile (C‑544/03 und C‑545/03, Slg. 2005, I‑7723, Randnr. 39).


10 – Eine zusammenfassende Darstellung der historischen Entwicklung der Telekommunikationsliberalisierung in der Union bis zum 27. Oktober 2005 mit Angabe der wichtigsten legislativen Maßnahmen findet sich in den Schlussanträgen von Generalanwalt Ruiz‑Jarabo Colomer in der Rechtssache Nuova società di telecomunicazioni (C‑339/04, Urteil oben in Fn. 4 angeführt, Nrn. 3 bis 6).


11 – Oben in Fn. 5 angeführt, Randnr. 39.


12 – Urteil Telefónica Móviles España, Randnr. 35.


13 – Zur Begründung dieser These verweist sie auf die Urteile vom 16. Juli 1992, Dias (C‑343/90, Slg. 1992, I‑4673, Randnrn. 22 f.), vom 13. Dezember 1994, Grau‑Hupka (C‑297/93, Slg. 1994, I‑5535, Randnr. 18), vom 13. Juli 2000, Idéal tourisme (C‑36/99, Slg. 2000, I‑6049, Randnr. 20), und vom 21. Januar 2003, Bacardi‑Martini und Cellier des Dauphins (C‑318/00, Slg. 2003, I‑905, Randnr. 41).


14 – Oben in Fn. 4 angeführt.


15 – Oben in Fn. 4 angeführt.


16 – Dies gilt ebenso für die dänische, die finnische, die französische, die deutsche, die italienische, die polnische, die spanische und die schwedische Sprachfassung.


17 – Vgl. auch 32. Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie, in dem es heißt, dass „Entgelte [für Nutzungsrechte] … die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb auf dem Markt nicht erschweren [sollten]“. Die Bedeutung dieser Erwägung wird im Urteil Telefónica Móviles España, Randnrn. 30 f., erläutert.


18 – Urteil Albacom und Infostrada, Randnr. 42.


19 – Urteil Telefónica Móviles España, Randnr. 35.


20 – Urteil Telefónica Móviles España, Randnr. 32.


21 – Vgl. z. B. Urteil vom 21. Januar 1999, Upjohn (C‑120/97, Slg. 1999, I‑223, Randnr. 36), sowie Gutachten des Gerichtshofs vom 8. März 2011 (1/09, Slg. 2011, I‑1137, Randnr. 85).


22 – Randnr. 28.


23 – Hinzufügen ließen sich noch die Faktoren, die im 32. Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie – die Entgelte dürfen die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb auf dem Markt nicht erschweren – und in Art. 8 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie aufgeführt sind.


24 – Ich möchte darauf hinweisen, dass der Gerichtshof im vergangenen Jahr im oben angeführten Urteil Telefónica de España, Randnr. 32, entschieden hat, dass „die Richtlinie 97/13 dem nicht entgegen[steht], dass die Mitgliedstaaten den Betrag einer Gebühr nach Art. 6 dieser Richtlinie auf der Grundlage der betrieblichen Bruttoerträge der Gebührenpflichtigen festsetzen“.


25 – Vgl. Art. 5 der Richtlinie 2009/140.


26 – In ihren Erklärungen bezweifelt Belgacom die Vereinbarkeit der belgischen Regelung mit den Art. 6 EMRK und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung sowie der Aushebelung der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung.


27 – Mit anderen Worten: Art. 13 gilt unionsrechtlich einfach unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung einer alten (nationalen) Vorschrift entstanden ist. Vgl. z. B. Urteile vom 10. Juni 2010, Bruno u. a. (C‑395/08 und C‑396/08, Slg. 2010, I‑5119, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz‑Meyer (C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28 – Als Beispielsfall für das Fehlen von Tatsachenmaterial, das ein berechtigtes Vertrauen begründen könnte, im Kontext der unmittelbaren Anwendbarkeit einer neuen Unionsregelung vgl. Urteil vom 29. Januar 1998, Lopex Export (C‑315/96, Slg. 1998, I‑317, Randnrn. 28 f.).


29 – Mobistar beruft sich auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Juni 1986, Van Marlev/Niederlande, Series A Nr. 101, vom 20. November 1995, Pressos Compania Naviera u. a./Belgien, Series A Nr. 332, und vom 16. Juli 2002, Dangeville/Frankreich, ECHR 2002-III, jedoch wird in keinem dieser Urteile die entscheidende Frage behandelt, inwieweit Nutzungsrechte für Telekommunikationsfrequenzen „Eigentum“ darstellen.