Language of document : ECLI:EU:C:2013:34

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 24. Januar 2013(1)

Verbundene Rechtssachen C‑457/11, C‑458/11, C‑459/11 und C‑460/11

Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort)

gegen

KYOCERA Document Solutions Deutschland GmbH u. a.,

Canon Deutschland GmbH,

Fujitsu Technology Solutions GmbH


Hewlett-Packard GmbH

gegen

Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort)

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Zeitliche Wirkungen der Richtlinie 2001/29/EG – Vervielfältigungsrecht – Ausnahmen oder Beschränkungen – Gerechter Ausgleich – Begriff ‚Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung‘ – Vervielfältigungen mittels Druckern und PCs – Vervielfältigungen digitaler Quellen – Vervielfältigungen mittels Geräteketten – Folgen der Nichtanwendung verfügbarer technischer Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, nicht genehmigte Handlungen zu verhindern oder einzuschränken – Folgen einer konkludenten oder ausdrücklichen Zustimmung zur Vornahme von Vervielfältigungen“





1.        Gemäß der Richtlinie 2001/29(2) sehen die Mitgliedstaaten für Urheber das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung ihrer Werke auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Sie können jedoch in bestimmten Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf dieses Recht vorsehen, insbesondere in Bezug auf „Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ sowie „Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“, und zwar jeweils unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten.

2.        In Deutschland wird der gerechte Ausgleich durch einen Vergütungsanspruch gegen Hersteller, Importeure oder Händler von zur Vornahme von Vervielfältigungen geeigneten Geräten erreicht. In den Ausgangsverfahren hat der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob der Vergütungsanspruch im Fall von zur Vornahme von Vervielfältigungen geeigneten Druckern oder PCs nur dann besteht, wenn diese mit einem anderen Gerät oder mehreren anderen Geräten wie etwa Scannern verbunden sind, die selbst auch demselben Vergütungsanspruch unterliegen können. Zur Klärung dieser Problematik hat er daher zwei Fragen betreffend die Auslegung der Richtlinie vorgelegt. Darüber hinaus möchte der Bundesgerichtshof wissen, inwieweit sich die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen zur Verhinderung oder Einschränkung des Kopierens(3) sowie die ausdrückliche oder konkludente Zustimmung zur Vornahme von Vervielfältigungen auf den Anspruch auf gerechten Ausgleich auswirken. Im Übrigen stellt er eine Frage bezüglich der zeitlichen Anwendbarkeit der Richtlinie.

3.        Diese Fragen mögen zwar auf den ersten Blick verhältnismäßig unkompliziert erscheinen, tatsächlich sind damit jedoch komplexe Themenkreise bezüglich der Wechselbeziehung zwischen der Richtlinie und der deutschen Regelung sowie zwischen den verschiedenen Bestimmungen des jeweiligen Rechtsinstruments angesprochen.

 Unionsrecht

 Richtlinie

4.        Art. 2 („Vervielfältigungsrecht“) der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

a)      für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,

…“

5.        Art. 5 Abs. 2 sieht u. a. vor:

„Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:

a)      in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung, mit Ausnahme von Notenblättern und unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten; 

b)      in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;

c)      in Bezug auf bestimmte Vervielfältigungshandlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder von Archiven, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen;

…“

6.        In Art. 5 Abs. 3 heißt es u. a.:

„Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen:

a)      für die Nutzung ausschließlich zur Veranschaulichung im Unterricht oder für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung, sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, wann immer dies möglich ist, angegeben wird und soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist;

n)      für die Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen, für die keine Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten und die sich in den Sammlungen der Einrichtungen gemäß Absatz 2 Buchstabe c) befinden, durch ihre Wiedergabe oder Zugänglichmachung für einzelne Mitglieder der Öffentlichkeit zu Zwecken der Forschung und privater Studien auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen;

…“

7.        Alle übrigen in Art. 5 Abs. 2 und 3 genannten Fälle(4) beziehen sich auf Nutzungsformen, die keinem kommerziellen Zweck oder die dem Allgemeinwohl im weiteren Sinne dienen. Die Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten müssen, gilt nur für die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, b und e aufgeführten Sachverhalte(5), jedoch ergibt sich aus dem 36. Erwägungsgrund der Richtlinie eindeutig, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben sollen, bei einzelnen oder allen der übrigen fakultativen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht einen solchen Ausgleich vorzusehen(6).

8.        Art. 5 Abs. 5 lautet:

„Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“

9.        Zu beachten ist, dass die Regelung des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie, häufig als „Dreistufentest“ bezeichnet, sich nahezu wortgleich an Art. 9 § 2 der Berner Übereinkunft (revidierte Fassung von 1967)(7), Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens (1994)(8) und Art. 10 Abs. 2 des WIPO-Urheberrechtsvertrags (1996)(9) anlehnt. Im Rahmen des TRIPS-Übereinkommens hat sich ein WTO-Gremium zu diesen drei Stufen geäußert(10). Kurz gesagt ist das Gremium der Ansicht, dass die drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssten, dass die erste Voraussetzung (Vorliegen bestimmter Sonderfälle) verlange, dass eine Ausnahme oder Beschränkung klar definiert und in ihrem Anwendungsbereich und in ihrer Tragweite eng ausgestaltet sein müsse, dass die zweite Voraussetzung (keine Beeinträchtigung der normalen Verwertung) dahin zu verstehen sei, dass eine Ausnahme oder Beschränkung nicht zur Zulassung von Nutzungen führen dürfe, die in wirtschaftlichem Wettbewerb zu dem Vorgehen stehen, mit dem die Rechtsinhaber für gewöhnlich wirtschaftlichen Nutzen aus ihren Werken ziehen, und dass aufgrund der dritten Voraussetzung (keine ungebührliche Verletzung der berechtigten Interessen des Rechtsinhabers) Ausnahmen und Beschränkungen ausgeschlossen seien, die zu ungebührlichen Einnahmeneinbußen des Rechtsinhabers führen oder führen können.

10.      In Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie ist der Ausdruck „technische Maßnahmen“ definiert als „alle Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutzgegenstände betreffende Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheberrechte oder der dem Urheberrecht verwandten gesetzlich geschützten Schutzrechte … ist. Technische Maßnahmen sind als ‚wirksam‘ anzusehen, soweit die Nutzung eines geschützten Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstands von den Rechtsinhabern durch eine Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.“ Insgesamt verpflichtet Art. 6 die Mitgliedstaaten im Wesentlichen, den Rechtsinhabern einen angemessenen Rechtsschutz gegen jedes Mittel zu gewähren, das dazu bestimmt ist, die technischen Maßnahmen zu umgehen, die die Rechtsinhaber freiwillig anwenden oder die zur Umsetzung der von den Mitgliedstaaten selbst getroffenen Maßnahmen angewandt werden.

11.      Art. 10 („Zeitliche Anwendbarkeit“) der Richtlinie bestimmt in seinem Abs. 1, dass die Vorschriften der Richtlinie auf alle Werke Anwendung finden, die am 22. Dezember 2002 durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte geschützt sind. Art. 10 Abs. 2 lautet: „Die Richtlinie berührt Handlungen und Rechte nicht, die vor dem 22. Dezember 2002 abgeschlossen bzw. erworben wurden.“

12.      Nach Art. 13 Abs. 1 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie vor dem 22. Dezember 2002 nachzukommen. Gemäß Art. 14 trat die Richtlinie am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft, nämlich am 22. Juni 2001.

 Urteil Padawan

13.      Der Gerichtshof hat die Bestimmungen der Richtlinie in einer Reihe von Urteilen ausgelegt, von denen das für das vorliegende Verfahren bedeutsamste vielleicht das Urteil Padawan(11) ist, in dem es um Art. 5 Abs. 2 Buchst. b – häufig als „Privatkopieausnahme“ bezeichnet – geht.

14.      Der Fall betraf eine in Spanien erhobene Abgabe auf digitale Datenträger(12) im Kontext einer innerstaatlich vorgesehenen Privatkopieausnahme und damit von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie. Der Gerichtshof hat die Auffassung der Kommission verworfen, dass die Modalitäten der Finanzierung des gerechten Ausgleichs nicht durch die Richtlinie geregelt seien und deren Festlegung daher den Mitgliedstaaten (innerhalb der insbesondere durch die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze festgelegten Schranken) freistehe, den Mitgliedstaaten mit anderen Worten also eine Ergebnispflicht, nicht jedoch die Pflicht zur Erreichung des Ergebnisses mit bestimmten Mitteln auferlegt sei(13). Er hat ausgeführt, dass eine Person, die von der Privatkopieausnahme Gebrauch mache und dadurch dem Rechtsinhaber einen Schaden verursache, für den dieser gerechten Ausgleich verlangen könne, diesen Schaden wiedergutzumachen habe, indem sie den Ausgleich finanziere(14). Es bestehe also ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung und deren Verwendung zur Anfertigung von Privatkopien(15). Da jedoch die Anknüpfung der Abgabe an den tatsächlichen Gebrauch auf praktische Schwierigkeiten stoße, dürfe davon ausgegangen werden, dass natürliche Personen sämtliche Funktionen der Anlagen nutzten, die ihnen zum Privatgebrauch überlassen würden; mithin reiche allein die technische Fähigkeit dieser Geräte, Kopien anzufertigen, aus, um die Anwendung der Abgabe für Privatkopien zu rechtfertigen(16). Allerdings sei die unterschiedslose Anwendung einer solchen Abgabe auf Anlagen, Geräte und Medien, die nicht privaten Nutzern überlassen würden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten seien, nicht mit der Richtlinie vereinbar(17).

 Einschlägiges deutsches Recht

15.      In § 53 des Urheberrechtsgesetzes(18) sind bestimmte Fälle aufgeführt, in denen abweichend von der normalen Urheberrechtsregelung die Vervielfältigung geschützten Materials zulässig ist.

16.      In der Fassung, die ab dem 13. September 2003 galt, sind gemäß § 53 Abs. 1 UrhG einzelne Vervielfältigungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird – eine Ausnahme, die im Wesentlichen derjenigen in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entspricht; vor dem genannten Zeitpunkt war diese Ausnahme nicht auf natürliche Personen beschränkt. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht – eine Voraussetzung, die keine Grundlage in der Richtlinie findet – oder (dies galt ab dem 13. September 2003) es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt – eine an Art. 5 Abs. 2 Buchst. a angelehnte Voraussetzung.

17.      § 53 Abs. 2 ist komplizierter aufgebaut. Danach ist es Personen (nicht nur natürlichen Personen) erlaubt, einzelne Vervielfältigungsstücke herzustellen oder herstellen zu lassen 1. zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, soweit geboten, 2. zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, soweit geboten und sofern als Vorlage ein eigenes Werkstück benutzt wird, 3. zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt, 4. zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn es sich um erschienene Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel, Teile eines erschienenen Werks oder um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt. Diese Ausnahmen sind nicht deckungsgleich mit den in der Richtlinie vorgesehenen Tatbeständen: Soweit keine Beschränkung auf natürliche Personen erfolgt, gehen sie über Art. 5 Abs. 2 Buchst. b hinaus, soweit der Gebrauch zu eigenen Zwecken zur Bedingung gemacht wird, sind sie restriktiver als die Ausnahmen, die in den übrigen Buchstaben von Art. 5 Abs. 2 geregelt sind.

18.      Bis zur Änderung des UrhG im Jahr 2003 waren die in § 53 Abs. 2 normierten Ausnahmen an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. In der geänderten Fassung gilt die Ausnahme nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 nur, wenn zusätzlich mindestens eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt: Die Vervielfältigung muss auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen werden, es darf nur eine ausschließlich analoge Nutzung stattfinden(19), und/oder das Archiv muss im öffentlichen Interesse tätig werden und darf keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgen. Die Ausnahmen nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 gelten nur, wenn zusätzlich mindestens eine der ersten beiden Voraussetzungen vorliegt.

19.      § 53 Abs. 3 UrhG betrifft ebenfalls Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel, Teile eines Werks sowie Werke von geringem Umfang und erlaubt Vervielfältigungstücke zum eigenen Gebrauch (wiederum ohne Beschränkung auf natürliche Personen) im Schulunterricht oder für Prüfungen im Wesentlichen in Bildungseinrichtungen jeder Art. Inhaltlich entspricht die Vorschrift offenbar Teilen des Art. 5 Abs. 2 Buchst. c und Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie.

20.      Nach § 54a Abs. 1 UrhG hat der Urheber eines Werks, wenn nach der Art des Werks zu erwarten ist, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird – auch diese Voraussetzung ist an Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie angelehnt –, gegen den Hersteller, den Importeur oder den Händler von Geräten, „die zur Vornahme solcher Vervielfältigungen bestimmt sind“, Anspruch auf Zahlung einer „angemessenen Vergütung“(20). Nach § 54g Abs. 1 UrhG kann der Urheber von den zur Zahlung der Vergütung Verpflichteten Auskunft verlangen. Gemäß § 54h Abs. 1 UrhG können die betreffenden Vergütungs- bzw. Auskunftsansprüche nur von einer anerkannten Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.

21.      Gemäß § 54d und der Anlage Teil II des UrhG beläuft sich die Vergütung nach § 54a Abs. 1 für Geräte auf einen Betrag zwischen 38,35 Euro und 613,56 Euro, der sich nach der Anzahl der Ablichtungen, die je Minute hergestellt werden können, und nach der Möglichkeit zur Herstellung mehrfarbiger Ablichtungen bemisst; durch Vereinbarung können jedoch auch andere Vergütungsbeträge festgelegt werden.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

22.      Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) ist eine zugelassene Verwertungsgesellschaft. Sie besitzt die ausschließliche Zuständigkeit für die Vertretung der Urheber und Verleger literarischer Werke in Deutschland. Sie ist daher berechtigt, bei den Herstellern, Importeuren und Händlern von Geräten, die nach § 54a Abs. 1 UrhG zur Zahlung einer Vergütung an die Urheber verpflichtet sind, den Vergütungsanspruch geltend zu machen. Sie verlangt in eigenem Namen sowie im Auftrag einer weiteren Verwertungsgesellschaft, die Inhaber von Rechten an grafischen Werken aller Art vertritt, Vergütung von den anderen Parteien der Ausgangsverfahren (im Folgenden: Anbieter)(21) für PCs, Drucker und Plotter(22), die in der Zeit von Anfang 2001 bis Ende 2007 in Deutschland vertrieben worden waren. Die geltend gemachten Beträge bemessen sich nach den zwischen den beiden Verwertungsgesellschaften vereinbarten und im Bundesanzeiger veröffentlichten Tarifen.

23.      Die Anbieter tragen insbesondere vor, dass mit Druckern und Plottern allein keine Vervielfältigungen von Werken vorgenommen werden könnten. Dies sei erst dann möglich, wenn sie mit einem anderen Gerät verbunden seien, das mittels eines fotomechanischen Verfahrens oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung zur Erstellung einer Ablichtung des Werks geeignet sei. Daher bestehe lediglich für solche Geräte, nicht jedoch für Drucker oder Plotter eine Vergütungspflicht. Diese Auffassung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach in dem Fall, dass Geräte wie etwa ein Scanner, ein Computer und ein Drucker miteinander verbunden sind, um ein Dokument zu kopieren, nur dasjenige Gerät vergütungspflichtig ist, das am deutlichsten das fotomechanische Verfahren verkörpert, also der Scanner.

24.      Nach Auffassung des nationalen Gerichts stellen sich zwei weitere Fragen betreffend die Bemessung der fälligen Vergütung. Wird in Bezug auf die betreffenden Werke ein gerechter Ausgleich auch dann geschuldet, wenn zur Verhinderung des Kopierens bestimmte technische Maßnahmen zur Verfügung stehen, aber nicht angewandt werden, oder wenn das Kopieren auf irgendeine Weise genehmigt wurde? Außerdem sei nicht eindeutig erkennbar, ab welchem Zeitpunkt und im Hinblick auf welche Vorfälle das nationale Recht richtlinienkonform ausgelegt werden müsse.

25.      Der Bundesgerichtshof fragt daher Folgendes(23):

1.      Ist die Richtlinie bei der Auslegung des nationalen Rechts bereits für Vorfälle zu berücksichtigen, die sich nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie am 22. Juni 2001, aber vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit am 22. Dezember 2002 ereignet haben?

2.      Handelt es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern oder PCs um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie?

3.      Für den Fall, dass die zweite Frage bejaht wird: Können die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta auch dann erfüllt sein, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker oder PCs, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette Schuldner der angemessenen Vergütung(24) sind?

4.      Lässt bereits die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie die Bedingung eines gerechten Ausgleichs im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen?

5.      Entfallen die Bedingung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) und die Möglichkeit (vgl. 36. Erwägungsgrund der Richtlinie) eines gerechten Ausgleichs, soweit die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben?

26.      VG Wort, die Anbieter, Finnland, Deutschland, Irland Litauen, die Niederlande, Polen, Spanien, das Vereinigte Königreich und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 22. Oktober 2012 haben VG Wort, Fujitsu, Hewlett Packard, Kyocera, die Tschechische Republik, Deutschland, die Niederlande, Österreich, das Vereinigte Königreich und die Kommission mündlich verhandelt.

 Würdigung

27.      Dem Bundesgerichtshof geht es um die Auslegung bestimmter Vorschriften des UrhG im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie, soweit eine solche richtlinienkonforme Auslegung unionsrechtlich geboten ist. Er stellt daher eine die zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinie betreffende Frage sowie vier Fragen nach der Auslegung materieller Vorschriften. Da die Richtlinie unstreitig auf den Großteil des von den Ausgangsverfahren erfassten Streitzeitraums anwendbar ist, befasse ich mich zunächst mit den materiell-rechtlichen Fragen. Zuvor ist es jedoch zweckmäßig, einige allgemeine Aspekte der Richtlinie und ihres Verhältnisses zu der deutschen Regelung zu untersuchen.

 Vorbemerkungen

 Zum Verhältnis zwischen den Erwägungsgründen und dem verfügenden Teil der Richtlinie

28.      Eine Besonderheit der Richtlinie ist der Umfang ihrer äußerst detaillierten Erwägungsgründe, die ungefähr 40 % länger sind als der verfügende Teil. Im Rahmen der gegenüber dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen wurde ausgiebig auf einige Erwägungsgründe Bezug genommen, und auch der Gerichtshof hat sich in seinen Urteilen in wesentlichen Punkten auf diese Erwägungsgründe gestützt(25).

29.      Aus den Erwägungsgründen ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht nur bestrebt war, so weit wie möglich die für den Binnenmarkt notwendige Einheitlichkeit zu verwirklichen(26), sondern auch eine Anpassung an neue Formen der Verwertung und der Nutzung sowie an technische Entwicklungen ermöglichen wollte(27). Deshalb lässt sich für die Richtlinie durchaus ein progressiver, anpassungsorientierter und harmonisierender Auslegungsansatz rechtfertigen.

30.      Andererseits ist daran zu erinnern, dass den Mitgliedstaaten ein großer Ermessensspielraum verbleibt und viele Aspekte nicht harmonisiert worden sind. Fraglich ist z. B., wie hoch der Ausgleich sein muss, um als gerecht bezeichnet werden zu können, und wie er zu gewähren ist. Auch der bloße Umstand, dass 20 fakultative Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorgesehen sind, bei denen in 17 Fällen wiederum die Möglichkeit zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs besteht, scheint eigentlich auf eine Aufgabe der genannten Ziele hinauszulaufen. Soweit der Gesetzgeber daher den Mitgliedstaaten bewusst Wahlmöglichkeiten gelassen hat, scheint es unangebracht, dass der Gerichtshof diese im Namen stärkerer Harmonisierung beseitigt.

31.      Des Weiteren ist Rechtssicherheit eine Voraussetzung für jedwede angestrebte Harmonisierung im Binnenmarkt(28); ein progressiver, anpassungsorientierter Auslegungsansatz ist größtmöglicher Rechtssicherheit nicht förderlich. Wenn wechselseitig bedingte Entwicklungen in der Technik und in der Geschäftspraxis stattfinden, kann der Gerichtshof nur bis zu einem gewissen Grad sicherstellen, dass die Rechtsvorschriften so ausgelegt werden, dass diesen Entwicklungen Rechnung getragen wird. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem nur noch der Gesetzgeber die Befugnis besitzt, auf eine Evolution hinzuwirken.

32.      Abschließend möchte ich anraten, sich nicht übermäßig auf die Erwägungsgründe – im Unterschied zum verfügenden Teil – der Richtlinie zu stützen. Es ist zwar richtig, dass bei der Auslegung einer Maßnahme die Gründe zu berücksichtigen sind, die zu ihrem Erlass geführt haben(29). Es sei jedoch auf Nr. 10 der Interinstitutionellen Vereinbarung – Gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften(30) hingewiesen, wo es heißt: „Zweck der Erwägungsgründe ist es, die wichtigsten Bestimmungen des verfügenden Teils in knapper Form zu begründen, ohne deren Wortlaut wiederzugeben oder zu paraphrasieren. Sie dürfen keine Bestimmungen mit normativem Charakter und auch keine politischen Willensbekundungen enthalten.“ Auch wenn diese Leitlinien rechtlich nicht bindend sind, darf doch angenommen werden, dass sich die Organe, die sie einvernehmlich erarbeitet haben (das Parlament, der Rat und die Kommission), bei der Abfassung von Rechtsakten daran halten(31).

 Zum Verhältnis zwischen der Richtlinie und der deutschen Regelung

33.      Die Richtlinie schützt in erster Linie das elementare Recht des Urhebers, die Vervielfältigung seiner Werke zu erlauben oder zu verbieten. Sie betrifft zwar nicht Lizenzvereinbarungen, geht aber davon aus, dass die Urheber in der Lage sind, als Gegenleistung für eine Genehmigung zur Vervielfältigung ihrer Werke eine Vergütung auszuhandeln. Im zehnten Erwägungsgrund heißt es, dass sie für die Nutzung ihrer Werke eine „angemessene Vergütung“ erhalten müssen(32).

34.      Allerdings haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, in Bezug auf das Recht, Vervielfältigungen zu erlauben oder zu verbieten, einzelne oder alle der erschöpfend aufgezählten Ausnahmen oder Beschränkungen vorzusehen. In drei dieser Fälle müssen (und in den übrigen Fällen können) sie sicherstellen, dass die Urheber einen gerechten Ausgleich für den Eingriff in ihre Rechte erhalten(33). Von diesen drei Fällen betreffen die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen in erster Linie Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, der eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf Vervielfältigungen „auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ zulässt, sowie Art. 5 Abs. 2 Buchst. b, der Vervielfältigungen „auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“ betrifft. Die dritte Frage des Bundesgerichtshofs bezieht sich jedoch ausdrücklich auf alle Buchstaben von Art. 5 Abs. 2 und 3, in denen 20 sich häufig überschneidende Sachverhalte aufgeführt sind, bei deren Vorliegen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht zulässig sind(34), und die mit der fünften Frage angesprochene Grundproblematik (Genehmigung durch die Rechtsinhaber) könnte sogar bei allen diesen Sachverhalten zum Tragen kommen.

35.      Zu beachten ist, dass sämtliche Bestimmungen des Art. 5 Abs. 2 und 3 fakultativ ausgestaltet sind und dass die Möglichkeit, die sie eröffnen, in allen Fällen darin besteht, eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorzusehen. Dass die Ausnahmen und Beschränkungen fakultativ sind, gibt den Mitgliedstaaten einen gewissen Handlungsspielraum in diesem Bereich, was in den Erwägungsgründen der Richtlinie, insbesondere in den Erwägungsgründen 34, 36 bis 40, 51 und 52, zum Ausdruck kommt.

36.      Daraus ziehe ich bestimmte Rückschlüsse.

37.      Erstens sind Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht, die über das hinausgehen, was nach den einzelnen Bestimmungen des Art. 5 Abs. 2 und 3 zulässig ist, mit der Richtlinie unvereinbar. Angesichts der fakultativen Ausgestaltung der Bestimmungen und angesichts der Möglichkeit, eine Beschränkung anstatt einer Ausnahme einzuführen, ist eine hinter dem Zulässigen zurückbleibende Maßnahme hingegen richtlinienkonform. So kann ein Mitgliedstaat z. B. nicht gestützt auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. b eine Ausnahme in Bezug auf alle Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person ungeachtet des Verwendungszwecks vorsehen, denn dies würde den Geltungsbereich der Ausnahme über das nach dieser Vorschrift (und nach allen anderen Vorschriften) Zulässige hinaus ausdehnen. Umgekehrt darf er aber gestützt auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. b vorsehen, dass eine Ausnahme in Bezug auf Vervielfältigungen durch eine natürliche Person allein dann besteht, wenn sie auf Papier erfolgen und ausschließlich für private Studien bestimmt sind, da der Umfang dieser Ausnahme enger wäre als das Zulässige, gleichwohl aber vollständig in dessen Rahmen bliebe.

38.      Zweitens muss bei der Beurteilung, ob eine innerstaatliche Bestimmung oder ihre Auslegung nach nationalem Recht mit der Richtlinie vereinbar ist, berücksichtigt werden, dass sich die verschiedenen Sachverhalte überschneiden. Die Richtlinie verlangt nicht, nationale Ausnahmen oder Beschränkungen so zu formulieren, dass sie jeweils genau einem der in Art. 5 Abs. 2 und 3 aufgeführten 20 Sachverhalte entsprechen. Eine nationale Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht kann daher auch dann mit der Richtlinie vereinbar sein, wenn darin Tatbestandsmerkmale zweier oder mehrerer Bestimmungen des Art. 5 Abs. 2 oder 3 zusammengefasst sind. Da sie jedoch nicht über das nach diesen Bestimmungen Zulässige hinausgehen darf, ist darauf zu achten, dass bei solchen „Hybridregelungen“ Voraussetzungen nicht in einer Weise kombiniert werden, dass ein Ausnahmetatbestand entsteht, der durch die Richtlinie nicht mehr gedeckt ist.

39.      In diesem Zusammenhang fällt mir auf, dass die Tatbestände in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b, die auf recht unterschiedliche – ja sogar gegensätzliche – Kriterien abstellen, sich hinsichtlich der erfassten Vervielfältigungshandlungen tatsächlich weitgehend überschneiden. Während der Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a allein anhand der Merkmale der Vervielfältigungsverfahren und der verwendeten Träger beschrieben wird, knüpft Art. 5 Abs. 2 Buchst. b ausschließlich an die Person des Vervielfältigenden und den Verwendungszweck der Vervielfältigung an.

40.      Demnach fällt eine Ausnahme in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger durch eine natürliche Person mittels eines fotomechanischen Verfahrens oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke – die also die meisten Handlungen des privaten Fotokopierens urheberrechtlich geschützten Materials umfasst – entweder unter eine der beiden Bestimmungen oder unter beide. Dagegen fallen Vervielfältigungen, die von anderen als von natürlichen Personen und mittels anderer Verfahren vorgenommen werden, weder unter die eine noch unter die andere Bestimmung; wenn eine in Bezug auf solche Vervielfältigungen vorgesehene Ausnahme mit der Richtlinie vereinbar sein soll, muss diese Ausnahme durch einen der anderen Buchstaben des Art. 5 Abs. 2 oder 3 gedeckt sein.

41.      § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG, den der Bundesgerichtshof und die Parteien der Ausgangsverfahren als für die Entscheidung der betreffenden Rechtsstreitigkeiten maßgebend anführen, umfasst offenbar sowohl kongruente als auch nicht kongruente Bereiche von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie. Er deckt sich zumindest teilweise auch mit bestimmten anderen Ausnahmetatbeständen, z. B. denjenigen, die sich auf schulische oder wissenschaftliche Zwecke beziehen, bei denen die Gewährung eines gerechten Ausgleichs nicht obligatorisch, sondern fakultativ ist. §§ 54a Abs. 1 und 54d in Verbindung mit der Anlage Teil II legen einen einheitlichen Vergütungstarif für Geräte fest, die geeignet sind, in einem der in § 53 Abs. 1 bis 3 beschriebenen Fälle Ablichtungen und dergleichen von geschütztem Material anzufertigen(35). Der daraus folgende Mangel an Parallelität von Richtlinie und UrhG erleichtert nicht die Prüfung, ob eine Auslegung dieses Gesetzes richtlinienkonform ist. Wenn in einer nationalen Regelung verschiedene Ausnahmetatbestände miteinander vermengt werden, mag sich in bestimmten Fällen sogar die Frage ihrer Vereinbarkeit mit der Richtlinie stellen. (Ich möchte hinzufügen, dass durch die Formulierung „angemessene Vergütung“ in § 54a Abs. 1 UrhG, die zu einer Verwechslung mit anderen Begriffen als dem des „gerechten Ausgleichs“ im Sinne der Richtlinie führen könnte(36), die Dinge noch komplizierter werden.)

42.      Soweit die Abgabe jedoch nur für Geräte gilt, mit denen „Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ hergestellt werden können, fallen alle entsprechenden Vervielfältigungshandlungen unter Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, selbst wenn einige außerdem auch einen anderen Ausnahmetatbestand, etwa denjenigen für Privatkopien, erfüllen mögen. In allen Fällen besteht Richtlinienkonformität daher nur dann, wenn die Voraussetzungen für diese Abgabe mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. a vereinbar sind.

 Zum Verhältnis zwischen Abgabe und gerechtem Ausgleich

43.      In der vierten und der fünften Frage geht es im Wesentlichen darum, wie sich ein bestimmtes Verhalten des Rechtsinhabers – Nichtanwendung technischer Maßnahmen, die zur Verhinderung oder Einschränkung des Kopierens zur Verfügung stehen, und eine konkludente oder ausdrückliche Genehmigung des Kopierens – in einem Fall, in dem eine Ausnahme oder Beschränkung nach Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie erlassen worden ist, auf seinen Anspruch auf gerechten Ausgleich auswirkt. Diese Problematik stellt sich im Hinblick auf die Bemessung der Abgabe, die auf die Geräte erhoben wird, um den gerechten Ausgleich zu finanzieren, und nicht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten über den Anspruch des einzelnen Rechtsinhabers. Dennoch liegt diesen Fragen die Annahme zugrunde, dass die erhobenen Beträge als Zahlungen an die Rechtsinhaber dienen und sich dementsprechend nach der Höhe des insgesamt ausgezahlten gerechten Ausgleichs bemessen.

44.      Allerdings ist zu beachten, dass in mehreren Mitgliedstaaten (offenbar jedoch nicht in Deutschland) Abgaben auf Geräte und unbespielte Träger nicht nur zur Zahlung des gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber, sondern auch für kollektive oder kulturelle Zwecke wie die Förderung des literarischen, musikalischen oder audiovisuellen Schaffens verwendet werden(37).

45.      Die Frage des Verhältnisses zwischen Abgaben, gerechtem Ausgleich und solchen kollektiven oder kulturellen Zwecken stellt sich zwar nicht in den vorliegenden Fällen, ist dem Gerichtshof jedoch mit einem anderen derzeit anhängigen Vorabentscheidungsersuchen vom Obersten Gerichtshof (Österreich) vorgelegt worden(38). Der Beurteilung dieses Aspekts darf zwar an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden, es mag sich jedoch empfehlen, ihn im Rahmen der Prüfung der im vorliegenden Verfahren gestellten Fragen im Auge zu behalten. Soweit als Bemessungsgrundlage für die Abgaben der Betrag dient, der zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie an die Rechtsinhaber benötigt wird, ist von Bedeutung, welchen Beurteilungsspielraum die Mitgliedstaaten gegebenenfalls bei der Festlegung haben, was einen gerechten Ausgleich darstellt – und zwar gleichviel, ob sich der Ausgleich darauf beschränkt, den „Schaden“ wiedergutzumachen, auf den im 35. Erwägungsgrund der Richtlinie und in den Randnrn. 39 ff. des Urteils Padawan(39) verwiesen wird, oder ob er in Form eines eher allgemeinen Beitrags zum kollektiven Nutzen der Rechtsinhaber gewährt werden kann.

46.      Ich komme nunmehr zur Prüfung der vom Bundesgerichtshof vorgelegten Fragen und beginne mit den vier Fragen zum materiellen Recht.

 Zweite Frage: die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a aufgeführten Kriterien

47.      Gehören zu den „Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie auch Vervielfältigungen, die mittels Druckern oder PCs (im Wesentlichen mittels einer Kombination dieser Geräte) hergestellt werden?

48.      Bei dieser Frage geht es um die Unterscheidung zwischen Kopien einer Vorlage, die aus einem „analogen“ Dokument besteht (also im Wesentlichen ein Dokument, das selbst auf Papier oder einem ähnlichen Träger vorliegt und das im Wege eines „Analog zu analog“-Verfahrens, beispielsweise durch eine Ablichtung, kopiert wird), und Vervielfältigungen eines „digitalen“ Dokuments (ein Dokument, das in elektronischer Form existiert und im Wege eines „Digital zu analog“-Verfahrens ausgedruckt wird, z. B. der Ausdruck einer Webseite). Da die angesprochenen Vervielfältigungen nach technischen Kriterien definiert sind, erscheint es zweckmäßig, sich bei der Prüfung dieser Frage vor Augen zu führen, wie die hier in Rede stehenden Verfahren und Geräte funktionieren(40).

49.      Nach allgemeinem Verständnis ist Fotografie im Wesentlichen die mit optischen Mitteln erfolgende Erfassung einer bestimmten Ansicht (die sich durch das Objektiv des Fotoapparats in dem betreffenden Augenblick bietet) und die Speicherung des Ergebnisses in der Absicht, die Aufnahme zu einem späteren Zeitpunkt als Bild zu vervielfältigen. Als Bild aufgenommen werden kann auch ein Dokument, und ich verwende den Begriff „Bild“ zur Bezeichnung der Vervielfältigung eines Dokuments beliebiger Art, also unabhängig davon, ob es Wort- oder Grafikelemente enthält.

50.      Beim herkömmlichen fotografischen Verfahren wird lichtempfindlicher Negativfilm mit einer Ansicht belichtet und nach der Entwicklung als Filter verwendet, um das entsprechende Abbild auf lichtempfindliches Papier zu projizieren, auf das die Positive gedruckt werden. Das erfasste und vervielfältigte Bild ist eine analoge Darstellung der durch das Objektiv gesehenen Ansicht.

51.      Beim digitalen fotografischen Verfahren wird das Bild nicht in analoger Form aufgezeichnet, sondern als große Anzahl von Pixeln unterschiedlicher Farbe und Intensität. Die digitalen Daten lassen sich dann (durch eine Direktverbindung, einschließlich Drahtlosverbindung, oder durch eine tragbare Vorrichtung wie etwa eine Speicherkarte) auf andere Geräte übertragen, die ein Analogbild auf verschiedenartigen Trägern vervielfältigen können. Digitalkameras sind heutzutage auch in andere Geräte integriert, darunter in viele (vielleicht sogar die meisten) Mobiltelefone und Tablets.

52.      Bei xerografischen (d. h. den meisten modernen) Fotokopierern wird helles Licht auf ein Dokument geworfen und von dort auf einen elektrostatischen Zylinder gelenkt, der je nach der Intensität des auf die einzelnen Bereiche einfallenden Lichts Toner (Tintenpulver) anzieht oder abstößt, so dass ein Analogbild entsteht, das dann auf Papier übertragen wird. Zwischen allen Verfahrensbeteiligten, die Erklärungen abgeben haben, ist unstreitig – und es lässt sich wohl auch nicht bezweifeln –, dass ein solcher Vorgang ein „fotomechanisches Verfahren“ oder ein „Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie darstellt.

53.      Ein Scanner erfasst das Abbild eines Dokuments (ebenfalls aufgrund Lichteinstrahlung) in Form digitaler Daten, die an andere Geräte übertragen werden können, die in der Lage sind, diese Daten zu speichern und/oder auf verschiedenartigen Trägern ein analoges Bild zu vervielfältigen.

54.      Ein Drucker erstellt Bilder aus digitalen Daten, die er von anderen Quellen, etwa einem Computer, einer Digitalkamera oder einer tragbaren Speichervorrichtung (z. B. Speicherkarte, USB-Stick oder CD-ROM), erhält. Verschiedene Druckertypen verwenden unterschiedliche Verfahren: Laserdrucker erstellen – ähnlich wie xerografische Fotokopierer – auf einem Zylinder ein aus einer digitalen Quelle stammendes Analogbild, das dann auf Papier übertragen wird, während Tintenstrahldrucker das Bild aus den digitalen Daten unmittelbar auf Papier bringen. Die meisten Drucker können Bilder auf verschiedenen Papiersorten erstellen; bei anderen ist der Druck auf anderen Trägern wie z. B. Stoff oder transparenter Folie möglich. Bei Plottern handelt es sich im Wesentlichen um Spezialdrucker, die für bestimmte grafische Anwendungen ausgelegt sind; ursprünglich erstellten sie Bilder durch die Führung einer Nadel über Papier, während sie heutzutage Verfahren einsetzen können, die eher denen anderer Drucker gleichen.

55.      Ein Scanner und ein Drucker funktionieren zusammen wie ein Fotokopierer. In einigen Fällen müssen zu diesem Zweck beide Geräte an einen Computer angeschlossen sein, in anderen Fällen reicht es, wenn sie direkt miteinander verbunden sind, oder die Daten können von dem einem auf das andere Gerät mit Hilfe einer tragbaren Speichervorrichtung transportiert werden. Multifunktionsdrucker oder sogenannte All-in-one-Geräte kombinieren die Funktionen (u. a.) eines Scanners, eines Druckers und eines Fotokopierers. Sie verfügen über begrenzte und spezialisierte Speicher- und Prozessorkapazitäten, während die entsprechenden Kapazitäten eines Computers wesentlich größer und weniger spezialisiert sind.

56.      Digitale Bilddaten können (entweder direkt z. B. von einer Digitalkamera oder einem Scanner oder indirekt über eine tragbare Speichervorrichtung oder das Internet) in einen Computer eingespeist, dort abgespeichert, möglicherweise bearbeitet und an ein Peripheriegerät (etwa einen Monitor oder Drucker) zur Vervielfältigung eines analogen Bildes übermittelt werden. Ein eingescanntes Bild wird in der Regel in der Weise gespeichert, dass die Vervielfältigung eine visuelle Darstellung der Vorlage ist; allerdings ist es mittels einer Software für optische Zeichenerkennung möglich, gedruckten Text in neutrale Digitaldaten umzuwandeln und dann in einer Form wiederzugeben, die sich visuell von der Vorlage unterscheidet. Digitaldaten, die ein Textdokument oder eine Grafik darstellen, lassen sich am Computer auch ohne Originalbild mit Hilfe von Tastatur oder Maus und einer geeigneten Software erstellen. Ohne periphere Eingabe- und Ausgabegeräte kann der Computer selbst ein Bild jedoch weder erfassen noch vervielfältigen.

57.      Der Weg zur Vervielfältigung eines Bildes mittels eines oder mehrerer der vorstehend genannten Geräte führt daher schematisch gesehen von einer Eingabe- über eine Zwischen- zu einer Ausgabephase. Die Eingabephase kann in der optischen Eingabe einer analogen Vorlage oder in der nichtoptischen Erstellung eines digitalen Originals bestehen. Die Zwischenphase kann einen oder mehrere Speicher-, Übertragungs- oder Bearbeitungsvorgänge in analoger oder digitaler Form umfassen. In der Ausgabephase erfolgt die Erstellung eines Bildes in sichtbarer analoger Form(41).

58.      Wie also ist unter Berücksichtigung dieser Ausführungen die Wendung „Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ im Kontext von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie auszulegen? Der Bundesgerichtshof fragt, ob unter solchen Vervielfältigungen (es sei daran erinnert, dass sich diese nicht auf Privatkopien beschränken) auch Vervielfältigungen mittels Druckern (einschließlich Plottern) oder Computern zu verstehen sind. Dem liegt die Frage zugrunde, ob sie auch Kopien, die aus digitalen Quellen erstellt werden, oder nur Kopien einer analogen Vorlage umfassen.

59.      VG Wort, Österreich, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich sind der Meinung, dass auch aus digitalen Quellen erstellte Kopien einbezogen seien. Deutschland ist auf diese Frage nicht eingegangen. Die übrigen Mitgliedstaaten, die Kommission und die Anbieter vertreten ausnahmslos die entgegengesetzte Ansicht (der auch das vorlegende Gericht zuzuneigen scheint).

60.      In gewisser Hinsicht erscheint die Antwort verhältnismäßig einfach.

61.      Bei Betrachtung des Tatbestandsmerkmals als Ganzes habe ich den Eindruck, dass im Kern Kopien gemeint sind, die von einer analogen Vorlage auf einem analogen Träger mittels eines Fotokopierers angefertigt werden – im Wege der „Reprografie“, um den im 37. Erwägungsgrund der Richtlinie verwendeten Begriff aufzugreifen(42). Es besteht jedoch kein wesentlicher Unterschied zwischen solchen Kopien und Kopien mittels z. B. Scannern oder Digitalkameras, die (über einen Computer oder in sonstiger Weise) mit einem Drucker oder einem Multifunktionsgerät verbunden sind. Selbst wenn das Bild in einer Zwischenphase digital codiert und gespeichert wird, erfolgen die Eingabe und die Ausgabe – wie bei einem Fotokopierer – dennoch analog. Der Vorgang unterscheidet sich vom xerografischen Fotokopieren ebenso wenig, wie sich die digitale Fotografie von der herkömmlichen Fotografie unterscheidet. Es lässt sich nicht behaupten, dass die Wirkungen nicht „ähnlich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a seien.

62.      Demnach können Computer und Drucker zur Vornahme von Vervielfältigungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie verwendet werden. Die Frage, die beantwortet werden muss, um die Rechtsstreitigkeiten in den Ausgangsverfahren entscheiden zu können, geht jedoch über diese Feststellung hinaus. Wenn die digitalen Daten, anhand deren der Drucker das Dokument ausdruckt, nicht von einem angeschlossenen Scanner stammen, sondern nur von einem Computer, der die Daten aus einer entfernten Quelle bezogen haben mag (z. B. als Download von einer Website oder als E-Mail-Anhang), ist zu klären, ob dieser Sachverhalt ebenfalls von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a erfasst wird. Dieser Problemkreis hängt mit der dritten Frage zusammen, die nämlich darauf abzielt, ob die Annahme richtig ist, dass in einer aus einem Scanner, Computer und Drucker bestehenden Gerätekette der Scanner dasjenige Gerät ist, das am deutlichsten das fotomechanische Verfahren oder das Verfahren mit ähnlicher Wirkung verkörpert und an das daher eine Vergütung, die zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs für die Urheber dient, allein anknüpfen sollte.

63.      Zunächst ist meines Erachtens das Vorbringen von VG Wort zurückzuweisen, wonach eine Kopie, die auf einem digitalen Aufzeichnungsträger erstellt werde, als Vervielfältigung „auf Papier oder einem ähnlichen Träger“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie anzusehen sei, da die Kopie als Vorstufe oder als funktionaler Ersatz für eine solche Vervielfältigung dienen könne. Eine solche Auslegung lässt schlichtweg die Bedeutung der Begriffe „Papier“ und „ähnlich“ außer Acht und impliziert, dass jeder beliebige Aufzeichnungsträger in Frage käme. Meiner Meinung nach liegt auf der Hand, dass ein Träger nur dann Ähnlichkeit mit Papier als Vervielfältigungsmedium aufweist, wenn er eine gegenständliche Darstellung zu zeigen vermag und tatsächlich zeigt, die der Wahrnehmung und Interpretation durch menschliche Sinne zugänglich ist.

64.      Zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie reicht es jedoch nicht, wenn die Vervielfältigung einer urheberrechtlich geschützten Vorlage auf „Papier oder einem ähnlichen Träger“ erfolgt, sondern sie muss auch „mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ vorgenommen werden. Ein Scanner erfasst Bilder mittels eines fotomechanischen Verfahrens, kann sie aber allein nicht vervielfältigen, ein einfacher Drucker kann sie vervielfältigen, aber nicht erfassen, und ein Computer allein kann sie weder erfassen noch vervielfältigen, wohl aber eine vermittelnde Funktion zwischen den beiden anderen Geräten übernehmen.

65.      Wenn eine Gerätekette, die etwa aus einem über einen Computer mit einem Drucker verbundenen Scanner besteht, grundsätzlich als zur Herstellung von unter Art. 5 Abs. 2 Buchst. a fallenden Vervielfältigungen geeignet anzusehen ist, stellt sich die Frage, ob Gleiches gilt, wenn die digitalen Daten, die das Original des urheberrechtlich geschützten Materials darstellen, aus einer anderen Quelle (z. B. im Wege eines Downloads aus dem Internet oder als Anhang einer E-Mail) in den Computer gelangen oder wenn sie (etwa mit Hilfe einer Software für optische Zeichenerkennung) so verarbeitet werden, dass es sich bei dem ausgedruckten Ergebnis nicht um ein Faksimile des Originals handelt.

66.      Hierzu möchte ich erstens anmerken, dass solche Sachverhalte nicht ohne Weiteres von der Bestimmung nach deren gewöhnlichem Wortsinn erfasst werden. Auch die Entstehungsgeschichte bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass jemals eine Ausdehnung über den Bereich der Reprografie – wie dieser Begriff normalerweise zu verstehen ist – hinaus oder auch nur (im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. b, der auf die Anwendung technischer Maßnahmen verweist) eine Berücksichtigung zukünftiger technischer Entwicklungen in der Reprografie in Aussicht genommen wurde.

67.      Zweitens ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie als Ausnahme von der allgemeinen Regel, nach der Urhebern das ausschließliche Vervielfältigungsrecht gemäß Art. 2 zusteht, grundsätzlich eng auszulegen.

68.      Drittens schreibt Art. 5 Abs. 5 ausdrücklich eine enge und keine weite Auslegung vor(43). Dieses Gebot ist hier umso bedeutsamer, als von allen nach Art. 5 Abs. 2 und 3 zulässigen Ausnahmen und Beschränkungen nur diejenigen gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a auch für Vervielfältigungen gelten können, die kommerziellen Zwecken dienen. Speziell unter dem Gesichtspunkt des in Art. 5 Abs. 5 vorgesehenen Dreistufentests dürfte eine Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, der zufolge keinerlei Anforderungen an die Art des Quelldokuments zu stellen sind, wohl nicht dem Kriterium der ersten Stufe – „bestimmte Sonderfälle“ – entsprechen: De facto würde jedwede Vervielfältigung (mit Ausnahme von Notenblättern), die auf Papier oder einem ähnlichen Träger vorgenommen werden kann, unter den Ausnahmetatbestand fallen. Da solche Vervielfältigungen dann weder nach ihrer Zahl noch nach ihrem Zweck beschränkt sind, bestünde zudem eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die normale Verwertung des Werks beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Urhebers verletzt werden, d. h., dass die Voraussetzungen auf der zweiten und der dritten Stufe nicht erfüllt werden.

69.      Ich vermag mich daher ohne Weiteres der Auffassung anzuschließen, die mehrheitlich in den gegenüber dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen zu dieser Frage vertreten wird, nämlich dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie lediglich für die Vervielfältigung einer analogen Vorlage auf einem analogen Träger gilt. Der Begriff „fotomechanisch“ setzt zwangsläufig die optische Eingabe einer analogen Vorlage voraus, und das Erfordernis, dass die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Ausgabemedium erfolgen muss, bedeutet, dass auch das Ausgabeergebnis analog zu sein hat. Wenn die Wendung „mit ähnlicher Wirkung“ lediglich im Sinne von „dessen Ergebnis ähnlich demjenigen ist, das mittels eines fotomechanischen Verfahrens hätte erzielt werden können“ zu verstehen wäre, verlöre der Begriff „fotomechanisch“ schlichtweg alle Bedeutung, denn jedwede Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger lässt sich als Vervielfältigung bezeichnen, die einer mittels eines fotomechanischen Verfahrens erstellten Vervielfältigung „ähnlich“ ist. Meines Erachtens ist eine Wirkung nur dann als derjenigen eines fotomechanischen Verfahrens ähnlich anzusehen, wenn sie der Gesamtwirkung dieses Verfahrens ähnlich ist; es muss eine wahrnehmbare Vervielfältigung eines Gegenstands vorliegen, der in der körperlichen Welt wahrgenommen werden kann. Dass die Vervielfältigung einer analogen Vorlage auf einem analogen Träger gemeint ist, ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift selbst, sondern auch aus der Verwendung des Wortes „Reprografie“ im 37. Erwägungsgrund und in den Materialien(44) und wird durch den Umstand bestätigt, dass die Bezugnahmen auf digitale Vervielfältigungen auf den Bereich der Privatkopien (im 38. Erwägungsgrund und über den Verweis auf „technische Maßnahmen“ in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b) beschränkt sind.

70.      VG Wort befürchtet offenbar, dass ein massenhaftes Vervielfältigen urheberrechtlich geschützten digitalen Materials ohne eine Vergütung bleiben könnte, die zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs für die Urheber bestimmt ist, wenn Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin ausgelegt würde, dass nur das Kopieren analoger Vorlagen auf analogen Trägern erfasst wird. Es ist richtig, dass nach der von mir befürworteten Auslegung das Vervielfältigen einer digitalen Vorlage auf einem analogen Träger eine Verpflichtung zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs nur dann begründet, wenn es durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und nicht für kommerzielle Zwecke im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b erfolgt. Der Grund hierfür liegt darin, dass solche Vervielfältigungen unter keine der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen fallen. In solchen Fällen muss daher entweder eine Vergütung vereinbart oder Klage auf Entschädigung wegen Verletzung des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts erhoben werden, das nach der Richtlinie die Regel ist. Diese Lösung erscheint gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass der Geltungsbereich von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, soweit er sich nicht mit dem Geltungsbereich anderer zulässiger Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht überschneidet, im Wesentlichen auf Vervielfältigungen beschränkt ist, die zu anderen als zu privaten oder dem Gemeinwohl dienenden Zwecken bestimmt sind – kurz gesagt, der spezifische Geltungsbereich der Vorschrift dürfte sich auf Vervielfältigungen zu direkt oder indirekt kommerziellen Zwecken beschränken. Hingegen erscheint es im Rahmen einer notwendigerweise strikten und sogar restriktiven Auslegung nicht gerechtfertigt, die Urheber in Bezug auf eine große Zahl von zu solchen Zwecken erfolgten Vervielfältigungen ihres ausschließlichen Vervielfältigungsrechts zu berauben.

71.      Ich bin bisher zu dem Ergebnis gelangt, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift auf das Vervielfältigen analoger Vorlagen auf analogen Trägern beschränkt ist und das Vervielfältigen digitaler Vorlagen auf analogen Trägern nicht erfasst. Ich meine allerdings auch, dass das Konzept des Vervielfältigens analoger Vorlagen auf analogen Trägern nicht so eng verstanden werden darf, dass Verfahren ausgeschlossen werden, die eine digitale Zwischenphase – z. B. wenn ein eingescanntes Dokument in einem Computer gespeichert oder ein digital fotografiertes Dokument mittels einer Speicherkarte zu einem Computer transportiert wird, bevor ein Ausdruck mit Hilfe eines angeschlossenen Druckers erfolgt –, mit anderen Worten, eine Vervielfältigung in den Schritten analog-digital-analog umfassen.

72.      Angesichts dessen muss der letztgenannte Fall (der meines Erachtens vom Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a erfasst wird) von dem (meines Erachtens nicht erfassten) Fall des einfachen Vervielfältigens eines digitalen Werkstücks auf einem analogen Träger abgegrenzt werden. Wenn digitale Dokumente, die von einer analogen Vorlage stammen, in einem Computer gespeichert und später ausgedruckt werden, kann dies in Konstellationen erfolgen, die weit entfernt vom Verfahren der Reprografie im üblichen Sinne sind – wenn z. B. eine eingescannte Vorlage von einer Person auf eine Website hochgeladen und anschließend auf den Computer einer anderen Person heruntergeladen wird. Solche Konstellationen fallen meiner Meinung nach nicht unter den Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, selbst wenn der Vorgang insgesamt als analog-digital-analoge Vervielfältigung anzusehen sein mag. Andernfalls bestünde auch in diesen Fällen die Gefahr, dass die erste Voraussetzung des Dreistufentests nach Art. 5 Abs. 5 nicht erfüllt ist, denn der Tatbestand würde dann zu weit werden, um als auf „bestimmte Sonderfälle“ beschränkt angesehen zu werden.

73.      Bei der notwendigen Abgrenzung ist es nicht angebracht, auf das in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie genannte Kriterium der flüchtigen oder begleitenden Vervielfältigungshandlungen abzustellen, denn es liegt auf der Hand, dass das Speichern eines digitalen Bildes auf einer Festplatte oder sonstigen Speichervorrichtung – auch wenn es sich nur um eine Zwischenphase zwischen Eingabe (Scannen oder Fotografieren) und Ausgabe (Drucken) handeln mag – nicht als „flüchtig“ bezeichnet werden kann(45).

74.      Dementsprechend bin ich der Auffassung, dass der Geltungsbereich der nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie zulässigen Ausnahme oder Beschränkung zwar Sachverhalte umfasst, bei denen die Vervielfältigung einer analogen Vorlage auf einem analogen Träger eine zwischengeschaltete digitale Phase durchläuft, jedoch dahin auszulegen ist, dass Sachverhalte ausgeschlossen sind, in denen das Verfahren als Ganzes weder von ein und derselben Person noch als ein einheitlicher Vorgang durchgeführt wird.

 Dritte Frage: Vervielfältigungen mittels Geräteketten

75.      Wenn (wie ich meine) zu den erfassten Vervielfältigungen auch solche gehören, die mittels Druckern oder Computern vorgenommen werden, stellt sich die Frage, ob es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zulässig ist, die Verpflichtung zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs nicht den Herstellern, Importeuren und Händlern der Drucker oder Computer, sondern den Herstellern, Importeuren und Händlern eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette aufzuerlegen.

76.      Die dritte Frage des nationalen Gerichts ist vorderhand so formuliert, dass sie nur für den Fall der Bejahung der zweiten – lediglich Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie betreffenden – Frage gestellt wird. Gleichwohl bezieht sie sich auf alle Fälle, in denen ein Mitgliedstaat nach Art. 5 Abs. 2 oder 3 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht unter der Bedingung eines gerechten Ausgleichs für die Rechtsinhaber vorzusehen. Wie jedoch bereits ausgeführt(46), gilt die einschlägige im nationalen Recht festgelegte Abgabenpflicht allein in den durch Art. 5 Abs. 2 Buchst. a gezogenen Grenzen und geht möglicherweise über das hinaus, was nach den anderen Buchstaben zulässig ist. Um also eine in sich stimmige und richtlinienkonforme Anwendung zu gewährleisten, ist für die Antwort vor allem Art. 5 Abs. 2 Buchst. a maßgebend.

77.      Das nationale Gericht hat sich offenbar mit der grundlegenden Frage auseinanderzusetzen, ob – wie die Anbieter geltend machen – die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei Vervielfältigungen analoger Vorlagen auf analogen Trägern mittels einer Gerätekette (z. B. Scanner, Computer und Drucker) nur das zur Schaffung eines Abbilds der Vorlage fähige Gerät (in dem genannten Beispiel der Scanner) mit der Abgabe belastet werden darf, richtlinienkonform ist oder ob – wie VG Wort geltend macht – die Abgabe auf alle Geräte in der Kette entsprechend dem Umfang ihrer Nutzung verteilt werden sollte. Der Bundesgerichtshof gibt zu bedenken, dass eine Abgabe auf alle Geräte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen könnte, insbesondere da schwer zu ermitteln sei, in welchem Umfang PCs und Drucker für die analoge Vervielfältigung eingesetzt würden. Dem hält VW Wort entgegen, dass diese Ermittlung nicht schwierig sei und dass bei einer Erhebung der Abgabe ausschließlich auf Scanner, also nicht auf Computer und Drucker, Scanner unerschwinglich teuer würden, gleichzeitig jedoch Vervielfältigungen digitaler Quellen ohne irgendeinen Beitrag zu einem gerechten Ausgleich für Urheber zugelassen würden.

78.      Im Urteil Padawan(47) hat der Gerichtshof im Kontext von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgestellt, dass den Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über die Ausgestaltung des gerechten Ausgleichs ein weites Ermessen zustehe, dass der Ausgleich grundsätzlich den Urhebern zustehe, denen aufgrund der Einführung der Privatkopieausnahme ein Schaden entstehe, den ihnen Personen zufügten, die im Rahmen dieser Ausnahme Kopien herstellten, dass es jedoch zulässig sei, zu diesem Zweck eine Abgabe von denjenigen Personen zu erheben, die Kopien für andere anfertigten oder anderen Anlagen, Geräte oder Medien zu Verfügung stellten, um Kopien anfertigen zu können, und dass dies deshalb zulässig sei, weil die Abgabe über den Preis abgewälzt werden könne. Wenn diese Grundsätze im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b gelten, müssen sie meines Erachtens auch im Fall von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a angewandt werden.

79.      Der Gerichtshof hat jedoch weiter ausgeführt, dass eine unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien, insbesondere auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen würden und die eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten seien, mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b unvereinbar sei, dass es hingegen in Fällen, in denen die fraglichen Anlagen natürlichen Personen zu privaten Zwecken überlassen worden seien, nicht erforderlich sei, nachzuweisen, dass diese mit Hilfe dieser Geräte tatsächlich Privatkopien angefertigt und somit dem Urheber des geschützten Werks tatsächlich einen Nachteil zugefügt hätten(48). Somit ist die Anwendung einer Abgabe auf Anlagen, Geräte oder Medien zulässig, wenn sie nicht an die tatsächliche Nutzung für die Vervielfältigung geschützten Materials, sondern an die Möglichkeit der Nutzung zu diesem Zweck anknüpft, und sie ist unzulässig, wenn eine solche Nutzung ausgeschlossen ist. Auch hier muss wohl das Gleiche gelten, wenn es um analoge Vervielfältigungen im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a geht.

80.      Demnach dürfte es angesichts der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die zweite Frage grundsätzlich zulässig sein, dass nicht nur eine Abgabe auf Herstellung, Import oder Vertrieb von Geräten wie Fotokopierern oder Multifunktionsgeräten erhoben wird, die für sich allein zur Vornahme von Vervielfältigungen analoger Vorlagen auf analogen Trägern geeignet sind, sondern auch auf Herstellung, Import oder Vertrieb von Geräten, die solche Kopien nur dann, wenn sie in einer Kette miteinander verbunden sind, nicht jedoch als Einzelgeräte erstellen können.

81.      Da eine solche Abgabe nach Maßgabe der Richtlinie und somit in Umsetzung des Unionsrechts erhoben wird, müssen die Mitgliedstaaten beim Gebrauch der ihnen eingeräumten Möglichkeiten die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts beachten(49).

82.      Wird die Abgabe für eine Gerätekette erhoben, dürfte es weder mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – noch übrigens mit dem Konzept des gerechten Ausgleichs oder des angemessenen Ausgleichs zwischen Rechtsinhabern und Nutzern(50) – vereinbar sein, wenn jedes Einzelteil dieser Kette in derselben Höhe belastet wird wie ein eigenständiges Gerät, etwa ein Fotokopiergerät. Eine solche Lösung könnte nämlich dazu führen, dass ein Nutzer je nach der Wahl der Geräte höchst unterschiedliche Beiträge zum gerechten Ausgleich zu leisten hätte, was wohl keineswegs „gerecht“ wäre, sondern vielmehr geeignet erscheint, den Wettbewerb zwischen Anbietern verschiedener Geräte zu verfälschen.

83.      Der von VG Wort befürwortete Ansatz, die Abgabe auf die Geräte zu verteilen, scheint auf den ersten Blick nicht gegen die Richtlinie zu verstoßen. Auf den ersten Blick scheint es allerdings auch nicht gegen die Richtlinie zu verstoßen, wenn die Abgabe nur für ein Gerät in der Kette erhoben wird. Die Dinge sind jedoch komplizierter, insbesondere wenn man den vom Bundesgerichtshof angeführten Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigt.

84.      Erstens ist es sicherlich möglich, statistische Daten darüber zu gewinnen, in welchem durchschnittlichen Umfang Fotokopierer oder Multifunktionsgeräte für die Vervielfältigung geschützten Materials verwendet werden, und nur gestützt auf solche Daten lässt sich für solche Geräte eine Abgabe (oder zumindest eine Abgabe der Art, um die es in der Rechtssache Padawan ging) bemessen, die zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs für Urheber bestimmt ist. Allerdings ist fraglich, ob sich solche Daten auf eine Gerätekette extrapolieren lassen, die etwa aus einem Scanner, einem Computer und einem Drucker besteht. Es ist wohl unwahrscheinlich, dass eine solche Kette in erster Linie zur Herstellung von Vervielfältigungen analoger Vorlagen auf analogen Trägern bestimmt ist, für die Fotokopierer oder Multifunktionsgeräte wesentlich besser geeignet sind. Sofern eine solche Kette überhaupt zu diesem Zweck verwendet wird, wird sich diese Nutzung wahrscheinlich eher auf den spezifischen Fall des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie beschränken und wohl kaum unter Art. 5 Abs. 2 Buchst. a fallen, da sich andere als natürliche Personen oder Personen, die Vervielfältigungen nicht zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken erstellen, vermutlich für ein weniger umständliches Verfahren des Kopierens analoger Vorlagen auf analogen Trägern entscheiden werden – mit anderen Worten für das Verfahren der Fotokopie oder möglicherweise sogar für eine Variante des Offsetdrucks. Unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen (verstanden als statistischer Durchschnitt) Häufigkeit eines solchen Kopiervorgangs erscheint es daher schwierig, eine Kette aus drei Geräten, die jeweils einen Teil des Vorgangs übernehmen, mit einem einzigen Gerät gleichzusetzen, das den gesamten Vorgang ausführt.

85.      Wenn zweitens ein Scanner, ein PC und ein Drucker im Zusammenwirken dazu verwendet werden können, eine analoge Vorlage auf einen analogen Träger zu vervielfältigen, ist damit nicht gesagt, dass nur der Scanner als Eingabegerät dienen kann. Auch Digitalkameras, einschließlich von in anderen Geräten eingebauten Kameras, lassen sich zu diesem Zweck nutzen. Falls eine Abgabe auf Scanner (entsprechend ihrem Funktionsanteil innerhalb der Kette oder nach einem anderen Kriterium) erhoben wird, stellt sich die Frage, ob eine solche Abgabepflicht nicht auch für gleichartige Eingabegeräte bestehen sollte.

86.      Drittens kann die aus drei Geräten bestehende Kette, auf die der Bundesgerichtshof abstellt, auch als zwei Gerätepaare gesehen (und möglicherweise auch eher so genutzt) werden, nämlich als eine Scanner-Computer-Kombination und als eine Computer-Drucker-Kombination, die beide Vervielfältigungen außerhalb des „Analog-zu-analog“-Verfahrens erstellen und die daher entsprechend der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die zweite Frage nicht unter Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie fallen. Soweit eine solche Verwendung von einem anderen Ausnahmetatbestand nach Art. 5 Abs. 2 oder 3 erfasst wird, liegt auf der Hand, dass eine Abgabe zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs gerechtfertigt sein kann, jedoch unterscheidet sich dieser Fall von einer Abgabe zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs für die Zulassung von Vervielfältigungen analoger Vorlagen auf analogen Trägern (nach der Formulierung des UrhG Vervielfältigung durch Ablichtung oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung).

87.      Was viertens die konkrete Anwendung der Abgabe gemäß der Anlage Teil II des UrhG betrifft, ist kaum ersichtlich, wie die Kriterien „Anzahl der Ablichtungen je Minute“ und „Möglichkeit der Erstellung mehrfarbiger Ablichtungen“ ohne Weiteres auf Geräteketten angewandt werden können, und zwar unabhängig davon, ob die Abgabe auf alle Geräte in der Kette verteilt wird oder nur für ein einziges Gerät gilt, es sei denn, bei Letzterem handelt es sich um den Drucker.

88.      Hinsichtlich der in den Ausgangsverfahren zu entscheidenden Fragen ergibt sich eine Reihe von Schwierigkeiten. Dies ist größtenteils darauf zurückzuführen, dass sich die Ausnahmetatbestände in Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie überschneiden und dass sich die in Rede stehende deutsche Vergütungsregelung unglücklich über mehrere dieser Ausnahmetatbestände erstreckt. An den Schwierigkeiten zeigt sich allerdings auch, dass der vom Gerichtshof im Urteil Padawan gewählte Ansatz eine gewisse innere Spannung aufweist, die im Rahmen jener Rechtssache nicht unmittelbar erkennbar gewesen sein mag.

89.      In dem genannten Urteil gelangt der Gerichtshof im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass i) ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Vervielfältigungshandlung und der Pflicht zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Urheber bestehe, ii) die Vermutung gelte, dass Geräte, die zur Vornahme von Vervielfältigungen geeignet seien, auch zu diesem Zweck genutzt würden, und iii) es verboten sei, eine Abgabe auf Geräte anzuwenden, deren Verwendungszweck eindeutig außerhalb des Geltungsbereichs der nach der Richtlinie zulässigen konkreten Ausnahme liege(51).

90.      Dieser Standpunkt ließ sich meines Erachtens in der Rechtssache Padawan einfacher einnehmen und begründen als im vorliegenden Verfahren. Insbesondere ging es in jener Rechtssache allein um die Privatkopieausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie und ausschließlich um in erster Linie zur Vervielfältigung bestimmte Vorlagen, die unter diesen Ausnahmetatbestand fallen können. Dem Rechtsstreit jenes Ausgangsverfahrens und der Gedankenführung des Gerichtshofs bei der Beantwortung der vorgelegten Fragen lag die (unter den gegebenen Umständen zweifellos gerechtfertigte) Annahme einer deutlichen Unterscheidung zwischen von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b erfassten Vervielfältigungen durch Privatpersonen und von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b nicht erfassten Vervielfältigungen durch Freiberufler zugrunde. Die vorliegenden Fälle betreffen hingegen eine Abgabe zur Finanzierung eines gerechten Ausgleichs in verschiedenen sich leicht überschneidenden Ausnahmefällen, von denen viele den Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b nicht erfüllen mögen, aber alle den Tatbestand von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a erfüllen müssen. Außerdem lautet das Klagebegehren, die Abgabe auf Geräte anzuwenden, deren bestimmungsgemäße und tatsächliche Verwendung für gewöhnlich über den mit der betreffenden Ausnahme geregelten Bereich hinausgeht und die häufig in unterschiedlichen Konfigurationen eingesetzt werden, die ausnahmslos außerhalb des Überschneidungsbereichs liegen, ohne dass die Möglichkeit besteht, beim Kauf eines Geräts zu erkennen, in welcher Weise es genutzt werden wird.

91.      Wenn die im Urteil Padawan entwickelte Lösung komplett übernommen werden soll, muss man sie meines Erachtens auf innerstaatliche Ausnahmen, die ausschließlich unter den Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie fallen, und auf Abgaben für Geräte oder Träger beschränken, die nach ihrer Nutzung entweder für private oder für nicht private Vervielfältigungen unterschieden werden können. Bezüglich der hier in Rede stehenden Abgabe bin ich der Meinung, dass ein nuancierterer Ansatz wünschenswert ist, der den Mitgliedstaaten vielleicht einen größeren Spielraum lässt.

92.      Tendenziell stimme ich der Kommission und Kyocera darin zu, dass der gerechte Ausgleich im Sinne der Richtlinie zwar zweifellos als eine Gegenleistung für den Schaden anzusehen ist, der durch Vervielfältigungen entsteht, die aufgrund einer Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht der Kontrolle der Rechtsinhaber entzogen sind, dass sich in der Richtlinie jedoch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass dieser Ausgleich zwingend von denjenigen finanziert werden muss, die die betreffenden Vervielfältigungen vornehmen. Selbstverständlich ist eine solche Finanzierung auch nicht ausgeschlossen, aber ob sie auch die geeignetste Methode ist, kann von den Umständen der einzelnen Ausnahme oder Beschränkung abhängen. Und ob im Fall ihrer Eignung eine Abgabe auf Kopiergeräte oder ‑medien das geeignetste Mittel zur Erreichung des Ziels ist, kann ebenfalls von den Umständen abhängen. So mag z. B. eine Abgabe auf unbespielte DVDs geeignet sein, um einen gerechten Ausgleich für Privatkopien von Filmen bereitzustellen, während im Rahmen einer Fotokopierausnahme eine Abgabe auf Blankopapier weniger geeignet sein mag als eine Abgabe auf Fotokopiergeräte. Bei anderen Ausnahmen – z. B. für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen oder zur Verwendung zum Zweck der Karikatur, Parodie oder Persiflage – kann es durchaus sein, dass kein sinnvoller Anknüpfungspunkt für eine Abgabe vorhanden ist.

93.      Angesichts der Art der vorstehend skizzierten Schwierigkeiten meine ich, dass die Untersuchung der durch das UrhG geschaffenen Abgabenregelung Sache des nationalen Gerichts ist, dem insoweit eine detailliertere Prüfung möglich ist als dem Gerichtshof. Es sollte sich mit der Methode für die Bemessung der Abgabe für Fotokopiergeräte befassen und prüfen, inwieweit diese Bemessungsmethode auf Geräteketten übertragen werden kann, die als Funktionseinheit zur Vornahme vergleichbarer Vervielfältigungen geeignet sind, deren einzelne Geräte jeweils allein hierzu jedoch nicht in der Lage sind und für gewöhnlich zu anderen Zwecken genutzt werden. Es hat zu prüfen, ob die Anwendung der Abgabe auf eine solche Gerätekette oder auf einzelne Geräte in der Kette einen gerechten Rechts- und Interessenausgleich zwischen den Rechtsinhabern und den Nutzern schafft. In Bezug auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, um den es dem Bundesgerichtshof vor allem geht, hat das nationale Gericht meines Erachtens insbesondere dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Gerätekäufern (einschließlich der Käufer von Geräten mit vergleichbaren Funktionen) und nicht bloß von Importeuren oder Händlern nachzugehen, da es die Käufer sind, die letztlich mit der Abgabe belastet werden.

 Vierte Frage: technische Maßnahmen zur Bekämpfung nicht genehmigter Vervielfältigungshandlungen

94.      In Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch schreibt Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vor, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen auf das geschützte Material angewendet wurden(52). Technische Maßnahmen in diesem Sinne sind Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht vom Rechtsinhaber genehmigt worden sind; sie sind als wirksam anzusehen, soweit die Nutzung des Materials durch eine Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus (wie Verschlüsselung oder Verzerrung) oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung unter Kontrolle gehalten wird. Lässt bereits die Möglichkeit einer Anwendung solcher Maßnahmen – im Unterschied zu ihrer tatsächlichen Anwendung – die Bedingung eines gerechten Ausgleichs im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen?

95.      Im Kontext der in den Ausgangsverfahren einschlägigen nationalen Bestimmungen ist diese Frage von Bedeutung für die Bemessung der Abgabe (bezogen auf diejenigen Personen, die Anspruch auf einen gerechten Ausgleich haben)(53).

96.      Ich möchte aber an dieser Stelle erneut hervorheben, dass sich die genannten Bestimmungen auf eine Abgabe für Vervielfältigungshandlungen beziehen, die innerhalb wie außerhalb des Geltungsbereichs der Privatkopieausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie – der einzigen Vorschrift, die die Berücksichtigung einer Anwendung technischer Maßnahmen gebietet – liegen können. Zudem beschränken sich diese Handlungen – wenn die von mir vorgeschlagene Antwort auf die zweite Frage richtig ist – auf Vervielfältigungen analoger Vorlagen auf analogen Trägern. Zwar gibt es bestimmte Maßnahmen, die die Vornahme solcher Vervielfältigungen erschweren können(54), jedoch dienen sie größtenteils der Unterbindung von Fälschungen amtlicher Urkunden oder der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, nicht aber dem Schutz urheberrechtlich geschützten Materials. Bei den in der Richtlinie angesprochenen technischen Maßnahmen handelt es sich insbesondere um Maßnahmen zur Verhinderung oder Einschränkung der Vervielfältigung digitaler Quellen. So kann z. B. ein Dokument zur Betrachtung auf einem Computer in der Weise zur Verfügung gestellt werden, dass ein Abspeichern oder Ausdrucken ohne Passwort nicht möglich ist; den Nutzern wird das Passwort erst nach der Registrierung beim Rechtsinhaber, der Vereinbarung bestimmter Geschäftsbedingungen und der Entrichtung eines Entgelts mitgeteilt.

97.      Deshalb bezweifle ich, dass eine Beantwortung der vierten Frage für die in den Ausgangsverfahren streitige Abgabe relevant ist. (Allerdings vermag ich nicht der Auffassung von Fujitsu zu folgen, dass die Antwort irrelevant sei, weil sich Art. 5 Abs. 2 Buchst. b nicht auf Vervielfältigungen „auf beliebigen Trägern“ erstrecke, sondern lediglich „auf analoge/digitale Ton-, Bild- oder audiovisuelle Träger“, wie die Formulierung im Vorschlag der Kommission ursprünglich gelautet habe, die vom Rat nur geändert worden sei, „um den Text zu vereinfachen“(55). Die Richtlinie verwendet den Ausdruck „beliebige Träger“ und kann nicht entgegen seinem eindeutigen Sinn ausgelegt werden. Im Übrigen handelt es sich bei Papier tatsächlich um einen „analogen Bildträger“, selbst wenn es selten so umschrieben werden dürfte.) Trotz meiner Zweifel werde ich auf die Frage in der gestellten Form eingehen.

98.      Mit Ausnahme des Vorbringens von Fujitsu zur Irrelevanz der Frage lassen sich die vorgeschlagenen Antworten in drei Hauptgruppen einteilen. Hewlett Packard, Kyocera, Litauen, die Niederlande und das Vereinigte Königreich vertreten die Auffassung, dass die bloße Möglichkeit, zum Schutz eines Werks auf „technische Maßnahmen“ zurückzugreifen, ausreiche, um jede Verpflichtung zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs für Vervielfältigungen des Werks auszuschließen; Irland ist im Wesentlichen der gleichen Ansicht, befürwortet jedoch einen einzelfallbezogenen Ansatz. Demgegenüber meinen VG Wort, Deutschland, Polen und die Kommission, dass die genannte Rechtsfolge nur bei einem tatsächlichen Einsatz solcher Maßnahmen eintrete. Spanien und Finnland wiederum tragen vor, dass sich der Richtlinie keine hinreichend explizite Antwort entnehmen lasse und die Entscheidung den Mitgliedstaaten überlassen sei. (Alle Verfahrensbeteiligten scheinen sich jedoch darin einig zu sein, dass ein Anspruch auf gerechten Ausgleich nicht besteht, wenn wirksame technische Maßnahmen tatsächlich angewendet werden.)

99.      Die Erklärungen, in denen die erstgenannte Auffassung befürwortet wird, stützen sich im Wesentlichen auf die Erwägungsgründe 35 und 39 der Richtlinie, in denen von der Notwendigkeit die Rede ist, den „Grad des Einsatzes technischer Schutzmaßnahmen“ bzw. technologische Entwicklungen, „wenn wirksame technische Schutzmaßnahmen verfügbar sind“, zu berücksichtigen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsinhaber, wenn sie einen Ausgleich verlangen könnten, nur weil sie keine solchen Maßnahmen getroffen hätten, nicht zum Schutz oder zur anderweitigen Wahrnehmung ihrer Rechte des geistigen Eigentums entsprechend der Hauptzielsetzung der Richtlinie motiviert würden, sondern sich einfach einer allgemeinen Abgabe bedienen könnten, um einen Ausgleich zu erlangen, der möglicherweise in keinem Zusammenhang mit der tatsächlichen Nachfrage nach ihren Werken stehe. Mehrere Verfahrensbeteiligte verweisen auf den Entwurf einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen(56), der diese Argumentation zu stützen scheint. Diese Verfahrensbeteiligten berufen sich auch auf die Feststellung des Gerichtshofs im Urteil Padawan(57), dass der gerechte Ausgleich als eine Gegenleistung für den dem Urheber entstandenen Schaden zu sehen und auf dieser Grundlage zu berechnen sei; stelle ein Rechtsinhaber ein digitales Werkstück zur Verfügung und bemühe sich nicht, das Werk durch technische Mittel gegen Vervielfältigung zu schützen, so lasse sich im Fall der Vornahme einer Vervielfältigung nicht behaupten, dass ihm ein Schaden entstanden sei.

100. Die Vertreter der entgegengesetzten Auffassung verweisen insbesondere auf die eindeutige Formulierung „application or non-application“ der englischen Sprachfassung(58) in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie und auf den Begriff „wirksame“ technische Maßnahmen in Art. 6 Abs. 3 – beides scheint die Berücksichtigung der bloßen Möglichkeit einer Anwendung technischer Maßnahmen auszuschließen.

101. Mir leuchtet die Attraktivität eines politischen Grundsatzes ein, dem zufolge ein Rechtsinhaber, der sein Werk öffentlich zugänglich macht, aber nicht die verfügbaren Mittel zur Kontrolle von Vervielfältigungen in Ausübung seines Vervielfältigungsrechts – des nach der Systematik der Richtlinie primären Rechts – anwendet, im Fall von Privatkopien seinen Anspruch auf gerechten Ausgleich, bei dem es sich um ein sekundäres Recht handelt, verwirkt. Aufgabe des Gerichtshofs ist jedoch nicht, sich für oder gegen einen solchen politischen Grundsatz zu entscheiden, sondern die Richtlinie mit dem ihr beim Erlass gegebenen Wortlaut auszulegen.

102. Im Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie findet sich keine Bezugnahme auf das Kriterium der Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit technischer Maßnahmen; die Bestimmung stellt ausdrücklich und ausschließlich auf deren Anwendung oder Nichtanwendung ab (bzw. darauf, ob sie angewendet wurden). Wenn zudem die Berücksichtigung der Anwendung solcher Maßnahmen auf urheberrechtlich geschütztes Material mit bestimmten Folgen für den Anspruch des Rechtsinhabers auf gerechten Ausgleich verbunden ist, dann kann – wenn Art. 5 Abs. 2 Buchst. b überhaupt einen Sinn haben soll – eine (aus welchem Grund auch immer erfolgende) Berücksichtigung ihrer Nichtanwendung nicht dieselben Folgen nach sich ziehen.

103. In den Erwägungsgründen finden sich zwar durchaus Anhaltspunkte, die für die entgegensetzte Auffassung sprechen könnten. Ich vermag jedoch der Wendung „Grad des Einsatzes“ im 35. Erwägungsgrund keinerlei Konsequenzen zu entnehmen, die sich ergeben sollen, wenn Maßnahmen zu Verfügung stehen, aber nicht angewendet werden. Im 39. Erwägungsgrund ist von Verfügbarkeit die Rede. Er lautet: „Bei der Anwendung der Ausnahme oder Beschränkung für Privatkopien sollten die Mitgliedstaaten die technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, insbesondere in Bezug auf die digitale Privatkopie und auf Vergütungssysteme, gebührend berücksichtigen, wenn wirksame technische Schutzmaßnahmen verfügbar sind.“ Das ist meines Erachtens jedoch immer noch weit entfernt von einem Postulat, dass ein gerechter Ausgleich auszuschließen sei, wenn Maßnahmen zwar verfügbar sind, aber nicht angewendet werden. Ich sehe auch an anderer Stelle in der Richtlinie oder in den Materialien keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Ergebnis beabsichtigt wäre. Schließlich meine ich, dass man sich nicht auf eine Arbeitsunterlage berufen kann, die offenbar nie über das Entwurfsstadium hinausgelangt ist und die ganz offensichtlich nicht der Ansicht der Kommission entspricht, wie sie dem Gerichtshof vorgetragen wurde.

104. Andererseits bin ich aber auch nicht überzeugt, dass die Richtlinie in Fällen, in denen die Rechtsinhaber unbefugte Vervielfältigungshandlungen nicht durch ihnen zur Verfügung stehende Mittel verhindert oder eingeschränkt haben, die Gewährung eines gerechten Ausgleichs in allen Mitgliedstaaten verlangt. Die Wendung „wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen … angewendet wurden“ lässt Raum für die Variante, dass im Fall der Nichtanwendung verfügbarer Maßnahmen nicht zwingend ein gerechter Ausgleich gewährt werden muss. Die Formulierung im 39. Erwägungsgrund lässt genauso gut oder sogar noch eher eine solche Variante zu. Ferner stelle ich fest, dass der 39. Erwägungsgrund (anders als z. B. der 35. Erwägungsgrund) keine allgemeine Erklärung zum Inhalt der Richtlinie enthält, sondern vielmehr darlegt, was „die Mitgliedstaaten … berücksichtigen [sollten]“. Eine solche Formulierung ist typisch, wenn sich Erwägungsgründe auf einen Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten beziehen(59). Da es hier im Wesentlichen um eine Frage der Politik und um eine politische Regelung geht, die in der Richtlinie nicht eindeutig festgelegt ist, meine ich, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b dahin auszulegen ist, dass den Mitgliedstaaten die Wahl bleibt, ob und in welchem Umfang ein gerechter Ausgleich vorgesehen werden soll, wenn den Rechtsinhabern technische Maßnahmen zur Verfügung stehen, sie von ihnen aber nicht angewendet werden.

 Fünfte Frage: gerechter Ausgleich im Fall der Zustimmung zur Vervielfältigung

105. Wenn ein Mitgliedstaat eine Ausnahme oder eine Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht normiert und dabei (obligatorisch oder fakultativ) einen Anspruch auf gerechten Ausgleich vorsieht, besteht dann dieser Anspruch, wenn die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben?

106. Auch diese Frage ist relevant, wenn es darum geht, die Abgabe bezogen auf die Personen zu bemessen, die Anspruch auf einen gerechten Ausgleich haben. Sie berührt zudem das Grundsatzproblem des Verhältnisses zwischen einerseits dem Grundrecht, Vervielfältigungen zu erlauben oder zu verbieten, und dem damit einhergehenden Recht, eine Vergütung für die Vornahme von Vervielfältigungen zu vereinbaren oder Schadensersatz wegen Verletzung des Rechts zu verlangen, und andererseits den Ausnahmen, die im nationalen Recht vorgesehen werden können, und dem damit verbundenen Anspruch auf gerechten Ausgleich.

107. Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass im Urteil Padawan(60) der Zusammenhang zwischen dem Ausgleich und dem den Rechtsinhabern durch das Vervielfältigen ihrer Werke entstandenen Schaden hervorgehoben worden sei, dass einem Rechtsinhaber jedoch durch eine mit seiner Genehmigung erfolgende Vervielfältigung seines Werks kein Schaden entstehen könne. Der Bundesgerichtshof neigt allerdings zu der Auffassung, dass eine nach Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie vorgesehene Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht dem Rechtsinhaber die Möglichkeit nehme, Vervielfältigungen nach Art. 2 zu erlauben oder zu verbieten, so dass eine Genehmigung nach der Systematik der Richtlinie ins Leere gehe.

108. VG Wort, Deutschland und Polen schließen sich im Wesentlichen der vorläufigen Ansicht des Bundesgerichtshofs an, die Kommission vertritt einen ähnlichen, jedoch etwas nuancierteren Standpunkt, während die Anbieter und alle übrigen Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, im Wesentlichen der Meinung sind, dass ein Rechtsinhaber, der in Ausübung seines durch Art. 2 der Richtlinie garantierten Rechts die Vervielfältigung seines Werks genehmige (sei es ausdrücklich oder konkludent und sei es gegen Entgelt oder unentgeltlich), jeden Anspruch auf gerechten Ausgleich verwirke, der ihm andernfalls aufgrund einer gemäß Art. 5 Abs. 2 oder 3 erlassenen Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf sein Vervielfältigungsrecht zugestanden hätte.

109. Die Grundsatzproblematik lässt sich einfach formulieren. Wenn ein Rechtsinhaber prima facie sein Recht, Vervielfältigungen zu erlauben oder zu verbieten, in Fällen ausübt, in denen im nationalen Recht eine Ausnahme von diesem Recht vorgesehen ist, stellt sich die Frage, was dann Vorrang hat: das Vervielfältigungsrecht oder die Ausnahme?

110. Auch die Antwort erscheint recht einfach, zumindest im Prinzip. Wenn jemandem nach dem Gesetz ein Recht zusteht, dieses Recht jedoch – ebenfalls nach dem Gesetz – Ausnahmen oder Beschränkungen unterworfen ist, kann das Recht nicht ausgeübt werden, sofern und soweit diese Ausnahmen oder Beschränkungen Anwendung finden. Eine prima facie erfolgende Ausübung des Rechts hat keine Rechtsfolgen über diejenigen hinaus, die in den jeweils einschlägigen Vorschriften über die Ausnahmen oder Beschränkungen vorgesehen sind. Dies entspricht genau dem Verhältnis zwischen dem Vervielfältigungsrecht, das die Mitgliedstaaten nach Art. 2 der Richtlinie vorsehen müssen, und den Ausnahmen oder Beschränkungen, die sie nach Art. 5 Abs. 2 und 3 vorsehen können, soweit sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

111. Normiert z. B. ein Mitgliedstaat (wozu er nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie befugt ist) in Bezug auf Fotokopien, die in Schulen angefertigt und zu Unterrichtszwecken verwendet werden, eine einfache Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht ohne Gewährung eines gerechten Ausgleichs, so haben die Rechtsinhaber dies hinzunehmen. Sie können das Fotokopieren nicht verbieten, und jede von ihnen prima facie erteilte Genehmigung ist nicht nur überflüssig, sondern hat auch keine Rechtswirkung. Dieses Ergebnis kann sich nicht ändern, wenn der Mitgliedstaat stattdessen dieselbe Ausnahme beschließt, aber einen Anspruch auf gerechten Ausgleich vorsieht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Rechtsinhaber Anspruch auf diesen Ausgleich unter den im nationalen Recht jeweils vorgesehenen Voraussetzungen haben. Das Ergebnis kann sich auch dann nicht ändern (etwa in den Fällen des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b), wenn der Mitgliedstaat keine andere Wahl hat, als einen gerechten Ausgleich vorzusehen.

112. Noch anders gesagt: Sieht ein Mitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie eine Ausnahme in Bezug auf das in Art. 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vor, können die Rechtsinhaber grundsätzlich nicht einfach dieses Recht wiederaufleben lassen und die Ausnahme aushebeln.

113. Diese Überlegung muss meiner Meinung nach die Grundsatzposition oder zumindest den Ausgangspunkt für die Beantwortung der fünften Frage bilden. Allerdings mag diese Position im Licht eines oder mehrerer der angeführten Argumente abzuschwächen sein.

114. Erstens machen Fujitsu und Hewlett Packard geltend, dass die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung zu einem Eingriff in das durch Art. 17 der Grundrechtecharta(61) garantierte Eigentumsrecht führe, da dann die Rechtsinhaber an der Vergabe unentgeltlicher Lizenzen zur Vervielfältigung ihrer Werke gehindert würden. Hierzu ist zu bemerken, dass es bei dieser Auslegung in der Tat zu einem Eingriff kommt, der jedoch meines Erachtens nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 der Charta eindeutig zulässig ist, soweit er „aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind“, und gegen eine angemessene Entschädigung erfolgt.

115. Zweitens führen die Anbieter und mehrere Mitgliedstaaten bestimmte Passagen des Urteils Padawan als Argument an. In Randnr. 39 jenes Urteils führt der Gerichtshof aus, dass durch den gerechten Ausgleich den Urhebern die ohne ihre Genehmigung erfolgte Nutzung ihrer geschützten Werke vergütet werden solle, in Randnr. 40 bestätigt er, dass der gerechte Ausgleich mit dem Schaden in Zusammenhang stehe, der sich für den Urheber aus der Vervielfältigung seines geschützten Werks ergebe, wenn sie ohne seine Genehmigung für den privaten Gebrauch erfolge, und in Randnr. 45 legt er dar, dass Verursacher des Schadens des Inhabers des Vervielfältigungsrechts die Person sei, die ohne vorherige Genehmigung des Rechtsinhabers eine Vervielfältigung eines geschützten Werks vornehme. Dem entnehmen die genannten Verfahrensbeteiligten, dass ein Anspruch auf gerechten Ausgleich nicht gegeben sein könne, wenn eine Genehmigung beantragt und – unentgeltlich oder entgeltlich – erteilt worden sei. In solchen Fällen könne weder ein Schaden entstehen, noch sollte dem Rechtsinhaber dann ein Anspruch auf (weiteren) Ausgleich zuerkannt werden, der in jedem Fall nicht „gerecht“ wäre.

116. Ich bin nicht überzeugt, dass die angeführten Stellen unbedingt so zu verstehen sind, wie dies hier vorgetragen wird. In Nr. 2 des Urteilstenors hat der Gerichtshof entschieden, dass der gerechte Ausgleich auf der Grundlage des Schadens zu berechnen ist, der den Urhebern geschützter Werke infolge der Einführung der Ausnahme für Privatkopien entstanden ist. Die vorangegangenen Bezugnahmen auf eine fehlende Genehmigung sind meines Erachtens unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Eine Genehmigung kann nicht erteilt werden, weil dem Rechtsinhaber das Recht, eine Genehmigung zu erteilen oder zu verweigern, entzogen worden ist, und wegen dieses Entzugs wird ein gerechter Ausgleich geschuldet.

117. Drittens und stichhaltiger wird jedoch auf mehrere Passagen in den Erwägungsgründen der Richtlinie verwiesen. Der 30. Erwägungsgrund lautet: „Die von dieser Richtlinie erfassten Rechte können unbeschadet der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte übertragen oder abgetreten werden oder Gegenstand vertraglicher Lizenzen sein.“ Im Hinblick auf Ausnahmen oder Beschränkungen findet sich im 35. Erwägungsgrund der Satz: „In Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer Lizenzgebühr, kann gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein.“ Gemäß dem 44. Erwägungsgrund dürfen „Ausnahmen und Beschränkungen … nicht auf eine Weise angewandt werden, dass … die normale Verwertung [der] Werke oder sonstigen Schutzgegenstände beeinträchtigt wird“. Der 45. Erwägungsgrund lautet: „Die in Artikel 5 Absätze 2, 3 und 4 vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen sollten … vertraglichen Beziehungen zur Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs für die Rechtsinhaber nicht entgegenstehen, soweit dies nach innerstaatlichem Recht zulässig ist.“ In Bezug auf die Verwendung technischer Maßnahmen zur Verhinderung oder Einschränkung von Vervielfältigungshandlungen wird im 51. Erwägungsgrund ausgeführt: „Die Mitgliedstaaten sollten freiwillige Maßnahmen der Rechtsinhaber, einschließlich des Abschlusses und der Umsetzung von Vereinbarungen zwischen Rechtsinhabern und anderen interessierten Parteien, fördern, mit denen dafür Sorge getragen wird, dass die Ziele bestimmter Ausnahmen oder Beschränkungen, die im Einklang mit dieser Richtlinie in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind, erreicht werden können.“ Im 52. Erwägungsgrund schließlich heißt es: „Bei der Umsetzung einer Ausnahme oder einer Beschränkung im Hinblick auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) sollten die Mitgliedstaaten auch die Anwendung freiwilliger Maßnahmen fördern, mit denen dafür Sorge getragen wird, dass die Ziele derartiger Ausnahmen oder Beschränkungen erreicht werden können.“

118. Des Weiteren schreibt Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie vor, dass die insbesondere in Art. 5 Abs. 2 und 3 vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen nur „in bestimmten Sonderfällen angewandt werden [dürfen], in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden“(62). Ferner verweist Art. 6 Abs. 4 in Bezug auf technische Maßnahmen, die zur Verhinderung oder Einschränkung von Vervielfältigungshandlungen bestimmt sind, und im Zusammenhang mit den gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, c, d oder e oder Abs. 3 Buchst. a, b oder e vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen auf „freiwillige Maßnahmen, einschließlich Vereinbarungen zwischen den Rechtsinhabern und anderen betroffenen Parteien“.

119. Angesichts dieser Erwägungsgründe und Bestimmungen erscheint eine gewisse Abschwächung der Grundsatzposition erforderlich. Ich bin zwar nicht der Auffassung, dass der 30. Erwägungsgrund als Bezugnahme auf die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen gedacht war, jedoch wollte der Gesetzgeber offenkundig die Möglichkeit eines Nebeneinanderbestehens von vertraglichen Absprachen und solchen Ausnahmen oder Beschränkungen in gewissem Umfang zulassen. Die Grenzen dieser Koexistenz werden jedoch nicht klar gezogen und nicht einmal in groben Zügen angedeutet. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten meines Erachtens über ein gewisses Ermessen verfügen.

120. Allerdings muss dieses Ermessen begrenzt sein, und ich meine, dass unter Berücksichtigung insbesondere des von mir als Ausgangspunkt für die Beurteilung dargelegten Grundsatzes die Konstruktion der Kommission richtig ist. Diese Konstruktion lautet im Wesentlichen wie folgt: Jede normierte Ausnahme oder Beschränkung muss eine solche bleiben. Soweit sie Anwendung findet und in den Grenzen ihrer Anwendbarkeit sind die Rechtsinhaber rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Vervielfältigung durch andere zu erlauben oder zu verbieten oder Schadensersatz wegen unerlaubter Vervielfältigung zu verlangen. Ist ein gerechter Ausgleich nicht vorgeschrieben oder nicht vorgesehen, ist die Sache damit erledigt. Ist jedoch ein gerechter Ausgleich vorgesehen (entweder weil die Richtlinie dies vorschreibt oder weil der Mitgliedstaat sich dazu entschieden hat), steht es den Mitgliedstaaten frei, den Rechtsinhabern die Möglichkeit einzuräumen, entweder auf den Anspruch auf gerechten Ausgleich zu verzichten oder ihre Werke zur Vervielfältigung zur Verfügung zu stellen und dabei vertragliche Absprachen zu treffen (wie etwa einen angemessenen Aufschlag auf den Grundpreis), um sich einen gerechten Ausgleich für zukünftige Vervielfältigungen zu sichern, die von den Erwerbern ihrer Werke vorgenommen werden.

121. Es liegt auf der Hand, dass Rechtsinhaber, die sich für eine dieser Vorgehensweisen entscheiden, keinen Anspruch auf Zahlung aus Fonds haben, wie sie durch die in den Ausgangsverfahren streitige Abgabe gebildet werden, und die Abgabe ist so zu bemessen, dass ein gerechter Ausgleich nur denjenigen Rechtsinhabern gewährt wird, die keine entsprechende Entscheidung getroffen haben. Außerdem dürfen zwischen den Rechtsinhabern und den Erwerbern ihrer Werke getroffene vertragliche Absprachen weder die Rechte der Erwerber einschränken, die diese aus einer gegebenenfalls geltenden Ausnahme oder Einschränkung herleiten, noch zu Zahlungen führen, die über einen „gerechten Ausgleich“ im Sinne der Richtlinie hinausgehen.

 Erste Frage: zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinie

122. Es bleibt noch zu prüfen, ob die Auslegung der Richtlinie für den gesamten Streitzeitraum der Ausgangsverfahren zu berücksichtigen ist.

123. Ausweislich der Gerichtsakten betreffen die Verfahren Geräte, die zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2007 vertrieben wurden.

124. Die Richtlinie ist erst am 22. Juni 2001 veröffentlicht worden und in Kraft getreten. Sie ist daher bei der Auslegung des nationalen Rechts für Vorfälle, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, ohne Belang.

125. Die Mitgliedstaaten waren zum Erlass der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verpflichtet, um der Richtlinie vor dem 22. Dezember 2002 nachzukommen. Offenbar schloss Deutschland diesen Vorgang jedoch erst am 13. September 2003 ab(63).

126. Gleichwohl muss ein nationales Gericht das innerstaatliche Recht bei seiner Anwendung so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen(64). Diese Verpflichtung besteht allerdings erst ab Ablauf der Umsetzungsfrist(65). Bis dahin und ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens wird lediglich verlangt, dass die nationalen Gerichte so weit wie möglich eine Auslegung unterlassen, die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde(66). Außerdem können in den Geltungsbereich einer Richtlinie nicht nur die nationalen Vorschriften fallen, die als ausdrückliches Ziel die Umsetzung der Richtlinie verfolgen, sondern – vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie an – auch die schon zuvor bestehenden nationalen Vorschriften, die geeignet sind, die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit der Richtlinie zu gewährleisten(67).

127. Demnach sind sämtliche einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts für alle nach dem 22. Dezember 2002 liegenden Zeiträume richtlinienkonform auszulegen. Für den Zeitraum vom 22. Juni 2001 bis zum 22. Dezember 2002 brauchen die Vorschriften nicht in dieser Weise ausgelegt zu werden, sofern die Auslegung nicht später die Erreichung des verfolgten Ziels ernsthaft gefährdet – wobei es andererseits auch keine allgemeinen Grundsätze oder Bestimmungen des Unionsrechts gibt, die es einem nationalen Gericht verwehren würden, das nationale Recht bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist richtlinienkonform auszulegen.

128. Das bedeutet u. a., dass ein Mitgliedstaat, der eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und/oder b der Richtlinie vorsieht, sicherzustellen hat, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich für nach dem 22. Dezember 2002 eingetretene Fälle erhalten, grundsätzlich jedoch nicht zwingend für Fälle vor diesem Zeitpunkt.

129. Allerdings berührt die Richtlinie gemäß ihrem Art. 10 Abs. 2 Handlungen und Rechte nicht, die vor dem 22. Dezember 2002 abgeschlossen bzw. erworben wurden. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Regelung, die einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts offenbar entgegensteht, falls diese Auslegung „Handlungen …, die vor dem 22. Dezember abgeschlossen … wurden“, berühren würde.

130. Es ist nicht ohne Weiteres erkennbar, was unter „Handlungen …, die … abgeschlossen … wurden“, zu verstehen ist, wenn der gerechte Ausgleich durch eine Abgabe erreicht wird, die auf den Verkauf von zur Vornahme von Vervielfältigungen geeigneten Geräten anstatt auf die Vornahme von Vervielfältigungen selbst erhoben wird. Die zwischen dem 22. Juni 2001 und dem 22. Dezember 2002 vertriebenen Geräte dürften zum allergrößten Teil fähig gewesen und dazu benutzt worden sein, Vervielfältigungen nach dem letztgenannten Zeitpunkt vorzunehmen(68).

131. In der Sitzung hat die Kommission den Gerichtshof auf die Entstehungsgeschichte der Richtlinie hingewiesen.

132. Sowohl nach dem ursprünglichen als auch nach dem geänderten Vorschlag (weder der Wirtschafts- und Sozialausschuss noch das Parlament hatten zu den betreffenden Bestimmungen Stellung genommen) lautete Art. 9 Abs. 2 bis 4:

„(2) Alle Verwertungshandlungen, die vor dem [Stichtag für die Umsetzung der Richtlinie] vorgenommen wurden, bleiben von der Richtlinie unberührt.

(3) Alle vor dem Tag des Inkrafttretens abgeschlossenen Verträge und erworbenen Rechte bleiben von dieser Richtlinie unberührt.

(4) Unbeschadet von Absatz 3 gilt diese Richtlinie für Verträge über die Verwertung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen, die an dem [Stichtag für die Umsetzung] in Kraft sind, fünf Jahre nach dem Inkrafttreten, wenn sie nicht vor diesem Zeitpunkt auslaufen.“

133. In der Begründung des ursprünglichen Vorschlags hieß es:

„2.      Absatz 2 spiegelt einen allgemeinen Grundsatz wider, indem er sicherstellt, dass die Richtlinie nicht rückwirkend gilt und keine Anwendung auf die Verwertungshandlungen bezüglich von Werken und sonstigen Schutzgegenständen findet, die vor dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem die Richtlinie … umgesetzt werden muss …

3.      Die Absätze 3 und 4 stellen einen anderen allgemeinen Grundsatz auf, wonach Verträge, die abgeschlossen wurden, und Rechte, die erworben wurden, bevor den Parteien die Verabschiedung der Richtlinie bekannt gewesen sein konnte, von dieser unberührt bleiben, wodurch bestimmte Altverträge vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden. …“

134. Die schließlich verabschiedete Formulierung entspricht dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 28. September 2000, in dem es heißt: „Was Artikel 10 betrifft, so hat der Rat es vorgezogen, Artikel 9 Absatz 3 des geänderten Kommissionsvorschlags in Teilen mit Absatz 2 zusammenzufassen und den verbleibenden Teil des Absatzes 3 sowie Absatz 4 insgesamt zu streichen, da er der Auffassung war, dass Fragen in Zusammenhang mit der Auslegung von Verträgen eher in den nationalen Rechtsvorschriften zu regeln wären.“(69)

135. Somit scheint eindeutig, dass der Gesetzgeber mit Art. 10 Abs. 2 bezweckte, vor dem 22. Dezember 2002 vorgenommene Verwertungshandlungen, d. h. im vorliegenden Kontext Vervielfältigungshandlungen, von der Richtlinie unberührt zu lassen.

136. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Deutschland den Ausgleich auf dem Weg über eine Abgabe sicherstellt, die auf den Vertrieb von Geräten erhoben wird, die über mehrere Jahre hinweg zur Vornahme von Vervielfältigungen genutzt werden können, dass eine solche Regelung in Deutschland bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie galt und dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs während der Umsetzungsfrist eine Auslegung unzulässig ist, die die Erreichung des verfolgten Ziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde. Die logischste Auslegung geht deshalb meines Erachtens dahin, dass die Richtlinie seit ihrem Inkrafttreten am 22. Juni 2001 bei der Auslegung nationaler Vorschriften über den gerechten Ausgleich in einer Weise zu berücksichtigen ist, die sicherstellt, dass die Erreichung des Ziels, einen solchen Ausgleich für am oder nach dem 22. Dezember 2002 vorgenommene Vervielfältigungshandlungen zu gewähren, durch die Modalitäten der Erhebung einer der Gewährung des gerechten Ausgleichs dienenden Abgabe auf den vor dem letztgenannten Datum erfolgten Vertrieb von Geräten nicht ernsthaft gefährdet wird; die Richtlinie betrifft jedoch nicht Vervielfältigungshandlungen, die vor dem 22. Dezember 2002 vorgenommen wurden.

 Ergebnis

137. Nach alledem bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof die Fragen des Bundesgerichtshofs wie folgt beantworten sollte:

–        In Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist die Wendung „Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“ dahin auszulegen, dass mit ihr ausschließlich Vervielfältigungen analoger Vorlagen gemeint sind, von denen mit optischen Mitteln ein Bild erfasst wird. Sie umfassen Vervielfältigungen mittels Verfahren, bei denen in einer Zwischenphase ein digitales Bild in einem Computer oder einer Speichervorrichtung gespeichert wird, sofern das Verfahren als Ganzes von ein und derselben Person und/oder als ein einheitlicher Vorgang durchgeführt wird.

–        Hat ein Mitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2001/29 eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorgesehen und ist im Rahmen dieser Ausnahme oder Beschränkung ein gerechter Ausgleich für analoge Vervielfältigungen im Wege einer Abgabe auf Geräte vorgesehen, die zur Vornahme solcher Vervielfältigungen geeignet sind, hat ein nationales Gericht, das feststellen will, ob diese Abgabe mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung in Fällen vereinbar ist, in denen die Vervielfältigungen mit Hilfe einer Kette verbundener Geräte vorgenommen werden, zu untersuchen, wie die Abgabe für Fotokopiergeräte bemessen wird und inwieweit diese Bemessungsmethode auf eine Gerätekette übertragen werden kann. Es hat zu prüfen, ob die Anwendung der Abgabe auf eine solche Gerätekette oder auf einzelne Geräte in der Kette einen gerechten Rechts- und Interessenausgleich zwischen den Rechtsinhabern und den Nutzern schafft. Es hat sich insbesondere zu vergewissern, dass nicht nur zwischen Importeuren oder Händlern der Geräte (einschließlich anderer Geräte mit vergleichbaren Funktionen), sondern auch zwischen den letztlich mit der Abgabe belasteten Käufern der verschiedenen Arten von Geräten keine ungerechtfertigte Diskriminierung auftritt.

–        Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl, ob und in welchem Umfang ein gerechter Ausgleich vorgesehen werden soll, wenn den Rechtsinhabern technische Maßnahmen zur Verfügung stehen, von ihnen aber nicht angewendet werden.

–              Hat ein Mitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2001/29 eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorgesehen, haben die betroffenen Rechtsinhaber keine Möglichkeit mehr, die Kontrolle über die Vervielfältigung durch Erteilung oder Verweigerung einer Genehmigung auszuüben. Sieht der Mitgliedstaat in einem solchen Fall einen gerechten Ausgleich vor, kann er den Rechtsinhabern gleichwohl gestatten, entweder auf den Anspruch auf gerechten Ausgleich zu verzichten oder ihre Werke zur Vervielfältigung zur Verfügung zu stellen und dabei vertragliche Absprachen zu treffen, um sich einen gerechten Ausgleich für zukünftige Vervielfältigungen zu sichern. In den beiden letztgenannten Fällen ist der Anspruch des Rechtsinhabers auf gerechten Ausgleich als erschöpft anzusehen und darf bei der Ermittlung des Finanzbedarfs einer allgemeinen Regelung für die Gewährung eines gerechten Ausgleichs nicht berücksichtigt werden.

–        Die Richtlinie 2001/29 ist bei der Auslegung nationaler Vorschriften über den gerechten Ausgleich seit dem Inkrafttreten der Richtlinie am 22. Juni 2001 in einer Weise zu berücksichtigen, die sicherstellt, dass die Erreichung des Ziels, einen solchen Ausgleich für am oder nach dem 22. Dezember 2002 vorgenommene Vervielfältigungshandlungen zu gewähren, durch die Modalitäten der Erhebung einer der Gewährung des gerechten Ausgleichs dienenden Abgabe auf den vor dem letztgenannten Datum erfolgten Vertrieb von Geräten nicht ernsthaft gefährdet wird. Die Richtlinie betrifft jedoch nicht Vervielfältigungshandlungen, die vor dem 22. Dezember 2002 vorgenommen wurden.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10, im Folgenden: Richtlinie).


3 – In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich die Begriffe „kopieren“ und „vervielfältigen“ im Wesentlichen in austauschbarem Sinn verwenden.


4 – Art. 5 Abs. 2 regelt ausschließlich Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das in Art. 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht. Art. 5 Abs. 3 betrifft darüber hinaus auch Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Recht der Wiedergabe und das Recht der Zugänglichmachung nach Art. 3, um den es aber in den Ausgangsverfahren nicht konkret geht. Außer im Fall des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a sind alle nach Art. 5 Abs. 2 bzw. 3 zulässigen Beschränkungen oder Ausnahmen (insgesamt 20) anhand des mit der Vervielfältigung verfolgten Zwecks definiert; in einigen Fällen ist die Person des Vervielfältigenden das entscheidende Kriterium (z. B. natürliche Personen, öffentliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen, Sendeunternehmen oder die Presse); außer in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a werden nur in zwei Fällen technische Kriterien erwähnt (ephemere Aufzeichnungen nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. d und Wiedergabe auf eigens hierfür eingerichteten Terminals nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. n).


5 – Art. 5 Abs. 2 Buchst. e bezieht sich auf „Vervielfältigungen von Sendungen, die von nicht kommerziellen sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Haftanstalten angefertigt wurden“.


6 – Nach dem – hier nicht einschlägigen – Art. 5 Abs. 1 ist die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht zwingend vorgeschrieben in Bezug auf bestimmte vorübergehende Vervielfältigungen, die einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Allerdings ist in solchen Fällen kein Ausgleich vorgesehen.


7 – Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886, vervollständigt in Paris am 4. Mai 1896, revidiert in Berlin am 13. November 1908, vervollständigt in Bern am 20. März 1914, revidiert in Rom am 2. Juni 1928, in Brüssel am 26. Juni 1948, in Stockholm am 14. Juli 1967 und in Paris am 24. Juli 1971 sowie geändert am 28. September 1979 (Berner Union) (im Folgenden: Berner Übereinkunft). Alle Mitgliedstaaten sind Vertragspartei der Berner Übereinkunft.


8 – Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, Anhang 1C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), das am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet wurde, genehmigt durch Beschluss des Rates 94/800/EG vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1).


9 – WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT), Genf (1996) (ABl. 2000, L 89, S. 8). Er trat sowohl für die Union als auch für alle ihre Mitgliedstaaten, die alle Vertragspartei des WIPO-Urheberrechtsvertrags sind, am 14. März 2010 in Kraft (ABl. 2010, L 32, S. 1).


10 – USA – Section 110(5) des US Copyright Act, WT/DS160/R, 15. Juni 2000, Nr. 6.97 ff.


11 – Urteil vom 21. Oktober 2010 (C‑467/08, Slg. 2010, I‑10055, insbesondere Randnrn. 38 bis 50); vgl. auch Urteil vom 16. Juni 2011, Stichting de Thuiskopie (C‑462/09, Slg. 2011, I‑5331, Randnrn. 18 bis 29).


12 – CD-Rs, CD-RWs, DVD-Rs und MP3-Geräte. Auf solchen Trägern können zwar auch digitale Kopien von Text- oder Grafikdokumenten gespeichert werden, sie werden jedoch üblicherweise zur Erstellung von Vervielfältigungen von Ton- oder audiovisuellem Material wie Musik oder Filmen benutzt.


13 – Vgl. die Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak, Nr. 32. Auch im vorliegenden Verfahren nimmt die Kommission diesen Standpunkt ein, und Kyocera vertritt eine ähnliche Auffassung (siehe unten, Nr. 92). Allerdings hat der Gerichtshof im Urteil Stichting de Thuiskopie, oben in Fn. 11 angeführt, Randnrn. 34 und 39, auf die Ergebnispflicht abgestellt.


14 – Randnrn. 40 und 45 des Urteils; vgl. auch Urteil Stichting de Thuiskopie, oben in Fn. 11 angeführt, Randnrn. 24 und 26.


15 – Randnr. 52 des Urteils.


16 – Randnrn. 46, 55 und 56 des Urteils.


17 – Randnr. 59 des Urteils.


18 – Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) vom 9. September 1965 in der bis zum 1. Januar 2008 geltenden Fassung. Nach Angaben der deutschen Regierung wurde das UrhG durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft mit Wirkung vom 13. September 2003 umfassend an die Richtlinie angepasst. Was die vom Bundesgerichtshof angeführten Bestimmungen betrifft, erfolgte durch das letztgenannte Gesetz offenbar eine Änderung von § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG.


19 – Siehe unten, Nrn. 48 ff.


20 – Der Begriff „angemessene Vergütung“ findet sich im zehnten Erwägungsgrund in der deutschen Sprachfassung der Richtlinie; im Englischen heißt es an dieser Stelle „appropriate reward“ und im Französischen „rémunération appropriée“. Der zehnte Erwägungsgrund scheint sich jedoch auf die übliche Verwertung des Urheberrechts zu beziehen und nicht auf die in Art. 5 Abs. 2 und 3 geregelten Ausnahmen. Dem in der englischen Sprachfassung der Richtlinie benutzten Begriff „fair compensation“ („compensation équitable“ in der französischen Sprachfassung) entspricht in der deutschen Sprachfassung der Begriff „gerechter Ausgleich“. Um die Dinge noch komplizierter zu machen: Der Begriff „angemessene Vergütung“ findet sich auch in der deutschen Sprachfassung von Art. 11bis § 2 und Art. 13 § 1 der Berner Übereinkunft (oben in Fn. 7 angeführt) und entspricht dort in der englischen bzw. in der französischen Sprachfassung den Begriffen „equitable remuneration“ bzw. „rémunération équitable“; diese Entsprechungen finden sich auch in bestimmten anderen Richtlinien der Union auf dem Gebiet des geistigen Eigentums.


21 – Die KYOCERA Document Solutions Deutschland GmbH, die Epson Deutschland GmbH und die Xerox GmbH in der Rechtssache C‑457/11 und die Canon Deutschland GmbH in der Rechtssache C‑458/11 (im Folgenden zusammen: Kyocera), die Fujitsu Technology Solutions GmbH (im Folgenden: Fujitsu) in der Rechtssache C‑459/11 sowie die Hewlett Packard GmbH (im Folgenden: Hewlett Packard) in der Rechtssache C‑460/11.


22 – Ein Plotter ist eine Art Drucker; siehe im Einzelnen unten, Nr. 54.


23 – Die fünf Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑457/11 und C‑458/11 sind identisch, wobei sich die zweite und die dritte Frage auf Drucker beziehen; die gleichen Fragen werden in der Rechtssache C‑459/11 gestellt, allerdings mit dem Unterschied, dass es dort in der zweiten und in der dritten Frage nicht um Drucker, sondern um PCs geht; in der Rechtssache C‑460/11 sind nur die ersten drei Fragen vorgelegt worden und beziehen sich auf Drucker.


24 –      Zum Begriff „angemessene Vergütung“ vgl. Fn. 20.


25 – Vgl. z. B. Urteil Padawan und Urteil Stichting de Thuiskopie, oben in Fn. 11 angeführt.


26 – Vgl. auch Urteil Padawan, Randnrn. 35 f.


27 – Vgl. z. B. die Erwägungsgründe 5 bis 7, 39, 44 und 47.


28 – Vgl. z. B. die Erwägungsgründe 4 und 21.


29 – Vgl. z. B. Urteil vom 29. April 2004, Italien/Kommission (C‑298/00 P, Slg. 2004, I‑4087, Randnr. 97).


30 – Vom 22. Dezember 1998 (ABl. 1999, C 73, S. 1).


31 – Vgl. auch z. B. Urteile vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, Slg. 2005, I‑6451, Randnr. 92), und vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 76).


32 – Siehe oben, Fn. 20.


33 – Insoweit sei auf Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hingewiesen, der u. a. das Recht schützt, rechtmäßig erworbenes Eigentum, einschließlich geistigen Eigentums, zu nutzen und darüber zu verfügen, und dem zufolge niemandem sein Eigentum entzogen werden darf, „es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums“; vgl. auch Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention.


34 – Gemäß dem 32. Erwägungsgrund ist die Liste erschöpfend und „trägt den unterschiedlichen Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten Rechnung“; mit anderen Worten: Es handelt sich letztlich offenbar um eine Sammlung der Ausnahmen und Beschränkungen, die bereits in nationalen Rechtsvorschriften galten, woraus sich möglicherweise auch die Überschneidungen erklären (im ursprünglichen Vorschlag der Kommission für die Richtlinie fanden sich nur acht mögliche Ausnahme- und Beschränkungstatbestände, diese Liste wurde jedoch im Laufe des Rechtsetzungsverfahrens immer länger und detaillierter).


35 – Siehe oben, Nrn. 15 bis 21.


36 – Siehe oben, Fn. 20.


37 – Vgl. International Survey on Private Copying Law & Practice, Stichting de Thuiskopie, 2012, S. 9.


38 – Rechtssache Amazon.com International Sales u. a. (C‑521/11). In Österreich sind offenbar 50 % der eingezogenen Beträge gesetzlich für soziale oder kulturelle Zwecke bestimmt.


39 – Siehe oben, Nrn. 13 f. Ich stelle fest, dass in dem genannten Urteil die Erwägungsgründe – vielleicht versehentlich – als „Bestimmungen“ der Richtlinie bezeichnet werden.


40 – Die nachfolgende Beschreibung nimmt weder Allgemeinverbindlichkeit noch Vollständigkeit für sich in Anspruch, sondern soll vielmehr einen Überblick verschaffen, der einen Großteil der Sachverhalte erfasst, die für die Beurteilung der Vorlagefragen relevant sind.


41 – In der vorstehenden Zusammenfassung habe ich zur Beschreibung analoger Bilder visuelle Begriffe verwendet, aber es gibt auch vergleichbare Verfahren für Vervielfältigungen, die für Sehbehinderte bestimmt sind. Braille-Prägemaschinen erstellen Text aus digitalen Daten in ganz ähnlicher Weise wie Drucker und verwenden Papier als Ausgabemedium. Andere Geräte sind in der Lage, erhabene Abbildungen zu erstellen, die vom Menschen ohne Sehbehinderung visuell wahrgenommen würden. Meiner Meinung nach kann nicht davon ausgegangen werden, dass solche Vervielfältigungen nicht vom Vervielfältigungsrecht erfasst werden und daher außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie liegen. Sie sind als in meine Würdigung einbezogen zu verstehen, auch wenn ich – allein aus Gründen der einfacheren Formulierung – bei der Beschreibung analoger Ein- und Ausgabevorgänge weiterhin vorwiegend Begriffe aus dem Bereich der visuellen Wahrnehmung verwenden werde.


42 – In der Begründung ihres ursprünglichen Vorschlags für die Richtlinie erklärt die Kommission: „Diese Bestimmung ist auf die Reprografie begrenzt, d. h. auf Techniken, die ein Faksimile oder mit anderen Worten einen Papierdruck erlauben. Im Vordergrund steht nicht die angewandte Technik, sondern vielmehr das Ergebnis, das in Papierform sein muss.“ Diese Erklärung stellt zwar auf die Ausgabe und nicht auf die Eingabe ab, jedoch impliziert der Begriff „Faksimile“ zwangsläufig, dass sich die Eingabe und die Ausgabe ihrer Form nach entsprechen müssen.


43 – Siehe oben, Nr. 9.


44 – Grünbuch – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (KOM[95] 382 endg.), Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (KOM[97] 628 endg.; siehe auch oben, Fn. 41), Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (KOM[1999] 250 endg.).


45 – Vgl. auch Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International (C‑5/08, Slg. 2009, I‑6569, Randnr. 64).


46 – Siehe oben, Nrn. 41 f.


47 – Randnrn. 38 bis 50; vgl. auch Urteil Stichting de Thuiskopie, in Fn. 11 angeführt, Randnrn. 18 bis 29.


48 – Urteil Padawan, Randnrn. 51 bis 59.


49 – Vgl. z. B. Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae (C‑275/06, Slg. 2008, I‑271, Randnr. 68).


50 – Vgl. 31. Erwägungsgrund der Richtlinie.


51 – Siehe oben, Nrn. 13 f.


52 – In mehreren der abgegebenen Erklärungen wird darauf hingewiesen, dass die deutsche Sprachfassung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b („ob technische Maßnahmen … angewendet wurden“) von der englischen („application or non-application of technological measures“) abweicht. Im Spanischen heißt es ähnlich wie im Deutschen („si se aplican o no“), andere Sprachfassungen hingegen entsprechen eher der neutraleren englischen bzw. französischen Formulierung.


53 – Im 35. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es: „Hinsichtlich der Höhe des gerechten Ausgleichs sollte der Grad des Einsatzes technischer Schutzmaßnahmen gemäß dieser Richtlinie in vollem Umfang berücksichtigt werden.“


54 – Die Existenz solcher Maßnahmen (zu denen die Verwendung von Hologrammen, Wasserzeichen und Spezialtinten gehört) mag erklären, weshalb in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 im Hinblick auf den Schutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. a verwiesen wird.


55 – Vgl. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 48/2000 des Rates (ABl. C 344, S. 1, Nr. 24 der Begründung des Rates).


56Fair compensation for private copying in a converging environment, Dezember 2006, von Fujitsu vorgelegt, S. 60 f.


57 – Oben in Fn. 11 angeführt, Randnrn. 40 und 42. (In der englischen Sprachfassung des Urteils ist in Randnr. 40 von „recompense“ für den entstandenen Schaden die Rede, jedoch scheint mir dies nicht dem „contrepartie“ im Französischen bzw. „contrapartida“ im Spanischen zu entsprechen.)


58 – Siehe auch oben, Fn. 52; die deutsche Sprachfassung scheint sogar noch deutlicher für diese Auffassung zu sprechen.


59 – Siehe oben, Nr. 35.


60 – Randnrn. 39, 40 und 45.


61 – Siehe oben, Fn. 32.


62 – Siehe oben, Fn. 9.


63 – Siehe oben, Fn. 18.


64 – Vgl. als aktuelles Beispiel Urteil vom 24. Mai 2012, Amia (C‑97/11, Randnr. 28).


65 – Vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnrn. 113 bis 115).


66 – Vgl. Urteile Adeneler u. a., oben in Fn. 66 angeführt, Randnr. 123, und vom 23. April 2009, VTB-VAB und Galatea (C‑261/07 und C‑299/07, Slg. 2009, I‑2949, Randnr. 39).


67 – Vgl. Urteil VTB-VAB und Galatea, oben in Fn. 67 angeführt, Randnr. 35.


68 – In mehreren Erklärungen wird ausgeführt, dass Drucker und PCs eine durchschnittliche Lebensdauer von drei bis vier Jahren hätten. Entsprechende Überlegungen (wenngleich nicht unbedingt dieselbe durchschnittliche Lebensdauer) dürften im Fall von Abgaben auf unbespielte Träger zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs für Vervielfältigungen von Ton- oder audiovisuellen Werken gelten, wenn die Abgaben beim Verkauf der Träger vor Vornahme der Vervielfältigung erhoben werden.


69 – Nr. 51 der Begründung.