Language of document : ECLI:EU:C:2013:127

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

28. Februar 2013(*)

„Berufsständische Vertretung für geprüfte Buchhalter – Rechtsvorschriften über das System der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter – Art. 101 AEUV – Unternehmensvereinigungen – Einschränkung des Wettbewerbs – Rechtfertigungsgründe – Art. 106 Abs. 2 AEUV“

In der Rechtssache C‑1/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal da Relação de Lisboa (Portugal) mit Entscheidung vom 15. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2012, in dem Verfahren

Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas

gegen

Autoridade da Concorrência,

Beteiligter:

Ministério Público,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas, vertreten durch D. Abecassis, L. Vilhena de Freitas und R. Leandro Vasconcelos, advogados,

–        des Ministério Público, vertreten durch F. de Jesus Marques de Oliveira, procuradora-geral adjunta,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von M. Caldeira, advogada,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Varrone, avvocato dello Stato,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Khan, L. Parpala und P. Guerra e Andrade als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 AEUV, 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas (Berufsständische Vertretung für geprüfte Buchhalter, im Folgenden: OTOC) und der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde, im Folgenden: AdC) u. a. über die Vereinbarkeit des Erlasses über den Erwerb von Fortbildungspunkten (Regulamento da Formação de Créditos, Diário da República II, Nr. 133 vom 12. Juli 2007, im Folgenden: streitiger Erlass) mit Art. 101 AEUV. Dieser Erlass wurde am 18. Mai 2007 von der Kammer für geprüfte Buchhalter, der Vorgängerin der OTOC, angenommen.

 Rechtlicher Rahmen

 Die Satzung der OTOC

3        Art. 1 der Satzung der Berufsständischen Vertretung für geprüfte Buchhalter (im Folgenden: Satzung der OTOC) in Anhang I des Gesetzesdekrets Nr. 310/2009 vom 26. Oktober 2009 lautet:

„Die [OTOC] ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die die beruflichen Interessen der geprüften Buchhalter im Rahmen ihrer Pflichtmitgliedschaft vertritt und die Aufsicht in allen Angelegenheiten führt, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen.“

4        Art. 3 Abs. 1 dieser Satzung bestimmt:

„1.      Zu den Aufgaben der Berufsständischen Vertretung gehört es,

a)      die Berufsbezeichnung eines geprüften Buchhalters zuzuerkennen und den entsprechenden Berufsausweis auszustellen;

b)      die Würde und das Ansehen des Berufs zu verteidigen, für die Achtung der ethischen und berufsrechtlichen Grundsätze zu sorgen sowie die Interessen, Rechte und Befugnisse ihrer Mitglieder zu verteidigen;

c)      die Schulung und berufliche Fortbildung ihrer Mitglieder zu fördern und dazu beizutragen, insbesondere durch die Organisation von Maßnahmen und Programmen der beruflichen Fortbildung, von Kursen und Konferenzen;

n)      die Disziplinargewalt über die geprüften Buchhalter auszuüben;

o)      ethische und berufsrechtliche Grundsätze aufzustellen;

r)      Systeme zur Sicherung der Qualität der von geprüften Buchhaltern erbrachten Dienstleistungen einzurichten, zu organisieren und durchzuführen;

s)      Systeme der obligatorischen beruflichen Fortbildung für ihre Mitglieder zu entwickeln, zu organisieren und durchzuführen;

…“

5        Art. 6 der Satzung bestimmt:

„1.      Zu den Aufgaben der geprüften Buchhalter gehört,

a)      unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, der geltenden Rechnungslegungsgrundsätze und der Richtlinien der für die Rechnungslegungsstandardsetzung zuständigen Einrichtungen die Buchhaltung der Einheiten zu planen, zu organisieren und zu koordinieren, die eine nach dem offiziell geltenden Kontenplan oder dem System der Rechnungslegungsstandards ordnungsgemäß organisierte Buchhaltung haben oder haben müssen;

b)      die Verantwortung dafür zu tragen, dass die in Buchst. a genannten Einheiten auf dem Gebiet der Buchführung und der Steuern den technischen Vorgaben nachkommen;

c)      zusammen mit dem rechtlichen Vertreter der in Buchst. a genannten Einheiten die Jahresabschlüsse und die Steuererklärungen zu unterzeichnen und damit ihre Richtigkeit nach den von der OTOC festgelegten Bedingungen zu bescheinigen, unbeschadet der den betreffenden Organen handels- und steuerrechtlich zugewiesenen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten;

d)      auf der Grundlage der Angaben der Steuerpflichtigen, deren Bücher sie führen, die Verantwortung für die Kontrolle der Erklärungen für die soziale Sicherheit und zu Steuerzwecken in Verbindung mit der Verwaltung der Gehaltsabrechnungen zu tragen.

2.      Den geprüften Buchhaltern obliegt es außerdem,

a)      Beratungsaufgaben in den Bereichen Buchhaltung, Steuern und soziale Sicherheit wahrzunehmen;

b)      im Verwaltungsstadium des Steuerverfahrens bezüglich der ihre spezifischen Kompetenzen betreffenden Fragen als Vertreter der Steuerpflichtigen aufzutreten, deren Bücher sie führen;

c)      sonstige gesetzlich festgelegte Aufgaben wahrzunehmen, die zur Ausübung ihrer Aufgaben gehören, insbesondere diejenige eines von Gerichten oder anderen öffentlichen oder privaten Einheiten benannten Sachverständigen.

…“

6        Nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. a der Satzung der OTOC beachten die geprüften Buchhalter die Erlasse der OTOC und führen die Beschlüsse der OTOC durch.

7        Gemäß Art. 59 Abs. 2 dieser Satzung stellt es ein Disziplinarvergehen dar, wenn „der geprüfte Buchhalter durch Handeln oder Unterlassen, auch fahrlässig, gegen eine seiner allgemeinen oder besonderen Pflichten verstößt, die in der … Satzung … oder in anderen von der [OTOC] erlassenen Bestimmungen oder Beschlüssen vorgesehen sind“.

8        Bei solchen Vergehen kann nach den Art. 63 und 64 der Satzung der OTOC eine der folgenden Sanktionen verhängt werden: Abmahnung, Geldbuße, bis zu dreijährige Suspension oder Streichung im Register.

 Der Erlass über die Qualitätssicherung

9        Am 30. März 2004 erließ die Kammer für geprüfte Buchhalter den Erlass über die Qualitätssicherung (Regulamento do Controlo de Qualidade, Diário da República II, Nr. 175 vom 27. Juli 2004). Art. 4 dieses Erlasses bestimmt:

„1.      Die Bewertung der übergreifenden Kontrolle schließt die Prüfung folgender Aspekte ein:

e)      Erwerb von jährlich durchschnittlich 35 Punkten in den letzten beiden Jahren für Fortbildungen, die von der [OTOC] erteilt werden oder von [ihr] anerkannt sind;

…“

 Der streitige Erlass

10      Art. 3 des streitigen Erlasses sieht vor:

„Von der [OTOC] erteilte Arten von Fortbildungsmaßnahmen:

1.      Die [OTOC] fördert folgende Arten von Fortbildungsmaßnahmen:

a)      institutionelle Fortbildung;

b)      berufliche Fortbildung.

2.      Die institutionelle Fortbildung besteht in von der [OTOC] für ihre Mitglieder durchgeführten Informationsveranstaltungen mit einer Dauer von bis zu 16 Stunden, deren Ziel u. a. die Sensibilisierung der Buchhalter für Gesetzesinitiativen und ‑änderungen sowie für Fragen ethischer und berufsrechtlicher Art ist.

3.      Die berufliche Fortbildung besteht in Studientagungen und Fortbildungslehrgängen zu beruflichen Themen mit einer Dauer von mindestens 16 Stunden.“

11      Nach Art. 5 Abs. 1 des Erlasses kann die OTOC jede für die Berufsausübung einschlägige Art von Fortbildung erteilen. Nach Art. 5 Abs. 2 kann die institutionelle Fortbildung nur von der OTOC erteilt werden.

12      Aus den Art. 6 und 7 dieses Erlasses ergibt sich, dass Hochschulen und die nach den gesetzlichen Vorschriften zur Durchführung von Fortbildungen befugten Einrichtungen sowie die bei der OTOC registrierten Einrichtungen Kurse im Rahmen der beruflichen Fortbildung von geprüften Buchhaltern durchführen dürfen.

13      Um von der OTOC zur Durchführung von Kursen, die zum Erwerb von Fortbildungspunkten berechtigen, zugelassen zu werden, müssen Fortbildungseinrichtungen nach Art. 8 Abs. 1 des streitigen Erlasses folgende Voraussetzungen erfüllen:

„a)       nachgewiesene Fähigkeit zur Durchführung von Fortbildungen;

b)       Besitz der erforderlichen Mittel (Finanz- und Sachmittel sowie Personal) zur Durchführung von qualitativ hochwertigen Fortbildungen;

c)       nachgewiesene Eignung der Mitglieder der Leitungsorgane der fraglichen Einrichtung und der für die Organisation der Fortbildung verantwortlichen Personen;

d)       Einschaltung von Universitätsprofessoren und/oder Persönlichkeiten mit in Berufskreisen anerkannter Befähigung und/oder Berufsangehörigen mit anerkannter Befähigung auf den mit der Berufsausübung in Zusammenhang stehenden Gebieten.“

14      Nach Art. 9 dieses Erlasses wird die Entscheidung darüber, ob Fortbildungseinrichtungen zum Zwecke der Durchführung von Fortbildungen, die zum Erwerb von Fortbildungspunkten berechtigen, registriert werden oder nicht, von der Leitung der OTOC innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung getroffen.

15      Die Art. 10 bis 12 des Erlasses regeln das Verfahren zur Anerkennung der Fortbildungsmaßnahmen, die zum Erwerb von Fortbildungspunkten berechtigen und von anderen Einrichtungen als der OTOC durchgeführt werden. Über die Anerkennung einer Fortbildungsmaßnahme entscheidet die OTOC.

16      Nach Art. 15 Abs. 1 des Erlasses erhält ein geprüfter Buchhalter für die Teilnahme an einer Maßnahme der institutionellen oder beruflichen Fortbildung 1,5 Punkte je Stunde, sofern sie von der OTOC durchgeführt wird oder anerkannt ist. Nach Art. 15 Abs. 2 ist er verpflichtet, jährlich 12 Punkte in der institutionellen Fortbildung zu erwerben.

17      Art. 16 des streitigen Erlasses sieht vor, dass die unter Art. 8 des Erlasses fallenden Fortbildungseinrichtungen bei der OTOC eine Gebühr sowohl bei Beantragung der Registrierung als Fortbildungseinrichtung als auch bei Beantragung der Anerkennung der einzelnen Fortbildungsmaßnahmen, die sie durchführen möchten, entrichten müssen. Nach Art. 17 des Erlasses entspricht diese Gebühr den gesamten der OTOC im Rahmen dieser Verfahren entstandenen Kosten, ohne dass sie jedoch in dieser Verordnung festgesetzt wäre.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18      Bei der AdC gingen 2006 und 2009 zwei Beschwerden zu dem von der OTOC errichteten System der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter ein.

19      In diesem Zeitraum beantragten zahlreiche Fortbildungseinrichtungen ihre Registrierung bei der OTOC, um Fortbildungsmaßnahmen für geprüfte Buchhalter erteilen zu können, und entrichteten dafür eine Gebühr von 200 Euro. Diese Einrichtungen beantragten in dieser Zeit auch die Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen, die sie durchführen wollten, und entrichteten für jede geplante Maßnahme eine Gebühr von 100 Euro.

20      Die OTOC gab der Mehrzahl dieser Anträge statt, weigerte sich jedoch nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten in bestimmten Fällen, Fortbildungsmaßnahmen anzuerkennen.

21      Darüber hinaus weigerten sich zwei Fortbildungseinrichtungen ausdrücklich, sich bei der OTOC registrieren zu lassen, weil der streitige Erlass ihre Freiheit, Fortbildungsmaßnahmen für geprüfte Buchhalter durchzuführen, ungebührlich einschränke.

22      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich außerdem, dass die OTOC in bestimmten Fällen keine Entscheidung getroffen hat, obwohl der Antrag auf Anerkennung vor über fünf Monaten gestellt worden war, oder einen solchen Antrag erst über ein Jahr später beantwortete.

23      Mit einer Entscheidung vom 7. Mai 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die AdC, nachdem sie als relevanten Markt den Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter im gesamten Staatsgebiet definiert hatte, fest, dass die OTOC mit dem streitigen Erlass gegen die Art. 101 AEUV und 102 AEUV verstoßen habe, und verhängte eine Geldbuße gegen sie.

24      Die OTOC beantragte beim Tribunal do comércio de Lisboa, diese Entscheidung aufzuheben.

25      Dieses Gericht entschied zunächst, dass die OTOC eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter verursacht habe, indem sie zum einen alle geprüften Buchhalter dazu verpflichte, in den vorangegangenen beiden Jahren im Rahmen einer von der OTOC veranstalteten oder von ihr anerkannten Fortbildung jährlich durchschnittlich 35 Fortbildungspunkte, davon 12 im Rahmen der ausschließlich von der OTOC selbst veranstalteten Fortbildung, zu erwerben, und zum anderen darüber entscheide, welche Fortbildungseinrichtungen zur Erteilung von Fortbildungen zugelassen würden und mit welchen Fortbildungsmaßnahmen Fortbildungspunkte erworben werden könnten. Der streitige Erlass sei ferner geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

26      Sodann wies das Tribunal do comércio de Lisboa das Vorbringen zurück, die mit diesem Erlass verbundenen Beschränkungen des Wettbewerbs seien erforderlich, um die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs eines geprüften Buchhalters zu garantieren.

27      Schließlich stellte dieses Gericht fest, dass die OTOC ihre beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt nicht missbraucht habe. Es hob die angefochtene Entscheidung daher in diesem Punkt auf.

28      Die OTOC beantragte beim vorlegenden Gericht die Aufhebung der Entscheidung des Tribunal do comércio de Lisboa und machte geltend, dass sie mit einer Gemeinwohlaufgabe betraut sei, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe und darin bestehe, die Fortbildung ihrer Mitglieder zu fördern und dazu beizutragen. Ihre Fortbildungstätigkeit habe somit keinen Bezug zum Wirtschaftsleben und falle daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV. Jedenfalls finde diese Vorschrift, wie sich aus den Randnrn. 97 ff. des Urteils vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, Slg. 2002, I‑1577), ergebe, im vorliegenden Fall keine Anwendung, da etwaige beschränkende Wirkungen des Verhaltens der OTOC durch die Notwendigkeit gerechtfertigt seien, die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs eines geprüften Buchhalters sicherzustellen. Ferner trage der streitige Erlass im Sinne von Art. 101 Abs. 3 AEUV zur Verbesserung des Angebots und der Verteilung und zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts bei und beteilige die Verbraucher angemessen am Gewinn. Darüber hinaus stelle die Errichtung eines Systems der obligatorischen Fortbildung für geprüfte Buchhalter eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV dar.

29      Unter diesen Umständen hat das Tribunal da Relação de Lisboa das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist eine Einrichtung wie die OTOC als Ganzes für die Zwecke der Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften (auf dem Fortbildungsmarkt) als Unternehmensvereinigung anzusehen? Wenn ja, ist Art. 101 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass diese Vorschriften auch für eine Einrichtung gelten, die wie die OTOC in Umsetzung gesetzlicher Anforderungen zwingende Regeln mit allgemeiner Geltung über die obligatorische Fortbildung geprüfter Buchhalter erlässt, um den Bürgern eine vertrauenswürdige und qualitativ hochwertige Leistung zu garantieren?

2.      Kann, wenn eine Einrichtung wie die OTOC gesetzlich verpflichtet ist, ein System der obligatorischen Fortbildung für ihre Mitglieder durchzuführen, Art. 101 AEUV dahin ausgelegt werden, dass nach diesem Artikel die Schaffung eines gesetzlich vorgeschriebenen Fortbildungssystems durch die OTOC und der dessen Einzelheiten regelnde Erlass ungültig sein können, soweit damit lediglich das gesetzliche Gebot strikt umgesetzt wird? Oder fällt diese Materie im Gegenteil aus dem Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV heraus und ist nach den Art. 56 ff. AEUV zu beurteilen?

3.      Stehen im Hinblick darauf, dass es im Urteil Wouters u. a. ebenso wie in vergleichbaren Urteilen um eine Regulierung ging, die sich auf die wirtschaftliche Tätigkeit der der fraglichen berufsständischen Vertretung angeschlossenen Berufsangehörigen auswirkte, die Art. 101 AEUV und 102 AEUV einer Regulierung im Bereich der Fortbildung der geprüften Buchhalter entgegen, die keine unmittelbare Auswirkung auf die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Berufsangehörigen hat?

4.      Kann im Licht des Rechts der Union auf dem Gebiet des Wettbewerbs (auf dem Fortbildungsmarkt) eine berufsständische Vertretung für die Ausübung dieses Berufs eine bestimmte Fortbildung verlangen, die nur von ihr erteilt wird?

 Zu den Vorlagefragen

 Zu den ersten drei Fragen

 Vorbemerkungen

30      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die AdC in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass die OTOC mit der Annahme des streitigen Erlasses gegen Art. 101 AEUV und Art. 102 AEUV verstoßen habe. Diese Entscheidung wurde aber später vom Tribunal do comércio de Lisboa für nichtig erklärt, soweit die AdC darin einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV festgestellt hat. Beim vorlegenden Gericht beantragt die OTOC die Aufhebung der Entscheidung dieses Gerichts nur insoweit, als dieses die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV bestätigt hat.

31      Es ist somit offensichtlich, dass die erbetene Auslegung der Art. 56 ff. AEUV und 102 AEUV beim gegenwärtigen Stand des Ausgangsrechtsstreits in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Rechtsstreits steht, so dass sie für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich ist. Denn zum einen ist die Vereinbarkeit des streitigen Erlasses mit den Art. 56 ff. AEUV nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, und zum anderen wurde die Teilaufhebung dieser Entscheidung durch das Tribunal do comércio de Lisboa, soweit in dieser Entscheidung ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV festgestellt worden war, vor dem vorlegenden Gericht nicht angegriffen.

32      Demnach ist davon auszugehen, dass die erste, die zweite und die dritte Vorabentscheidungsfrage nur Art. 101 Abs. 1 AEUV betreffen.

 Zu den Vorlagefragen

33      Mit seinen ersten drei Fragen, die in den in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils aufgezeigten Grenzen zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Erlass wie der im Ausgangsverfahren fragliche, der von einer berufsständischen Vertretung wie der OTOC angenommen wurde, als Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Es möchte insbesondere wissen, ob es sich auf die Anwendung von Art. 101 AEUV auswirkt, dass zum einen die OTOC gesetzlich verpflichtet ist, allgemeinverbindliche Regeln zur Schaffung eines Systems der obligatorischen Fortbildung für seine Mitglieder zu erlassen, um den Bürgern eine vertrauenswürdige und qualitativ hochwertige Leistung zu garantieren, und dass zum anderen diese Regeln keine unmittelbare Auswirkung auf die wirtschaftliche Tätigkeit der geprüften Buchhalter haben.

34      Um zu bestimmen, ob ein Erlass wie der streitige als Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, ist zunächst zu prüfen, ob geprüfte Buchhalter Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union sind.

35      Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff des Unternehmens im Rahmen des Wettbewerbsrechts jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (siehe insbesondere Urteil Wouters u. a., Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist eine wirtschaftliche Tätigkeit jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (vgl. insbesondere Urteil Wouters u. a., Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die Buchhalter gegen Entgelt Dienstleistungen der Rechnungslegung anbieten, die nach Art. 6 der Satzung der OTOC darin bestehen, die Buchhaltung von Einheiten zu planen, zu organisieren und zu koordinieren, deren Jahresabschlüsse und Steuererklärungen zu unterzeichnen, in den Bereichen Buchhaltung, Steuern und soziale Sicherheit zu beraten und im Verwaltungsstadium des Steuerverfahrens die Steuerpflichtigen, deren Bücher sie führen, zu vertreten. Außerdem steht fest, dass die geprüften Buchhalter als Mitglieder eines freien Berufs die mit der Ausübung dieser Tätigkeiten verbundenen finanziellen Risiken tragen, da sie im Fall eines Ungleichgewichts zwischen den Ausgaben und den Einnahmen die festgestellten Verluste selbst zu tragen haben.

38      Die geprüften Buchhalter üben somit angesichts der Art und Weise, wie ihr Beruf in Portugal geregelt ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und sind daher Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV; auch dass ihre Dienstleistungen komplex und fachspezifisch sind und dass ihre Berufsausübung Regeln unterliegt, kann an diesem Ergebnis nichts ändern (vgl. entsprechend Urteil Wouters u. a., Randnr. 49).

39      Zweitens ist zu prüfen, ob eine berufsständische Vertretung wie die OTOC, wenn sie einen Erlass wie den streitigen annimmt, als eine Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV oder aber als Organ der öffentlichen Gewalt anzusehen ist.

40      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unterliegt eine Tätigkeit nicht den Wettbewerbsregeln des AEU-Vertrags, wenn sie nach ihrer Art, den für sie geltenden Regeln und ihrem Gegenstand keinen Bezug zum Wirtschaftsleben hat oder wenn sie mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zusammenhängt (vgl. insbesondere Urteil Wouters u. a., Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Erstens aber kann bei einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht davon ausgegangen werden, dass sie keinen Bezug zum Wirtschaftsleben hat.

42      Zum einem bietet die OTOC selbst Fortbildungsmaßnahmen für geprüfte Buchhalter an, und zum anderen unterliegt die Zulassung der anderen Dienstleister, die solche Fortbildungen anbieten wollen, den Vorschriften des streitigen Erlasses. Ein solcher Erlass wirkt sich daher unmittelbar auf das Wirtschaftsleben auf dem Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter aus.

43      Ferner ist, wie die polnische Regierung und die Europäische Kommission ausgeführt haben, die Verpflichtung des geprüften Buchhalters, eine Fortbildung nach den in diesem Erlass festgelegten Modalitäten zu absolvieren, eng mit der Ausübung seiner Berufstätigkeit verknüpft. Eine Missachtung dieser Verpflichtung könnte nämlich nach den Art. 57 Abs. 1 Buchst. a, 59 Abs. 2, 63 und 64 der Satzung der OTOC Disziplinarmaßnahmen, wie die Suspension für bis zu drei Jahre oder die Streichung im Register dieser berufsständischen Vertretung, nach sich ziehen.

44      Selbst wenn dieser Erlass, wie es das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage anzudeuten scheint, keine unmittelbaren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit der geprüften Buchhalter selbst haben sollte, wäre dieser Umstand allein nicht geeignet, einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung dem Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV zu entziehen.

45      Ein solcher Beschluss kann nämlich geeignet sein, im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, und zwar nicht nur auf dem Markt, auf dem die Mitglieder einer berufsständischen Vertretung ihre Tätigkeit ausüben, sondern auch auf einem anderen Markt, nämlich demjenigen, auf dem diese berufsständische Vertretung selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

46      Zweitens übt eine berufsständische Vertretung wie die OTOC, wenn sie einen Erlass wie den streitigen annimmt, keine typischerweise hoheitlichen Befugnisse aus, sondern handelt vielmehr als Organ zur Regelung eines Berufs, dessen Ausübung eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt.

47      Zum einen ist nämlich unstreitig, dass die Leitungsorgane der OTOC ausschließlich aus deren Mitgliedern bestehen. Auch sind die staatlichen Behörden an der Bestimmung der Mitglieder dieser Organe nicht beteiligt.

48      Dabei spielt es keine Rolle, dass die OTOC eine öffentlich-rechtliche Einrichtung ist. Art. 101 AEUV gilt nämlich nach seinem Wortlaut für Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen. Der rechtliche Rahmen, in dem solche Vereinbarungen geschlossen und solche Beschlüsse gefasst werden, ist für die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln der Union, insbesondere von Art. 101 AEUV, ebenso unerheblich wie die rechtliche Einordnung dieses Rahmens durch die nationalen Rechtsordnungen (Urteil Wouters u. a., Randnr. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Zum anderen ist die der OTOC gewährte Regelungsbefugnis nicht an Bedingungen oder Kriterien geknüpft, die diese berufsständische Vertretung bei der Annahme von Rechtsakten wie dem streitigen Erlass beachten müsste. In diesem Zusammenhang beschränkt sich Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und s der Satzung der OTOC darauf, dieser die Aufgaben zuzuweisen, „die Schulung und die berufliche Fortbildung ihrer Mitglieder zu fördern und dazu beizutragen, insbesondere durch die Organisation von Maßnahmen und Programmen der beruflichen Fortbildung, von Kursen und Konferenzen“, und „Systeme der obligatorischen beruflichen Fortbildung für ihre Mitglieder zu entwickeln, zu organisieren und durchzuführen“.

50      Diese Bestimmungen lassen der OTOC also einen großen Gestaltungsspielraum bezüglich der Grundsätze, Bedingungen und Modalitäten, denen das System der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter entsprechen muss.

51      Insbesondere überträgt die Satzung der OTOC dieser kein ausschließliches Recht zur Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen für geprüfte Buchhalter und schreibt nicht vor, unter welchen Bedingungen Fortbildungseinrichtungen Zugang zum Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter haben. Die entsprechenden Regeln finden sich vielmehr im streitigen Erlass.

52      Es steht außerdem fest, dass dieser Erlass von der OTOC ohne Mitwirkung des Staates angenommen wurde.

53      Die vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Frage angeführte Tatsache, dass die OTOC gesetzlich verpflichtet ist, ein System der obligatorischen Fortbildung für ihre Mitglieder einzurichten, steht den vorstehenden Erwägungen nicht entgegen.

54      Zwar bleiben in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat bei der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen an einen Berufsverband Kriterien des Allgemeininteresses und wesentliche Grundsätze festlegt, die bei der Satzungsgebung zu beachten sind, und die Letztentscheidungsbefugnis behält, die von diesem Berufsverband aufgestellten Regeln staatliche Regeln und unterliegen nicht den für die Unternehmen geltenden Vertragsbestimmungen (vgl. in diesem Sinne Urteil Wouters u. a., Randnr. 68).

55      Ein solcher Fall liegt im Ausgangsverfahren, wie sich aus den Randnrn. 49 bis 52 des vorliegenden Urteils ergibt, jedoch nicht vor.

56      Demnach sind die von der im Ausgangsverfahren fraglichen berufsständischen Vertretung erlassenen Normen über den Erwerb von Fortbildungspunkten allein ihr zuzurechnen.

57      Zur Frage, ob sich der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens angeführte Umstand, dass die OTOC keinen Erwerbszweck verfolgt, auf die Anwendung von Art. 101 AEUV auswirken kann, ist festzustellen, dass dieser Umstand dem nicht entgegensteht, dass die Einheit, die auf dem Markt tätig ist, als Unternehmen anzusehen ist, da ihr Dienstleistungsangebot mit dem von Wirtschaftsteilnehmern konkurriert, die einen Erwerbszweck verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C‑222/04, Slg. 2006, I‑289, Randnrn. 122 und 123, sowie vom 1. Juli 2008, MOTOE, C‑49/07, Slg. 2008, I‑4863, Randnr. 27).

58      Eben dies ist im Ausgangsverfahren der Fall. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich nämlich, dass die OTOC Maßnahmen der beruflichen Fortbildung für geprüfte Buchhalter anbietet und dabei mit anderen Fortbildungseinrichtungen konkurriert, die einen Erwerbszweck verfolgen.

59      Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen zu antworten:

–        Ein Erlass wie der streitige, der von einer berufsständischen Vertretung wie der OTOC angenommen wurde, ist als ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen.

–        Der Umstand, dass eine berufsständische Vertretung wie die OTOC gesetzlich verpflichtet ist, ein System der obligatorischen Fortbildung für ihre Mitglieder zu errichten, kann die von dieser berufsständischen Vertretung erlassenen Normen nicht dem Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV entziehen, sofern diese Normen ausschließlich ihr zuzurechnen sind.

–        Der Umstand, dass sich diese Normen nicht unmittelbar auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Mitglieder dieser berufsständischen Vertretung auswirken, berührt die Anwendung von Art. 101 AEUV nicht, wenn der der berufsständischen Vertretung zur Last gelegte Verstoß einen Markt betrifft, auf dem sie selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

 Zur vierten Frage

60      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Wettbewerbsrecht der Union es verbietet, dass eine berufsständische Vertretung ihre Mitglieder verpflichtet, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine bestimmte Fortbildung zu absolvieren, die nur von ihr erteilt wird.

61      Die portugiesische Regierung macht geltend, dass der Verstoß gegen Art. 101 AEUV, der in der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden sei und den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits bilde, nicht nur darin bestehe, den Mitgliedern der OTOC eine Fortbildung vorzuschreiben, die nur diese erteile.

62      Insoweit scheint sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, insbesondere aus der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidung des Tribunal do comércio de Lisboa zu ergeben, dass, was die OTOC und die portugiesische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt haben, der der OTOC zur Last gelegte Verstoß gegen Art. 101 AEUV in der Annahme des streitigen Erlasses besteht, durch den der Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter im Grunde künstlich segmentiert wurde, indem ein Drittel dieses Marktes der OTOC selbst vorbehalten wurde und auf dem restlichen Teil dieses Marktes diskriminierende Bedingungen zum Nachteil der Wettbewerber dieser berufsständischen Vertretung vorgesehen wurden.

63      Gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV sind Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

64      Es ist daher zu prüfen, ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

65      Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur dann beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit tatsächlicher und rechtlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell die Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen können, die für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann. Außerdem darf diese Beeinträchtigung nicht nur geringfügig sein (vgl. u. a. Urteil vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, Slg. 2006, I‑11125, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Ein Erlass wie der streitige, der sich auf das gesamte Hoheitsgebiet des fraglichen Mitgliedstaats erstreckt, ist im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten geeignet (vgl. entsprechend insbesondere Urteil vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C‑94/04 und C‑202/04, Slg. 2006, I‑11421, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Die im streitigen Beschluss aufgestellten Bedingungen für den Zugang zum Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter können in Anbetracht der Ausführungen in den Randnrn. 73 bis 92 des vorliegenden Urteils für die Entscheidung von in anderen Mitgliedstaaten als der Portugiesischen Republik ansässigen Unternehmen, ob sie in Portugal tätig werden wollen, erhebliche Bedeutung haben.

68      Zur Frage, ob ein Erlass wie der streitige eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken kann, ist festzustellen, dass dieser Erlass, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, die Qualität der von den geprüften Buchhaltern angebotenen Dienste dadurch gewährleisten soll, dass ein System der obligatorischen Fortbildung geschaffen wird.

69      Geht man folglich davon aus, dass dieser Erlass eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs nicht bezweckt, sind seine Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt zu prüfen.

70      Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Beurteilung der Wirkungen eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung im Hinblick auf Art. 101 AEUV die Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Rahmens, nämlich des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Natur der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte (vgl. Urteil Asnef-Equifax und Administración del Estado, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Art. 101 Abs. 1 AEUV beschränkt diese Beurteilung nicht auf tatsächliche Auswirkungen, sondern verpflichtet auch zur Berücksichtigung der potenziellen Auswirkungen des fraglichen Beschlusses auf den Wettbewerb im Binnenmarkt (Urteil Asnef-Equifax und Administración del Estado, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Auch wenn es Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob der streitige Erlass nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt hat oder haben könnte, ist es doch Aufgabe des Gerichtshofs, ihm hierzu die Kriterien für die Auslegung des Unionsrechts an die Hand zu geben, die ihm seine Entscheidung ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, C‑439/09, Slg. 2011, I‑9419, Randnr. 42).

73      Insoweit muss das vorlegende Gericht erstens die Struktur des Marktes der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter berücksichtigen, wie sie sich aus diesem Erlass ergibt.

74      Dieser Erlass sieht zwei Arten von Fortbildung – eine „institutionelle“ und eine „berufliche“ – vor, die sich nach ihrem Gegenstand, den Einrichtungen, die sie erteilen dürfen, und der Dauer der Fortbildungsmaßnahmen, die durchgeführt werden können, unterscheiden.

75      Was erstens den in Art. 3 Abs. 2 des streitigen Erlasses definierten Gegenstand der institutionellen Fortbildung betrifft, ist festzustellen, dass die geprüften Buchhalter nicht nur für ethische und berufsrechtliche Fragen, sondern auch für „Gesetzesinitiativen und ‑änderungen“ sensibilisiert werden sollen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die einschlägigen Entwicklungen in der Gesetzgebung auch Gegenstand der beruflichen Fortbildung sind, die nach Art. 3 Abs. 3 des Erlasses in „Studientagungen und Fortbildungslehrgängen zu beruflichen Themen“ besteht. Außerdem eröffnet jede – sowohl eine institutionelle als auch eine berufliche – Fortbildungsmaßnahme nach Art. 15 Abs. 1 dieses Erlasses, sofern sie von der OTOC durchgeführt oder anerkannt wird, einen Anspruch auf 1,5 Punkte pro Stunde.

76      Diese Gesichtspunkte sind geeignet, zu belegen, dass die beiden Fortbildungsarten als zumindest teilweise austauschbar angesehen werden könnten, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

77      Sollte dies der Fall sein, ist es nicht gerechtfertigt, dass der streitige Erlass die institutionelle und die berufliche Fortbildung nach ihrem Gegenstand unterscheidet. Insoweit geht aus Randnr. 7 der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5) hervor, dass der sachlich relevante Produktmarkt sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen umfasst, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.

78      Die Aufteilung des Marktes der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter, wie sie sich aus dem streitigen Erlass ergibt, zeigt sich zweitens in der Bestimmung der Einrichtungen, die die beiden Fortbildungsarten anbieten dürfen. Insoweit geht aus Art. 5 Abs. 2 dieses Erlasses hervor, dass die institutionelle Fortbildung nur von der OTOC erteilt werden darf. Außerdem müssen nach Art. 15 Abs. 2 des streitigen Erlasses von den im Jahresdurchschnitt 35 Punkten, die die geprüften Buchhalter nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. e des Erlasses über die Qualitätssicherung in den vorangegangenen beiden Jahren erwerben müssen, 12 Punkte im Rahmen der institutionellen Fortbildung erworben werden.

79      Daraus folgt, dass der streitige Erlass einen nicht unerheblichen Teil des Marktes der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter der OTOC vorbehält.

80      Drittens unterscheiden sich diese beiden Fortbildungsarten durch die Dauer der Maßnahmen, die jeweils durchgeführt werden können. So sieht Art. 3 Abs. 2 und 3 dieses Erlasses vor, dass die institutionelle Fortbildung höchstens 16 Stunden dauert, während die Dauer der beruflichen Fortbildung 16 Stunden übersteigen muss.

81      Dies kann zur Folge haben, dass, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, die anderen Fortbildungseinrichtungen als die OTOC, die Fortbildungsprogramme von kürzerer Dauer anbieten wollen, daran gehindert werden, dies zu tun.

82      Eine solche Regel kann daher zu Verzerrungen des Wettbewerbs auf dem Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter führen, indem sie das normale Verhältnis von Angebot und Nachfrage stört.

83      Viertens schreibt der streitige Erlass den geprüften Buchhaltern zwingend vor, jährlich mindestens 12 Punkte in der institutionellen Fortbildung zu erwerben, sieht aber für die berufliche Fortbildung kein entsprechendes Erfordernis vor. Daraus folgt, wie die portugiesische Regierung geltend macht, dass die geprüften Buchhalter wählen können, die 23 fehlenden Punkte entweder im Rahmen der beruflichen Fortbildung oder im Rahmen der institutionellen Fortbildung zu erwerben. Auch dies kann den von der OTOC im Rahmen der institutionellen Fortbildung durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen insbesondere unter Berücksichtigung ihrer kürzeren Dauer, wie in den Randnrn. 80 und 81 des vorliegenden Urteils ausgeführt, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

84      Das vorlegende Gericht muss zweitens die für andere Einrichtungen als die OTOC geltenden Bedingungen für den Zugang zu dem fraglichen Markt prüfen.

85      Hierzu ist festzustellen, dass sich – mit Ausnahme von Hochschulen und Einrichtungen, die nach dem Gesetz zur Durchführung von Fortbildungseinrichtungen befugt sind – Fortbildungseinrichtungen, die Maßnahmen anbieten wollen, die einen Anspruch auf Fortbildungspunkte eröffnen, zuvor bei der OTOC registrieren lassen müssen. Wie sich aus Art. 9 des streitigen Erlasses ergibt, ist es Sache der Leitung der OTOC, einem entsprechenden Antrag stattzugeben oder ihn abzulehnen.

86      Darüber hinaus müssen diese Einrichtungen, wenn sie wollen, dass die von ihnen geplanten Fortbildungsmaßnahmen einen Anspruch auf Fortbildungspunkte eröffnen, nach Art. 12 dieses Erlasses für jede Maßnahme einen Antrag auf Anerkennung bei der OTOC stellen. Dieser Antrag muss mindestens drei Monate vor Beginn der betreffenden Maßnahme gestellt werden und bestimmte Angaben enthalten, wie z. B. den Preis und das genaue Programm der jeweiligen Maßnahme. Der Antragsteller hat zudem für jede geplante Maßnahme eine Gebühr zu entrichten, die der OTOC zufließt. Die Entscheidung über die Anerkennung oder die Ablehnung wird von der Leitung dieser berufsständischen Vertretung getroffen.

87      Ferner steht fest, dass die OTOC auch Maßnahmen der beruflichen Fortbildung in Konkurrenz mit anderen Fortbildungseinrichtungen durchführt und dass die von der OTOC erteilte berufliche Fortbildung keinem Anerkennungsverfahren unterliegt.

88      Ein System unverfälschten Wettbewerbs, wie es der Vertrag vorsieht, lässt sich jedoch nur gewährleisten, wenn die Chancengleichheit der unterschiedlichen Marktteilnehmer sichergestellt wird (Urteil MOTOE, Randnr. 51).

89      Die in den Randnrn. 85 bis 87 des vorliegenden Urteils angeführten Gesichtspunkte können zur Folge haben, dass der streitige Erlass die Chancengleichheit der unterschiedlichen Marktteilnehmer nicht sicherstellt.

90      So sind erstens die Bedingungen, die Fortbildungseinrichtungen erfüllen müssen, um sich bei der OTOC registrieren und eine Fortbildungsmaßnahme anerkennen zu lassen, in den Art. 8 und 12 des streitigen Erlasses nicht sehr präzise gefasst.

91      Eine solche Regelung, die einer juristischen Person wie der OTOC die Befugnis einräumt, einseitig über im Hinblick auf die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen gestellte Anträge auf Registrierung oder Anerkennung zu entscheiden, ohne diese Befugnis Beschränkungen, Bindungen oder einer Kontrolle zu unterwerfen, könnte dazu führen, dass die mit dieser Befugnis ausgestattete juristische Person den Wettbewerb verfälscht, indem sie die von ihr selbst durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen begünstigt (vgl. entsprechend Urteil MOTOE, Randnr. 52).

92      Zweitens kann die Art und Weise, wie das Anerkennungsverfahren im streitigen Erlass geregelt ist, das Angebot an Fortbildungsmaßnahmen, die von anderen Einrichtungen als der OTOC vorgeschlagen werden, begrenzen. Denn der Umstand, dass für jede geplante Fortbildungsmaßnahme im Vorhinein die Anerkennung beantragt werden muss, und zwar drei Monate vor ihrem Beginn, kann sich insoweit zum Nachteil der Wettbewerber der OTOC auswirken, als dieses Verfahren sie daran hindert, aktuelle Fortbildungsmaßnahmen, die zum Bezug von Fortbildungspunkten berechtigen, unverzüglich anzubieten, und sie dazu verpflichtet, systematisch Einzelheiten zu den geplanten Maßnahmen offenzulegen.

93      Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass nicht jeder Beschluss einer Unternehmensvereinigung, durch den die Handlungsfreiheit der Parteien beschränkt wird, automatisch vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst wird. Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere dessen Zielsetzung zu würdigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Wouters u. a., Randnr. 97).

94      Im vorliegenden Fall ergibt sich, wie in Randnr. 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, aus der Vorlageentscheidung, dass der streitige Erlass die Qualität der von den geprüften Buchhaltern angebotenen Dienstleistungen sicherstellen soll.

95      Dieser Erlass trägt mit der Errichtung eines Systems der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter, das geeignet ist, die notwendige Garantie einer Schulung und ständigen beruflichen Fortbildung zu bieten und damit zu einer guten Verwaltung bei der Rechnungslegung der Unternehmen und den Steuern beizutragen, tatsächlich zur Verfolgung dieses Ziels bei.

96      Es ist weiter zu prüfen, ob die mit dem streitigen Erlass verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen bei vernünftiger Betrachtung als notwendig angesehen werden konnten, um die Qualität der von den geprüften Buchhaltern angebotenen Dienstleistungen sicherzustellen, und ob diese Wirkungen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Verfolgung dieses Ziels sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Wouters u. a., Randnrn. 97, 107 und 109).

97      Wie sich aus den Erwägungen in den Randnrn. 73 bis 92 des vorliegenden Urteils ergibt, sollen die mit dem streitigen Erlass verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen im Kern darin bestehen, dass der Wettbewerb auf einem wesentlichen Teil des betreffenden Marktes ausgeschaltet wird und für den restlichen Teil dieses Marktes diskriminierende Bedingungen festgelegt werden.

98      Die Ausschaltung des Wettbewerbs für Fortbildungsmaßnahmen mit einer Dauer von weniger als 16 Stunden kann keinesfalls als zur Sicherstellung der Qualität der von den geprüften Buchhaltern angebotenen Dienstleistungen erforderlich angesehen werden.

99      Was ferner die Bedingungen für den Zugang zum Markt der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter angeht, ließe sich das Ziel, die Qualität der von diesen angebotenen Dienstleistungen sicherzustellen, durch ein Kontrollsystem erreichen, das auf eindeutigen, transparenten, nichtdiskriminierenden und überprüfbaren Kriterien beruht, die den Fortbildungseinrichtungen einen gleichberechtigten Zugang zum fraglichen Markt garantieren können.

100    Daraus folgt, dass derartige Beschränkungen über das hinauszugehen scheinen, was zur Sicherstellung der Qualität der von den geprüften Buchhaltern angebotenen Dienstleistungen erforderlich ist.

101    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt vor, dass der streitige Erlass jedenfalls von der in Art. 101 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ausnahme erfasst sei oder unter Art. 106 Abs. 2 AEUV falle.

102    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendbarkeit der Ausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV von der kumulativen Erfüllung von vier Tatbestandsmerkmalen abhängt. Erstens muss der betreffende Beschluss zur Verbesserung der Erzeugung oder Verteilung der fraglichen Waren oder Erbringung der fraglichen Dienstleistungen oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, zweitens muss der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden, drittens darf der Beschluss den beteiligten Unternehmen keine nicht unerlässlichen Beschränkungen auferlegen, und viertens darf er ihnen keine Möglichkeiten eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen den Wettbewerb auszuschalten (vgl. in diesem Sinne Urteil Asnef-Equifax und Administración del Estado, Randnr. 65).

103    Da, erstens, der streitige Erlass, wie in Randnr. 97 des vorliegenden Urteils festgestellt, geeignet ist, der OTOC die Möglichkeit zu eröffnen, für einen wesentlichen Teil der Fortbildungsdienstleistungen für geprüfte Buchhalter den Wettbewerb auszuschalten, und, zweitens, die mit diesem Erlass verbundenen Beschränkungen aus den in den Randnrn. 98 bis 100 des vorliegenden Urteils angeführten Gründen nicht als unerlässlich angesehen werden können, findet Art. 101 Abs. 3 AEUV in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens keine Anwendung.

104    Was die Berufung auf Art. 106 Abs. 2 AEUV betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Vorschrift für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, die Wettbewerbsregeln gelten, soweit deren Anwendung nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert.

105    Insoweit ergibt sich weder aus den vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten noch aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, dass an der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter ein allgemeines wirtschaftliches Interesse besteht, das sich von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet, oder, selbst wenn dies der Fall wäre, dass die Anwendung der Vorschriften des Vertrags, insbesondere derjenigen über den Wettbewerb, die Erfüllung einer solchen Aufgabe verhindern könnte (vgl. entsprechend Urteil vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali porto di Genova, C‑179/90, Slg. 1991, I‑5889, Randnr. 27).

106    Jedenfalls können sich die unter Art. 106 Abs. 2 AEUV fallenden Unternehmen nur dann auf diese Vertragsbestimmung berufen, um eine gegen Art. 101 AEUV verstoßende Maßnahme zu rechtfertigen, wenn die Wettbewerbsbeschränkungen oder sogar der Ausschluss jeglichen Wettbewerbs erforderlich sind, um die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juni 1998, Dusseldorp u. a., C‑203/96, Slg. 1998, I‑4075, Randnr. 65, vom 19. Mai 1993, Corbeau, C‑320/91, Slg. 1993, I‑2533, Randnr. 14, und vom 27. April 1994, Almelo, C‑393/92, Slg. 1994, I‑1477, Randnr. 46).

107    Aus den in den Randnrn. 98 bis 100 des vorliegenden Urteils angeführten Gründen scheinen die mit dem streitigen Erlass verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen über das hinauszugehen, was erforderlich ist, um die Erfüllung der der OTOC übertragenen besonderen Aufgabe sicherzustellen, so dass Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht anwendbar ist.

108    Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass ein Erlass wie der streitige, mit dem ein System der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter errichtet wird, um die Qualität der von diesen angebotenen Dienstleistungen sicherzustellen, und der von einer berufsständischen Vertretung wie der OTOC angenommen wurde, eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbewerbsbeschränkung darstellt, wenn er, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, auf einem wesentlichen Teil des relevanten Marktes zugunsten dieser berufsständischen Vertretung den Wettbewerb ausschaltet und auf dem restlichen Teil dieses Marktes diskriminierende Bedingungen zum Nachteil der Wettbewerber der berufsständischen Vertretung vorsieht.

 Kosten

109    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Ein Erlass wie der Erlass über den Erwerb von Fortbildungspunkten (Regulamento da Formação de Créditos), der von einer berufsständischen Vertretung wie der Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas (Berufsständische Vertretung für geprüfte Buchhalter) angenommen wurde, ist als ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen.

Der Umstand, dass eine berufsständische Vertretung wie die Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas gesetzlich verpflichtet ist, ein System der obligatorischen Fortbildung für ihre Mitglieder zu errichten, kann die von dieser berufsständischen Vertretung erlassenen Normen nicht dem Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV entziehen, sofern diese Normen ausschließlich ihr zuzurechnen sind.

Der Umstand, dass sich diese Normen nicht unmittelbar auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Mitglieder dieser berufsständischen Vertretung auswirken, berührt die Anwendung von Art. 101 AEUV nicht, wenn der der berufsständischen Vertretung zur Last gelegte Verstoß einen Markt betrifft, auf dem sie selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

2.      Ein Erlass wie der Erlass über den Erwerb von Fortbildungspunkten, mit dem ein System der obligatorischen Fortbildung der geprüften Buchhalter errichtet wird, um die Qualität der von diesen angebotenen Dienstleistungen sicherzustellen, und der von einer berufsständischen Vertretung wie der Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas angenommen wurde, stellt eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn er, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, auf einem wesentlichen Teil des relevanten Marktes zugunsten dieser berufsständischen Vertretung den Wettbewerb ausschaltet und auf dem restlichen Teil dieses Marktes diskriminierende Bedingungen zum Nachteil der Wettbewerber der berufsständischen Vertretung vorsieht.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.