Language of document : ECLI:EU:C:2013:518

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

18. Juli 2013(*)

„Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen – Verordnung (EG) Nr. 881/2002 – Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen einer Person, die in eine von einem Organ der Vereinten Nationen erstellte Liste aufgenommen ist – Aufnahme dieser Person in die in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 enthaltene Liste – Nichtigkeitsklage – Grundrechte – Verteidigungsrechte – Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Recht auf Achtung des Eigentums – Begründungspflicht“

In den verbundenen Rechtssachen C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P

betreffend drei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 10. Dezember 2010,

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch P. Hetsch, S. Boelaert, E. Paasivirta und M. Konstantinidis, dann durch L. Gussetti, S. Boelaert, E. Paasivirta und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, zunächst vertreten durch E. Jenkinson, dann durch S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von J. Wallace, QC, D. Beard, QC, und M. Wood, Barrister,

Rechtsmittelführer,

unterstützt durch:

Republik Bulgarien, vertreten durch B. Zaimov, T. Ivanov und E. Petranova als Bevollmächtigte,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten,

Ungarn, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und K. Molnár als Bevollmächtigte,

Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels und M. Bulterman als Bevollmächtigte,

Slowakische Republik, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Republik Finnland, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

Streithelfer in den Rechtsmittelverfahren (C‑584/10 P und C‑595/10 P),

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop, E. Finnegan und R. Szostak als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführer,

unterstützt durch:

Republik Bulgarien, vertreten durch B. Zaimov, T. Ivanov und E. Petranova als Bevollmächtigte,

Tschechische Republik, vertreten durch K. Najmanová, E. Ruffer, M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,

Königreich Dänemark, vertreten durch L. Volck Madsen als Bevollmächtigten,

Irland, zunächst vertreten durch D. O’Hagan, dann durch E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von N. Travers, BL, und P. Benson, Solicitor, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Königreich Spanien, vertreten durch M. Muñoz Pérez und N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten,

Ungarn, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und K. Molnár als Bevollmächtigte,

Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels und M. Bulterman als Bevollmächtigte,

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Slowakische Republik, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Republik Finnland, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren (C‑593/10 P),

andere Parteien des Verfahrens:

Yassin Abdullah Kadi, Prozessbevollmächtigte: D. Vaughan, QC, V. Lowe, QC, J. Crawford, SC, M. Lester und P. Eeckhout, Barristers, G. Martin, Solicitor, und C. Murphy,

Kläger im ersten Rechtszug,

Französische Republik, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues, D. Colas, A. Adam und E. Ranaivoson als Bevollmächtigte,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin M. Berger, der Richter U. Lõhmus, E. Levits und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter J.‑J. Kasel, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. März 2013

folgendes

Urteil

1        Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Europäische Kommission, der Rat der Europäischen Union und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 30. September 2010, Kadi/Kommission (T‑85/09, Slg. 2010, II‑5177, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Verordnung (EG) Nr. 1190/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur 101. Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen (ABl. L 322, S. 25, im Folgenden: streitige Verordnung), für nichtig erklärt hat, soweit sie Herrn Kadi betrifft.

 Rechtlicher Rahmen

 Charta der Vereinten Nationen

2        Gemäß Art. 1 Abs. 1 und 3 der am 26. Juni 1945 in San Francisco (Vereinigte Staaten) unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen gehört es zu den Zielen der Vereinten Nationen, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“ sowie „eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“.

3        Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen trägt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Nach Art. 24 Abs. 2 der Charta handelt er bei der Erfüllung dieser Pflichten im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen.

4        Nach Art. 25 der Charta der Vereinten Nationen kommen die Mitglieder der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) überein, die Beschlüsse des Sicherheitsrats im Einklang mit dieser Charta anzunehmen und durchzuführen.

5        In Kapitel VII („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“) der Charta der Vereinten Nationen sind die Maßnahmen definiert, die in derartigen Fällen zu ergreifen sind. Art. 39 der Charta, der dieses Kapitel einleitet, bestimmt, dass der Sicherheitsrat feststellt, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt, und Empfehlungen abgibt oder beschließt, welche Maßnahmen aufgrund der Art. 41 und 42 der Charta zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. Gemäß Art. 41 der Charta kann der Sicherheitsrat beschließen, welche Maßnahmen – unter Ausschluss von Waffengewalt – zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen, und er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen.

6        Nach Art. 48 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen werden die Beschlüsse des Sicherheitsrats zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit von den Mitgliedern der Vereinten Nationen unmittelbar sowie durch Maßnahmen in den geeigneten internationalen Einrichtungen durchgeführt, deren Mitglieder sie sind.

7        Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus der Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, haben nach Art. 103 der Charta die Verpflichtungen aus der Charta Vorrang.

 Maßnahmen des Sicherheitsrats gegen den internationalen Terrorismus und Umsetzung dieser Maßnahmen durch die Union

8        Seit Ende der 90er Jahre und verstärkt seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten hat der Sicherheitsrat eine Reihe von Resolutionen verabschiedet, die auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen gestützt sind und der Bekämpfung der terroristischen Bedrohungen des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit gelten. Während sich diese Resolutionen ursprünglich allein gegen die Taliban in Afghanistan richteten, wurden sie später auf Osama bin Laden, Al-Qaida und Personen und Einrichtungen, die mit ihnen in Verbindung stehen, ausgeweitet. Sie sehen u. a. vor, dass die Vermögenswerte der Organisationen, Einrichtungen und Personen eingefroren werden, die der vom Sicherheitsrat gemäß seiner Resolution 1267 (1999) vom 15. Oktober 1999 eingesetzte Ausschuss (im Folgenden: Sanktionsausschuss) in eine konsolidierte Liste (im Folgenden: konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses) aufgenommen hat.

9        Zur Bearbeitung der Anträge von Organisationen, Einrichtungen oder Personen, deren Namen in diese Liste aufgenommen wurden, auf Streichung von der Liste sah die Resolution 1730 (2006) des Sicherheitsrats vom 19. Dezember 2006 vor, beim Sicherheitsrat eine „Koordinierungsstelle“ zur Entgegennahme dieser Anträge zu schaffen. Diese Koordinierungsstelle wurde im März 2007 eingerichtet.

10      Ziff. 5 der Resolution 1735 (2006) des Sicherheitsrats vom 22. Dezember 2006 sieht vor, dass die Staaten, wenn sie beim Sanktionsausschuss die Aufnahme des Namens einer Organisation, Einrichtung oder Person in seine konsolidierte Liste beantragen, „eine Darstellung des Falls vorlegen werden; diese Falldarstellung soll möglichst viele Einzelheiten über die Grundlage(n) für die Aufnahme in die Liste enthalten, darunter: i) spezifische Informationen zur Stützung der Feststellung, dass die Person oder Einrichtung den genannten Kriterien entspricht, ii) Angaben über die Art der Informationen und iii) Nachweise oder Dokumente, die beigebracht werden können“. Nach Ziff. 6 der Resolution werden die Staaten ersucht, „bei der Vorlage ihres Antrags anzugeben, welche Teile der Falldarstellung für die Zwecke der Benachrichtigung der in die [konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses] aufzunehmenden Person oder Einrichtung veröffentlicht werden können und welche Teile interessierten Staaten auf Antrag bekannt gegeben werden können“.

11      Nach Ziff. 12 der Resolution 1822 (2008) des Sicherheitsrats vom 30. Juni 2008 haben die Mitgliedstaaten u. a. „für jeden Vorschlag zur Aufnahme in die Liste anzugeben …, welche Teile der Falldarstellung veröffentlicht werden können, auch zur Verwendung durch den [Sanktionsausschuss] bei der Erstellung der in Ziffer 13 beschriebenen Zusammenfassung oder für die Zwecke der Benachrichtigung oder Information der in die [konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses] aufgenommenen Person oder Einrichtung, und welche Teile interessierten Staaten auf Antrag bekannt gegeben werden können“. Ziff. 13 dieser Resolution sieht vor, dass der Sanktionsausschuss nach der Aufnahme eines Namens in die konsolidierte Liste auf seiner Website eine „Zusammenfassung der Gründe für die Aufnahme des jeweiligen Eintrags/der jeweiligen Einträge“ und eine „Zusammenfassung der Gründe für die Aufnahme derjenigen Einträge, die vor dem Datum der Verabschiedung dieser Resolution in die Konsolidierte Liste aufgenommen wurden“, veröffentlicht.

12      Hinsichtlich der Anträge auf Streichung von der Liste wurde durch die Resolution 1904 (2009) des Sicherheitsrats vom 17. Dezember 2009 ein „Büro der Ombudsperson“ eingerichtet, das nach Ziff. 20 dieser Resolution dem Sanktionsausschuss bei der Prüfung dieser Anträge zur Seite stehen soll. Die Person, die zur Ombudsperson ernannt wird, muss sich nach Ziff. 20 durch hohes sittliches Ansehen, Unparteilichkeit und Integrität auszeichnen und über hohe Qualifikationen und Erfahrung auf einschlägigen Gebieten, wie dem Recht, den Menschenrechten, der Terrorismusbekämpfung und Sanktionen verfügen. Die Aufgaben der Ombudsperson, die in Anlage II dieser Resolution umschrieben sind, umfassen eine Phase der Sammlung von Informationen bei den betreffenden Staaten und eine Phase des Austauschs, die auch den Dialog mit der Organisation, Einrichtung oder Person einschließen kann, die die Streichung ihres Namens aus der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses beantragt. Nach Abschluss dieser beiden Phasen muss die Ombudsperson einen „umfassenden Bericht“ erstellen und dem Sanktionsausschuss übermitteln; dieser muss sodann den Streichungsantrag unter Mitwirkung der Ombudsperson prüfen und nach Abschluss dieser Prüfung entscheiden, ob er ihm stattgibt.

13      Da die Mitgliedstaaten in mehreren im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkten die Auffassung vertraten, dass ein Tätigwerden der Union erforderlich sei, um die Resolutionen des Sicherheitsrats auf dem Gebiet der Bekämpfung des internationalen Terrorismus umzusetzen, erließ der Rat eine Reihe von Verordnungen, die u. a. vorsahen, die Vermögenswerte der vom Sanktionsausschuss benannten Organisationen, Einrichtungen und Personen einzufrieren.

14      Neben der vorstehend beschriebenen Regelung, die sich nur auf Organisationen, Einrichtungen und Personen bezieht, die vom Sanktionsausschuss namentlich als mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban verbunden benannt wurden, gibt es eine umfangreichere, in der Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats vom 28. September 2001 vorgesehene Regelung, die ebenfalls als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 erlassen wurde. Diese Resolution, die desgleichen Maßnahmen des Einfrierens von Vermögenswerten vorsieht, unterscheidet sich von den oben genannten Resolutionen dadurch, dass die Benennung der Organisationen, Einrichtungen oder Personen, auf die sie Anwendung finden soll, vollständig in das Ermessen der Staaten gestellt ist.

15      Auf der Ebene der Union wurde die genannte Resolution durch den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 93) und die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 70) umgesetzt. Diese Rechtsakte enthalten eine regelmäßig überarbeitete Liste von Organisationen, Einrichtungen und Personen, die im Verdacht stehen, in terroristische Handlungen verwickelt zu sein.

 Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten

 Rechtssache, in der das Urteil Kadi ergangen ist

16      Am 17. Oktober 2001 wurde der Name von Herrn Kadi, der als mit Osama bin Laden und dem Al-Qaida-Netzwerk verbundene Person benannt wurde, in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses aufgenommen.

17      Sein Name wurde daraufhin in die in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates vom 6. März 2001 über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 337/2000 (ABl. L 67, S. 1) enthaltene Liste aufgenommen, und zwar durch die Verordnung (EG) Nr. 2062/2001 der Kommission vom 19. Oktober 2001 zur dritten Änderung der Verordnung Nr. 467/2001 (ABl. L 277, S. 25). Anschließend wurde er in die Liste in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 467/2001 (ABl. L 139, S. 9) aufgenommen.

18      Am 18. Dezember 2001 erhob Herr Kadi beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung zunächst der Verordnungen Nrn. 467/2001 und 2062/2001, dann der Verordnung Nr. 881/2002, soweit diese Verordnungen ihn betrafen. Er begründete seine Nichtigkeitsklage mit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und seines Eigentumsrechts, einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und einer Verletzung seines Anspruchs auf eine effektive gerichtliche Kontrolle.

19      Mit Urteil vom 21. September 2005, Kadi/Rat und Kommission (T‑315/01, Slg. 2005, II‑3649), wies das Gericht diese Klage ab. Im Wesentlichen entschied es, dass sich aus den Grundsätzen, nach denen sich die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der durch die Vereinten Nationen entstandenen internationalen Rechtsordnung und der Unionsrechtsordnung richte, ergebe, dass die Verordnung Nr. 881/2002, da sie der Umsetzung einer Resolution des Sicherheitsrats diene, die insoweit keinen Ermessensspielraum lasse, nicht Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle ihrer materiellen Rechtmäßigkeit sein könne und daher außer in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften des ius cogens – verstanden als internationaler ordre public, der für alle Völkerrechtssubjekte einschließlich der Organe der UNO gelte und von dem nicht abgewichen werden dürfe – nicht justiziabel sei.

20      Daher schloss das Gericht in diesem Fall nach dem Standard des universellen Schutzes der zum ius cogens gehörenden Menschenrechte einen Verstoß gegen die von Herrn Kadi geltend gemachten Rechte aus. Insbesondere wies es in Bezug auf den Anspruch auf effektive gerichtliche Kontrolle darauf hin, dass es weder befugt sei, mittelbar zu prüfen, ob die Resolutionen des Sicherheitsrats mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten vereinbar seien, noch zu überprüfen, ob die Tatsachen und Beweise, die der Sicherheitsrat zur Stützung der getroffenen Maßnahmen herangezogen habe, nicht fehlerhaft gewürdigt worden seien, oder mittelbar zu kontrollieren, ob diese Maßnahmen zweckmäßig und verhältnismäßig seien. Eine derartige Lücke im gerichtlichen Rechtsschutz von Herrn Kadi verstoße für sich genommen nicht gegen das ius cogens.

21      Mit seinem Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, im Folgenden: Urteil Kadi), hob der Gerichtshof das Urteil Kadi/Rat und Kommission auf und erklärte die Verordnung Nr. 881/2002 für nichtig, soweit sie Herrn Kadi betraf.

22      Im Wesentlichen entschied der Gerichtshof, dass die Verpflichtungen aus einer internationalen Übereinkunft nicht die Verfassungsgrundsätze des EG-Vertrags beeinträchtigen dürfen, insbesondere nicht den Grundsatz, dass alle Handlungen der Union die Grundrechte achten müssen, da deren Achtung eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen ist, die der Gerichtshof im Rahmen des mit dem Vertrag geschaffenen umfassenden Systems von Rechtsbehelfen zu überprüfen hat. Ungeachtet dessen, dass die im Rahmen der UNO übernommenen Verpflichtungen bei der Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats beachtet werden müssen, implizieren die Grundsätze, die für die durch die Vereinten Nationen entstandene Völkerrechtsordnung gelten, nicht, dass ein Unionsrechtsakt wie die Verordnung Nr. 881/2002 nicht justiziabel ist. Eine solche Nichtjustiziabilität findet im EG-Vertrag keine Stütze.

23      Daher entschied der Gerichtshof in den Randnrn. 326 und 327 des Urteils Kadi, dass die Unionsgerichte eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte gewährleisten müssen, und zwar auch dann, wenn solche Handlungen der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats dienen sollen, und dass die Beurteilung durch das Gericht folglich mit einem Rechtsfehler behaftet war.

24      Zu der von Herrn Kadi beim Gericht erhobenen Klage entschied der Gerichtshof in den Randnrn. 336 bis 341 des Urteils Kadi, dass die Effektivität der gerichtlichen Kontrolle voraussetzt, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die Begründung der fraglichen Entscheidung über die Aufnahme in die Liste mitteilt und ihr die Gelegenheit einräumt, hierzu gehört zu werden. Soweit es um eine Entscheidung über die erstmalige Aufnahme in die Liste geht, rechtfertigten es Gründe der Wirksamkeit der fraglichen restriktiven Maßnahmen und das Ziel der betreffenden Verordnung, dass diese Mitteilung und diese Anhörung nicht vor dem Erlass der Entscheidung, sondern zum Zeitpunkt ihres Erlasses oder so bald wie möglich danach erfolgen.

25      In den Randnrn. 345 bis 349 des Urteils Kadi führte der Gerichtshof des Weiteren aus, da der Rat Herrn Kadi weder die ihm zur Last gelegten Umstände, mit denen die gegen ihn verhängten Restriktionen begründet wurden, mitgeteilt noch ihm das Recht gewährt hatte, innerhalb einer angemessenen Frist nach Anordnung der betreffenden Maßnahmen Auskunft über diese Umstände zu erhalten, konnte der Betroffene seinen Standpunkt hierzu nicht sachdienlich vortragen, so dass die Verteidigungsrechte und der Anspruch auf eine effektive gerichtliche Kontrolle verletzt worden waren. In Randnr. 350 des genannten Urteils stellte er zudem fest, dass dieser Verstoß vor dem Unionsrichter nicht geheilt worden war, da der Rat nichts zur Heilung vorgetragen hatte. In den Randnrn. 369 bis 371 des Urteils Kadi stellte der Gerichtshof aus den gleichen Gründen einen Verstoß gegen das Grundrecht von Herrn Kadi auf Achtung des Eigentums fest.

26      Die Wirkungen der, soweit sie Herrn Kadi betraf, für nichtig erklärten Verordnung wurden für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten aufrechterhalten, um dem Rat zu ermöglichen, die festgestellten Verstöße zu heilen.

 Die Maßnahmen, die die Unionsorgane auf das Urteil Kadi folgen ließen, und die streitige Verordnung

27      Am 21. Oktober 2008 übermittelte der Präsident des Sanktionsausschusses dem Ständigen Vertreter Frankreichs bei der UNO die Begründung für die Aufnahme von Herrn Kadi in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses und gestattete die Übermittlung dieser Begründung an Herrn Kadi.

28      In dieser Begründung heißt es:

„Die Einzelperson Yasin Abdullah Ezzedine Qadi … erfüllt die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste [des Sanktionsausschusses] aufgrund folgender von ihr begangener Handlungen: a) die Beteiligung an der Finanzierung, Planung, Erleichterung, Vorbereitung oder Begehung von Handlungen oder Aktivitäten durch, zusammen mit, unter dem Namen oder im Namen von oder zur Unterstützung der Al-Qaida, Osama bin Ladens oder der Taliban oder einer ihrer Zellen, Unterorganisationen, Splittergruppen oder Ableger; b) die Lieferung, der Verkauf oder die Weitergabe von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial an diese; c) die Rekrutierung für diese; d) die sonstige Unterstützung ihrer Handlungen oder Aktivitäten (vgl. Ziff. 2 der Resolution 1822 [2008] des Sicherheitsrats).

Herr Qadi hat zugegeben, dass er Gründungsmitglied der Muwafaq-Foundation ist und deren Tätigkeiten geleitet hat. Die Muwafaq-Foundation war ursprünglich unter der Kontrolle der Makhtab al-Khidamat (QE.M.12.01.) tätig, einer von Abdullah Azzam und Osama bin Laden [Usama Muhammad Awad bin Laden] (QI.B.8.01.) gegründeten Organisation, dem Vorgänger von Al-Qaida (QE.A.4.01.). Nachdem die Makhtab al-Khidamat Anfang Juni 2001 aufgelöst worden und in Al-Qaida aufgegangen war, schlossen sich mehrere Nichtregierungsorganisationen, die früher mit ihr in Verbindung gestanden hatten, darunter die Muwafaq-Foundation, ebenfalls der Al-Qaida an.

1992 übertrug Herr Qadi die Leitung der europäischen Büros der Muwafaq-Foundation an Shafiq Ben Mohamed Ben Mohamed Al-Ayadi (QI.A.25.01.). Mitte der 90er Jahre leitete Herr Al-Ayadi auch den Zweig der Muwafaq-Foundation in Bosnien-Herzegowina. Herr Qadi stellte Herrn Al-Ayadi auf Empfehlung des bekannten Al-Qaida-Finanziers Wa’el Hamza Abd al-Fatah Julaidan (QI.J.79.02.) ein, der in den 80er Jahren an der Seite von Osama bin Laden in Afghanistan kämpfte. Als Herr Al-Ayadi von Herrn Qadi zum europäischen Leiter der Muwafaq-Foundation ernannt wurde, war Herr Al-Ayadi in Absprache mit Osama bin Laden tätig. Herr Al-Ayadi war einer der Hauptanführer des Front Islamique Tunisien. Anfang der 90er Jahre begab sich Herr Al-Ayadi für eine paramilitärische Ausbildung nach Afghanistan und ging anschließend mit weiteren Personen in den Sudan, wo er Osama bin Laden traf, mit dem sie eine förmliche Vereinbarung über die Aufnahme und Ausbildung von Tunesiern schlossen. Später trafen sie Osama bin Laden ein zweites Mal und vereinbarten, dass Mitstreiter von bin Laden in Bosnien-Herzegowina aus Italien kommende tunesische Kämpfer aufnehmen.

1995 erklärte der Führer von Al-Gama’at al Islamiyya, Herr Talad Fuad Kassem, dass die Muwafaq-Foundation einem Bataillon von Kämpfern in Bosnien-Herzegowina logistische und finanzielle Unterstützung gewährt habe. Mitte der 90er Jahre war die Muwafaq-Foundation an der Erbringung finanzieller Unterstützung für terroristische Tätigkeiten der Kämpfer und am Waffenhandel zwischen Albanien und Bosnien-Herzegowina beteiligt. Diese Tätigkeiten wurden zum Teil von Osama bin Laden finanziert.

Herr Qadi war auch einer der wichtigsten Anteilseigner der mittlerweile geschlossenen Depo[z]itna Banka mit Sitz in Sarajevo, an der Herr Al-Ayadi ebenfalls beteiligt war und als Strohmann für die Anteile von Herrn Qadi auftrat. In dieser Bank fanden möglicherweise Zusammenkünfte zur Vorbereitung eines Anschlags gegen eine Einrichtung der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien statt.

Herrn Qadi gehörten zudem mehrere Firmen in Albanien, die Gelder an Extremisten leiteten oder Extremisten in Positionen beschäftigten, in denen sie die Firmenmittel kontrollierten. Bin Laden stellte das Betriebskapital für bis zu fünf der Gesellschaften von Herrn Qadi in Albanien bereit.“

29      Diese Begründung wurde auch auf der Website des Sanktionsausschusses veröffentlicht.

30      Am 22. Oktober 2008 übermittelte der Ständige Vertreter Frankreichs bei der Union der Kommission diese Begründung. Die Kommission übersandte sie am selben Tag Herrn Kadi und teilte ihm mit, dass sie aus den darin genannten Gründen beabsichtige, seine Eintragung in die in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 enthaltene Liste aufrechtzuerhalten. Die Kommission gewährte Herrn Kadi eine Frist bis zum 10. November 2008, um sich zu diesen Gründen zu äußern und ihr alle von ihm für zweckdienlich gehaltenen Informationen zu übermitteln, bevor sie ihre endgültige Entscheidung treffe.

31      Am 10. November 2008 übermittelte Herr Kadi der Kommission seine Stellungnahme. Gestützt auf Schriftstücke, aus denen hervorging, dass die schweizerischen, die türkischen und die albanischen Behörden Strafverfahren eingestellt hatten, die gegen ihn wegen Unterstützung terroristischer Organisationen oder wegen Finanzkriminalität eingeleitet worden waren, machte er geltend, dass er die ihn belastenden Behauptungen immer, wenn ihm die Gelegenheit gegeben worden sei, seinen Standpunkt zu den gegen ihn angeführten Beweisen vorzutragen, habe widerlegen können, und beantragte, ihm die Beweise für die in der Begründung enthaltenen, seine Aufnahme in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses betreffenden Äußerungen und Behauptungen sowie die relevanten Unterlagen der Kommissionsakte vorzulegen und ihm die Möglichkeit einzuräumen, zu diesen Beweisen Stellung zu nehmen. Er beanstandete die Unbestimmtheit und Allgemeinheit einer Reihe in dieser Begründung enthaltener Behauptungen und trat den ihn belastenden Gründen unter Vorlage von Beweisen entgegen.

32      Am 28. November 2008 erließ die Kommission die streitige Verordnung.

33      In ihren Erwägungsgründen 3 bis 6 sowie 8 und 9 heißt es:

„(3)      Um dem Urteil [Kadi] des Gerichtshofs nachzukommen, hat die Kommission Herrn Kadi … die vom … Sanktionsausschuss … zur Verfügung gestellte Zusammenfassung der Gründe übermittelt und [ihm] Gelegenheit gegeben, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen und [seinen] Standpunkt darzulegen.

(4)      Die Kommission hat von Herrn Kadi … Stellungnahmen erhalten und diese geprüft.

(5)      Die vom … Sanktionsausschuss … erstellte Liste der Personen, Gruppen und Organisationen, auf die das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen anzuwenden ist, umfasst Herrn Kadi …

(6)      Nach sorgfältiger Erwägung der von Herrn Kadi mit Schreiben vom 10. November 2008 übermittelten Stellungnahme und angesichts des präventiven Charakters des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen ist die Kommission der Auffassung, dass es aufgrund der Verbindungen von Herrn Kadi mit dem Al-Qaida-Netzwerk gerechtfertigt ist, ihn in der Liste zu führen.

(8)      Daher [ist] Herr Kadi … Anhang I hinzuzufügen.

(9)      Angesichts des präventiven Charakters und der Ziele, die durch das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen gemäß der Verordnung … Nr. 881/2002 erreicht werden sollen, und der Notwendigkeit, die berechtigten Interessen der Wirtschaftsbeteiligten, die sich auf die Rechtmäßigkeit der [durch das Urteil Kadi] für nichtig erklärten Verordnung gestützt haben, zu schützen, gilt diese Verordnung mit Wirkung vom 30. Mai 2002.“

34      Durch Art. 1 und den Anhang der streitigen Verordnung wurde Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 u. a. dahin geändert, dass folgender Eintrag unter „Natürliche Personen“ angefügt wurde:

„Yasin Abdullah Ezzedine Qadi (alias a) Kadi, Shaykh Yassin Abdullah, b) Kahdi, Yasin; c) Yasin Al-Qadi). Geburtsdatum: 23.2.1955. Geburtsort: Kairo, Ägypten. Staatsangehörigkeit: Saudi-Arabisch. Reisepass-Nr.: a) B 751550, b) E 976177 (ausgestellt am 6.3.2004, gültig bis 11.1.2009). Sonstige Informationen: Jeddah, Saudi-Arabien.“

35      Die streitige Verordnung trat gemäß ihrem Art. 2 am 3. Dezember 2008 in Kraft und gilt mit Wirkung vom 30. Mai 2002.

36      Mit Schreiben vom 8. Dezember 2008 antwortete die Kommission auf die Stellungnahme von Herrn Kadi vom 10. November 2008.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

37      Mit Klageschrift, die am 26. Februar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Kadi Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung, soweit diese ihn betrifft. Er stützte seine Anträge auf fünf Gründe. Der zweite Klagegrund wurde aus einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, der fünfte Klagegrund aus einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht hergeleitet.

38      In Randnr. 126 des angefochtenen Urteils hat das Gericht, gestützt auf die Randnrn. 326 und 327 des Urteils Kadi, zunächst festgestellt, dass es eine „grundsätzlich umfassende“ Kontrolle der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung im Hinblick auf die von der Union garantierten Grundrechte zu gewährleisten habe. In den Randnrn. 127 bis 129 des angefochtenen Urteils hat es hinzugefügt, solange die vom Sanktionsausschuss geschaffenen Überprüfungsverfahren offenkundig nicht die Garantien eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes böten, könne die vom Unionsrichter ausgeübte Kontrolle der Maßnahmen der Union zum Einfrieren von Geldern nur dann als wirksam eingestuft werden, wenn sie sich indirekt auf die materiellen Feststellungen des Sanktionsausschusses selbst und die ihnen zugrunde liegenden Gesichtspunkte erstrecke.

39      Die Argumentation der Kommission und des Rates, wonach sich der Gerichtshof im Urteil Kadi nicht zur Frage des Umfangs und der Intensität dieser gerichtlichen Kontrolle geäußert habe, bezeichnete das Gericht in Randnr. 131 des angefochtenen Urteils als offensichtlich unzutreffend.

40      Hierzu hat es zum einen in den Randnrn. 132 bis 135 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt, dass sich insbesondere aus den Randnrn. 326, 327, 336 und 342 bis 344 des Urteils Kadi eindeutig ergebe, dass der Gerichtshof die grundsätzlich umfassende Kontrolle nicht nur auf die Prüfung der Frage habe erstrecken wollen, ob der angefochtene Rechtsakt begründet sei, sondern auch auf die Beweise und Angaben, auf denen die in diesem Rechtsakt enthaltenen Feststellungen beruhten.

41      Zum anderen hat es in den Randnrn. 138 bis 146 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof dadurch, dass er die vom Gericht im Zusammenhang mit der in den Randnrn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils genannten Regelung im Urteil vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat (T‑228/02, Slg. 2006, II‑4665), angestellten Erwägungen im Wesentlichen übernommen habe, Umfang und Intensität der in diesem Urteil festgelegten Kontrolle gebilligt habe und sich habe zu eigen machen wollen; danach müsse der Unionsrichter die Beurteilung der zur Stützung der fraglichen restriktiven Maßnahmen herangezogenen Tatsachen und Umstände durch das betreffende Organ und die sachliche Richtigkeit der Angaben und Beweise, auf die sich diese Beurteilung stütze, sowie ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz überprüfen, ohne dass ihm die Geheimhaltungsbedürftigkeit oder die Vertraulichkeit dieser Beweise und Angaben entgegengehalten werden könne.

42      Nachdem das Gericht in den Randnrn. 148 bis 151 des angefochtenen Urteils zudem auf die erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigung der Rechte von Herrn Kadi durch die ihn seit beinahe zehn Jahren treffenden restriktiven Maßnahmen hingewiesen hat, hat es in Randnr. 151 dieses Urteils den „Grundsatz einer umfassenden und strengen gerichtlichen Kontrolle der hier in Rede stehenden Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern“ bekräftigt.

43      Anschließend hat es den zweiten und den fünften Nichtigkeitsgrund geprüft und in den Randnrn. 171 bis 180 des angefochtenen Urteils eine Verletzung der Verteidigungsrechte von Herrn Kadi festgestellt, nachdem es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt hat:

–        Diese Rechte seien nur rein formal und dem Anschein nach gewahrt worden, denn die Kommission habe sich für streng an die Beurteilungen des Sanktionsausschusses gebunden gehalten und weder vorgehabt, sie im Licht der Stellungnahme von Herrn Kadi in Frage zu stellen, noch ernsthafte Bemühungen unternommen, um die von ihm vorgebrachten Entlastungsbeweise zu widerlegen;

–        die Kommission habe Herrn Kadi den Zugang zu den ihn belastenden Beweisen trotz seines ausdrücklichen Ersuchens verweigert, ohne seine Interessen gegen das Erfordernis abzuwägen, die Vertraulichkeit der fraglichen Informationen zu schützen, und

–        die wenigen Angaben und die vagen Behauptungen in der Begründung für die Aufnahme von Herrn Kadi in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses, etwa dass er Anteilseigner einer bosnischen Bank gewesen sei, in der „möglicherweise“ Zusammenkünfte zur Vorbereitung eines Anschlags gegen eine Einrichtung der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien stattgefunden hätten, hätten offenkundig nicht ausgereicht, um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen wirksam zu widerlegen.

44      Ferner hat das Gericht in den Randnrn. 181 bis 184 des angefochtenen Urteils einen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes festgestellt, denn zum einen habe Herr Kadi, da er nicht den geringsten zweckdienlichen Zugang zu den ihn belastenden Angaben und Beweisen gehabt habe, seine Rechte im Hinblick auf diese Angaben und Beweise vor dem Unionsrichter nicht unter zufriedenstellenden Bedingungen wahrnehmen können, und zum anderen sei dieser Verstoß im Verfahren vor dem Gericht nicht geheilt worden, da die betreffenden Organe dem Gericht nichts hierzu mitgeteilt und keine Angaben zu den Beweisen gemacht hätten, die gegen Herrn Kadi herangezogen worden seien.

45      Überdies hat das Gericht in den Randnrn. 192 bis 194 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Verhängung der Maßnahmen zum Einfrieren der Gelder von Herrn Kadi, da die streitige Verordnung erlassen worden sei, ohne dass er sein Anliegen bei den zuständigen Stellen habe vortragen können, obwohl diese Maßnahmen das Eigentumsrecht aufgrund ihrer umfassenden Geltung und ihrer Dauer erheblich beschränkten, eine ungerechtfertigte Beschränkung dieses Rechts darstelle, so dass die Rügen von Herrn Kadi, wonach die Verletzung seines Grundrechts auf Achtung des Eigentums durch die genannte Verordnung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeute, begründet seien.

46      Daher hat das Gericht die streitige Verordnung für nichtig erklärt, soweit sie Herrn Kadi betrifft.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

47      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. Februar 2011 sind die Rechtssachen C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

48      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Mai 2011 sind die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, Irland, das Königreich Spanien und die Republik Österreich in der Rechtssache C‑593/10 P als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates und die Republik Bulgarien, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Slowakische Republik und die Republik Finnland in den Rechtssachen C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission, des Rates und des Vereinigten Königreichs zugelassen worden.

49      In der Rechtssache C‑584/10 P beantragt die Kommission,

–        das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben;

–        die Klage von Herrn Kadi auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung, soweit sie ihn betrifft, als unbegründet abzuweisen, und

–        Herrn Kadi ihre Kosten im vorliegenden Rechtsmittelverfahren und im Verfahren vor dem Gericht aufzuerlegen.

50      In der Rechtssache C‑593/10 P beantragt der Rat,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die Klage von Herrn Kadi auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung, soweit sie ihn betrifft, als unbegründet abzuweisen, und

–        Herrn Kadi die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

51      In der Rechtssache C‑595/10 P beantragt das Vereinigte Königreich,

–        das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben;

–        die Klage von Herrn Kadi auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung, soweit sie ihn betrifft, abzuweisen, und

–        Herrn Kadi die Kosten aufzuerlegen, die dem Vereinigten Königreich im Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind.

52      Herr Kadi beantragt in den drei Rechtssachen,

–        die Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        das angefochtene Urteil zu bestätigen und für ab dem Tag seiner Verkündung sofort vollziehbar zu erklären, und

–        den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen, die ihm im vorliegenden Rechtsmittelverfahren entstanden sind, einschließlich sämtlicher Kosten, die durch die Beantwortung der Stellungnahmen der als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten veranlasst worden sind.

53      Die Französische Republik als Streithelferin im ersten Rechtszug beantragt in den drei Rechtssachen,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben und

–        gemäß Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union endgültig in der Sache zu entscheiden und die von Herrn Kadi im ersten Rechtszug gestellten Anträge zurückzuweisen.

54      Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, Irland, das Königreich Spanien, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Nichtigkeitsklage von Herrn Kadi abzuweisen.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

55      Mit Schreiben vom 9. April 2013 hat Herr Kadi die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und hierzu im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Ausführungen in Nr. 117 der Schlussanträge des Generalanwalts zur Frage der Achtung der Verteidigungsrechte im Widerspruch zu den vom Gericht in den Randnrn. 171 und 172 des angefochtenen Urteils getroffenen tatsächlichen Feststellungen stünden, die von den Parteien im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel nicht erörtert worden seien.

56      Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 83 der Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der Parteien u. a. dann die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen für entscheidungserheblich erachtet (vgl. Urteil vom 11. April 2013, Novartis Pharma, C‑535/11, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Zum anderen hat der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV die Aufgabe, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht (vgl. Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Im vorliegenden Fall hält sich der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts für ausreichend unterrichtet, um den Rechtsstreit zu entscheiden, und erachtet kein Vorbringen für entscheidungserheblich, das zwischen den Parteien nicht erörtert worden ist. Daher ist dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht stattzugeben.

 Zu den Rechtsmitteln

59      Die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich stützen ihre Rechtsmittel auf verschiedene Gründe, und zwar im Wesentlichen auf drei. Mit dem ersten, vom Rat geltend gemachten Rechtsmittelgrund wird ein Rechtsfehler gerügt, der darin bestehen soll, dass der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilität zuerkannt werde. Der zweite, von der Kommission, dem Rat und dem Vereinigten Königreich geltend gemachte Rechtsmittelgrund bezieht sich auf Rechtsfehler in Bezug auf den im angefochtenen Urteil festgelegten Intensitätsgrad der gerichtlichen Kontrolle. Der dritte, ebenfalls von ihnen geltend gemachte Rechtsmittelgrund stützt sich auf Rechtsfehler, die das Gericht bei der Prüfung der Klagegründe begangen haben soll, mit denen Herr Kadi eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rügte.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug darauf, dass der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilität zuerkannt wurde

 Vorbringen der Parteien

60      Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes wirft der Rat, unterstützt durch Irland, das Königreich Spanien und die Italienische Republik, dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es insbesondere in Randnr. 126 des angefochtenen Urteils im Einklang mit dem Urteil Kadi der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilität zugebilligt habe. Der Rat, unterstützt durch Irland, fordert den Gerichtshof förmlich auf, die im Urteil Kadi hierzu formulierten Grundsätze zu überdenken.

61      Unter Bezugnahme auf die Randnrn. 114 bis 120 des angefochtenen Urteils macht der Rat, unterstützt durch Irland und die Italienische Republik, geltend, dass es gegen das Völkerrecht verstoße, der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilität zuzubilligen. Damit werde nämlich außer Acht gelassen, dass die Hauptverantwortung für die Bestimmung der zur Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen beim Sicherheitsrat liege und dass die Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen Vorrang vor den Verpflichtungen aus allen anderen internationalen Übereinkünften hätten. Zudem würden das Gebot von Treu und Glauben und die Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand missachtet, die bei der Umsetzung der Maßnahmen des Sicherheitsrats zu beachten seien. Mit einer derartigen Vorgehensweise setzten sich die Unionsorgane an die Stelle der insoweit zuständigen internationalen Organe. Sie laufe auf eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Resolutionen des Sicherheitsrats anhand des Unionsrechts hinaus. Die einheitliche, unbedingte und sofortige Anwendung dieser Resolutionen werde gefährdet. Die Staaten, die sowohl Mitglied der UNO als auch der Union seien, würden hinsichtlich ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen in eine schwierige Lage gebracht.

62      Es verstoße auch gegen das Unionsrecht, der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilität zuzubilligen. Damit werde außer Acht gelassen, dass die Unionsorgane nach dem Unionsrecht verpflichtet seien, das Völkerrecht und die Entscheidungen der Organe der UNO zu beachten, wenn sie auf internationaler Ebene Befugnisse ausübten, die ihnen durch die Mitgliedstaaten übertragen worden seien. Überdies werde die Notwendigkeit missachtet, ein Gleichgewicht zwischen der Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit zum einen und dem Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum anderen zu gewährleisten.

63      Herr Kadi trägt vor, dass es gegen den Grundsatz der Rechtskraft verstoße, die Justiziabilität eines Rechtsakts der Union wie der streitigen Verordnung in Frage zu stellen, da es um eine Rechtsfrage gehe, über die im Urteil Kadi zwischen denselben Parteien nach Prüfung derselben wie der im vorliegenden Fall vorgebrachten Argumente entschieden worden sei.

64      Unter Bezugnahme auf verschiedene Abschnitte des genannten Urteils stellt er jedenfalls in Abrede, dass es dem Völkerrecht und dem Unionsrecht zuwiderlaufe, der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilität zuzubilligen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

65      In Randnr. 126 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass der streitigen Verordnung gemäß den Randnrn. 326 und 327 des Urteils Kadi eine wie auch immer geartete Nichtjustiziabilität nicht deshalb zuzubilligen sei, weil sie zur Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen diene.

66      In Bezug auf die verschiedenen Umstände, die der Entscheidung des Gerichtshofs in den Randnrn. 291 bis 327 des Urteils Kadi zugrunde liegen und die im Wesentlichen auf der verfassungsrechtlichen Garantie beruhen, die in einer Rechtsunion (vgl. Urteile vom 29. Juni 2010, E und F, C‑550/09, Slg. 2010, I‑6213, Randnr. 44, sowie vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission, C‑335/09 P, Randnr. 48) darin zum Ausdruck kommt, dass alle Handlungen der Union, und zwar auch diejenigen, durch die wie im vorliegenden Fall ein Völkerrechtsakt umgesetzt wird, einer gerichtlichen Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit am Maßstab der durch die Union gewährleisteten Grundrechte unterliegen, ist keine Entwicklung eingetreten, die es rechtfertigen könnte, diese Entscheidung in Frage zu stellen.

67      Dass Unionsrechtsakten, mit denen auf völkerrechtlicher Ebene beschlossene restriktive Maßnahmen umgesetzt werden, keine Nichtjustiziabilität zuzubilligen ist, ist im Übrigen durch das Urteil vom 3. Dezember 2009, Hassan und Ayadi/Rat und Kommission (C‑399/06 P und C‑403/06 P, Slg. 2009, I‑11393, Randnrn. 69 bis 75), bestätigt worden sowie in jüngerer Zeit durch das Urteil vom 16. November 2011, Bank Melli Iran/Rat (C‑548/09 P, Slg. 2011, I‑11381), in dessen Randnr. 105 es unter Bezugnahme auf das Urteil Kadi heißt, dass, ohne dass dadurch der völkerrechtliche Vorrang einer Resolution des Sicherheitsrats in Frage gestellt würde, die Achtung, die die Unionsorgane den Organen der Vereinten Nationen entgegenzubringen haben, nicht zur Folge haben darf, dass eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit derartiger Unionsrechtsakte im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts unterbleibt.

68      Daraus folgt, dass das angefochtene Urteil, insbesondere seine Randnr. 126, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet ist, der daraus resultiert, dass das Gericht der streitigen Verordnung im Einklang mit dem Urteil Kadi keine Nichtjustiziabilität zugebilligt hat.

69      Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten und zum dritten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug auf den im angefochtenen Urteil festgelegten Intensitätsgrad der gerichtlichen Kontrolle und Fehler des Gerichts bei der Prüfung der Klagegründe einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

70      Der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund sind gemeinsam zu prüfen, da mit ihnen im Wesentlichen Rechtsfehler gerügt werden, mit denen die Auslegung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz durch das Gericht im angefochtenen Urteil behaftet sein soll.

 Vorbringen der Parteien

71      Im Rahmen des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich, unterstützt durch die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, Irland, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland erstens geltend, das angefochtene Urteil sei mit einem Rechtsfehler behaftet, da das Urteil Kadi entgegen den Ausführungen in den Randnrn. 132 bis 147 des angefochtenen Urteils keinen Hinweis enthalte, der die Auffassung des Gerichts in Bezug auf den Intensitätsgrad der über einen Unionsrechtsakt wie die streitige Verordnung auszuübenden gerichtlichen Kontrolle stütze.

72      Zum einen sei das in Randnr. 326 des Urteils Kadi aufgestellte Erfordernis einer „grundsätzlich umfassenden Kontrolle“ der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung in den internationalen Kontext ihres Erlasses zu setzen, wie er in den Randnrn. 292 bis 297 dieses Urteils geschildert werde.

73      Zum anderen habe das Gericht in Randnr. 138 des angefochtenen Urteils unzutreffend angenommen, dass der Gerichtshof sich im Urteil Kadi die vom Gericht in seiner Rechtsprechung zu der in den Randnrn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils angeführten Regelung aufgestellte Definition des Umfangs der Kontrolle zu eigen gemacht habe. Das Urteil Kadi enthalte nämlich keinerlei Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des Gerichts. Außerdem lasse diese Erwägung die grundlegenden Unterschiede außer Acht, die zwischen der genannten und der hier in Rede stehenden Regelung hinsichtlich des Ermessensspielraums der Unionsorgane und ihres Zugangs zu Informationen und Beweisen im Zusammenhang mit den erlassenen restriktiven Maßnahmen bestünden.

74      Zweitens machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich, unterstützt durch sämtliche Mitgliedstaaten, die in den Rechtsmittelverfahren als Streithelfer beigetreten sind, auf der Grundlage von Argumenten, die sich aus dem Völkerrecht und dem Unionsrecht herleiten und die mit dem in den Randnrn. 61 und 62 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen weitgehend vergleichbar sind, geltend, dass die Bestimmung des Intensitätsgrads der gerichtlichen Kontrolle in den Randnrn. 123 bis 147 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft sei. Der in hohem Maß interventionistische Ansatz, den das Gericht im angefochtenen Urteil gewählt habe, sei nicht mit der ständigen Rechtsprechung zu vereinbaren, nach der bei Rechtsakten, in denen auf komplexen Bewertungen beruhende Entscheidungen zum Ausdruck kämen, und bei einem weiten Ermessensspielraum im Hinblick auf allgemein definierte Ziele eine eingeschränkte, auf offensichtliche Beurteilungsfehler beschränkte gerichtliche Kontrolle angebracht sei.

75      Drittens tragen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich vor, es sei verfehlt, dass das Gericht in den Randnrn. 148 bis 151 des angefochtenen Urteils angedeutet habe, dass es die im vorliegenden Fall in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen künftig einer strafrechtlichen Sanktion gleichstellen wolle. Unterstützt durch die Tschechische Republik, Irland, die Französische Republik, die Italienische Republik, Ungarn und die Republik Österreich machen sie geltend, dass mit diesen Maßnahmen, die Sicherungscharakter hätten, bezweckt werde, gegenwärtige oder zukünftige Bedrohungen des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit vorherzusehen und zu verhindern, und dass sie sich von einer strafrechtlichen Sanktion unterschieden, die sich gegen vergangene und objektiv nachgewiesene strafbare Handlungen richte. Außerdem seien die genannten Maßnahmen zeitlich begrenzt und mit Ausnahmeregelungen versehen.

76      Viertens machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich geltend, dass die in den Randnrn. 171 bis 188 und 192 bis 194 des angefochtenen Urteils enthaltene Auslegung des Gerichts, die sich auf die aus der Achtung der Grundrechte von Herrn Kadi resultierenden Anforderungen beziehe, die im Anschluss an das Urteil Kadi für die Aufnahme seines Namens in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 gälten, rechtsfehlerhaft sei.

77      Unterstützt durch die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, Irland, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland machen sie geltend, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass die Achtung dieser Grundrechte eine Offenlegung der Herrn Kadi belastenden Informationen und Beweise erfordere.

78      Diese Auslegung des Gerichts berücksichtige nicht die in den Randnrn. 342 bis 344 des Urteils Kadi hervorgehobene Möglichkeit, das Recht des Betroffenen auf Mitteilung der ihn belastenden Umstände einzuschränken, um zu verhindern, dass durch die Verbreitung sensibler Informationen Dritte an diese Informationen gelangten und sich so Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus entziehen könnten. Die Beanstandungen in den Randnrn. 345 bis 352 des Urteils Kadi hätten sich im Übrigen darauf bezogen, dass Herrn Kadi die Gründe für seine Aufnahme in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 nicht mitgeteilt worden seien, nicht aber darauf, dass die im Besitz des Sanktionsausschusses befindlichen Informationen und Beweise nicht offengelegt worden seien.

79      Die Vorgehensweise des Gerichts berücksichtige zudem nicht die zahlreichen tatsächlichen Hindernisse, die der Übermittlung solcher Angaben an die Unionsorgane entgegenstünden, insbesondere den Umstand, dass diese Angaben aus einer Mitteilung stammten, die ein UNO-Mitglied dem Sanktionsausschuss wegen ihres sensiblen Charakters in der Regel vertraulich übermittelt habe.

80      Im vorliegenden Fall habe Herr Kadi der Begründung, die der Sanktionsausschuss ihm übermittelt habe, die Gründe für die Aufnahme seines Namens in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 entnehmen können. Entgegen der Darstellung in den Randnrn. 157 und 177 des angefochtenen Urteils beschränke sich diese Begründung keineswegs auf allgemeine, unbegründete, vage und unpräzise Behauptungen in Bezug auf Herrn Kadi, sondern darin würden detailliert die Umstände dargelegt, die den Sanktionsausschuss zu der Annahme veranlasst hätten, Herr Kadi habe persönliche und unmittelbare Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk und zu Osama bin Laden.

81      Fünftens trägt die Kommission vor, das Gericht habe, abgesehen von der tatsächlichen Feststellung in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils, zu Unrecht die von Herrn Kadi gleichzeitig vor den Justizbehörden der Vereinigten Staaten erhobene Klage nicht berücksichtigt, um seine Rüge des Fehlens eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und der Unmöglichkeit des Zugangs zu den relevanten Informationen und Beweisen zurückzuweisen.

82      Sechstens machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich geltend, dass die Beurteilung, die das Gericht in den Randnrn. 127 und 128 des angefochtenen Urteils bezüglich der auf der Ebene der Vereinten Nationen eingeführten Änderungen der Überprüfungsverfahren vorgenommen habe, fehlerhaft sei.

83      Unterstützt durch sämtliche Mitgliedstaaten, die in den Rechtsmittelverfahren als Streithelfer beigetreten sind, machen sie geltend, das durch die Resolution 1822 (2008) eingeführte Verfahren der regelmäßigen Überprüfung von Amts wegen habe zur Verbesserung des Schutzes der Grundrechte beigetragen, wie die Streichung der Namen mehrerer Dutzend Personen und Einrichtungen von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses zeige. Die Einrichtung des Büros der Ombudsperson durch die Resolution 1904 (2009) habe einen entscheidenden Wendepunkt dargestellt, da sie es dem Betroffenen ermögliche, seine Angelegenheit einer unabhängigen und unparteiischen Stelle vorzutragen, deren Aufgabe es sei, dem Sanktionsausschuss gegebenenfalls die Gründe darzulegen, die für die beantragte Streichung sprächen.

84      Die Resolution 1989 (2011) des Sicherheitsrats vom 17. Juni 2011 bestätige den Willen, die Behandlung von Anträgen auf Streichung von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses ständig zu verbessern. Insbesondere müssten einer solchen Streichung nicht mehr alle Mitglieder des Sanktionsausschusses zustimmen. Sie trete 60 Tage, nachdem der Ausschuss die Prüfung einer dahin gehenden Empfehlung und des umfassenden Berichts der Ombudsperson abgeschlossen habe, in Kraft, es sei denn, dass ein gegenteiliger Konsens des Ausschusses oder ein Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an den Sicherheitsrat vorliege. Die Begründungs- und Transparenzpflichten des Sanktionsausschusses bei Entscheidungen, die der Empfehlung der Ombudsperson nicht folgten, seien verstärkt worden. Mit der genannten Resolution werde auch bezweckt, den Zugang der Ombudsperson zu den im Besitz der Mitglieder der Vereinten Nationen befindlichen vertraulichen Informationen und die Offenlegung der Identität der Staaten, die eine Aufnahme in die Liste vorgeschlagen hätten, zu verbessern.

85      Herr Kadi hält dem erstens entgegen, das Gericht habe im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Gerichtshof im Urteil Kadi zum Umfang und zur Intensität der im vorliegenden Fall auszuübenden gerichtlichen Kontrolle klar Stellung bezogen habe. Zum einen habe er im Urteil Kadi ausdrücklich von einer umfassenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit gesprochen, die sich, allein unter dem Vorbehalt von Erfordernissen der Vertraulichkeit aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, auf die den Kläger belastenden Informationen und Beweise erstrecke. Zum anderen spreche der Umstand, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Regelung im Unterschied zu der in den Randnrn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils genannten vor dem Verfahren auf Unionsebene kein die Wahrung der Verteidigungsrechte unter effektiver gerichtlicher Kontrolle gewährleistendes Verfahren vorsehe, für eine Verstärkung des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auf Unionsebene, wie das Gericht in den Randnrn. 186 und 187 des angefochtenen Urteils hervorgehoben habe.

86      Zweitens stellt Herr Kadi in Abrede, dass die im angefochtenen Urteil in Bezug auf den Intensitätsgrad der im vorliegenden Fall auszuübenden gerichtlichen Kontrolle enthaltene Anforderung verfehlt sei.

87      Erstens verstoße der vom Gericht vertretene Ansatz nicht gegen das Völkerrecht. Die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung komme nämlich nicht einer Kontrolle der Gültigkeit der durch diese Verordnung umgesetzten Resolution gleich. Sie stelle weder die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats auf diesem Gebiet noch den Vorrang der Charta der Vereinten Nationen vor allen anderen internationalen Übereinkünften in Frage. Ebenso wenig bezwecke sie, die politische Einschätzung des Unionsrichters an die Stelle derjenigen der zuständigen internationalen Organe zu setzen. Sie solle lediglich gewährleisten, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats innerhalb der Union im erforderlichen Einklang mit den grundlegenden Prinzipien des Unionsrechts umgesetzt würden. Insbesondere trage sie dazu bei, die Erfordernisse des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit mit dem Schutz der Grundrechte zum Ausgleich zu bringen.

88      Zweitens stehe der vom Gericht vertretene Ansatz im Einklang mit dem Unionsrecht, wonach auch in Bezug auf Maßnahmen der Union, die auf dem Völkerrecht beruhten, die Grundrechte zu achten und eine unabhängige und unparteiische gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten seien.

89      Drittens führt Herr Kadi nach einem Hinweis auf den nichttragenden Charakter der Erwägungen des Gerichts zum Wesen der fraglichen restriktiven Maßnahmen gleichwohl aus, dass diese Maßnahmen in seinem besonderen Fall ihren präventiven Charakter verloren hätten und nunmehr wegen ihrer allgemeinen Geltung und ihrer sehr langen Anwendungsdauer repressiver Art seien, was eine umfassende und strenge Überprüfung der streitigen Verordnung rechtfertige.

90      Viertens seien die Anforderungen, die das Gericht in Bezug auf die Achtung seiner Grundrechte aufgestellt habe, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet.

91      Eine effektive gerichtliche Kontrolle könne nicht stattfinden, wenn keine der im Besitz der UNO-Stellen befindlichen Informationen und Beweise offengelegt würden. Wie diese Stellen selbst einräumten, habe die vom Sanktionsausschuss gegebene Begründung nicht als Beweis dienen sollen. Sie enthalte lediglich sachdienliche Angaben zu den vergangenen Tätigkeiten des Betroffenen und zu den Beweisen, die den Ausschussmitgliedern bekannt seien.

92      Dass es kein förmliches Verfahren zum Austausch von Informationen zwischen dem Sicherheitsrat und den Unionsorganen gebe, stehe einem Austausch der notwendigen Informationen zur Erreichung ihres gemeinsamen Ziels der Wahrung der Grundrechte bei der Anwendung restriktiver Maßnahmen nicht entgegen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission trotz des ausdrücklichen Antrags von Herrn Kadi nicht einmal versucht, sich vom Sanktionsausschuss eine genaue Darstellung der Tatsachen oder Beweise übermitteln zu lassen, die die Aufnahme seines Namens in die fraglichen Listen rechtfertigten.

93      Die vom Sanktionsausschuss gegebene Begründung enthalte einige allgemeine und nicht belegte Behauptungen, die Herr Kadi nicht wirksam habe widerlegen können.

94      Fünftens spiele das Gerichtsverfahren in den Vereinigten Staaten für die vorliegende Rechtssache keine Rolle, da damit, aus ganz anderen als den im vorliegenden Fall erörterten Gründen, die Streichung seines Namens von der Liste des Office of Foreign Assets Control (Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte) des amerikanischen Finanzministeriums angestrebt werde. Dieses Verfahren betreffe weder die streitige Verordnung noch die Resolutionen des Sicherheitsrats, die mit ihr umgesetzt werden sollten.

95      Sechstens habe es zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung auf der Ebene der Vereinten Nationen allein das Überprüfungsverfahren der Koordinierungsstelle gegeben. Die Einrichtung des Büros der Ombudsperson, die das Gericht, obwohl sie nach dem Erlass der streitigen Verordnung erfolgt sei, berücksichtigt habe, biete nicht die Garantien eines gerichtlichen Rechtsschutzes. Insbesondere verfüge eine Person, die die Streichung ihres Namens von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses beantrage, weder über eine genaue Darstellung der Gründe für ihre Aufnahme in diese Liste noch über die sie belastenden Umstände und habe keinen Anspruch darauf, vom Sanktionsausschuss, dem einzigen insoweit entscheidungsbefugten Organ, angehört zu werden. Zudem habe die Ombudsperson keinerlei Zwangsbefugnisse gegenüber den UNO-Mitgliedern und dem Sanktionsausschuss, der über ein Ermessen verfüge. Auf die verbliebenen Mängel dieses Verfahrens habe u. a. das Büro der Ombudsperson selbst in seinem ersten Bericht vom Januar 2011 aufmerksam gemacht, in dem insbesondere auf den fehlenden Zugang zu Verschlusssachen oder vertraulichen Informationen und auf die Unkenntnis hingewiesen werde, in der der Antragsteller bezüglich der Identität des Staates oder der Staaten gelassen werde, die seine Aufnahme in die Liste veranlasst hätten.

96      Diese Mängel seien durch die Resolution 1989 (2011) nicht beseitigt worden. Die Empfehlungen des Büros der Ombudsperson seien nämlich noch immer nicht bindend. Die Festlegung von Kriterien für die Streichung von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses und die Befugnis zur Entscheidung über die Streichung stünden weiterhin im Ermessen des Sanktionsausschusses. Ergehe eine Empfehlung des Büros der Ombudsperson, könne jedes Mitglied des Sanktionsausschusses den Sicherheitsrat anrufen, dessen fünf ständige Mitglieder befugt seien, nach ihrem Ermessen ihr Vetorecht auszuüben. Darüber hinaus sei das Büro der Ombudsperson von der Kooperationsbereitschaft der Staaten bei der Informationsbeschaffung abhängig.

 Würdigung durch den Gerichtshof

–       Zum Umfang der Verteidigungsrechte und zum Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

97      Wie das Gericht in den Randnrn. 125, 126 und 171 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, hat der Gerichtshof in Randnr. 326 des Urteils Kadi entschieden, dass die Unionsgerichte im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund des Vertrags zustehen, eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der Unionsrechtsordnung gewährleisten müssen, und zwar auch dann, wenn solche Handlungen der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen dienen sollen (vgl. in diesem Sinne auch Urteile Hassan und Ayadi/Rat und Kommission, Randnr. 71, und Bank Melli Iran/Rat, Randnr. 105). Dieses Erfordernis ist in Art. 275 Abs. 2 AEUV ausdrücklich verankert.

98      Grundrechtsrang haben u. a. das Recht auf Achtung der Verteidigungsrechte und das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

99      Das erstgenannte, in Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Union (im Folgenden: Charta) niedergelegte Recht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, Slg. 2011, I‑13427, Randnr. 66), umfasst den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf Akteneinsicht unter Beachtung der berechtigten Interessen an Vertraulichkeit.

100    Das zweite der genannten Grundrechte, das in Art. 47 der Charta bekräftigt wird, verlangt, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, erlangen kann, entweder durch das Studium der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Gründe, unbeschadet der Befugnis des zuständigen Gerichts, von der betreffenden Behörde die Übermittlung dieser Gründe zu verlangen, damit der Betroffene seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, das zuständige Gericht anzurufen, und damit dieses umfassend in die Lage versetzt wird, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Entscheidung zu überprüfen (vgl. Urteil vom 4. Juni 2013, ZZ, C‑300/11, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    Art. 52 Abs. 1 der Charta lässt jedoch Einschränkungen der Ausübung der in ihr verankerten Rechte zu, sofern die betreffende Einschränkung den Wesensgehalt des fraglichen Grundrechts achtet sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und tatsächlich den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entspricht (vgl. Urteil ZZ, Randnr. 51).

102    Ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz vorliegt, ist zudem anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑110/10 P, Slg. 2011, I‑10439, Randnr. 63), insbesondere des Inhalts des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf die Beachtung der Begründungspflicht, Urteile vom 15. November 2012, Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, C‑539/10 P und C‑550/10 P, Randnrn. 139 und 140, und Rat/Bamba, C‑417/11 P, Randnr. 53).

103    Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob es angesichts der Erfordernisse, die sich u. a. aus Art. 3 Abs. 1 und 5 EUV und Art. 21 Abs. 1 und 2 Buchst. a und c EUV ergeben, die die Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit unter Einhaltung des Völkerrechts und insbesondere der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen betreffen, eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz darstellt, dass Herr Kadi und der Unionsrichter keinen Zugang zu den Herrn Kadi belastenden Informationen und Beweisen hatten, was das Gericht u. a. in den Randnrn. 173, 181 und 182 des angefochtenen Urteils beanstandet hat.

104    Hierzu ist, wie der Gerichtshof bereits insbesondere in Randnr. 294 des Urteils Kadi klargestellt hat, darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder der UNO dem Sicherheitsrat nach Art. 24 der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit übertragen haben. Hierbei hat der Sicherheitsrat zu bestimmen, was eine Bedrohung für diese Werte darstellt, und durch den Erlass von Resolutionen aufgrund von Kapitel VII dieser Charta die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sie im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, insbesondere der Achtung der Menschenrechte, zu wahren oder wiederherzustellen.

105    In diesem Zusammenhang hat der Sanktionsausschuss, wie sich aus den in den Randnrn. 10 und 11 des vorliegenden Urteils genannten Resolutionen ergibt, die das System restriktiver Maßnahmen wie der hier in Rede stehenden regeln, auf Vorschlag eines UNO-Mitglieds, der durch eine „Falldarstellung“ untermauert wird, die „möglichst viele Einzelheiten über die Grundlage(n) für die Aufnahme in die Liste“, „Angaben über die Art der Informationen“ und „Nachweise oder Dokumente, die beigebracht werden können“ enthalten muss, unter Anwendung der vom Sicherheitsrat festgelegten Kriterien die Organisationen, Einrichtungen und Personen zu bezeichnen, deren Gelder und andere wirtschaftliche Ressourcen einzufrieren sind. Diese Bezeichnung in Gestalt der Aufnahme des Namens der betreffenden Organisation, Einrichtung oder Person in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses, die entsprechend den Anträgen der Mitgliedstaaten der UNO aktualisiert wird, beruht auf einer „Zusammenfassung der Gründe“, die der Sanktionsausschuss anhand der Angaben des Staates, von dem der Vorschlag für die Aufnahme in die Liste stammt und der die Offenlegung der Angaben – insbesondere gegenüber dem Betroffenen – genehmigt hat, erstellt und die auf seiner Website zugänglich gemacht wird.

106    Bei der Umsetzung der nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolutionen des Sicherheitsrats durch die Union auf der Grundlage eines gemeinsamen Standpunkts oder einer gemeinsamen Aktion, die die Mitgliedstaaten aufgrund der Bestimmungen des EU-Vertrags über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik beschlossen haben, hat die zuständige Behörde der Union den Wortlaut und die Ziele dieser Resolutionen sowie die maßgeblichen Verpflichtungen, die sich aus der Charta der Vereinten Nationen in Bezug auf eine solche Umsetzung ergeben, gebührend zu berücksichtigen (vgl. Urteil Kadi, Randnrn. 295 und 296).

107    Hat der Sanktionsausschuss im Rahmen der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats beschlossen, den Namen einer Organisation, Einrichtung oder Person in seine konsolidierte Liste aufzunehmen, muss daher die zuständige Unionsbehörde, um diesem Beschluss im Namen der Mitgliedstaaten nachzukommen, die Entscheidung, den Namen der betreffenden Organisation, Einrichtung oder Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, auf der Grundlage der vom Sanktionsausschuss gegebenen Begründung treffen. Dagegen ist in diesen Resolutionen nicht vorgesehen, dass der Sanktionsausschuss u. a. der zuständigen Unionsbehörde für den Erlass ihrer Entscheidung über die Aufnahme oder Beibehaltung eines Eintrags von sich aus andere Angaben als diese Begründung zur Verfügung stellt.

108    Sowohl hinsichtlich einer Entscheidung über die erstmalige Aufnahme des Namens einer Organisation, Einrichtung oder Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 als auch, wie im vorliegenden Fall, hinsichtlich einer Entscheidung über die Belassung eines erstmals vor dem 3. September 2008, dem Datum des Urteils Kadi, aufgenommenen Eintrags auf der Liste beziehen sich daher Art. 7a Abs. 1 und 2 und Art. 7c Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 881/2002, die durch die Verordnung (EU) Nr. 1286/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 zur Änderung der Verordnung Nr. 881/2002 (ABl. L 346, S. 42) eingefügt wurden, um – wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1286/2009 ergibt – das Verfahren der Aufnahme in die genannte Liste auf das Urteil Kadi hin abzuändern, ausschließlich auf die Begründung, die der Sanktionsausschuss zum Zweck des Erlasses derartiger Entscheidungen gegeben hat.

109    Zum speziellen Fall von Herrn Kadi ergibt sich aus den Akten, dass die erstmalige Aufnahme seines Namens in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses am 17. Oktober 2001 auf Antrag der Vereinigten Staaten erfolgte, dem der Erlass einer Entscheidung vom 12. Oktober 2001 zugrunde lag, mit der das Office of Foreign Assets Control Herrn Kadi als „Specially Designated Global Terrorist“ einstufte.

110    Wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der streitigen Verordnung ergibt, beschloss die Kommission im Anschluss an das Urteil Kadi mittels dieser Verordnung, den Namen von Herrn Kadi auf der Grundlage der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung auf der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 zu belassen. Wie das Gericht in Randnr. 95 des angefochtenen Urteils ausgeführt und die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt hat, wurden ihr zu diesem Zweck keine weiteren Informationen außer dieser Begründung zur Verfügung gestellt.

111    Im Rahmen eines Verfahrens, das den Erlass der Entscheidung betrifft, den Namen einer Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, erfordert die Achtung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die dieser Behörde vorliegenden, die betroffene Person belastenden Informationen, auf die sie ihre Entscheidung stützt, d. h. zumindest die vom Sanktionsausschuss übermittelte Begründung, mitteilt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi, Randnrn. 336 und 337), damit diese Person ihre Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, den Unionsrichter anzurufen.

112    Im Zusammenhang mit dieser Mitteilung muss die zuständige Unionsbehörde diese Person in die Lage versetzen, ihren Standpunkt zu den gegen sie herangezogenen Gründen in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 1996, Kommission/Lisrestal u. a., C‑32/95 P, Slg. 1996, I‑5373, Randnr. 21, vom 21. September 2000, Mediocurso/Kommission, C‑462/98 P, Slg. 2000, I‑7183, Randnr. 36, und vom 22. November 2012, M., C‑277/11, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    Bei einer Entscheidung, die wie hier darin besteht, den Namen der betroffenen Person auf der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 zu belassen, muss diese doppelte Verfahrenspflicht, anders als bei einer erstmaligen Aufnahme (vgl. hierzu Urteil Kadi, Randnrn. 336 bis 341 und 345 bis 349, und Urteil Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, Randnr. 61), vor dem Erlass dieser Entscheidung erfüllt werden (vgl. Urteil Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, Randnr. 62). Es wird nicht bestritten, dass im vorliegenden Fall die Kommission als Urheberin der streitigen Verordnung dieser Pflicht nachgekommen ist.

114    Nimmt die betroffene Person zu der Begründung Stellung, ist die zuständige Unionsbehörde verpflichtet, die Stichhaltigkeit der angeführten Gründe im Licht dieser Stellungnahme und der ihr gegebenenfalls beigefügten entlastenden Gesichtspunkte sorgfältig und unparteiisch zu prüfen (vgl. entsprechend Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14, vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, Slg. 2007, I‑9947, Randnr. 58, und M., Randnr. 88).

115    Dabei hat diese Behörde insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts dieser etwaigen Stellungnahme zu beurteilen, ob es notwendig ist, den Sanktionsausschuss und über ihn den UNO-Mitgliedstaat, der die Aufnahme der betroffenen Person in die konsolidierte Liste des Ausschusses vorgeschlagen hat, um Zusammenarbeit zu bitten, damit ihr im Rahmen der zweckdienlichen Zusammenarbeit, die nach Art. 220 Abs. 1 AEUV die Beziehungen der Union zu den Organen der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Bekämpfung des internationalen Terrorismus bestimmen soll, die – vertraulichen oder nicht vertraulichen – Informationen oder Beweise übermittelt werden, die es ihr erlauben, ihrer Pflicht zu sorgfältiger und unparteiischer Prüfung nachzukommen.

116    Schließlich erfordert die in Art. 296 AEUV vorgesehene Begründungspflicht, ohne so weit zu gehen, dass sie es geböte, im Einzelnen auf die Stellungnahme der betroffenen Person einzugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnr. 141), unter allen Umständen – und zwar auch dann, wenn die Begründung des Unionsrechtsakts den von einer internationalen Behörde dargelegten Gründen entspricht –, dass in dieser Begründung die einzelfallbezogenen, spezifischen und konkreten Gründe genannt werden, aus denen die zuständigen Behörden der Auffassung sind, dass gegen die betroffene Person restriktive Maßnahmen verhängt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnrn. 140 und 142, und Rat/Bamba, Randnrn. 49 bis 53).

117    Was das gerichtliche Verfahren betrifft, wenn die betroffene Person die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, ihren Namen in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, in Frage stellt, muss sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Einhaltung der Vorschriften über die Form und die Zuständigkeit einschließlich der Prüfung der Geeignetheit der Rechtsgrundlage erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi, Randnrn. 121 bis 236; vgl. auch entsprechend Urteil vom 13. März 2012, Tay Za/Rat, C‑376/10 P, Randnrn. 46 bis 72).

118    Außerdem hat der Unionsrichter zu prüfen, ob die in den Randnrn. 111 bis 114 des vorliegenden Urteils genannten Verfahrensgarantien und die in Art. 296 AEUV vorgesehene Begründungspflicht, auf die in Randnr. 116 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, eingehalten wurden und ob die angeführten Gründe insbesondere hinreichend präzise und konkret sind.

119    Die durch Art. 47 der Charta gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle erfordert auch, dass sich der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der einer Entscheidung, den Namen einer bestimmten Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, zugrunde liegenden Begründung prüft (Urteil Kadi, Randnr. 336), vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person begründet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2013, Gbagbo u. a./Rat, C‑478/11 P bis C‑482/11 P, Randnr. 56), auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnr. 68). Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil E und F, Randnr. 57), so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind.

120    Hierzu hat der Unionsrichter bei dieser Prüfung gegebenenfalls von der zuständigen Unionsbehörde – vertrauliche oder nicht vertrauliche – Informationen oder Beweise anzufordern, die für eine solche Prüfung relevant sind (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 59).

121    Im Streitfall ist es nämlich Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person vorliegenden Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind.

122    Hierzu braucht die betreffende Behörde dem Unionsrichter nicht sämtliche Informationen und Beweise vorzulegen, die mit der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung zusammenhängen. Die vorgelegten Informationen oder Beweise müssen jedoch die Gründe stützen, die gegen die betroffene Person vorliegen.

123    Ist es der zuständigen Unionsbehörde nicht möglich, der Forderung des Unionsrichters nachzukommen, hat dieser sich allein auf die ihm übermittelten Angaben zu stützen, d. h. hier auf die Angaben, die in der vom Sanktionsausschuss gegebenen Begründung enthalten sind, auf die Stellungnahme der betroffenen Person und die von ihr gegebenenfalls vorgelegten Entlastungsbeweise sowie auf die Antwort der zuständigen Unionsbehörde auf diese Stellungnahme. Lässt sich die Stichhaltigkeit eines Grundes anhand dieser Angaben nicht feststellen, schließt der Unionsrichter ihn als Grundlage der fraglichen Entscheidung über die Aufnahme in die Liste oder die Belassung auf ihr aus.

124    Übermittelt die zuständige Unionsbehörde dagegen relevante Informationen oder Beweise, muss der Unionsrichter die inhaltliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise prüfen und deren Beweiskraft anhand der Umstände des Einzelfalls und im Licht etwaiger dazu abgegebener Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person, würdigen.

125    Zwar können zwingende Erwägungen der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Union oder ihrer Mitgliedstaaten der Mitteilung bestimmter Informationen oder Beweise an die betroffene Person entgegenstehen. In einem solchen Fall muss allerdings der Unionsrichter, dem die Geheimhaltungsbedürftigkeit oder Vertraulichkeit dieser Informationen oder Beweise nicht entgegengehalten werden kann, im Rahmen der von ihm ausgeübten gerichtlichen Kontrolle Techniken anwenden, die es ermöglichen, die legitimen Sicherheitsinteressen in Bezug auf die Art und die Quellen der Informationen, die beim Erlass des betreffenden Rechtsakts berücksichtigt wurden, auf der einen Seite und das Erfordernis, dem Einzelnen die Wahrung seiner Verfahrensrechte wie des Rechts, gehört zu werden, und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens hinreichend zu garantieren, auf der anderen Seite zum Ausgleich zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi, Randnrn. 342 und 344; vgl. auch entsprechend Urteil ZZ, Randnrn. 54, 57 und 59).

126    Dabei hat der Unionsrichter alle von der zuständigen Unionsbehörde beigebrachten rechtlichen und tatsächlichen Umstände sowie die Stichhaltigkeit der Gründe zu prüfen, die diese Behörde angeführt hat, um eine derartige Mitteilung abzulehnen (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnrn. 61 und 62).

127    Kommt der Unionsrichter zu dem Schluss, dass diese Gründe der zumindest teilweisen Mitteilung der betreffenden Informationen oder Beweise nicht entgegenstehen, gibt er der zuständigen Unionsbehörde die Möglichkeit, sie der betroffenen Person mitzuteilen. Lehnt die Behörde es ab, diese Informationen oder Beweise ganz oder teilweise zu übermitteln, prüft der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts allein anhand der mitgeteilten Umstände (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 63).

128    Zeigt sich dagegen, dass die von der zuständigen Unionsbehörde angeführten Gründe der Mitteilung der dem Unionsrichter vorgelegten Informationen oder Beweise an die betroffene Person tatsächlich entgegenstehen, sind die Erfordernisse, die mit dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, insbesondere der Einhaltung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, verbunden sind und diejenigen, die sich aus der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Union oder ihrer Mitgliedstaaten ergeben, in angemessener Weise zum Ausgleich zu bringen (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 64).

129    Bei diesem Ausgleich kann auf Möglichkeiten wie die Übermittlung einer Zusammenfassung des Inhalts der fraglichen Informationen oder Beweise zurückgegriffen werden. Unabhängig davon hat der Unionsrichter zu beurteilen, ob und inwieweit die Tatsache, dass die vertraulichen Informationen oder Beweise der betroffenen Person gegenüber nicht offengelegt werden und es ihr damit unmöglich ist, zu ihnen Stellung zu nehmen, die Beweiskraft der vertraulichen Beweise beeinflussen kann (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 67).

130    Gelangt der Unionsrichter im Rahmen seiner – der Definition in den Randnrn. 117 bis 129 des vorliegenden Urteils entsprechenden – Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu der Auffassung, dass zumindest einer der in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret ist, dass er nachgewiesen ist und dass er für sich genommen eine hinreichende Grundlage für diese Entscheidung darstellt, kann in Anbetracht des präventiven Charakters der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen der Umstand, dass dies auf andere dieser Gründe nicht zutrifft, die Nichtigerklärung der Entscheidung nicht rechtfertigen. Im umgekehrten Fall erklärt der Unionsrichter die angefochtene Entscheidung für nichtig.

131    Eine solche gerichtliche Kontrolle ist unerlässlich, um einen gerechten Ausgleich zwischen der Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit und dem Schutz der Grundfreiheiten und ‑rechte der betroffenen Person, die gemeinsame Werte der UNO und der Union darstellen, zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil E und F, Randnr. 57).

132    Ungeachtet ihres präventiven Charakters haben die fraglichen restriktiven Maßnahmen nämlich eine beträchtliche negative Auswirkung auf diese Rechte und Freiheiten, zum einen dadurch, dass sowohl das Berufs- als auch das Familienleben der betroffenen Person aufgrund der Einschränkungen des Gebrauchs ihres Eigentumsrechts, die sich aus der umfassenden Geltung und, wie hier, der tatsächlichen Dauer der Anwendung dieser Maßnahmen ergeben, beträchtlich erschüttert wird, und zum anderen dadurch, dass sie die betroffene Person stigmatisieren und das Misstrauen der Öffentlichkeit ihr gegenüber erwecken (vgl. in diesem Sinne Urteile Kadi, Randnrn. 358, 369 und 375, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, Randnr. 64, Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnr. 120, und vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C‑239/12 P, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Eine solche Kontrolle ist umso unerlässlicher, als die auf der Ebene der UNO eingeführten Verfahren der Streichung und der Überprüfung von Amts wegen – trotz der daran insbesondere nach Erlass der streitigen Verordnung vorgenommenen Verbesserungen – der Person, deren Name in der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses und infolgedessen in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufgeführt ist, nicht die Gewähr eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bieten, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kürzlich in Randnr. 211 seines Urteils vom 12. September 2012, Nada/Schweiz (noch nicht in den Reports of Judgments and Decisions veröffentlicht), entschieden hat, wobei er sich der Beurteilung durch das Schweizerische Bundesgericht anschloss.

134    Das Wesen eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes muss nämlich gerade darin bestehen, es der betroffenen Person zu ermöglichen, durch ein Nichtigkeitsurteil, mit dem die angefochtene Handlung rückwirkend aus der Rechtsordnung entfernt und so behandelt wird, als ob sie niemals bestanden hätte, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Aufnahme ihres Namens in die fragliche Liste oder seine Belassung auf dieser Liste mit einem Rechtsverstoß behaftet ist, dessen Anerkennung geeignet ist, sie zu rehabilitieren oder für sie eine Form der Wiedergutmachung des erlittenen immateriellen Schadens darzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Abdulrahim/Rat und Kommission, Randnrn. 67 bis 84).

–       Zu den Rechtsfehlern, mit denen das angefochtene Urteil behaftet ist

135    Aus den vorstehenden Prüfungsgesichtspunkten ergibt sich, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zum einen verlangt, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die vom Sanktionsausschuss gegebene Begründung übermittelt, auf der die Entscheidung beruht, ihren Namen in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder darauf zu belassen, dass sie ihr die Möglichkeit einräumt, hierzu sachdienlich Stellung zu nehmen, und dass sie die Stichhaltigkeit der angeführten Gründe sorgfältig und unparteiisch im Licht der Stellungnahme dieser Person und etwaiger von ihr beigebrachter Entlastungsbeweise prüft.

136    Die Wahrung dieser Rechte setzt zum anderen voraus, dass der Unionsrichter im Fall eines Rechtsstreits anhand der ihm mitgeteilten Anhaltspunkte insbesondere prüft, ob die in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret sind, und ob gegebenenfalls nachgewiesen ist, dass die dem betreffenden Grund entsprechenden Tatsachen zutreffen.

137    Der Umstand, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person und später dem Unionsrichter nicht die Informationen oder Beweise zugänglich gemacht hat, die sich ausschließlich im Besitz des Sanktionsausschusses oder des betreffenden UNO-Mitglieds befinden und die mit der Begründung im Zusammenhang stehen, auf die sich die in Rede stehende Entscheidung stützt, kann dagegen als solcher nicht die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Rechte begründen. In einer solchen Situation verfügt der Unionsrichter, der die Stichhaltigkeit der in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung enthaltenen Gründe in tatsächlicher Hinsicht unter Berücksichtigung der Stellungnahme der betroffenen Person und der von ihr gegebenenfalls vorgelegten Entlastungsbeweise sowie der Antwort der zuständigen Unionsbehörde auf diese Stellungnahme zu prüfen hat, allerdings nicht über zusätzliche Informationen oder Beweise. Ist es ihm nicht möglich, die Stichhaltigkeit dieser Gründe festzustellen, können sie daher nicht als Grundlage für die angefochtene Entscheidung zur Aufnahme in die Liste dienen.

138    Somit hat das Gericht in den Randnrn. 173, 181 bis 184, 188 und 192 bis 194 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, als es seine Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie infolgedessen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darauf gestützt hat, dass die Kommission Herrn Kadi und ihm selbst die Informationen und Beweise nicht mitgeteilt habe, die der Begründung für die Belassung des Namens des Betroffenen auf der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 zugrunde lägen, obwohl es, wie sich aus den Randnrn. 81 und 95 des angefochtenen Urteils ergibt, sowohl im Zusammenhang mit der Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme, den Herr Kadi gestellt hatte, um diese Mitteilung zu erlangen, als auch in der mündlichen Verhandlung festgestellt hat, dass die Kommission nicht über diese Informationen und Beweise verfügte.

139    Aus den Passagen des Urteils Kadi, auf die in den Randnrn. 181, 183 und 184 des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, ergibt sich entgegen den Ausführungen in diesen Randnummern nicht, dass der fehlende Zugang des Betroffenen und des Unionsrichters zu Informationen oder Beweisen, über die die zuständige Unionsbehörde nicht verfügt, als solcher eine Verletzung der Verteidigungsrechte oder des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz herbeiführt.

140    Im Übrigen hat das Gericht – wobei darauf hinzuweisen ist, dass seine Beurteilung der Frage, ob die Begründung hinreichend ist, der Nachprüfung durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Rat/Bamba, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung) – einen Rechtsfehler begangen, als es, wie sich aus den Randnrn. 174, 177, 188 und 192 bis 194 des angefochtenen Urteils ergibt, seine Feststellung einer solchen Rechtsverletzung auf den in seinen Augen vagen und ungenauen Charakter der Ausführungen in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung gestützt hat, obwohl eine gesonderte Prüfung jedes dieser Gründe eine derartige allgemeine Schlussfolgerung nicht zulässt.

141    Zwar ist, wie das Gericht zutreffend entschieden hat, als es sich in Randnr. 177 des angefochtenen Urteils das in Randnr. 157 vierter Gedankenstrich dieses Urteils dargelegte Argument von Herrn Kadi zu eigen gemacht hat, der letzte der in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten Gründe, der daraus hergeleitet wird, dass Herrn Kadi mehrere Gesellschaften in Albanien gehört haben sollen, die Gelder an Extremisten geleitet oder diese mit Kontrollfunktionen in Bezug auf die Mittel dieser Gesellschaften betraut hätten und von denen bis zu fünf Gesellschaften Betriebskapital von Osama bin Laden erhalten hätten, nicht hinreichend genau und konkret, da er keine Angaben zur Identität der betreffenden Gesellschaften, zum Zeitraum der ihnen zur Last gelegten Handlungen und zur Identität der „Extremisten“ enthält, die von diesen Handlungen profitiert haben sollen.

142    Dies gilt jedoch nicht für die übrigen Gründe, die in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführt werden.

143    Der erste Grund, der daraus hergeleitet wird, dass Herr Kadi eingeräumt habe, Gründungsmitglied der Muwafaq-Foundation zu sein, die ursprünglich unter der Kontrolle der Makhtab al-Khidamat, einer u. a. von Osama bin Laden gegründeten Vorgängerorganisation von Al-Qaida, tätig gewesen und nach Auflösung der Makhtab al-Khidamat im Juni 2001 in Al-Qaida aufgegangen sei, und deren Tätigkeiten geleitet zu haben, ist insofern hinreichend präzise und konkret, als darin die betroffene Einrichtung und die Rolle von Herrn Kadi im Zusammenhang mit ihr sowie die Umstände einer behaupteten Verbindung zwischen dieser Einrichtung einerseits sowie Osama bin Laden und Al-Qaida andererseits angegeben werden.

144    Der zweite Grund wird daraus hergeleitet, dass Herr Kadi 1992 auf Empfehlung von Herrn Julaidan, eines Finanziers, der in den 80er Jahren an der Seite von Osama bin Laden in Afghanistan gekämpft habe, Herrn Al-Ayadi als Leiter der europäischen Büros der Muwafaq-Foundation eingestellt haben soll. Zum Zeitpunkt dieser Einstellung sei Herr Al-Ayadi einer der Hauptanführer des Front Islamique Tunisien gewesen und habe in Absprache mit Osama bin Laden gehandelt. Anfang der 90er Jahre habe er sich für eine paramilitärische Ausbildung nach Afghanistan begeben und sei anschließend mit weiteren Personen in den Sudan gegangen, um dort mit Osama bin Laden eine Vereinbarung über die Aufnahme und Ausbildung von Tunesiern und später eine Vereinbarung über die Aufnahme aus Italien kommender tunesischer Kämpfer durch Mitstreiter von Osama bin Laden in Bosnien-Herzegowina zu schließen.

145    Dieser zweite Grund ist insofern hinreichend präzise und konkret, als er die notwendigen Angaben zum Zeitraum und zum Kontext dieser Einstellung sowie zu den personellen Umständen eines behaupteten Zusammenhangs zwischen ihr und Osama bin Laden enthält.

146    Der dritte Grund, der sich auf eine Erklärung stützt, die Talad Fuad Kassem, ein Führer von Al-Gama’at al Islamiyya, 1995 abgegeben haben soll und nach der die Muwafaq-Foundation einem Bataillon von Kämpfern in Bosnien-Herzegowina logistische und finanzielle Unterstützung gewährt habe, wird daraus hergeleitet, dass die Muwafaq-Foundation Mitte der neunziger Jahre an der Seite von Osama bin Laden an der Erbringung finanzieller Unterstützung für terroristische Aktivitäten dieser Kämpfer und am Waffenhandel zwischen Albanien und Bosnien-Herzegowina beteiligt gewesen sein soll.

147    Dieser dritte Grund ist hinreichend präzise und konkret, da darin der Urheber der fraglichen Erklärung, die Art der zur Last gelegten Handlungen, der Zeitraum, in dem sie begangen worden sein sollen, und die Verbindung, die sie zu den Tätigkeiten von Osama bin Laden aufweisen sollen, angegeben sind.

148    Der vierte Grund wird daraus hergeleitet, dass Herr Kadi einer der wichtigsten Anteilseigner der mittlerweile geschlossenen bosnischen Depozitna Banka gewesen sein soll, an der Herr Al-Ayadi ebenfalls beteiligt gewesen und als Strohmann für die Anteile von Herrn Kadi aufgetreten sein soll und in der möglicherweise Zusammenkünfte zur Vorbereitung eines Anschlags gegen eine Einrichtung der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien stattgefunden hätten.

149    Entgegen den Ausführungen in Randnr. 175 des angefochtenen Urteils ist dieser vierte Grund hinreichend präzise und konkret, da das Finanzinstitut, über das Herr Kadi sich an terroristischen Handlungen beteiligt haben soll, und die Art des betreffenden terroristischen Vorhabens benannt werden. Dass die Ausführungen, wonach in dieser Bank Zusammenkünfte zur Vorbereitung dieses behaupteten Vorhabens stattgefunden haben sollen, unter Vorbehalt formuliert sind, verstößt nicht gegen die Anforderungen, die sich aus der Begründungspflicht ergeben, denn die Gründe für eine Aufnahme in die Liste der Union können auf einem Verdacht der Verwicklung in terroristische Handlungen beruhen, unbeschadet der Prüfung, ob dieser Verdacht stichhaltig ist.

150    Auch wenn sich aus den Randnrn. 138 bis 140 und 142 bis 149 des vorliegenden Urteils ergibt, dass das Gericht Rechtsfehler begangen hat, ist zu prüfen, ob sich der Tenor des angefochtenen Urteils ungeachtet dieser Rechtsfehler aus anderen als den vom Gericht angeführten Rechtsgründen als richtig erweist und das Rechtsmittel daher zurückzuweisen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, Randnr. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zur Rechtswidrigkeit der streitigen Verordnung

151    Hinsichtlich des ersten in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten und in Randnr. 143 des vorliegenden Urteils genannten Grundes ist darauf hinzuweisen, dass Herr Kadi in seiner zur Stützung seiner Klage vor dem Gericht eingereichten Stellungnahme vom 10. November 2008 zwar eingeräumt hat, Gründungsmitglied der Muwafaq-Foundation gewesen zu sein, aber jegliche Unterstützung des Terrorismus durch diese und jegliche Verbindung zwischen ihr und der Makhtab al-Khidamat bestritten hat. Unter Beifügung der Gründungsurkunde der Muwafaq-Foundation hat er geltend gemacht, dass diese ausschließlich karitative und humanitäre Zwecke verfolge und sich hauptsächlich mit der Hilfeleistung für hungernde Menschen in der Welt, insbesondere im Sudan, befasse. Er hat zwar eingeräumt, an internationalen strategischen Entscheidungen der Muwafaq-Foundation beteiligt gewesen zu sein, doch jegliche Beteiligung an der laufenden Verwaltung ihrer weltweiten Tätigkeiten, insbesondere an der Rekrutierung des Personals vor Ort, geleugnet. Ebenso hat er bestritten, dass die Muwafaq-Foundation sich im Juni 2001 Al-Qaida angeschlossen habe, wobei er unter Vorlage von Dokumenten insbesondere hervorgehoben hat, dass sie ihre gesamte Tätigkeit spätestens 1998 eingestellt habe.

152    In ihrer ebenfalls dem Gericht vorgelegten Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission geltend gemacht, die Einstellung sämtlicher oder eines Teils der Tätigkeiten der in Rede stehenden Organisation könne nicht ausschließen, dass sich diese Organisation, die über eigene Rechtspersönlichkeit verfüge, Al-Qaida angeschlossen habe.

153    Es sind jedoch keine Informationen oder Beweise vorgelegt worden, die die Behauptungen bezüglich einer Verwicklung der Muwafaq-Foundation in den internationalen Terrorismus im Rahmen von Verbindungen zur Makhtab al-Khidamat und zu Al-Qaida untermauern. Daher sind die Angaben zur Rolle und zu den Funktionen von Herrn Kadi im Zusammenhang mit der Muwafaq-Foundation nicht geeignet, auf Unionsebene den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn zu begründen.

154    Was den zweiten in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten und in Randnr. 144 des vorliegenden Urteils genannten Grund betrifft, hat Herr Kadi in seiner Stellungnahme vom 10. November 2008 zwar zugegeben, Herrn Al-Ayadi 1992 auf Empfehlung von Herrn Julaidan als Leiter der europäischen Büros der Muwafaq-Foundation eingestellt zu haben, jedoch vorgetragen, dass der einzige Zweck, den die Muwafaq-Foundation in Europa verfolgt habe, in der Unterstützung bosnischer und kroatischer Flüchtlinge während der Balkankriege in den 90er Jahren bestanden habe. Herr Julaidan, der damals mit ihm bei einem Hilfsprojekt zur beruflichen Ausbildung kroatischer Flüchtlinge zusammengearbeitet habe, habe ihm Herrn Al-Ayadi aufgrund seiner beruflichen Erfahrung bei der Leitung humanitärer Tätigkeiten und seiner Integrität empfohlen. Zudem habe er 1992 keinen Grund gehabt, Herrn Al-Ayadi und Herrn Julaidan der Unterstützung terroristischer Handlungen zu verdächtigen, denn Osama bin Laden sei in den 80er Jahren als Verbündeter der westlichen Mächte im Verhältnis zur Sowjetunion angesehen und erst ab 1996 als Bedrohung der internationalen Sicherheit bezeichnet worden, und Herr Al-Ayadi und Herr Julaidan seien erst im Oktober 2001 bzw. September 2002 in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses aufgenommen worden. Schließlich wisse er nichts von der Existenz des Front Islamique Tunisien und den angeblichen Verbindungen zwischen Herrn Al-Ayadi und dieser Organisation.

155    In ihrer Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission vorgetragen, die Einstellung von Herrn Al-Ayadi durch Herrn Kadi auf Empfehlung von Herrn Julaidan lasse in Verbindung mit den Kontakten von Herrn Al-Ayadi und Herrn Julaidan zu Osama bin Laden den Schluss zu, dass diese verschiedenen Personen einvernehmlich gehandelt oder demselben Netzwerk angehört hätten. Unter diesen Umständen spiele es keine Rolle, dass Herr Kadi nach eigenen Angaben nichts von den behaupteten Verbindungen zwischen Herrn Al-Ayadi und dem Front Islamique Tunisien gewusst habe.

156    Insoweit ist, ohne dass auszuschließen wäre, dass die in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung enthaltenen Angaben zur Einstellung von Herrn Al-Ayadi durch Herrn Kadi auf Empfehlung von Herrn Julaidan im Jahr 1992 und zur behaupteten Verwicklung von Herrn Al-Ayadi und Herrn Julaidan in terroristische Handlungen gemeinsam mit Osama bin Laden als ausreichend angesehen werden könnten, die erstmalige Aufnahme des Namens von Herrn Kadi in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 im Jahr 2002 zu rechtfertigen, darauf hinzuweisen, dass diese Angaben, die nicht anderweitig untermauert werden, es nicht rechtfertigen können, seinen Namen nach 2008 auf der Liste der genannten Verordnung in der durch die streitige Verordnung geänderten Fassung zu belassen. Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen diesen beiden Rechtsakten reichen diese Angaben, die sich auf das Jahr 1992 beziehen, für sich genommen nämlich nicht mehr aus, um die Belassung des Namens von Herrn Kadi auf der Liste der Personen und Einrichtungen, auf die die fraglichen restriktiven Maßnahmen Anwendung finden, im Jahr 2008 auf Unionsebene zu rechtfertigen.

157    Zum dritten in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten und in Randnr. 146 des vorliegenden Urteils genannten Grund hat Herr Kadi in seiner Stellungnahme vom 10. November 2008 angegeben, Herrn Talad Fuad Kassem nicht zu kennen. Er hat bestritten, diesem, der von ihm geleiteten Einrichtung oder Kämpfern in Bosnien-Herzegowina jemals auch nur die geringste finanzielle, logistische oder sonstige Unterstützung erbracht zu haben. Auch habe nach seiner Kenntnis weder die Muwafaq-Foundation noch einer ihrer Mitarbeiter jemals eine derartige Unterstützung geleistet.

158    In ihrer Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission ausgeführt, dass die Aussage von Herrn Talad Fuad Kassem die Annahme stütze, dass Herr Kadi seine Stellung zu Zwecken benutzt habe, die nicht zu den gewöhnlichen Tätigkeiten gehörten. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob Herr Kadi Herrn Talad Fuad Kassem kenne.

159    Es sind jedoch keine Informationen oder Beweise vorgelegt worden, anhand deren sich nachprüfen ließe, ob die Herrn Talad Fuad Kassem in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung zugeschriebene Aussage inhaltlich zutrifft, und – insbesondere in Anbetracht des Vorbringens von Herrn Kadi, wonach er Herrn Talad Fuad Kassem nicht kenne – die Beweiskraft dieser Aussage hinsichtlich der Behauptungen zu beurteilen, die Muwafaq-Foundation habe in Abstimmung mit Osama bin Laden terroristische Handlungen in Bosnien-Herzegowina unterstützt. Unter diesen Umständen stellt die Aussage von Herrn Talad Fuad Kassem keine Grundlage dar, die den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber Herrn Kadi auf Unionsebene zu rechtfertigen vermag.

160    Was den vierten in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten und in Randnr. 148 des vorliegenden Urteils genannten Grund betrifft, hat Herr Kadi in seiner Stellungnahme vom 10. November 2008 bestritten, den internationalen Terrorismus jemals über die Depozitna Banka oder irgendein anderes Institut finanziell unterstützt zu haben. Er habe ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken im Hinblick auf die Aussichten auf einen sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau in Bosnien nach den Friedensabkommen von Dayton aus dem Jahr 1995 eine Beteiligung an dieser Bank erworben und aufgrund einer Vorgabe des örtlichen Rechts Herrn Al-Ayadi, der bosnischer Staatsangehöriger sei, mit der Vertretung seiner Interessen in dieser Bank betraut. Gestützt auf Berichte internationaler Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für den Zeitraum 1999 bis 2002 und auf den Bericht eines von einem schweizerischen Richter benannten Finanzanalysten für den Zeitraum 1997 bis 2001 hat er geltend gemacht, aus keinem dieser Berichte ergäben sich Hinweise darauf, dass die Depozitna Banka in irgendeiner Weise in die Finanzierung oder Unterstützung des Terrorismus verwickelt gewesen sei. Er hat bestritten, dass die Bank geschlossen worden sei, und unter Vorlage von Dokumenten erläutert, dass sie 2002 mit einer anderen Bank fusioniert habe. Außerdem hat er Dokumente zu den Kontakten vorgelegt, die im März 1999 zwischen den Behörden der Vereinigten Staaten, dem Direktor der Depozitna Banka und den bosnischen politischen Behörden zu rechtlichen Fragestellungen stattgefunden hätten, die den Bankensektor in Bosnien-Herzegowina betroffen hätten. Schließlich hat er ausgeführt, wenn die saudischen Behörden Gründe für den Verdacht gehabt hätten, dass in der Depozitna Banka ein Anschlag gegen die Interessen der Vereinigten Staaten in ihrem Hoheitsgebiet vorbereitet werde, hätten sie es nicht versäumt, ihn als saudischen Anteilseigner dieses Instituts zu befragen. Dies hätten sie aber nie getan.

161    In ihrer Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission ausgeführt, die Hinweise darauf, dass die Depozitna Banka zur Vorbereitung eines Anschlags in Saudi-Arabien gedient habe, trügen dazu bei, die Annahme zu bestätigen, dass Herr Kadi seine Stellung zu Zwecken benutzt habe, die nicht zu den gewöhnlichen Tätigkeiten gehörten.

162    Da jedoch keine Informationen oder Beweise vorgelegt worden sind, die das Vorbringen stützen, wonach in den Räumlichkeiten der Depozitna Banka möglicherweise Zusammenkünfte zur Vorbereitung von Terrorakten im Zusammenwirken mit Al-Qaida oder Osama bin Laden stattgefunden hätten, können die Angaben zu der Verbindung zwischen Herrn Kadi und dieser Bank den Erlass von restriktiven Maßnahmen gegen Herrn Kadi auf Unionsebene nicht stützen.

163    Aus der in den Randnrn. 141 und 151 bis 162 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Prüfung ergibt sich, dass keine der Herrn Kadi belastenden Behauptungen in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung auf Unionsebene den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn zu rechtfertigen vermag, und zwar entweder wegen unzureichender Begründung oder wegen des Fehlens von Informationen oder Beweisen, die den jeweils angeführten Grund angesichts des detaillierten Bestreitens durch den Betroffenen untermauern.

164    Daher können die in den Randnrn. 138 bis 140 und 142 bis 149 des vorliegenden Urteils festgestellten Rechtsfehler, mit denen das angefochtene Urteil behaftet ist, nicht zu dessen Aufhebung führen, da die Urteilsformel, mit der die streitige Verordnung für nichtig erklärt wurde, soweit sie Herrn Kadi betrifft, aus den in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsgründen richtig ist.

165    Somit sind die Rechtsmittel zurückzuweisen.

 Kosten

166    Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Hat eine erstinstanzliche Streithilfepartei, die das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, am Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen, kann der Gerichtshof ihr nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten auferlegen. Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

167    Da die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen sind, sind sie gemäß dem Antrag von Herrn Kadi zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

168    Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, Irland, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland, die als Streithelfer aufgetreten sind, tragen ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission, der Rat der Europäischen Union und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen die Kosten.

3.      Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, Irland, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.