SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NIILO JÄÄSKINEN
vom 4. September 2014(1)
Verbundene Rechtssachen C‑400/13 und C‑408/13
Sophia Marie Nicole Sanders,
vertreten durch Marianne Sanders,
gegen
David Verhaegen
(Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf [Deutschland])
und
Barbara Huber
gegen
Manfred Huber
(Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Karlsruhe [Deutschland])
„Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit in Unterhaltssachen – Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 – Klage gegen eine Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat hat – Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats, die in einem solchen Fall dem Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der gewöhnliche Aufenthalt des in diesem Mitgliedstaat lebenden Beteiligten liegt, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist – Ausschluss einer solchen Zuständigkeitskonzentration“
I – Einleitung
1. In den vorliegenden verbundenen Rechtssachen betreffen die Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf (Deutschland) und des Amtsgerichts Karlsruhe (Deutschland) im Wesentlichen die Auslegung von Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen(2).
2. Neben weiteren Bestimmungen dieser Verordnung regeln die Buchst. a und b des genannten Art. 3 die örtliche Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten(3) auf diesem Gebiet, indem sie alternativ „das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“, oder „das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“, bezeichnen, wobei der Kläger zwischen diesen Gerichtsständen frei wählen kann.
3. Die vorliegenden Rechtssachen fügen sich in den Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten ein, die sich auf Unterhaltsklagen zwischen einem minderjährigen Kind und seinem Vater einerseits und einer verheirateten Frau und ihrem Ehemann andererseits beziehen. Die erwähnten Klagen sind jeweils vor dem Amtsgericht der deutschen Städte erhoben worden, in denen die betreffenden Unterhaltsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Unter Anwendung einer Vorschrift, mit der die in Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 4/2009 genannten Fälle in deutsches Recht umgesetzt worden sind, haben sich die jeweiligen Gerichte jedoch zugunsten des Amtsgerichts am Ort des Sitzes des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Klägerinnen ihren Aufenthalt haben, für unzuständig erklärt.
4. Der Gerichtshof wird daher gebeten, festzustellen, ob Art. 3 der genannten Verordnung, der in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar ist, dahin auszulegen ist, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die in Unterhaltssachen bewirkt, dass die grenzüberschreitende gerichtliche Zuständigkeit zugunsten eines Gerichts konzentriert wird, bei dem es sich nicht um das Gericht handelt, dessen ordentlicher Bezirk den Ort umfasst, an dem der im nationalen Hoheitsgebiet lebende Beteiligte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
5. Obwohl die Verordnung Nr. 4/2009 seit dem 18. Juni 2011 Anwendung findet(4), hatte sich der Gerichtshof noch niemals zur Auslegung der in ihr enthaltenen Bestimmungen zu äußern(5). Somit ist u. a. zu hinterfragen, ob die Erkenntnisse, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu anderen zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit in Zivilsachen anwendbaren Rechtsinstrumenten ergeben, berücksichtigt werden können oder sogar berücksichtigt werden müssen, und, falls dem so ist, festzustellen, in welchem Umfang ein Analogieschluss bei der Auslegung von Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 gerechtfertigt wäre.
6. Diese Frage stellt sich insbesondere in Anbetracht der bestehenden Ähnlichkeiten zwischen dem Wortlaut des genannten Artikels und dem Wortlaut der Vorschriften über die Zuständigkeit in Unterhaltssachen im Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen)(6) und in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(7) (im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung), die in einer Reihe mit diesem Übereinkommen steht(8).
II – Rechtlicher Rahmen
A – Verordnung Nr. 4/2009
7. Im dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 4/2009 wird neben weiteren Rechtsinstrumenten ausdrücklich auf die Brüssel-I-Verordnung Bezug genommen. In ihrem 44. Erwägungsgrund heißt es, dass diese Verordnung die Brüssel-I-Verordnung ändert, „indem sie deren auf Unterhaltssachen anwendbare Bestimmungen ersetzt“. Ihr 15. Erwägungsgrund fügt hinzu: „Um die Interessen der Unterhaltsberechtigten zu wahren und eine ordnungsgemäße Rechtspflege innerhalb der Europäischen Union zu fördern, sollten die Vorschriften über die Zuständigkeit, die sich aus der [Brüssel-I-]Verordnung … ergeben, [u. a. dahin gehend] angepasst werden …, dass … eine Rückverweisung auf die innerstaatlichen Vorschriften über die Zuständigkeit … nicht mehr möglich sein [sollte].“
8. Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 4/2009 sieht vor: „Zuständig für Entscheidungen in Unterhaltssachen in den Mitgliedstaaten ist
a) das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
b) das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, …“
B – Deutsches Recht
9. Die Verordnung Nr. 4/2009 ist durch das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten vom 23. Mai 2011 (Auslandsunterhaltsgesetz, im Folgenden: AUG)(9) in deutsches Recht umgesetzt worden.
10. In seiner zum maßgeblichen Zeitpunkt anwendbaren Fassung sieht § 28 („Zuständigkeitskonzentration; …“) Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes vor: „Wenn ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat, entscheidet über Anträge in Unterhaltssachen in den Fällen des Artikels 3 Buchstabe a und b der Verordnung [Nr. 4/2009] ausschließlich das für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständige Amtsgericht.“
III – Ausgangsrechtsstreitigkeiten, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
A – Rechtssache Sanders (C‑400/13)
11. Am 29. Mai 2013 rief das minderjährige Kind Sophia Maria Nicole Sanders, vertreten durch seine Mutter, das Amtsgericht mit Sitz in Mettmann – der Stadt, in der sein gewöhnlicher Aufenthalt liegt – an und verklagte seinen in Belgien lebenden Vater, Herrn Verhaegen, auf Zahlung von Kindesunterhalt.
12. Nach Anhörung der Beteiligten gab das Amtsgericht Mettmann die Rechtssache nach § 28 Abs. 1 AUG an das Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland) ab als dem Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Unterhaltsberechtigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nämlich des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
13. Das Amtsgericht Düsseldorf zog seine eigene örtliche Zuständigkeit jedoch in Zweifel und vertrat die Auffassung, nach Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 müsse das zuständige Gericht das Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat sein, an dem die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, im vorliegenden Fall das Amtsgericht Mettmann. Mit am 16. Juli 2013 eingegangener Entscheidung setzte es daher das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Verstößt § 28 Abs. 1 AUG gegen Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 4/2009?
B – Rechtssache Huber (C‑408/13)
14. Frau Huber strengte ein Verfahren vor dem Amtsgericht mit Sitz in Kehl (Deutschland) – der Stadt, in der sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat – an, damit ihr auf Barbados wohnhafter Ehemann, Herr Huber, nach ihrer Trennung zur Zahlung von Unterhalt an sie verurteilt werde.
15. Im Rahmen eines die Gewährung von Prozesskostenhilfe betreffenden Vorverfahrens gab das genannte Gericht die Rechtssache an das Amtsgericht Karlsruhe ab und begründete dies damit, dass dieses auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 AUG allein zuständig sei, da der gewöhnliche Aufenthalt der Antragstellerin im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe liege.
16. Nachdem beide Parteien des Ausgangsverfahrens Zweifel an der Vereinbarkeit des genannten § 28 mit Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 4/2009 geäußert hatten, erklärte sich das Amtsgericht Karlsruhe mit am 18. Juli 2013 eingegangener Entscheidung bereit, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist es mit Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 4/2009 vereinbar, wenn in § 28 Abs. 1 Satz 1 AUG geregelt ist, dass dann, wenn ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat, über Anträge in Unterhaltssachen in den Fällen des Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 4/2009 ausschließlich das für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständige Amtsgericht entscheidet?
C – Verfahren vor dem Gerichtshof
17. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2013 sind die Rechtssachen C‑400/13 und C‑408/13 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
18. Die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Es ist keine mündliche Verhandlung abgehalten worden.
IV – Würdigung
A – Zum Inhalt der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen
19. Wegen der Schwierigkeiten, die sich aus dem Wortlaut der Vorabentscheidungsersuchen ergeben können, mit denen der Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen befasst ist, sind zunächst die Grenzen seiner Zuständigkeit in diesem Rahmen zu umreißen, bevor anschließend präzisiert wird, welche Vorschriften im Hinblick auf Art. 3 und weitere Artikel der Verordnung Nr. 4/2009 auszulegen sind.
20. Erstens befürworte ich wie die deutsche Regierung, dass der Gerichtshof die Fragen der vorlegenden Gerichte nach Maßgabe seiner Rechtsprechung dahin gehend neu formuliert, dass ihr Gegenstand nicht darin bestehen sollte, die in diesen Fragen angeführten Bestimmungen des deutschen Rechts auszulegen und zu beurteilen, ob sie gegen Unionsrecht verstoßen, da dies im Rahmen der auf Art. 267 AEUV gestützten Klagen nicht in seine Zuständigkeit fällt(10), sondern Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 so zu prüfen, dass den nationalen Gerichten alle sachdienlichen Angaben zur Auslegung des Unionsrechts an die Hand gegeben werden, damit sie über die Rechtsstreitigkeiten entscheiden können, mit denen sie befasst sind(11).
21. Zweitens ist festzustellen, dass die beiden vorlegenden Gerichte den Gerichtshof ersuchen, sich zur Auslegung sowohl von Buchst. a als auch von Buchst. b des Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 zu äußern, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 28 Abs. 1 AUG „in den Fällen des Artikels 3 Buchstabe a und b der [genannten] Verordnung“ Anwendung findet (Hervorhebung nur hier).
22. Die Kommission macht jedoch geltend, die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen seien offensichtlich unzulässig, soweit sie Art. 3 Buchst. a dieser Verordnung beträfen, da aufgrund der Umstände der Ausgangsrechtsstreitigkeiten nur Buchst. b des erwähnten Artikels in einem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten stehe und damit im vorliegenden Fall einschlägig sei.
23. Zwar handelt es sich bei den Klägerinnen in den beiden im Ausgangsrechtsstreit anhängigen Verfahren um Unterhaltsberechtigte, die sich dazu entschlossen haben, ein Gericht mit Sitz im deutschen Hoheitsgebiet anzurufen, an dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und ein solcher Sachverhalt fällt in den Anwendungsbereich von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009. Aufgrund der durch eine Bestimmung des deutschen Rechts gesäten Zweifel fragen sich die vorlegenden Gerichte in diesem Zusammenhang, welches der deutschen Gerichte auf der Grundlage der genannten Vorschrift als Gericht „des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“, örtlich zuständig ist.
24. Die Anwendung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009, der die Zuständigkeit des Gerichts „des Ortes [betrifft], an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“, wirft im Rahmen der vorliegenden Ausgangsrechtsstreitigkeiten jedoch kein konkretes Problem auf. Nach der Rechtsprechung, wonach der Gerichtshof nicht über eine Vorlagefrage oder einen Teil einer Vorlagefrage befinden kann, die bzw. der nicht offensichtlich einem durch die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits bedingten objektiven Bedürfnis entspricht(12), sollte sich die Antwort in den vorliegenden Rechtssachen meines Erachtens daher auf die Auslegung von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 beschränken.
25. Damit diese Auslegung vorgenommen werden kann, ist gleichwohl die allgemeinere Regelung zu berücksichtigen, in die sich die einschlägige Vorschrift einfügt(13), sowie insbesondere festzustellen, dass die Buchst. a und b des genannten Art. 3 in Bezug auf die Fragen aufwerfende Wendung den gleichen Wortlaut haben(14) und in der gleichen Fallkonstellation alternativ anwendbar sind, nämlich dann, wenn in der Hauptsache über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist(15).
26. Drittens ist zu bemerken, dass das Amtsgericht Karlsruhe in seiner Vorlageentscheidung, die sich auf die Rechtssache Huber (C‑408/13) bezieht, die Möglichkeit eines Verstoßes des Ausschließlichkeitscharakters der in § 28 Abs. 1 Satz 1 AUG vorgesehenen Zuständigkeit nicht nur gegen Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009, sondern auch gegen deren Art. 4 und 5(16) anspricht, ohne die letztgenannten Artikel in der unterbreiteten Vorlagefrage jedoch zu erwähnen. Die Kommission schlägt vor, dass der Gerichtshof für den Fall eine Auslegung der genannten Art. 4 und 5 vornimmt, dass das erwähnte vorlegende Gericht über die von ihm formulierte Frage hinaus wissen möchte, ob die fragliche Zuständigkeitskonzentration auch mit diesen Vorschriften unvereinbar ist.
27. Ich bin im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs(17) der Ansicht, dass dieser sich insoweit nicht zu äußern braucht, da das Amtsgericht Karlsruhe die Frage, mit der es den Gerichtshof befasst hat, auf die Bestimmung der Tragweite von Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 eingegrenzt hat, während die Art. 4 und 5 dieser Verordnung zwar angeführt werden, aber deshalb nicht Gegenstand der genannten Frage sind, weil sie nach der Einschätzung des Gerichts für die Entscheidung über seine eigene Zuständigkeit nicht entscheidend sind(18).
B – Zu den aus einem Vergleich mit anderen Rechtsinstrumenten zu ziehenden Erkenntnissen
28. Da der Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen erstmals mit der Auslegung der Verordnung Nr. 4/2009 befasst ist, ist zu fragen, ob sich angesichts ähnlicher Rechtsinstrumente Denkanstöße oder sogar Lösungsansätze finden lassen. Insoweit ist zunächst zu untersuchen, ob es sinnvoll ist, einen Vergleich mit internationalen Übereinkommen oder anderen Verordnungen über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen anzustellen, von denen einige Bestimmungen enthalten, die tatsächlich Ähnlichkeiten mit den Bestimmungen von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 aufweisen (1). Falls ja, ist sodann zu ermitteln, in welchem Umfang ein solcher Vergleich es in Anbetracht der Besonderheiten der letztgenannten Vorschrift erlaubt, eine entsprechende Auslegung vorzunehmen und insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesen anderen Rechtsinstrumenten zu berücksichtigen (2).
1. Zur Möglichkeit eines Vergleichs mit anderen Rechtsinstrumenten
29. Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 hat einen ähnlichen Wortlaut wie die „besonderen Zuständigkeitsregeln“ in Unterhaltssachen in Art. 5 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens(19) und in Art. 5 Nr. 2 der Brüssel-I-Verordnung, in denen es heißt, dass das zuständige Gericht in diesen Sachen das „Gericht des Ortes [ist], an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“(20).
30. Ungeachtet der Tatsache, dass Unterhaltspflichten nunmehr vom Anwendungsbereich der Brüssel-I-Verordnung ausgenommen sind(21), ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und zur genannten Verordnung für die Prüfung der entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 4/2009 meiner Meinung nach weiterhin relevant. Daher ist es, auch wenn ein solcher analoger Ansatz ein wenig abzumildern sein wird, nach meinem Dafürhalten geboten, die Begriffe, die Gegenstand der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen sind, im Licht dieser Rechtsprechung auszulegen, und zwar aus folgenden Gründen.
31. Erstens sind die wesentlichen Verbindungen, die zwischen der Brüssel-I-Verordnung und der Verordnung Nr. 4/2009 bestehen, bei einer Auslegung der letztgenannten Verordnung offenkundig, da deren Präambel die erstgenannte Verordnung mehrfach erwähnt(22) und es in ihrem Art. 68 Abs. 1 ausdrücklich heißt, dass durch sie die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen der Brüssel-I-Verordnung ersetzt werden.
32. Zweitens stützt die Entstehungsgeschichte von Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 insbesondere in Bezug auf die Zuständigkeitsregeln in dieser Vorschrift das Bestehen solcher Verbindungen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission unterstreicht nämlich die Notwendigkeit, die dem Unterhaltsberechtigten bereits durch die in der Brüssel-I-Verordnung aufgeführten Zuständigkeitsregeln gebotenen Möglichkeiten zu verbessern(23). Die Mitteilung mit Erläuterungen zu diesem Vorschlag(24) bestätigt, dass der genannte Art. 3 im Wesentlichen die entsprechenden Bestimmungen der Brüssel-I-Verordnung wiedergibt(25), an denen jedoch einige Änderungen vorgenommen worden sind, um Unklarheiten zu beseitigen(26), diese Vorschriften an die Besonderheiten des Familienrechts anzupassen(27) und ihren Anwendungsbereich zu erweitern(28).
33. Vor diesem Hintergrund kann nach meinem Dafürhalten als Prämisse akzeptiert werden, dass die Bestimmungen des letztgenannten Artikels in einem Sinne auszulegen sind, der mit der Rechtsprechung zu den Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und denen der Brüssel-I-Verordnung, soweit sie einander entsprechen, im Einklang steht(29), allerdings mit einigen Vorbehalten im Zusammenhang mit den der Verordnung Nr. 4/2009 eigenen Zielen, die weiter unten dargelegt werden sollen(30).
34. Der Vollständigkeit halber ist zu untersuchen, ob es sinnvoll wäre, einen Vergleich mit anderen – ebenfalls im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit in Zivilsachen, insbesondere in Familiensachen, anwendbaren – Rechtsinstrumenten als dem genannten Übereinkommen und der erwähnten Verordnung anzustellen(31).
35. Was das Haager Übereinkommen vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen(32) angeht, heißt es im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 4/2009, dass ihm bei Anwendung der Verordnung Rechnung zu tragen ist(33). Dieses Übereinkommen enthält keine Regelungen für die unmittelbare Zuständigkeit(34), die dazugehörigen vorbereitenden Dokumente liefern jedoch insofern einen nützlichen Hinweis für eine Stellungnahme im vorliegenden Fall, als sie klarstellen, dass die Vorschriften, die eine an den Ort des Aufenthalts oder des Wohnsitzes der berechtigten Person anknüpfende Zuständigkeit vorsehen, „von dem Willen getragen [sind], die (gewöhnlich) schwächere Partei (d. h. die berechtigte Person) zu schützen, indem ihr ein bequemer Gerichtsstand für die Erhebung ihrer Klage, d. h. in ihrer Nähe, geboten wird“(35).
36. Die Verordnung, die gemeinhin als „Brüssel-IIa“-Verordnung bezeichnet wird(36), nimmt Unterhaltspflichten aufgrund des Bestehens spezieller Vorschriften, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses in der Brüssel-I-Verordnung enthalten waren und zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Verordnung Nr. 4/2009 enthalten sind, zwar von ihrem Anwendungsbereich aus(37). Im Vergleich ist den darin getroffenen Zuständigkeitsregelungen allerdings gemein, dass sie „die Gerichte [eines] Mitgliedstaats“(38) bezeichnen und nicht „das Gericht des Ortes, an dem“, wie es Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 tut(39).
2. Zur Bedeutung des Vergleichs mit anderen Rechtsinstrumenten
37. Auch wenn die Auslegung der in der Verordnung Nr. 4/2009 getroffenen Zuständigkeitsregelungen nach meinem Dafürhalten im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den entsprechenden Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung zu erfolgen hat, weise ich vorab darauf hin, dass die Übertragung der sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Grundsätze nicht mechanisch vorgenommen werden kann.
38. In Anbetracht des spezifischen Gegenstands der Verordnung Nr. 4/2009, der Anpassungen im Verhältnis zu den Zuständigkeitsregelungen in der Brüssel-I-Verordnung erforderlich gemacht hat(40), findet eine solche entsprechende Auslegung nämlich ihre Grenzen, auch wenn die Verordnung Nr. 4/2009 entgegen den Feststellungen zur Brüssel-IIa-Verordnung(41) nicht nur nichtvermögensrechtliche, sondern auch vermögensrechtliche Streitigkeiten betrifft. Ich möchte hervorheben, dass der Anwendungsbereich dieses hybriden Rechtsinstruments sowohl in materieller(42) als auch in geografischer(43) Hinsicht umfassender angelegt worden ist als der Anwendungsbereich u. a. der Brüssel-I-Verordnung.
39. Meines Erachtens gibt es im vorliegenden Fall kaum Zweifel hinsichtlich der Übertragung des vom Gerichtshof in Bezug auf die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und derjenigen der Brüssel-I-Verordnung ständig angewandten Grundsatzes(44), wonach Begriffe wie die in der Verordnung Nr. 4/2009 verwendeten autonom definiert werden müssen, d. h. unabhängig davon, wie sie im einen oder anderen Mitgliedstaat verstanden werden, um sicherzustellen, dass sich aus diesem Rechtsakt für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben. Insoweit stellt der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 4/2009 klar, dass der Begriff „Unterhaltspflicht“ im Sinne dieser Verordnung „autonom ausgelegt werden [sollte]“(45), womit der Ansatz festgeschrieben wird, dem der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens(46), die auch die Autonomie des Begriffs „Unterhaltsberechtigter“ ausdrücklich anerkannt hat(47), gefolgt ist. Die in den vorliegenden Rechtssachen gestellten Fragen sind meines Erachtens daher unter Bezugnahme auf die Systematik und die Zielsetzungen der betreffenden Verordnung zu beantworten(48).
40. Obwohl in der Präambel der letztgenannten Verordnung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, stellen die im 15. Erwägungsgrund der Brüssel-I-Verordnung angeführten allgemeinen Ziele(49) für mich darüber hinaus unbestreitbar auch die Grundlage für die in der Verordnung Nr. 4/2009 vorgesehenen Zuständigkeitsregeln dar(50). Es sind jedoch in erster Linie die der letztgenannten Verordnung eigenen Ziele, nämlich „die Interessen der Unterhaltsberechtigten zu wahren“ und „eine ordnungsgemäße Rechtspflege innerhalb der Europäischen Union zu fördern“(51), von denen die Auslegung durch den Gerichtshof im vorliegenden Fall geleitet werden muss. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Anliegen, die berechtigten Interessen aller Unterhaltsberechtigten besser zu schützen(52), tatsächlich einer der Hauptgründe gewesen ist, weshalb sich der europäische Gesetzgeber dazu entschlossen hat, Unterhaltspflichten vom Anwendungsbereich der Brüssel-I-Verordnung, die sich auf finanzielle Verpflichtungen allgemein bezieht, auszunehmen und das spezifische Rechtsinstrument der Verordnung Nr. 4/2009 zu erlassen(53). Das genannte Anliegen geht aus den Bestimmungen dieser Verordnung im Übrigen klar hervor(54).
41. Daher bin ich der Meinung, dass der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der gleichwertigen Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung im Rahmen der vorliegenden Rechtssachen so weit wie möglich, aber mit den Anpassungen, die aufgrund der Besonderheiten der Verordnung Nr. 4/2009 gegebenenfalls erforderlich sind, Rechnung zu tragen ist.
C – Zur Auslegung der Wendung „Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ im Sinne von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009
42. Die Vorlagefragen des Amtsgerichts Düsseldorf bzw. des Amtsgerichts Karlsruhe sind im Wesentlichen identisch. Unter Berücksichtigung der obigen Klarstellungen(55) sind sie so zu verstehen, dass mit ihnen festgestellt werden soll, ob Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 – meines Erachtens autonom(56) – dahin auszulegen ist, dass es zulässig wäre, wenn eine Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende(57) für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten eine regionale Zuständigkeitskonzentration bei einem erstinstanzlichen Gericht vorsieht, das nicht zwangsläufig mit dem Gericht der gleichen Stufe identisch ist, in dessen Bezirk die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, und dessen örtliche Zuständigkeit sich vielmehr nach dem Sitz des Rechtsmittelgerichts bestimmt, in dessen Bezirk diese Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
43. In ihren Erklärungen schlagen die deutsche Regierung und die Kommission übereinstimmend vor, zu antworten, dass das Unionsrecht einer Zuständigkeitsregel wie der sich aus der betreffenden deutschen Vorschrift ergebenden nicht entgegensteht. Die vorlegenden Gerichte haben jedoch sowohl in der Rechtssache Sanders (C‑400/13)(58) als auch in der Rechtssache Huber (C‑408/13)(59) einen gegenteiligen Standpunkt zum Ausdruck gebracht.
44. Aus Gründen, die mit dem Zweck von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 (1), dem Wortlaut dieser Vorschrift und der Natur des Rechtsinstruments, in dem sie enthalten ist (2), sowie mit der Regelung, in die sie sich einfügt (3), zusammenhängen, erscheint mir der letztgenannte Ansatz am ehesten begründet. Die Gesamtheit dieser Erwägungen führt zu einer Stellungnahme, die durch das zur Stützung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutschen Vorschrift angeführte Vorbringen meines Erachtens nicht wirklich entkräftet werden kann (4).
1. Zur teleologischen Auslegung
45. Die deutsche Regierung und die Kommission räumen ein, dass Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 sowohl die grenzüberschreitende Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten als auch die örtliche Zuständigkeit innerhalb jedes einzelnen Mitgliedstaats regeln soll(60).
46. Wie ich bereits festgestellt habe(61), besteht ein Hauptziel der Verordnung Nr. 4/2009, das in ihrem Art. 3 eine Anwendung erfährt, im Schutz des Unterhaltsberechtigten, der in dem Verhältnis, das sich aus einer Unterhaltspflicht ergeben hat, und in dem möglicherweise darauf folgenden Verfahren als die schwächere Partei angesehen wird(62). Diese Erwägung hat auch der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens hervorgehoben(63).
47. Insoweit wird in den Erwägungsgründen 5 und 9 der Verordnung Nr. 4/2009 darauf hingewiesen, dass deren Erlass u. a. den Zweck gehabt habe, die den Berechtigten zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zur Feststellung und Beitreibung von Unterhaltsforderungen noch weiter zu vereinfachen, als es das Brüsseler Übereinkommen und die Brüssel-I-Verordnung erlaubten, und zwar u. a. durch die Abschaffung des Exequaturverfahrens für einschlägige Entscheidungen, sofern diese unter Einhaltung bestimmter in der genannten Verordnung aufgeführter Mindestgarantien ergangen sind(64).
48. Nach Auffassung der deutschen Regierung und der Kommission steht die im Ausgangsverfahren fragliche deutsche Rechtsvorschrift Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009, insbesondere der Schutzfunktion gegenüber dem Berechtigten, die sie dieser Vorschrift zuschreiben, nicht entgegen.
49. Das erscheint mir – vor allem im Hinblick auf das in der genannten Vorschrift angeführte zusätzliche Ziel einer garantierten Nähe zwischen berechtigter Person und angerufenem Gericht – fragwürdig. Dieses doppelte Ziel von Schutz und Nähe lag bereits der Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens zugrunde(65), dessen eindeutige Entsprechung Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 ist, und ist durch diese verstärkt worden(66). In der Begründung des Vorschlags der Kommission zum Erlass der genannten Verordnung heißt es nämlich: „Die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in der [Brüssel-I-]Verordnung … bieten dem Unterhaltsberechtigten bereits die Möglichkeit, bei einer zuständigen Stelle in seiner Nähe vorstellig zu werden, doch lassen sich noch weitere Verbesserungen erreichen …“(67) Eine solche Erwägung setzt konkret voraus, dass sichergestellt wird, dass die berechtigte Person ohne allzu große materielle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Reisen klagen kann, aber auch, dass sie ihre Rechte vor dem Gericht geltend machen kann, das zwecks Festlegung der Mittel und Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und entsprechend der Fähigkeit des Unterhaltspflichtigen, zu diesen Mitteln und Bedürfnissen beizutragen, mit den örtlichen wirtschaftlichen Besonderheiten am besten vertraut ist(68).
50. Meines Erachtens liefen das mit der Verordnung Nr. 4/2009 geschaffene harmonisierte System von Zuständigkeitsregelungen und die sich daraus ergebenden Vorteile – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit – Gefahr, ihre praktische Wirksamkeit zu verlieren, wenn der Gerichtshof im vorliegenden Fall eine Auslegung von Art. 3 Buchst. b der genannten Verordnung wählen würde, die es den Mitgliedstaaten erlaubte, für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten auf nationaler Ebene Zuständigkeitsregelungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende wiedereinzuführen, die dem Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sogar für den Fall die Zuständigkeit vorbehält, dass dieser Aufenthalt nicht im ordentlichen Bezirk des genannten Amtsgerichts liegt.
51. Unter Umständen wie denen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten liegt der Aufenthalt der berechtigten Person jedoch zwar im Bezirk des betreffenden Oberlandesgerichts, nicht aber im Bezirk des Amtsgerichts, dem die in Rede stehende deutsche Vorschrift die örtliche Zuständigkeit zuweist. Es besteht nämlich kein Zweifel daran, dass es sich beim Amtsgericht Mettmann und beim Amtsgericht Kehl im vorliegenden Fall um die Gerichte der Orte handelt, an denen die betreffenden Unterhaltsberechtigten ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Mit anderen Worten beschränkt sich § 28 Abs. 1 Satz 1 AUG nicht darauf, eine nationale Definition der Wendung „Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ im Sinne von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 zu geben, sondern stellt vielmehr eine Vorschrift dar, die eine Aufteilung der Zuständigkeiten der – im ersten Rechtszug selbst nicht für Entscheidungen über Unterhaltsstreitigkeiten zuständigen – erstinstanzlichen Gerichte nach Maßgabe des Aufenthaltsorts im Rechtsmittelgerichtsbezirk vornimmt.
52. Ein anderes – allgemeineres – Ziel des harmonisierten Systems der Verordnung Nr. 4/2009 besteht – ebenso wie bei dem durch das Brüsseler Übereinkommen und später die Brüssel-I-Verordnung geschaffenen System – darin, so weit wie möglich eine Rückverweisung auf die innerstaatlichen Vorschriften über die Zuständigkeit zu vermeiden(69). Wie in den Berichten zum Brüsseler Übereinkommen hervorgehoben worden ist, sollten die darin enthaltenen besonderen Zuständigkeitsvorschriften es ermöglichen, die Zuständigkeit der Gerichte der betreffenden Mitgliedstaaten zu bestimmen, ohne auf das Recht des Gerichtsstands Bezug nehmen zu müssen(70). Diese Ablehnung nationaler oder abweichender Zuständigkeitsvorschriften erleichtert anschließend die Anerkennung von Entscheidungen in sämtlichen Mitgliedstaaten, die den Eckpfeiler des europäischen Systems der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen darstellt. Allerdings befindet sich unter diesen besonderen Zuständigkeitsvorschriften Art. 5 Nr. 2 des genannten Übereinkommens, der in Unterhaltssachen anwendbar ist und aus dem Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 abgeleitet ist.
53. Der Wortlaut von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 bestätigt einen solchen Ausschluss einzelstaatlicher Zuständigkeitsvorschriften, vor allem dann, wenn er zur Formulierung weiterer ähnlicher Vorschriften ins Verhältnis gesetzt wird.
2. Zur Wortlautauslegung
54. Ich möchte gleich hervorheben, dass es mir kaum vertretbar erscheint, mit der deutschen Regierung davon auszugehen, dass, wenn dem von den vorlegenden Gerichten befürworteten Ansatz gefolgt würde, dies dazu führen würde, dass die Wendung „Ortes, an dem“ in Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 in der Weise wörtlich ausgelegt wird, dass die berechtigte Person unmittelbar am Ort ihres Aufenthalts klagen können sollte und daher „an jedem denkbaren geografischen Punkt in jeder Gemeinde des Mitgliedstaats“ ein Gericht vorhanden sein muss.
55. Unbestreitbar beruht die Gerichtsorganisation der Mitgliedstaaten im Normalfall auf dem Grundsatz, dass jedes Gericht über einen geografischen Bezirk verfügt, der einem Teil des nationalen Hoheitsgebiets, auf dessen Fläche es seine Zuständigkeiten ausübt, entspricht und nicht nur eine, sondern mehrere Örtlichkeiten, Städte oder Gemeinden umfassen kann(71).
56. Die genannte Wendung ist meines Erachtens eher so zu verstehen, dass mit der fraglichen Zuständigkeitsvorschrift lediglich das Gericht bezeichnet wird, in dessen ordentlichem Bezirk der gewöhnliche Aufenthalt der berechtigten Person liegt, ohne dass eine wie auch immer geartete Maßnahme zur Umsetzung in nationales Recht sinnvoll oder überhaupt vorstellbar ist(72).
57. Insoweit weise ich darauf hin, dass eine unionsrechtliche Verordnung gemäß Art. 288 AEUV allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt(73). Nach klassischer Rechtsprechung ist jede nationale Maßnahme, mit der die Bestimmungen einer Verordnung in innerstaatliches Recht aufgenommen oder umgesetzt werden sollen, mangels einer Rechtsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten ausgeschlossen. Nur dann, wenn die Verordnung selbst auf zu ihrer Umsetzung erlassene nationale Bestimmungen verweist oder es, um ihre Anwendung sicherzustellen, erforderlich ist, auf nationaler Ebene ausführlichere Bestimmungen zu erlassen, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sie mit nationalen Maßnahmen zu ergänzen(74). Nach meinem Dafürhalten geht § 28 Abs. 1 Satz 1 AUG über das dem nationalen Gesetzgeber erlaubte Maß hinaus, da die in Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 vorgesehene Zuständigkeitsregel, die unmittelbar anwendbar ist, keiner besonderen Konkretisierung auf nationaler Ebene bedarf.
58. Die Formulierung von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 ist nämlich insofern besonders, als sie mit der Wendung „das Gericht des Ortes, an dem“ eine spezielle Zuständigkeitsregel aufstellt, die ohne Umweg über das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten den direkten Rückschluss auf ein Gericht oder einen Gerichtshof erlaubt(75). Wie die Kommission anerkennt, unterscheidet sich diese Vorschrift von den Vorschriften, die sich nicht auf ein einzelnes Gericht, sondern vielmehr auf sämtliche Gerichte eines Mitgliedstaats beziehen, wie Art. 6 dieser Verordnung(76) oder Art. 2 Abs. 1 der Brüssel-I-Verordnung(77). Außerdem haben sich die Verfasser der Verordnung Nr. 4/2009 in Art. 3 Buchst. a und b für die Wendung „Ortes, an dem“ entschieden, die sich von der Wendung „Mitgliedstaats, in dem eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“, die beispielsweise in Art. 4 Buchst. a gewählt worden ist, erheblich unterscheidet.
59. Die Besonderheit dieser Formulierung müsste meines Erachtens dazu führen, dass eine Übertragung des vom Gerichtshof im Urteil Apostolides(78) eingenommenen Standpunkts, wonach die Bestimmung der zuständigen Gerichte im Sinne von Art. 22 der Brüssel-I-Verordnung die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre jeweilige Gerichtsorganisation festzulegen und die gerichtliche Zuständigkeit innerhalb ihres Hoheitsgebiets aufzuteilen, im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist(79). Die in diesem Urteil ausgelegte Nr. 1 des erwähnten Art. 22 bezieht sich nämlich auf die „Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist“, während Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 auf „das Gericht des Ortes [abstellt], an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ (Hervorhebung nur hier). Der terminologische Unterschied erlaubt nach meinem Dafürhalten eine unterschiedliche, ja sogar gegenteilige Auslegung dieser beiden Vorschriften.
60. Trotz seiner Besonderheit ist der Wortlaut von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 jedoch nicht neuartig, da sich eine entsprechende Formulierung auch in einer Reihe von Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung findet(80), in Bezug auf die der Gerichtshof meines Wissens niemals die Auffassung vertreten hat, dass die Mitgliedstaaten die Tragweite dieser Bestimmungen durch einzelstaatliche Zuständigkeitsvorschriften ändern können(81). Daher besteht meiner Meinung nach kein Anlass, dies im Rahmen der vorliegenden Rechtssachen anzunehmen.
3. Zur systematischen Auslegung
61. Entsprechend dem vom Gerichtshof u. a. in Bezug auf andere Rechtsinstrumente über die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen gewählten Ansatz(82) hat die Auslegung von Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 unter Berücksichtigung der Vorschriften zu erfolgen, die ihn in dieser Verordnung umgeben, da die dort enthaltene Zuständigkeitsregel nicht isoliert ist, sondern zu einer Gesamtheit einander ergänzender Normen gehört.
62. Zunächst ist festzustellen, dass in Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 vier Zuständigkeiten aufgeführt werden, die alternativ und im Gegensatz zum Verhältnis zwischen allgemeiner Zuständigkeitsregel und besonderen Zuständigkeitsregeln im Brüsseler Übereinkommen und in der Brüssel-I-Verordnung ohne Hierarchie anwendbar sind(83). Im Übrigen erscheint die Wahlmöglichkeit, die dem Kläger insbesondere in den Buchst. a und b des erwähnten Art. 3 eingeräumt wird, deshalb neutraler als in den beiden anderen genannten Rechtsinstrumenten, weil es nicht darauf ankommt, ob der Unterhaltsberechtigte oder der Unterhaltspflichtige diese Option ausübt, auch wenn Letzterer durch die Verordnung Nr. 4/2009 gegenüber der berechtigten Person in der Praxis weiterhin benachteiligt wird(84).
63. Der besondere Aufbau von Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 ist für die Beantwortung der in den vorliegenden Rechtssachen gestellten Fragen nach meinem Dafürhalten äußerst lehrreich. Insoweit ist festzustellen, dass die Buchst. a und b dieses Artikels jeweils einen Sachverhalt regeln, in dem die eine Unterhaltssache betreffende Klage in der Hauptsache erhoben wird. Die Buchst. c und d des genannten Artikels finden hingegen in den Fällen Anwendung, in denen eine solche Klage zwar nicht isoliert ist, es sich aber um eine „Nebensache“ zu einem anderen Verfahren in Bezug auf den Personenstand bzw. die elterliche Verantwortung handelt. Ein Rückgriff auf das Recht des Gerichtsstands zur Bestimmung des zuständigen Gerichts ist allerdings nur in den letztgenannten Fällen ausdrücklich vorgesehen(85). Im Rahmen der erwähnten Buchst. a und b ist im Umkehrschluss – nach meinem Dafürhalten absichtlich – kein Raum für nationale Vorschriften gelassen worden.
64. Diese Position wird im Licht eines Vergleichs mit anderen Bestimmungen der Verordnung Nr. 4/2009 bestätigt. Insbesondere deren Art. 71 Abs. 1 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Angaben u. a. zu den Namen und Kontaktdaten der für Anträge auf Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 27 Abs. 1 der genannten Verordnung zuständigen Gerichte mitteilen(86). Allein auf dieser Grundlage hat die Bundesrepublik Deutschland – wie auch die übrigen Mitgliedstaaten – beschließen können, dass in Bezug auf ihr Hoheitsgebiet „[ü]ber einen [solchen] Antrag … das Amtsgericht – Familiengericht – am Sitz eines Oberlandesgerichts [entscheidet], in dessen Bezirk sich die Person, gegen die sich der Titel richtet, gewöhnlich aufhält oder in dessen Bezirk die Vollstreckung durchgeführt werden soll (Zuständigkeitskonzentration) …“(87). Art. 3 Buchst. b der genannten Verordnung eröffnet jedoch keine vergleichbare Möglichkeit.
65. Aus dieser Würdigung, die unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Systematik der betreffenden Verordnung vorgenommen worden ist, ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Bestimmung der in Unterhaltssachen zuständigen nationalen Gerichte durch die Art der Formulierung der letztgenannten Vorschrift bewusst eingeschränkt hat.
4. Zu den auf eine Zuständigkeitskonzentration gestützten Rechtfertigungen
66. Zur Verteidigung der hier in Frage gestellten deutschen Vorschrift entwickeln die deutsche Regierung und die Kommission eine meiner Meinung nach nicht überzeugende Argumentation.
67. Nach ihrer Auffassung und in Anbetracht der in das Verfahren eingeführten Gesichtspunkte scheint der deutsche Gesetzgeber der Ansicht gewesen zu sein, die in § 28 AUG vorgesehene Zuständigkeitskonzentration in internationalen Unterhaltssachen wirke sich positiv auf die Gerichtsorganisation aus, da sie es ermögliche, ein spezialisiertes – also mit einer größeren Sachkunde in dieser Art von Streitsachen ausgestattetes – Gericht einzurichten, das in jeder Region des deutschen Hoheitsgebiets tätig sei.
68. In der Rechtssache Huber (C‑408/13) führt das vorlegende Gericht aus, seiner Meinung nach beinhalte § 28 Abs. 1 AUG im Wesentlichen eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit, auch wenn der deutsche Gesetzgeber diese Vorschrift mit der Organisation und der Vereinfachung des Gerichtsverfahrens in Verbindung gebracht habe. Unter dem Vorwand solcher prozessualen Vorteile, deren tatsächliches Bestehen dieses Gericht im Übrigen bestreitet(88), sei die in Rede stehende Rechtsvorschrift daher geeignet, gegen die im Unionsrecht vorgesehenen Vorschriften über die grenzüberschreitende Zuständigkeit zu verstoßen.
69. Zwar entspricht die Tatsache, dass die ordnungsgemäße Rechtspflege – u. a. durch eine Zusammenführung besonders komplexer Rechtssachen bei ein und demselben Gericht – gefördert wird, einem der Ziele der Verordnung Nr. 4/2009, die in deren 15. Erwägungsgrund erwähnt werden. Dieses Ziel ist jedoch nicht ausschließlich im Sinne einer so weit wie möglich rationalisierten Gerichtsorganisation zu verstehen, sondern auch unter dem Aspekt des Interesses der Kläger – unabhängig davon, ob es sich dabei um den Antragsteller oder den Antragsgegner handelt – u. a. an einem erleichterten Zugang zur Justiz und einer Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit dank einer engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit(89).
70. In diesem Zusammenhang ließen sich einige Urteile des Gerichtshofs zu von einem Mitgliedstaat erlassenen Vorschriften zur Regelung der innerstaatlichen Zuständigkeiten anführen; meines Erachtens besteht aber ein ernsthafter Zweifel daran, ob diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zwischen den Mitgliedstaaten übertragen werden kann.
71. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass es in Ermangelung einer einschlägigen unionsrechtlichen Regelung jeweils Sache des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten ist, die Zahl der Rechtszüge festzulegen oder die Verfahrensmodalitäten zu regeln und die für die Einlegung innerstaatlicher Rechtsbehelfe zuständigen Gerichte zu bestimmen, wobei klargestellt wird, dass solche Regeln, die ein Allgemeininteresse der ordnungsgemäßen Rechtspflege verfolgen, Vorrang vor Einzelinteressen haben müssen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden(90).
72. Nach diesen Grundsätzen ist der Erlass derartiger Verfahrens- oder Zuständigkeitsvorschriften durch einen Mitgliedstaat nur dann zulässig, wenn zum einen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die für Klagen, mit denen Rechte aus der innerstaatlichen Regelung geschützt werden sollen, und diese Vorschriften zum anderen für die Einzelnen keine Verfahrensnachteile mit sich bringen, die geeignet sind, die Ausübung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte übermäßig zu erschweren(91).
73. Meines Erachtens ist die genannte Rechtsprechung zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der beträchtlichen Unterschiede, die zwischen dem Kontext, in den sich die fraglichen Urteile einfügen, und dem Kontext der vorliegenden Rechtssachen bestehen, im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig. Der Gerichtshof wird hier nämlich nicht zu Verfahrensbestimmungen des innerstaatlichen Rechts eines einzelnen Mitgliedstaats befragt, sondern zur Auslegung von Zuständigkeitsvorschriften, die im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zwischen sämtlichen Mitgliedstaaten vereinheitlicht worden sind(92). Außerdem geht es vorliegend nicht darum, die Ausübung materieller Rechte, die durch das Unionsrecht gewährt worden sind, auf nationaler Ebene gerichtlich durchzusetzen.
74. Für den Fall, dass die genannte Rechtsprechung unter Umständen wie denen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten gleichwohl übertragen werden sollte, wird die auf das Ziel einer ordnungsgemäßen Rechtspflege gestützte Rechtfertigung jedenfalls durch die vom Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen für das Tätigwerden der Mitgliedstaaten im Bereich der Gerichtsverfahren, nämlich insbesondere die Ausübung der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte nicht zu erschweren, begrenzt. Im vorliegenden Fall bewirkt die deutsche Rechtsvorschrift in grenzüberschreitenden Unterhaltssachen nach meinem Dafürhalten jedoch, dass dem Gericht, das aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltsorts der berechtigten Personen, d. h. auf der Grundlage einer engen Verbindung zwischen Gerichtsstand und Rechtsstreit, normalerweise zuständig ist, seine Zuständigkeit entzogen wird, während diese Zuständigkeit für Entscheidungen über identische Klagen, die ihrerseits aber keinerlei Auslandsbezug aufweisen, erhalten bleibt.
75. Daher ist die Wendung „das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ meines Erachtens dahin auszulegen, dass nach Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 das Gericht zuständig ist, in dessen ordentlichem Bezirk der gewöhnliche Aufenthalt des betreffenden Unterhaltsberechtigten liegt. Daraus ergibt sich, dass eine mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende insoweit mit dieser Vorschrift unvereinbar ist, als sie in grenzüberschreitenden Sachverhalten zu einer Übertragung der örtlichen Zuständigkeit auf ein anderes erstinstanzliches Gericht als dasjenige führen kann, das für den Beteiligten aufgrund von dessen Aufenthaltsort grundsätzlich zuständig ist.
V – Ergebnis
76. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Amtsgerichts Düsseldorf (Rechtssache C‑400/13) und des Amtsgerichts Karlsruhe (Rechtssache C‑408/13) wie folgt zu antworten:
Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ist dahin auszulegen, dass die Wendung „das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ bedeutet, dass das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen ordentlichem Bezirk der Beteiligte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so dass mit der genannten Bestimmung eine Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht vereinbar ist, die dem Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der gewöhnliche Aufenthalt des in diesem Mitgliedstaat lebenden Beteiligten liegt, in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten eine ausschließliche Zuständigkeit vorbehält.