Language of document : ECLI:EU:C:2014:2366

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 12. November 2014(1)

Rechtssache C‑343/13

Modelo Continente Hipermercados SA

gegen

Autoridade Para As Condições de Trabalho – Centro Local do Lis (ACT)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal do Trabalho de Leiria [Portugal])

„Regelung zur Verschmelzung von Aktiengesellschaften – Richtlinie 2011/35/EU – Verschmelzung durch Aufnahme – Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft – Ordnungswidrigkeitsrechtliche Haftung – Nationales Recht, das den Übergang einer solchen Haftung von der übertragenden Gesellschaft bei einer Verschmelzung durch Aufnahme vorsieht“





I –    Einleitung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Modelo Continente Hipermercados SA (im Folgenden: MCH) und der Autoridade para as Condições de Trabalho – Centro Local do Lis (ACT) (für die Förderung besserer Arbeitsbedingungen zuständige Behörde) über deren Entscheidung, MCH wegen von der Good and Cheap – Comércio Retalhista SA (im Folgenden: Good and Cheap) vor der Verschmelzung durch deren Aufnahme in MCH begangene Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsgesetzbuch mit einer Geldbuße zu belegen.

2.        In diesem Zusammenhang wirft die vorliegende Rechtssache die Frage auf, ob die Verschmelzung durch Aufnahme von Good and Cheap in MCH zum Übergang der Verbindlichkeiten von Good and Cheap auf MCH führt, wenn der Gläubiger seine Forderung nicht vor der Verschmelzung bei Good and Cheap geltend gemacht hat, obwohl die fragliche Verbindlichkeit vor dieser entstanden ist.

3.        Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, zum ersten Mal eine Bestimmung der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften(2) in der zuletzt durch die Richtlinie 2009/109/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009(3) (im Folgenden: Dritte Richtlinie) und die Richtlinie 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften(4) geänderten Fassung auszulegen.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

4.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 der Dritten Richtlinie, der zum Zeitpunkt der Verschmelzung, um die es im Ausgangsverfahren geht, immer noch in Kraft war.

5.        Die Dritte Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2011/35 kodifiziert. Die Erwägungsgründe und Bestimmungen der Richtlinie 2011/35, die für die vorliegende Rechtssache von Belang sind, sind im Wesentlichen mit den entsprechenden Erwägungsgründen und Bestimmungen der Dritten Richtlinie identisch. Aus diesem Grund werde ich mich, auch wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verschmelzung unter der Geltung der Dritten Richtlinie stattgefunden hat, wie das vorlegende Gericht und die Parteien auf die Richtlinie 2011/35 beziehen.

6.        Die Erwägungsgründe 4 und 7 der Richtlinie 2011/35 lauten:

„(4)      Der Schutz der Interessen von Gesellschaftern und Dritten erfordert es, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften zu koordinieren; gleichzeitig erscheint es zweckmäßig, in die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten die Institution der Verschmelzung einzuführen.

(7)      Die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der sich verschmelzenden Gesellschaften sollten dagegen geschützt werden, dass sie durch die Verschmelzung Schaden erleiden.“

7.        In Art. 3 Abs. 1 des Kapitels II („Regelung der Verschmelzung durch Aufnahme einer oder mehrerer Gesellschaften durch eine andere Gesellschaft und der Verschmelzung durch Gründung einer neuen Gesellschaft“) der Richtlinie 2011/35 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie ist die ‚Verschmelzung durch Aufnahme‘ der Vorgang, durch den eine oder mehrere Gesellschaften ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf eine andere Gesellschaft übertragen, und zwar gegen Gewährung von Aktien der übernehmenden Gesellschaft an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft oder Gesellschaften und gegebenenfalls einer baren Zuzahlung, die den zehnten Teil des Nennbetrags oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, des rechnerischen Wertes der gewährten Aktien nicht übersteigt.“

8.        Kapitel III („Verschmelzung durch Aufnahme“) dieser Richtlinie enthält u. a. folgende Bestimmungen:

Artikel 6

Der Verschmelzungsplan ist mindestens einen Monat vor dem Tage der Hauptversammlung, die über den Verschmelzungsplan zu beschließen hat, für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2009/101/EG vorgesehenen Verfahren offenzulegen.

Artikel 11

(1)      Mindestens einen Monat vor dem Tag der Hauptversammlung, die über den Verschmelzungsplan zu beschließen hat, hat jeder Aktionär das Recht, am Sitz der Gesellschaft zumindest von folgenden Unterlagen Kenntnis zu nehmen:

a)      dem Verschmelzungsplan;

b)      den Jahresabschlüssen und den Geschäftsberichten der sich verschmelzenden Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre;

c)      gegebenenfalls einer Zwischenbilanz, die für einen Zeitpunkt erstellt ist, der nicht vor dem ersten Tag des dritten der Aufstellung des Verschmelzungsplans vorausgehenden Monats liegen darf, sofern der letzte Jahresabschluss sich auf ein mehr als sechs Monate vor der Aufstellung des Verschmelzungsplans abgelaufenes Geschäftsjahr bezieht;

Artikel 12

Die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer der sich verschmelzenden Gesellschaften wird gemäß der Richtlinie 2001/23/EG geregelt.

Artikel 13

(1)      Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen ein angemessenes Schutzsystem für die Interessen der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften vorsehen, deren Forderungen vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht erloschen sind.

(2)      Zu diesem Zweck sehen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zumindest vor, dass diese Gläubiger Anspruch auf angemessene Garantien haben, wenn die finanzielle Lage der sich verschmelzenden Gesellschaften einen solchen Schutz erforderlich macht und die Gläubiger nicht schon derartige Garantien haben.

Die Mitgliedstaaten legen die Modalitäten für den in Absatz 1 und in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes vorgesehenen Schutz fest. Die Mitgliedstaaten gewährleisten in jedem Fall, dass die Gläubiger das Recht haben, bei der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht angemessene Sicherheiten zu beantragen, wenn sie nachweisen können, dass die Befriedigung ihrer Forderungen durch die Verschmelzung gefährdet ist und sie von der Gesellschaft keine angemessenen Sicherheiten erhalten haben.

(3)      Der Schutz kann für die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft und für die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unterschiedlich sein.

Artikel 18

(1)      Für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften muss die Verschmelzung nach den in den Rechtsvorschriften eines jeden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahren in Übereinstimmung mit Artikel 3 der Richtlinie 2009/101/EG offengelegt werden.

(2)      Die übernehmende Gesellschaft kann die für die übertragende Gesellschaft oder die übertragenden Gesellschaften vorzunehmenden Förmlichkeiten der Offenlegung selbst veranlassen.

Artikel 19

(1)      Die Verschmelzung bewirkt ipso jure gleichzeitig Folgendes:

a)      Sowohl zwischen der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft als auch gegenüber Dritten geht das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft über;

b)      die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft;

c)      die übertragende Gesellschaft erlischt;

…“

B –    Portugiesisches Recht

9.        Der Código das Sociedades Comerciais (Gesetzbuch über Handelsgesellschaften, im Folgenden: CSC) setzt die Bestimmungen der Richtlinie 2011/35 in portugiesisches Recht um.

10.      Sein Art. 98 („Verschmelzungsplan“) bestimmt:

„1 – Die sich verschmelzenden Verwaltungsorgane erstellen zusammen einen Verschmelzungsplan, der neben den Punkten, die für die vollkommene Kenntnis des beabsichtigten Geschäfts sowohl in rechtlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht notwendig oder nützlich sind, Folgendes nennt:

d)      die Bilanz jeder der beteiligten Gesellschaften, in der insbesondere der Wert der der übernehmenden oder der neuen Gesellschaft übertragenen Aktiva und Passiva steht;

h)      die Modalitäten zum Schutz der Rechte der Gläubiger;

2 – Die im vorherigen Absatz unter Buchst. d genannte Bilanz ist:

a)       die Bilanz des letzten Geschäftsjahrs, sofern es innerhalb der letzten sechs Monate vor der Verschmelzung abgeschlossen wurde; oder

b)       eine Bilanz, die auf einen späteren Zeitpunkt verschoben ist, der nicht vor dem ersten Tag des dritten Monats liegt, der dem Zeitpunkt des Verschmelzungsplans vorausgeht.“

11.      Art. 100 („Eintragung des Planes und Einberufung der Versammlung“) CSC bestimmt:

„1 – Der Verschmelzungsplan wird eingetragen.

2 – Die Gesellschafter jeder der beteiligten Gesellschaften äußern sich in der Hauptversammlung, gleichgültig, um welche Art von Gesellschaft es sich handelt, zu dem Verschmelzungsplan, wobei die Versammlungen nach der Eintragung einberufen werden, um sich mindestens einen Monat nach dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Einberufung zu versammeln.

3 – Die Einberufung informiert darüber, dass der Plan und die beigefügten Unterlagen am Sitz der Gesellschaft von den jeweiligen Gesellschaftern und Gläubigern der Gesellschaften eingesehen werden können, und über das für die Versammlung vorgesehene Datum.

5 – Die Bekanntmachung der Eintragung des Planes erfolgt von Amts wegen und automatisch durch den Eintragungsdienst und erläutert, dass die Gläubiger gegen die Verschmelzung gemäß Art. 101-A Widerspruch einlegen können.

…“

12.      Art. 101-A („Widerspruch der Gläubiger“) CSC hat folgenden Wortlaut:

„Innerhalb einer Frist von einem Monat ab der Bekanntmachung der Eintragung des Planes können die Gläubiger der beteiligten Gesellschaften, deren Forderungen vor dieser Bekanntmachung begründet worden sind, gerichtlich gegen die Verschmelzung auf der Grundlage des Schadens, der durch sie für die Realisierung ihrer Ansprüche entstehen würde, Widerspruch einlegen, sofern sie die Gesellschaft zur Begleichung der Verbindlichkeit oder zur Stellung einer angemessenen Garantie seit mindestens 15 Tagen, ohne dass auf ihre Aufforderung reagiert wurde, aufgefordert haben.“

13.      In Art. 101‑B („Wirkungen des Widerspruchs“) CSC heißt es:

„1 – Der von einem beliebigen Gläubiger erhobene gerichtliche Widerspruch verhindert die endgültige Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister, bis sich eine der folgenden Tatsachen ereignet hat:

a)      der Widerspruch wurde mit rechtskräftiger Entscheidung zurückgewiesen oder der Widerspruchsführer hat, falls die Unzulässigkeit festgestellt wurde, keine neue Klage innerhalb von 30 Tagen erhoben;

b)      der Widerspruchsführer zieht seinen Widerspruch zurück;

c)      die Gesellschaft hat den Widerspruchsführer befriedigt oder die durch Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung festgelegte Kaution gestellt;

d)      der Widerspruchsführer hat die Eintragung akzeptiert;

e)      der dem Widerspruchsführer geschuldete Betrag wurde hinterlegt.

…“

14.      Art. 111 („Eintragung einer Verschmelzung“) CSC bestimmt:

„Wenn der Verschmelzung von allen beteiligten Gesellschaften zugestimmt wurde, ohne dass innerhalb der von Art. 101‑A vorgesehenen Frist Widerspruch eingelegt wurde, oder, wenn Widerspruch eingelegt wurde, sich keine der in Art. 101‑B Abs. 1 genannten Tatsachen ereignet hat, wird die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister von einem der Geschäftsführer der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften oder der neuen Gesellschaft beantragt.“

15.      Art. 112 CSC bestimmt:

„Mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister

a)      erlöschen die übernommenen Gesellschaften oder, im Fall der Gründung einer neuen Gesellschaft, alle miteinander verschmolzenen Gesellschaften, und ihre Rechte und Pflichten werden auf die übernehmende Gesellschaft oder die neue Gesellschaft übertragen;

b)      werden die Aktionäre der erloschenen Gesellschaften zu Aktionären der übernehmenden Gesellschaft oder der neuen Gesellschaft.“

III – Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

16.      Good and Cheap war eine Gesellschaft portugiesischen Rechts, die im Einzelhandel in Supermärkten und Hypermärkten tätig war.

17.      MCH ist eine Handelsgesellschaft portugiesischen Rechts, die neben anderen Tätigkeiten im Einzelhandel im Lebensmittelbereich tätig ist. Sie besitzt und betreibt ungefähr 180 Geschäfte in Portugal.

18.      Am 15. Februar 2011 führte die ACT in den Geschäftsräumen von Good and Cheap in Pombal (Portugal) eine Kontrolle des Registers der von den Arbeitnehmern von Good and Cheap für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011 geleisteten Arbeitsstunden durch.

19.      Am 22. Februar 2011 meldeten Good and Cheap und MCH bei der zuständigen Dienststelle des Handelsregisters den Verschmelzungsplan an, der zuvor von ihren Verwaltungsräten gebilligt worden war. Dieser Verschmelzungsplan wurde auf der Website der Bekanntmachungen des Justizministeriums (https://publicacoes.mj.pt/Index.aspx) veröffentlicht.

20.      Am 7. März 2011 erstellte eine Arbeitsinspektorin („inspectora do trabalho“) der ACT zwei Protokolle („auto de notícia“) gegen Good and Cheap, mit denen dieser vorgeworfen wurde, gegen die Bestimmungen des portugiesischen Arbeitsrechts verstoßen zu haben, wonach die Arbeitnehmer nicht mehr als fünf Arbeitsstunden in Folge ableisten dürfen und Anspruch auf eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden in Folge zwischen zwei aufeinanderfolgenden Arbeitszeiträumen haben.

21.      Die Verschmelzung durch Aufnahme des Vermögens von Good and Cheap in MCH wurde am 31. März 2011 in das Handelsregister eingetragen. Ab diesem Zeitpunkt war Good and Cheap aufgelöst.

22.      Am 4. April 2011 gab die ACT die Protokolle vom 7. März 2011 Good and Cheap bekannt und verhängte zwei Geldbußen („coima“): die eine über 459 Euro (zahlbar spätestens am 12. April 2011) für den Verstoß gegen das Verbot, Arbeitnehmer mehr als fünf Stunden in Folge arbeiten zu lassen (Protokoll 161100188) und die andere (deren Höhe und Fälligkeitsdatum für die Zahlung nicht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgehen) für den Verstoß gegen das Recht der Arbeitnehmer auf eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden in Folge zwischen zwei Arbeitszeiträumen (Protokoll 161100190).

23.      MCH focht die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung mit ihrer schriftlichen Antwort („resposta escrita“) an und machte dabei u. a. die Eintragung der Verschmelzung durch Aufnahme von Good and Cheap in MCH geltend, die am 31. März 2011 stattgefunden hatte.

24.      Mit Entscheidungsvorschlägen („proposta de decisão“) vom 18. und 21. September 2012 schlug die für die Untersuchung zuständige Beamtin („instrutora“) der Direktorin der ACT vor, die beiden Protokolle vom 7. März 2011 zu bestätigen und gegen MCH eine Geldbuße in Höhe von 714 Euro für jede der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen zu verhängen.

25.      Mit ihrer Entscheidung im Verfahren der Gesamtstrafenbildung („decisão de cúmulo jurídico“) vom 24. September 2012 nahm die Direktorin der ACT diese Entscheidungsvorschläge an und verhängte gegen MCH eine Gesamtgeldbuße für beide Verfahren in Höhe von 1 250 Euro. Diese Entscheidung wurde MCT am 26. September 2012 bekannt gegeben.

26.      MCH erhob Anfechtungsklage („recurso de impugnação judicial“) beim Tribunal do Trabalho de Leiria (Arbeitsgericht Leiria, Portugal) und stellte die Rechtmäßigkeit der zuletzt genannten Entscheidung in Frage. U. a. machte MCH geltend, dass eine Auslegung von Art. 112 CSC, der die Verhängung einer Geldbuße gegen MCH für Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsrecht erlaube, die von Good and Cheap begangen worden seien, gegen Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 verstoße.

27.      Unter diesen Umständen hat das Tribunal do Trabalho de Leiria das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Impliziert die Verschmelzung von Gesellschaften im Licht des Unionsrechts und insbesondere von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35/EU die Regelung, dass die ordnungswidrigkeitsrechtliche Haftung wegen Handlungen, die die übertragende Gesellschaft vor der Eintragung der Verschmelzung vorgenommen hat, auf die übernehmende Gesellschaft übertragen wird?

2.      Kann eine ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktion für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie als Forderung eines Dritten (in diesem Fall des Staates wegen Verstoßes gegen ordnungswidrigkeitsrechtliche Vorschriften) angesehen werden, so dass die übernehmende Gesellschaft Schuldnerin der geltend gemachten Forderung aufgrund einer ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktion (Geldbuße), deren Gläubiger der Staat ist, wird?

3.      Läuft das Verständnis, dass Art. 112 CSC nicht die Erledigung des Verfahrens wegen einer vor der Verschmelzung begangenen Ordnungswidrigkeit oder die Hinfälligkeit der verhängten oder zu verhängenden Geldbuße impliziert, nicht der genannten Gemeinschaftsrichtlinie, die die Wirkungen der Verschmelzung von Gesellschaften festlegt, zuwider, und wird dadurch nicht eine weite Auslegung der Bestimmung vorgenommen, die den Grundsätzen der Gemeinschaftsregelung, insbesondere Art. 19 der Richtlinie, zuwiderläuft?

4.      Verstößt dieses Verständnis nicht gegen den Grundsatz, dass es keine Ordnungswidrigkeit ohne (abgemilderte) verschuldensunabhängige oder verschuldensabhängige Haftung der übernehmenden Gesellschaft geben kann?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

28.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 24. Juni 2013 beim Gerichtshof eingegangen. MCH, die portugiesische, die deutsche, die ungarische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

29.      Am 20. Juni 2014 hat der Gerichtshof eine Liste von Fragen an MCH und die portugiesische Regierung zur schriftlichen Beantwortung vor der mündlichen Verhandlung gerichtet. Die Antworten der portugiesischen Regierung und von MCH sind am 15. bzw. 28. Juli 2014 beim Gerichtshof eingegangen.

30.      Eine mündliche Verhandlung hat am 3. September 2014 stattgefunden, während der MCH, die portugiesische und die deutsche Regierung sowie die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben haben.

V –    Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit

31.      Die deutsche und die österreichische Regierung haben Zweifel an der Zulässigkeit einiger der vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen. Die deutsche Regierung ist der Auffassung, dass die Fragen 3 und 4 die Auslegung des nationalen Rechts beträfen. Die österreichische Regierung trägt vor, dass die zweite Frage eine Situation betreffe, in der die Geldbuße im Gegensatz zum Sachverhalt des Ausgangsverfahrens bereits vor der Verschmelzung verhängt worden sei, und daher hypothetisch sei. Außerdem werde die in der vierten Frage angesprochene strafrechtliche Haftung nicht von der Richtlinie 2011/35 geregelt und weise daher keine Verbindung zum Recht der Europäischen Union auf, wie sie von Art. 51 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gefordert werde.

32.      Ich teile die Meinung der österreichischen Regierung zur zweiten Frage nicht, mit der das vorlegende Gericht den Gerichtshof dazu befragt, ob eine ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktion wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Geldbuße als Forderung und der portugiesische Staat als Gläubiger im Sinne der Richtlinie 2011/35 angesehen werden könne(5). Versteht man sie auf diese Weise, dann betrifft die zweite Frage nicht nur die Qualifizierung einer vor der Verschmelzung verhängten Geldbuße, sondern auch eine nach der Verschmelzung verhängte Geldbuße. In diesem Sinne ist die zweite Frage nicht hypothetisch.

33.      Bezüglich der dritten Frage bin ich nicht der Meinung, dass sie die Auslegung des nationalen Rechts betrifft. Mit seiner Frage befragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof dazu, wie Art. 19 der Dritten Richtlinie auszulegen sei, um sich zur Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit Art. 112 CSC äußern zu können, wie er in Portugal ausgelegt werde, nämlich so, dass eine Verschmelzung weder das Erlöschen des Verfahrens bezüglich einer vor der Verschmelzung begangenen Ordnungswidrigkeit noch der verhängten oder zu verhängenden Geldbuße mit sich bringe. Die dritte Frage ist daher zulässig.

34.      Hingegen teile ich die Auffassung der deutschen und der österreichischen Regierung, wonach die vierte Frage nicht zulässig sei. Diese Frage betrifft nämlich die Auslegung eines Grundsatzes des portugiesischen Rechts, was nach ständiger Rechtsprechung nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt(6).

B –    Zur Beantwortung der Fragen

35.      Wie die ungarische Regierung denke ich, dass das vorlegende Gericht mit sämtlichen seiner Fragen wissen möchte, ob Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/35 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die wie Art. 112 des portugiesischen CSC, wie er in Portugal angewandt wird, vorsieht, dass eine Verschmelzung von Gesellschaften durch Aufnahme den Übergang der Verpflichtung, eine Geldbuße wegen von der übertragenden Gesellschaft begangener Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsrecht zu zahlen, auf die übernehmende Gesellschaft bewirkt, wenn diese Zuwiderhandlungen vor dieser Verschmelzung begangen wurden und obwohl die Geldbuße mit endgültiger Entscheidung erst nach dieser Verschmelzung verhängt wurde. Ich werde daher die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zusammen behandeln.

1.      Vorbringen der Beteiligten

36.      MCH und die deutsche Regierung machen geltend, dass der Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft bei einer Verschmelzung durch Aufnahme, wie er von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 vorgesehen sei, die Übertragung der Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft umfasse. Allerdings könne eine gegen diese verhängte ordnungswidrigkeitsrechtliche Geldbuße erst dann als eine Forderung des Staates – und damit eine Verbindlichkeit der übertragenden Gesellschaft – angesehen werden, wenn der Staat über eine endgültige Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung in dem Sinne verfüge, dass sie vollstreckbar sei. Im vorliegenden Fall jedoch habe die Verschmelzung vor dem Erlass dieser Entscheidung stattgefunden, und folglich sei die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit von Good and Cheap für die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsrecht nicht auf MCH übergegangen.

37.      Wenn der Übergang der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit unter solchen Umständen gestattet wäre, wären die Aktionäre und die Gläubiger der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen zudem, so MCH, nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Folgen der Verschmelzung abzuschätzen. Aus demselben Grund ist die deutsche Regierung der Auffassung, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung der Höhe des zu übertragenden Aktiv- und Passivvermögens derjenige sei, zu dem die Verschmelzung wirksam werde.

38.      Die österreichische Regierung ist der Ansicht, dass die Richtlinie 2011/35 nur die zivilrechtliche Haftung der übernehmenden Gesellschaft gegenüber Gläubigern oder Inhabern anderer Rechte regele. Sie beinhalte keine Regelungen über die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit – die eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit darstelle – der an einer Verschmelzung beteiligten Gesellschaften. Daraus folge, dass der dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegende Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle.

39.      Die österreichische Regierung ist jedoch der Ansicht, dass die Richtlinie 2011/35 auch nicht ausschließe, dass die übernehmende Gesellschaft eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit für die der übertragenden Gesellschaft zuzurechnenden Taten übernehme. Folglich stehe eine nationale Regelung, wonach verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen auch gegen die übernehmende Gesellschaft verhängt werden könnten, nicht in Widerspruch zu Art. 19 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie.

40.      Die portugiesische und die ungarische Regierung sowie die Kommission sind im Wesentlichen der Auffassung, dass der Übergang der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit von der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft bei einer Verschmelzung von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 verlangt werde. Sie betonen den universellen Charakter des in dieser Bestimmung genannten Übergangs des gesamten Aktiv- und Passivvermögens. Eine Geldbuße müsse als eine Forderung des Staates angesehen werden, den diese Richtlinie als Gläubiger zu schützen beabsichtige. Sie sei daher Teil des Passivvermögens einer durch Verschmelzung übertragenden Gesellschaft und werde in diesem Sinne daher auf die übernehmende Gesellschaft übertragen.

2.      Würdigung

a)      Anwendbares Recht

41.      Zunächst ist das Recht zu ermitteln, das auf die Frage des Übergangs der Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße anwendbar ist, die nach der Eintragung der Verschmelzung für Zuwiderhandlungen verhängt wurde, die von der übertragenden Gesellschaft, die durch die Verschmelzung erloschen ist, begangen wurden. Handelt es sich dabei um eine von der Richtlinie 2011/35 oder nur vom nationalen Recht geregelte Frage?

42.      Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 sieht vor, dass „[d]ie Verschmelzung … ipso jure gleichzeitig [bewirkt, dass s]owohl zwischen der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft als auch gegenüber Dritten … das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft über[geht]“.

43.      Die Verwendung der Worte „ipso jure“ verdeutlicht, dass die Verschmelzung kraft Gesetzes ohne weitere förmliche oder sachliche Voraussetzung den Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens bewirkt. Im Fall einer Verschmelzung wird der Übergang daher durch das Unionsrecht geregelt(7). Es ist jedoch der Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 zu bestimmen.

b)      Sachlicher Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35: „gesamtes Aktiv- und Passivvermögen“

44.      Ist Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 anwendbar, wenn es sich um eine ordnungswidrigkeitsrechtliche Verpflichtung, im vorliegenden Fall um eine wegen der Zuwiderhandlung gegen das portugiesische Arbeitsrecht verhängte Geldbuße, handelt, deren Entstehungstatbestand vor dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans liegt, deren Bekanntmachung gegenüber dem Zahlungsverpflichteten aber zum ersten Mal nach der Eintragung dieser Verschmelzung erfolgt ist?

45.      Es ist also zu ermitteln, ob die Wendung „gesamtes Aktiv- und Passivvermögen“ und insbesondere das Wort „Passivvermögen“ weit genug sind, um eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zu erfassen. Wie die deutsche Regierung bemerkt, handelt es sich dabei um die Auslegung von Wendungen, die, obwohl sie mehrfach in der Richtlinie verwendet werden, dort nicht definiert werden. Diese Wendungen sind daher in der gesamten Europäischen Union autonom und einheitlich(8) unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der Ziele der Richtlinie 2011/35(9) auszulegen.

i)      Sind die Verpflichtungen aus dem Ordnungswidrigkeitsrecht Teil des Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft?

46.      Bezüglich der Natur des Ordnungswidrigkeitsrechts ist die österreichische Regierung ohne nähere Begründung der Auffassung, dass Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 nur für die zivilrechtliche Haftung gelte. Die in Rede stehende Geldbuße besitze als ordnungswidrigkeitsrechtliche Verpflichtung strafrechtlichen Charakter, der sie aus dem Anwendungsbereich dieses Artikels herausfallen lasse. Eine Bestimmung des nationalen Rechts, die den Übergang der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Haftung erlaube, könne daher dieser Richtlinie nicht entgegenstehen.

47.      Auch die Kommission hat einen großen Teil ihrer schriftlichen Erklärungen der Entstehung des Ordnungsstrafrechts in Deutschland, seiner Geschichte, seiner quasi-strafrechtlichen Natur und seinen Unterschieden zum klassischen oder Nebenstrafrecht gewidmet.

48.      Meiner Meinung nach haben diese Erwägungen trotz ihres theoretischen Interesses nicht die geringste Auswirkung auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/35. Art. 19 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie bezieht sich auf das „Passivvermögen“, d. h. sämtliche Verbindlichkeiten(10), die auf den gesamten Gütern und Verpflichtungen ein und derselben Person, aufgefasst als eine Gesamtheit von Rechten, lasten(11).

49.      Durch die Verwendung dieser weiten Begriffe soll dieser Artikel somit eindeutig alle möglichen Verbindlichkeiten unabhängig von ihrem Ursprung und der Natur der zivil-, straf- oder quasi-strafrechtlichen Haftung erfassen, sofern es sich um die Haftung der übertragenden Gesellschaft selbst handelt(12) und sie sich in einem Geldwert bemessen lassen.

50.      Dies geht noch eindeutiger aus der englischen Fassung der Richtlinie 2011/35 hervor, die den Übergang zwar nicht als „universell“ bezeichnet, aber auf „all the assets and liabilities“(13) abzielt. Ohne jeden Zweifel stellt eine Verbindlichkeit quasi-strafrechtlicher Natur wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine „liability“ der übertragenden Gesellschaft dar.

51.      Ich teile die Meinung von MCH und der portugiesischen und der deutschen Regierung, wonach eine Geldbuße wie die in Rede stehende als „Forderung“ zugunsten des Staates und dieser als „Gläubiger“ im Sinne von Art. 13 der Richtlinie 2011/35 qualifiziert werden kann.

52.      Folglich gehören alle auf einer an einer Verschmelzung beteiligten Gesellschaft lastenden Verbindlichkeiten einschließlich der Verbindlichkeiten zugunsten des Staates zu ihrem Passivvermögen und werden daher automatisch ohne weitere Voraussetzung auf die aus der Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft übertragen.

ii)    Gehören die Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Verschmelzung in statu nascendi sind, zum Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft?

53.      Es ist noch zu bestimmen, ob der Begriff des Passivvermögens auch eine Verbindlichkeit umfasst, die im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in statu nascendi ist, d. h. eine Verbindlichkeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, deren Entstehungstatbestand vor der Eintragung der Verschmelzung liegt, die aber erst nach der Eintragung der Verschmelzung fällig und dem Schuldner zum ersten Mal bekannt gegeben wird.

54.      Aus den folgenden Gründen denke ich, dass die Verbindlichkeiten in statu nascendi wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zum Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft gehören und daher auf die übernehmende Gesellschaft übergehen.

55.      Zunächst hindert nichts im Text der Richtlinie 2011/35 an dieser Auslegung des Begriffs Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft. Ebenso wenig übrigens wie die des Passivvermögens, die unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens in der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen(14) in der durch die Richtlinie 2009/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 (ABl. L 164, S. 42) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 78/660) und insbesondere in Art. 9 unter der Überschrift „Passiva“ in den Punkten B. 3 und C. 8, auf die die Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen haben, verwendet wird(15).

56.      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die Kommission die These vertreten, wonach die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbindlichkeit zu den Passiva der übernehmenden Gesellschaft im Sinne der Richtlinie 78/660 gehöre, dass aber eine entsprechende Rückstellung in deren Jahresabschluss vorgenommen werden müsse. Die Kommission stützte diese Meinung auf die Tatsache, dass die übertragende Gesellschaft die Bekanntmachung der Protokolle zum ersten Mal vor der Eintragung der Verschmelzung erhalten habe, was aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten nicht hervorgeht.

57.      Allerdings hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die auf die Erstellung des Jahresabschlusses anwendbaren Regeln im vorliegenden Fall nicht von Belang seien. Ich teile diese Auffassung, weil andernfalls eine Verbindlichkeit, deren Vorliegen durch den Gläubiger zum ersten Mal nach Erstellung der für die Verschmelzung verwendeten Abschlüsse festgestellt worden ist, nicht mehr auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden könnte, da der Jahresabschluss nur vorhersehbare und bezifferbare Verbindlichkeiten wiedergeben kann.

58.      In diesem Sinne reicht die Tatsache, dass eine Verbindlichkeit in statu nascendi nicht unter den Begriff der Passiva im Sinne der Richtlinie 78/660 fällt und aus diesem Grund also nicht in der dem Verschmelzungsplan beigefügten Bilanz steht, nicht aus, um sie aus dem Passivvermögen im Sinne der Richtlinie 2011/35 auszuschließen.

59.      Wenn dies der Fall wäre, würde die Verschmelzung wie ein Grund für das Erlöschen der Verpflichtungen wirken und möglicherweise sogar nur zu diesem Zweck erfolgen.

60.      Die folgenden Beispiele helfen, diesen Punkt zu verdeutlichen:

–        Am Vortag der Verschmelzung zweier Ölgesellschaften verursacht eine von ihnen eine Umweltkatastrophe durch Einleiten von Erdöl ins Meer. Wenn die Auslegung zugrunde gelegt würde, wonach eine Verbindlichkeit entstanden, sicher und gegenüber der schuldnerischen Gesellschaft fällig sein muss, damit sie auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden kann, hätte die Verwaltung keine Möglichkeit, die von ihrem Umweltrecht vorgesehenen Geldbußen zu verlangen, und könnten die Geschädigten keinen Schadensersatz erhalten.

–        Infolge einer Verschmelzung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entdeckt die Steuerverwaltung, dass die übertragende Gesellschaft mehrere Jahre lang einen missbräuchlichen Plan zur Steueroptimierung umgesetzt hat. Wenn dieselbe Auslegung angewandt würde, hätte die Steuerverwaltung keinerlei Möglichkeit, die nicht gezahlten Steuern einzutreiben.

61.      Eine Verschmelzung durch Aufnahme setzt daher voraus, dass die übernehmende Gesellschaft die übertragende Gesellschaft in ihrer Gesamtheit erwirbt, einschließlich ihrer Vergangenheit. Wie im Übrigen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/35 zeigt, erfolgt die Verschmelzung durch Aufnahme mittels einer „Auflösung ohne Abwicklung“(16) der sich verschmelzenden Gesellschaften, was die Übertragung der gesamten übertragenden Gesellschaft ohne Erlöschen der Verpflichtungen, die die Abwicklung ausgelöst hätte, mit sich bringt. Aus diesem Grund, nämlich dem Risiko, dass der übernehmenden Gesellschaft Teile des Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der Verschmelzung möglicherweise unbekannt sind, enthält eine Verschmelzungsvereinbarung in der Praxis normalerweise eine Klausel über die Offenlegung und Garantien („disclosure and warranties“) zugunsten der übernehmenden Gesellschaft.

62.      Es liegt im Übrigen nichts bahnbrechend Neues in der Idee, dass die übernehmende Gesellschaft infolge der Verschmelzung in die Haftung der übertragenden Gesellschaft eintritt. Ich verweise auf zahlreiche Rechtsstreitigkeiten in Europa und den Vereinigten Staaten, in denen übertragende Gesellschaften, manchmal in Form von Sammelklagen, wegen der Tatsache auf Schadensersatz verklagt wurden, dass die übertragende Gesellschaft vor der Verschmelzung ihre Arbeitnehmer Asbest ausgesetzt hatte, die deshalb an Asbestose und Mesotheliomen erkrankten. In allen diesen Fällen hatte die Tatsache, dass die übernehmende Gesellschaft über diese Haftung im Zeitpunkt der Verschmelzung nicht informiert gewesen war, ihre Übertragung von der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft in keiner Weise ausgeschlossen(17).

63.      Es ist sogar vorgekommen, dass die Höhe des Schadensersatzes bei Weitem den Kaufpreis der übertragenden Gesellschaft dermaßen überstieg, dass einige Gesetzgeber eingeschritten sind, um diese Haftung z. B. wie in Texas auf „den im Zeitpunkt der Verschmelzung oder Zusammenlegung bestimmten angemessenen Marktpreis des Bruttovermögens der übertragenden Gesellschaft“ zu begrenzen(18).

64.      Mangels einer solchen ausdrücklichen Bestimmung bin ich der Auffassung, dass Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 den Übergang von Verbindlichkeiten in statu nascendi von der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft vorsieht.

65.      Es ist noch hervorzuheben, dass diese Regel nicht immer zulasten der übernehmenden Gesellschaft geht, denn diese erwirbt auch das gesamte Aktivvermögen, und zwar nicht nur die Ansprüche, die zum Zeitpunkt der Verschmelzung fällig sind, sondern auch die Hoffnungen auf eine zukünftige Forderung (spes debiturum iri)(19) sowie die Ansprüche, die nach der Eintragung der Verschmelzung entstehen werden.

66.      In diesem Sinne hätte eine übernehmende Gesellschaft wie MCH Anspruch auf Erstattung der vor der Verschmelzung von der übertragenden Gesellschaft ungerechtfertigt gezahlten Steuer sowie einer vor der Verschmelzung von der übertragenden Gesellschaft erhobenen Steuer, die nach der Verschmelzung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt worden ist.

67.      Es könnte sich noch die Frage stellen, ob sich die Richtlinie 2011/35, anstatt den Übergang der Verbindlichkeiten in statu nascendi auf die übernehmende Gesellschaft zu verlangen, nicht darauf beschränkt, den Mitgliedstaaten zu gestatten, diesen Übergang in ihrem nationalen Recht vorzusehen. Meines Erachtens ist dies nicht der Fall.

68.      Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 – wie im Übrigen Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/56(20), der eine diesem entsprechende Vorschrift enthält – verlangt selbstverständlich eine gemeinsame Definition des Begriffs Passivvermögen, ohne Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, diesen Begriff einzuschränken oder auszudehnen. In dem in der mündlichen Verhandlung erörterten Fall, in dem das auf die übertragende Gesellschaft anwendbare Recht den Übergang der in Rede stehenden Verbindlichkeit verlangte und das auf die übernehmende Gesellschaft anwendbare Recht diesen ausschloss, gäbe es einen Konflikt zwischen den beiden Rechten, den die Richtlinie 2005/56 nicht lösen könnte, was ihrem Ziel, die grenzüberschreitenden Verschmelzungen zu erleichtern, zuwiderlaufen würde.

69.      Es bleibt noch zu ermitteln, ob die von mir vorgeschlagene Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 auch auf eine Verbindlichkeit in statu nascendi anwendbar sein sollte, wenn der Gläubiger, der über die unmittelbar bevorstehende Verschmelzung informiert ist, nichts unternimmt, um das Bestehen seiner Forderung oder die Möglichkeit ihres Bestehens vor der Eintragung der Verschmelzung anzuzeigen.

70.      In ihren schriftlichen Erklärungen sowie in der mündlichen Verhandlung hat MCH Nachdruck auf die Tatsache gelegt, dass die ACT die Inspektion, die zu den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Geldbußen geführt hat, vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans durchgeführt hatte. In ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs hat die portugiesische Regierung erklärt, dass die am 22. Februar 2011 erfolgte amtliche Bekanntmachung des Verschmelzungsplans auf der Website der Bekanntmachungen des Justizministeriums als Information der potenziellen Gläubiger, darunter der ACT, gilt, die daher die Gesellschaften, die gerade ihre Verschmelzung verhandelten, hätte warnen müssen.

71.      Auch wenn ich anerkenne, dass in einem solchen sachlichen Zusammenhang ein gutgläubiger Gläubiger nicht versäumen sollte, vor der Verschmelzung seinen Schuldner über seine Verbindlichkeit zu benachrichtigen(21), bin ich der Auffassung, dass die Verschmelzung nicht das Erlöschen dieser Verbindlichkeit bewirkt. Nichts in der Richtlinie 2011/35 erlaubt, das Gegenteil zu behaupten.

72.      Nach alledem bin ich der Auffassung, dass Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/35 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie Art. 112 des portugiesischen Gesetzbuchs über Handelsgesellschaften, wie er in Portugal angewandt wird, nicht entgegensteht, wonach eine Verschmelzung von Gesellschaften durch Aufnahme zum Übergang der Verpflichtung, eine Geldbuße wegen von der übertragenden Gesellschaft begangener Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsrecht zu zahlen, auf die übernehmende Gesellschaft führt, wenn diese Zuwiderhandlungen vor dieser Verschmelzung begangen wurden, die Geldbuße mit endgültiger Entscheidung aber erst nach dieser Verschmelzung verhängt wurde.

VI – Ergebnis

73.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal do Trabalho de Leiria vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie Art. 112 des Gesetzbuchs über Handelsgesellschaften (Código das Sociedades Comerciais), wie er in Portugal angewandt wird, nicht entgegensteht, wonach eine Verschmelzung von Gesellschaften durch Aufnahme zum Übergang der Verpflichtung, eine Geldbuße wegen von der übertragenden Gesellschaft begangener Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsrecht zu zahlen, auf die übernehmende Gesellschaft führt, wenn diese Zuwiderhandlungen vor dieser Verschmelzung begangen wurden, die Geldbuße mit endgültiger Entscheidung aber erst nach dieser Verschmelzung verhängt wurde.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 295, S. 36.


3 – ABl. L 259, S. 14.


4 – ABl. L 110, S. 1.


5 – Die Begriffe „Forderung“ und „Gläubiger“ stehen in Art. 13 dieser Richtlinie, werden dort aber nicht definiert.


6 – Vgl. Urteile Auroux u. a. (C‑220/05, EU:C:2007:31, Rn. 25), dos Santos Palhota u. a. (C‑515/08, EU:C:2010:589, Rn. 18), Idryma Typou (C‑81/09, EU:C:2010:622, Rn. 35) und Texdata Software (C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 28).


7 – Ich stelle fest, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (ABl. L 310, S. 1) in geänderter Fassung vorsieht, dass „[d]ie grenzüberschreitende Verschmelzung … Folgendes [bewirkt]: Das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft geht auf die übernehmende Gesellschaft über…“ Meiner Meinung nach darf das Weglassen der Worte „ipso jure“ nicht zu einer anderen Auslegung als der der Richtlinie 2011/35 führen. Auch im Fall von Kapitalgesellschaften bewirkt die Verschmelzung kraft Gesetzes den Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens, der keinen anderen als den in der Richtlinie 2005/56 vorgesehenen Voraussetzungen unterliegt.


8 – Vgl. insoweit Urteile Linster (C‑287/98, EU:C:2000:468, Rn. 43), Brüstle (C‑34/10, EU:C:2011:669, Rn. 25) sowie Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 32).


9 – Vgl. in diesem Sinne Urteile easyCar (C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 21), Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 17) sowie Ziolkowski und Szeja (EU:C:2011:866, Rn. 34).


10 – Ich meine mit dem Wort „Verbindlichkeit“ die Verpflichtung, wonach eine Schuldner genannte Person gegenüber einer anderen, Gläubiger genannt, verpflichtet ist, eine Leistung zu erfüllen (etwas zu geben, zu tun oder nicht zu tun): vgl. Cornu, G., Vocabulaire juridique, 9. Aufl., PUF, Paris, 2011, S. 340.


11 – Vgl. Cornu, G., Vocabulaire juridique, 9. Aufl., PUF, Paris, 2011, S. 737 und 738.


12 – Selbstverständlich wird die strafrechtliche Haftung der Manager oder anderen Organe der übertragenden Gesellschaft nicht von Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/35 erfasst. Hingegen ist eine gegen die übertragende Gesellschaft wegen eines von ihr begangenen Vergehens verhängte strafrechtliche Geldbuße auf die übernehmende Gesellschaft übertragbar.


13 – Hervorhebung nur hier. Das Wort „liability“ wird definiert als „etwas, für das jemand haftet, insbesondere ein Geldbetrag“ („a thing for which someone is responsible, especially an amount of money“), vgl. Oxford Dictionary of English, Oxford University Press, Oxford, 2005, 2. überarbeitete Aufl., S. 1008.


14 – ABl. L 222, S. 11.


15 – Dieser Artikel sieht vor, dass die Passiva, wie sie im Jahresabschluss der Gesellschaften stehen, u. a. die „[s]onstige[n] Rückstellungen“ (Punkt B. 3), nämlich andere Rückstellungen als diejenigen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen sowie Steuerrückstellungen, sowie die „[s]onstige[n] Verbindlichkeiten, davon [die] Verbindlichkeiten aus Steuern und [die] Verbindlichkeiten im Rahmen der sozialen Sicherheit“, mit einschließen muss. Es ist meiner Meinung nach normal, dass dieser Artikel in die Definition der Passiva die Verbindlichkeiten in statu nascendi nicht einbezieht, da der Jahresabschluss nur die sicheren und fälligen Verbindlichkeiten oder jedenfalls die, deren Entstehung wahrscheinlich oder vorhergesehen ist, aufführen kann, sofern sie bezifferbar sind.


16 – Hervorhebung nur hier.


17 – Vgl. in diesem Sinne Havard-Williams, V., „Asbestos liability: Managing the risks“ (auf der Website von Practical Law verfügbar unter der Adresse http://uk.practicallaw.com/cs/Satellite?blobcol=urldata&blobheader=application%2Fpdf&blobkey=id&blobtable=MungoBlobs&blobwhere=1247476867411&ssbinary=true). Vgl. auch Urteil des Supreme Court von Texas in der Rechtssache Barbara Robinson c. Crown Cork & Seal Co (335 S.W.3d 126, 129-130 [2010]).


18 – Art. 149.003 Buchst. a des Texas Civil Practice and Remedies Code „[…] the cumulative successor asbestos-related liabilities of a corporation are limited to the fair market value of the total gross assets of the transferor determined as of the time of the merger or consolidation“, der vom Supreme Court von Texas für mit dem Verbot rückwirkender Gesetze des Art. I Abs. 16 der Verfassung von Texas unvereinbar befunden wurde: vgl. Barbara Robinson c. Crown Cork & Seal Co (335 S.W.3d 126 [2010]).


19 – Die Hoffnung auf eine zukünftige Forderung wird seit Langem als Teil des Vermögens einer Person anerkannt. Ich zitiere in diesem Sinne die Institutes des Kaisers Justinian I., Buch III.15.4 („Die bedingte Vereinbarung gibt zu der Hoffnung Anlass, dass die Sache geschuldet sein wird, und diese Hoffnung wird an den Erben vererbt, wenn man vor dem Eintritt der Bedingung stirbt“: Hulot, H., Les Institutes de l’Empereur Justinien, Behmer und Lamort, Hrsg., Metz, 1806) [freie Übersetzung], sowie die Passage aus dem Buch L.16.54 der Digesten dieses Kaisers, die dem römischen Juristen Ulpian zugeschrieben wird („Man versteht unter bedingten Gläubigern diejenigen, denen man noch keinen Anspruch gewährt, aber denen einer gewährt werden muss oder die die Hoffnung haben, ihn bei Eintritt der Bedingung zu erhalten, mit der ihr Anspruch behaftet ist“: Hulot, H. und Berthelot, J.-F., Les Cinquantes Livres du Digeste ou des Pandectes de l’Empereur Justinien, Behmer und Lamort, Hrsg., Metz, 1803) [freie Übersetzung].


20 – Vgl. Fn. 7 der vorliegenden Schlussanträge.


21 – Ich weise darauf hin, dass die Richtlinie 2011/35 ein Transparenzsystem einführt, das die Interessen der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften sowie ihrer Aktionäre, Arbeitnehmer und Gläubiger garantieren und schützen soll. Gemäß diesem System erstellen die Verwaltungsorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften einen schriftlichen Verschmelzungsplan (Art. 5), der nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Verfahren offenzulegen ist (Art. 6). Die Verschmelzung bedarf zumindest der Zustimmung der Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften (Art. 7). Damit die Aktionäre ihre Zustimmung zu der Verschmelzung geben können, haben sie mindestens einen Monat vor dem Tag der Hauptversammlung, die über den Verschmelzungsplan zu beschließen hat, das Recht, u. a. vom Verschmelzungsplan, den Jahresabschlüssen und den Geschäftsberichten Kenntnis zu nehmen (Art. 11). Die Richtlinie 2011/35 verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein angemessenes Schutzsystem für die Interessen der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften vorzusehen, deren Forderungen vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht erloschen sind (Art. 13). Indem er diesen letztgenannten Artikel in portugiesisches Recht umsetzt, erlaubt Art. 101‑A CSC dieser Kategorie von Gläubigern, sich unter bestimmten Voraussetzungen der Verschmelzung innerhalb des Monats, der auf die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans folgt, zu widersetzen.