Language of document : ECLI:EU:C:2017:122

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

16. Februar 2017(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 51 Abs. 2 – Wortmarke LAMBRETTA – Ernsthafte Benutzung der Marke – Antrag auf Erklärung des Verfalls – Erklärung des teilweisen Verfalls – Mitteilung Nr. 2/12 des Präsidenten des EUIPO – Zeitliche Beschränkung eines Urteils des Gerichtshofs“

In der Rechtssache C‑577/14 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 10. Dezember 2014,

Brandconcern BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. von Mühlendahl und H. Hartwig sowie G. Casucci, N. Ferretti und C. Galli, avvocati,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Crespo Carrillo als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Scooters India Ltd mit Sitz in Lucknow (Indien), Prozessbevollmächtigte: C. Wolfe, Solicitor, sowie B. Brandreth und A. Edwards-Stuart, Barristers,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2016,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Juli 2016

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Brandconcern BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 30. September 2014, Scooters India/HABM – Brandconcern (LAMBRETTA) (T‑51/12, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2014:844), mit dem dieses die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 1. Dezember 2011 (Sache R 2312/2010‑1) zu einem Verfallsverfahren zwischen Brandconcern und der Scooters India Ltd (im Folgenden: streitige Entscheidung) aufgehoben hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) wurde die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) kodifiziert und ersetzt.

3        Art. 51 („Verfallsgründe“) der Verordnung Nr. 207/2009, der Art. 50 der Verordnung Nr. 40/94 entspricht, bestimmt:

„(1) Die [Unions]marke wird auf Antrag beim [EUIPO] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt,

a)     wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der [Europäischen Union] für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen; der Verfall der Rechte des Inhabers kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende dieses Zeitraums und vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist; wird die Benutzung jedoch innerhalb eines nicht vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung beginnenden Zeitraums von drei Monaten vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage begonnen oder wieder aufgenommen, so bleibt sie unberücksichtigt, sofern die Vorbereitungen für die erstmalige oder die erneute Benutzung erst stattgefunden haben, nachdem der Inhaber Kenntnis davon erhalten hat, dass der Antrag gestellt oder die Widerklage erhoben werden könnte;

(2)   Liegt ein Verfallsgrund nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vor, für die die [Unions]marke eingetragen ist, so wird sie nur für diese Waren oder Dienstleistungen für verfallen erklärt.“

4        Mit zwei Mitteilungen, von denen die eine 2003 und die andere 2012 veröffentlicht wurde, erläuterte der Präsident des EUIPO die Verwendung von Klassenüberschriften des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza).

5        Nr. IV Abs. 1 der Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des EUIPO vom 16. Juni 2003 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und ‑eintragungen (im Folgenden: Mitteilung Nr. 4/03) lautete:

„Die 34 Klassen für Waren und die 11 Klassen für Dienstleistungen umfassen die Gesamtheit aller Waren und Dienstleistungen. Demzufolge stellt die Verwendung aller in der Klassenüberschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe die Beanspruchung aller Waren oder Dienstleistungen dar, die dieser Klasse angehören.“

6        Am 20. Juni 2012 erließ der Präsident des EUIPO die Mitteilung Nr. 2/12 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und ‑eintragungen, mit der die Mitteilung Nr. 4/03 aufgehoben wurde (im Folgenden: Mitteilung Nr. 2/12). Nr. V dieser Mitteilung sieht vor:

„Im Hinblick auf [Unions]marken, die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Mitteilung eingetragen wurden, und die alle in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe verwenden, geht das [EUIPO] davon aus, dass der Anmelder im Sinne der früheren Mitteilung Nr. 4/03 alle Waren oder Dienstleistungen abdecken wollte, die in der Fassung der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführt sind, die zum Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft war.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

7        Scooters India ist Inhaberin der Unionswortmarke LAMBRETTA, die am 7. Februar 2000 angemeldet und vom EUIPO am 6. August 2002 eingetragen wurde. Die Marke wurde für Waren u. a. der Klasse 12 des Abkommens von Nizza eingetragen, die folgender Beschreibung entspricht: „Fahrzeuge und Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“.

8        Am 19. November 2007 reichte Brandconcern einen Antrag auf Erklärung des teilweisen Verfalls der Marke LAMBRETTA nach Art. 50 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94, jetzt Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, für die Waren dieser Klasse 12 ein. Sie machte hierzu geltend, dass es an einer ernsthaften Benutzung dieser Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren fehle.

9        Am 24. September 2010 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die Marke LAMBRETTA mit Wirkung ab 19. November 2007 für teilweise verfallen, so u. a. für die Waren der Klasse 12. Gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung legte Scooters India am 23. November 2010 beim EUIPO eine Beschwerde ein.

10      Die Erste Beschwerdekammer des EUIPO wies mit der streitigen Entscheidung die Beschwerde u. a. hinsichtlich der Waren der Klasse 12 des Abkommens von Nizza zurück. In ihrer Entscheidung beschränkte die Beschwerdekammer, was die Waren dieser Klasse anbelangte, ihre Prüfung der ernsthaften Benutzung der Marke LAMBRETTA allein auf „Fahrzeuge und Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ im wörtlichen Sinne. Die Beschwerdekammer konstatierte, dass die von Scooters India beigebrachten Beweise für diese ernsthafte Benutzung sich auf Beweise für den Verkauf von Scooter-Ersatzteilen beschränkten und keine Beweise für den Verkauf von „Fahrzeugen und Apparaten zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ umfassten, und gelangte auf dieser Grundlage zu der Feststellung, es könne aus dem Verkauf von Ersatzteilen nicht abgeleitet werden, dass Scooters India auch irgendein Fahrzeug hergestellt und verkauft habe.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

11      Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 erhob Scooters India beim Gericht Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung und brachte dafür einen einzigen Klagegrund vor, mit dem sie eine Verletzung von Art. 51 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend machte. Dieser Klagegrund hatte zwei Teile.

12      Im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des einzigen Klagegrundes entschied das Gericht in den Rn. 35 bis 38 des angefochtenen Urteils, dass die Bezeichnung „Fahrzeuge und Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ in der Anmeldung als Gemeinschaftsmarke dahin auszulegen sei, dass sie auf einen Schutz der Marke LAMBRETTA für sämtliche Waren in der alphabetischen Liste für Klasse 12 des Abkommens von Nizza abziele. Es war daher der Ansicht, dass, auch wenn „Scooter-Ersatzteile“ als solche nicht in der alphabetischen Liste der Waren dieser Klasse 12 aufgeführt seien, die Beschwerdekammer hätte prüfen müssen, ob diese Marke für die zahlreichen darin enthaltenen Zubehör- und Fahrzeugteile ernsthaft verwendet worden sei. Da die Beschwerdekammer die ernsthafte Benutzung der genannten Marke für diese Scooter-Ersatzteile nicht geprüft habe, gab das Gericht daher diesem ersten Teil des Klagegrundes statt und hob die streitige Entscheidung auf.

13      Zum zweiten Teil des einzigen Klagegrundes entschied das Gericht in den Rn. 42 bis 44 des angefochtenen Urteils, dass die Beschwerdekammer als Folge der Aufhebung der streitigen Entscheidung, die im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes entschieden worden sei, prüfen müsse, ob Scooters India die Marke LAMBRETTA für die Ersatzteile benutzt habe. Diese Prüfung habe gemäß den vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. März 2003, Ansul (C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 40 bis 43), aufgestellten Kriterien zu erfolgen.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

14      Brandconcern beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die Klage von Scooters India auf Aufhebung der streitigen Entscheidung abzuweisen;

–        hilfsweise, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die streitige Entscheidung im Hinblick auf „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ der Klasse 12 des Abkommens von Nizza aufgehoben hatte, und

–        dem EUIPO und Scooters India die Kosten aufzuerlegen.

15      Das EUIPO beantragt,

–        das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen;

–        hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen, und

–        Brandconcern die Kosten aufzuerlegen.

16      Scooters India beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        Brandconcern die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

17      Brandconcern stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Rechtsmittelgründe, nämlich eine Verletzung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 51 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und einen Verfahrensfehler des Gerichts.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

18      Brandconcern trägt einleitend vor, Scooters India habe vor dem Gericht nicht die Feststellung der Beschwerdekammer des EUIPO in der streitigen Entscheidung beanstandet, die Marke LAMBRETTA sei für die Waren, für die sie eingetragen worden sei, nämlich für „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ der Klasse 12 des Abkommens von Nizza, nicht benutzt worden. Daher – und allein aus diesem Grund – hätte das Gericht die Klage von Scooters India abweisen müssen. In jedem Fall hätte das Gericht die Klage von Scooters India als unzulässig abweisen müssen, da der Gegenstand dieser Klage sich vom Gegenstand des Beschwerdeverfahrens unterschieden habe. Scooters India habe nämlich die Frage, ob die Marke LAMBRETTA Ersatzteile als „Bestandteile“ der von der Eintragung erfassten Waren schütze, erst im Rahmen der Klage vor dem Gericht, nicht aber der Beschwerde vor dem EUIPO aufgeworfen.

19      Ferner macht Brandconcern geltend, das Gericht habe angesichts der Regel, die der Gerichtshof in Rn. 61 des Urteils vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), zu dem Wortzeichen „IP Translator“ aufgestellt habe, einen Rechtsfehler begangen, indem es die Ansicht vertreten habe, dass die Beschwerdekammer des EUIPO in Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen, ob Scooters India die Marke LAMBRETTA ernsthaft für nicht von der Eintragung erfasste Waren benutzt habe. Das Gericht habe nämlich zu Unrecht festgestellt, dass, obwohl die Marke LAMBRETTA für Scooters India gemäß ihrer Anmeldung für die „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser“ der Klasse 12 des Abkommens von Nizza eingetragen worden sei, der durch die Eintragung dieser Marke gewährte Schutz Scooters India für alle Erzeugnisse in der alphabetischen Liste dieser Klasse gewährt werden müsse.

20      Im Urteil vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), habe der Gerichtshof festgestellt, dass eine Anmeldung aus Gründen der Klarheit und Eindeutigkeit klarstellen müsse, ob sie sich auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführten Waren oder Dienstleistungen beziehe. Die Anmeldung könne ohne eine entsprechende Erklärung des Anmelders nicht dahin ausgelegt werden, dass sie alle Waren dieser Klasse bezeichne. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil hätte die Rechtsprechung, die sich aus dem Urteil ergebe, im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass ein Urteil, das nach Art. 267 AEUV ergehe, rückwirkende Wirkung habe, ungeachtet der vom Gericht geltend gemachten Gründe der Rechtssicherheit angewandt werden müssen.

21      In jedem Fall könne den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit der Anmeldung nicht genügt werden, wenn die Absicht des Anmelders berücksichtigt werde, über die wörtliche Bedeutung der bei der Anmeldung verwendeten Begriffe hinauszugehen, sofern sich diese Absicht, wie im vorliegenden Fall, nicht in einer Bezugnahme auf in der alphabetischen Liste einer Klasse aufgeführte Waren niedergeschlagen habe.

22      Das EUIPO und Scooters India machen geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

23      Was das einleitende Vorbringen von Brandconcern anbelangt, genügt die Feststellung, dass Scooters India in ihrer beim Gericht eingereichten Klageschrift die Aufhebung der streitigen Entscheidung beantragte, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des EUIPO, die Marke LAMBRETTA für die Waren der Klasse 12 des Abkommens von Nizza einschließlich „Teilen und Zubehör für Fahrzeuge und Apparate zur Beförderung auf dem Lande“ für verfallen zu erklären, zurückgewiesen wurde.

24      Scooters India machte nämlich in dieser Klageschrift geltend, dass diese letztgenannten Waren eine bloße Unterkategorie der „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser“, d. h. der in ihrer Anmeldung genannten und unter die Überschrift der Klasse 12 fallenden Waren, nicht aber andere Waren darstellten. Daher ist das Vorbringen von Brandconcern unbegründet, dass Scooters India die Auffassung der Beschwerdekammer des EUIPO in der streitigen Entscheidung, die Marke LAMBRETTA sei nicht für die Waren, für die sie eingetragen sei, benutzt worden, nicht beanstandet habe.

25      Unter diesen Umständen ist dieses Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen.

26      Brandconcern wirft dem Gericht weiter vor, die Wirkungen des Urteils vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), rechtsfehlerhaft zeitlich begrenzt zu haben. Im vorliegenden Fall sei dieses Urteil anwendbar, soweit es vorschreibe, die Anmeldung einer Unionsmarke, auch eine vor dem Erlass dieses Urteils eingereichte Anmeldung, dahin gehend auszulegen, dass nur die in der Anmeldung ausdrücklich genannten Waren von dem durch die Unionsmarke gewährten Schutz erfasst würden.

27      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 21 bis 24 des angefochtenen Urteils zwar geprüft hat, ob das Urteil vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), und insbesondere Rn. 61 dieses Urteils Auswirkungen auf die Auslegung der Anmeldung der Marke LAMBRETTA hat, aber auch festgestellt hat, dass der Gerichtshof die Wirkungen dieses Urteils nicht zeitlich beschränkt hat.

28      In diesem Sinne hat der Gerichtshof in Rn. 61 des Urteils vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), festgestellt, dass, um den sich aus der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) ergebenden Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit zu genügen, der Anmelder einer nationalen Marke, der zur Angabe der Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, alle Oberbegriffe der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet, klarstellen muss, ob sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführten Waren oder Dienstleistungen bezieht. Falls sie sich nur auf einige dieser Waren oder Dienstleistungen beziehen soll, hat der Anmelder anzugeben, welche Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse beansprucht werden.

29      Jedoch ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass Rn. 61 dieses Urteils nicht die Inhaber einer schon eingetragenen Marke, sondern nur die Anmelder einer Marke betrifft.

30      Als Zweites beschränkt sich der Gerichtshof in Rn. 61 des Urteils vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), darauf, klarzustellen, welchen Anforderungen neue Anmelder nationaler Marken unterliegen, die zur Bezeichnung der Waren und Dienstleistungen, für die der Markenschutz beantragt wird, die Oberbegriffe einer Klassenüberschrift verwenden. Solche Anforderungen ermöglichen es, wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zu vermeiden, dass der Umfang des durch die Marke gewährten Schutzes nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wenn ein Anmelder alle Begriffe einer Klassenüberschrift benutzt.

31      Es kann daher nicht angenommen werden, dass der Gerichtshof durch das Urteil vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), die in der Mitteilung Nr. 4/03 dargelegte Herangehensweise an vor diesem Urteil eingetragene Marken in Frage stellen wollte. Daher ist die in Rn. 61 dieses Urteils enthaltene Regel nicht auf die Eintragung der Marke LAMBRETTA anwendbar, die vor diesem Urteil erfolgte.

32      Deshalb ist dem Gericht kein Rechtsfehler, der die Aufhebung des angefochtenen Urteils rechtfertigen könnte, mit seiner in Rn. 35 dieses Urteils getroffenen Feststellung unterlaufen, dass gemäß der in Nr. V der Mitteilung Nr. 2/12 dargelegten Herangehensweise die Angabe „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser“, die den in der Überschrift der Klasse 12 des Abkommens von Nizza genannten Waren entspricht und in der Anmeldung der Marke LAMBRETTA enthalten war, dahin auszulegen sei, dass sie diese Marke für alle Waren schützen solle, die in der alphabetischen Liste dieser Klasse 12 enthalten seien.

33      Darüber hinaus wird die vom Gericht vorgenommene Auslegung der streitigen Anmeldung durch die Änderung von Art. 28 Abs. 8 der Verordnung Nr. 207/2009 durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) gestützt. Diese Verordnung fügte nämlich in diesen Artikel eine Übergangsvorschrift ein, nach der Inhaber von vor dem 22. Juni 2012 angemeldeten Unionsmarken, die in Bezug auf die gesamte Überschrift einer Klasse des Abkommens von Nizza eingetragen sind, bis zum 24. September 2016 erklären durften, dass es am Anmeldetag ihre Absicht war, Schutz in Bezug auf andere Waren oder Dienstleistungen zu beantragen als diejenigen, die von der wörtlichen Bedeutung der Überschrift erfasst sind, die aber im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse aufgeführt sind.

34      Unter diesen Umständen ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

35      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der hilfsweise vorgetragen wird, macht Brandconcern geltend, dass das angefochtene Urteil mit einem Begründungsfehler behaftet sei, soweit das Gericht die streitige Entscheidung aufgehoben habe, obwohl es festgestellt habe, dass Scooters India die Marke nicht für die Waren benutzt habe, für die sie eingetragen worden sei, nämlich für „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser“, die unter die Überschrift der Klasse 12 des Abkommens von Nizza fielen. Insbesondere widerspreche die Begründung dieses Urteils, die die Frage der Benutzung dieser Marke nur für Scooter-Ersatzteile prüfe, seinem Tenor, der die streitige Entscheidung auch insoweit aufhebe, als sie sich auf die Waren beziehe, die unter die Überschrift dieser Klasse 12 fielen.

36      Das EUIPO hält den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig oder jedenfalls unbegründet. Nach Ansicht von Scooters India ist dieser Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

37      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Der Gerichtshof hat auch darauf hingewiesen, dass die bloße abstrakte Aufzählung der Rechtsmittelgründe in der Rechtsmittelschrift nicht den Erfordernissen von Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d seiner Verfahrensordnung entspricht. Darüber hinaus wird in Art. 169 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung klargestellt, dass die geltend gemachten Rechtsgründe und ‑argumente die beanstandeten Punkte der Begründung der Entscheidung des Gerichts genau bezeichnen müssen. Eine Rechtsmittelschrift, die diese Merkmale nicht aufweist, kann nämlich nicht Gegenstand einer rechtlichen Beurteilung sein, die es dem Gerichtshof erlaubte, seiner ihm obliegenden Aufgabe nachzukommen und seine Rechtmäßigkeitskontrolle durchzuführen (Urteil vom 7. November 2013, Wam Industriale/Kommission, C‑560/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:726, Rn. 42 bis 44).

38      Im vorliegenden Fall hat Brandconcern in ihrer Rechtsmittelschrift nicht angegeben, in welchen Randnummern des angefochtenen Urteils das Gericht festgestellt hat, dass Scooters India die Marke LAMBRETTA nicht für die von der Eintragung erfassten Waren benutzt habe. Ferner bezieht sich Brandconcern in ihrer Erwiderung zwar auf die Rn. 14, 16 und 17 des angefochtenen Urteils, doch lässt sich diesen Randnummern nicht entnehmen, dass das Gericht der Ansicht war, dass Scooters India die Marke LAMBRETTA nicht für die von der Eintragung erfassten Waren benutzt habe.

39      Entgegen den Ausführungen von Brandconcern betrifft das angefochtene Urteil nämlich die Frage der Auslegung einer Anmeldung und geht in keiner Weise auf die tatsächliche Benutzung der streitigen Marke für eine der Waren der Klasse 12 des Abkommens von Nizza ein.

40      Daher ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

41      Da keiner der von Brandconcern geltend gemachten Rechtsmittelgründe durchgreift, ist ihr Rechtsmittel vollständig zurückzuweisen.

 Kosten

42      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

43      Da das EUIPO und Scooters India beantragt haben, Brandconcern zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Brandconcern BV trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.