Language of document : ECLI:EU:C:2017:547

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

13. Juli 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Art. 191 und 193 AEUV – Richtlinie 2004/35/EG – Sachlicher Anwendungsbereich – Luftverschmutzung aufgrund illegaler Abfallverbrennung – Verursacherprinzip – Nationale Regelung, die eine gemeinsame Verantwortung des Eigentümers des Grundstücks, auf dem die Umweltverschmutzung entstanden ist, und des Verursachers vorsieht“

In der Rechtssache C‑129/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Szolnoki Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szolnok, Ungarn) mit Entscheidung vom 18. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 1. März 2016, in dem Verfahren

Túrkevei Tejtermelő Kft.

gegen

Országos Környezetvédelmi és Természetvédelmi Főfelügyelőség

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Országos Környezetvédelmi és Természetvédelmi Főfelügyelőség, vertreten durch Z. Szurovecz und L. Búsi als Bevollmächtigte,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch Z. Fehér, G. Koós und A. M. Pálfy als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. White und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Februar 2017

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 191 und 193 AEUV und der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. 2004, L 143, S. 56).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Túrkevei Tejtermelő Kft. (im Folgenden: TTK) und der Országos Környezetvédelmi és Természetvédelmi Főfelügyelőség (Nationale Aufsichtsbehörde für Umwelt- und Naturschutz, Ungarn, im Folgenden: Aufsichtsbehörde) wegen einer gegen TTK verhängten Geldbuße aufgrund einer illegalen Abfallverbrennung, die auf einem ihr gehörenden Grundstück stattgefunden und zu einer Luftverschmutzung geführt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Richtlinie 2004/35 wurde auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 1 EG, jetzt Art. 192 Abs. 1 AEUV, erlassen und sieht Verfahren für den Erlass von Regelungen zur Umsetzung der in Art. 191 Abs. 1 AEUV genannten Ziele der Umweltpolitik durch die Europäische Union vor.

4        Die Erwägungsgründe 1, 2, 4, 13, 18, 20 und 24 der Richtlinie 2004/35 lauten:

„(1)      Es gibt in der Gemeinschaft heute zahlreiche kontaminierte Standorte, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen, und der Verlust an biologischer Vielfalt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch beschleunigt. Werden keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen, könnte in Zukunft die Anzahl kontaminierter Standorte weiter ansteigen und der Verlust an biologischer Vielfalt noch stärker zunehmen. Die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, soweit dies möglich ist, trägt zur Umsetzung der im Vertrag genannten Ziele und Grundsätze der Umweltpolitik der Gemeinschaft bei. Bei Entscheidungen darüber, wie die Schäden saniert werden sollen, sollten die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden.

(2)      Die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden sollte durch eine verstärkte Orientierung an dem im Vertrag genannten Verursacherprinzip und gemäß dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung erfolgen. Grundlegendes Prinzip dieser Richtlinie sollte es deshalb sein, dass ein Betreiber, der durch seine Tätigkeit einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat, dafür finanziell verantwortlich ist; hierdurch sollen die Betreiber dazu veranlasst werden, Maßnahmen zu treffen und Praktiken zu entwickeln, mit denen die Gefahr von Umweltschäden auf ein Minimum beschränkt werden kann, damit das Risiko ihrer finanziellen Inanspruchnahme verringert wird.

(4)      Unter den Begriff ‚Umweltschaden‘ fallen auch Schäden durch über die Luft getragene Elemente, soweit sie eine Schädigung der Gewässer, des Bodens oder geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume verursachen.

(13)      Nicht alle Formen von Umweltschäden können durch Haftungsmechanismen behoben werden. Damit diese zu Ergebnissen führen, muss es einen oder mehrere identifizierbare Verursacher geben, sollte es sich um einen konkreten und messbaren Schaden handeln und sollte ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem bzw. den ermittelten Verursachern hergestellt werden können. Daher ist die Haftung kein geeignetes Instrument, um einer breit gestreuten, nicht klar abgegrenzten Umweltverschmutzung zu begegnen, bei der es unmöglich ist, die nachteiligen Umweltauswirkungen mit Handlungen oder Unterlassungen bestimmter einzelner Akteure in Zusammenhang zu bringen.

(18)      Entsprechend dem Verursacherprinzip sollte grundsätzlich der Betreiber, der einen Umweltschaden bzw. die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht, die Kosten der erforderlichen Vermeidungs- oder Sanierungsmaßnahmen tragen. In Fällen, in denen eine zuständige Behörde selbst oder über Dritte anstelle eines Betreibers tätig wird, sollte diese Behörde sicherstellen, dass die ihr entstandenen Kosten vom Betreiber erstattet werden. Die Betreiber sollten auch letztlich die Kosten für die Beurteilung der Umweltschäden bzw. einer unmittelbaren Gefahr solcher Schäden tragen.

(20)      Der Betreiber sollte die Kosten für die gemäß dieser Richtlinie durchgeführten Vermeidungs- und Sanierungstätigkeiten in den Fällen nicht zu tragen haben, in denen der betreffende Schaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens auf Ereignisse zurückzuführen ist, die sich seinem Einfluss entziehen. Die Mitgliedstaaten können die Möglichkeit vorsehen, dass Betreiber, die nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben, die Kosten für Sanierungsmaßnahmen in den Fällen nicht zu tragen haben, in denen der betreffende Schaden auf Emissionen oder Ereignisse zurückzuführen ist, die ausdrücklich genehmigt wurden oder deren schädigende Wirkung zum Zeitpunkt des Auftretens der Emission oder des Ereignisses nicht vorhersehbar war.

(24)      Es ist erforderlich, sicherzustellen, dass für die Um- und Durchsetzung wirksame Mittel zur Verfügung stehen, wobei dafür zu sorgen ist, dass die berechtigten Interessen der betreffenden Betreiber und sonstigen Beteiligten angemessen gewahrt sind. Die zuständigen Behörden sollten besondere Aufgaben wahrnehmen, die eine behördliche Ermessensausübung erfordern, insbesondere die Verpflichtung zur Ermittlung der Erheblichkeit des Schadens und zur Entscheidung darüber, welche Sanierungsmaßnahmen zu treffen sind.

…“

5        Die Richtlinie 2004/35 schafft nach ihrem Art. 1 auf der Grundlage des Verursacherprinzips einen Rahmen für die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden.

6        Art. 2 der Richtlinie enthält folgende Definitionen:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff

1.      ‚Umweltschaden‘

a)      eine Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume, d. h. jeden Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten hat. Die Erheblichkeit dieser Auswirkungen ist mit Bezug auf den Ausgangszustand unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Anhang I zu ermitteln;

b)      eine Schädigung der Gewässer, d. h. jeden Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen und/oder mengenmäßigen Zustand und/oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer im Sinne der Definition der Richtlinie 2000/60/EG hat, mit Ausnahme der nachteiligen Auswirkungen, für die Artikel 4 Absatz 7 jener Richtlinie gilt;

c)      eine Schädigung des Bodens, d. h. jede Bodenverunreinigung, die ein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit aufgrund der direkten oder indirekten Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen in, auf oder unter den Grund verursacht;

6.      ‚Betreiber‘ jede natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die die berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt oder der – sofern dies in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist – die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über die technische Durchführung einer solchen Tätigkeit übertragen wurde, einschließlich des Inhabers einer Zulassung oder Genehmigung für eine solche Tätigkeit oder der Person, die die Anmeldung oder Notifizierung einer solchen Tätigkeit vornimmt;

7.      ‚berufliche Tätigkeit‘ jede Tätigkeit, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird, unabhängig davon, ob sie privat oder öffentlich und mit oder ohne Erwerbszweck ausgeübt wird;

10.      ‚Vermeidungsmaßnahmen‘ jede Maßnahme, die nach einem Ereignis, einer Handlung oder einer Unterlassung, das/die eine unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens verursacht hat, getroffen wird, um diesen Schaden zu vermeiden oder zu minimieren;

11.      ‚Sanierungsmaßnahmen‘ jede Tätigkeit oder Kombination von Tätigkeiten einschließlich mildernder und einstweiliger Maßnahmen im Sinne des Anhangs II mit dem Ziel, geschädigte natürliche Ressourcen und/oder beeinträchtigte Funktionen wiederherzustellen, zu sanieren oder zu ersetzen oder eine gleichwertige Alternative zu diesen Ressourcen oder Funktionen zu schaffen;

…“

7        Art. 3 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 vor:

„Diese Richtlinie gilt für:

a)      Umweltschäden, die durch die Ausübung einer der in Anhang III aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden, und jede unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die aufgrund dieser Tätigkeiten eintritt;

b)      Schädigungen geschützter Arten und natürlicher Lebensräume, die durch die Ausübung einer anderen als der in Anhang III aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden, und jede unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die aufgrund dieser Tätigkeiten eintritt, sofern der Betreiber vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.“

8        Gemäß Art. 4 Abs. 5 gilt die Richtlinie „nur dann für Umweltschäden sowie die unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die durch eine nicht klar abgegrenzte Verschmutzung verursacht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und den Tätigkeiten einzelner Betreiber festgestellt werden kann“.

9        In Art. 5 („Vermeidungstätigkeit“) der Richtlinie 2004/35 heißt es:

„(1)      Ist ein Umweltschaden noch nicht eingetreten, besteht aber eine unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens, so ergreift der Betreiber unverzüglich die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen.

(3)      Die zuständige Behörde kann jederzeit

b)      von dem Betreiber verlangen, die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen,

d)      selbst die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen ergreifen.

(4)      Die zuständige Behörde verlangt, dass die Vermeidungsmaßnahmen vom Betreiber ergriffen werden. Kommt der Betreiber den Verpflichtungen gemäß Absatz 1 oder Absatz 3 Buchstabe b oder c nicht nach oder kann der Betreiber nicht ermittelt werden oder muss er gemäß dieser Richtlinie nicht für die Kosten aufkommen, so kann die zuständige Behörde selbst diese Maßnahmen ergreifen.“

10      Art. 6 („Sanierungstätigkeit“) der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Ist ein Umweltschaden eingetreten, so informiert der Betreiber unverzüglich die zuständige Behörde über alle bedeutsamen Aspekte des Sachverhalts und

a)      trifft alle praktikablen Vorkehrungen, um die betreffenden Schadstoffe und/oder sonstigen Schadfaktoren unverzüglich zu kontrollieren, einzudämmen, zu beseitigen oder auf sonstige Weise zu behandeln, um weitere Umweltschäden und nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder eine weitere Beeinträchtigung von Funktionen zu begrenzen oder zu vermeiden, und

b)      ergreift die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen …

(2)      Die zuständige Behörde kann jederzeit

a)      von dem Betreiber verlangen, zusätzliche Informationen über einen eingetretenen Schaden vorzulegen,

b)      alle praktikablen Vorkehrungen treffen oder von dem Betreiber verlangen, dies zu tun, oder dem Betreiber entsprechende Anweisungen erteilen, um die betreffenden Schadstoffe und/oder sonstigen Schadfaktoren unverzüglich zu kontrollieren, einzudämmen, zu beseitigen oder auf sonstige Weise zu behandeln, um weitere Umweltschäden und nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder eine weitere Beeinträchtigung von Funktionen zu begrenzen oder zu vermeiden,

c)      von dem Betreiber verlangen, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen,

e)      selbst die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ergreifen.

(3)      Die zuständige Behörde verlangt, dass die Sanierungsmaßnahmen vom Betreiber ergriffen werden. Kommt der Betreiber den Verpflichtungen gemäß Absatz 1 oder Absatz 2 Buchstaben b) [oder] c) … nicht nach oder kann der Betreiber nicht ermittelt werden oder muss er gemäß dieser Richtlinie nicht für die Kosten aufkommen, so kann die zuständige Behörde selbst diese Maßnahmen ergreifen, falls ihr keine weiteren Mittel bleiben.“

11      Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Der Betreiber trägt die Kosten der gemäß dieser Richtlinie durchgeführten Vermeidungs- und Sanierungstätigkeiten.

(3)      Ein Betreiber muss die Kosten für gemäß dieser Richtlinie durchgeführte Vermeidungs- oder Sanierungstätigkeiten nicht tragen, wenn er nachweisen kann, dass die Umweltschäden oder die unmittelbare Gefahr solcher Schäden

a)      durch einen Dritten verursacht wurden und eingetreten sind, obwohl geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, oder

b)      auf die Befolgung von Verfügungen oder Anweisungen einer Behörde zurückzuführen sind, wobei es sich nicht um Verfügungen oder Anweisungen infolge von Emissionen oder Vorfällen handelt, die durch die eigenen Tätigkeiten des Betreibers verursacht wurden.

In diesen Fällen treffen die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen, damit der Betreiber Erstattung der ihm entstandenen Kosten erlangen kann.“

12      Art. 11 Abs. 2 und 3 der Richtlinie sieht vor:

„(2)      Es obliegt der zuständigen Behörde, festzustellen, welcher Betreiber den Schaden oder die unmittelbare Gefahr eines Schadens verursacht hat, die Erheblichkeit des Schadens zu ermitteln und zu bestimmen, welche Sanierungsmaßnahmen gemäß Anhang II zu treffen sind. …

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde Dritte zur Durchführung der erforderlichen Vermeidungs- oder Sanierungsmaßnahmen ermächtigen oder verpflichten kann.“

13      Art. 16 („Beziehung zum nationalen Recht“) der Richtlinie 2004/35 bestimmt in seinem Abs. 1, dass diese Richtlinie „die Mitgliedstaaten nicht daran [hindert], strengere Vorschriften für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden beizubehalten oder zu erlassen, einschließlich der Festlegung zusätzlicher Tätigkeiten, die den Bestimmungen dieser Richtlinie über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden unterliegen, und der Bestimmung zusätzlicher verantwortlicher Parteien“.

14      In Anhang III der Richtlinie sind zwölf Tätigkeiten aufgeführt, die der Unionsgesetzgeber als gefährlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie eingestuft hat. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich insbesondere um Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen, die gemäß den einschlägigen Unionsrechtsakten einer Genehmigung oder Registrierung bedürfen.

 Ungarisches Recht

 Umweltschutzgesetz

15      Zur Umsetzung der Richtlinie 2004/35 in die ungarische Rechtsordnung wurden die Bestimmungen des ungarischen Umweltschutzgesetzes angepasst.

16      § 4 des Környezet védelmének általános szabályairól szóló 1995. évi LIII. törvény (Gesetz Nr. LIII von 1995 über allgemeine Vorschriften zum Schutz der Umwelt, im Folgenden: Umweltschutzgesetz) enthält folgende Definitionen:

„1.      ‚Umweltelemente‘: Erde, Luft, Wasser, Fauna, Flora und die vom Menschen geschaffene (künstliche) Umwelt sowie deren Komponenten;

10.      ‚Umweltgefährdung‘: die unmittelbare Gefahr des Eintritts eines Umweltschadens;

12.      ‚Umweltschädigung‘: das Handeln oder Unterlassen, durch dessen Wirkung ein Umweltschaden eintritt;

13.      ‚Umweltschaden‘: die in der Umwelt bzw. einem Umweltelement direkt oder indirekt eintretende bedeutende und messbare ungünstige Änderung bzw. die direkt oder indirekt eintretende messbare und bedeutende Verschlechterung der mit einem Umweltelement verbundenen Leistung;

…“

17      § 101 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes bestimmt:

„Der Umweltnutzer haftet auf eine in diesem Gesetz und anderen Rechtsnormen geregelte Art und Weise strafrechtlich, zivilrechtlich und verwaltungsrechtlich für die auf die Umwelt ausgeübten Wirkungen seiner Tätigkeit. …“

18      Gemäß § 102 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes haften für einen Umweltschaden bzw. eine Umweltgefährdung gesamtschuldnerisch die nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Schadens bzw. der Gefährdung jeweiligen Eigentümer und Besitzer (Nutzer) des Grundstücks, auf dem die Umweltschädigung eingetreten ist bzw. die umweltgefährdende Handlung vorgenommen worden ist, solange nicht nachgewiesen ist, dass sie keine Verantwortung trifft. Nach § 102 Abs. 2 dieses Gesetzes wird der Eigentümer von der gesamtschuldnerischen Haftung befreit, wenn er den tatsächlichen Nutzer des Grundstücks benennt und zweifelsfrei nachweist, dass die Verantwortung nicht bei ihm liegt.

19      § 106 des Umweltschutzgesetzes sieht vor:

„(1)      Wer die in einer Rechtsnorm, in einem behördlichen Beschluss bzw. in einem direkt anzuwendenden gemeinschaftlichen Rechtsakt festgelegte, direkt oder indirekt dem Schutz der Umwelt dienende Vorschrift verletzt bzw. Grenzwerte überschreitet, muss eine Umweltschutzstrafe zahlen, die sich nach der Schwere des rechtsverletzenden Verhaltens – insbesondere nach dem Ausmaß, der Dauer und der Wiederholung der von ihm verursachten Umweltverschmutzung bzw. Umweltschädigung – richtet.

(2)      Die Umweltschutzstrafe ist über die Beiträge wegen Umweltbeanspruchungen und die Abgaben für Umweltbelastungen hinaus zu zahlen.

…“

 Regierungsverordnung über den Schutz der Luftqualität

20      Nach § 2 Nr. 29 der Levegő védelméről szóló 306/2010 (XII. 23) Korm. rendelet (Regierungsverordnung Nr. 306/2010 [XII 23] vom 23. Dezember 2010 über den Schutz der Luftqualität) stellt jede Vorschrift und jedes Verbot zur Vermeidung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die Luftqualität, die in einer Rechtsnorm oder in einer Behördenentscheidung vorgesehen sind, ein „Erfordernis zum Schutz der Luftqualität“ dar.

21      Nach § 27 Abs. 2 dieser Verordnung ist die Verbrennung von Abfällen im Freien oder in Anlagen, die nicht gemäß den Rechtsvorschriften erfolgt, in denen die Bedingungen für die Abfallverbrennung festgelegt sind, verboten; ausgenommen von diesem Verbot ist die Verbrennung von Papierabfällen aus Privathaushalten oder von als ungefährlich eingestuften unbehandelten Holzabfällen in haushaltseigenen Anlagen. Eine Verbrennung von Abfällen im Freien liegt vor, sobald diese in Brand geraten, unabhängig von den Gründen hierfür, wobei Elementarschäden ausgenommen sind.

22      Nach § 34 Abs. 1 der Verordnung verhängt die Umweltschutzbehörde, soweit nichts anderes bestimmt ist, eine Geldbuße gegen die natürliche oder juristische Person oder die Organisation ohne Rechtspersönlichkeit, die gegen die Bestimmungen zum Schutz der Luftqualität verstoßen hat, und spricht gleichzeitig die Verpflichtung aus, das rechtswidrige Handeln oder Unterlassen zu beenden.

23      Aus § 34 Abs. 3 der Verordnung ergibt sich, dass die Umweltschutzbehörde bei der Verhängung der Geldbuße erstens die Umstände des Verstoßes, zweitens die Schwere der Pflichtverletzung und drittens die Dauer oder Wiederholung der Pflichtverletzung berücksichtigt.

24      In Anhang 9 Nr. 20 der Verordnung sind die Geldbußenbeträge für den Tatbestand aufgeführt, „nicht verhindert zu haben, dass sich Abfall- und Materiallager oder Abfälle selbst entzündet oder Feuer gefangen haben, oder nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben, um die Verbrennung zu beenden (für Mengen über 10 m3)“.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

25      Am 2. Juli 2014 wurde die zuständige untere Umweltschutzbehörde darüber informiert, dass auf einem Grundstück im Eigentum von TTK in Túrkeve (Ungarn) Abfälle verbrannt würden.

26      Aus dem bei der Inaugenscheinnahme durch diese Behörde erstellten Protokoll geht hervor, dass in drei Lagersilos je 30 m³ bis 40 m³ Abfälle, darunter Metallabfälle, verbrannt worden waren und drei Lastwagen, die sich auf dem Grundstück befanden, gerade dabei waren, die bei der Verbrennung als Rückstände verbliebenen Metallabfälle abzutransportieren.

27      TTK erklärte gegenüber dieser Behörde, dass sie das Grundstück am 15. März 2014 an eine natürliche Person verpachtet habe. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese am 1. April 2014 verstorben war.

28      Die untere Umweltschutzbehörde verhängte gegen TTK in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin des Grundstücks eine Geldbuße in Höhe von 500 000 Forint (ca. 1 630 Euro) wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der Regierungsverordnung Nr. 306/2010.

29      TTK ging bei dieser Behörde gegen die Geldbuße vor, die ihren Widerspruch zurückwies. Die Zurückweisung wurde von der Aufsichtsbehörde bestätigt.

30      Im Zurückweisungsbescheid führte die Aufsichtsbehörde aus, dass die Verbrennung von Abfällen unter freiem Himmel zu einer Umweltgefährdung geführt habe. Nach dem Umweltschutzgesetz hafteten diejenigen, die die jeweiligen Eigentümer und Besitzer des Grundstücks seien, gesamtschuldnerisch, wenn nicht der Eigentümer zweifelsfrei nachweisen könne, dass er nicht verantwortlich sei. Da der Pächter des Grundstücks verstorben sei, habe die untere Umweltschutzbehörde zu Recht angenommen, dass TTK haftbar sei.

31      TTK erhob gegen den Bescheid der Aufsichtsbehörde Klage beim vorlegenden Gericht, dem Szolnoki Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szolnok, Ungarn).

32      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts lässt sich die Geldbuße zum Schutz der Luftqualität wegen ihres Sanktionscharakters nicht unter die in Art. 2 Abs. 11 der Richtlinie 2004/35 definierten „Sanierungskosten“ subsumieren. Art. 16 dieser Richtlinie sehe jedoch in Übereinstimmung mit Art. 193 AEUV für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, strengere Vorschriften für die Vermeidung und die Sanierung von Umweltschäden zu erlassen.

33      Unter Verweis auf Rn. 54 des Urteils vom 4. März 2015, Fipa Group u. a. (C‑534/13, EU:C:2015:140), führt das vorlegende Gericht aus, dass der von der Richtlinie 2004/35 eingeführte Mechanismus der Umwelthaftung, damit er zu Ergebnissen führe, verlange, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem oder mehreren identifizierbaren Betreibern und konkreten und messbaren Umweltschäden von der zuständigen Behörde hergestellt werde, um diesem oder diesen Betreiber(n) unabhängig von der Art der erfolgten Verschmutzung Sanierungsmaßnahmen auferlegen zu können. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem von der Behörde nachgewiesenen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit von TTK und dem Umweltschaden. Es gebe daher keine Rechtsgrundlage für die Verhängung der Verwaltungsgeldbuße gegen die Eigentümerin des Grundstücks.

34      Unter diesen Umständen hat das Szolnoki Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szolnok) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen Art. 191 AEUV und die Bestimmungen der Richtlinie 2004/35 einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der die Umweltschutzbehörde – über das Verursacherprinzip hinausgehend – befugt ist, die Haftung für die Beseitigung des Umweltschadens in besonderer Form dem Inhaber des Eigentumsrechts aufzuerlegen, ohne vorher in der Sache das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten der Person (Wirtschaftsorganisation) und dem Verschmutzungsvorgang prüfen zu müssen?

2.      Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen und es im Hinblick auf die Luftverschmutzung nicht erforderlich ist, den Umweltschaden zu beseitigen: Kann die Verhängung einer Geldbuße zum Schutz der Luftqualität durch die Berufung auf eine Regelung des Mitgliedstaats gerechtfertigt werden, bei der es sich um eine strengere Regelung im Sinne von Art. 16 der Richtlinie 2004/35 und Art. 193 AEUV handelt, oder kann auch diese strengere Regelung nicht zur Verhängung einer Geldbuße mit reinem Sanktionscharakter gegen den nicht für die Verschmutzung verantwortlichen Eigentümer führen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

35      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2004/35 im Licht der Art. 191 und 193 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die neben den Betreibern von Grundstücken, auf denen eine rechtswidrige Verschmutzung entstanden ist, eine weitere Kategorie von Personen bestimmt, die für einen solchen Umweltschaden gesamtschuldnerisch haftet, nämlich die Eigentümer der Grundstücke, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Eigentümer und der festgestellten Verschmutzung nachgewiesen werden müsste.

 Zur Anwendbarkeit von Art. 191 Abs. 2 AEUV

36      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV auf ein hohes Schutzniveau abzielt und u. a. auf dem Verursacherprinzip beruht. Diese Bestimmung beschränkt sich somit darauf, die allgemeinen Ziele der Union im Umweltbereich festzulegen, während Art. 192 AEUV das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union damit betraut, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über das Tätigwerden zu beschließen, um diese Ziele zu erreichen (Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Da sich Art. 191 Abs. 2 AEUV, der das Verursacherprinzip enthält, auf das Tätigwerden der Union bezieht, kann er demzufolge als solcher nicht von Einzelnen herangezogen werden, um die Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die in einem zur Umweltpolitik gehörenden Bereich ergangen ist, auszuschließen, sofern keine auf der Grundlage von Art. 192 AEUV erlassene Unionsregelung anwendbar ist, die speziell den betreffenden Fall abdeckt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 39, und vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Daher kann das in Art. 191 Abs. 2 AEUV enthaltene Verursacherprinzip von TTK nur dann geltend gemacht werden, wenn eine auf der Grundlage von Art. 192 AEUV erlassene Unionsregelung den Fall des Ausgangsverfahrens speziell abdeckt.

 Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/35

39      Unbeschadet der in der vorliegenden Vorlage zur Vorabentscheidung nicht aufgeworfenen Frage, ob eine andere Unionsregelung als die Richtlinie 2004/35, wie etwa die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3), einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens abdeckt, stellt sich unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Ausgangsrechtssache ausweislich der dem Gerichtshof vorgelegten Akten eine Luftverschmutzung betrifft, die Frage nach der Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/35.

40      Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie definiert den „Umweltschaden“ als eine Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume oder eine Schädigung der Gewässer oder des Bodens.

41      Somit stellt die Luftverschmutzung an sich keinen Umweltschaden im Sinne der Richtlinie 2004/35 dar.

42      Im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es jedoch, dass unter den Begriff „Umweltschaden“ auch Schäden durch über die Luft getragene Elemente fallen, soweit sie eine Schädigung der Gewässer, des Bodens oder geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume verursachen können.

43      Nach Art. 267 AEUV, der auf einer klaren Trennung der Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, ist der Gerichtshof nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts zu äußern. Folglich ist es im Rahmen des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens nicht Sache des Gerichtshofs, sondern des nationalen Gerichts, die vom Gerichtshof ausgelegten Vorschriften des Unionsrechts auf nationale Maßnahmen oder Gegebenheiten anzuwenden (Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage der Tatsachen, die allein dieses Gericht zu beurteilen in der Lage ist, zu prüfen, ob im Ausgangsverfahren die Luftverschmutzung zu den genannten Schäden oder zur unmittelbaren Gefahr solcher Schäden hat führen können, so dass Anlass zum Ergreifen von Vermeidungs- oder Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2004/35 besteht.

45      Sollte das vorlegende Gericht zu dem Schluss kommen, dass dies im Ausgangsverfahren nicht der Fall ist, wird es davon auszugehen haben, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Verschmutzung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/35 fällt und ein solcher Fall – unter Beachtung der Regeln des EU- und des AEU-Vertrags und vorbehaltlich anderer Rechtsakte des abgeleiteten Rechts – nach nationalem Recht zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Sollte das vorlegende Gericht hingegen entscheiden, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Luftverschmutzung auch Schäden oder eine unmittelbare Gefahr solcher Schäden für Gewässer, Böden oder geschützte Arten und natürliche Lebensräume verursacht hat, fiele eine solche Luftverschmutzung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/35.

 Zu den Voraussetzungen für die Umwelthaftung

47      Die Richtlinie 2004/35 hat nach ihrem Art. 1 das Ziel, auf der Grundlage des Verursacherprinzips einen Rahmen für die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden zu schaffen. Im Rahmen des in dieser Richtlinie vorgesehenen Mechanismus der Umwelthaftung, der auf einem hohen Umweltschutzniveau und dem Verursacherprinzip beruht, unterliegen die Betreiber sowohl Vermeidungs- als auch Sanierungspflichten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 75 und 76).

48      Wie aus Art. 4 Abs. 5 und Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/35 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund hervorgeht, verlangt der in dieser Richtlinie vorgesehene Mechanismus der Umwelthaftung, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit eines oder mehrerer identifizierbarer Betreiber und den Umweltschäden oder der unmittelbaren Gefahr solcher Schäden von der zuständigen Behörde hergestellt wird (Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Bei der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie hat der Gerichtshof entschieden, dass die Pflicht für die zuständige Behörde, einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen, im Rahmen des Mechanismus der objektiven Umwelthaftung der Betreiber gilt (Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Wie sich aus Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/35 ergibt, gilt diese Pflicht auch im Rahmen des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Mechanismus der subjektiven Haftung, die aufgrund des vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns des Betreibers für andere als die in Anhang III der Richtlinie aufgeführten beruflichen Tätigkeiten eintritt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Die besondere Bedeutung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit des Betreibers und dem Umweltschaden für die Anwendung des Verursacherprinzips und somit für den mit der Richtlinie 2004/35 eingeführten Haftungsmechanismus geht ebenfalls aus deren Bestimmungen zu den Konsequenzen hervor, die aus einem fehlenden Beitrag des Betreibers zu der Verschmutzung oder der Gefahr einer Verschmutzung zu ziehen sind (Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 57).

52      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/35 in Verbindung mit ihrem 20. Erwägungsgrund der Betreiber nicht verpflichtet ist, die Kosten zu tragen, wenn er nachweisen kann, dass die Umweltschäden durch einen Dritten verursacht wurden und eingetreten sind, obwohl geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, oder auf Verfügungen oder Anweisungen einer Behörde zurückzuführen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2015, Fipa Group u. a., C‑534/13, EU:C:2015:140, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Aus alledem ergibt sich, dass der mit der Richtlinie 2004/35 geschaffene Haftungsmechanismus auf dem Vorsorgegrundsatz und dem Verursacherprinzip beruht. Dafür werden den Betreibern durch die Richtlinie sowohl Vermeidungs- als auch Sanierungspflichten auferlegt (vgl. u. a. Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 75).

54      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass TTK nicht als Betreiberin haftbar gemacht wurde, sondern als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Verschmutzung entstanden ist. Auch scheint die zuständige Behörde – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – gegen TTK eine Geldbuße verhängt und sie nicht zur Ergreifung von Vermeidungs- oder Sanierungsmaßnahmen verpflichtet zu haben.

55      Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich somit, dass die auf TTK angewandten Bestimmungen der ungarischen Regelung nicht zu denen gehören, die den mit der Richtlinie 2004/35 geschaffenen Haftungsmechanismus umsetzen.

56      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/35 die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vorsieht, strengere Vorschriften für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden beizubehalten oder zu erlassen, einschließlich der Festlegung zusätzlicher Tätigkeiten, die den Bestimmungen dieser Richtlinie über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden unterliegen, und der Bestimmung zusätzlicher verantwortlicher Parteien.

57      § 102 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes bestimmt, dass die Haftung gesamtschuldnerisch sowohl den Eigentümer als auch den Betreiber des Grundstücks trifft, „auf dem die Umweltschädigung eingetreten ist bzw. die umweltgefährdende Handlung vorgenommen worden ist“, solange nicht nachgewiesen ist, dass sie keine Verantwortung trifft. Der Eigentümer wird von der gesamtschuldnerischen Haftung nur dann befreit, wenn er den tatsächlichen Nutzer des Grundstücks benennt und zweifelsfrei nachweist, dass die Verantwortung nicht bei ihm selbst liegt, was den in der Richtlinie 2004/35 vorgesehenen Haftungsmechanismus verstärken kann.

58      Da mit einer solchen nationalen Regelung, ohne die grundsätzliche Haftung des Betreibers zu berühren, ein Mangel an Sorgfalt des Eigentümers vermieden und dieser dazu veranlasst werden soll, Maßnahmen zu treffen und Praktiken zu entwickeln, mit denen die Gefahr von Umweltschäden auf ein Minimum beschränkt werden kann, trägt sie zur Vermeidung von Umweltschäden und damit zur Umsetzung der mit der Richtlinie 2004/35 verfolgten Ziele bei.

59      Nach dieser nationalen Regelung sollen nämlich die Eigentümer von Grundstücken im betreffenden Mitgliedstaat, um nicht selbst gesamtschuldnerisch haften zu müssen, das Verhalten der Betreiber ihrer Grundstücke überwachen und sie im Fall eines Umweltschadens oder der Gefahr eines solchen Schadens gegenüber der zuständigen Behörde benennen.

60      Da eine solche Regelung den in der Richtlinie 2004/35 vorgesehenen Mechanismus verstärkt, indem sie eine Kategorie von Personen bestimmt, die zusammen mit den Betreibern gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden können, fällt sie unter Art. 16 der Richtlinie 2004/35, der – in Verbindung mit Art. 193 AEUV – verstärkte Schutzmaßnahmen zulässt, sofern sie mit dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag vereinbar sind und der Europäischen Kommission notifiziert werden.

61      Zur Voraussetzung der Vereinbarkeit mit den Verträgen ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es Sache jedes Mitgliedstaats ist, solche verstärkten Schutzmaßnahmen festzulegen, die zum einen auf die Erreichung des mit der Richtlinie 2004/35 verfolgten Ziels entsprechend der Definition in ihrem Art. 1, also der Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ausgerichtet sein und zum anderen das Unionsrecht, insbesondere seine allgemeinen Rechtsgrundsätze, beachten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 79).

62      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei Nichteinhaltung der in Art. 193 AEUV vorgesehenen Notifizierungspflicht dieses Unterlassen für sich allein nicht die Rechtswidrigkeit der verstärkten Schutzmaßnahmen nach sich zieht (Urteil vom 21. Juli 2011, Azienda Agro-Zootecnica Franchini und Eolica di Altamura, C‑2/10, EU:C:2011:502, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Daher ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2004/35 im Licht der Art. 191 und 193 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie, sofern der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/35 fällt – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die neben den Betreibern von Grundstücken, auf denen eine rechtswidrige Verschmutzung entstanden ist, eine weitere Kategorie von Personen bestimmt, die für einen solchen Umweltschaden gesamtschuldnerisch haftet, nämlich die Eigentümer der Grundstücke, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Eigentümer und dem festgestellten Schaden nachgewiesen werden müsste, sofern diese Regelung den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts sowie jeder einschlägigen Bestimmung des EU-Vertrags, des AEU-Vertrags und der Rechtsakte des abgeleiteten Unionsrechts entspricht.

 Zur zweiten Frage

64      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 der Richtlinie 2004/35 und Art. 193 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, nach der die Eigentümer von Grundstücken, auf denen eine rechtswidrige Verschmutzung entstanden ist, nicht nur zusammen mit den Betreibern dieser Grundstücke gesamtschuldnerisch für einen solchen Umweltschaden haften, sondern die zuständige nationale Verwaltungsbehörde gegen sie auch eine Geldbuße verhängen kann.

65      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es dem Mitgliedstaat, wenn er gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/35 und Art. 193 AEUV unter Beachtung jeder anderen einschlägigen Bestimmung und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts die gesamtschuldnerische Mithaftung der Grundstückseigentümer festlegt, gestattet ist, Sanktionen vorzusehen, die zur Wirksamkeit dieses verstärkten Schutzmechanismus beitragen.

66      Eine Verwaltungsgeldbuße, die gegen den Eigentümer eines Grundstücks wegen einer rechtswidrigen Verschmutzung verhängt wird, die er nicht verhindert hat und deren Urheber er auch nicht benennt, kann daher Teil des von Art. 16 der Richtlinie 2004/35 und Art. 193 AEUV erfassten Haftungsmechanismus sein, sofern die eine solche Geldbuße vorsehende Regelung gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geeignet ist, zur Verwirklichung des Ziels eines verstärkten Schutzes beizutragen, das mit der die gesamtschuldnerische Haftung anordnenden Regelung verfolgt wird, und sofern die Methoden für die Bestimmung der Höhe der Geldbuße nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juni 2016, Nutrivet, C‑69/15, EU:C:2016:425, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung, insbesondere § 34 Abs. 1 der Regierungsverordnung Nr. 306/2010, diese Bedingungen erfüllt.

68      Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/35 und Art. 193 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie, sofern der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, nach der die Eigentümer von Grundstücken, auf denen eine rechtswidrige Verschmutzung entstanden ist, nicht nur zusammen mit den Betreibern dieser Grundstücke gesamtschuldnerisch für einen solchen Umweltschaden haften, sondern die zuständige nationale Verwaltungsbehörde gegen sie auch eine Geldbuße verhängen kann, sofern eine solche Regelung geeignet ist, zur Verwirklichung des Ziels eines verstärkten Schutzes beizutragen, und sofern die Methoden für die Bestimmung der Höhe der Geldbuße nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 Kosten

69      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden sind im Licht der Art. 191 und 193 AEUV dahin auszulegen, dass sie, sofern der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/35 fällt – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die neben den Betreibern von Grundstücken, auf denen eine rechtswidrige Verschmutzung entstanden ist, eine weitere Kategorie von Personen bestimmt, die für einen solchen Umweltschaden gesamtschuldnerisch haftet, nämlich die Eigentümer der Grundstücke, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Eigentümer und dem festgestellten Schaden nachgewiesen werden müsste, sofern diese Regelung den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts sowie jeder einschlägigen Bestimmung des EU-Vertrags, des AEU-Vertrags und der Rechtsakte des abgeleiteten Unionsrechts entspricht.

2.      Art. 16 der Richtlinie 2004/35 und Art. 193 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie, sofern der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/35 fällt, einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, nach der die Eigentümer von Grundstücken, auf denen eine rechtswidrige Verschmutzung entstanden ist, nicht nur zusammen mit den Betreibern dieser Grundstücke gesamtschuldnerisch für einen solchen Umweltschaden haften, sondern die zuständige nationale Verwaltungsbehörde gegen sie auch eine Geldbuße verhängen kann, sofern eine solche Regelung geeignet ist, zur Verwirklichung des Ziels eines verstärkten Schutzes beizutragen, und sofern die Methoden für die Bestimmung der Höhe der Geldbuße nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Ungarisch