Language of document : ECLI:EU:C:2018:806

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

4. Oktober 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehene Frist für die Vollziehung eines Arrestbefehls – Anwendbarkeit dieser Frist auf einen in einem anderen Mitgliedstaat erlangten und im Vollstreckungsmitgliedstaat für vollstreckbar erklärten Arresttitel“

In der Rechtssache C‑379/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2017, in dem Verfahren auf Betreiben der

Società Immobiliare Al Bosco Srl

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,


aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Techert und M. Hellmann als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Juni 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 38 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines von der Società Immobiliare Al Bosco Srl (im Folgenden: Al Bosco) betriebenen Verfahrens, mit dem diese die Vollstreckung einer Verfügung über eine Sicherstellungsbeschlagnahme, die vom Tribunale di Gorizia (Gericht Gorizia, Italien) gegen Herrn Gunter Hober erlassen und vom Landgericht München (Deutschland) für in Deutschland vollstreckbar erklärt wurde, in Deutschland durch Eintragung einer Sicherungshypothek an Grundbesitz begehrt.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 2, 6, 10, 16 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„(2)      Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(6)      Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.

(10)      Um den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten, sollten die in einem durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden …

(16)      Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.

(17)      Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.“

4        Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.“

5        Art. 41 der Verordnung sieht vor:

„Sobald die in Artikel 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, wird die Entscheidung unverzüglich für vollstreckbar erklärt, ohne dass eine Prüfung nach den Artikeln 34 und 35 erfolgt. Der Schuldner erhält in diesem Abschnitt des Verfahrens keine Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben.“

6        Art. 66 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1), die die Verordnung Nr. 44/2001 aufgehoben hat, bestimmt:

„… [D]ie Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [gilt] weiterhin für Entscheidungen, die in vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, für vor diesem Zeitpunkt förmlich errichtete oder eingetragene öffentliche Urkunden sowie für vor diesem Zeitpunkt gebilligte oder geschlossene gerichtliche Vergleiche, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen.“

 Deutsches Recht

7        § 929 („Vollstreckungsklausel; Vollziehungsfrist“) der Zivilprozessordnung (ZPO) gehört zu Abschnitt 5 („Arrest und einstweilige Verfügung“) des Buchs 8 („Zwangsvollstreckung“) der ZPO und bestimmt in seinen Abs. 2 und 3:

„(2)      Die Vollziehung des Arrestbefehls ist unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist.

(3)      Die Vollziehung ist vor der Zustellung des Arrestbefehls an den Schuldner zulässig. Sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und vor Ablauf der für diese im vorhergehenden Absatz bestimmten Frist erfolgt.“

8        In § 932 („Arresthypothek“) ZPO heißt es:

„(1)      Die Vollziehung des Arrestes in ein Grundstück … erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung …

(3)      Der Antrag auf Eintragung der Hypothek gilt im Sinne des § 929 Abs. 2, 3 als Vollziehung des Arrestbefehls.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

9        Al Bosco, eine Immobiliengesellschaft italienischen Rechts, erwirkte am 19. November 2013 eine Verfügung des Tribunale di Gorizia (Gericht Gorizia), mit der sie ermächtigt wurde, gegen Herrn Hober eine Sicherstellungsbeschlagnahme in Höhe eines Betrags von 1 000 000 Euro auf bewegliche und unbewegliche, materielle und immaterielle Werte vorzunehmen.

10      Am 22. August 2014 erklärte das Landgericht München diese Verfügung über eine Sicherstellungsbeschlagnahme nach der Verordnung Nr. 44/2001 für in Deutschland vollstreckbar.

11      Am 23. April 2015 beantragte Al Bosco die Eintragung einer Hypothek an dem in Deutschland belegenen Grundbesitz – einer Eigentumswohnung und zwei Tiefgaragenstellplätzen – des Schuldners. Ihr Antrag wurde vom Amtsgericht München – Grundbuchamt (Deutschland) zurückgewiesen.

12      Gegen diese Entscheidung legte Al Bosco beim Oberlandesgericht München (Deutschland) Beschwerde ein. Dieses wies die Beschwerde wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zurück. Es war der Ansicht, dass diese Frist auch für die Vollstreckung des von einem italienischen Gericht erteilten Titels zur Sicherstellungsbeschlagnahme gelte, der nach seiner Anerkennung in Deutschland einem von einem deutschen Gericht erteilten Arresttitel vergleichbar sei. Darüber hinaus war es der Auffassung, dass die fragliche Bestimmung nicht die Wirksamkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat erlangten Arresttitels betreffe, sondern dessen Vollstreckung, die sich nach der lex fori richte.

13      Am 15. Juni 2016 legte Al Bosco Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts München ein. Sie brachte vor, die Frist für die Vollstreckung der Beschlagnahme gemäß Art. 675 des italienischen Zivilprozessgesetzbuchs, nach dem die zur Beschlagnahme ermächtigende Verfügung unwirksam werde, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach ihrem Erlass vollstreckt werde, sei eingehalten worden, da innerhalb der Frist von 30 Tagen nach der Verfügung vom 19. November 2013 Pfändungen erfolgt seien. Die Frist nach deutschem Recht könne nicht zusätzlich zu der Frist nach italienischem Recht eingehalten werden müssen.

14      Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob eine nationale Bestimmung wie § 929 Abs. 2 ZPO der Vollstreckbarkeit des Arrestbefehls zuzuordnen sei, die sich gemäß Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 nach dem Recht des Mitgliedstaats richte, in dem der Titel erteilt worden sei, oder ob eine solche Bestimmung die eigentliche Vollstreckung eines in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Vollstreckungstitels betreffe, wobei entsprechende Regeln grundsätzlich dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats unterstünden.

15      Es stellt fest, dass Grundlage der Zwangsvollstreckung eines in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Arresttitels in Deutschland die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung sei. Werde die Eintragung einer Sicherungshypothek beantragt, würden die nach deutschem Recht vorgesehenen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vom Grundbuchamt selbständig geprüft. Das Beschwerdegericht habe zu Recht und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet die italienische Sicherstellungsbeschlagnahme funktionell wie einen Arresttitel nach deutschem Recht eingeordnet, der gemäß § 932 ZPO durch den Antrag auf Eintragung der Hypothek vollzogen werde. Somit gälten hier die in den deutschen Vorschriften über die Vollziehung des Arresttitels, u. a. in § 929 Abs. 2 ZPO, vorgesehenen Vollstreckungsvoraussetzungen.

16      Nach Ablauf der in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist dürfe ein Arrestbefehl nicht mehr vollzogen werden. Bei einer Anwendung im Fall von in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen würde insoweit die Frist ab dem Datum der Zustellung der Vollstreckbarerklärung an den Gläubiger berechnet. § 929 Abs. 2 ZPO diene dem Schuldnerschutz und solle verhindern, dass Entscheidungen, die aufgrund eines summarischen Eilverfahrens erlassen würden, über längere Zeit und trotz möglicherweise veränderter Verhältnisse vollziehbar blieben.

17      Aus rechtstechnischer Sicht könnte nach Ansicht des vorlegenden Gerichts einerseits die Vollziehungsfrist dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats zuzuordnen sein, ohne, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 3. Oktober 1985, Capelloni und Aquilini, 119/84, EU:C:1985:388, Rn. 16, vom 29. April 1999, Coursier, C‑267/97, EU:C:1999:213, Rn. 28, und vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 69) ergebe, von der Verordnung Nr. 44/2001 erfasst zu werden. Andererseits führe diese Frist dazu, dass die Vollstreckbarkeit des Titels durch Zeitablauf ende. Die Frist wirke sich im Ergebnis nicht anders aus als eine Aufhebung des Titels im Rechtsbehelfsverfahren. Deshalb könnte ihre Anwendung im Fall eines in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Arrestbefehls mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs unvereinbar sein, wonach die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001 nicht dadurch beeinträchtigen dürfe, dass die von ihr aufgestellten Grundsätze vereitelt würden (Urteile vom 3. Oktober 1985, Capelloni und Aquilini, 119/84, EU:C:1985:388, Rn. 21, und vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 69).

18      In der deutschen Rechtsprechung und Rechtsliteratur werde die Reichweite von § 929 Abs. 2 ZPO unterschiedlich beurteilt. Manche deutschen Gerichte hätten darauf erkannt, dass diese Bestimmung die Vollstreckbarkeit des Arrestbefehls betreffe und nur auf deutsche Arresttitel angewandt werden dürfe, während sie nach anderer Ansicht auch für in anderen Mitgliedstaaten erteilte und in Deutschland für vollstreckbar erklärte Arresttitel gelte. Das Beschwerdegericht sei der Auffassung gewesen, dass die Einhaltung der Vollziehungsfrist nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats im Rahmen des Anerkennungsverfahrens und die Einhaltung der Vollziehungsfrist nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats bei der eigentlichen Vollstreckung zu prüfen seien.

19      Unter dem Aspekt der Rechtsvergleichung weist das vorlegende Gericht außerdem darauf hin, dass nach Ansicht des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) die in Art. 518 der Ley de Enjuiciamiento Civil (Zivilprozessordnung) geregelte, u. a. für Urteile geltende, fünfjährige Vollziehungsfrist auch auf in den anderen Mitgliedstaaten ergangene Urteile anzuwenden sei, die in Spanien nach den Art. 38 ff. der Verordnung Nr. 44/2001 für vollstreckbar erklärt werden sollten.

20      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 vereinbar, eine im Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehene Frist, aufgrund deren aus einem Titel nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen und in dem Vollstreckungsstaat anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist?

 Zur Vorlagefrage

21      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt, entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.

22      Eingangs ist daran zu erinnern, dass nach Art. 66 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 die Verordnung Nr. 44/2001 weiterhin für Entscheidungen gilt, die in vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, sofern sie in den Anwendungsbereich der letztgenannten Verordnung fallen. Dies ist hier bei dem Beschluss vom 22. August 2014, mit dem der in Italien erteilte Titel zur Sicherstellungsbeschlagnahme für in Deutschland vollstreckbar erklärt wurde, der Fall.

23      Nach Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.

24      Für die Zwecke der Erteilung einer Vollstreckbarerklärung einer in einem anderen als dem Vollstreckungsmitgliedstaat ergangenen Entscheidung haben sich die Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaats gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 44/2001 auf eine einfache formale Prüfung der Schriftstücke zu beschränken, die nach Art. 53 dieser Verordnung erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments, C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 28 bis 30).


25      Die Begrenztheit dieser Kontrolle ist durch den Zweck des Verfahrens der Vollstreckbarerklärung gerechtfertigt, mit dem nicht ein neues Verfahren in Gang gesetzt, sondern vielmehr auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrauens in die Justiz der Mitgliedstaaten die Zustimmung erteilt werden soll, dass die von einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsmitgliedstaat erlassene Entscheidung in diesem Letzteren durch ihre Integration in dessen Rechtsordnung vollstreckt wird. Durch dieses Verfahren kann somit eine in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsmitgliedstaat erlassene Entscheidung in Letzterem die Wirkungen eines vollstreckbaren nationalen Rechtstitels entfalten (Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments, C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 31).

26      Es ist auch daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 44/2001 nur das Verfahren der Vollstreckbarerklärung von vollstreckbaren Titeln, die von einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen worden sind, regelt und die eigentliche Vollstreckung unberührt lässt, die nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats unterliegt, wobei die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats im Rahmen der Vollstreckung die praktische Wirksamkeit der Regelung dieser Verordnung über die Vollstreckbarerklärung nicht dadurch beeinträchtigen darf, dass die Grundsätze vereitelt werden, die die Verordnung selbst in diesem Bereich ausdrücklich oder implizit aufstellt (Urteil vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 69).

27      Daher ist als Erstes festzustellen, ob die in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Frist mit der Vollstreckbarkeit des Arrestbefehls, der von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen worden ist, zusammenhängt oder ob die genannte Bestimmung in den Bereich der eigentlichen Vollstreckung fällt.

28      Dazu ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren der Vollstreckbarerklärung die Anerkennung der Wirkungen einer Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats im Vollstreckungsmitgliedstaat zum Gegenstand hat. Diese Anerkennung betrifft die charakteristischen Merkmale der betreffenden Entscheidung, ohne die tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Erfüllung der sich aus der Entscheidung ergebenden Verpflichtungen zu berücksichtigen (Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments, C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 39).

29      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die vom Tribunale di Gorizia (Gericht Gorizia) erlassene Verfügung über eine Sicherstellungsbeschlagnahme gemäß den Regeln über die Vollstreckbarerklärung für in Deutschland vollstreckbar erklärt wurde.


30      Nach den Bestimmungen des deutschen Rechts, namentlich § 932 Abs. 1 ZPO, erfolgt die Vollziehung eines Arrestes in ein Grundstück durch die Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung im Grundbuch. Außerdem ist die Vollziehung eines Arrestbefehls nach Ablauf der in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist unstatthaft. Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, beschränkt diese Vollziehungsfrist die zwangsweise Durchsetzung eines Arrestbefehls, nicht aber dessen Wirksamkeit.

31      Sowohl die Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung beim Grundbuchamt als auch die Frist für die Vornahme dieser Eintragung fallen aber in den Bereich der Vollstreckung eines Arrestbefehls wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen wurde und dem infolge seiner Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist. Sie sind somit den Verfahrensregeln zuzuordnen, die im deutschen Recht für die Vollziehung von Arrestbefehlen aufgestellt wurden.

32      Der Umstand, dass die Anwendung einer Vollziehungsfrist wie derjenigen, die in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehen ist, eine zeitliche Begrenzung der vollstreckbaren Wirkungen einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassenen Entscheidung mit sich bringt, vermag die Auslegung, wonach diese Frist in das Stadium der eigentlichen Vollstreckung fällt, nicht in Frage zu stellen.

33      Da die eigentliche Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassenen Entscheidung, der in Letzterem Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist, vom Unionsgesetzgeber nicht harmonisiert wurde, kommen nämlich die Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats über die Vollstreckung zur Anwendung.

34      Insbesondere steht es dem Vollstreckungsmitgliedstaat in Ermangelung von Vorschriften in der Verordnung Nr. 44/2001 über die Vollstreckung von Entscheidungen, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen wurden, frei, in seiner Rechtsordnung die Geltung einer Frist für die Durchführung der Vollstreckung solcher, in ihm anerkannter und für vollstreckbar erklärter, Entscheidungen vorzusehen.

35      Insoweit gelten nach ständiger Rechtsprechung, sobald eine solche Entscheidung in die Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaats integriert wurde, die innerstaatlichen Vorschriften dieses Mitgliedstaats über die Vollstreckung in gleicher Weise wie für Entscheidungen, die von nationalen Gerichten erlassen wurden (Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments, C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Dabei sind allein die Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats anwendbar. Die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats müssen nämlich nicht etwaige Bestimmungen des nationalen Rechts des Ursprungsmitgliedstaats anwenden, die für die Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats andere Fristen vorsehen als das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.

37      Diese Auslegung findet Bestätigung im 26. Erwägungsgrund in Verbindung mit Art. 39 der Verordnung Nr. 1215/2012, in den die oben, in Rn. 35 angeführte Rechtsprechung eingeflossen ist und nach dem eine von den Gerichten eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung so behandelt werden sollte, als sei sie im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen.

38      Unter einem breiteren systematischen Blickwinkel bestätigt auch Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2014, L 189, S. 59) diese Auslegung, nach dem die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gemäß den Verfahren erfolgt, die im Vollstreckungsmitgliedstaat für die Vollstreckung gleichwertiger nationaler Beschlüsse gelten.

39      Auch der Umstand, dass die Nichteinhaltung der in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist durch den Antragsteller bewirkt, dass die Vollstreckung eines Arrestbefehls, der von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen wurde, durch die Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung im Grundbuch des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht mehr möglich ist, während die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat nach wie vor gegeben ist, vermag diese Auslegung nicht in Frage zu stellen.

40      Auch wenn nämlich den Entscheidungen durch die Anerkennung grundsätzlich die Wirkungen beigelegt werden sollen, die ihnen in dem Mitgliedstaat zukommen, in dem sie ergangen sind, gibt es jedoch keinen Grund, einer Entscheidung bei ihrer Vollstreckung Wirkungen zuzuerkennen, die eine unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangene Entscheidung derselben Art nicht erzeugen würde(vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments, C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Die Anwendung einer Frist wie der in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehenen genügt den Vorgaben der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung.

42      Zum einen nämlich können einem Arrestbefehl, der von einem Gericht wie dem italienischen, um das es im Ausgangsverfahren geht, erlassen worden ist, sobald er in Deutschland für vollstreckbar erklärt worden ist, dort die Wirkungen zukommen, die er im Ursprungsmitgliedstaat hatte. Zum anderen hätte die Nichtanwendung der in § 929 Abs. 2 ZPO für Entscheidungen derselben Art im Vollstreckungsmitgliedstaat vorgesehenen Vollziehungsfrist zur Folge, dass Arrestbefehle von Gerichten eines anderen Mitgliedstaats als der Bundesrepublik Deutschland, nachdem sie als vollstreckbar anerkannt worden sind, andere Wirkungen hätten, als sie das nationale Recht Arrestbefehlen innerstaatlicher Gerichte zuerkennt, und insbesondere ohne zeitliche Begrenzung oder während eines unverhältnismäßig längeren Zeitraums, als er für die nationalen Entscheidungen gilt, vollstreckt werden könnten.

43      Außerdem würde eine Auslegung, nach der eine Frist für die Vollziehung von Arrestbefehlen der Vollstreckbarkeit der Entscheidungen, die sich nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats richtet, zugeordnet würde, so dass für die Vollstreckung von Arrestbefehlen, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen wurden und denen in Letzterem Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist, die etwa vom Ursprungsmitgliedstaat vorgesehene Vollziehungsfrist gelten müsste, eine unverhältnismäßige Belastung für die Vollstreckungsbehörden mit sich bringen. Entsprechend dem Hinweis des vorlegenden Gerichts in seinem Vorabentscheidungsersuchen kann vorliegend das deutsche Grundbuchamt weder ermitteln, ob das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Arrestbefehl ergangen ist, eine Vollziehungsfrist vorsieht, noch, welche Modalitäten für diese Vollziehung gelten, und es kann auch nicht befugt sein, eine Rechtsvorschrift dieses Mitgliedstaats anzuwenden.

44      Als Zweites ist, wie sich aus Rn. 26 des vorliegenden Urteils ergibt, zu prüfen, ob die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats im Rahmen der Vollstreckung die praktische Wirksamkeit der Regelung der Verordnung Nr. 44/2001 beeinträchtigen kann.

45      Hinsichtlich der Ziele dieser Verordnung geht aus ihren Erwägungsgründen 2, 6, 16 und 17 hervor, dass sie die Gewährleistung des freien Verkehrs der Entscheidungen aus den Mitgliedstaaten in Zivil- und Handelssachen bezweckt, indem die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen vereinfacht werden (Urteil vom 7. Juli 2016, Lebek, C‑70/15, EU:C:2016:524, Rn. 33).

46      Dieses Ziel darf aber nicht auf Kosten eines anderen wichtigen Grundsatzes erreicht werden, nämlich desjenigen der Rechtssicherheit von Grundbucheinträgen, und zwar sowohl zum Schutz der dort eingetragenen Rechteinhaber als auch zum Schutz Dritter.

47      Eine zeitliche Begrenzung der Vollstreckung wie hier ist auch in Anbetracht der Natur des Arrestverfahrens gerechtfertigt, das durch seinen vorläufigen Charakter gekennzeichnet ist, indem es im Allgemeinen voraussetzt, dass Dringlichkeit besteht, um die Zahlung einer Forderung zu sichern, deren Einziehung gefährdet erscheint. Diese Konzeption teilen die meisten Mitgliedstaaten, um die Rechtssicherheit bei der Einziehung von Forderungen zu gewährleisten.

48      Wie das vorlegende Gericht ausführt, soll die zeitliche Begrenzung der Vollstreckung verhindern, dass Entscheidungen, die aufgrund eines summarischen Verfahrens erlassen werden, über längere Zeit und trotz möglicherweise veränderter Verhältnisse vollziehbar bleiben.

49      Außerdem beeinträchtigt eine Frist für die Vollziehung von Arrestbefehlen wie diejenige des § 929 Abs. 2 ZPO nicht die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001, da die in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland erlassenen Entscheidungen dort grundsätzlich von Rechts wegen anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, so dass das Ziel dieser Verordnung, den freien Verkehr der gerichtlichen Entscheidungen zu gewährleisten, gewahrt ist. Diese Frist, die als Verfahrensregel für die Vollziehung von Arrestbefehlen nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats zur Anwendung kommt, bildet eine Voraussetzung für die Vollstreckung eines Titels, dem Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.

50      Die Einmonatsfrist, die damit für die Vollziehung von Arrestbefehlen, einschließlich solcher, die von Gerichten anderer Mitgliedstaaten als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen worden sind, vorgegeben ist und ab dem Datum der Zustellung der Vollstreckbarerklärung an den Gläubiger berechnet wird, ist aber nicht mit einem echtem Risiko behaftet, dass der Gläubiger im Vollstreckungsmitgliedstaat einen Arrestbefehl, der in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist und dem Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist, etwa nicht vollstrecken kann.

51      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt, nicht entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.

 Kosten

52      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 38 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt, nicht entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.

Ilešič

Rosas

Toader

Prechal

 

Jarašiūnas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Zweiten Kammer

A. Calot Escobar

 

M. Ilešič


*      Verfahrenssprache: Deutsch.