Language of document : ECLI:EU:C:2019:368

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

7. Mai 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 98/5/EG – Zulassung zum Rechtsanwaltsberuf – Mönch, der seine Berufsqualifikation als Rechtsanwalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Aufnahmestaat erworben hat – Art. 3 Abs. 2 – Voraussetzung für die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats – Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats – Verweigerung der Eintragung – Berufs- und Standesregeln – Unvereinbarkeit der Eigenschaft als Mönch mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs“

In der Rechtssache C‑431/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) mit Entscheidung vom 29. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juli 2017, in dem Verfahren

Monachos Eirinaios, kata kosmon Antonios Giakoumakis tou Emmanouil,

gegen

Dikigorikos Syllogos Athinon

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin C. Toader, des Kammerpräsidenten F. Biltgen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe und des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter J. Malenovský, E. Levits, L. Bay Larsen (Berichterstatter), M. Safjan, C. Vajda und S. Rodin,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Monachos Eirinaios, kata kosmon Antonios Giakoumakis tou Emmanouil, vertreten durch A. Charokopou, dikigoros,

–        des Dikigorikos Syllogos Athinon, vertreten durch D. Vervesos und P. Nikolopoulos, dikigoroi,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und M. L. Noort als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Dezember 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. 1998, L 77, S. 36).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Monachos Eirinaios, kata kosmon Antonios Giakoumakis tou Emmanouil (Bruder Ireneos, geborener Antonios Giakoumakis, Sohn von Emmanouil, im Folgenden: Bruder Ireneos), und dem Dikigorikos Syllogos Athinon (Rechtsanwaltskammer Athen, Griechenland, im Folgenden: DSA) wegen der Weigerung dieser Stelle, seinem Antrag auf Eintragung in das besondere Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer Athen als Anwalt, der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig ist, stattzugeben.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 2, 6 und 8 der Richtlinie 98/5 heißt es:

„(2)      … Zweck der … Richtlinie [89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, (ABl. 1989, L 19, S. 16)] ist die Integration des Rechtsanwalts in den Berufsstand des Aufnahmestaats. Sie zielt weder darauf ab, dass die dort geltenden Berufs- und Standesregeln geändert werden, noch dass der betreffende Anwalt ihrer Anwendung entzogen wird.

(6)      Ein Tätigwerden auf Gemeinschaftsebene ist auch deswegen gerechtfertigt, weil bisher erst einige Mitgliedstaaten gestatten, dass Rechtsanwälte aus anderen Mitgliedstaaten unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung eine Anwaltstätigkeit in anderer Form denn als Dienstleistung in ihrem Gebiet ausüben. In den Mitgliedstaaten, in denen diese Möglichkeit gegeben ist, gelten sehr unterschiedliche Modalitäten, beispielsweise was das Tätigkeitsfeld und die Pflicht zur Eintragung bei den zuständigen Stellen betrifft. Solche unterschiedlichen Situationen führen zu Ungleichheiten und Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zwischen den Rechtsanwälten der Mitgliedstaaten und bilden ein Hindernis für die Freizügigkeit. Nur durch eine Richtlinie zur Regelung der Bedingungen, unter denen Rechtsanwälte, die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sind, ihren Beruf in anderer Form denn als Dienstleistung ausüben dürfen, können diese Probleme gelöst und in allen Mitgliedstaaten den Rechtsanwälten und Rechtsuchenden die gleichen Möglichkeiten geboten werden.

(8)      Für die unter diese Richtlinie fallenden Rechtsanwälte ist eine Pflicht zur Eintragung bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats vorzusehen, damit sich diese Stelle vergewissern kann, dass die Rechtsanwälte die Berufs- und Standesregeln des Aufnahmestaats beachten. …“

4        Art. 1 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie soll die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs als Selbständiger oder abhängig Beschäftigter in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Berufsqualifikation erworben wurde, erleichtern.

(2)      Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet

b)      ‚Herkunftsstaat‘ den Mitgliedstaat, in dem der Rechtsanwalt vor Ausübung der Anwaltstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat das Recht erworben hat, eine der unter Buchstabe a) genannten Berufsbezeichnungen zu führen;

c)      ‚Aufnahmestaat‘ den Mitgliedstaat, in dem der Rechtsanwalt seinen Beruf gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie ausübt;

d)      ‚ursprüngliche Berufsbezeichnung‘ die Berufsbezeichnung des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsanwalt vor Ausübung der Anwaltstätigkeit im Aufnahmestaat das Recht erworben hat, diese Bezeichnung zu führen;

…“

5        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Jeder Rechtsanwalt hat das Recht, die in Artikel 5 genannten Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.“

6        Art. 3 („Eintragung bei der zuständigen Stelle“) der Richtlinie 98/5 sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:

„(1)      Jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, hat sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen.

(2)      Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats nimmt die Eintragung des Rechtsanwalts anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vor. …“

7        Art. 6 („Berufs- und Standesregeln“) Abs. 1 der Richtlinie 98/5 bestimmt:

„Der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt unterliegt neben den im Herkunftsstaat geltenden Berufs- und Standesregeln hinsichtlich aller Tätigkeiten, die er im Aufnahmestaat ausübt, den gleichen Berufs- und Standesregeln wie die Rechtsanwälte, die unter der jeweiligen Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats praktizieren.“

 Griechisches Recht

8        Die Hellenische Republik setzte die Richtlinie 98/5 durch das Proedriko Diatagma 152/2000, Diefkolynsi tis monimis askisis tou dikigorikou epangelmatos stin Ellada apo dikigorous pou apektisan ton epangelmatiko tous titlo se allo kratos-melos tis EE (Präsidialdekret 152/2000 „Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtanwaltsberufs in Griechenland durch Rechtsanwälte, die ihre Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworben haben“), vom 23. Mai 2000 (FEK Α’ 130) in nationales Recht um.

9        In Art. 5 Abs. 1 und 2 dieses Präsidialdekrets heißt es:

„(1)      Für die Ausübung des Berufs in Griechenland muss der Rechtsanwalt in das Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer in dem Bezirk eingetragen sein, in dem er seine Tätigkeiten auszuüben beabsichtigt, und eine Kanzlei in diesem Bezirk unterhalten.

(2)      Über diese Eintragung entscheidet der Verwaltungsrat der vorgenannten Rechtsanwaltskammer, nachdem der Betroffene die folgenden Nachweise vorgelegt hat:

c)      einen von der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats, die die Berufsbezeichnung erteilt hat, oder jeder anderen zuständigen Stelle des Herkunftsstaats ausgestellten Nachweis über die Eintragung …“

10      Art. 6 („Voraussetzungen für die Rechtsanwaltschaft – Hindernisse“) Abs. 6 des Kodikas Dikogoron (Rechtsanwaltskodex, Gesetz 4194/2013, FEK Α’ 208) sieht vor:

„Der Rechtsanwalt … darf nicht … den Mönchsstand innehaben.“

11      Aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und c des Rechtsanwaltskodex geht hervor, dass eine Person, die Geistlicher oder Mönch ist oder die auf einen vergüteten Posten ernannt wird oder diesen Posten kraft eines Vertrags innehat, der ein Arbeitsverhältnis oder ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bzw. des Privatrechts begründet, ipso iure die Stellung des Rechtsanwalts verliert und aus dem Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer gestrichen wird.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

12      Bruder Ireneos, der Kläger des Ausgangsverfahrens, ist ein Mönch im Kloster Petra in Karditsa (Griechenland).

13      Mit Antrag vom 12. Juni 2015 beantragte er beim DSA die Eintragung in das besondere Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer Athen (Griechenland) als Rechtsanwalt, der seine Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich in Zypern, erworben hatte.

14      Am 18. Juni 2015 lehnte der DSA seinen Antrag auf der Grundlage der nationalen Vorschriften über die Unvereinbarkeit der Eigenschaft als Mönch mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs ab, da diese Vorschriften auch auf Rechtsanwälte Anwendung fänden, die in Griechenland unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sein wollten.

15      Am 29. September 2015 focht Bruder Ireneos diese Entscheidung beim Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) an.

16      Zur Begründung seiner Klage macht er u. a. geltend, dass das nationale Recht mit den Vorschriften der Richtlinie 98/5 nicht vereinbar sei, da es eine in dieser Richtlinie nicht vorgesehene Voraussetzung vorschreibe. Die Richtlinie nehme aber eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften über die Eintragungsvoraussetzungen für Rechtsanwälte, die ihre Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben hätten, bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats vor.

17      Der DSA trägt im Wesentlichen vor, die nationalen Vorschriften, wonach Mönche keine Rechtsanwälte sein könnten, seien durch Regeln und Grundprinzipien betreffend die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im Aufnahmestaat gerechtfertigt.

18      Der DSA ist der Ansicht, die Eigenschaft als Mönch erlaube es diesem nicht, diesen Regeln und Grundprinzipien entsprechend Garantien zu bieten, wie u. a. die Unabhängigkeit von den kirchlichen Stellen, denen er angehöre, die Möglichkeit, sich vollständig der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs zu widmen, die Fähigkeit, Angelegenheiten in einem konfrontativen Umfeld zu erledigen, die Begründung einer tatsächlichen Niederlassung im geografischen Bezirk des maßgeblichen erstinstanzlichen Gerichts und die Beachtung des Verbots, Dienstleistungen unentgeltlich zu erbringen.

19      Der Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat) hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 98/5. Im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus den nationalen Berufs- und Standesregeln ergeben, denen die Rechtsanwälte im Aufnahmestaat unterliegen und die es Mönchen nicht erlauben, den Rechtsanwaltsberuf auszuüben, fragt sich das vorlegende Gericht, ob die zuständige nationale Stelle dieses Mitgliedstaats gleichwohl verpflichtet sei, einen Mönch einzutragen, damit dieser den Rechtsanwaltsberuf unter der Berufsbezeichnung ausüben könne, die er im Herkunftsstaat erlangt habe.

20      Diese Frage stelle sich insbesondere deshalb, weil die zuständige Stelle des Aufnahmestaats aufgrund der nationalen Vorschrift, der zufolge die Eigenschaft als Mönch es nicht erlaube, den Anforderungen und Garantien zu genügen, die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Griechenland erforderlich seien, automatisch einen Verstoß des Betroffenen gegen diese Berufs- und Standesregeln feststellen müsse.

21      Unter diesen Umständen hat der Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 3 der Richtlinie 98/5 dahin auszulegen, dass die Eintragung eines Mönchs der Kirche von Griechenland als Rechtsanwalt in die Verzeichnisse der zuständigen Stelle eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, um dort seinen Beruf unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben, durch den nationalen Gesetzgeber mit der Begründung verboten werden kann, dass die Mönche der Kirche von Griechenland nach nationalem Recht nicht in die Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern eingetragen werden können, weil sie aufgrund ihrer Stellung bestimmte für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderliche Garantien nicht bieten?

 Zur Vorlagefrage

22      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach es einem Rechtsanwalt, der Mönch ist und als Rechtsanwalt bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats eingetragen ist, aufgrund der nach dieser Regelung vorgesehenen Unvereinbarkeit zwischen der Eigenschaft als Mönch und der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs verboten ist, sich bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats eintragen zu lassen, um dort seinen Beruf unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.

23      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 98/5 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Berufsqualifikation erworben wurde, erleichtern soll.

24      Hierzu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die genannte Richtlinie einen Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung der Berufsbezeichnungen der zuwandernden Rechtsanwälte schafft, die unter der im Herkunftsstaat erworbenen Berufsbezeichnung arbeiten wollen (Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/5 ergibt, wollte der Unionsgesetzgeber mit dieser Richtlinie zudem insbesondere der Unterschiedlichkeit der nationalen Vorschriften über die Voraussetzungen der Eintragung bei den zuständigen Stellen ein Ende setzen, die den Ungleichheiten und Hindernissen für die Freizügigkeit zugrunde lagen (Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Art. 3 der Richtlinie 98/5 nimmt eine vollständige Harmonisierung der Voraussetzungen für die Ausübung des mit dieser Richtlinie verliehenen Niederlassungsrechts vor, indem er bestimmt, dass jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen hat, die die Eintragung des Rechtsanwalts „anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats“ vorzunehmen hat (Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich die Vorlage einer Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats gegenüber der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats als die einzige Voraussetzung für die Eintragung des Betreffenden im Aufnahmestaat erweist, die es ihm ermöglicht, in diesem Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig zu sein (Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Daher ist davon auszugehen, dass Rechtsanwälte, die wie der Kläger des Ausgangsverfahrens das Recht erworben haben, diese Berufsbezeichnung in einem Mitgliedstaat zu führen, und der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats die Bescheinigung über ihre Eintragung bei der zuständigen Stelle des ersten Mitgliedstaats vorlegen, alle notwendigen Voraussetzungen für eine Eintragung bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats unter ihrer im Herkunftsstaat erworbenen Berufsbezeichnung erfüllen.

29      Diese Schlussfolgerung wird durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 98/5, wonach der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung im Aufnahmestaat tätige Rechtsanwalt neben den im Herkunftsstaat geltenden Berufs- und Standesregeln hinsichtlich aller Tätigkeiten, die er im Aufnahmestaat ausübt, den gleichen Berufs- und Standesregeln unterliegt wie die Rechtsanwälte, die unter der jeweiligen Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats praktizieren, nicht in Frage gestellt.

30      Es ist nämlich zum einen zwischen der Eintragung eines Anwalts, der im Aufnahmestaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig werden will, bei der zuständigen Stelle dieses Staates, die gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie nur der in den Rn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils dargestellten Voraussetzung unterliegt, und zum anderen zwischen der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs selbst in diesem Mitgliedstaat zu unterscheiden, bei der dieser Rechtsanwalt nach Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie den in diesem Mitgliedstaat geltenden Berufs- und Standesregeln unterliegt.

31      Diese Regeln sind, anders als diejenigen über die Eintragungsvoraussetzungen, nicht Gegenstand einer Harmonisierung und können daher erheblich von den im Herkunftsstaat geltenden abweichen. Im Übrigen kann die Nichteinhaltung dieser Regeln, wie Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie bestätigt, zur Anwendung der im Recht des Aufnahmestaats vorgesehenen Sanktionen führen. Zu diesen Sanktionen kann gegebenenfalls die Streichung im betreffenden Verzeichnis dieses Mitgliedstaats gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2010, Jakubowska, C‑225/09, EU:C:2010:729, Rn. 57).

32      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, dass der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats zufolge die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs durch einen Mönch Garantien wie den in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten, die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats für die Ausübung dieses Berufs erforderlich sind, nicht genügt.

33      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es dem nationalen Gesetzgeber freisteht, solche Garantien vorzusehen, soweit die zu diesem Zweck festgelegten Regeln nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgehen. Konkret ist das Nichtvorhandensein von Interessenskonflikten für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unerlässlich und setzt insbesondere voraus, dass Rechtsanwälte sich in einer Position der Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Stellen befinden, von denen sie sich nicht beeinflussen lassen dürfen.

34      Diese dem nationalen Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit erlaubt es ihm jedoch nicht, zu den für die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats erforderlichen Voraussetzungen, die, wie in Rn. 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, Gegenstand einer vollständigen Harmonisierung waren, zusätzliche Voraussetzungen in Bezug auf die Einhaltung von berufs- und standesrechtlichen Anforderungen hinzuzufügen. Einem Anwalt, der im Aufnahmestaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig werden will, die Eintragung bei den zuständigen Stellen dieses Staates nur aus dem Grund zu versagen, dass er ein Mönch ist, liefe indes darauf hinaus, den in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5 aufgeführten Voraussetzungen eine Eintragungsvoraussetzung hinzuzufügen, obwohl dies nach dieser Bestimmung nicht zulässig ist.

35      Wie in Rn. 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, müssen außerdem die im Aufnahmestaat geltenden Berufs- und Standesregeln, um unionsrechtskonform zu sein, u. a. den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten, was bedeutet, dass sie nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen dürfen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die erforderlichen Überprüfungen in Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Unvereinbarkeitsregel vorzunehmen.

36      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach es einem Rechtsanwalt, der Mönch ist und als Rechtsanwalt bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats eingetragen ist, aufgrund der nach dieser Regelung vorgesehenen Unvereinbarkeit zwischen der Eigenschaft als Mönch und der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs verboten ist, sich bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats eintragen zu lassen, um dort seinen Beruf unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.

 Kosten

37      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach es einem Rechtsanwalt, der Mönch ist und bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats als Rechtsanwalt eingetragen ist, aufgrund der nach dieser Regelung vorgesehenen Unvereinbarkeit zwischen der Eigenschaft als Mönch und der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs verboten ist, sich bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats eintragen zu lassen, um dort seinen Beruf unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Griechisch.