Language of document : ECLI:EU:C:2019:851

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

10. Oktober 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43/EWG – Art. 12 Abs. 1 – System des strengen Schutzes von Tierarten – Anhang IV – Canis lupus (Wolf) – Art. 16 Abs. 1 Buchst. e – Ausnahme, die die Entnahme einer begrenzten Zahl bestimmter Individuen erlaubt – Bestandspflegende Jagd – Bewertung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art“

In der Rechtssache C‑674/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) mit Entscheidung vom 28. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Dezember 2017, in dem Verfahren auf Antrag von

Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola Pohjois-Savo – Kainuu ry,

Beigeladene:

Risto Mustonen,

Kai Ruhanen,

Suomen riistakeskus,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer und des Richters C. Vajda,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola Pohjois-Savo – Kainuu ry, vertreten durch S. Kantinkoski und L. Iivonen,

–        von Herrn Ruhanen, vertreten durch P. Baarman, asianajaja,

–        der Suomen riistakeskus, vertreten durch S. Härkönen als Bevollmächtigten,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Wolff und P. Ngo als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, J. Lundberg und H. Eklinder als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Huttunen und C. Hermes als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines auf Antrag der Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola Pohjois-Savo – Kainuu ry (im Folgenden: Tapiola) eingeleiteten Verfahrens wegen der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Suomen riistakeskus (finnische Wildtierbehörde, im Folgenden: Behörde), mit denen Ausnahmegenehmigungen für die Jagd auf den Wolf erteilt wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) der Habitatrichtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

i)      ‚Erhaltungszustand einer Art‘: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können.

Der Erhaltungszustand wird als ‚günstig‘ betrachtet, wenn

–        aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, und

–        das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und

–        ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern.

…“

4        Art. 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.

(2)      Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

(3)      Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen tragen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.“

5        Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)      alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

b)      jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs‑, Aufzucht‑, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

c)      jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

d)      jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.“

6        Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie sieht vor:

„Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

a)      zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;

b)      zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;

c)      im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

d)      zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;

e)      um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.“

7        Zu den „streng zu schützenden [Tierarten] … von gemeinschaftlichem Interesse“, die in einer Liste in Anhang IV Buchstabe a dieser Richtlinie aufgeführt sind, gehört u. a. „Canis lupus [Wolf] (ausgenommen … die finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals im Sinne von Paragraf 2 des finnischen Gesetzes Nr. 848/90 vom 14. September 1990 über die Rentierhaltung)“.

 Finnisches Recht

8        Nach § 37 Abs. 3 des Metsästyslaki (Jagdgesetz) Nr. 615/1993 vom 28. Juni 1993 in der durch das Gesetz Nr. 159/2011 vom 18. Februar 2011 geänderten Fassung (im Folgenden: Jagdgesetz) steht der Wolf dauerhaft unter Schutz.

9        Gemäß § 41 Abs. 1 des Jagdgesetzes kann die Behörde unter den Voraussetzungen der §§ 41a bis 41c dieses Gesetzes eine Ausnahme von dem in § 37 dieses Gesetzes vorgesehenen Schutz genehmigen. Nach § 41 Abs. 4 des Jagdgesetzes können die näheren Bestimmungen betreffend das bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung einzuhaltende Verfahren, die Auflagen, mit denen die Ausnahmegenehmigung zu versehen ist, die Meldung der aufgrund der Ausnahmegenehmigung erlegten Tiere, die zeitliche Geltung der Ausnahmegenehmigung und die Prüfung der Voraussetzungen für die Ausnahme durch Regierungsverordnung festgelegt werden. Zudem können die Zeitpunkte bestimmt werden, zu denen von dem in § 37 vorgesehenen Schutz abgewichen werden darf. Gemäß § 41 Abs. 5 des Jagdgesetzes kann die jährliche Zahl der auf der Grundlage der Ausnahmen erlegten Tiere nach oben begrenzt werden. Durch Verordnung des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft können nähere Bestimmungen u. a. zur erlaubten Höchstzahl der Tötungen festgelegt werden.

10      § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes, durch den Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie in das finnische Recht umgesetzt wird, sieht vor:

„Für Wolf, Bär, Fischotter und Luchs kann unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß eine Ausnahmegenehmigung zum Fang oder zur Tötung einzelner Exemplare erteilt werden.“

11      § 3 Abs. 1 Nr. 1 der auf der Grundlage von § 41 Abs. 4 und § 41a Abs. 4 des Jagdgesetzes verabschiedeten Regierungsverordnung (452/2013) bestimmt, dass eine Ausnahmegenehmigung im Sinne von § 41a Abs. 3 dieses Gesetzes zum Fang oder zur Tötung von Wölfen innerhalb des Rentierhaltungsareals vom 1. Oktober bis zum 31. März und im Rest des Landes zwischen dem 1. November und dem 31. März erteilt werden kann. In § 4 Abs. 3 dieser Verordnung ist präzisiert, dass eine solche Ausnahmegenehmigung nur für die Jagd in Gebieten erteilt werden darf, in denen die betreffende Art ein starkes Vorkommen aufweist.

12      In der auf der Grundlage von § 41 Abs. 5 des Jagdgesetzes für das Jagdjahr 2015-2016 verabschiedeten Verordnung (1488/2015) des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft wurde die Höchstzahl der Wolfsindividuen, die außerhalb des Rentierhaltungsareals auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen im Sinne von § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes erlegt werden durften, auf 46 festgelegt. In der Verordnung (1335/2016) des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft für die Jagdjahre 2016-2018 wurde für diese beiden Jahre die Höchstzahl der Wolfsindividuen, die außerhalb des Rentierhaltungsareals auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen im Sinne von § 41 Abs. 1 des Jagdgesetzes erlegt werden durften, auf jeweils 53 festgelegt.

13      Am 22. Januar 2015 verabschiedete das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der Bewertung der Entwicklung der staatlichen Politik im Bereich großer Beutegreifer einen neuen Plan zur Pflege des Wolfsbestands in Finnland (im Folgenden: Bestandspflegeplan). Gemäß diesem Plan, dessen Ziel es ist, einen günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation zu erreichen und zu bewahren, beträgt die Mindestgröße einer lebensfähigen Wolfspopulation 25 sich fortpflanzende Paare. Zudem heißt es darin, dass die Pflege des finnischen Wolfsbestands nicht gelingt, wenn den Bedürfnissen der in den Revieren der Rudel wohnenden und arbeitenden Menschen nicht Rechnung getragen wird, insbesondere angesichts der unter bestimmten Umständen zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz von illegaler Jagd auf den Wolf. Ziel der Ausnahmen im Rahmen der Bestandspflege ist es somit, die Existenz lokaler Wolfsrudel zu sichern und zugleich die Koexistenz von Wolf und Mensch zu fördern. Zu diesem Zweck soll gegen Individuen vorgegangen werden, die Schäden verursachen, und damit der illegalen Tötung von Wölfen entgegengewirkt werden.

14      Der Bestandspflegeplan beruht auf einer wolfsrevierbezogenen Bestandspflege auf lokaler Ebene. Um die Lebensfähigkeit eines Wolfsrudels sicherzustellen, ist der von der Wildzentrale gemäß § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes erteilten Ausnahmegenehmigung eine Selektion der Individuen beizufügen, auf die gejagt werden soll. Die Jagd ist auf ein junges Individuum des Rudels zu richten, so dass die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Lebensfähigkeit des Rudels minimiert werden. Als Ziel ist ein Individuum auszuwählen, das den im Wolfsrevier wohnenden Menschen oder deren Eigentum Schäden oder Nachteile verursacht.

15      Schließlich sind die Ausnahmegenehmigungen für Gebiete zu erteilen, in denen die Art ein starkes Vorkommen aufweist, und dürfen die in der Verordnung des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft festgelegte Obergrenze nicht überschreiten.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16      Mit zwei Bescheiden vom 18. Dezember 2015 erteilte die Behörde Herrn Risto Mustonen und Herrn Kai Ruhanen jeweils eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 41 und § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes. Diese Ausnahmegenehmigungen erlaubten die Tötung von insgesamt sieben Wölfen im Zeitraum zwischen dem 23. Januar und dem 21. Februar 2016 in der Region Nordsavo (Finnland). Mit dem ersten Bescheid wurde die Tötung von zwei Wölfen im Revier des Rudels von Juudinsalo (Finnland) und zwei weiteren im Gebiet zwischen Sukeva (Finnland) und Laakajärvi (Finnland) erlaubt, mit dem zweiten Bescheid die Tötung eines Wolfs im Revier des Rudels von Vieremä-Kajaani-Sonkajärvi (Finnland) und von zwei Wölfen im Revier des Rudels von Kiuruvesi-Vieremä (Finnland).

17      Die Behörde begründete ihre Bescheide unter Hinweis auf die anwendbaren Rechtsvorschriften und den Bestandspflegeplan. Sie schilderte die Zusammensetzung der betreffenden Rudel und verwies auf die von den Wölfen verursachten Schäden an Hunden und die Besorgnis der örtlichen Bevölkerung. Durch den strengen Schutz, der auf der Erteilung von Genehmigungen „zur Verhütung von Schäden“ beruht habe, seien die im früheren Bestandspflegeplan beschriebenen Ziele nicht erreicht worden. Daher werde mit den im Rahmen der Pflege des Wolfsbestands erteilten Ausnahmegenehmigungen angestrebt, einen gesetzeskonformen Ansatz zur Pflege dieses Bestands einzuführen, der es erlaube, gegen Individuen vorzugehen, die Schaden verursachten, und damit gleichzeitig illegalen Tötungen entgegenzuwirken.

18      In den betreffenden Gebieten gebe es keine zufriedenstellendere Lösung, als die genannten Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Der selektive und begrenzte Charakter der Jagd werde durch die in den Bescheiden festgelegten geografischen und quantitativen Grenzen sowie durch die Beachtung der darin vorgesehenen Jagdmethode konkretisiert.

19      Die Behörde wies auch darauf hin, dass die Tötung eines dominanten Männchens sowie eines mit einem Sender versehenen Individuums zu vermeiden sei. Sie empfahl den Adressaten der genannten Bescheide, die Jagd auf junge oder Schaden verursachende Individuen zu richten, und wies darauf hin, dass, falls bei den Rudeln und Individuen nach Erlass dieser Bescheide und vor dem Beginn der genehmigten Jagd eine von den Behörden festgestellte Sterblichkeit auftrete, dieser Umstand zu berücksichtigen und der Umfang der Genehmigung in quantitativer Hinsicht zu verringern sei.

20      Tapiola, eine finnische Umweltschutzvereinigung, erhob gegen diese beiden Bescheide der Behörde Klagen beim Itä-Suomen hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Ostfinnland, Finnland). Mit Entscheidungen vom 11. Februar 2016 wies dieses Gericht die Klagen als unzulässig ab, weil Tapiola nicht klagebefugt sei.

21      Mit Beschlüssen vom 29. Mai 2017 hob das Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) die Entscheidungen des Itä-Suomen hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Ostfinnland) auf und prüfte die von Tapiola erhobenen Klagen.

22      Das vorlegende Gericht unterstreicht, dass der Wolf in Finnland stark gefährdet sei. Die Zahl der Wölfe habe in den letzten Jahren, wahrscheinlich aufgrund von Wilderei, erheblich geschwankt. Da Ausnahmegenehmigungen zur Tötung von Wölfen im Rahmen der sogenannten „bestandspflegenden“ Jagd für ein bestimmtes Gebiet erteilt würden, fragt sich das vorlegende Gericht u. a., ob bei der Beurteilung des Erhaltungszustands einer Art für die Zwecke der Gewährung einer solchen Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie auf dieses Gebiet oder auf das gesamte Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats abzustellen ist. Zudem fragt es sich, inwieweit solche Ausnahmegenehmigungen durch die Eindämmung der Wilderei gerechtfertigt werden können und welchen Einfluss in diesem Zusammenhang der Umstand hat, dass diese Ausnahmegenehmigungen im Rahmen eines nationalen Bestandspflegeplans und einer nationalen Regelung gewährt werden, in denen eine Höchstzahl von Individuen festlegt ist, die jährlich im gesamten Hoheitsgebiet erlegt werden dürfen. Außerdem ersucht es um Erläuterungen zu den Auswirkungen von Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Wilderei im Rahmen der Prüfung der Frage, ob es eine zufriedenstellende Alternativlösung zur Tötung von Wölfen gibt. Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Absicht, Schäden an Hunden zu verhindern und das allgemeine Sicherheitsgefühl der im betreffenden Gebiet wohnenden Menschen zu erhöhen, zu den Gründen zählt, die die Anwendung der genannten Ausnahme rechtfertigen können.

23      Vor diesem Hintergrund hat das Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Erlaubt es der Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie, aufgrund von Anträgen einzelner Jäger regional begrenzte Ausnahmegenehmigungen für die sogenannte bestandspflegende Jagd zu erteilen?

–        Ist es bei der Beurteilung dieser Frage von Bedeutung, dass sich die Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Ausnahmegenehmigungen nach einem nationalen Bestandspflegeplan sowie nach der in einer Verordnung festgelegten Obergrenze für die Zahl der erlegten Tierindividuen richtet, in deren Rahmen für das Gebiet des Mitgliedstaats jährlich Ausnahmegenehmigungen erteilt werden dürfen?

–        Können bei der Beurteilung andere Gesichtspunkte wie das Ziel, Schäden an Hunden zu verhindern und das allgemeine Sicherheitsgefühl zu erhöhen, berücksichtigt werden?

2.      Kann die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für die bestandspflegende Jagd im Sinne der ersten Vorlagefrage damit begründet werden, dass es zur Verhinderung von Wilderei keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gibt?

–        Können in diesem Fall die praktischen Schwierigkeiten bei der Kontrolle von rechtswidriger Wilderei berücksichtigt werden?

–        Ist bei der Beurteilung der Frage, ob es eine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, möglicherweise auch das Ziel von Bedeutung, Schäden an Hunden zu verhindern, und das allgemeine Sicherheitsgefühl zu erhöhen?

3.      Wie ist die in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannte Voraussetzung, die den Erhaltungszustand von Populationen von Arten betrifft, bei der Erteilung von regional begrenzten Ausnahmegenehmigungen zu bewerten?

–        Ist der Erhaltungszustand der Populationen einer Art sowohl bezogen auf ein bestimmtes Gebiet als auch auf das gesamte Gebiet des Mitgliedstaats oder bezogen auf ein noch größeres Verbreitungsgebiet der betreffenden Art zu beurteilen?

–        Ist es möglich, dass die in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen einer Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erfüllt sind, obwohl der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nach einer sachgerechten Beurteilung nicht als günstig im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann?

–        Falls die vorstehende Frage bejaht wird: In was für einer Situation könnte das in Betracht kommen?

 Zu den Vorlagefragen

24      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem Erlass von Entscheidungen entgegensteht, mit denen Ausnahmen von dem in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie niedergelegten Verbot der absichtlichen Tötung von Wölfen im Rahmen der bestandspflegenden Jagd genehmigt werden und das Ziel der Bekämpfung von Wilderei verfolgt wird.

25      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Habitatrichtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 1 zum Ziel hat, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten beizutragen. Außerdem zielen die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 und 3 darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von Interesse für die Europäische Union zu bewahren oder wiederherzustellen, und tragen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.

26      Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und d der Habitatrichtlinie haben die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchst. a genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen, das alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten und jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verbietet (Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 230).

27      Um dieser Verpflichtung nachzukommen, müssen die Mitgliedstaaten nicht nur einen vollständigen gesetzlichen Rahmen schaffen, sondern auch konkrete besondere Schutzmaßnahmen durchführen. Desgleichen setzt das strenge Schutzsystem den Erlass kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen voraus. Ein solches strenges Schutzsystem muss also imstande sein, tatsächlich absichtliche Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren und die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der in Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie genannten Tierarten zu verhindern (Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 231 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Zwar erlaubt Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie den Mitgliedstaaten, von den Bestimmungen der Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b dieser Richtlinie abzuweichen, doch unterliegt eine auf dieser Grundlage erlassene Ausnahmeregelung, da sie es den Mitgliedstaaten erlaubt, den mit dem System des strengen Schutzes natürlich vorkommender Arten einhergehenden Verpflichtungen zu entgehen, der Bedingung, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.

29      Es ist festzustellen, dass diese Bedingungen für sämtliche in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannten Fälle gelten.

30      Zudem stellt Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie, der die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten von den Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b dieser Richtlinie abweichen dürfen, genau und abschließend festlegt, eine Ausnahme von dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzsystem dar, die restriktiv auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑6/04, EU:C:2005:626, Rn. 111, und vom 10. Mai 2007, Kommission/Österreich, C‑508/04, EU:C:2007:274, Rn. 110 und 128) und bei der die Beweislast für das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen für jede Abweichung die Stelle treffen muss, die über sie entscheidet (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a., C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 34).

31      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Art canis lupus (Wolf) zu den „streng zu schützenden“ Tierarten „von gemeinschaftlichem Interesse“ zählt, die in Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie aufgelistet sind, ausgenommen u. a. „die finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals“.

32      Schließlich ist, wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Begriff „Entnahme“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie so zu verstehen, dass er sowohl den Fang als auch die Tötung von Exemplaren der betroffenen Arten umfasst, so dass diese Bestimmung grundsätzlich den Erlass von Ausnahmen gestattet, die u. a. darauf abzielen, die Tötung von Exemplaren der in Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie genannten Arten unter Beachtung von ganz bestimmten, in Art. 16 Abs. 1 vorgesehenen Bedingungen zu erlauben.

33      Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen sind unter Berücksichtigung dieser einleitenden Erwägungen zu prüfen.

34      Was erstens das mit einer gemäß Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gewährten Ausnahmeregelung angestrebte Ziel betrifft, ist festzustellen, dass in den Buchst. a bis d dieser Vorschrift die Ziele, die mit den darin vorgesehenen Abweichungen jeweils verfolgt werden, ausdrücklich benannt werden, nämlich der Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und die Erhaltung der natürlichen Lebensräume (a), die Verhütung ernster Schäden (b), die Volksgesundheit und die öffentliche Sicherheit sowie das überwiegende öffentliche Interesse (c), Forschung und Unterricht, Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung (d). Hingegen ist dies bei Art. 16 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie nicht der Fall, da darin das Ziel, das mit der betreffenden Abweichung verfolgt wird, nicht näher bezeichnet ist.

35      Außerdem müssen die auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gestützten Ausnahmen über die in Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie genannten Bedingungen hinaus zusätzliche Bedingungen erfüllen. Sie erlauben unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV dieser Richtlinie.

36      Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie kann daher keine allgemeine Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Ausnahmen von Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen, da andernfalls den anderen Fällen des Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie und diesem strengen Schutzsystem die praktische Wirksamkeit genommen würde.

37      Folglich kann sich das Ziel einer auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gestützten Ausnahme grundsätzlich nicht mit den Zielen der auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie gestützten Ausnahmen überschneiden; daher kann die erstgenannte Bestimmung nur dann als Grundlage für den Erlass einer Ausnahmeregelung dienen, wenn die letztgenannten Bestimmungen nicht einschlägig sind.

38      Jedenfalls dürfen die nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie genehmigten Ausnahmen insgesamt keine Wirkungen entfalten, die den mit der Richtlinie verfolgten Zielen, wie sie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, zuwiderlaufen.

39      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen ebenso wie mit dem Bestandspflegeplan für den Wolf, in dessen Rahmen diese Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden, das Ziel verfolgt wurde, die Wilderei einzudämmen. Die Verhinderung von Schäden an Hunden und die Erhöhung des allgemeinen Sicherheitsgefühls der Menschen, die in der Nähe der von den Wölfen besiedelten Gebiete wohnen, wurden als hierfür geeignete und eng mit diesem Ziel verknüpfte Maßnahmen dargestellt, da ihre Durchführung nach den Angaben der Behörde dazu beitragen soll, die „gesellschaftliche Toleranz“ der örtlichen Bevölkerung gegenüber dem Wolf zu erhöhen und damit die illegale Jagd zu verringern.

40      Außerdem ergibt eine vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage, dass der im Jahr 2015 genehmigte Bestandspflegeplan für den Wolf Maßnahmen und Projekte zur Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Art umfasste und dass die Genehmigung der bestandspflegenden Jagd auf Wölfe zum Ziel hatte, das Wohlwollen der Einwohner des Gebiets gegenüber dem Wolf zu erhöhen und damit die Wilderei einzudämmen.

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass die für eine Ausnahme geltend gemachten Ziele in der Entscheidung über die Ausnahme klar, genau und fundiert festgelegt sein müssen. Eine auf Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gestützte Ausnahme kann nämlich nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird (vgl. entsprechend Urteile vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a., C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 34, und vom 11. November 2010, Kommission/Italien, C‑164/09, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:672, Rn. 25).

42      Hierzu ergibt sich zum einen aus dem Inhalt der im Ausgangsverfahren streitigen Bescheide, mit denen die Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden, und insbesondere aus dem Bestandspflegeplan, in den sie sich einfügen, dass die Wilderei angesichts des Ziels der Habitatrichtlinie eine große Herausforderung hinsichtlich der Erhaltung bedrohter Arten darstellte. Hierzu hat das vorlegende Gericht näher ausgeführt, dass die Zahl der Wölfe in Finnland im Lauf der Jahre erheblich geschwankt habe und dass es davon ausgehe, dass diese Schwankungen mit der Wilderei zusammenhingen, die angesichts der Bedrohtheit des Wolfs dessen Erhaltung gefährde. Im Übrigen haben in der mündlichen Verhandlung sowohl die Behörde als auch die finnische Regierung bestätigt, dass die Bekämpfung der Wilderei letztlich die Erhaltung der betreffenden Art zum Ziel habe.

43      Die Bekämpfung der Wilderei kann somit als Methode geltend gemacht werden, um zur Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Art beizutragen, und damit als ein von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie umfasstes Ziel.

44      Was zum anderen die Geeignetheit der gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie erlassenen Ausnahmeregelungen zur Erreichung des angestrebten Ziels betrifft, ist zu unterstreichen, dass, da die im Ausgangsverfahren streitigen Ausnahmegenehmigungen auf einem Versuch beruhten, mit dem geprüft werden sollte, ob eine beschränkte Erlaubnis der legalen Jagd zur Eindämmung der Wilderei und letztlich zur Verbesserung des Erhaltungszustands des Wolfs beitragen kann, die Geeignetheit dieser Ausnahmegenehmigungen zur Erreichung dieser Ziele unter den Umständen, unter denen ihre Erteilung beantragt wurde, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde sie erteilte, ungewiss war.

45      In einem solchen Kontext hat die nationale Behörde, wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, auf der Grundlage streng wissenschaftlicher Erkenntnisse, gegebenenfalls auch anhand von Vergleichsdaten zu den Folgen der bestandspflegenden Jagd, die Annahme zu untermauern, dass die Genehmigung der bestandspflegenden Jagd die rechtswidrige Jagd verringern würde, und zwar in einem solchen Maß, dass sie eine positive Nettoauswirkung auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation hätte, wobei die Zahl der geplanten Ausnahmen und die jüngsten Schätzungen der Zahl der rechtswidrigen Tötungen zu berücksichtigen sind.

46      Im vorliegenden Fall trägt die Behörde vor, dass die bestandspflegende Jagd nachweislich geeignet sei, die Wilderei zu verringern. Dem widersprechen Tapiola und die Europäische Kommission. Das vorlegende Gericht führt aus, dass keinerlei wissenschaftlicher Beleg den Schluss zulasse, dass die legale Jagd auf eine geschützte Art die Wilderei in einem solchen Maß verringere, dass sie insgesamt positive Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Wolfs habe. Das vorlegende Gericht wird somit unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen abschließend zu ermitteln haben, ob die im Rahmen der bestandspflegenden Jagd erteilten Ausnahmegenehmigungen geeignet sind, ihr Ziel der Bekämpfung der Wilderei im Interesse des Schutzes der Art zu erreichen, und ob die Behörde den ihr in diesem Zusammenhang obliegenden Verpflichtungen nachgekommen ist.

47      Zweitens darf eine Ausnahme nach Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie nicht genehmigt werden, wenn das mit dieser Ausnahme verfolgte Ziel durch eine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne dieser Vorschrift erreicht werden kann. Eine solche Ausnahme ist somit nur zulässig, wenn es an einer anderweitigen Maßnahme fehlt, mit der das verfolgte Ziel in zufriedenstellender Weise erreicht werden kann und die in der Richtlinie vorgesehenen Verbote beachtet werden.

48      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das bloße Bestehen einer illegalen Aktivität wie der Wilderei oder die Schwierigkeiten, denen bei der Umsetzung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet wird, nicht genügen können, um einen Mitgliedstaat von seiner Pflicht zu entbinden, den Schutz der gemäß Anhang IV der Habitatrichtlinie geschützten Arten zu gewährleisten. In einer solchen Situation hat er vielmehr einer strengen und wirksamen Kontrolle dieser illegalen Aktivität sowie der Durchführung von Maßnahmen Vorrang einzuräumen, die nicht die Missachtung der in Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b dieser Richtlinie aufgestellten Verbote beinhalten.

49      Außerdem verpflichtet Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie die Mitgliedstaaten, eine genaue und angemessene Begründung für die Annahme darzutun, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, um die Ziele zu erreichen, auf die die fragliche Ausnahmeregelung gestützt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland, C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 31).

50      Diese Begründungspflicht ist nicht erfüllt, wenn die Entscheidung über eine Ausnahme weder Angaben zum Fehlen einer anderen zufriedenstellenden Lösung enthält noch auf die in diesem Zusammenhang relevanten technischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Berichte verweist (vgl. entsprechend Urteile vom 16. Oktober 2003, Ligue pour la protection des oiseaux u. a., C‑182/02, EU:C:2003:558, Rn. 14, und vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta, C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 50 und 51).

51      Nach alledem obliegt es den zuständigen nationalen Behörden, im Zusammenhang mit der Genehmigung von Ausnahmen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nachzuweisen, dass es insbesondere unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sowie der Umstände des konkreten Falls keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, um das verfolgte Ziel unter Beachtung der in der Habitatrichtlinie niedergelegten Verbote zu erreichen.

52      Im vorliegenden Fall enthält die Vorlageentscheidung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde nachgewiesen hätte, dass das einzige Mittel zur Erreichung des Ziels, das zur Begründung von Ausnahmen zwecks Bestandspflege geltend gemacht wird, darin besteht, ein gewisses Maß an bestandspflegender Jagd auf den Wolf gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie zuzulassen.

53      Somit entsprechen die Entscheidungen, mit denen Ausnahmen genehmigt werden, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht dem in Rn. 49 des vorliegenden Urteils geschilderten Erfordernis einer genauen und angemessenen Begründung hinsichtlich des Fehlens einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung zur Erreichung des geltend gemachten Ziels. Dies hat jedoch das vorlegende Gericht zu überprüfen.

54      Drittens ist zu prüfen, ob die fragliche Ausnahme nicht gegen die in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie niedergelegte Bedingung verstößt, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.

55      Der günstige Erhaltungszustand dieser Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ist nämlich eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung der in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 2007, Kommission/Österreich, C‑508/04, EU:C:2007:274, Rn. 115).

56      Insoweit wird nach Art. 1 Buchst. i der Habitatrichtlinie der Erhaltungszustand als günstig betrachtet, wenn zum einen aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, des Weiteren das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und schließlich ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern.

57      Eine Ausnahmeregelung gemäß Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie ist somit auf Kriterien zu stützen, die so definiert sind, dass die Erhaltung der Populationsdynamik und -stabilität der betreffenden Art langfristig sichergestellt ist.

58      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 79 bis 82 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, hat daher die zuständige nationale Behörde bei der Prüfung, ob eine Ausnahme auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 zuzulassen ist, u. a. bezogen auf das Gebiet des Mitgliedstaats oder gegebenenfalls, wenn sich die Grenzen des betreffenden Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden, bezogen auf die betreffende biogeografische Region, oder aber, wenn das natürliche Verbreitungsgebiet der Art es erfordert und soweit möglich grenzüberschreitend, in einem ersten Schritt den Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Arten und in einem zweiten Schritt die geografischen und demografischen Auswirkungen, die die in Betracht gezogenen Ausnahmeregelungen auf diesen haben können, zu ermitteln.

59      Außerdem ist, wie der Generalanwalt in Nr. 83 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Bewertung der Auswirkung einer Ausnahme bezogen auf das Gebiet einer lokalen Population im Allgemeinen erforderlich, um ihre Auswirkung auf den Erhaltungszustand der in Rede stehenden Population in einem größeren Rahmen zu bestimmen. Da nämlich eine Ausnahme gemäß den in Rn. 41 des vorliegenden Urteils angeführten Erwägungen konkreten Anforderungen und spezifischen Situationen Rechnung tragen muss, werden sich ihre Folgen in der Regel am unmittelbarsten in dem von ihr betroffenen lokalen Gebiet bemerkbar machen. Wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, hängt der Erhaltungszustand einer Population auf nationaler oder biogeografischer Ebene außerdem von der kumulierten Auswirkung der verschiedenen, die lokalen Gebiete betreffenden Ausnahmen ab.

60      Dagegen kann entgegen dem Vorbringen der Behörde der Teil des natürlichen Verbreitungsgebiets der betreffenden Population, der sich auf Teile des Hoheitsgebiets eines Drittstaats erstreckt, der nicht an die Verpflichtungen zum strengen Schutz der Arten von Interesse für die Europäische Union gebunden ist, bei dieser Beurteilung nicht berücksichtigt werden.

61      Somit kann eine solche Ausnahmeregelung nicht erlassen werden, ohne dass der Erhaltungszustand der betreffenden Art sowie die möglichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand bezogen auf das lokale Gebiet und auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder gegebenenfalls auf die betreffende biogeografische Region, wenn sich die Grenzen dieses Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden oder wenn das natürliche Verbreitungsgebiet der Art dies erfordert, und soweit möglich grenzüberschreitend beurteilt worden sind.

62      Angesichts der Fragen des vorlegenden Gerichts ist zunächst hinzuzufügen, dass ein Bestandspflegeplan und eine nationale Regelung, die die Höchstzahl der Individuen festlegt, die in einem Jagdjahr im Hoheitsgebiet getötet werden dürfen, einen relevanten Faktor für die Feststellung darstellen können, ob die in Rn. 54 des vorliegenden Urteils geschilderte Anforderung erfüllt ist, da sie geeignet sind, zu gewährleisten, dass die jährliche kumulative Wirkung einzelner Ausnahmegenehmigungen der Wahrung oder Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art nicht schadet.

63      Hierzu ergibt sich aus den von Tapiola und der Europäischen Kommission vorgelegten Zahlen, deren Richtigkeit das vorlegende Gericht zu überprüfen haben wird, dass zum einen in Finnland im Jagdjahr 2015-2016 auf eine landesweite Population von insgesamt etwa 275 bis 310 Individuen 43 oder 44 Wölfe auf der Grundlage von gemäß der nationalen Regelung erteilten Ausnahmegenehmigungen im Rahmen der bestandspflegenden Jagd getötet wurden, wovon die Hälfte sich fortpflanzende Individuen waren. Somit hat die bestandspflegende Jagd zur Tötung von nahezu 15 % der gesamten Wolfspopulation Finnlands geführt, darunter zahlreiche sich fortpflanzende Individuen. Zum anderen wurde die jährliche Zahl illegaler Entnahmen im Bestandspflegeplan auf etwa 30 Individuen geschätzt.

64      Somit führte diese bestandspflegende Jagd zur Tötung von 13 oder 14 Individuen mehr, als nach den Schätzungen durch Wilderei getötet worden wären, und hätte damit eine negative Nettowirkung auf die Wolfspopulation.

65      Danach lässt sich bezweifeln, ob der Bestandspflegeplan und die nationale Regelung, mit der die Höchstzahl der Individuen festgelegt wird, die pro Jagdjahr getötet werden dürfen, in deren Kontext die im Ausgangsverfahren streitigen Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden, die Einhaltung der in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Anforderung ermöglichen. Dies hat jedoch das vorlegende Gericht zu prüfen.

66      In diesem Zusammenhang ist auch hervorzuheben, dass der Mitgliedstaat gemäß dem in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerten Vorsorgegrundsatz von dem Erlass oder der Durchführung einer solchen Ausnahmeregelung absehen muss, wenn nach der Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine Ungewissheit darüber bestehen bleibt, ob der günstige Erhaltungszustand der Populationen einer vom Aussterben bedrohten Art trotz dieser Ausnahmeregelung gewahrt oder wiederhergestellt werden kann.

67      Es ist somit Aufgabe des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die Behörde auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten nachgewiesen hat, dass die territorialen und quantitativen Grenzen, denen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen unterlagen, ausreichten, um sicherzustellen, dass die Populationen der betreffenden Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verbleiben würden.

68      Des Weiteren hat der Gerichtshof in Bezug auf die Auswirkungen des ungünstigen Erhaltungszustands einer Art auf die Möglichkeit, Ausnahmen gemäß Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie zuzulassen, bereits entschieden, dass solche Ausnahmen ausnahmsweise weiterhin zulässig sind, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie nicht geeignet sind, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern. Nach Auffassung des Gerichtshofs kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Tötung einer begrenzten Zahl von Individuen auf das in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannte Ziel der Bewahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Wolfspopulation innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets nicht auswirkt. Eine Ausnahme wäre in einem solchen Fall daher für die betreffende Art neutral (Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland, C‑342/05, EU:C:2007:341‚ Rn. 29).

69      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die ausnahmsweise Gewährung solcher Ausnahmen auch im Licht des in Rn. 66 des vorliegenden Urteils angeführten Vorsorgeprinzips zu beurteilen ist.

70      Viertens verlangt Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie die Einhaltung von Bedingungen in Bezug auf die Begrenzung und Spezifizierung der Anzahl von Exemplaren der Tierarten, die entnommen oder gehalten werden dürfen, die Selektivität und das beschränkte Ausmaß dieser Entnahme oder Haltung und die strenge Kontrolle, der die Einhaltung dieser Bedingungen zu unterziehen ist.

71      Was zunächst die Bedingung in Bezug auf die Begrenzung und Spezifizierung der Anzahl der Entnahmen oder Haltungen bestimmter Exemplare der betreffenden Arten anbelangt, wird diese Anzahl in jedem Fall von der Größe der Population der Art, ihrem Erhaltungszustand und ihrer biologischen Merkmale abhängig sein. Diese Anzahl ist daher anhand fundierter wissenschaftlicher Daten in Bezug auf Geografie, Klima, Umwelt und Biologie sowie anhand von Daten, die eine Beurteilung der Situation hinsichtlich der Fortpflanzung und der jährlichen Gesamtsterblichkeitsrate aufgrund natürlicher Ursachen der betreffenden Art erlauben, zu bestimmen (vgl. entsprechend Urteile vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a., C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 25 und 29, und vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta, C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 62).

72      Daher ist die Zahl der Entnahmen, die im Rahmen der in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen zulässig sind, damit sie diese Bedingung erfüllt, so weit zu begrenzen, dass sie nicht zu einer Gefahr erheblicher negativer Auswirkungen auf die Struktur der betreffenden Population führt, auch wenn sie für sich genommen der Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet nicht schaden würde. Die Zahl ist nicht nur in Bezug auf die genannten Kriterien streng zu begrenzen, sondern auch in den Entscheidungen über Ausnahmen klar zu bezeichnen.

73      Des Weiteren gebieten die Bedingungen der Selektivität und des beschränkten Ausmaßes der Entnahme oder Haltung von Individuen bestimmter Arten, dass sich die Ausnahme auf eine unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels möglichst eng, spezifisch und sachgerecht festgelegte Zahl von Individuen bezieht. Es kann daher im Hinblick auf die Größe, den Erhaltungszustand und die biologischen Merkmale der Population der fraglichen Art erforderlich sein, die Ausnahme nicht nur auf die betreffende Art oder Typen oder Gruppen von Individuen dieser Art, sondern auch auf einzeln identifizierte Individuen zu beschränken.

74      Schließlich erfordert die Bedingung, wonach auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gestützte Ausnahmen einer strengen Kontrolle unterliegen, insbesondere, dass diese strenge Kontrolle sowie die Art und Weise, wie ihre Einhaltung sichergestellt wird, es ermöglicht, die Selektivität und das beschränkte Ausmaß der Entnahmen oder der Haltung von Individuen der betreffenden Arten zu gewährleisten. Somit muss sich die zuständige nationale Behörde für jede Ausnahmeregelung, die auf diese Bestimmung gestützt wird, vor ihrem Erlass vergewissern, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingungen eingehalten werden, und anschließend ihre Auswirkungen überwachen. Die nationale Regelung muss gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen, mit denen Ausnahmen gemäß dieser Bestimmung genehmigt werden, sowie die Art und Weise, in der diese Entscheidungen angewandt werden, auch hinsichtlich der Einhaltung der Auflagen in Bezug auf Ort, Zeit, Anzahl und Typ der betreffenden Individuen, mit denen diese Entscheidungen versehen sind, wirksam und rechtzeitig kontrolliert werden (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a., C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 47).

75      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, erstens, dass die im Ausgangsverfahren streitigen Ausnahmegenehmigungen die Tötung einer begrenzten Zahl von Wölfen, nämlich sieben Individuen, betreffen. Diese Zahl ist aber, wie die Kommission vorgetragen hat, für die Beurteilung, ob die in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie vorgesehenen Bedingungen eingehalten sind, in dem größeren Zusammenhang der im Rahmen der bestandspflegenden Jagd genehmigten Entnahmen zu betrachten, der, wie in den Rn. 62 bis 64 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Zweifel an der Einhaltung der nach dieser Bestimmung festgelegten Anforderungen aufwirft.

76      Zweitens enthalten die fraglichen Ausnahmebescheide zwar gewisse Anleitungen hinsichtlich der Typen von Individuen, auf die sich die Jagd richten soll, nämlich insbesondere junge Individuen oder solche, die Schäden verursachen.

77      Wie aus der Vorlageentscheidung und den näheren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, wird in diesen Ausnahmegenehmigungen deren Empfängern jedoch lediglich empfohlen, die Jagd auf bestimmte Individuen zu richten und andere zu verschonen, ohne die Empfänger dazu zu verpflichten. Durch die Ausnahmegenehmigungen kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass bei ihrer Umsetzung sich fortpflanzende Individuen getroffen werden, die hinsichtlich der Ziele der Habitatrichtlinie, die in Rn. 25 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden sind, besonders wichtig sind.

78      Drittens ist den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zu entnehmen, dass trotz der gegenteiligen Anleitung in den genannten Ausnahmegenehmigungen in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jagdjahr im Rahmen der bestandspflegenden Jagd offenbar 20 dominante Männchen getötet wurden. Dies lässt Zweifel an der Selektivität der erteilten Ausnahmegenehmigungen, der Wirksamkeit der Kontrollen ihrer Umsetzung und der beschränkten Anzahl der Entnahmen aufkommen.

79      Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen lässt sich den dem Gerichtshof vorliegenden Akten daher nicht entnehmen, dass die Auflagen, unter denen die im Ausgangsverfahren streitigen Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden, sowie die Art und Weise, in der ihre Einhaltung kontrolliert wird, die Selektivität und die beschränkte Anzahl der Entnahmen von Exemplaren der betreffenden Art im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gewährleisten können.

80      Nach alledem ist auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem Erlass von Entscheidungen entgegensteht, mit denen Ausnahmen von dem in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie niedergelegten Verbot der absichtlichen Tötung von Wölfen im Rahmen der bestandspflegenden Jagd genehmigt werden und das Ziel der Bekämpfung von Wilderei verfolgt wird, wenn

–        das mit diesen Ausnahmen verfolgte Ziel nicht klar und deutlich belegt wird und die nationale Behörde nicht anhand fundierter wissenschaftlicher Daten nachzuweisen vermag, dass diese Ausnahmen geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen,

–        nicht hinreichend nachgewiesen ist, dass das mit ihnen verfolgte Ziel nicht durch eine anderweitige zufriedenstellende Lösung erreicht werden kann, wobei das bloße Vorliegen einer illegalen Aktivität oder die Schwierigkeiten, denen bei der Durchführung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet wird, hierfür nicht ausreichen können,

–        nicht gewährleistet ist, dass der günstige Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelungen gewahrt bleibt,

–        in Bezug auf die Ausnahmen keine Bewertung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art sowie der voraussichtlichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Ausnahme auf diesen bezogen auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder gegebenenfalls bezogen auf die betreffende biogeografische Region, wenn sich die Grenzen dieses Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden oder das natürliche Verbreitungsgebiet der Art dies erfordert, und soweit möglich grenzüberschreitend vorgenommen wurde und

–        nicht sämtliche Bedingungen erfüllt sind, die sich auf die Entnahme einer begrenzten und spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter in Anhang IV der Habitatrichtlinie genannter Arten unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß beziehen; die Erfüllung dieser Bedingungen ist u. a. unter Berücksichtigung der Größe der Population, ihres Erhaltungszustands und ihrer biologischen Merkmale nachzuweisen.

Es ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

 Kosten

81      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen, dass er dem Erlass von Entscheidungen entgegensteht, mit denen Ausnahmen von dem in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie niedergelegten Verbot der absichtlichen Tötung von Wölfen im Rahmen der bestandspflegenden Jagd genehmigt werden und das Ziel der Bekämpfung von Wilderei verfolgt wird, wenn

–        das mit diesen Ausnahmen verfolgte Ziel nicht klar und deutlich belegt wird und die nationale Behörde nicht anhand fundierter wissenschaftlicher Daten nachzuweisen vermag, dass diese Ausnahmen geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen,

–        nicht hinreichend nachgewiesen ist, dass das mit ihnen verfolgte Ziel nicht durch eine anderweitige zufriedenstellende Lösung erreicht werden kann, wobei das bloße Vorliegen einer illegalen Aktivität oder die Schwierigkeiten, denen bei der Durchführung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet wird, hierfür nicht ausreichen können,

–        nicht gewährleistet ist, dass der günstige Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelungen gewahrt bleibt,

–        in Bezug auf die Ausnahmen keine Bewertung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art sowie der voraussichtlichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Ausnahme auf diesen bezogen auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder gegebenenfalls bezogen auf die betreffende biogeografische Region, wenn sich die Grenzen dieses Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden oder das natürliche Verbreitungsgebiet der Art dies erfordert, und soweit möglich grenzüberschreitend vorgenommen wurde und

–        nicht sämtliche Bedingungen erfüllt sind, die sich auf die Entnahme einer begrenzten und spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter in Anhang IV der Habitatrichtlinie genannter Arten unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß beziehen; die Erfüllung dieser Bedingungen ist u. a. unter Berücksichtigung der Größe der Population, ihres Erhaltungszustands und ihrer biologischen Merkmale nachzuweisen.

Es ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Finnisch.