Language of document : ECLI:EU:C:2019:1035

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

3. Dezember 2019(*)

„Nichtigkeitsklage – Rechtsangleichung – Richtlinie (EU) 2017/853 – Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen – Gültigkeit – Rechtsgrundlage – Art. 114 AEUV – Änderung einer bestehenden Richtlinie – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Fehlen von Folgenabschätzungen – Eingriff in das Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen – Maßnahmen, durch die Hindernisse im Binnenmarkt entstehen – Grundsatz der Rechtssicherheit – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zum Erlass von Rechtsvorschriften mit Rückwirkung verpflichten – Diskriminierungsverbot – Ausnahme für die Schweizerische Eidgenossenschaft – Diskriminierung, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder andere Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) als diesen Staat beeinträchtigt“

In der Rechtssache C‑482/17

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 9. August 2017,

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, O. Serdula und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Ungarn, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und G. Tornyai als Bevollmächtigte,

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, M. Wiącek und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch O. Hrstková Šolcová und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,

Rat der Europäischen Union, zunächst vertreten durch A. Westerhof Löfflerová, E. Moro und M. Chavrier, dann durch A. Westerhof Löfflerová und M. Chavrier als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch A. Daly, E. de Moustier, R. Coesme und D. Colas als Bevollmächtigte,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Šimerdová, Y. G. Marinova und E. Kružíková als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, M. Safjan und I. Jarukaitis, des Richters T. von Danwitz, der Richterin C. Toader sowie der Richter D. Šváby und F. Biltgen,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. April 2019

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Tschechische Republik, die Richtlinie (EU) 2017/853 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (ABl. 2017, L 137, S. 22, im Folgenden: angefochtene Richtlinie) für nichtig zu erklären, hilfsweise, Art. 1 Nrn. 6, 7 und 19 dieser Richtlinie teilweise für nichtig zu erklären.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 91/477/EWG

2        Die Erwägungsgründe 1 bis 5 der Richtlinie 91/477/EWG des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (ABl. 1991, L 256, S. 51) lauten:

„In Artikel 8a des Vertrages ist vorgesehen, dass der Binnenmarkt spätestens am 31. Dezember 1992 verwirklicht sein muss. Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des Vertrages gewährleistet ist.

Der Europäische Rat hat sich auf seiner Tagung vom 25. und 26. Juni 1984 in Fontainebleau die Aufhebung aller Polizei- und Zollformalitäten an den innergemeinschaftlichen Grenzen ausdrücklich zum Ziel gesetzt.

Die vollständige Abschaffung der Kontrollen und Formalitäten an den innergemeinschaftlichen Grenzen setzt voraus, dass bestimmte grundsätzliche Bedingungen erfüllt sind. Die Kommission hat in ihrem Weißbuch ‚Die Vollendung des Binnenmarktes‘ ausgeführt, dass die Abschaffung der Personenkontrollen und der Sicherheitskontrollen der beförderten Gegenstände unter anderem eine Angleichung des Waffenrechts voraussetzt.

Die Aufhebung der Kontrollen des Waffenbesitzes an den innergemeinschaftlichen Grenzen erfordert eine wirksame Regelung, die innerhalb der Mitgliedstaaten die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Feuerwaffen sowie ihres Verbringens in einen anderen Mitgliedstaat ermöglicht. Infolgedessen müssen die systematischen Kontrollen an den innergemeinschaftlichen Grenzen aufgehoben werden.

Diese Regelung wird unter den Mitgliedstaaten ein größeres gegenseitiges Vertrauen hinsichtlich der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit schaffen, sofern sie sich auf teilweise harmonisierte Rechtsvorschriften gründet. Hierfür sind Feuerwaffen in Kategorien einzuteilen, bei denen Erwerb und Besitz durch Privatpersonen entweder verboten oder aber erlaubnis- oder meldepflichtig sind.“

3        Anhang I Abschnitt II der Richtlinie 91/477 sieht bei Feuerwaffen die Kategorien A, B, C und D vor. Art. 6 dieser Richtlinie verbietet grundsätzlich den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen der Kategorie A, Art. 7 der Richtlinie verpflichtet zur Einholung einer Genehmigung für Feuerwaffen der Kategorie B, und Art. 8 der Richtlinie führt eine Meldepflicht für Waffen der Kategorie C ein. Art. 5 der Richtlinie legt die Voraussetzungen fest, die Personen für den Erwerb oder den Besitz einer Feuerwaffe erfüllen müssen, und in Kapitel 3 der Richtlinie 91/477 legen deren Art. 11 bis 14 die für den Verkehr mit Waffen unter den Mitgliedstaaten erforderlichen Voraussetzungen fest.

 Richtlinie 2008/51/EG

4        Die Richtlinie 2008/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 zur Änderung der Richtlinie 91/477 (ABl. 2008, L 179, S. 5) hat die Richtlinie 91/477 insbesondere geändert, um das gemäß dem Beschluss 2001/748/EG des Rates vom 16. Oktober 2001 (ABl. 2001, L 280, S. 5) am 16. Januar 2002 im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch die Kommission unterzeichnete Protokoll der Vereinten Nationen betreffend die Bekämpfung der unerlaubten Herstellung von und des unerlaubten Handels mit Schusswaffen, Teilen von Schusswaffen und Munition zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in das Unionsrecht zu überführen.

5        Zu den Änderungen gehören die Festlegung detaillierter Anforderungen in Bezug auf die Kennzeichnung und die Registrierung von Feuerwaffen in Art. 4 der Richtlinie 91/477 in seiner durch die Richtlinie 2008/51 geänderten Fassung sowie die Harmonisierung der für die Deaktivierung von Feuerwaffen geltenden Vorschriften in Anhang I Abschnitt III Abs. 2 dieser Richtlinie in geänderter Fassung. Die Richtlinie 2008/51 hat in Art. 17 der Richtlinie 91/477 außerdem für die Kommission die Verpflichtung aufgenommen, dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union bis zum 28. Juli 2015 über die Anwendung dieser Richtlinie zu berichten und gegebenenfalls Vorschläge für Änderungen zu unterbreiten.

6        Auf dieser Grundlage erließ die Kommission am 21. Oktober 2013 die an den Rat und das Europäische Parlament gerichtete Mitteilung „Schusswaffen und die innere Sicherheit der EU: Schutz der Bürger und Unterbindung des illegalen Handels“ (COM[2013] 716 final). Sie beschreibt bestimmte im Zusammenhang mit Feuerwaffen in der Union auftretende Probleme und kündigt die Durchführung einer Reihe von Studien und Konsultationen mit den betroffenen Akteuren an, an die sich erforderlichenfalls die Vorlage eines Legislativvorschlags anschließen wird.

7        Mit der Veröffentlichung ihres an den Rat und das Europäische Parlament gerichteten Berichts „REFIT‑Bewertung der Richtlinie [91/477], geändert durch die Richtlinie [2008/51]“ (COM[2015] 751 final) (im Folgenden: REFIT‑Bewertung) vom 18. November 2015 beendete die Kommission ihre Prüfung der Durchführung der Richtlinie 91/477 und fügte diesem einen Vorschlag vom 18. November 2015 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/477 (COM[2015] 750 final) bei, der eine Begründung enthielt und aus dem die angefochtene Richtlinie wurde.

 Angefochtene Richtlinie

8        In den Erwägungsgründen 1, 2, 6, 9, 15, 20, 21, 23, 27, 33 und 36 der angefochtenen Richtlinie heißt es:

„(1)      Die Richtlinie 91/477… war eine Begleitmaßnahme zur Schaffung des Binnenmarkts. Mit ihr wurde ein Gleichgewicht zwischen einerseits dem Einsatz zur Gewährleistung eines gewissen freien Verkehrs für bestimmte Feuerwaffen und ihre wesentlichen Bestandteile in der Union und andererseits der Notwendigkeit, diesen freien Verkehr durch Sicherheitsvorkehrungen speziell für diese Waren einzuschränken, hergestellt.

(2)      Bei bestimmten Aspekten der Richtlinie 91/477… sind weitere verhältnismäßige Verbesserungen erforderlich, um die missbräuchliche Verwendung von Feuerwaffen für kriminelle Zwecke zu bekämpfen, sowie im Hinblick auf die terroristischen Anschläge der jüngsten Zeit. In diesem Zusammenhang forderte die Kommission in ihrer Mitteilung vom 28. April 2015 zur ‚Europäischen Sicherheitsagenda‘ eine Überarbeitung jener Richtlinie sowie einen gemeinsamen Ansatz zur Deaktivierung von Feuerwaffen, mit dem ihre Reaktivierung und Verwendung durch Straftäter verhindert werden können.

(6)      Im Interesse einer besseren Nachverfolgung aller Feuerwaffen und wesentlichen Bestandteile und um deren freien Verkehr zu erleichtern, sollten alle Feuerwaffen oder ihre wesentlichen Bestandteile mit einer lesbaren, dauerhaften und eindeutigen Kennzeichnung versehen und in Waffenregistern der Mitgliedstaaten erfasst werden.

(9)      Angesichts der Gefährlichkeit und der Langlebigkeit von Feuerwaffen und wesentlichen Bestandteilen ist es erforderlich, dass die in den Waffenregistern gespeicherten Aufzeichnungen nach der Vernichtung der betreffenden Feuerwaffen oder der wesentlichen Bestandteile 30 Jahre lang aufbewahrt werden, damit sichergestellt wird, dass die zuständigen Behörden die Feuerwaffen und die wesentlichen Bestandteile für Verwaltungs- und Strafverfahren sowie unter Berücksichtigung des einzelstaatlichen Verfahrensrechts nachverfolgen können. Der Zugang zu diesen Aufzeichnungen und allen zugehörigen personenbezogenen Daten sollte den zuständigen Behörden vorbehalten und nur bis zu zehn Jahre nach der Vernichtung der betreffenden Feuerwaffe oder wesentlichen Bestandteile zum Zwecke der Erteilung oder des Entzugs einer Genehmigung oder für Zollverfahren, einschließlich der etwaigen Verhängung von Ordnungsstrafen, und bis zu 30 Jahre nach der Vernichtung der betreffenden Feuerwaffe oder wesentlichen Bestandteilen gestattet sein, sofern dieser Zugang für die Durchsetzung des Strafrechts erforderlich ist.

(15)      Für die gefährlichsten Feuerwaffen sollten strengere Vorschriften in die Richtlinie 91/477… aufgenommen werden, damit sichergestellt ist, dass – von einigen begrenzten und hinreichend begründeten Ausnahmen abgesehen – diese Feuerwaffen nicht gekauft, besessen oder gehandelt werden dürfen. Werden diese Vorschriften nicht befolgt, sollten die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, wozu auch die Beschlagnahme derartiger Feuerwaffen gehören könnte.

(20)      Es besteht ein hohes Risiko dafür, dass akustische Waffen und andere Typen von nicht scharfen Waffen in echte Feuerwaffen umgebaut werden. Daher ist es unbedingt erforderlich, das Problem der Verwendung solcher umgebauter Feuerwaffen bei der Begehung krimineller Handlungen anzugehen, und zwar insbesondere, indem derartige Waffen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 91/477… einbezogen werden. Um ferner der Gefahr entgegenzuwirken, dass Schreckschuss- und Signalwaffen so konstruiert sind, dass ein Umbau möglich ist, so dass damit Schrot, Kugeln oder Geschosse mittels einer Treibladung abgefeuert werden können, sollte die Kommission technische Spezifikationen erlassen, damit sie nicht in dieser Weise umgebaut werden können.

(21)      Angesichts des hohen Risikos einer Reaktivierung unsachgemäß deaktivierter Feuerwaffen und zur Erhöhung der Sicherheit in der gesamten Union sollten diese Feuerwaffen unter die Richtlinie 91/477… fallen. …

(23)      Einige halbautomatische Feuerwaffen können leicht zu automatischen Feuerwaffen umgebaut werden, so dass sie ein Sicherheitsrisiko darstellen. Auch wenn kein solcher Umbau erfolgt, können bestimmte halbautomatische Feuerwaffen sehr gefährlich sein, wenn sie über eine hohe Munitionskapazität verfügen. Deshalb sollte eine zivile Verwendung von halbautomatischen Feuerwaffen mit fest montierter Ladevorrichtung, die es ermöglicht, eine hohe Anzahl von Schüssen abzufeuern, sowie von halbautomatischen Feuerwaffen mit abnehmbarer Ladevorrichtung mit hoher Kapazität verboten sein. Die bloße Möglichkeit, eine Ladevorrichtung mit einer Kapazität von mehr als zehn Patronen bei Lang-Feuerwaffen und von mehr als zwanzig Patronen bei Kurz-Feuerwaffen anzubringen, hat keinen Einfluss auf die Einstufung der Feuerwaffe in eine bestimmte Kategorie.

(27)      Wenn die Mitgliedstaaten über einzelstaatliches Recht zu historischen Waffen verfügen, unterliegen diese Waffen nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/477…. Nachbildungen historischer Waffen kommt jedoch nicht dieselbe historische Bedeutung bzw. nicht dasselbe historische Interesse zu, und sie können unter Verwendung moderner Techniken hergestellt werden, mit denen die Haltbarkeit verlängert und die Genauigkeit verbessert werden kann. Diese nachgebildeten Feuerwaffen sollten daher in den Anwendungsbereich der Richtlinie 91/477… aufgenommen werden. [Die] Richtlinie 91/477… ist nicht auf andere Objekte, wie etwa Softairwaffen, die nicht der Definition einer Feuerwaffe entsprechen, anwendbar; sie werden daher nicht in jener Richtlinie geregelt.

(33)      Da die Ziele dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen des Umfangs oder der Wirkungen der Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 [EUV] verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(36)      Für die Schweiz stellen die vorliegende Richtlinie und die Richtlinie 91/477… eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands [(ABl. 2008, L 53, S. 52)] dar, die zu dem in Artikel 1 des Beschlusses 1999/437/EG [des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. 1999, L 176, S. 31)] in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/146/EG [des Rates vom 28. Januar 2008 über den Abschluss – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. 2008, L 53, S. 1)] genannten Bereich gehören.“

9        Art. 1 Nr. 6 der angefochtenen Richtlinie lautet:

„[Die] Artikel 5 und 6 erhalten folgende Fassung:

‚Artikel 5

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigung für den Erwerb oder die Genehmigung für den Besitz einer Feuerwaffe der Kategorie B entzogen wird, wenn festgestellt wird, dass die Person, der die Genehmigung erteilt wurde, sich im Besitz einer Ladevorrichtung befindet, die an halbautomatische Zentralfeuerwaffen oder Repetierwaffen montiert werden kann und:

a)      die mehr als 20 Patronen aufnehmen kann oder[,]

b)      im Falle von Lang-Feuerwaffen, die mehr als zehn Patronen aufnehmen kann,

es sei denn, der entsprechenden Person wurde eine Genehmigung gemäß Artikel 6 oder eine Genehmigung, die gemäß Artikel 7 Absatz 4a bestätigt, erneuert oder verlängert wurde, erteilt.

Artikel 6

(1)      Unbeschadet des Artikels 2 Absatz 2 treffen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen, um den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen, wesentlichen Bestandteilen und Munition der Kategorie A zu verbieten. Sie sorgen für die Beschlagnahme dieser Feuerwaffen, wesentlichen Bestandteile und der Munition, die unter Missachtung dieses Verbots unrechtmäßig besessen werden.

(2)      Zum Schutz der Sicherheit kritischer Infrastruktur, der kommerziellen Schifffahrt und Werttransporte und sensibler Anlagen, zum Zwecke der nationalen Verteidigung sowie zu bildungsbezogenen, kulturellen, Forschungs- und historischen Zwecken können die nationalen zuständigen Behörden unbeschadet von Absatz 1 in Einzelfällen ausnahmsweise und unter hinreichender Begründung Genehmigungen für Feuerwaffen, wesentliche Bestandteile und Munition der Kategorie A erteilen, sofern dies der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht entgegensteht.

(3)      Die Mitgliedstaaten können Sammlern in besonderen Einzelfällen ausnahmsweise und unter hinreichender Begründung eine Genehmigung für den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen, wesentlichen Bestandteilen und Munition der Kategorie A unter Einhaltung strenger Sicherheitsvorschriften erteilen, wobei gegenüber den nationalen zuständigen Behörden auch nachzuweisen ist, dass Maßnahmen zur Verhinderung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung getroffen wurden und die Feuerwaffen, wesentlichen Bestandteile und die Munition so aufbewahrt werden, dass die gewährte Sicherheit in einem angemessenen Verhältnis zu den mit einem unbefugten Zugang zu diesen Gütern verbundenen Gefahren steht.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Sammler, denen eine Genehmigung gemäß Unterabsatz 1 dieses Absatzes erteilt wurde, in den Waffenregistern nach Artikel 4 ermittelt werden können. Diese Sammler mit Genehmigung müssen alle Feuerwaffen der Kategorie A in ihrem Besitz in einem Waffenbuch erfassen, auf das die nationalen zuständigen Behörden zugreifen können. Die Mitgliedstaaten führen für diese Sammler mit Genehmigung ein angemessenes Überwachungssystem ein und berücksichtigen dabei alle wesentlichen Faktoren.

(4)      Die Mitgliedstaaten können Waffenhändlern und Maklern gestatten, jeweils im Rahmen ihrer Berufsausübung Feuerwaffen, wesentliche Bestandteile und Munition der Kategorie A unter Einhaltung strenger Sicherheitsvorschriften zu erwerben, herzustellen, zu deaktivieren, zu reparieren, zu liefern, zu verbringen und zu besitzen.

(5)      Die Mitgliedstaaten können Museen gestatten, Feuerwaffen, wesentliche Bestandteile und Munition der Kategorie A unter Einhaltung strenger Sicherheitsvorschriften zu erwerben und zu besitzen.

(6)      Die Mitgliedstaaten können Sportschützen den Erwerb und Besitz von in Kategorie A Nummer 6 oder 7 eingestuften halbautomatischen Feuerwaffen unter folgenden Voraussetzungen gestatten:

a)      Es liegt eine zufriedenstellende Beurteilung der relevanten Angaben vor, die sich aus Artikel 5 Absatz 2 ergeben;

b)      es wird der Nachweis erbracht, dass der betreffende Sportschütze aktiv für Schießwettbewerbe, die von einer offiziellen Sportschützenorganisation des betreffenden Mitgliedstaats oder einem offiziell anerkannten internationalen Sportschützenverband anerkannt werden, trainiert bzw. an diesen teilnimmt, und

c)      es wird eine Bescheinigung einer offiziell anerkannten Sportschützenorganisation vorgelegt, in der bestätigt wird, dass

i)      der Sportschütze Mitglied eines Schützenvereins ist und in diesem Verein seit mindestens 12 Monaten regelmäßig den Schießsport trainiert und

ii)      die betreffende Feuerwaffe die Spezifikationen erfüllt, die für eine von einem offiziell anerkannten internationalen Sportschützenverband anerkannte Disziplin des Schießsports erforderlich ist.

In Bezug auf Feuerwaffen der Kategorie A Nummer 6 können Mitgliedstaaten, in denen allgemeine Wehrpflicht herrscht und in denen seit über 50 Jahren ein System der Weitergabe militärischer Feuerwaffen an Personen besteht, die die Armee nach Erfüllung ihrer Wehrpflicht verlassen, an diese Personen in ihrer Eigenschaft als Sportschützen eine Genehmigung erteilen, eine während des Wehrdienstes benutzte Feuerwaffe zu behalten. Die betreffende staatliche Behörde wandelt diese Feuerwaffen in halbautomatische Feuerwaffen um und überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Personen, die diese Feuerwaffen verwenden, keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Es gelten die Bestimmungen von Unterabsatz 1 Buchstaben a, b und c.

(7)      Gemäß diesem Artikel erteilte Genehmigungen werden regelmäßig, spätestens jedoch alle fünf Jahre überprüft.‘“

10      Art. 1 Nr. 7 dieser Richtlinie sieht vor:

„Artikel 7 wird wie folgt geändert:

b)      Folgender Absatz wird eingefügt:

‚(4a)      Die Mitgliedstaaten können beschließen, Genehmigungen für halbautomatische Feuerwaffen der Kategorie A Nummer 6, 7 oder 8 für eine Feuerwaffe, die in die Kategorie B eingeteilt war und die vor dem 13. Juni 2017 rechtmäßig erworben und eingetragen wurde, unter den sonstigen in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen zu bestätigen, zu erneuern oder zu verlängern. Sie können gestatten, dass solche Feuerwaffen von anderen Personen erworben werden, denen ein Mitgliedstaat gemäß dieser Richtlinie in der durch die [angefochtene] Richtlinie … geänderten Fassung die Genehmigung dazu erteilt hat.‘“

11      Art. 1 Nr. 13 der angefochtenen Richtlinie bestimmt:

„Artikel 12 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

b)      Unterabsatz 3 erhält folgende Fassung:

‚Diese Ausnahmeregelung gilt jedoch nicht, wenn das Reiseziel ein Mitgliedstaat ist, der gemäß Artikel 8 Absatz 3 den Erwerb und den Besitz der betreffenden Feuerwaffe untersagt oder von einer Genehmigung abhängig macht. In diesem Fall ist ein besonderer Vermerk in den Europäischen Feuerwaffenpass einzutragen. Die Mitgliedstaaten können die Anwendung dieser Ausnahmeregelung im Fall von Feuerwaffen der Kategorie A, für die eine Genehmigung nach Artikel 6 Absatz 6 erteilt oder für die die Genehmigung nach Artikel 7 Absatz 4a bestätigt, erneuert oder verlängert wurde, ablehnen.‘“

12      Art. 1 Nr. 19 der angefochtenen Richtlinie ändert Anhang I Abschnitt II der Richtlinie 91/477 wie folgt:

„…

ii)      In Kategorie A werden die folgenden Nummern eingefügt:

‚6.      automatische Feuerwaffen, die zu halbautomatischen Feuerwaffen umgebaut wurden, unbeschadet des Artikels 7 Absatz 4a;

7.      jede der folgenden halbautomatischen Zentralfeuerwaffen:

a)      Kurz-Feuerwaffen, mit denen ohne Nachladen mehr als 21 Schüsse abgegeben werden können, sofern:

i)      eine Ladevorrichtung mit einer Kapazität von mehr als 20 Patronen in diese Feuerwaffe eingebaut ist; oder

ii)      eine abnehmbare Ladevorrichtung mit einer Kapazität von mehr als 20 Patronen eingesetzt wird;

b)      Lang-Feuerwaffen, mit denen ohne Nachladen mehr als elf Schüsse abgegeben werden können, sofern:

i)      eine Ladevorrichtung mit einer Kapazität von mehr als zehn Patronen in diese Feuerwaffe eingebaut ist;

ii)      oder eine abnehmbare Ladevorrichtung mit einer Kapazität von mehr als zehn Patronen eingesetzt wird;

8.      halbautomatische Lang-Feuerwaffen (d. h. Feuerwaffen, die ursprünglich als Schulterwaffen vorgesehen sind), die ohne Funktionseinbuße mit Hilfe eines Klapp- oder Teleskopschafts oder eines ohne Verwendung eines Werkzeugs abnehmbaren Schafts auf eine Länge unter 60 cm gekürzt werden können;

9.      sämtliche Feuerwaffen dieser Kategorie, die für das Abfeuern von Platzpatronen, Reizstoffen, sonstigen aktiven Substanzen oder pyrotechnischer Munition oder in Salutwaffen oder akustische Waffen umgebaut wurden‘[;]

iv)      Kategorie C erhält folgende Fassung:

‚Kategorie C – Meldepflichtige Feuerwaffen und Waffen

3.      andere halbautomatische Lang-Feuerwaffen als die, die unter Kategorie A oder B aufgeführt sind;

5.      sämtliche Feuerwaffen dieser Kategorie, die für das Abfeuern von Platzpatronen, Reizstoffen, sonstigen aktiven Substanzen oder pyrotechnischer Munition oder in Salutwaffen oder akustische Waffen umgebaut wurden;

6.      Feuerwaffen der Kategorien A oder B oder dieser Kategorie, die gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2403 deaktiviert worden sind;

…‘

v)      Kategorie D wird gestrichen.

…“

 Interinstitutionelle Vereinbarung

13      Die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016 (ABl. 2016, L 123, S. 1, im Folgenden: Interinstitutionelle Vereinbarung) handelt in ihren Nrn. 12 bis 18 von Folgenabschätzungen und bestimmt in ihren Nrn. 12 bis 15:

„(12)      Die drei Organe stimmen darin überein, dass Folgenabschätzungen zur qualitativen Verbesserung der Rechtsvorschriften der Union beitragen.

Folgenabschätzungen stellen ein Instrument dar, das den drei Organen dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen, und sind kein Ersatz für politische Entscheidungen im demokratischen Entscheidungsprozess. Folgenabschätzungen dürfen weder zu unnötigen Verzögerungen im Rechtsetzungsverfahren führen, noch dürfen sie die Fähigkeit der Mitgesetzgeber, Änderungen vorzuschlagen, beeinträchtigen.

Mit einer Folgenabschätzung sollten das Vorhandensein, der Umfang und die Auswirkungen eines Problems sowie die Frage geklärt werden, ob ein Tätigwerden der Union angezeigt ist oder nicht. Mit einer Folgenabschätzung sollten alternative Lösungswege und nach Möglichkeit die potenziellen kurz- und langfristigen Kosten und Vorteile aufgezeigt werden, beruhend auf einer integrierten und ausgewogenen Bewertung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie unter Vornahme einer qualitativen wie auch einer quantitativen Prüfung. Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sollten uneingeschränkt geachtet werden, ebenso wie die Grundrechte. Ferner sollten in einer Folgenabschätzung nach Möglichkeit die ‚Kosten des Nicht-Europas‘ sowie die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und der mit den verschiedenen Lösungen verbundene Verwaltungsaufwand unter besonderer Berücksichtigung der KMU (‚Vorfahrt für KMU‘), digitaler Aspekte und der territorialen Auswirkungen behandelt werden. Folgenabschätzungen sollten sich auf korrekte, objektive und vollständige Angaben stützen und im Hinblick auf Umfang und Schwerpunkt verhältnismäßig sein.

(13)      Die Kommission wird ihre Gesetzgebungsinitiativen …, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung unterziehen. Die im Arbeitsprogramm der Kommission oder in der gemeinsamen Erklärung aufgeführten Initiativen werden generell von einer Folgenabschätzung begleitet.

Bei der Durchführung ihrer eigenen Folgenabschätzungen wird die Kommission möglichst umfassende Konsultationen durchführen. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle der Kommission wird die Folgenabschätzungen einer objektiven Qualitätskontrolle unterziehen. Die Endergebnisse der Folgenabschätzungen werden dem … Parlament, dem Rat und den nationalen Parlamenten zur Verfügung gestellt und bei Annahme der Kommissionsinitiative zusammen mit der Stellungnahme bzw. den Stellungnahmen des Ausschusses für Regulierungskontrolle öffentlich bekannt gemacht.

(14)      Das … Parlament und der Rat werden bei der Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge der Kommission in vollem Umfang die Folgenabschätzungen der Kommission berücksichtigen. Zu diesem Zweck werden die Folgenabschätzungen so dargelegt, dass das … Parlament und der Rat die Entscheidungen der Kommission leichter prüfen können.

(15)      Wenn sie dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten, werden das … Parlament und der Rat Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen wesentlichen Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchführen. Das … Parlament und der Rat werden in der Regel die Folgenabschätzung der Kommission als Ausgangspunkt für ihre weiteren Arbeiten zugrunde legen. Was als ‚wesentliche‘ Abänderung zu betrachten ist, sollte das jeweilige Organ bestimmen.“

 Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

14      Die Tschechische Republik beantragt,

–        die angefochtene Richtlinie für nichtig zu erklären sowie dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen;

–        hilfsweise,

–        Art. 1 Nr. 6 der angefochtenen Richtlinie insoweit für nichtig zu erklären, als er Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 in die Richtlinie 91/477 einfügt,

–        Art. 1 Nr. 7 der angefochtenen Richtlinie insoweit für nichtig zu erklären, als er Art. 7 Abs. 4a in die Richtlinie 91/477 einfügt,

–        Art. 1 Nr. 19 der angefochtenen Richtlinie insoweit für nichtig zu erklären, als er

–        in Anhang I Abschnitt II in Kategorie A der Richtlinie 91/477 die Nrn. 6, 7 und 8 einfügt,

–        Anhang I Abschnitt II Kategorie B ändert,

–        in Anhang I Abschnitt II in Kategorie C Nr. 6 einfügt,

–        Anhang I Abschnitt III ändert, und

–        dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

15      Das Parlament und der Rat, dieser in erster Linie, beantragen, die Klage abzuweisen und der Tschechischen Republik die Kosten aufzuerlegen. Hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof die angefochtene Richtlinie für nichtig erklären sollte, beantragt der Rat, die Aufrechterhaltung ihrer Wirkungen für einen Zeitraum anzuordnen, der ausreicht, um die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen.

16      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. Januar 2018 sind Ungarn und die Republik Polen als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Tschechischen Republik zugelassen worden.

17      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom selben Tag sind die Französische Republik und die Kommission als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen worden.

18      Gleichzeitig mit der Einreichung der vorliegenden Klage hat die Tschechische Republik einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie die Anordnung der Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Richtlinie begehrt.

19      Mit Beschluss vom 27. Februar 2018, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17 R, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:119), hat der Vizepräsident des Gerichtshofs diesen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen, da die Tschechische Republik nicht dargelegt hatte, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt war, und die Entscheidung über die Kosten dem vorliegenden Verfahren vorbehalten.

 Zur Klage

20      Zur Stützung ihrer Anträge macht die Tschechische Republik vier Klagegründe geltend. Mit dem ersten rügt sie eine Verletzung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung, mit dem zweiten eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, mit dem dritten eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, mit dem vierten eine Verletzung des Diskriminierungsverbots.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung

 Vorbringen der Parteien

21      Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Tschechische Republik geltend, dass zwar die Richtlinie 91/477 das Ziel verfolge, die uneinheitlichen nationalen Vorschriften über den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen zu harmonisieren, um die Hindernisse für den Binnenmarkt zu beseitigen, dies bei der angefochtenen Richtlinie jedoch nicht der Fall sei. Ausweislich ihres Inhalts und ihrer Begründung bestünden die von ihr verfolgten Ziele nämlich ausschließlich darin, eine Erhöhung der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit terroristischer Bedrohung und anderen Formen der Kriminalität zu gewährleisten. Aus der Begründung der angefochtenen Richtlinie gehe hervor, dass sie weder mit bestehenden Hindernissen noch der Gefahr von Hindernissen für das Funktionieren des Binnenmarkts, sondern ausschließlich mit der Bekämpfung der missbräuchlichen Verwendung von Feuerwaffen zu kriminellen und terroristischen Zwecken gerechtfertigt werde.

22      Daher ist die Tschechische Republik der Auffassung, dass Art. 114 AEUV keine geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Richtlinie darstellen könne. Denn aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den freien Warenverkehr das Hauptziel der auf der Grundlage dieses Artikels erfolgenden Rechtsetzung der Union sein müsse und andere Ziele nur akzessorisch sein dürften. Das Verbot des Besitzes bestimmter halbautomatischer Feuerwaffen und ihrer Ladevorrichtungen, das die hauptsächliche Neuerung der angefochtenen Richtlinie sei, weise keinen Zusammenhang mit den punktuellen Unzulänglichkeiten des Funktionierens des Binnenmarkts auf, die die Kommission festgestellt habe.

23      Zudem gebe es gegenwärtig in den Verträgen keine Rechtsgrundlage, die den Erlass einer solchen Verbotsmaßnahme gestatte. Im Bereich der Kriminalitäts- und Terrorismusprävention sei die Harmonisierung nämlich ausdrücklich durch Art. 84 AEUV ausgeschlossen. Dies entspreche Art. 4 Abs. 2 EUV, wonach die Mitgliedstaaten für die nationale Sicherheit in ihrem Hoheitsgebiet alleinverantwortlich seien und die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in diesem Hoheitsgebiet haben müssten. Durch den Erlass der angefochtenen Richtlinie habe der Unionsgesetzgeber folglich seine Kompetenzen überschritten und gegen Art. 5 Abs. 2 EUV verstoßen.

24      Die Tschechische Republik betont, dass sie das Recht des Unionsgesetzgebers, geltende Richtlinien zu ändern, nicht in Frage stelle. Deren Änderungen müssten jedoch auf einer ihren Zielen entsprechenden Rechtsgrundlage und innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten der Union erlassen werden, unter Ausschluss von Maßnahmen, die im ursprünglichen Text nicht hätten enthalten sein können, die nicht auf eine eigene Rechtsgrundlage gestützt seien und die über die Zuständigkeiten der Union hinausgingen.

25      Ungarn unterstützt das Vorbringen der Tschechischen Republik und fügt hinzu, dass zur Bestimmung der Rechtsgrundlage einer ändernden Regelung der Rechtsakt, in den sich die fragliche Regelung einfüge, in seiner Gesamtheit geprüft werden müsse, sich daraus allerdings nicht ableiten lasse, dass die Rechtsgrundlage des ändernden Rechtsakts dadurch zu ermitteln sei, dass nur die Zielsetzungen und der Inhalt des geänderten Rechtsakts berücksichtigt würden. Denn dies würde es dem Unionsgesetzgeber ermöglichen, von den in den Verträgen vorgesehenen Verfahrensvorschriften, wie der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit oder der einstimmigen Abstimmung, abzuweichen und – wie im vorliegenden Fall – den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung zu umgehen.

26      Selbst wenn im vorliegenden Fall einzuräumen wäre, dass unter Berücksichtigung der ursprünglichen Ziele der Richtlinie 91/477 der Gegenstand der angefochtenen Richtlinie den von Art. 114 AEUV erfassten Zielen nicht ganz fremd sei, so wären diese Ziele bei der angefochtenen Richtlinie im Verhältnis zum Hauptziel der in ihr enthaltenen Änderungen, nämlich der Kriminalprävention, allenfalls akzessorischer Art. Folglich könne Art. 114 AEUV nicht als Rechtsgrundlage für diese Richtlinie dienen.

27      Auch die Republik Polen unterstützt das Vorbringen der Tschechischen Republik und fügt hinzu, dass das Wesen selbst des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung in Frage gestellt werde, wenn auf der Grundlage der ursprünglich für den Erlass dieses Unionsrechtsakts angewandten Rechtsgrundlage eine Änderung eines Aktes unabhängig von Zielsetzung und Inhalt der in dieser Weise vorgenommenen Änderung erlassen werde.

28      Darüber hinaus macht die Republik Polen geltend, dass nur Munitionen – und nicht Feuerwaffen – nach dem Unionsrecht gefährliche Waren darstellten, so dass es nicht möglich sei, zur Rechtfertigung von Maßnahmen, die darin bestünden, das Inverkehrbringen bestimmter Feuerwaffen zu verbieten oder die Voraussetzungen für deren Erwerb, Besitz und freien Verkehr im Binnenmarkt zu harmonisieren, mit der angeblichen Gefährlichkeit von Feuerwaffen zu argumentieren.

29      Im Übrigen fördere das Verbot, bestimmte Kategorien von Feuerwaffen in Verkehr zu bringen, nicht das Funktionieren des Binnenmarkts. Vielmehr ergäben sich durch die angefochtene Richtlinie neue Hindernisse für dieses Funktionieren, da sie den Zeitpunkt, ab dem Feuerwaffen als historische Waffen anzusehen seien, nicht vereinheitliche und nicht nur neue mehrdeutige Definitionen, sondern auch Vorschriften eingeführt habe, welche Elemente enthielten, die zu einer unterschiedlichen Umsetzung im nationalen Recht der Mitgliedstaaten führen könnten.

30      Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Französische Republik und die Kommission, treten dem Vorbringen der Tschechischen Republik und dem zu deren Unterstützung geltend gemachten Vortrag Ungarns und der Republik Polen entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

31      Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs die Wahl der Rechtsgrundlage eines Unionsrechtsakts auf objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Umständen beruhen muss, zu denen das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören. Ergibt die Prüfung des betreffenden Rechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert (Urteil vom 23. Januar 2018, Buhagiar u. a., C‑267/16, EU:C:2018:26, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Zudem geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass zur Bestimmung der richtigen Rechtsgrundlage der rechtliche Zusammenhang, in den sich eine neue Regelung einfügt, berücksichtigt werden kann, insbesondere soweit dieser Zusammenhang Aufschluss über das Ziel dieser Regelung zu geben vermag (Urteil vom 3. September 2009, Parlament/Rat, C‑166/07, EU:C:2009:499, Rn. 52).

33      Nach Art. 114 Abs. 1 AEUV erlassen das Parlament und der Rat die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.

34      Hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmung reicht nach ständiger Rechtsprechung zwar die bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Regelungen nicht aus, um die Heranziehung von Art. 114 AEUV zu rechtfertigen, etwas anderes gilt jedoch im Fall von Unterschieden zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Außerdem kann Art. 114 AEUV zwar als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um der Entstehung neuer Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, doch muss das Entstehen solcher Hindernisse wahrscheinlich sein und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezwecken (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass der Unionsgesetzgeber, wenn die Voraussetzungen für die Heranziehung von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage erfüllt sind, nicht daran gehindert sein kann, sich auf diese Grundlage zu stützen, weil den in Art. 114 Abs. 3 AEUV genannten allgemeinen Interessen, zu denen die Sicherheit gehört, bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Wenn demnach Handelshemmnisse bestehen oder solche Hemmnisse wahrscheinlich entstehen werden, weil die Mitgliedstaaten hinsichtlich eines Erzeugnisses oder einer Erzeugnisgruppe divergierende Maßnahmen erlassen haben oder zu erlassen im Begriff sind, die ein unterschiedliches Schutzniveau gewährleisten und dadurch den freien Verkehr mit dem oder den betreffenden Erzeugnissen in der Union behindern, ermächtigt Art. 114 AEUV den Unionsgesetzgeber, tätig zu werden, indem er unter Beachtung von Abs. 3 dieses Artikels und der im AEU-Vertrag genannten oder in der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die geeigneten Maßnahmen trifft (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Darüber hinaus kann der Unionsgesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung, wenn ein auf Art. 114 AEUV gestützter Rechtsakt bereits jedes Handelshemmnis beseitigt hat, im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein, diesen Rechtsakt den Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen (Urteil vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a., C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

39      In einem solchen Fall kann der Unionsgesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz der im Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 77).

40      Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zu entnehmen, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Union darstellt. Das Gleiche gilt für die Bekämpfung schwerer Kriminalität zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Vorliegend macht die Tschechische Republik, unterstützt durch Ungarn und die Republik Polen, im Wesentlichen geltend, dass die Rechtsgrundlage der angefochtenen Richtlinie durch eine isolierte Prüfung dieser Richtlinie zu bestimmen sei. Das Parlament und der Rat, die in diesem Punkt von der Französischen Republik unterstützt werden, machen geltend, diese Prüfung sei durchzuführen, indem vor allem die Richtlinie 91/477 berücksichtigt werde, die durch die angefochtene Richtlinie geändert werden solle.

42      Hierzu ist zum einen festzustellen, dass sich insbesondere aus der in den Rn. 32, 38 und 39 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, dass bei einer Regelung, die eine bestehende Regelung ändert, für die Bestimmung der Rechtsgrundlage dieser Regelung auch die bestehende Regelung, die durch sie geändert wird, und vor allem deren Ziel sowie deren Inhalt zu berücksichtigen sind.

43      Da die angefochtene Richtlinie eine Richtlinie ist, die die Richtlinie 91/477 ändert, indem sie in diese Richtlinie u. a. neue Bestimmungen einfügt, stellt die Richtlinie 91/477 den rechtlichen Zusammenhang der angefochtenen Richtlinie dar. Dies belegen insbesondere die Erwägungsgründe 1 und 2 der angefochtenen Richtlinie, die sich auf das durch die Richtlinie 91/477 hergestellte Gleichgewicht beziehen zwischen einerseits der Verpflichtung, den freien Verkehr für bestimmte Feuerwaffen und ihre wesentlichen Bestandteile in der Union zu gewährleisten, und andererseits der Notwendigkeit, diesen freien Verkehr durch speziell an diese Waren angepasste Sicherheitsgarantien einzuschränken, sowie darauf, dass die Anpassung dieses Gleichgewichts zur Bekämpfung einer missbräuchlichen Verwendung von Feuerwaffen für kriminelle Zwecke und im Hinblick auf „die terroristischen Anschläge der jüngsten Zeit“ erforderlich ist.

44      Zum anderen könnte der von der Tschechischen Republik, unterstützt durch Ungarn und die Republik Polen, befürwortete Ansatz zu einem widersinnigen Ergebnis führen, nämlich dazu, dass der ändernde Rechtsakt nicht auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassen werden könnte, obwohl es dem Unionsgesetzgeber möglich wäre, rechtsetzungstechnisch zu demselben Ergebnis zu gelangen, indem er den ursprünglichen Rechtsakt aufhebt und ihn in Gestalt eines neuen, auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassenen Rechtsakts komplett neu fasst.

45      Daher ist entgegen dem Vorbringen dieser Mitgliedstaaten und dem zutreffenden Vorbringen von Parlament und Rat folgend im vorliegenden Fall die Rechtsgrundlage zu bestimmen, auf der die angefochtene Richtlinie zu erlassen war, wobei insbesondere der von der Richtlinie 91/477 geschaffene Zusammenhang sowie die Regelung zu berücksichtigen sind, die sich aus den Änderungen dieser Richtlinie durch die angefochtene Richtlinie ergibt.

46      Was als Erstes die Richtlinie 91/477 betrifft, geht aus ihren Erwägungsgründen 2 bis 4 hervor, dass sie erlassen wurde, um den Binnenmarkt zu verwirklichen, und dass in diesem Zusammenhang die Abschaffung der Sicherheitskontrollen der beförderten Gegenstände und der Personenkontrollen u. a. eine Rechtsangleichung mittels einer wirksamen Regelung über Feuerwaffen erforderte, die innerhalb der Mitgliedstaaten die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Feuerwaffen sowie ihres Verbringens ermöglichte. Nach dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie schafft eine solche teilweise harmonisierte Regelung unter den Mitgliedstaaten ein größeres gegenseitiges Vertrauen hinsichtlich der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Urteil vom 23. Januar 2018, Buhagiar u. a., C‑267/16, EU:C:2018:26, Rn. 43).

47      Mit ihrem Inhalt stellt die Richtlinie 91/477 einen harmonisierten Mindestrahmen für den Besitz und den Erwerb von Feuerwaffen sowie für deren Verbringung zwischen den Mitgliedstaaten her. Zu diesem Zweck sieht sie Vorschriften über die Voraussetzungen vor, unter denen die verschiedenen Kategorien von Feuerwaffen erworben und besessen werden können, und zugleich bestimmt sie, dass der Erwerb bestimmter Arten von Feuerwaffen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu verbieten ist. Zudem enthält die Richtlinie Vorschriften zur Harmonisierung der Verwaltungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Verkehr von Feuerwaffen für den zivilen Gebrauch, deren Grundprinzip darin besteht, dass der Verkehr von Feuerwaffen verboten ist, es sei denn, die dafür vorgesehenen Verfahren der Richtlinie werden eingehalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2018, Buhagiar u. a., C‑267/16, EU:C:2018:26, Rn. 49 bis 51).

48      Daher hat der Gerichtshof befunden, dass die Richtlinie 91/477 eine Maßnahme darstellt, die im Hinblick auf den freien Verkehr von Waren, hier von Feuerwaffen für den zivilen Gebrauch, eine Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gewährleisten, dabei aber zugleich diese Freiheit durch an die Art dieser Waren angepasste Sicherheitsgarantien beschränken soll (Urteil vom 23. Januar 2018, Buhagiar u. a., C‑267/16, EU:C:2018:26, Rn. 52).

49      Als Zweites geht zur Zielsetzung der angefochtenen Richtlinie aus deren zweitem Erwägungsgrund hervor, dass sie bestimmte Aspekte der Richtlinie 91/477 weiter verbessern und das Gleichgewicht zwischen zum einen dem freien Verkehr der betreffenden Waren und zum anderen Sicherheitsgarantien u. a. im Hinblick auf die „terroristischen Anschläge der jüngsten Zeit“ anpassen soll. Zwar ist insbesondere den Erwägungsgründen 9, 15, 20, 21 und 23 der angefochtenen Richtlinie, die u. a. die gefährlichsten Feuerwaffen, deaktivierte und halbautomatische Feuerwaffen betreffen, zu entnehmen, dass Sicherheitserwägungen im Zusammenhang mit diesen verschiedenen Arten von Feuerwaffen den Unionsgesetzgeber veranlasst haben, für diese Waffen strengere Vorschriften vorzusehen. Gleichwohl wollte er mit dem Erlass dieser Richtlinie auch den freien Verkehr bestimmter Waffen erleichtern, wie dies insbesondere der sechste Erwägungsgrund dieser Richtlinie belegt, der die Kennzeichnung von Feuerwaffen und ihren wesentlichen Bestandteilen betrifft.

50      Sodann ist hinsichtlich des Inhalts der angefochtenen Richtlinie darauf hinzuweisen, dass ihr Art. 1 Nr. 1 genaue Definitionen u. a. der Personen, der Gegenstände und der Tätigkeiten enthält, die der neuen Regelung unterliegen. Art. 1 Nr. 3 führt ein neues Kennzeichnungssystem für Feuerwaffen und deren wesentliche Bestandteile ein, regelt die Tätigkeit von Waffenhändlern und Maklern und erläutert im Einzelnen die Angaben, die in den Datenbanken der Mitgliedstaaten zu erfassen sind, die Speicherung und die Zugänglichkeit dieser Daten. Art. 1 Nr. 6 führt die Voraussetzungen auf, unter denen Genehmigungen für den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen erteilt und entzogen werden, enthält Vorschriften über die Überwachung von Feuerwaffen, um das Risiko des unbefugten Zugriffs auf Feuerwaffen zu minimieren, verbietet den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen der Kategorie A und präzisiert die Ausnahmen von diesem Verbot. Art. 1 Nr. 7 verpflichtet zu einer regelmäßigen Überprüfung der Genehmigungen für den Besitz von Feuerwaffen und sieht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, eine weitere Ausnahme vom Verbot des Besitzes von Feuerwaffen der Kategorie A zu beschließen. Art. 1 Nr. 8 der angefochtenen Richtlinie weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten den Erwerb oder den Besitz von Feuerwaffen der Kategorien B und C untersagen können. Art. 1 Nr. 9 unterwirft Munitionen und Ladevorrichtungen der gleichen Regelung wie derjenigen, die für die Feuerwaffen gilt, für die sie vorgesehen sind. Art. 1 Nr. 10 regelt Schreckschuss- und Signalwaffen sowie deaktivierte Waffen. Art. 1 Nr. 12 verbietet grundsätzlich die Verbringung von Feuerwaffen von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, und Art. 1 Nr. 13 enthält die Ausnahmen von diesem Verbringungsverbot. Art. 1 Nr. 14 der angefochtenen Richtlinie betrifft den Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten, und Art. 1 Nr. 19 ändert Anhang I der Richtlinie 91/477 durch eine detaillierte Auflistung der Einteilung von Waffen in die Kategorien A bis C.

51      Die angefochtene Richtlinie umfasst folglich genauso wie die Richtlinie 91/477 Vorschriften über den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen sowie deren Verbringung zwischen den Mitgliedstaaten. Insbesondere regeln diese Vorschriften den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen durch Privatpersonen, indem sie u. a. vorsehen, dass bestimmte dieser Waffen verboten sind, wohingegen andere genehmigungs- oder meldepflichtig sind. Sie harmonisieren darüber hinaus die Verwaltungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den freien Verkehr von Feuerwaffen für den zivilen Gebrauch.

52      Schließlich geht aus verschiedenen bei der Vorbereitung der angefochtenen Richtlinie herangezogenen und dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen hervor, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Richtlinie in einem Sicherheitsrahmen, der sich entwickelt hatte, die Sicherheit der Unionsbürger tatsächlich gewährleisten und dabei das Funktionieren des Binnenmarkts für Feuerwaffen durch die Schaffung von Lösungen für die festgestellten Probleme verbessern wollte. Die REFIT‑Bewertung ergab u. a., dass das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Feuerwaffen zum zivilen Gebrauch durch Diskrepanzen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Einstufung von Feuerwaffen in die Kategorien C und D sowie Diskrepanzen in der Anwendung der Vorschriften über den Europäischen Feuerwaffenpass beeinträchtigt wurde.

53      Indem der Unionsgesetzgeber auf diese Weise das Gleichgewicht zwischen dem freien Warenverkehr und Sicherheitsgarantien adaptiert hat, hat er sich indessen darauf beschränkt, die in der Richtlinie 91/477 vorgesehenen Vorschriften über den Besitz und den Erwerb von Feuerwaffen an die Entwicklungen der Umstände anzupassen.

54      Wie nämlich erstens das Parlament und der Rat zu Recht geltend machen, hat der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der angefochtenen Richtlinie im Kontext der Entwicklung der Sicherheitsrisiken das im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 91/477 genannte Ziel weiterverfolgt, das gegenseitige Vertrauen unter den Mitgliedstaaten im Bereich der Wahrung der Sicherheit von Personen dadurch zu erhöhen, dass hierfür Feuerwaffen in Kategorien einzuteilen sind, bei denen Erwerb und Besitz durch Privatpersonen entweder verboten oder aber erlaubnis- oder meldepflichtig sind, ein Ziel also, das selbst das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten soll.

55      In diesem Zusammenhang wird nicht bestritten, dass sich die Umstände seit dem Erlass der Richtlinie 91/477 erheblich entwickelt haben, da die Union mehrfach erweitert wurde, der Schengen-Raum errichtet und auf einen großen Teil der Union ausgedehnt wurde und sich die Bedrohungen durch Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität verschärft haben.

56      Aus der oben in den Rn. 38 bis 40 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung geht allerdings hervor, dass dem Unionsgesetzgeber nicht die Möglichkeit genommen werden kann, einen Rechtsakt wie die Richtlinie 91/477 auf der Grundlage von Art. 114 AEUV an jede Änderung von Umständen oder Entwicklung von Erkenntnissen anzupassen, da es seine Aufgabe ist, darüber zu wachen, dass die von den Verträgen anerkannten allgemeinen Interessen, darunter die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, geschützt werden.

57      Zweitens ist, wie die Generalanwältin in den Nrn. 46 und 47 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Harmonisierung der Aspekte der Warensicherheit einer der wesentlichen Bestandteile, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, weil uneinheitliche Regelungen in diesem Bereich Handelshemmnisse schaffen können. Da die Besonderheit von Feuerwaffen allerdings – entgegen dem Vorbringen der Republik Polen – in deren Gefährlichkeit nicht nur für die Nutzer, sondern auch für die breite Öffentlichkeit besteht, wie der Gerichtshof dies bereits in Rn. 54 des Urteils vom 23. Januar 2018, Buhagiar u. a. (C‑267/16, EU:C:2018:26), ausgeführt hat, erscheinen Erwägungen der öffentlichen Sicherheit, wie der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 91/477 in Erinnerung ruft, im Rahmen einer Regelung über den Erwerb und den Besitz dieser Waren unabdingbar.

58      Drittens ist in Anbetracht der Elemente der dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht nachgewiesen, dass der Unionsgesetzgeber die Rechtsgrundlage, die Art. 114 AEUV darstellt, verkannt und mithin die Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union übertragen sind, überschritten hätte, wenn er anstelle des Erlasses der angefochtenen Richtlinie die Richtlinie 91/477 neu gefasst und mit dieser Rechtsetzungsalternative in die Richtlinie 91/477 die Änderungen eingefügt hätte, die durch die angefochtene Richtlinie vorgenommen werden.

59      Vielmehr ist gerade diesen Elementen zu entnehmen, dass der Rechtsakt, der aus den Änderungen hervorgegangen ist, die die angefochtene Richtlinie an der Richtlinie 91/477 vorgenommen hat, eine Regelung des Binnenmarkts für Feuerwaffen zum zivilen Gebrauch enthält, die den Besonderheiten dieser Waren angepasst ist und die jederzeit, wie der Gerichtshof in Rn. 52 seines Urteils vom 23. Januar 2018, Buhagiar u. a. (C‑267/16, EU:C:2018:26), festgestellt hat, im Hinblick auf den freien Verkehr von Waren eine Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gewährleistet, dabei aber zugleich diese Freiheit durch an die Art der fraglichen Waren angepasste Sicherheitsgarantien beschränkt.

60      Soweit die Republik Polen geltend macht, dass das Verbot des Inverkehrbringens bestimmter Kategorien von Feuerwaffen das Funktionieren des Binnenmarkts nicht fördere und die angefochtene Richtlinie neue Hemmnisse für den freien Verkehr von Feuerwaffen für den zivilen Gebrauch mit sich bringe, ist als Drittes zum einen darauf hinzuweisen, dass die Verfasser des Vertrags mit dem Ausdruck „Maßnahmen zur Angleichung“ in Art. 114 AEUV dem Unionsgesetzgeber nach Maßgabe des allgemeinen Kontexts und der speziellen Umstände der zu harmonisierenden Materie einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik insbesondere in den Bereichen einräumen wollten, die durch komplexe technische Besonderheiten gekennzeichnet sind (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Je nach den Umständen können diese Maßnahmen darin bestehen, dass alle Mitgliedstaaten verpflichtet werden, das Inverkehrbringen des oder der betreffenden Erzeugnisse zu genehmigen, eine solche Genehmigung an die Erfüllung bestimmter Bedingungen zu knüpfen oder sogar das Inverkehrbringen eines oder einiger Erzeugnisse vorläufig oder endgültig zu verbieten (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Im vorliegenden Fall hat der Unionsgesetzgeber angesichts der in den Rn. 54 bis 57 des vorliegenden Urteils festgestellten Gesichtspunkte den Ermessensspielraum, den ihm die Rechtsgrundlage des Art. 114 AEUV hinsichtlich der Angleichungstechnik einräumt, nicht überschritten, als er, um die Aufrechterhaltung eines beschränkten freien Verkehrs von Feuerwaffen für den zivilen Gebrauch im Binnenmarkt sicherzustellen, Maßnahmen erlassen hat, die darin bestehen, der Kategorie A der von der Richtlinie 91/477 verbotenen Feuerwaffen bestimmte halbautomatische Feuerwaffen hinzuzufügen und weitere Vorschriften einzuführen, aus denen sich – nach Auffassung der Republik Polen – neue Hemmnisse ergeben.

63      Soweit mit diesem Vorbringen der Umstand in Frage gestellt werden soll, dass die beanstandeten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Art. 114 AEUV geeignet sind, ist zum anderen darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen mit dem Vorbringen der Tschechischen Republik identisch ist, welches diese zur Stützung des zweiten Teils ihres zweiten Klagegrundes geltend macht, so dass dieses Vorbringen der Tschechischen Republik und das der Republik Polen gemeinsam im Rahmen jenes Teils geprüft werden.

64      Nach alledem ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

 Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Prüfung der Verhältnismäßigkeit bestimmter Vorschriften der angefochtenen Richtlinie durch den Unionsgesetzgeber

–       Vorbringen der Parteien

65      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Tschechische Republik geltend, dass der Unionsgesetzgeber die angefochtene Richtlinie erlassen habe, obwohl er offensichtlich keine ausreichenden Informationen über die potenziellen Folgen der erlassenen Maßnahmen gehabt habe. Er habe somit nicht seine Verpflichtung beachten können, zu prüfen, ob diese Maßnahmen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einhielten.

66      Erstens sei weder in der förmlichen Feststellung im 33. Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie noch in den entsprechenden Abschnitten in der Begründung eine hinreichend konkrete Erwägung zur Verhältnismäßigkeit bestimmter Vorschriften dieser Richtlinie enthalten.

67      Zweitens sei die Kommission zur Durchführung einer Folgenabschätzung der vorgeschlagenen Regelung in allen Fällen verpflichtet, in denen mit einer erheblichen Auswirkung auf die Rechte und Pflichten von Personen zu rechnen sei. Eine Untersuchung der Auswirkungen der vorgeschlagenen Regelung durchzuführen, sei eine in der Interinstitutionellen Vereinbarung festgelegte Verpflichtung. Insbesondere könne Nr. 12 Abs. 2 dieser Vereinbarung nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er die Kommission ermächtige, auf die Durchführung einer Folgenabschätzung zu verzichten, sobald sie dies für zweckmäßig halte, sondern müsse als eine an die Kommission gerichtete Aufforderung verstanden werden, dafür Sorge zu tragen, dass eine Folgenabschätzung nicht zu einer Verzögerung im Rechtsetzungsverfahren führe.

68      Dem Erlass der angefochtenen Richtlinie sei jedoch keine Folgenabschätzung vorausgegangen, obwohl sie eine erhebliche Auswirkung in allen Mitgliedstaaten habe, vor allem auf das Eigentumsrecht der Bürger. Als Ersatz für eine solche Abschätzung könne insbesondere nicht die REFIT‑Bewertung angesehen werden, denn diese beziehe sich nicht auf die Folgen der erlassenen neuen Maßnahmen.

69      Außerdem lasse die Erfahrung die Tschechische Republik daran zweifeln, dass die getroffenen Maßnahmen zur Erreichung des Ziels, die missbräuchliche Verwendung von Feuerwaffen zu bekämpfen, geeignet seien, da in diesem Mitgliedstaat in den letzten zehn Jahren eine einzige, noch dazu fahrlässige, Zuwiderhandlung mit einer Waffe begangen worden sei, die nunmehr in die Kategorie A falle, deren Inverkehrbringen und Besitz grundsätzlich verboten seien.

70      Auch was die Möglichkeit, halbautomatische Feuerwaffen in automatische umzuwandeln, angehe, sei in der REFIT‑Bewertung selbst festgestellt worden, dass kein Fall einer missbräuchlichen Verwendung derart umgebauter Feuerwaffen zu kriminellen Zwecken festgestellt worden sei. Zudem seien die dort aufgeführten Umbauten entweder mit Hilfe von Zusatzteilen, die die angefochtene Richtlinie nicht regele, oder durch den Einbau wesentlicher Bestandteile automatischer Feuerwaffen, die bereits durch die Richtlinie 91/477 vor ihrer Änderung durch die angefochtene Richtlinie verboten gewesen seien, bewirkt worden.

71      Auch wenn die Tschechische Republik drittens einräumen kann, dass sich eine Beurteilung der potenziellen Folgen der erlassenen Maßnahmen anders als durch eine förmliche Folgenabschätzung durchführen lässt, ist sie der Auffassung, dass der Unionsgesetzgeber nicht vollständig auf sie verzichten könne. Im vorliegenden Fall habe er allerdings auch nicht aus anderen Quellen über ausreichende Informationen verfügt, mit denen sich die Verhältnismäßigkeit bestimmter durch die angefochtene Richtlinie eingeführter Maßnahmen habe beurteilen lassen, denn keine der hierfür von den beklagten Organen und der Kommission angeführten Studien beziehe sich auf die Folgen dieser Maßnahmen.

72      Zu diesen Maßnahmen gehöre das Verbot halbautomatischer Feuerwaffen, die unter Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 6 bis 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung fielen, da Informationen über die Häufigkeit, in der rechtmäßig besessene Waffen nach diesen Nummern bei kriminellen Handlungen verwendet würden, im Verhältnis zu der Zahl von diesem Verbot betroffener unproblematischer Waffenbesitzer fehlten. Der Unionsgesetzgeber habe auch bestimmte Ladevorrichtungen für halbautomatische Feuerwaffen verboten, obwohl nicht nachgewiesen sei, dass diese Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sei.

73      Zudem habe er die für andere Arten von Feuerwaffen, darunter Nachbildungen historischer Feuerwaffen, geltende Regelung verschärft, ohne über Angaben über die Gefahr zu verfügen, dass diese Waffen bei mit Terrorismus und anderen schweren Formen der Kriminalität in Zusammenhang stehenden Handlungen verwendet würden, und ohne diese Gefahr im Verhältnis zu den Folgen, die eine solche Verschärfung für die Rechte nicht problematischer Beisitzer hätte, zu bewerten.

74      Ungarn unterstützt das Vorbringen der Tschechischen Republik und fügt hinzu, dass nach Nr. 13 Abs. 1 Satz 2 der Interinstitutionellen Vereinbarung die im Arbeitsprogramm der Kommission aufgeführten Initiativen generell von einer Folgenabschätzung begleitet werden müssten. Folglich habe die Kommission gegen diese Bestimmung verstoßen, indem sie ihren Richtlinienvorschlag vorgelegt habe, ohne eine Folgenabschätzung durchzuführen, und diesen Fehler später nicht behoben habe. Außerdem sei auch in den späteren Stadien des Rechtsetzungsverfahrens keine Folgenabschätzung von den Beklagten durchgeführt worden. Daher und auch in Anbetracht der Tatsache, dass weder die REFIT‑Bewertung noch die anderen angeführten Studien derartige Untersuchungen enthielten, habe der Unionsgesetzgeber nicht über ausreichende Informationen verfügt, um die Verhältnismäßigkeit der in der angefochtenen Richtlinie enthaltenen Maßnahmen zu prüfen.

75      Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, treten dem Vorbringen der Tschechischen Republik und dem Vorbringen, das Ungarn zu deren Unterstützung vorträgt, entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

76      Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und verlangt, dass die von einer Unionsbestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteil vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a., C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Einhaltung dieser Voraussetzungen betrifft, hat der Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen in Bereichen zugebilligt, in denen seine Tätigkeit sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss. Es geht somit nicht darum, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche war; sie ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn sie gemessen an dem Ziel, das die zuständigen Organe zu verfolgen beabsichtigen, offensichtlich ungeeignet ist (Urteil vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a., C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Außerdem bezieht sich das weite Ermessen des Unionsgesetzgebers, das eine begrenzte gerichtliche Kontrolle seiner Ausübung impliziert, nicht ausschließlich auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten (Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 151 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Auch bei einem weiten Ermessen ist der Unionsgesetzgeber verpflichtet, seine Entscheidung auf objektive Kriterien zu stützen und zu untersuchen, ob die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige, oder gar erhebliche, wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können. Nach Art. 5 des Protokolls (Nr. 2) zum EU-Vertrag und zum AEU-Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit müssen nämlich die Entwürfe von Gesetzgebungsakten berücksichtigen, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten wird und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen muss (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 97 und 98).

80      Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügte, zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 221).

81      Im Übrigen ist auch für eine begrenzte gerichtliche Kontrolle erforderlich, dass die Unionsorgane, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor dem Gerichtshof zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollten, berücksichtigt worden sind. Daraus folgt, dass die Unionsorgane zumindest in der Lage sein müssen, die Grunddaten, die zur Begründung der angefochtenen Maßnahmen dieses Rechtsakts zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung ihres Ermessens abhing, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen (Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 152 und 153 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass sich, wie die Generalanwältin in den Nrn. 94 bis 97 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, entgegen dem Vorbringen der Tschechischen Republik, unterstützt durch Ungarn, aus dem Wortlaut der Nrn. 12 bis 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung keine Verpflichtung ergibt, unter allen Umständen eine Folgenabschätzung durchzuführen.

83      Aus diesen Nummern geht erstens hervor, dass das Parlament, der Rat und die Kommission darin übereinstimmen, dass Folgenabschätzungen zur qualitativen Verbesserung der Rechtsvorschriften der Union beitragen und dass sie ein Instrument darstellen, das den drei Organen dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen. Zweitens wird in diesen Nummern klargestellt, dass Folgenabschätzungen weder zu unnötigen Verzögerungen im Rechtsetzungsverfahren führen noch sie die Fähigkeit der Mitgesetzgeber, Änderungen vorzuschlagen, beeinträchtigen dürfen, für die ferner vorgesehen ist, dass ergänzende Folgenabschätzungen durchgeführt werden können, wenn das Parlament und der Rat dies für zweckmäßig und erforderlich halten. Drittens wird in diesen Nummern auch darauf hingewiesen, dass die Kommission ihre Gesetzgebungsinitiativen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung unterziehen wird. Viertens wird ausgeführt, dass das Parlament und der Rat bei der Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge der Kommission in vollem Umfang die Folgenabschätzungen der Kommission berücksichtigen werden.

84      Demnach bildet die Erstellung von Folgenabschätzungen einen Abschnitt des Rechtsetzungsverfahrens, der im Allgemeinen durchgeführt werden muss, sobald eine Gesetzgebungsinitiative solche Auswirkungen haben kann.

85      Die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung kann jedoch nicht als Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingestuft werden, wenn sich der Unionsgesetzgeber in einer besonderen Lage befindet, die es erforderlich macht, davon abzusehen, und über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt, die es ihm ermöglichen, die Verhältnismäßigkeit einer erlassenen Maßnahme zu beurteilen.

86      Insoweit und als Zweites müssen die Mitgesetzgeber, um ihr Ermessen tatsächlich auszuüben, im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens verfügbar gewordene wissenschaftliche Daten und weitere Feststellungen, einschließlich der von den Mitgliedstaaten bei den Sitzungen des Rates verwendeten wissenschaftlichen Unterlagen, die sich nicht in dessen Besitz befinden, berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 160 bis 163).

87      Was die Informationen angeht, die verfügbar waren, als die Kommission ihre Gesetzgebungsinitiative erarbeitete, die in den Erlass der angefochtenen Richtlinie mündete, gibt die Kommission an, zunächst eine detaillierte Studie über die Funktionsweise der durch die Richtlinie 91/477 eingeführten Regelung mit dem Titel „Evaluation of the Firearms Directive“ vom Dezember 2014 und die REFIT‑Bewertung berücksichtigt zu haben. Diese beiden Studien hätten starke Diskrepanzen zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieser Richtlinie aufgezeigt, insbesondere hinsichtlich der Einstufung von Feuerwaffen; sie hätten es nahegelegt, einheitliche Kriterien für Schreckschuss- oder akustische Waffen festzulegen, um deren Umbau in funktionsfähige Feuerwaffen zu verhindern; in ihnen sei eine Harmonisierung der Vorschriften über die Deaktivierung von Feuerwaffen vorgeschlagen; sie hätten hervorgehoben, dass es in den meisten Mitgliedstaaten nicht möglich sei, eine Feuerwaffe zu ihrem ursprünglichen Eigentümer zurückzuverfolgen; in ihnen sei vorgeschlagen worden, die Vorschriften über die Kennzeichnung von Feuerwaffen anzupassen und das Funktionieren des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern sowie Bestimmungen zur Regelung der Tätigkeiten von Maklern einzuführen; sie hätten Bedenken aufgrund des möglichen Umbaus von halbautomatischen Feuerwaffen in automatische Feuerwaffen betont und Empfehlungen hinsichtlich der Bereiche formuliert, in denen das Funktionieren des Binnenmarkts für Feuerwaffen zum zivilen Gebrauch verbessert werden müsste.

88      Sodann hat sich die Kommission auf neun Studien gestützt. Diese betrafen: die Verbesserung der Vorschriften über die Deaktivierung von Feuerwaffen und die Genehmigungsverfahren in der Union sowie die Schreckschusswaffen und die Nachbildungen; die bei der Bekämpfung des Feuerwaffenhandels innerhalb der Union zu Gebote stehenden Optionen; Tötungsdelikte, wobei letztere Studie das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung erarbeitet hatte; den Zusammenhang zwischen gewaltsamen Todesfällen und der Zugänglichkeit von Feuerwaffen; die Wirkungen der Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Feuerwaffen auf die durch diese Waffen verursachten Todesfälle; die für die Deaktivierung von Feuerwaffen und deren Umbau, für Schreckschusswaffen und historische Waffen geltenden Vorschriften; bei Massenerschießungen in Europa verwendete Feuerwaffen.

89      Diese Studien machten unter Berücksichtigung des Sicherheitskontexts u. a. das gesteigerte Risiko eines Umbaus deaktivierter Feuerwaffen in funktionsfähige Waffen deutlich sowie die Probleme der Identifizierung der Eigentümer dieser Waffen; sie wiesen darauf hin, dass die Kennzeichnung und die Deaktivierung von Feuerwaffen durch die Richtlinie 91/477 nicht harmonisiert worden seien, und schlugen daher eine Überarbeitung dieser Richtlinie zur Harmonisierung der Vorschriften über die Kennzeichnung von Feuerwaffen und zur Verbesserung der Vorschriften über die Genehmigung für den Besitz und den Erwerb von Feuerwaffen vor; sie schlugen die Einführung von Vorschriften für deaktivierte Feuerwaffen vor, wiesen auf die Notwendigkeit hin, technische Vorschriften über den Umbau von Schreckschuss- und akustischen Waffen und von Nachbildungen zu erlassen; sie stellten fest, dass es erforderlich sei, die Sammlung von Daten über die Herstellung, den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen und über deaktivierte Feuerwaffen, Schreckschusswaffen und Nachbildungen zu verbessern; sie empfahlen Verbesserungen der für die Deaktivierung von Feuerwaffen und deren Umbau sowie für Schreckschusswaffen und historische Waffen geltenden Vorschriften, sie stellten eine Korrelation zwischen einerseits der Menge der in Besitz befindlichen Handfeuerwaffen in einem Staat und andererseits dem Prozentsatz der Verbrechen mit Feuerwaffen her; sie wiesen darauf hin, dass die Einführung einer strengeren Regelung beim Zugang zu Feuerwaffen geeignet sei, die Zahl sowohl der begangenen Verbrechen als auch der mit Feuerwaffen begangenen Tötungsdelikte erheblich zu verringern; sie stellten fest, dass nahezu alle bei Massenerschießungen in Europa verwendeten Feuerwaffen in legalem Besitz gewesen seien, wiesen darauf hin, dass diese Waffen automatische oder halbautomatische Waffen, reaktivierte oder aus verschiedenen Waffen zusammengesetzte Waffen gewesen seien, und empfahlen insbesondere, den legalen Zugang zu solchen Feuerwaffen zu beschränken.

90      Schließlich hat sich die Kommission auf im Rahmen einer öffentlichen Konsultation erlangte Informationen berufen, insbesondere die Konsultation der Behörden der Mitgliedstaaten, von Waffenhändlern, Waffenexperten, Vertretern europäischer Verbände der Hersteller von Feuerwaffen und Munition zum zivilen Gebrauch, Schützen, Sammlern, gemeinnützigen Organisationen und Forschungseinrichtungen. Sie hat auch auf Informationen Bezug genommen, die sie im Rahmen der Konsultation der Mitgliedstaaten und der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie im Rahmen der Arbeit des durch die Richtlinie 91/477 eingerichteten Ausschusses erhalten hat, da die Kommission die Fachleute der Mitgliedstaaten ersucht hatte, Gutachten und Stellungnahmen zu den wichtigsten Ergebnissen abzugeben, die in der REFIT‑Bewertung enthalten waren.

91      Hinsichtlich der im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens gesammelten Daten führt das Parlament Konsultationen mit den Interessenträgern, Besuche eines Museums, in dem Waffen gesammelt werden, eine öffentliche Anhörung, von der Kommission angeforderte technische und statistische Daten und eine Konferenz zur Richtlinie 91/477 an.

92      Der Rat schließlich hat angegeben, seine Arbeiten auf der Grundlage des Vorschlags der Kommission und der von der Kommission genannten Studien, aufgrund von Konsultationen mit den Mitgliedern des Parlaments sowie der von den Mitgliedstaaten vorlegten Bewertungen der Auswirkungen der Maßnahmen durchgeführt zu haben.

93      Die in den Rn. 87 bis 92 des vorliegenden Urteils dargestellten Anhaltspunkte erlauben daher die Feststellung, dass die drei betroffenen Organe im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens, das zum Erlass der angefochtenen Richtlinie geführt hat, über detaillierte Untersuchungen des Funktionierens des Binnenmarkts für Feuerwaffen zum zivilen Gebrauch verfügten, wie dieses sich aufgrund der Richtlinie 91/477 vor ihrer Änderung durch die angefochtene Richtlinie darstellte, die genaue Empfehlungen zur Verbesserung dieses Funktionierens enthielten. Ferner verfügten sie über zahlreiche Untersuchungen und Empfehlungen, die insbesondere alle sicherheitsrelevanten Themen, die im Vorbringen der Tschechischen Republik, wie dieses in den Rn. 69 bis 73 des vorliegenden Urteils zusammengefasst ist, angesprochen werden, abdeckten und die insbesondere die in Bezug auf die Gefährlichkeit von Feuerwaffen in dem beurteilten Sicherheitskontext erworbene Erfahrung berücksichtigten. Schließlich haben diese drei Organe diese Daten durch Konsultationen von Fachleuten, Vertretern der Interessenträger und Evaluierungen der Behörden der Mitgliedstaaten vervollständigt.

94      Nach alledem ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Verhältnismäßigkeit bestimmter Vorschriften der angefochtenen Richtlinie

–       Vorbringen der Parteien

95      Mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes macht die Tschechische Republik erstens geltend, dass die in der angefochtenen Richtlinie getroffenen Maßnahmen nicht geeignet seien, das Ziel zu erreichen, ein höheres Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Dies könne nur durch eine zusätzliche Beschränkung des legalen Besitzes von Feuerwaffen erreicht werden. Eine reale Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe sich vielmehr aus dem Übergang von Feuerwaffen in legalem Besitz in die Illegalität aufgrund der Verschärfung der anwendbaren Regelung.

96      Insbesondere was das Verbot bestimmter halbautomatischer Feuerwaffen angehe, sei im Unionsgebiet in den letzten zehn Jahren mit solchen legal besessenen Waffen kein einziger Terroranschlag begangen worden, und in keiner bestehenden Studie werde aufgeführt, dass diese Waffen bei Massenerschießungen verwendet worden seien. Das Verbot halbautomatischer Waffen, die aus automatischen Waffen endgültig umgebaut worden seien, gemäß Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 6 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung habe außerdem aus technischer Sicht keinerlei Sinn, da ihr Rückbau in automatische Feuerwaffen schwieriger und kostspieliger sei als der Erwerb einer neuen halbautomatischen Waffe und deren anschließender Umbau in eine automatische Feuerwaffe.

97      Auch gebe es praktisch kein Risiko einer missbräuchlichen Verwendung endgültig unbrauchbar gemachter Feuerwaffen und von Nachbildungen historischer Feuerwaffen, da die Reaktivierung solcher Waffen die Verwendung professioneller Werkzeuge erfordere und mindestens so komplex und kostspielig sei wie die Herstellung einer neuen Waffe. Der Umstand, dass endgültig unbrauchbar gemachte Feuerwaffen in die gleiche Kategorie fielen wie funktionsfähige Waffen, belege die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme.

98      Zweitens meint die Tschechische Republik, dass die durch die angefochtene Richtlinie getroffenen Maßnahmen zur Erreichung des Ziels, ein höheres Sicherheitsniveau zu gewährleisten, nicht erforderlich seien. Das Verbot des Besitzes halbautomatischer Feuerwaffen, die in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 6 bis 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung eingestuft seien, stelle die strengstmögliche Maßnahme dar und betreffe alle gegenwärtigen und potenziellen Besitzer solcher Waffen, obwohl kein Risiko bestehe, dass sie eine Straftat begingen. Die Verschärfung der Regelung für andere Arten von Feuerwaffen, darunter für Nachbildungen historischer Waffen, sei ebenfalls nicht erforderlich, da mit diesen Waffen eine äußerst geringe Gefahr verbunden sei.

99      Daher gebe es weniger einschneidende Maßnahmen – wie die systematische Bekämpfung des illegalen Besitzes von Feuerwaffen, die Verstärkung der Zusammenarbeit im Rahmen von Ermittlungen zu schweren Straftaten, die Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Verschärfung der Regelung über Schreckschusswaffen und ähnliche Waffen.

100    Drittens trägt die Tschechische Republik vor, dass die in der angefochtenen Richtlinie getroffenen Maßnahmen gegen die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verstießen. Diese Maßnahmen bewirkten nämlich einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht einer großen Zahl von Waffenbesitzern, die unproblematisch seien, und der Unionsgesetzgeber habe diese Wirkungen in keiner Weise abgemildert, noch auch nur geprüft.

101    Hilfsweise, soweit davon auszugehen sei, dass die angefochtene Richtlinie das Ziel verfolge, Hindernisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu beseitigen, macht die Tschechische Republik mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes geltend, dass die durch diese Richtlinie getroffenen Maßnahmen auch nicht die Erfordernisse der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beachteten. Diese Maßnahmen, die mehrdeutige und in der Praxis nicht umsetzbare Vorschriften festlegten, seien nämlich zur Beseitigung dieser Hindernisse nicht geeignet.

102    Zunächst umfasse Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 7 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung nunmehr halbautomatische Feuerwaffen, bei denen die genannten Kapazitätsgrenzen überschreitende Ladevorrichtungen angebracht würden. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung seien die Mitgliedstaaten daher verpflichtet, diese Waffen zu beschlagnahmen. Im 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie werde jedoch ausgeführt, dass die Möglichkeit, eine solche Ladevorrichtung anzubringen, keinen Einfluss auf die Einstufung der betreffenden Feuerwaffen habe. Je nach Fall sei dieselbe Waffe daher eine Waffe der Kategorie A oder der Kategorie B, da der Übergang von der einen in die andere Kategorie durch eine Änderung der Ladevorrichtung bewirkt werden könne. Gleichzeitig werde der Besitz einer solchen Ladevorrichtung nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung mit dem Entzug der Genehmigung für den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen der Kategorie B geahndet, einer Maßnahme, die sich von der in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktion unterscheide.

103    Sodann weist die Tschechische Republik darauf hin, dass durch die angefochtene Richtlinie in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung nunmehr ursprünglich als Schulterwaffen konzipierte halbautomatische Feuerwaffen eingestuft würden, die ohne Funktionseinbuße mit Hilfe eines Klapp- oder Teleskopschafts auf eine Länge unter 60 cm gekürzt werden könnten, ohne zu präzisieren, wie diese Waffen zu identifizieren seien. Fast alle diese Waffen seien jedoch zur Funktion mit oder ohne einen solchen Schaft vorgesehen, so dass es keine Möglichkeit gebe, sie als das zu identifizieren, als das sie ursprünglich konzipiert gewesen seien. Es werde auch nicht erläutert, wie die Länge dieser Waffen festzustellen sei, insbesondere ob mit oder ohne Mündungszubehör oder verschiedenen Verlängerungen des Laufes. Daher könne die Anbringung einer Mündungsbremse oder eines Schalldämpfers zu einer Änderung der Kategorie führen.

104    Was schließlich den Übergang bestimmter Feuerwaffen in die Kategorie A, also verbotene Feuerwaffen, angehe, ermächtige die angefochtene Richtlinie die Mitgliedstaaten, einen anderen Ansatz im Hinblick auf die gegenwärtigen Besitzer dieser Waffen zu beschließen, was bedeute, dass es in einigen Mitgliedstaaten noch immer eine große Zahl befugter Besitzer geben werde, während in anderen Mitgliedstaaten der Besitz solcher Waffen verboten sei. Diese Situation schaffe jedoch neue Hemmnisse, die durch den Europäischen Feuerwaffenpass nicht überwunden werden könnten. Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung mache nämlich die Möglichkeit, mit diesen Waffen zu reisen, von der Entscheidung der anderen Mitgliedstaaten abhängig, die künftig die Anwendung der Ausnahmeregelung nach Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 ablehnen und die Reise von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen könnten.

105    Zur Erforderlichkeit und zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne der der durch die angefochtene Richtlinie getroffenen Maßnahmen verweist die Tschechische Republik auf das Vorbringen, das in den Rn. 98 bis 100 des vorliegenden Urteils zusammengefasst ist. Sie ist zudem der Ansicht, dass die Nichtigerklärung der beanstandeten Vorschriften dieser Richtlinie zur Nichtigerklärung der Richtlinie insgesamt führen müsse.

106    Ungarn äußert erstens Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Kennzeichnung der verschiedenen Teile von Feuerwaffen, was erhebliche Störungen im Rahmen der Flughafenkontrollen verursachen könne.

107    Zweitens laufe die Verpflichtung zur Überprüfung aller Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung im Rahmen der Verlängerung befristeter Genehmigungen den mit der Richtlinie verfolgten Zielen zuwider.

108    Drittens hält Ungarn es für nicht gerechtfertigt, dass deaktivierte Feuerwaffen, die vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der angefochtenen Richtlinie legal erworben seien oder besessen würden, auch wenn es keine amtliche Genehmigung gebe, in die Kategorie der Feuerwaffen eingestuft würden, die zwingend genehmigungspflichtig seien. Die Verschärfung der Regelung ändere nichts daran, dass diese Waffen nicht gefährlich seien, so dass die neue Regelung die Besitzer dieser Waffen mit neuen Pflichten belaste, ohne dass dies durch irgendeinen zwingenden Grund gerechtfertigt sei.

109    Viertens beinhalte die Länge des Zeitraums der zwingenden Aufbewahrung der Daten in den amtlichen Feuerwaffenregistern der Mitgliedstaaten ab der Vernichtung dieser Waffen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 16 AEUV und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verbürgte Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten.

110    Die Republik Polen vertritt erstens die Auffassung, dass das Verbot dieser Waffen nicht die Sicherheit der Unionsbürger erhöhe, da kein Nachweis dafür vorgelegt worden sei, dass automatische Feuerwaffen, die zu legal besessenen halbautomatischen Waffen umgebaut worden seien, im Gebiet der Union zu kriminellen Zwecken verwendet worden seien.

111    Zweitens sei das Verbot halbautomatischer Zentralfeuerwaffen, wenn sie mit einer Ladevorrichtung, deren Kapazität die vorgesehenen Grenzen überschreite, versehen seien, ebenfalls ungeeignet, die Sicherheit der Unionsbürger zu gewährleisten. Zunächst lasse sich, da die Ladevorrichtungen nicht einer spezifischen Waffe zugeordnet seien, weder nachweisen, dass eine solche Ladevorrichtung Bestandteil einer solchen Feuerwaffe sei, noch, dass sie der Person gehöre, die Besitzer dieser Waffe sei, und auch nicht, dass eine Person eine der erteilten Genehmigung entsprechende Waffe besitze. Des Weiteren habe diese Kapazität keine besondere Auswirkung auf die Feuergeschwindigkeit oder die Zahl der möglichen Schüsse. Schließlich beeinträchtige dieses Verbot diejenigen Personen unverhältnismäßig, die Feuerwaffen der Kategorie B besäßen, auch wenn sie nicht die Möglichkeit hätten, solche Ladevorrichtungen an ihre Waffen zu montieren.

112    Drittens ist die Republik Polen aufgrund der Erwägungen, die bereits in den Rn. 97 bis 103 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind, der Auffassung, es bestehe keine Verbindung zwischen, auf der einen Seite, der Einstufung von deaktivierten Feuerwaffen und von Nachbildungen historischer Feuerwaffen in Anhang I Abschnitt II Kategorie C Nrn. 6 und 7 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung und dem Verbot von Feuerwaffen, die in diesem Anhang in Abschnitt II Kategorie A Nr. 8 definiert seien, und, auf der anderen Seite, der Garantie einer Erhöhung der Sicherheit der Unionsbürger.

113    Viertens sei die – in den Rn. 110 bis 112 des vorliegenden Urteils dargestellte – Einstufung von Feuerwaffen unverhältnismäßig im engeren Sinne, da es wirksamere und weniger einschneidende präventive Maßnahmen gebe, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, wie verbindliche und einheitliche psychiatrische und psychologische Tests für die Erwerber und Besitzer von Feuerwaffen sowie Prüfungen über die Regeln der Verwendung dieser Waffen und über die Regelung ihres Besitzes und ihrer Verwendung.

114    Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, treten dem Vorbringen der Tschechischen Republik und dem zu deren Unterstützung geltend gemachten Vortrag Ungarns und der Republik Polen entgegen.

115    Insbesondere machen das Parlament und der Rat geltend, dass das auf einen Verstoß gegen Art. 16 AEUV und Art. 8 der Charta gestützte Vorbringen Ungarns unzulässig sei, da es sich um einen neuen Klagegrund handele. Das gelte auch für das Vorbringen Ungarns und der Republik Polen, mit dem diese Mitgliedstaaten die Verhältnismäßigkeit von Bestimmungen der angefochtenen Richtlinie angriffen, die die Tschechische Republik nicht beanstande.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

116    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass eine Partei, die gemäß Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit als Streithelfer zugelassen wird, den Streitgegenstand, wie er durch die Anträge sowie die Klage- und Verteidigungsgründe der Hauptparteien umschrieben wird, nicht ändern kann. Folglich ist nur das Vorbringen eines Streithelfers zulässig, das sich in dem durch diese Anträge, Klage- und Verteidigungsgründe festgelegten Rahmen hält (Urteil vom 7. Oktober 2014, Deutschland/Rat, C‑399/12, EU:C:2014:2258, Rn. 27).

117    Da das Vorbringen Ungarns, das in den Rn. 106, 107 und 109 des vorliegenden Urteils zusammengefasst worden ist – wie das Parlament und der Rat zu Recht geltend machen –, die Verhältnismäßigkeit anderer Bestimmungen der angefochtenen Richtlinie als derjenigen in Zweifel zieht, die die Tschechische Republik beanstandet hat, ist davon auszugehen, dass dieses Vorbringen geeignet ist, den Streitgegenstand, wie dieser durch die Anträge und Klagegründe der Tschechischen Republik festgelegt ist, zu ändern, und dieses Vorbringen daher als unzulässig zurückzuweisen ist.

118    Was als Zweites den Gegenstand der vom Gerichtshof auszuübenden gerichtlichen Kontrolle angeht, ist der in den Rn. 77 bis 79 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu entnehmen, dass der Gerichtshof nicht berufen ist, die Beurteilung des Unionsgesetzgebers durch seine eigene zu ersetzen.

119    Nach dieser Rechtsprechung ist es Sache des Gerichtshofs, zu überprüfen, ob der Unionsgesetzgeber offensichtlich das ihm zustehende weite Ermessen bei den Beurteilungen und den komplexen Bewertungen, die er im vorliegenden Fall durchzuführen hatte, überschritten hat, indem er sich für gemessen an dem verfolgten Ziel offensichtlich ungeeignete Maßnahmen entschieden hat.

120    Was als Drittes die Verhältnismäßigkeit des Verbots von halbautomatischen Feuerwaffen angeht, die in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 6 bis 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung eingestuft sind, ist, wie das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, geltend machen, erstens den in den Rn. 88 und 89 des vorliegenden Urteils angeführten Studien zu entnehmen, dass sich ein Zusammenhang zwischen zum einen den Mengen der in einem Staat in Besitz befindlichen Feuerwaffen und zum anderen dem Prozentsatz der Straftaten mit solchen Waffen herstellen lässt, dass die Einführung einer Regelung, die den Zugang zu Feuerwaffen beschränkt, erheblichen Einfluss auf die Verringerung der Zahl sowohl der Straftaten als auch der Tötungsdelikte, die mit Feuerwaffen begangen werden, haben kann, dass sich nahezu alle bei Massenerschießungen in Europa verwendeten Feuerwaffen in legalem Besitz befanden und dass diese Waffen aus deaktivierten Feuerwaffen reaktivierte oder aus Teilen von verschiedenen Waffen zusammengebaute automatische oder halbautomatische Feuerwaffen waren.

121    Wenn es zudem zwar richtig ist, dass einige dieser Studien auch die Maßnahmen empfehlen, die von der Tschechischen Republik und zu deren Unterstützung von der Republik Polen angeführt werden und die in den Rn. 99 und 113 des vorliegenden Urteils zusammengefasst sind, so werden sie doch – wie das Parlament hervorgehoben hat – ergänzend zu einer Verschärfung der Regelung des Erwerbs und des Besitzes von Feuerwaffen, insbesondere der gefährlichsten dieser Waffen, empfohlen und nicht als Alternativen, die ebenso wirksam wären wie das Verbot der betreffenden Feuerwaffen.

122    Zweitens unterliegt, wie das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, geltend machen, das Verbot von Feuerwaffen, die in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 6 bis 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung eingestuft sind, zahlreichen in Art. 6 Abs. 2 bis 6 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung genannten Ausnahmen und Abweichungen, die die Folgen dieses Verbots für eine große Zahl potenzieller Besitzer oder Erwerber dieser Waffen abmildern und somit die Verhältnismäßigkeit dieses Verbots gewährleisten sollen.

123    Zu, drittens, der Definition von Feuerwaffen, die in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 7 und 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung eingeteilt sind, bestimmen diese Nummern, wie das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, geltend machen, eindeutig die entweder aufgrund der Kapazität der angebrachten Ladevorrichtung oder aufgrund der Länge verbotenen Feuerwaffen. Insbesondere steht der von diesen Organen vorgeschlagenen Auslegung, wonach bei Waffen, die so konstruiert seien, dass mit ihnen als Schulterwaffe und auch als Faustfeuerwaffe geschossen werden könne, davon auszugehen sei, dass sie ursprünglich als Schulterwaffe konzipiert gewesen seien, so dass sie in Nr. 8 der Kategorie A fielen, nichts entgegen.

124    Auch was den 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie sowie Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung angeht, ist zum einen klar erkennbar, dass, wie das Parlament und der Rat ausgeführt haben, Art. 5 Abs. 3 es zur Vermeidung von Versuchen, die Einstufung bestimmter Feuerwaffen in die verschiedenen Kategorien zu umgehen, verbietet, gleichzeitig eine halbautomatische Feuerwaffe nach Anhang I Abschnitt II Kategorie B der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung und eine Ladevorrichtung, deren Kapazität die in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 7 genannten Grenzen überschreitet, zu besitzen. Zum anderen beschränken sich der genannte 23. Erwägungsgrund und der genannte Art. 6 Abs. 1 auf eine Erklärung für die fragliche Einstufung und das betreffende Verbot.

125    Da die Mitgliedstaaten Feuerwaffen u. a. des Anhangs I Abschnitt II Kategorien B und C der Richtlinie 91/477 bereits vor der Einstufung dieser Waffen durch die angefochtene Richtlinie in Kategorie A verbieten konnten, machen die drei betroffenen Organe viertens zu Recht geltend, dass die Vorschriften über den Europäischen Feuerwaffenpass und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung nicht den Rechtszustand änderten, sondern ihn lediglich bestätigten.

126    Daher ist festzustellen, dass die genannten Organe offensichtlich nicht das ihnen zustehende weite Ermessen überschritten haben. Entgegen dem Vorbringen der Tschechischen Republik, unterstützt durch Ungarn und die Republik Polen, kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die beanstandeten Maßnahmen gemessen an den Zielen, die öffentliche Sicherheit der Unionsbürger zu gewährleisten und das Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern, offensichtlich ungeeignet wären.

127    Was als Viertes die Verhältnismäßigkeit der Aufnahme deaktivierter Feuerwaffen und der Nachbildungen historischer Feuerwaffen in Anhang I Abschnitt II Kategorie A oder C der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung betrifft, haben erstens das Parlament und zu seiner Unterstützung die Kommission ausgeführt, dass Fachleute im Rahmen der in den Rn. 90 und 91 des vorliegenden Urteils genannten Anhörungen bestätigt hätten, dass das Risiko einer Reaktivierung einer deaktivierten Feuerwaffe nicht ganz auszuschließen sei. In Rn. 120 des vorliegenden Urteils ist bereits festgestellt worden, dass ausweislich insbesondere der in den Rn. 88 und 89 dieses Urteils angeführten Studien die bei Massenerschießungen in Europa verwendeten Feuerwaffen aus deaktivierten Feuerwaffen reaktivierte oder aus verschiedenen in legalem Besitz befindlichen Waffen zusammengesetzte Feuerwaffen umfassten.

128    Wie zweitens das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, anmerken, steht fest, dass die Aufnahme deaktivierter Feuerwaffen in Anhang I Abschnitt II Kategorie C der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung im Wesentlichen nur die Verpflichtung mit sich bringt, sie anzumelden, und dass die in Art. 6 Abs. 2 bis 6 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung genannten Ausnahmen und Abweichungen anwendbar sind, soweit diese Waffen in Kategorie A des Anhangs I Abschnitt II aufzunehmen sind. Im Übrigen haben weder die Tschechische Republik noch zu deren Unterstützung Ungarn oder die Republik Polen irgendetwas Konkretes vorgetragen, was das Vorbringen des Parlaments in Frage stellen könnte, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit an sich nicht dadurch erhöht werde, dass die Nichtanmeldung einer deaktivierten Feuerwaffe zur Illegalität ihres Besitzes führe.

129    Was drittens Nachbildungen historischer Waffen angeht, ist ebenfalls festzustellen, dass weder die Tschechische Republik noch zu deren Unterstützung Ungarn oder die Republik Polen irgendetwas Konkretes vorgetragen haben, was die im 27. Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie getroffenen Feststellungen, die von Parlament und Rat, unterstützt durch die Kommission, angeführt werden, in Frage stellen könnte. Danach kommt zum einen solchen Nachbildungen nicht dasselbe historische Interesse wie echten historischen Waffen zu, und zum anderen können sie unter Verwendung moderner Techniken hergestellt werden, mit denen die Haltbarkeit verlängert und die Genauigkeit verbessert werden kann, was es daher nahelegt, dass diese Waffen eine größere Gefährlichkeit aufweisen können als echte historische Waffen.

130    Was viertens die von der Tschechischen Republik und zu deren Unterstützung von Ungarn und der Republik Polen angeführten Alternativen betrifft, genügt der Hinweis auf die in Rn. 121 des vorliegenden Urteils getroffene Feststellung.

131    Daher ist auch insoweit festzustellen, dass die drei Organe das ihnen zustehende weite Ermessen offensichtlich nicht überschritten haben und dass entgegen dem Vortrag der Tschechischen Republik, unterstützt durch Ungarn und die Republik Polen, nicht davon ausgegangen werden kann, dass die beanstandeten Maßnahmen gemessen am Ziel der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit der Unionsbürger offensichtlich ungeeignet sind.

132    Als Fünftes macht die Tschechische Republik, unterstützt durch Ungarn und die Republik Polen, u. a. geltend, dass das Verbot der in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 6 bis 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung genannten halbautomatischen Feuerwaffen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht von deren Besitzern darstelle.

133    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 17 Abs. 1 der Charta Enteignungen zwar nicht schlechthin ausschließt, diese Vorschrift jedoch vorsieht, dass sie nur aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums möglich sind. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.

134    Im Hinblick auf diese Anforderungen ist auch Art. 52 Abs. 1 der Charta zu berücksichtigen, wonach die Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte eingeschränkt werden kann, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind sowie den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (Urteile vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 94 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 88).

135    Im vorliegenden Fall wird zunächst nicht bestritten, dass Art. 1 Nr. 7 Buchst. b der angefochtenen Richtlinie in Art. 7 der Richtlinie 91/477 einen Abs. 4a einfügt, der den Mitgliedstaaten im Wesentlichen gestattet, bereits erteilte Genehmigungen für solche Waffen aufrechtzuerhalten, sofern sie vor dem 13. Juni 2017 rechtmäßig erworben und eingetragen wurden. Folglich verpflichtet die angefochtene Richtlinie nicht dazu, Besitzern solcher Waffen, die vor ihrem Inkrafttreten erworben wurden, das Eigentum daran zu entziehen, und jede Entziehung des Eigentums an diesen Waffen, die infolge der Umsetzung der angefochtenen Richtlinie in das Recht der Mitgliedstaaten erfolgt, ist als aufgrund einer Entscheidung der Mitgliedstaaten bewirkt anzusehen.

136    Soweit die Mitgliedstaaten ferner nach dieser Richtlinie verpflichtet sind, den Erwerb und den Besitz solcher Waffen nach dem Inkrafttreten der Richtlinie grundsätzlich zu verbieten, beschränkt sich dieses Verbot zum einen im Prinzip darauf, den Erwerb des Eigentums zu verhindern, und unterliegt sämtlichen in Art. 6 Abs. 2 bis 6 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung genannten Ausnahmen und Abweichungen, die sich insbesondere auf den Schutz kritischer Infrastruktur, von Werttransporten und sensiblen Anlagen sowie die spezifische Situation von Sammlern, Waffenhändlern, Maklern und Museen oder Sportschützen beziehen.

137    Soweit die Tschechische Republik und zu deren Unterstützung Ungarn sowie die Republik Polen schließlich mit ihrem jeweiligen Vorbringen unter dem Blickwinkel des Eigentumsrechts das Verbot, das Eigentum an bestimmten Waffen zu erwerben, und andere Maßnahmen der angefochtenen Richtlinie als dieses Verbot anzugreifen versuchen, genügt die Feststellung, dass diese anderen Maßnahmen eine Regelung der Nutzung des Eigentums zum Wohl der Allgemeinheit im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 der Charta darstellen und dass unter Berücksichtigung der in den Rn. 120 bis 131 des vorliegenden Urteils aufgeführten Gesichtspunkte nicht dargelegt ist, dass diese Maßnahmen insoweit über das hinausgingen, was hierfür erforderlich ist.

138    Folglich ist ausgehend von den Anhaltpunkten in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht nachgewiesen, dass hinsichtlich insbesondere der halbautomatischen Feuerwaffen nach Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 6 bis 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung die Beschränkungen der Ausübung des in der Charta anerkannten Eigentumsrechts, die durch die angefochtene Richtlinie vorgenommen werden, einen unverhältnismäßigen Eingriff in dieses Recht darstellten.

139    Nach alledem sind der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und mithin der zweite Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

 Vorbringen der Parteien

140    Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Tschechische Republik zunächst geltend, dass die in den Rn. 102 und 103 des vorliegenden Urteils dargestellten Umstände nicht den Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit genügten, die der Grundsatz der Rechtssicherheit verlange.

141    Sodann beinhalteten die in Rn. 104 des vorliegenden Urteils dargestellten Umstände einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Machte ein Mitgliedstaat von der Ausnahme für den Besitz bestimmter, künftig verbotener Feuerwaffen seitens Personen, die diese Genehmigung schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Richtlinie gehabt hätten, Gebrauch, wäre er nämlich verpflichtet, auf der Grundlage der geltenden nationalen Regelung beantragte Genehmigungen zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie und dem des Erlasses der Umsetzungsmaßnahmen weiterhin zu gewähren, müsste aber diesen Personen die betreffenden Genehmigungen und die Waffen selbst anschließend entziehen, da sie ratione temporis nicht in den Genuss dieser Ausnahme kommen dürften.

142    Dies würde jedoch bedeuten, dass der betreffende Mitgliedstaat unter Verstoß gegen diese Grundsätze das neue Verbot rückwirkend auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte anwenden oder der Richtlinie eine unmittelbare Wirkung zulasten einzelner Betroffener verleihen müsste. Die Möglichkeit, diese Ausnahme anzuwenden, ende daher am Tag des Inkrafttretens der angefochtenen Richtlinie, während die Mitgliedstaaten sie nach dem Unionsrecht nicht auf diesen Zeitpunkt beschränken könnten.

143    Schließlich ist die Tschechische Republik der Auffassung, dass die vorstehenden Erwägungen zur Nichtigerklärung von Art. 1 Nrn. 6, 7 und 19 der angefochtenen Richtlinie und folglich zur Nichtigerklärung dieser Richtlinie insgesamt führen müssten.

144    Ungarn macht geltend, dass die in den Rn. 102 und 111 des vorliegenden Urteils dargestellten Umstände den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzten, da sie nicht klar genug seien, um die Rechte und Pflichten der Betroffenen eindeutig zu bestimmen. Daher lasse sich nicht eindeutig ermitteln, ob die Genehmigung für den Erwerb und den Besitz einer in Anhang I Abschnitt II Kategorie B der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung eingeteilten Feuerwaffe unabhängig davon zu entziehen sei, ob festgestellt worden sei, dass der Betroffene im Besitz einer Ladevorrichtung mit einer die vorgesehenen Grenzen überschreitenden Kapazität sei, obwohl diese Person im Besitz von halbautomatischen Zentralfeuerwaffen sei.

145    Auch Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung, wonach Waffenhändler und Makler den Abschluss einer Transaktion zum Erwerb vollständiger Munition oder von Munitionsbestandteilen, die ihnen aufgrund ihrer Art nach vernünftigem Ermessen verdächtig erscheine, verweigern könnten, sei nicht mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar. Diese Bestimmung könne zu einer Diskriminierung und einer missbräuchlichen Verwendung führen, da sie Gewerbetreibenden ermögliche, die Entscheidung der ausstellenden Behörde in Zweifel zu ziehen.

146    Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, treten dem Vorbringen der Tschechischen Republik und dem zu deren Unterstützung geltend gemachten Vortrag Ungarns entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

147    Erstens ist in Anbetracht der in Rn. 116 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung das oben in Rn. 145 zusammengefasste Vorbringen Ungarns als unzulässig zurückzuweisen, da Ungarn die Rechtmäßigkeit einer anderen Vorschrift als der von der Tschechischen Republik beanstandeten Vorschriften der Richtlinie anzweifelt und damit auf eine Änderung des Streitgegenstands, wie dieser durch die Anträge und die Klagegründe der Tschechischen Republik festgelegt ist, abzielt.

148    Was zweitens die Vereinbarkeit der in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 7 und 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sind, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil vom 5. Mai 2015, Spanien/Rat, C‑147/13, EU:C:2015:299, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

149    Zur Vereinbarkeit der in Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 7 und 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung enthaltenen Definitionen mit diesem Grundsatz ist entsprechend den bereits in den Rn. 123 und 124 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellungen zu konstatieren, dass die Nrn. 7 und 8 die entweder aufgrund der angebrachten Ladevorrichtung oder aufgrund der Länge der Waffe verbotenen Feuerwaffen klar, bestimmt und vorhersehbar identifizieren. Wie das Parlament und der Rat zu Recht geltend machen, kann bei Waffen, wenn sie so konstruiert sind, dass mit ihnen als Schulterwaffe und auch als Faustfeuerwaffe geschossen werden kann, davon ausgegangen werden, dass sie ursprünglich als Schulterwaffen konzipiert waren, so dass sie unter Nr. 8 der Kategorie A fallen.

150    Entgegen dem Vorbringen der Tschechischen Republik, unterstützt durch Ungarn, erzeugt Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 7 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung in Verbindung mit dem 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie und mit Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung keinerlei Verwirrung.

151    Wie das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, zu Recht geltend machen, untersagt dieser Art. 5 Abs. 3 nämlich zur Verhinderung von Versuchen einer Umgehung der neuen Verbote, die sich aus der Aufnahme von Nr. 7 in Anhang I Abschnitt II Kategorie A der Richtlinie 91/477 ergeben, im Wesentlichen den gleichzeitigen Besitz einer halbautomatischen Feuerwaffe, die unter Anhang I Abschnitt II Kategorie B der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung fällt, und einer Ladevorrichtung, die die in dieser Nummer angegebenen Grenzen überschreitet. Im Übrigen beschränken sich der 23. Erwägungsgrund und Art. 6 Abs. 1 darauf, eine Erklärung für die fragliche Einteilung zu nennen und das betreffende Verbot aufzustellen.

152    Infolgedessen haben weder die Tschechische Republik noch Ungarn, das sie unterstützt, nachgewiesen, dass diese Bestimmungen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit beinhalten.

153    Was drittens die Vereinbarkeit der in Art. 7 Abs. 4a der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung vorgesehenen Ausnahme mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Vertrauensschutz als Ausfluss des in Rn. 148 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen Grundsatzes der Rechtssicherheit jedem Einzelnen zusteht, wenn sich herausstellt, dass die Unionsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Konkrete, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine konkreten Zusicherungen gegeben hat. Ist ferner ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den genannten Grundsatz berufen (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

154    Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die beanstandete Bestimmung zwischen dem Inkrafttreten der angefochtenen Richtlinie am 13. Juni 2017 und dem Ablauf der Frist für ihre Umsetzung in das Recht der Mitgliedstaaten am 14. September 2018 verhindern soll, dass der Erwerb von ab dem letztgenannten Zeitpunkt verbotenen Feuerwaffen ansteigt.

155    Da die angefochtene Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union 20 Tage vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht wurde, konnte des Weiteren jeder, der nach ihrem Inkrafttreten eine solche Waffe erwerben wollte, wissen, dass sein Mitgliedstaat aufgrund dieser Richtlinie spätestens nach Ablauf der Frist für ihre Umsetzung verpflichtet sein würde, für eine solche Waffe erteilte Genehmigungen zu entziehen.

156    Schließlich waren die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, ihre Rechtsvorschriften dahin zu ändern, dass die Gültigkeit nach dem 13. Juni 2017 erteilter Genehmigungen auf den 14. September 2018 befristet war.

157    Daher ist in Anbetracht der in Rn. 153 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung weder nachgewiesen, dass der Unionsgesetzgeber einen Vertrauensschutz bei Privatpersonen hat schaffen können, die nach dem 13. Juni 2017 Waffen nach Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nrn. 7 und 8 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung erwerben wollten, noch, dass er die Mitgliedstaaten zu einer rückwirkenden Anwendung der angefochtenen Richtlinie verpflichtet hätte.

158    Folglich ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

 Vorbringen der Parteien

159    Mit ihrem vierten Klagegrund macht die Tschechische Republik geltend, dass die in Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung vorgesehene Ausnahme eine Maßanfertigung für die Schweizerische Eidgenossenschaft sei, für die die angefochtene Richtlinie nach ihrem 36. Erwägungsgrund eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands darstelle. Die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschrift entbehrten jedoch jeder Begründung im Hinblick auf die Ziele der angefochtenen Richtlinie, die Vorschrift sei diskriminierend und daher für nichtig zu erklären.

160    Die Voraussetzung des Bestehens eines Systems einer allgemeinen Wehrpflicht mit der Regelung, dass seit über 50 Jahren ein System der Weitergabe militärischer Feuerwaffen an aus der Armee ausscheidende Personen bestanden habe, ebenso wie die Voraussetzung, dass es sich nur um Feuerwaffen nach Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 6 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung handeln dürfe, ließen sich nämlich durch keines der Ziele der angefochtenen Richtlinie rechtfertigen und bewirkten, dass diese Ausnahme nur auf die Schweizerische Eidgenossenschaft anwendbar sei, ein Ziel, das im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich anerkannt worden sei.

161    Da aufgrund der an die Geschichte anknüpfenden Voraussetzung kein Mitgliedstaat diese Ausnahme in Anspruch nehmen könne, führe sie jedoch eine objektiv nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf der einen und den Mitgliedstaaten der Union sowie den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auf der anderen Seite ein. Die Dauer selbst des Bestehens des Systems, Feuerwaffen nach dem Ende der Wehrpflicht zu behalten, gewährleiste nämlich in keiner Weise eine Erhöhung der Sicherheitsgarantien. Selbst wenn eingeräumt werde, dass der Dauer eines solchen Systems eine gewisse Bedeutung zukomme, sei die Zugrundelegung der letzten über 50 Jahre gleichwohl willkürlich und unverhältnismäßig.

162    Ungarn weist darauf hin, dass dann, wenn Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung dahin zu verstehen sei, dass er nur die Folgen von Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 1 für die Staaten klarstellen solle, die einer langen Tradition folgend ehemaligen Wehrpflichtigen nach Erfüllung der Wehrpflicht gestatteten, ihre Waffe zu behalten, diese Vorschrift den in ihren Anwendungsbereich fallenden Personen eine zusätzliche Anforderung auferlege, da zu berücksichtigen sei, dass regelmäßig überprüft werden müsse, ob diese Personen im Gegensatz zu Sportschützen, die nicht aus dem Militärdienst kämen und Inhaber einer Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 1 seien, keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten.

163    Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Kommission, treten dem Vorbringen der Tschechischen Republik und dem zu deren Unterstützung geltend gemachten Vortrag Ungarns entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

164    Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gleichheitsgrundsatz verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 29. März 2012, Kommission/Polen, C‑504/09 P, EU:C:2012:178, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

165    Auch wenn nicht bestritten wird, dass – wie die Tschechische Republik, unterstützt durch Ungarn, geltend macht – die Voraussetzungen, die dafür vorgesehen sind, die in Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung festgelegte Ausnahme in Anspruch zu nehmen, nur von der Schweizerischen Eidgenossenschaft erfüllt werden, wäre es dafür, dass der vierte Klagegrund durchgreifen könnte, doch erforderlich, dass sich einerseits die Schweizerische Eidgenossenschaft und andererseits die Mitgliedstaaten der Union und andere Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation als die Schweizerische Eidgenossenschaft hinsichtlich des Gegenstands dieser Ausnahme in einer vergleichbaren Lage befinden.

166    Wie indes die Generalanwältin in den Nrn. 139 und 140 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, trägt die Voraussetzung, die an das Bestehen einer auf der allgemeinen Wehrpflicht beruhenden militärischen Regelung anknüpft, in der seit über 50 Jahren ein System der Weitergabe militärischer Feuerwaffen an aus der Armee ausscheidende Personen vorgesehen war, sowohl der Kultur als auch den Traditionen der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie dem Umstand Rechnung, dass dieser Staat aufgrund dieser Traditionen über die Erfahrung und die Fähigkeit verfügt, die betreffenden Personen und Waffen nachzuverfolgen und zu überwachen, eine Erfahrung und eine Fähigkeit, die vermuten lassen, dass die von der angefochtenen Richtlinie verfolgten Ziele der öffentlichen Sicherheit trotz dieser Ausnahme erreicht werden.

167    Da nicht vermutet werden kann, dass dies bei Staaten der Fall ist, die weder die Tradition eines Systems der Weitergabe militärischer Feuerwaffen haben noch die daran anknüpfende Erfahrung und erwiesene Fähigkeit, die betreffenden Personen und Waffen nachzuverfolgen und zu überwachen, ist davon auszugehen, dass sich nur diejenigen Staaten in einer mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft vergleichbaren Lage befinden, die ebenfalls seit Langem ein solches System haben. Die dem Gerichtshof vorgelegten Akten enthalten jedoch keine diesbezüglichen Angaben und folglich auch keine Anhaltspunkte, mit denen sich eine Diskriminierung zum Nachteil der Mitgliedstaaten der Union und der EFTA nachweisen ließe.

168    Soweit die Tschechische Republik den Umstand als willkürlich rügt, dass der Unionsgesetzgeber auf die Voraussetzung eines seit über 50 Jahren bestehenden Systems der Weitergabe militärischer Feuerwaffen abgestellt hat, sowie auf den Umstand, dass es sich nur um Feuerwaffen nach Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nr. 6 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung handeln kann, genügt der Hinweis, dass dieser Mitgliedstaat keinen anderen Staat genannt hat, der seit weniger als 50 Jahren über ein System der Weitergabe militärischer Feuerwaffen oder anderer Waffen als der dieser Kategorie verfügt, so dass diese Rüge jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

169    Soweit Ungarn geltend macht, dass Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/477 in der durch die angefochtene Richtlinie geänderten Fassung im Verhältnis zu Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 1 die zusätzliche Anforderung aufstelle, regelmäßig zu überprüfen, ob die betreffenden Personen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten, genügt schließlich der Hinweis, dass dieser zweite Unterabsatz eine andere Ausnahme als die im ersten Unterabsatz enthaltene vorsieht und dass diese andere Ausnahme spezifischen Voraussetzungen unterliegt. Da somit diese Unterabsätze auf unterschiedliche Situationen abstellen, begründet der Umstand, dass sie unterschiedliche Voraussetzungen vorsehen, keine Diskriminierung.

170    Nach alledem ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

171    Folglich ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

172    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament und der Rat die Verurteilung der Tschechischen Republik beantragt haben und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, aufzuerlegen.

173    Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Französische Republik, Ungarn, die Republik Polen und die Kommission als Streithelfer ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Tschechische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union.

3.      Die Französische Republik, Ungarn, die Republik Polen und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Tschechisch.