URTEIL DES GERICHTSHOFES
9. Juli 1997(1)
[234s„Richtlinie .Fernsehen ohne Grenzen' Von einem Mitgliedstaat aus
ausgestrahlte Fernsehwerbung Verbot irreführender Werbung Verbot von an
Kinder gerichteter Werbung“[s
In den verbundenen Rechtssachen C-34/95, C-35/95 und C-36/95
betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vom
Marknadsdomstol (Schweden) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Konsumentombudsmannen (KO)
gegen
De Agostini (Svenska) Förlag AB (C-34/95)
sowie
Konsumentombudsmannen (KO)
gegen
TV-Shop i Sverige AB (C-35/95 und C-36/95)
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 30 und
59 EG-Vertrag sowie der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989
zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der
Kammerpräsidenten G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, J. L. Murray
(Berichterstatter) und L. Sevón sowie der Richter C. N. Kakouris, P. J. G. Kapteyn,
C. Gulmann, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann und
H. Ragnemalm,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- des Konsumentombudsman Axel Edling in der Rechtssache C-34/95,
- des Konsumentombudsman, vertreten durch den stellvertretenden
Konsumentombudsman Per Eklund, in den Rechtssachen C-35/95 und
C-36/95,
- der De Agostini (Svenska) Förlag AB, vertreten durch Rechtsanwälte Peter
Danowsky und Ulf Isaksson, Stockholm,
- der TV-Shop i Sverige AB, vertreten durch Rechtsanwalt Lars-Erik Ström,
Malmö,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch Rättschef Lotty Nordling,
Außenhandelsabteilung des Außenministeriums, als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch Jan Devadder,
Verwaltungsdirektor im Juristischen Dienst des Außenministeriums, als
Bevollmächtigten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch Rechtsberater
Panagiotis Kamarineas, Juristischer Dienst des Staates, Ioanna Kiki,
Referentin in der Sonderabteilung des Außenministeriums für Rechtsfragen
der Europäischen Gemeinschaften, und Rechtsberaterin Sofia Chiniadou,
Ministerium für Presse und Massenmedien, als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch Botschafter Holger Rotkirch,
Leiter des Juristischen Dienstes des Außenministeriums, als
Bevollmächtigten,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch den Regjeringsadvokat Didrik
Tønseth als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Berend
Jan Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Konsumentombudsman Axel
Edling, der De Agostini (Svenska) Förlag AB, vertreten durch Peter Danowsky und
Ulf Isaksson, der TV-Shop i Sverige AB, vertreten durch Lars-Erik Ström, der
schwedischen Regierung, vertreten durch Lotty Nordling, der griechischen
Regierung, vertreten durch Rechtsberater Georgios Kanellopoulos, Juristischer
Dienst des Staates, als Bevollmächtigten, der finnischen Regierung, vertreten durch
Rechtsberaterin Tuula Pynnä, Außenministerium, als Bevollmächtigte, der
norwegischen Regierung, vertreten durch Didrik Tønseth als Bevollmächtigten, und
der Kommission, vertreten durch Berend Jan Drijber und die Juristische
Hauptberaterin Karin Oldfelt, als Bevollmächtigte, in der Sitzung vom 11. Juni
1996,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17.
September 1996,
folgendes
Urteil
- Der Marknadsdomstol hat mit drei Beschlüssen vom 7. Februar 1995, beim
Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei
Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 59 EG-Vertrag sowie der Richtlinie
89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der
Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23; nachstehend: Richtlinie) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- Diese Fragen stellen sich in drei Verfahren, die der Konsumentombudsman
(Verbraucherschutzbeauftragter) angestrengt hat und in denen er beantragt, der De
Agostini (Svenska) Förlag AB (nachstehend: De Agostini) und der TV-Shop i
Sverige AB (nachstehend: TV-Shop) bestimmte Werbepraktiken in
Fernsehwerbespots für eine Kinderzeitschrift (Rechtssache C-34/95), für
Hautpflegemittel (Rechtssache C-35/95) und für ein Reinigungsmittel (Rechtssache
C-36/95) zu untersagen.
Allgemeine Bestimmungen der Richtlinie
- Wie der Gerichtshof im Urteil vom 9. Februar 1995 in der Rechtssache C-412/93
(Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I-179) festgestellt hat, besteht das Hauptziel der
Richtlinie, die auf der Grundlage der Artikel 57 Absatz 2 und 66 des Vertrages
erlassen worden ist, darin, die freie Ausstrahlung von Fernsehsendungen
sicherzustellen. Zu diesem Zweck sieht sie, wie sich aus der dreizehnten und der
vierzehnten Begründungserwägung ergibt, Mindestnormen vor, denen
Fernsehsendungen, die ihren Ursprung in der Gemeinschaft haben und für den
Empfang in der Gemeinschaft bestimmt sind, entsprechen müssen (Randnrn. 28
und 29).
- Artikel 1 der Richtlinie definiert „Fernsehsendung“ als drahtlose oder
drahtgebundene, erdgebundene oder durch Satelliten vermittelte unverschlüsselte
oder verschlüsselte Erstsendung von Fernsehprogrammen, die zum Empfang durch
die Allgemeinheit bestimmt ist, und „Fernsehwerbung“ als jede Äußerung u. a. bei
der Ausübung eines Handels, die im Fernsehen von einem öffentlich-rechtlichen
oder privaten Veranstalter gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung
gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von
Dienstleistungen gegen Entgelt zu fördern. Weiter heißt es in dieser Bestimmung,
daß die Fernsehwerbung, von den Zwecken des Artikels 18 abgesehen, nicht die
direkten Angebote an die Öffentlichkeit im Hinblick auf den Verkauf, den Kauf
oder die Vermietung von Erzeugnissen oder im Hinblick auf die Erbringungen von
Dienstleistungen gegen Entgelt einschließt.
- Artikel 2 der Richtlinie bestimmt u. a.:
„(1) Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, daß alle Fernsehsendungen, die
- von seiner Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstaltern gesendet
werden
...,
dem Recht entsprechen, das auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen
anwendbar ist.
(2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die
Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem
Hoheitsgebiet aus Gründen, die in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie
koordiniert sind. Sie können die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen
vorübergehend aussetzen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- mit einer Fernsehsendung aus einem anderen Mitgliedstaat wird in
offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 22
verstoßen;
- der Fernsehveranstalter hat während der vorangegangenen zwölf Monate
bereits mindestens zweimal gegen diese Vorschrift verstoßen;
- der betreffende Mitgliedstaat hat dem Fernsehveranstalter und der
Kommission schriftlich die behaupteten Verstöße sowie seine Absicht
mitgeteilt, im Falle erneuter Verstöße die Weiterverbreitung
einzuschränken;
- die Konsultationen mit dem Staat, der die Sendung verbreitet, und der
Kommission haben innerhalb von 15 Tagen ab der in Buchstabe c)
genannten Mitteilung zu keiner gütlichen Regelung geführt, und es kommt
zu einem erneuten Verstoß.
Die Kommission achtet darauf, daß eine derartige Aussetzung mit dem
Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Sie kann den betroffenen Mitgliedstaat
auffordern, eine gemeinschaftsrechtswidrige Aussetzung unverzüglich zu beenden.
Diese Vorschrift läßt die Anwendung entsprechender Verfahren, Rechtsmittel oder
Sanktionen bezüglich der betreffenden Verstöße in dem Mitgliedstaat, dessen
Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, unberührt.
...“
- Schließlich können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie für
Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder
ausführlichere Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfaßten Bereichen
vorsehen. Nach Artikel 3 Absatz 2 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, daß die jeweils
ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen dieser
Richtlinie einhalten.
Das schwedische Recht
- Nach § 2 Absatz 1 Marknadsföringslag (1975:1418; Gesetz über die
Handelspraktiken) kann der Marknadsdomstol einem Gewerbetreibenden, der bei
der Vermarktung und Förderung des Absatzes eines Erzeugnisses, eines Dienstes
oder einer anderen Leistung Werbung betreibt oder eine andere Handlung
vornimmt, die durch Verstoß gegen lauteres Geschäftsgebaren oder auf andere
Weise gegenüber dem Verbraucher oder anderen Gewerbetreibenden unlauter ist,
die Fortsetzung dieser Handlung oder die Vornahme einer anderen vergleichbaren
Handlung untersagen. Diese Bestimmung gilt auch für Fernsehsendungen, die aus
einem anderen durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
gebundenen Land empfangen werden können.
- Darüber hinaus kann der Marknadsdomstol nach § 3 Marknadsföringslag dem
Gewerbetreibenden u. a. aufgeben, in seine Werbung eine Information
aufzunehmen, die nach Ansicht dieses Gerichts für den Verbraucher wichtig ist.
- Nach § 11 Radiolag (1966:755; Rundfunkgesetz) darf eine Werbeanzeige, die im
Fernsehen während der Werbezeit ausgestrahlt wird, nicht darauf gerichtet sein, die
Aufmerksamkeit von Kindern unter zwölf Jahren zu erregen.
- Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, sind Vermarktungs- und
Absatzförderungsmaßnahmen, die gegen zwingende Gesetzesvorschriften verstoßen,
sowie irreführende Werbung nach ständiger Rechtsprechung des Marknadsdomstol
unlauter im Sinne des § 2 Marknadsföringslag.
Der Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten
- TV3 ist ein Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich. Es strahlt von dort
Fernsehsendungen über Satellit nach Dänemark, Schweden und Norwegen aus.
- TV4 und der Homeshopping Channel sind Sender, die aufgrund einer Lizenz nach
dem Rundfunkgesetz Sendungen in Schweden ausstrahlen.
- In den drei Rechtsstreitigkeiten wurde die beanstandete Fernsehwerbung über
Satellit vom Vereinigten Königreich nach Schweden zurückübertragen und in TV3
gezeigt. Gleichzeitig wurde diese Werbung ohne vorherige Übertragung aus einem
anderen Mitgliedstaat über TV4 in der Rechtssache C-34/95 und über den
Homeshopping Channel in den Rechtssachen C-35/95 und C-36/95 ausgestrahlt.
Rechtssache C-34/95
- Im September 1993 zeigte De Agostini, eine schwedische Gesellschaft, die zu der
italienischen Gruppe Istituto Geografico De Agostini gehört, deren Tätigkeit
hauptsächlich in der Herausgabe von Zeitschriften besteht, dem schwedischen
Publikum in den Fernsehsendern TV3 und TV4 einen Werbespot für die Zeitschrift
„Allt om dinosaurier!“ („Alles über Dinosaurier!“).
- Wie sich aus den Akten des Ausgangsverfahrens ergibt, ist diese Kinderzeitschrift
eine enzyklopädische Zeitschrift, die Informationen über Dinosaurier und ein
Dinosauriermodell mit Bezug zu dem jeweiligen Inhalt enthält. Die Zeitschrift
erscheint in Form von Heftserien, wobei jede Serie mehrere Nummern umfaßt.
Jeder Nummer ist ein Teil des Modells beigefügt: Nach dem Kauf der gesamten
Serie hat man sämtliche Teile des Modells beisammen. Die Zeitschrift, die in
mehreren Sprachen erscheint, wurde von 1993 an in mehreren Mitgliedstaaten auf
den Markt gebracht. Offensichtlich werden alle Sprachfassungen der Zeitschrift in
Italien gedruckt.
- Der Konsumentombudsman beantragte nach § 2 Marknadsföringslag beim
Marknadsdomstol, De Agostini unter Androhung einer Geldbuße zu untersagen,
für die Zeitschrift „Allt om dinosaurier!“ in der beschriebenen Weise Werbung zu
betreiben, da diese Werbung darauf gerichtet sei, die Aufmerksamkeit von Kindern
unter zwölf Jahren zu erregen, und daher gegen § 11 Radiolag verstoße. Für den
Fall, daß der Marknadsdomstol diesem Antrag nicht stattgeben sollte, beantragte
der Konsumentombudsman, De Agostini gemäß § 3 Marknadsföringslag unter
Androhung einer Geldbuße zu verpflichten, in ihrer für Kinder bestimmten
Fernsehwerbung die Zahl der Hefte, die erforderlich sind, um das vollständige
Modell zu erhalten, sowie den Gesamtpreis hierfür anzugeben. Schließlich
beantragte der Konsumentombudsman gemäß § 2 Marknadsföringslag, De Agostini
unter Androhung einer Geldbuße zu untersagen, in ihren Fernsehwerbungen die
Behauptung: „Alle zwei Wochen kannst Du Teile für ein fluoreszierendes
Dinosauriermodell und die Hefte sammeln, die zusammen ein Nachschlagewerk
ergeben. Alles für nur 7,50 Kronen“, oder eine andere Behauptung weitgehend
gleichen Inhalts aufzustellen.
Die Rechtssachen C-35/95 und C-36/95
- Die Rechtssachen C-35/95 und C-36/95 betreffen die Tätigkeiten von TV-Shop,
einer schwedischen Zweigniederlassung von TV-Shop Europe. Das Unternehmen
führt in einem Fernsehspot von ihr vertriebene Waren vor, die der Kunde
anschließend telefonisch bestellen kann. Die Verkaufs- und Kundenberatungsstellen
finden sich in den verschiedenen Empfangsländern. Die Lieferung der Waren
erfolgt durch die Post.
- 1993 ließ TV-Shop auf diese Weise in TV3 und im Homeshopping Channel zwei
„infomercials“ für die Hautpflegemittel „Body de Lite“ und die Reinigungsmittel
„Astonish“ ausstrahlen.
- In der Rechtssache C-35/95 beantragte der Konsumentombudsman gemäß § 2
Marknadsföringslag beim Marknadsdomstol, TV-Shop zu untersagen, bei der
Werbung für Hautpflegemittel
- Behauptungen über die Wirkungen dieser Produkte auf die Haut
aufzustellen, ohne diese Behauptungen während der Werbesendung belegenzu können,
- zu behaupten, daß die Erzeugnisse heilende oder pflegende Wirkungen
hätten, wenn diese nicht als registrierte Arzneimittel anerkannt seien,
- zu behaupten oder anzudeuten, daß der Verbraucher beim Kauf der
Hautpflegeserie Zusatzprodukte ohne Extrakosten erhalte, wenn diese
Hautpflegeserie normalerweise ohne die Beigabe von Zusatzprodukten nicht
zu demselben wie dem in der Werbung angegebenen Preis verkauft werde,
- den Preis für die Hautpflegeserie mit Erzeugnissen eines anderen Fabrikats
zu vergleichen, wenn die Gesellschaft nicht dartun könne, daß Gegenstand
des Vergleichs die gleichen oder gleichwertige Erzeugnisse seien, und
- zu erklären, daß der Verbraucher, um gewisse Zusatzprodukte zu erhalten,
seine Bestellung binnen zwanzig Minuten oder binnen einer vergleichbar
kurzen Zeitspanne aufgeben müsse.
- Der Konsumentombudsman beantragte weiterhin gemäß § 3 Marknadsföringslag,
TV-Shop unter Androhung einer Geldbuße zu verpflichten, in der Fernsehwerbung
für Waren die zusätzlichen Kosten für Porto und Nachnahmegebühren und
ähnliche Gebühren in Kronen anzugeben.
- Ebenso beantragte der Konsumentombudsman in der Rechtssache C-36/95 beim
Marknadsdomstol gemäß § 2 Marknadsföringslag, TV-Shop unter Androhung einer
Geldbuße zu untersagen,
- Behauptungen über die Wirksamkeit der Reinigungsmittel aufzustellen,
ohne deren Richtigkeit während der Werbesendung belegen zu können,
- das Wort „umweltfreundlich“ oder ähnliche unscharfe Formulierungen des
Inhalts zu verwenden, daß das Reinigungsmittel Vorteile für die Umwelt
habe, und
- den Ausdruck „biologisch abbaubar“ oder ähnliche Formulierungen für das
Reinigungsmittel zu verwenden, ohne die Richtigkeit dieser Behauptungen
während der Werbesendung belegen zu können.
- Unter diesen Umständen hat der Marknadsdomstol den Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften um Entscheidung über folgende Fragen ersucht:
Ist Artikel 30 oder Artikel 59 des Vertrages oder die Richtlinie 89/552/EWG vom
3. Oktober 1989 dahin auszulegen, daß sie
- einen Mitgliedstaat daran hindern, gegen eine Fernsehwerbung vorzugehen,
die ein Werbetreibender von einem anderen Mitgliedstaat aus ausstrahlen
läßt (in den Rechtssachen C-34/95, C-35/95 und C-36/95),
- der Anwendung des Verbotes von Werbung, die an Kinder gerichtet ist,
gemäß § 11 Absatz 1 Radiolag (Rechtssache C-34/95) entgegenstehen?
- Mit Beschluß vom 20. März 1995 hat der Präsident des Gerichtshofes gemäß
Artikel 43 der Verfahrensordnung die Verbindung der Rechtssachen C-34/95,
C-35/95 und C-36/95 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren
sowie zu gemeinsamer Entscheidung angeordnet.
Zur ersten Frage
Zur Richtlinie
- Zur Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie ist zunächst festzustellen, daß sich
trotz unzulänglicher Formulierung aus dem Titel der Richtlinie ergibt, daß diese
bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Ausübung der Fernsehtätigkeit koordinieren soll, um die Beschränkungen der
Freiheit, innerhalb der Gemeinschaft Sendungen auszustrahlen, aufzuheben.
- Nach der achten, der neunten und der zehnten Begründungserwägung der
Richtlinie ergeben sich die Beschränkungen, die der Gemeinschaftsgesetzgeber
abschaffen wollte, aus den Unterschieden zwischen den Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehprogrammen.
- Infolgedessen sind die von der Richtlinie koordinierten Bereiche nur hinsichtlich
der Fernsehtätigkeit im eigentlichen Sinne, wie sie in Artikel 1 Buchstabe a
definiert ist, koordiniert.
- Um die freie Ausstrahlung von Fernsehsendungen zu gewährleisten, sieht Artikel
2 der Richtlinie vor, daß alle Sendungen aus der Gemeinschaft, die für den
Empfang innerhalb der Gemeinschaft und insbesondere für einen anderen
Mitgliedstaat bestimmt sind, dem Recht des Sendestaats, das auf für die
Allgemeinheit in diesem Staat bestimmte Sendungen anwendbar ist, sowie der
Richtlinie entsprechen müssen. Dementsprechend müssen die Mitgliedstaaten,
vorbehaltlich der ihnen in Artikel 2 Absatz 2 eingeräumten Möglichkeit, den freien
Empfang gewährleisten und dürfen die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen
aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die in Bereiche
fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind, nicht beeinträchtigen.
- Nach der dreizehnten Begründungserwägung regelt die Richtlinie das notwendige
Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr zu verwirklichen, und berührt daher
nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation und die
Finanzierung der Sendungen sowie die Programminhalte. Wie sich aus der
siebzehnten Begründungserwägung ergibt, läßt die Richtlinie, die sich auf
spezifische, für das Fernsehen geltende Regelungen beschränkt, bestehende oder
künftige Rechtsangleichungsmaßnahmen der Gemeinschaften unberührt, mit denen
insbesondere zwingenden Erfordernissen zum Schutz der Verbraucher, der
Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Wettbewerbs entsprochen werden soll.
- Nach dem Urteil vom 10. September 1996 in der Rechtssache C-222/94
(Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1996, I-4025, Randnr. 42) kann eine
Zuständigkeit rationae personae eines Mitgliedstaats gegenüber einem
Fernsehveranstalter nur auf dessen Beziehung zu der Rechtsordnung dieses Staates
gestützt werden, was sich im wesentlichen mit dem Begriff der Niederlassung im
Sinne von Artikel 59 Absatz 1 des Vertrages deckt, der nach seinem Wortlaut
voraussetzt, daß Erbringer und Empfänger einer Dienstleistung in zwei
verschiedenen Mitgliedstaaten „ansässig“ sind.
- Für die Werbung stellt die Richtlinie in ihrem Kapitel IV über Fernsehwerbung
und Sponsoring eine Reihe von Grundsätzen über die Art und Weise der Sendung,
den Einsatz bestimmter Werbetechniken und die Sendezeit, die für Werbung
vorgesehen werden kann, auf (Artikel 10, 11, 17 und 18).
- Die Richtlinie betrifft auch den Inhalt der Fernsehwerbung. So darf diese nach
Artikel 12 nicht die Menschenwürde verletzen, Diskriminierungen nach Rasse,
Geschlecht oder Nationalität enthalten, religiöse oder politische Überzeugungen
verletzen, Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden,
oder Verhaltensweisen fördern, die den Schutz der Umwelt gefährden. Die Artikel
13 und 14 enthalten ein Verbot jeder Form der Werbung für Zigaretten und
andere Tabakerzeugnisse oder für Arzneimittel und ärztliche Behandlungen, die in
dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist,
nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind. Artikel 15 sieht gewisse
Beschränkungen der Fernsehwerbung für alkoholische Getränke vor. Artikel 16
stellt mehrere Grundsätze insbesondere für den Schutz Minderjähriger auf, der im
übrigen in Kapitel V durch Artikel 22 geregelt ist.
- Die Richtlinie führt somit hinsichtlich der Ausstrahlung und Verbreitung von
Fernsehprogrammen eine Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
über Fernsehwerbung und Sponsoring durch, die jedoch nur eine Teilkoordinierung
ist.
- Die Richtlinie sieht zwar vor, daß die Mitgliedstaaten den freien Empfang
gewährleisten und die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen
Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die die Fernsehwerbung und
das Sponsoring betreffen, nicht behindern, schließt jedoch die Anwendung anderer
Vorschriften als derjenigen, die gerade die Ausstrahlung und Verbreitung von
Programmen betreffen, nicht völlig und von vornherein aus.
- So steht die Richtlinie der Anwendung einer nationalen Regelung grundsätzlich
nicht entgegen, die allgemein dem Verbraucherschutz dient, dabei aber keine
zweite Kontrolle der Fernsehsendungen zusätzlich zu der vom Sendestaat
durchzuführenden Kontrolle einführt.
- Daher stellt es keine nach der Richtlinie verbotene Beschränkung dar, wenn
gegenüber Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten eine Regelung eines
Mitgliedstaats wie die in den Ausgangsverfahren streitige angewendet wird, die mit
dem Ziel des Verbraucherschutzes ein System von Verboten und Anordnungen
gegenüber den Werbetreibenden unter Androhung von Geldbußen vorsieht.
- Nach Ansicht von De Agostini, TV-Shop und der Kommission würden Ziel und
Wirkungen des Grundsatzes der Kontrolle der Sendungen durch den Staat, dessen
Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, ernsthaft beeinträchtigt,
wenn diese Richtlinie als auf Werbetreibende unanwendbar anzusehen wäre. Eine
Beschränkung der Werbung würde sich nämlich auf die Fernsehsendungen
auswirken, auch wenn nur die Werbung davon betroffen sei.
- Gegenüber diesem Einwand genügt die Feststellung, daß die Richtlinie
84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung (ABl.
L 250, S. 17), die insbesondere in ihrem Artikel 4 Absatz 1 vorsieht, daß die
Mitgliedstaaten im Interesse sowohl der Verbraucher als auch der Wettbewerber
und der Allgemeinheit für geeignete und wirksame Möglichkeiten zur Bekämpfung
der irreführenden Werbung sorgen, im Bereich der Fernsehwerbung ihren Sinn
verlöre, wenn der Empfangsstaat gegenüber einem Werbetreibenden keine
Maßnahmen mehr treffen könnte; dies stünde im Gegensatz zu der
Willenskundgebung des Gemeinschaftsgesetzgebers (vgl. in diesem Sinne Urteil des
Gerichtshofes der Europäischen Freihandelsassoziation vom 16. Juni 1995, E-8/94
und E-9/94, Forbrukerombudet/Mattel Scandinavia und Lego Norge, Report of the
EFTA Court 1 January 1994 30 June 1995, 113, Randnrn. 54 bis 56 und 58).
- Somit verwehrt es die Richtlinie einem Mitgliedstaat nicht, gemäß einer
allgemeinen Regelung zum Schutz der Verbraucher gegen irreführende Werbung
Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer von einem anderen
Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen, sofern diese
Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von
Fernsehsendungen aus diesem anderen Mitgliedstaat im Hoheitsgebiet des
erstgenannten Mitgliedstaats verhindern.
Zu Artikel 30 des Vertrages
- In Randnummer 22 des genannten Urteils Leclerc-Siplec hat der Gerichtshof
festgestellt, daß eine Regelung, die Fernsehwerbung in einem bestimmten Sektor
untersagt, Verkaufsmodalitäten betrifft, soweit sie eine Form der Förderung einer
bestimmten Methode des Absatzes von Erzeugnissen verbietet.
- Im Urteil vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C-267/91 und C-268/91
(Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097, Randnr. 16) hat der Gerichtshof
festgestellt, daß nationale Maßnahmen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten
verbieten, nicht unter Artikel 30 des Vertrages fallen, sofern sie für alle betroffenen
Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie
den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen
Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.
- Die erste Voraussetzung ist in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten offenkundig erfüllt.
- Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung läßt sich nicht ausschließen, daß das
vollständige Verbot einer Form der Förderung des Absatzes eines Erzeugnisses in
einem Mitgliedstaat, das dort rechtmäßig verkauft wird, stärkere Auswirkungen auf
Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten hat.
- Die Wirksamkeit verschiedener Absatzförderungsformen ist zwar eine Frage, die
grundsätzlich vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist; De Agostini hat jedoch
in ihren Erklärungen darauf hingewiesen, daß die Fernsehwerbung für sie die einzig
wirksame Form der Absatzförderung sei, um in den schwedischen Markt eindringen
zu können, da ihr keine anderen Werbemittel zur Verfügung ständen, um die
Kinder und ihre Eltern zu erreichen.
- Somit fällt das vollständige Verbot von Werbung, die an Kinder unter zwölf Jahren
gerichtet oder irreführend im Sinne der schwedischen Rechtsvorschriften ist, nicht
unter Artikel 30 des Vertrages, sofern nicht nachgewiesen wird, daß dieses Verbot
den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen
Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich nicht in gleicher Weise berührt.
- Sollte dies der Fall sein, müßte das vorlegende Gericht prüfen, ob das Verbot aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in
Artikel 36 des Vertrages genannten Ziele erforderlich ist, ob es hierzu in einem
angemessenen Verhältnis steht und ob diese Ziele oder zwingenden Gründe nicht
durch Maßnahmen hätten erreicht werden können, die den innergemeinschaftlichen
Handel weniger beeinträchtigen.
- Nach ständiger Rechtsprechung stellen die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der
Verbraucherschutz grundsätzlich zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses
dar, die Einschränkungen des freien Warenverkehrs rechtfertigen können (Urteil
vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78, Rewe-Zentral AG, „Cassis de
Dijon“, Slg. 1979, 649, Randnr. 8).
- Infolgedessen ist zu antworten, daß Artikel 30 des Vertrages dahin auszulegen ist,
daß er es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, gemäß seinen nationalen
Rechtsvorschriften Maßnahmen gegen einen Werbetreibenden wegen einer
Fernsehwerbung zu treffen, es sei denn, diese Vorschriften berühren den Absatz
der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten
rechtlich wie tatsächlich nicht in der gleichen Weise, sie sind aus zwingenden
Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in Artikel 36 des
Vertrages genannten Ziele nicht erforderlich, sie stehen hierzu nicht in einem
angemessenen Verhältnis, oder diese Ziele oder zwingenden Gründe können durch
Maßnahmen erreicht werden, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger
beeinträchtigen.
Zu Artikel 59 des Vertrages
- Nach dem Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85 (Bond van
Adverteerders u. a., Slg. 1988, 2085) ist die Werbung, die ein in einem Mitgliedstaat
ansässiger Fernsehveranstalter für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen
Werbetreibenden gegen Entgelt verbreitet, eine Dienstleistung im Sinne des
Artikels 59 des Vertrages.
- Somit ist zu prüfen, ob nationale Rechtsvorschriften wie die in den
Ausgangsverfahren streitigen nach Artikel 59 des Vertrages verbotene
Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs sind.
- Da Bestimmungen wie die in den Ausgangsverfahren streitigen die Möglichkeit für
die im Sendestaat niedergelassenen Fernsehveranstalter beschränken, für imEmpfangsstaat niedergelassene Werbetreibende Werbung zu verbreiten, die speziell
für das Publikum im Empfangsstaat bestimmt ist, enthalten sie eine Beschränkung
des freien Dienstleistungsverkehrs.
- In Ermangelung einer Harmonisierung der Vorschriften über Dienstleistungen
können Behinderungen der vom Vertrag in diesem Bereich garantierten Freiheit
daher rühren, daß innerstaatliche Vorschriften, die alle im Inland ansässigen
Personen erfassen, auf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässige Erbringer
von Dienstleistungen angewandt werden, die bereits den Rechtsvorschriften dieses
Mitgliedstaats genügen müssen (Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache
C-288/89, Collectieve Antennevoorziening Gouda u. a., Slg. 1991, I-4007,
Randnr. 12).
- In einem solchen Fall hat das Vorlagegericht zu prüfen, ob diese Vorschriften aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in
Artikel 56 des Vertrages aufgeführten Ziele erforderlich sind, ob sie hierzu in
einem angemessenen Verhältnis stehen und ob diese Ziele oder zwingenden
Gründe nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen hätten erreicht werden
können.
- Nach ständiger Rechtsprechung stellen die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der
Schutz der Verbraucher im allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses
dar, die Beeinträchtigungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können
(vgl. u. a. Urteile Collectieve Antennevoorziening Gouda u. a., a. a. O., Randnr. 14,
und vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1995,
I-1141).
- Somit ist zu antworten, daß Artikel 59 des Vertrages dahin auszulegen ist, daß er
es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften
Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer Fernsehwerbung zu
treffen. Das vorlegende Gericht hat jedoch zu prüfen, ob diese Vorschriften aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in
Artikel 56 des Vertrages aufgeführten Ziele erforderlich sind, ob sie hierzu in
einem angemessenen Verhältnis stehen und ob diese Ziele oder zwingenden
Gründe nicht durch Maßnahmen hätten erreicht werden können, die den
innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen.
Zur zweiten Frage
- Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof
Aufschluß über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf eine
Bestimmung eines nationalen Rundfunkgesetzes, wonach eine Werbeanzeige, die
im Fernsehen während der Werbezeit ausgestrahlt wird, nicht darauf gerichtet sein
darf, die Aufmerksamkeit von Kindern unter zwölf Jahren zu erregen.
- Die Anwendung einer solchen nationalen Rechtsvorschrift auf Werbung, die von
einem in demselben Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehveranstalter ausgestrahlt
wird, verstößt nicht gegen die Richtlinie, da deren Artikel 3 Absatz 1 keine
Beschränkung hinsichtlich der Interessen enthält, denen die Mitgliedstaaten
Rechnung tragen können, wenn sie für die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen
Fernsehveranstalter strengere Bestimmungen erlassen. Dies gilt jedoch nicht für
Fernsehveranstalter, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind.
- Die Richtlinie enthält in ihren Artikeln 16 und 22 eine umfassende Regelung
speziell für den Schutz Minderjähriger im Hinblick auf Fernsehprogramme im
allgemeinen und Fernsehwerbung im besonderen.
- Die Beachtung dieser Bestimmungen ist vom Sendestaat zu gewährleisten.
- Dies bedeutet zwar nicht, daß Regelungen des Empfangsstaats nicht angewendet
werden dürfen, die allgemein dem Schutz der Verbraucher oder von
Minderjährigen dienen, sofern diese Anwendung die Weiterverbreitung im
eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus einem anderen Mitgliedstaat im
Hoheitsgebiet des Empfangsstaats nicht verhindert.
- Dem Empfangsstaat ist es jedoch jedenfalls nicht mehr erlaubt, Vorschriften
anzuwenden, die speziell dazu dienen, den Inhalt der Fernsehwerbung für
Minderjährige zu kontrollieren.
- Würden Bestimmungen des Empfangsstaats, die den Inhalt von Fernsehsendungen
aus Gründen des Schutzes von Minderjährigen vor Werbung regeln, auf Sendungen
aus anderen Mitgliedstaaten angewendet, so würde damit eine zweite Kontrolle
zusätzlich zu derjenigen eingeführt, die der Sendemitgliedstaat gemäß der Richtlinie
vorzunehmen hat.
- Somit ist die Richtlinie dahin auszulegen, daß eine Bestimmung eines nationalen
Rundfunkgesetzes, wonach eine Werbeanzeige, die im Fernsehen während der
Werbezeit ausgestrahlt wird, nicht darauf gerichtet sein darf, die Aufmerksamkeit
von Kindern unter zwölf Jahren zu erregen, auf Fernsehsendungen aus anderen
Mitgliedstaaten nicht angewendet werden darf.
Kosten
- Die Auslagen der schwedischen, der belgischen, der griechischen, der finnischen
und der norwegischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht
erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der
bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist
daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hatDER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Marknadsdomstol mit Beschlüssen vom 7. Februar 1995
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
- Die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur
Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit ist dahin
auszulegen, daß sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, gemäß einer
allgemeinen Regelung zum Schutz der Verbraucher gegen irreführende
Werbung Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer von
einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen,
sofern diese Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne
von Fernsehsendungen aus diesem anderen Mitgliedstaat im Hoheitsgebiet
des erstgenannten Mitgliedstaats verhindern.
- Artikel 30 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat
nicht verbietet, gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften Maßnahmen
gegen einen Werbetreibenden wegen einer Fernsehwerbung zu treffen, es sei
denn, diese Vorschriften berühren den Absatz der inländischen Erzeugnisse
und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich
nicht in der gleichen Weise, sie sind aus zwingenden Gründen des
Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in Artikel 36 des
Vertrages genannten Ziele nicht erforderlich, sie stehen hierzu nicht in
einem angemessenen Verhältnis, oder diese Ziele oder zwingenden Gründe
können durch Maßnahmen erreicht werden, die den
innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen.
- Artikel 59 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat
nicht verbietet, gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften Maßnahmen
gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer Fernsehwerbung zu treffen.
Das vorlegende Gericht hat jedoch zu prüfen, ob diese Vorschriften aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der
in Artikel 56 des Vertrages aufgeführten Ziele erforderlich sind, ob sie
hierzu in einem angemessenen Verhältnis stehen und ob diese Ziele oder
zwingenden Gründe nicht durch Maßnahmen hätten erreicht werden
können, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen.
- Die Richtlinie 89/552 ist dahin auszulegen, daß eine Bestimmung eines
nationalen Rundfunkgesetzes, wonach eine Werbeanzeige, die im Fernsehen
während der Werbezeit ausgestrahlt wird, nicht darauf gerichtet sein darf,
die Aufmerksamkeit von Kindern unter zwölf Jahren zu erregen, auf
Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten nicht angewendet werden
darf.
Rodríguez IglesiasMancini
Moitinho de Almeida
Murray Sevón
KakourisKapteyn
Gulmann
Edward Puissochet
HirschJann
Ragnemalm
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Juli 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
1: Verfahrenssprache: Schwedisch.