Language of document : ECLI:EU:C:2005:598

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)

6. Oktober 2005(*)

„Vorabentscheidungsfragen – Zuständigkeit des Gerichtshofes – Anrufung des Gerichtshofes – Elektronische Kommunikation – Netze und Dienste – Gemeinsamer Rechtsrahmen – Markt für Transitdienste“

In der Rechtssache C‑256/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Telekom-Control-Kommission (Österreich) mit Entscheidung vom 13. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juni 2005, in dem Verfahren

Telekom Austria AG, früher Post & Telekom Austria AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kūris (Berichterstatter) und G. Arestis

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgenden

Beschluss

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob die Entscheidung K(2004) 4070 endg. der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Oktober 2004, mit der die Telekom-Control-Kommission aufgefordert wird, den am 20. Juli 2004 notifizierten Maßnahmenentwurf betreffend den Markt für „Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz“ zurückzuziehen, vor dem Hintergrund des Artikels 253 EG und der Artikel 7 Absatz 4, 8 Absatz 2 und 14 bis 16 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie) gültig ist.

2       Dieses Ersuchen wird von der Telekom-Control-Kommission aufgrund der genannten Entscheidung der Kommission vorgelegt, mit der diese sie aufforderte, ihren Maßnahmenentwurf, in dem sie feststellte, dass auf dem Markt für „Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz“ Wettbewerb herrsche, zurückzuziehen.

 Rechtlicher Rahmen

3       Artikel 7 der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„(1) Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien tragen die nationalen Regulierungsbehörden den in Artikel 8 genannten Zielen, auch soweit sie sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes beziehen, weitestgehend Rechnung.

(2) Die nationalen Regulierungsbehörden tragen zur Entwicklung des Binnenmarktes bei, indem sie miteinander und mit der Kommission auf transparente Weise kooperieren, um in allen Mitgliedstaaten eine kohärente Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie und der Einzelrichtlinien zu gewährleisten. Zu diesem Zweck versuchen sie insbesondere, Einvernehmen über die geeignetsten Mittel und Wege zur Bewältigung besonderer Situationen auf dem Markt zu erreichen.

(3) Zusätzlich zu der Anhörung nach Artikel 6 stellt eine nationale Regulierungsbehörde, die beabsichtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die

a)      in den Anwendungsbereich der Artikel 15 oder 16 dieser Richtlinie oder der Artikel 5 oder 8 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) oder aber des Artikels 16 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) fallen, und

b)      Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben werden,

gleichzeitig der Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten den Entwurf der Maßnahme zusammen mit einer Begründung gemäß Artikel 5 Absatz 3 zur Verfügung und unterrichtet die Kommission und die übrigen nationalen Regulierungsbehörden hiervon. Die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission können nur innerhalb eines Monats oder innerhalb der in Artikel 6 genannten Frist, falls diese länger als ein Monat ist, Stellungnahmen an die betreffenden nationalen Regulierungsbehörden richten. Die Einmonatsfrist kann nicht verlängert werden.

(4) Richtet sich eine geplante Maßnahme gemäß Absatz 3 auf

a)      die Festlegung eines relevanten Marktes, der sich von jenen unterscheidet, die in der Empfehlung im Einklang mit Artikel 15 Absatz 1 definiert werden, oder

b)      die Festlegung, inwieweit ein Unternehmen allein oder zusammen mit anderen eine beträchtliche Marktmacht gemäß Artikel 16 Absätze 3, 4 oder 5 hat,

wobei dies Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hätte, und hat die Kommission gegenüber der nationalen Regulierungsbehörde erklärt, dass sie der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf ein Hemmnis für den Binnenmarkt schaffen würde, oder hat sie ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere den in Artikel 8 genannten Zielen, dann wird der Beschluss über den Maßnahmenentwurf um weitere zwei Monate aufgeschoben. Diese Frist kann nicht verlängert werden. Innerhalb dieses Zeitraums kann die Kommission im Einklang mit dem in Artikel 22 Absatz 2 festgelegten Verfahren beschließen, die betreffende nationale Regulierungsbehörde aufzufordern, den Entwurf zurückzuziehen. In dem Beschluss muss detailliert und objektiv analysiert sein, weshalb die Kommission der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf nicht angenommen werden sollte, und es sind zugleich spezifische Vorschläge zur Änderung des Maßnahmenentwurfs vorzulegen.

(5) Die betreffende nationale Regulierungsbehörde trägt den Stellungnahmen der anderen nationalen Regulierungsbehörden und der Kommission weitestgehend Rechnung; sie kann den sich daraus ergebenden Maßnahmenentwurf – außer in den in Absatz 4 genannten Fällen – annehmen und ihn der Kommission übermitteln.

(6) Ist eine nationale Regulierungsbehörde bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände der Ansicht, dass dringend – ohne das Verfahren gemäß den Absätzen 3 und 4 einzuhalten – gehandelt werden muss, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen, so kann sie umgehend angemessene und einstweilige Maßnahmen erlassen. Sie teilt diese der Kommission und den übrigen nationalen Regulierungsbehörden unverzüglich mit einer vollständigen Begründung mit. Ein Beschluss der nationalen Regulierungsbehörde, diese Maßnahmen dauerhaft zu machen oder ihre Geltungsdauer zu verlängern, unterliegt den Bestimmungen der Absätze 3 und 4.“

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

4       Die Telekom-Control-Kommission leitete am 20. Oktober 2003 nach Artikel 7 der Rahmenrichtlinie ein Verfahren zur Analyse der Wettbewerbssituation auf dem Markt für Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz in Österreich (im Folgenden: Transitmarkt) ein und kam zu dem Schluss, dass auf diesem Markt effektiver Wettbewerb herrsche.

5       Am 20. Juli 2004 notifizierte sie der Kommission einen Maßnahmenentwurf zur Einstellung des Marktanalyseverfahrens wegen der Feststellung effektiven Wettbewerbs auf dem Transitmarkt.

6       Nachdem die Kommission ein Auskunftsersuchen an die Telekom-Control-Kommission gerichtet hatte, das diese am 4. August 2004 beantwortete, leitete sie am 20. August 2004 eine zweite Prüfungsphase nach Artikel 7 Absatz 4 der Rahmenrichtlinie ein und äußerte der Telekom-Control-Kommission gegenüber ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit des notifizierten Maßnahmenentwurfs mit dem Gemeinschaftsrecht.

7       Nach der Übermittlung weiterer Dokumente durch die Telekom-Control-Kommission und nach Anrufung des Kommunikationsausschusses teilte die Kommission am 20. Oktober 2004 die Entscheidung K(2004) 4070 endg. mit, mit der sie die Telekom-Control-Kommission aufforderte, den Maßnahmenentwurf zurückzuziehen.

8       Unter diesen Umständen hat die Telekom-Control-Kommission beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20. Oktober 2004, K(2004) 4070 endg., mit der die Telekom-Control-Kommission nach Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie 2002/21/EG aufgefordert wird, den am 20. Juli 2004 notifizierten Entscheidungsentwurf im Verfahren M 9/03, M 9a/03, bei der Europäischen Kommission geführt zur Zahl AT/2004/0090, betreffend die Marktanalyse des Marktes für „Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz“, zurückzuziehen, vor dem Hintergrund des Artikels 253 EG-Vertrag, der Artikel 7 Absatz 4, 8 Absatz 2, 14, 15 und 16 der Richtlinie 2002/21/EG, der Leitlinien der Europäischen Kommission zur Marktanalyse und der Märkteempfehlung der Europäischen Kommission gültig?

 Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes

9       Gemäß Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn er für eine Klage offensichtlich unzuständig ist oder eine Klage offensichtlich unzulässig ist, nach Anhörung des Generalanwalts, ohne das Verfahren fortzusetzen, durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.

10     Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus Artikel 234 EG, dass die nationalen Gerichte den Gerichtshof nur anrufen können, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist, der auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 18. Juni 1980 in der Rechtssache 138/80, Borker, Slg. 1980, 1975, Randnr. 3, Urteil vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache C‑111/94, Job Centre, sog. Urteil Job Centre I, Slg. 1995, I‑3361, Randnr. 9, und Beschluss vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C‑447/00, Holto, Slg. 2002, I‑735, Randnr. 17).

11     In der vorliegenden Rechtssache geht sowohl aus Artikel 7 der Rahmenrichtlinie als auch aus der Entscheidung der Kommission vom 20. Oktober 2004 hervor, dass bei der Telekom-Control-Kommission kein Rechtsstreit anhängig ist. Diese Stelle, eine österreichische Regulierungsbehörde, ist nicht von der Telekom Austria AG angerufen worden, damit sie eine Entscheidung über die Wettbewerbssituation auf dem relevanten Markt erlässt. Sie hat der Kommission aus eigener Initiative einen Maßnahmenentwurf in Bezug auf den effektiven Wettbewerb auf diesem Markt vorgelegt. Im Übrigen hat die Kommission der nationalen Behörde nur geantwortet. Der bloße Umstand, dass die streitige Entscheidung Folgen für die Telekom Austria AG haben könnte, macht diese nicht zur Partei eines Rechtsstreits. Folglich kann die Telekom-Control-Kommission dem Gerichtshof kein Vorabentscheidungsersuchen zur Beurteilung der Gültigkeit vorlegen.

12     Demnach ist Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung anzuwenden und festzustellen, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über die von der Telekom-Control-Kommission vorgelegte Frage offensichtlich unzuständig ist.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) beschlossen:

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist für die Beantwortung der von der Telekom-Control-Kommission mit Entscheidung vom 13. Juni 2005 vorgelegten Frage offensichtlich unzuständig.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Deutsch.