Language of document : ECLI:EU:C:2019:163

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 28. Februar 2019(1)

Rechtssache C377/17

Europäische Kommission

gegen

Bundesrepublik Deutschland

„Vertragsverletzung – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2006/123 – Art. 15 – Preise der Architekten und Ingenieure – Verbindliche Preise“






1.        Das vorliegende Vertragsverletzungsverfahren, das die Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf Mindest- und Höchstpreise für Dienstleistungen von Architekten und Ingenieuren in Deutschland eingeleitet hat, wird dem Gerichtshof Gelegenheit geben, zu klären, in welchem Umfang bestimmte Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG(2) harmonisiert werden, und über die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach Maßgabe des Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 zu entscheiden.

I.      Rechtsrahmen

A.      Unionsrecht

2.        Nach Art. 2 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 gilt diese „für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden“.

3.        Kapitel III (Art. 9 bis 15) der Richtlinie ist der Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer gewidmet. Sein Abschnitt 2 (Art. 14 und 15) befasst sich mit unzulässigen oder zu prüfenden Anforderungen.

4.        Art. 15 („Zu prüfende Anforderungen“) der Richtlinie sieht u. a. vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.

(2)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:


g)      der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer;

(3)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:

a)      Nicht-Diskriminierung: die Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;

b)      Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;

c)      Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

…“

B.      Deutsches Recht

5.        Die Honorare für Architekten und Ingenieure sind in Deutschland durch die Verordnung der Bundesregierung „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 10. Juli 2013“ (im Folgenden: HOAI)(3) geregelt.

6.        § 1 („Anwendungsbereich“) HOAI regelt die Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen mit Sitz in Deutschland, soweit die Grundleistungen durch diese Verordnung erfasst werden.

7.        § 3 HOAI („Leistungen und Leistungsbilder“) bestimmt:

„(1)      Die Honorare für Grundleistungen der Flächen‑, Objekt- und Fachplanung sind in den Teilen 2 bis 4 dieser Verordnung verbindlich geregelt. Die Honorare für Beratungsleistungen der Anlage 1 sind nicht verbindlich geregelt.

(2)      Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, sind in Leistungsbildern erfasst. Die Leistungsbilder gliedern sich in Leistungsphasen gemäß den Regelungen in den Teilen 2 bis 4.

(3)      Die Aufzählung der Besonderen Leistungen in dieser Verordnung und in den Leistungsbildern ihrer Anlagen ist nicht abschließend. Die Besonderen Leistungen können auch für Leistungsbilder und Leistungsphasen, denen sie nicht zugeordnet sind, vereinbart werden, soweit sie dort keine Grundleistungen darstellen. Die Honorare für Besondere Leistungen können frei vereinbart werden.

(4)      Die Wirtschaftlichkeit der Leistung ist stets zu beachten.“

8.        In § 7 („Honorarvereinbarung“) HOAI heißt es:

„(1)      Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.

(2)      Liegen die ermittelten anrechenbaren Kosten oder Flächen außerhalb der in den Honorartafeln dieser Verordnung festgelegten Honorarsätze, sind die Honorare frei vereinbar.

(3)      Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.

(4)      Die in dieser Verordnung festgesetzten Höchstsätze dürfen nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Grundleistungen durch schriftliche Vereinbarung überschritten werden. Dabei bleiben Umstände, soweit sie bereits für die Einordnung in die Honorarzonen oder für die Einordnung in den Rahmen der Mindest- und Höchstsätze mitbestimmend gewesen sind, außer Betracht.“

9.        Die Teile 2 bis 4 der HOAI, auf die in deren § 3 Abs. 1 Bezug genommen wird, enthalten genaue Bestimmungen über die Mindest- und Höchstsätze für die Flächen‑, Objekt- und Fachplanung. Einige dieser Bestimmungen ermöglichen in Ausnahmefällen das Unterschreiten der Mindestpreise gemäß § 7 Abs. 3 HOAI.

10.      Aus § 44 Abs. 7 HOAI ergibt sich, dass dann, wenn der Planungsaufwand für Ingenieurbauwerke mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar steht, § 7 Abs. 3 HOAI anzuwenden ist.

11.      Gemäß § 52 Abs. 5 HOAI ist deren § 7 Abs. 3 anzuwenden, wenn der Planungsaufwand für Tragwerke bei Ingenieurbauwerken mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar steht.

12.      § 56 HOAI bestimmt, dass für den Fall, dass der Planungsaufwand für die Technische Ausrüstung von Ingenieurbauwerken mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar steht, § 7 Abs. 3 HOAI anzuwenden ist.

II.    Hintergrund des Rechtsstreits

A.      Vorverfahren

13.      Nach Einholung von Antworten einiger Mitgliedstaaten auf Fragen zu nationalen verbindlichen Honorarsystemen leitete die Kommission ein EU-Pilotverfahren ein, in dem sich die Bundesrepublik Deutschland am 10. März 2015 zur Rechtfertigung der Honorarvorschriften für Architekten und Ingenieure äußerte.

14.      Mit Aufforderungsschreiben vom 18. Juni 2015 wies die Kommission die deutschen Behörden auf einen möglichen Verstoß der Honorarvorschriften der HOAI gegen Art. 15 Abs. 1, Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 sowie gegen Art. 49 AEUV hin.

15.      In ihrem Antwortschreiben vom 22. September 2015 bestritt die Bundesrepublik Deutschland dieses Vorbringen. Die fragliche Verordnung beschränke die Niederlassungsfreiheit nicht, und eine eventuelle Beschränkung sei jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. In jedem Fall lägen reine Inlandssachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2006/123.

16.      Die Kommission gab am 25. Februar 2016 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie ihre bereits im Aufforderungsschreiben dargelegten Argumente wiederholte. Mit Schreiben vom 13. Mai 2016 antwortete die Bundesrepublik Deutschland und verwies auf die bereits in ihrer Antwort auf das Aufforderungsschreiben vorgebrachten Argumente.

B.      Verfahren vor dem Gerichtshof

17.      Da die Erwiderung der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Mai 2016 der Kommission nicht genügte, hat sie die vorliegende Klage erhoben. Sie ist am 23. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

18.      Mit Schriftsatz, der am 5. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die ungarische Regierung beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 7. November 2017 hat der Präsident des Gerichtshofs diesem Antrag stattgegeben.

19.      Sowohl die deutsche Regierung und die Kommission als auch die ungarische Regierung haben in der Sitzung vom 7. November 2018 mündliche Ausführungen gemacht.

III. Würdigung

A.      Vorbemerkungen

1.      Verhältnis zwischen Art. 15 der Richtlinie 2006/123 und Art. 49 AEUV

20.      In ihren Ausführungen nimmt die Kommission auf Art. 15 der Richtlinie 2006/123 stets zusammen mit Art. 49 AEUV Bezug. Dies ist nicht notwendig, und ich werde die Bestimmungen aus den im Folgenden dargestellten Gründen gesondert behandeln.

21.      Die Richtlinie 2006/123 stellt eine besondere Form der Harmonisierung(4) dar, da mit ihr nicht Normen positiv harmonisiert werden, sondern Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern und für die Dienstleistungsfreiheit beseitigt werden sollen(5). Sie folgt daher der gleichen Logik der „negativen Integration“ wie die im Vertrag verankerten Freiheiten. Nichtdestotrotz gelten die allgemeinen Grundsätze in Bezug auf die Harmonisierung.

22.      Damit sind die Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 in ihrem in Art. 2 festgelegten Anwendungsbereich leges speciales gegenüber den Bestimmungen der Verträge(6). Fällt also ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123, besteht folglich keine Notwendigkeit, ihn unter dem Blickwinkel der Vertragsbestimmungen zu prüfen(7).

23.      Daher sind es also die Bestimmungen der Richtlinie 2006/123, die den rechtlichen Rahmen für die Feststellung der Vereinbarkeit der HOAI mit der Niederlassungsfreiheit gemäß dieser Richtlinie bilden.

24.      Die Struktur von Art. 15 der Richtlinie 2006/123 ähnelt der Struktur von Art. 49 AEUV, wie er vom Gerichtshof jahrzehntelang ausgelegt wurde. Art. 15 Abs. 1, 2 und 3 Buchst. a enthält ein Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, selbst in Bezug auf unterschiedslos anwendbare Maßnahmen, also Maßnahmen, die rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise für alle Dienstleistungserbringer gelten und die weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminieren(8). Art. 15 Abs. 3 Buchst. b und c der Richtlinie 2006/123 erlaubt die verhältnismäßige Rechtfertigung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses. Derartige zwingende Gründe sind wiederum in Art. 4 Nr. 8 der Richtlinie 2006/123 definiert. Die dortige Aufzählung ist nicht erschöpfend, da sich im Laufe der Zeit mit technologischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder sonstigen Entwicklungen neue zwingende Gründe herausbilden können(9).

25.      Der Vollständigkeit halber(10) ist darauf hinzuweisen, dass Art. 15 der Richtlinie 2006/123, obwohl er in Form einer Prüfpflicht an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, unmittelbar anwendbar ist und den Mitgliedstaaten von Einzelpersonen entgegengehalten werden kann(11).

2.      Zur Frage des rein innerstaatlichen Sachverhalts

26.      Ein wesentlicher Teil der Ausführungen der Parteien bezieht sich auf die Anwendbarkeit von Art. 15 der Richtlinie 2006/123 auf rein innerstaatliche Sachverhalte, d. h. auf solche, in denen die tatsächlichen Umstände nicht über einen einzigen Mitgliedstaat der Union hinausweisen.

27.      Diese Frage hat der Gerichtshof im Urteil X und Visser dahin beantwortet, dass „die in Kapitel III der Richtlinie 2006/123 enthaltenen Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer dahin auszulegen sind, dass sie auch auf einen Sachverhalt anwendbar sind, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweisen“(12).

28.      Auf diese Frage braucht in den vorliegenden Schlussanträgen somit nicht eingegangen zu werden.

B.      Beschränkung gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. g

1.      Vorbringen der Parteien

a)      Kommission

29.      Nach Auffassung der Kommission hindert das System der Mindest- und Höchsthonorare der HOAI neue Dienstleistungserbringer aus anderen Mitgliedstaaten am Marktzugang, soweit es diese, als Dienstleistungserbringer, für die es weniger leicht ist, Kunden zu gewinnen, daran hindert, ihre Leistungen zu Preisen unter den für die in Deutschland niedergelassenen Anbieter festgelegten Mindesttarifen anzubieten bzw. höherwertige Leistungen zu Preisen über den Höchsttarifen anzubieten.

30.      Auch wenn die Dichte des deutschen Marktes für Architektenleistungen sehr hoch sei, ändere dies nichts am Bestehen von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. In Art. 15 der Richtlinie 2006/123 werde nicht auf die Marktverhältnisse abgestellt und der Gerichtshof habe im Urteil Cipolla u. a.(13) die Festlegung von Mindesthonoraren für Rechtsanwälte als Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit angesehen, obwohl der Markt durch eine ausgesprochen große Anzahl zugelassener und praktizierender Anwälte gekennzeichnet gewesen sei.

31.      Dass die HOAI nicht den Marktzugang regele, ändere nichts daran, dass sie sich auf die Anreize auswirke, die in ihr geregelten Dienstleistungen anzubieten. Insoweit garantiere die Richtlinie 2006/123 nicht nur die formelle Niederlassung, sondern auch die tatsächliche Möglichkeit des Marktzugangs.

b)      Bundesrepublik Deutschland

32.      Die Bundesrepublik Deutschland vertritt die Auffassung, dass die HOAI nicht gegen die Richtlinie 2006/123 verstoße, da sie zum einen Mindest- und Höchsthonorarsätze nur für Planungsleistungen vorsehe, was dadurch zu erklären sei, dass für diese ein besonderes öffentliches Interesse an der Gewährleistung hoher Qualitätsstandards bestehe, während die Honorare für Beratungsleistungen zwischen den Parteien frei verhandelbar seien. Zum anderen sehe die HOAI zahlreiche Ausnahmetatbestände und Abweichungsmöglichkeiten vor, um zu gewährleisten, dass in jedem Einzelfall ein angemessenes Honorar vereinbart werden könne. Folglich bestehe ein hohes Maß an Flexibilität, das es den Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten der Union ermögliche, unter Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs in den deutschen Markt einzutreten.

33.      Der Begriff der Beschränkung umfasse die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar seien, den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten beträfen und somit den Handel innerhalb der Union behinderten. Aus dem Urteil in der Rechtssache Kommission/Italien(14) ergebe sich, dass die Mindest- und Höchsthonorarsätze keine Beschränkung darstellten, wenn durch vorhandene Ausnahmen sichergestellt werde, dass stets ein angemessenes Honorar zu zahlen sei. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehe ferner hervor, dass Honorare kein Hindernis darstellten, solange in den betreffenden Rechtsvorschriften ein ausreichendes Maß an Flexibilität gewährleistet sei.

2.      Würdigung

a)      Die Anforderung der Mindest- und Höchstsätze ist eine Beschränkung

34.      Gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2006/123(15), der für die freien Berufe von besonderer Bedeutung ist(16), prüfen die Mitgliedstaaten, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von der nicht diskriminierenden Anforderung der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer abhängig macht.

35.      „Anforderungen“ sind gemäß Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie 2006/123 alle Auflagen, Verbote, Bedingungen oder Beschränkungen, die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt sind(17).

36.      Nach meinem Verständnis von Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 in der Auslegung durch den Gerichtshof(18) liegt nach Erfüllung der Voraussetzungen dieser Bestimmung aufgrund der Richtlinie eine Beschränkung vor, so dass es nicht erforderlich ist, die Prüfung dazu weiter zu vertiefen.

37.      Im vorliegenden Fall sind die streitigen Bestimmungen der HOAI, die für Planungsleistungen(19) Mindest- und Höchstpreise (eine Anforderung)(20) vorsehen, in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaaten festgelegte(21) Auflagen(22), die die Aufnahme von Tätigkeiten zur Erbringung von Architektenleistungen(23) von einer solchen Anforderung abhängig machen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie ihrer Natur nach diskriminierend sind(24).

38.      Folglich stellt die Anforderung der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

39.      Doch selbst bei der klassischen Prüfung, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV ergibt, liegt eine Beschränkung vor. Einem neuen Marktteilnehmer, der sich niederlassen will, wird die Niederlassung erschwert.

40.      In diesem Zusammenhang ist es ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass nationale Vorschriften, die es Unternehmen verbieten, von den im nationalen Recht vorgesehenen Mindesttarifen abzuweichen, Unternehmen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, die Möglichkeit nehmen, durch geringere Honorarforderungen als den vom nationalen Gesetzgeber festgesetzten den Unternehmen wirksamer Konkurrenz zu machen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ihren festen Sitz haben und denen es daher leichter als im Ausland niedergelassenen Unternehmen fällt, sich einen Kundenstamm aufzubauen(25).

41.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass ein (staatliches) System zur vorherigen Genehmigung der Tarife im Versicherungssektor Unternehmen, „deren Sitz sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen befindet, der ein solches System eingeführt hat, davon abhalten [kann], im letztgenannten Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung zu eröffnen“(26) und eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt(27).

42.      Außerdem wird Wettbewerb im Wesentlichen durch den Preis bestimmt. Nimmt man einem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, einen bestimmten Preis zu unterbieten, nimmt man ihm einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit(28).

43.      Zusammenfassend ist festzustellen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen einen Eingriff in die Privatautonomie darstellen, die Möglichkeit der Unternehmen, über den Preis zu konkurrieren, beeinträchtigen, und die Niederlassungsfreiheit beschränken.

b)      Die Ausnahmen und Abweichungen der HOAI sind ohne Belang

44.      Der Vollständigkeit halber sollte klargestellt werden, dass das durch die HOAI eingeführte System, das einige mögliche Ausnahmen und Abweichungen von den Bestimmungen der HOAI enthält, nichts an der Feststellung einer Beschränkung ändert.

45.      Es trifft zu, dass der Gerichtshof in einem Fall, der italienische Bestimmungen betraf, nach denen die Rechtsanwälte bei den Gebühren Obergrenzen beachten müssen, festgestellt hat, dass es der Kommission nicht gelungen sei, nachzuweisen, dass die fragliche Regelung so gestaltet sei, dass sie den Zugang – unter Bedingungen eines normalen und wirksamen Wettbewerbs – zum italienischen Markt für die in Rede stehenden Dienstleistungen beeinträchtige(29).

46.      Die Feststellungen in jenem Fall können jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

47.      Erstens war das italienische Gebührensystem durch eine viel größere Flexibilität gekennzeichnet als das System der HOAI. Rechtsanwälte konnten unter verschiedenen Umständen nicht nur eine besondere Vereinbarung mit ihren Mandanten schließen, um die Höhe ihrer Gebühren festzulegen, sondern die Gebühren konnten auch in Angelegenheiten, die besonders umfangreich, komplex oder schwierig waren, bis auf das Doppelte der bei Fehlen einer Vereinbarung geltenden Gebührenhöchstsätze, bei Angelegenheiten von außergewöhnlicher Bedeutung bis auf das Vierfache dieser Sätze oder, wenn unter den vorliegenden Umständen ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den Leistungen des Rechtsanwalts und den vorgesehenen Höchstgebühren bestand, sogar darüber hinaus erhöht werden(30).

48.      Dagegen sind die Bestimmungen der HOAI, die Ausnahmen und Abweichungen vorsehen, eng gefasst, was sich sowohl aus den Standpunkten der Verfasser der HOAI als auch aus denen der deutschen Gerichte ergibt(31).

49.      Da die italienische Rechtssache aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2006/123 stammt, habe ich zweitens und vor allem Schwierigkeiten mit der Annahme, dass in gleicher Weise entschieden werden könnte, wäre sie wie die vorliegende Rechtssache im Jahr 2017 anhängig gemacht worden. Wäre die Richtlinie 2006/123 bereits anwendbar gewesen, hätte der Gerichtshof die Frage einer Beschränkung nicht eingehender prüfen müssen. Wie bereits oben dargelegt, verfolgt die Richtlinie mit ihrem Art. 15 Abs. 2 Buchst. g das konkrete Ziel, festgesetzte Mindest- und Höchstpreise abzuschaffen(32), indem solche Maßnahmen mittels Legaldefinition Beschränkungen sind.

50.      Ob und inwieweit von solchen Maßnahmen abgewichen werden kann, ist daher nach Art. 15 der Richtlinie 2006/123 ohne Belang.

c)      Die Ansichten der Berufsverbände sind für die rechtliche Würdigung irrelevant

51.      Diese Feststellung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass Verbände, und seien es Berufsverbände wie der Architects’ Council of Europe oder der European Council of Engineers Chambers, der Auffassung sind, dass die fraglichen Maßnahmen weder den Zugang zum deutschen Markt noch die Niederlassungsfreiheit behinderten. Diese Frage wurde bereits durch Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie entschieden. Diese rechtliche Bestimmung kann von keinem Berufsverband in Frage gestellt werden.

C.      Keine Rechtfertigung nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123

52.      Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die fraglichen Bestimmungen der HOAI eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellen(33). Folglich könnte die in Rede stehende Beschränkung gegebenenfalls gerechtfertigt werden(34).

1.      Vorbringen der Parteien

a)      Bundesrepublik Deutschland

53.      Die Bundesrepublik Deutschland hält die Bestimmungen der HOAI aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses für gerechtfertigt, nämlich durch die Sicherung der Qualität der Planungsleistungen, den Verbraucherschutz, die Bausicherheit, die Erhaltung der Baukultur(35) und durch das Ziel des ökologischen Bauens. Das vornehmliche Ziel sei die Sicherung eines hohen Qualitätsstandards. Dieses Ziel diene gleichzeitig der Verwirklichung der anderen genannten Ziele.

54.      Eine hochwertige Planung diene dem Verbraucherschutz daher in zweifacher Hinsicht. Zum einen gewährleiste sie die Gebäudesicherheit und schütze damit Gesundheit und Leben der Bewohner. Zum anderen verhindere eine hochwertige Planung viele Fehler während der Bauausführung und sorge für eine zügigere und kostengünstigere Bauausführung. Insoweit unterstützten Interessenvertreter aller beteiligten Seiten die Festsetzung von Mindestpreisen(36).

55.      Gestützt auf das Urteil Cipolla u. a.(37) hält die Bundesrepublik Deutschland Preise auch für geeignet, das Ziel eines hohen Qualitätsniveaus zu gewährleisten. Außerdem seien im Rahmen des Erlasses der HOAI detaillierte Studien sowohl zur Wirkung als auch zur genauen Festsetzung der Mindest- bzw. Höchstsätze durchgeführt worden.

56.      In diesem Zusammenhang hätten Studien und wirtschaftliche Gutachten einen belegbaren Zusammenhang zwischen den bindenden Mindestsätzen und der Qualität von Planungsleistungen sowie, allgemeiner, einen Zusammenhang zwischen Deregulierung und Qualität bei freien Berufen gezeigt. Insoweit bestehe ein Zusammenhang zwischen Preis und Qualität, da sich die hohe Arbeitsbelastung hoch qualifizierten Personals in einem höheren Preis niederschlage. Werde ein bestimmtes Preisniveau unterschritten, werde davon ausgegangen, dass dieser Preis nur durch ein niedrigeres Qualitätsniveau erreicht werden könne.

57.      Darüber hinaus sei auf dem Markt für Planungsleistungen zu befürchten, dass das Phänomen der „adversen Selektion“ auftrete: Seien Verbraucher nicht ausreichend informiert, würden sie stets das günstigere Angebot wählen, da für sie keine Qualitätsunterschiede erkennbar seien. Dies würde unweigerlich zu einer Qualitätsminderung führen, da hochwertige Leistungen nicht mehr nachgefragt würden. Unter Verweis auf die Volkswirtschaftstheorie macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass es fast unmöglich sei, die Qualität von „Vertrauensgütern“, wie die Tätigkeiten der freien Berufe und die Architekten- und Ingenieurleistungen, zu beurteilen. Unter diesen Bedingungen sei es praktisch nur möglich, durch geringere Qualität Gewinne zu erzielen, so dass das Phänomen „moral hazard“ auftrete: Anbieter stellten fest, dass hohe Qualität nicht entsprechend honoriert werde, und sie könnten aufgrund der Informationsasymmetrie annehmen, dass ihre Kunden eine minderwertige Qualität nicht (oder zumindest nicht rechtzeitig) bemerkten.

58.      Durch die Festsetzung von Mindestpreisen werde die Bedeutung des Preises als Wettbewerbsfaktor reduziert, was einen Anreiz für die Anbieter schaffe, auf die Qualität als Wettbewerbsfaktor zu setzen, um sich von ihren Konkurrenten abzuheben.

59.      Darüber gehe aus einer statistischen Untersuchung hervor, dass in Fällen, in denen die verbindlichen Mindestsätze der HOAI unterschritten wurden, sowohl die Wahrscheinlichkeit eines Schadens als auch die Höhe der Schadenssumme signifikant höher gewesen sei(38).

60.      Darüber hinaus sei der Erhalt einer Struktur, die auf kleinen und mittleren Unternehmen beruhe, ein erstrebenswertes Ziel, da sie die Existenz einer großen Zahl von Dienstleistern garantiere, so dass der Wettbewerbsdruck steige und aufgrund der für bestimmte Planungsleistungen festgeschriebenen Mindestpreise der Wettbewerb qualitätsbasiert sei.

61.      Zur Erforderlichkeit der streitigen Bestimmungen führt die Bundesrepublik Deutschland an, dass es keine weniger beschränkende Maßnahme zur Erreichung der genannten Ziele gebe. Die Bestimmungen der HOAI wiesen eine Abstufung nach Regelungsintensität auf, so dass zwingende Preise nur in den Fällen festgelegt würden, in denen die Bundesregierung Mindest- und Höchstsätze für den mit der HOAI angestrebten Schutz für unumgänglich halte.

62.      Was alternative Maßnahmen angehe, so könnten Berufszugangsregelungen nicht Honorarregelungen ersetzen, da sie sicherstellten, dass die Mitglieder einer Berufsgruppe über die verlangte Qualifikation verfügten, während Honorare die Qualität konkret ausgeübter Dienstleistungen garantierten. Die Einführung eventueller Regelungen über den Zugang zu den betroffenen Berufen würde eine weitaus größere Einschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen als die gegenwärtige HOAI.

63.      Im Hinblick auf Haftungsregelungen und Regelungen über Berufshaftpflichtversicherungen ist die Bundesrepublik Deutschland der Auffassung, dass die in der HOAI festgelegten Honorare und die Vorschriften über die Haftung von Architekten und Ingenieuren auf unterschiedlichen Ebenen ansetzten: Erstere sollten präventiv dafür sorgen, dass eine hohe Qualität der Dienstleistung sichergestellt sei, während Letztere erst Anwendung fänden, wenn ein Schaden bereits entstanden sei. Deshalb eigneten sich Haftungsregelungen naturgemäß nicht dazu, öffentliche Belange wie Bausicherheit, Baukultur oder Ökologie durchzusetzen.

64.      Da eine Informationsasymmetrie bestehe, könne darüber hinaus nicht geltend gemacht werden, dass Anbieter die Möglichkeit haben müssten, nachzuweisen, dass sie alle Qualitätsanforderungen erfüllten. Nach Auffassung dieses Mitgliedstaats nehmen Ingenieure und Architekten daher mittelbar auch die Aufgaben der Bauaufsichts- und Genehmigungsbehörden wahr, indem sie neben diesen die Überstimmung mit bauaufsichtsrechtlichen Normen prüften, gerade deshalb, weil einige dieser Leistungen nicht durch diese Behörden überprüft werden könnten.

65.      Was die Möglichkeit der Veröffentlichung von Preisinformationen anbelange, sei Grund für die Festlegung von Mindestsätzen die Informationsasymmetrie hinsichtlich der Qualität von Planungsleistungen, so dass Veröffentlichungen von Preisen die „Abwärtsspirale“ sogar verstärken würde. Diese Informationen würden nämlich dazu führen, dass sich Dienstleistungsempfänger noch stärker am Preis orientierten, als dies ohnehin schon anzunehmen sei. Selbst wenn sich die Informationsasymmetrie ausgleichen ließe, würde dies nicht zur Erreichung aller Schutzziele, wie etwa Sicherheit, baukulturelle und nachhaltige Aspekte sowie Umweltschutz, führen.

66.      In Bezug auf die Höchstsätze macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass diese dem Verbraucherschutz dienten, da sie eine unangemessene Belastung von Verbrauchern durch überhöhte Honorarforderungen verhinderten.

b)      Kommission

67.      Die Kommission argumentiert, dass die Geltendmachung einer Reihe von Zielen, deren wichtigstes die Gewährleistung eines hohen Qualitätsniveaus sei, diffus sei, so dass weder die Geeignetheit noch die Erforderlichkeit der Mindestsätze beurteilt werden könne. Eine Beurteilung sei in Bezug auf ein hinreichend bestimmtes, vom Gesetzgeber erwünschtes Ergebnis jedoch nur möglich, wenn zwei Szenarien verglichen werden können, nämlich das Szenario mit Marktpreisen und jenes, in dem Mindestpreise eingehalten werden müssten. In diesem Zusammenhang habe die Bundesrepublik Deutschland, soweit es die Bausicherheit, die Erhaltung der Baukultur und ökologisches Bauen betreffe, nicht dargelegt, worin sich die beiden Szenarien konkret unterscheiden sollten.

68.      Die Bundesrepublik Deutschland habe keinen kausalen Zusammenhang dargetan, nämlich, dass eine zum Marktpreis, aber unterhalb des Mindestsatzes bezahlte Leistung andere, d. h. schlechtere Eigenschaften als eine Leistung habe, deren Preis die Mindestsätze einhalte. Sie erläutere auch nicht, wie die angebliche Anreizwirkung der Mindestsätze sowie die Möglichkeit der „adversen Selektion“ und des „moral hazard“ zu den beklagten, nur allgemein beschriebenen, Folgen führen sollten. Darüber hinaus sollten zur Erreichung des angestrebten Qualitätsniveaus die Bestimmungen über die beruflichen Qualifikationen und die Haftung umgesetzt werden; diese Bestimmungen könnten nicht durch Mindesttarife ersetzt werden.

69.      Im Hinblick auf das Ziel des Verbraucherschutzes bestehe keine berechtigte Annahme, dass dann, wenn ein bestimmtes Preisniveau unterschritten werde, dieser Preis nur durch ein niedrigeres Qualitätsniveau erreicht werden könne.

70.      Mindesttarife griffen unabhängig davon ein, wieviel Zeit für eine bestimmte Arbeit genau aufgewandt worden sei, so dass, abgesehen von Ausnahmefällen, die Endsumme die Mindesttarife nicht unterschreiten dürfe, wobei sich die Stundensätze je nach Anbieter aus den verschiedensten Gründen, aber unabhängig von der Qualität seiner Leistungen, unterscheiden könnten. Die Änderung der HOAI im Jahr 2009, in deren Rahmen Stundensätze abgeschafft worden seien, zeige, dass die Erreichung oder Unterschreitung allgemeingültiger Stundensätze keine Auskunft über die Qualität der Leistung gebe. Ein Preis unterhalb des Mindesttarifs bedeute kein niedrigeres Qualitätsniveau, und umgekehrt begründe die Überschreitung der Mindesttarife keine Vermutung für eine höhere Qualität oder gar eine Qualitätsgarantie.

71.      In Bezug auf den Aspekt des Verbraucherschutzes auf der Grundlage der Ziele der Vermeidung der „adversen Selektion“ und des „moral hazard“ führt die Kommission zum einen aus, die Bundesrepublik Deutschland habe nicht nachgewiesen, dass die Abschaffung der Mindesttarife zu einer Verminderung der Qualität führe, und zum anderen, dass Teile der Argumente dieses Mitgliedstaats diesem Schluss widersprächen. Künstlich erhöhte Preise können nach Ansicht der Kommission die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Kunden nicht vermindern. Der Zusammenhang zwischen Qualität der Leistungen und Mindesttarifen sei bei der Vorbereitung der HOAI 2009 (Studie „Statusbericht 2000plus“) untersucht worden, und selbst diese Analyse, bei der davon ausgegangen worden sei, dass die Kunden nicht in der Lage seien, die Qualität der Dienstleistungen zu bewerten und ihre Entscheidung nach dem Preis träfen, komme zu dem Schluss, dass Mindestpreise für das gewünschte Qualitätsniveau nicht zwangsläufig kausal seien und dass es weiterer Belege bedürfe. Besagte Analyse komme daher zu dem Ergebnis, dass die Motivation der Dienstleister, im Interesse ihrer Kunden zu handeln, nicht durch die Honorarordnung selbst, sondern nur durch eine entsprechende Kultur in der Berufsausübung gesichert werden könne.

72.      Die Kommission weist darauf hin, dass es eine Reihe von Mechanismen gebe, um die Qualität der Dienstleistungen zu sichern, z. B. Werbung, Regelungen von Berufsverbänden, Qualitätsmanagementsysteme und die Möglichkeit für Kunden, gezielt Informationen über spezialisierte Websites zu erhalten.

73.      Sie habe nichts gegen ein System einzuwenden, das geeignete Preisorientierung ermögliche, um den Kunden zu erlauben, unrealistische Angebote zu erkennen. Der Hinweis der Bundesrepublik Deutschland auf den qualitätsbasierten Wettbewerb bedeute auch, dass es zurzeit trotz der Mindesttarife zu qualitativen Unterschieden komme, so dass Mindesttarife nicht als wirksame Voraussetzung für Qualität angesehen werden könnten.

74.      Der von der Bundesrepublik Deutschland vorgelegte empirische Nachweis überzeuge die Kommission nicht. Die angeführten Beispiele seien im Gegensatz zu der Analyse von 2009 darauf beschränkt, eine Parallelität zwischen der Unterschreitung von Mindesttarifen und der Schadenshäufigkeit aufzuzeigen, ohne jedoch tatsächlich die Ursächlichkeit darzulegen; der Gutachter selbst spreche nur von „Indizien“ und nicht von Beweisen. In der Analyse von 2009 sei jedoch festgestellt worden, dass nicht geprüft werden könne, ob es einen Zusammenhang zwischen den Baupreisen und den Schäden, die durch viele nicht unberücksichtigt zu lassende Faktoren verursacht würden, gebe.

75.      Darüber sei der Schutz der Marktstruktur kein zwingender Grund des Allgemeininteresses und habe die Bundesrepublik Deutschland bei ihrer auf das Vorliegen einer Informationsasymmetrie gestützten Argumentation nicht angegeben, dass eine derartige Asymmetrie bei Beratungsleistungen, die nicht den verbindlichen Tarifen unterlägen, nicht vorkommen könne. Dazu gehörten auch Umweltverträglichkeitsstudien, Studien zur „Bauphysik“, zur Geotechnik sowie Leistungen der Ingenieurvermessung, bei denen durchaus eine Informationsasymmetrie bestehen könne. Ferner zeige ein Vergleich mit der Vergabe öffentlicher Aufträge zum einen, dass Preise für der HOAI unterfallende Leistungen unterhalb der Mindesttarife dieser Verordnung liegen, aber dennoch den Marktpreisen entsprechen könnten, so dass sie dann per definitionem nicht „ungewöhnlich niedrig“ wären und nicht einmal eine besondere Überprüfung auslösen würden. Zum anderen könne es selbst bei „ungewöhnlich niedrigen“ Preisen in Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge eine plausible Erklärung geben, so dass der öffentliche Auftraggeber das Angebot nicht alleine wegen des Preisniveaus zurückweisen könne.

76.      Zudem zeige eine Analyse von Eurostat, dass deutsche Architekturbüros mit durchschnittlich 2,1 Lohn- und Gehaltsempfängern weit über dem EU-Durchschnitt lägen, dass jedoch die Bruttobetriebsrate mit 38,8 % nichtsdestotrotz die zweithöchste in der Union sei, so dass dieses Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nicht durchgreifen könne. Darüber hinaus beantworte sie nicht die Frage, warum das Qualitätsniveau während eines relativ langen Zeitraums von 1996 bis 2009, in dem Baupreisvereinbarungen zulässig gewesen seien, nicht gesunken sei. Darüber hinaus seien die Mindesttarife zwischen dem 20. Oktober 1981 und dem 14. Juni 1985 ohne Verringerung der Bauqualität aufgehoben gewesen.

77.      Die Kommission hält den Mindesttarif nicht für erforderlich, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Sie stimmt in dieser Hinsicht der Argumentation der Bundesrepublik Deutschland zu den Berufszugangsregelungen nicht zu, da das Regime der Mindesttarife in keinem Fall zur Qualitätssicherung geeignet und erforderlich sei, gleichviel, ob die betroffenen Tätigkeiten ihrer Natur nach einer besonderen Qualifikation bedürften oder nicht. Darüber könne in Bezug auf Haftungsregelungen und die Haftpflichtversicherung zum einen das Regime der Haftung für Mängel präventive Wirkungen haben, was die Beklagte in Bezug auf Mindesttarife nicht belegt habe. Zum anderen betreffe die Vereinbarung von Honoraren wie auch die Haftung für mangelhafte Leistungen das Verhältnis zwischen den Parteien als solches.

78.      Die Kommission verweist auf ihr Vorbringen zu den Berufsausübungsregelungen und macht geltend, dass die Bundesrepublik Deutschland auch ihre Argumente zum Nachweis der Einhaltung von Qualitätsanforderungen, Informationspflichten oder Wahlfreiheit der Verbraucher nicht widerlegt habe. Zwar sei es richtig, dass Vorkehrungen, die Anbietern zum Schutz der Kunden vorgeschrieben würden, häufig Kosten verursachten, die dann normalerweise auf die Kunden abgewälzt würden, im vorliegenden Fall erhalte der Kunde jedoch nur erhöhte Kosten ohne erkennbaren Gegenwert.

79.      Schließlich habe die Bundesrepublik Deutschland – was die Höchsttarife angehe – nicht erklärt, was diese zur Beseitigung von Informationsasymmetrien hinsichtlich der Qualität beitragen sollten. Für den Schutz der Kunden vor überhöhten Honorarforderungen genüge es, wenn ihnen eine geeignete Orientierung zur Verfügung gestellt werde, anhand derer sie einschätzen könnten, wie sich der Preis in den Rahmen üblicher Preise einfüge.

2.      Würdigung

80.      Die in Rede stehende Beschränkung ist gerechtfertigt, wenn die kumulativen(39) Bedingungen in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 erfüllt sind(40).

81.      In Bezug auf Art. 15 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie ist oben bereits festgestellt worden, dass die in Rede stehenden Bestimmungen der HOAI ihrer Natur nach nicht diskriminierend sind.

a)      Geltend gemachte zwingende Gründe, Art. 15 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2006/123

82.      Was Art. 15 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie anbelangt, werden von der Bundesrepublik Deutschland folgende zwingende Gründe des Allgemeininteresses, d. h. Rechtfertigungsgründe geltend gemacht: die Qualität der Planungsleistungen, der Verbraucherschutz, die Bausicherheit, die Erhaltung der Baukultur und das Ziel des ökologischen Bauens. Das Hauptziel bestehe darin, ein hohes Qualitätsniveau zu gewährleisten, was auch das Erreichen der anderen genannten Ziele erleichtere. Darüber hinaus nimmt die Bundesrepublik Deutschland, wie oben erwähnt, hier und da auf den Erhalt einer auf kleinen und mittleren Unternehmen beruhenden Struktur Bezug.

83.      Wie die Bundesrepublik Deutschland richtig feststellt, kann der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnommen werden, dass jeder dieser fünf Gründe ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein kann, der eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen kann(41). Jedoch, und hier teile ich die Auffassung der Kommission, kann ich nicht erkennen, wie das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland in konkretem Zusammenhang mit der Bausicherheit, der Erhaltung der Baukultur und dem Ziel des ökologischen Bauens steht. Das Vorbringen ist vielmehr vollständig auf die Gewährleistung der Qualität der Planungsleistungen und den Verbraucherschutz ausgerichtet. Um die anderen drei Rechtfertigungsgründe im vorliegenden Fall wirksam zu machen, hätte die Bundesrepublik Deutschland speziell vortragen müssen, warum und wie die betreffenden streitigen Maßnahmen dazu dienen, diese Ziele zu erreichen.

84.      Was ferner den Erhalt einer auf kleinen und mittleren Unternehmen beruhenden Struktur betrifft, genügt die Feststellung, dass der Schutz bestehender Unternehmen ein wirtschaftliches Argument ist, das eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen kann. Und was die Marktstruktur anbelangt, die die HOAI erhalten soll, sehe ich nicht, wie dieser Aspekt im Vorbringen der Bundesregierung weiter substantiiert wird(42).

85.      Die einzigen zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, die daher akzeptiert werden können, sind der Verbraucherschutz und die Gewährleistung eines hohen Qualitätsniveaus. Es obliegt hier der Bundesrepublik Deutschland, darzulegen, inwieweit die betreffenden streitigen Bestimmungen diesen Zielen dienen.

b)      Verhältnismäßigkeit, Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123

86.      Dies führt uns zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 15 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2006/123. Die in Rede stehenden Bestimmungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

87.      Während es Sache der Mitgliedstaaten ist, das Schutzniveau festzulegen, das sie gewährleisten wollen, ist es Sache der zuständigen nationalen Stellen, wenn sie eine Maßnahme erlassen, die von einem im Unionsrecht verankerten Grundsatz abweicht, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass die genannte Voraussetzung erfüllt ist. Neben den Rechtfertigungsgründen, die ein Mitgliedstaat geltend machen kann, muss dieser daher eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen(43). Diese Rechtsprechung, die auf die Bestimmungen des AEU-Vertrags zu den Grundfreiheiten zurückgeht, ist auch im Zusammenhang mit Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 anwendbar(44).

1)      Mindestpreise

i)      Geeignetheit

88.      Fraglich ist, ob die Festsetzung von Mindestpreisen geeignet ist(45), das Ziel der Gewährleistung der Dienstleistungsqualität zu erreichen.

89.      Im Allgemeinen räumt der Gerichtshof den Mitgliedstaaten in dieser Phase im Allgemeinen einen „Wertungsspielraum“(46) ein, insbesondere weil die einschlägigen Ziele des öffentlichen Interesses von einem Mitgliedstaat zum anderen voneinander abweichen. Dies befreit den Mitgliedstaat jedoch nicht davon, die festgelegten Ziele klar zu definieren sowie verständlich und kohärent darzulegen, dass die betreffende Maßnahme geeignet ist, diese Ziele zu erreichen.

90.      Aus den im Folgenden dargelegten Gründen bin ich der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland die Geeignetheit der beanstandeten Bestimmungen nicht nachgewiesen hat.

91.      Aus dem Urteil in der Rechtssache Cipolla u. a.(47) lässt sich – anders als die Bundesrepublik Deutschland geltend macht – nicht ableiten, dass Mindestpreise ihrer Natur nach geeignet sind, um die gewünschte Qualität der Dienstleistungen zu erreichen. Vielmehr hat der Gerichtshof betont, dass „insbesondere zu prüfen sein [wird], ob es eine Wechselbeziehung zwischen der Honorarhöhe und der Qualität der von den Rechtsanwälten erbrachten Dienstleistungen gibt und ob namentlich die Festsetzung derartiger Mindesthonorare geeignet ist, die verfolgten Ziele, nämlich den Schutz der Verbraucher und die geordnete Rechtspflege, zu erreichen“(48).

92.      Die Geeignetheit von Mindestpreisen zur Förderung der Qualität der betreffenden Dienstleistungen muss daher, wie die Kommission zu Recht geltend macht, für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände belegt werden.

93.      Diesem Anspruch wird die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht gerecht. Statt darzutun, dass die geltenden Bestimmungen der HOAI geeignet sind, eine hohe Qualität von Architektur- und Ingenieurdienstleistungen zu erreichen, beschränkt sie sich auf allgemeine Erwägungen und Vermutungen.

94.      Statt nachzuweisen, dass die Abschaffung von Mindestpreisen zu einer Absenkung des Qualitätsniveaus führen würde, setzt sie dies voraus und stützt ihr Vorbringen darauf.

95.      Zur Unterstützung ihres Vorbringens verweist sie ausführlich auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a.(49). In diesen verbundenen Rechtssachen, die die Vereinbarkeit eines nationalen obligatorischen Berufsrentensystems mit den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags betrafen, machte Generalanwalt Jacobs in Form von „Vorbemerkungen“(50) allgemeine Ausführungen zu für die Märkte beruflicher Dienstleistungen typischen Merkmalen(51) „unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten“(52). In diesem Zusammenhang stellte er u. a. fest, dass „einige Berufsstände feste Gebühren und Honorare für ihre Dienstleistungen [festlegen]“(53). Er fährt mit der Darstellung „dreier immer wiederkehrender Schwierigkeiten“(54) fort, von denen eine die sei, dass „sich wirtschaftlich betrachtet die Märkte für berufliche Dienstleistungen unter zwei wichtigen Aspekten von den normalen Waren- und Dienstleistungsmärkten [unterscheiden]“(55), was teilweise „dem wichtigen Problem der sogenannten asymmetrischen Information“(56) geschuldet sei.

96.      Gestützt auf wirtschaftswissenschaftliche Literatur(57) führt Generalanwalt Jacobs weiter aus: „Eine solche Asymmetrie zwischen Verkäufer und Käufer entsteht, wenn der Käufer die Qualität dessen, was er erhält, nicht mehr vollständig beurteilen kann. Bei den freien Berufen ist das Problem wegen der hochtechnischen Natur ihrer Dienste besonders drängend. Der Verbraucher kann die Qualität dieser Dienstleistungen nicht vor dem Kauf durch Besichtigung (wie z. B. beim Einkauf von Käse), sondern nur nach dem Verbrauch einschätzen. Noch schlimmer ist, dass er vielleicht nie ganz beurteilen kann, ob der Berufsangehörige (d. h. der Arzt, Architekt, Rechtsanwalt) nun einen hochwertigen Dienst erbracht hat oder nicht. Folglich sind die Anreize für Berufsangehörige, die selbst bestimmen, wie sehr sie sich um einen Kunden kümmern, sehr hoch, entweder bewusst die Qualität zu senken, um Zeit und Geld zu sparen, oder ihre Kunden zur Inanspruchnahme ihrer Dienste zu bewegen, auch wenn diese nicht notwendig sind. Die üblichen Methoden der Überwindung oder Bekämpfung der negativen Wirkungen asymmetrischer Information oder mit anderen Worten der Vermeidung eines ‚Rennens nach unten‘ sind bei den Berufen allesamt zu finden. Zugangsprüfungen sollen einen hohen Standard beruflicher Kenntnisse von Beginn an sicherstellen. Haftungsregelungen, die Folgen eines guten oder schlechten Rufes oder Zertifikatssysteme sind Anreize, diese Kenntnisse in vollem Umfang einzusetzen. Werbung wird von manchen als Mittel der Überwindung oder Bekämpfung der Asymmetrie betrachtet, während andere meinen, dass Werbung die Probleme verschärft. Um den Wirkungen der Asymmetrie zu begegnen, ist also u. a. eine Regelung dieser Märkte in bestimmtem Umfang als erforderlich anzusehen.“

97.      Es fällt mir schwer, diese aufschlussreichen Anmerkungen zur Informationsasymmetrie nicht zu teilen und ihnen nicht zuzustimmen. Mit ihnen wird die Situation klar und deutlich beschrieben. Allerdings handelt es sich, wie der Generalanwalt selbst ausführt und worauf oben hingewiesen worden ist, um allgemeine Ausführungen. Sie sind eine Beschreibung des Problems, bieten jedoch keine Lösung für das Problem. Sie sind also keine Analyse der Wechselbeziehungen oder Kausalzusammenhänge zwischen Qualität und Preis und können nicht als solche dienen.

98.      Ich werde diese Feststellungen daher nicht weiter prüfen, möchte aber auf einen interessanten Punkt hinweisen: trotz des Umstands, dass Generalanwalt Jacobs einen gewissen Bedarf für ein Eingreifen des Staates wegen Informationsasymmetrien sieht und einige Beispiele für solche Eingriffe anführt, gehört die Preisregulierung nicht dazu.

99.      Mir ist bewusst, dass die Bundesrepublik Deutschland weniger darauf abzielt, die Informationsasymmetrie zu verringern(58), sondern eher darauf, die Folgen der Informationsasymmetrie abzumildern.

100. Es ist unbestreitbar, dass zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger eine Informationsasymmetrie besteht. Die Bundesrepublik Deutschland leitet aus dieser abstrakten und unbestrittenen Erkenntnis ab, dass Mindestpreise eine solche Asymmetrie in konkreten Fällen beseitigen.

101. Sie hat dem Gerichtshof technische Expertisen zur Festsetzung der Honorare in der HOAI vorgelegt. Diese belegen jedoch nicht ihre Argumentation(59). Nirgendwo wird nachgewiesen, dass ein System ohne Mindestpreise zu einem Marktversagen führen würde(60), bei dem Dienstleistungen guter Qualität den Markt verlassen und durch solche niedrigerer Qualität ersetzt würden. Nirgendwo wird nachgewiesen, dass gute Qualität nicht durch das übliche System von Angebot und Nachfrage gewährleistet werden kann.

102. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kern des Vorbringens der Bundesrepublik Deutschland – ein verstärkter Preiswettbewerb führe zu einer Minderung der Qualität der Dienstleistungen – nicht dargetan worden ist. Der Wettbewerb bei Dienstleistungen, insbesondere in Bezug auf den Preis, gilt im Allgemeinen als notwendiger, gewünschter und wirksamer Mechanismus in einer Marktwirtschaft. In den Sektoren, in denen die Dienstleistungserbringer besonders gut qualifiziert sind und strengen Bedingungen hinsichtlich ihrer Qualifikation unterliegen, wird Preiswettbewerb häufig als Bedrohung angesehen. Wie Preiswettbewerb diese besonders gut qualifizierten Menschen vom „Paulus zum Saulus“ wandeln soll(61), bleibt ein Rätsel.

ii)    Erforderlichkeit

103. Selbst wenn die in Rede stehenden Bestimmungen der HOAI geeignet wären, das Ziel der Qualität von Dienstleistungen zu erreichen, wären sie nicht im Sinne von Art. 15 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2006/123 erforderlich(62), nämlich dass sie nicht über das hinaus gehen dürfen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist und dass die Anforderungen nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden könnten, die zum selben Ergebnis führen.

104. An dieser Stelle ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, alternative Maßnahmen für den Mitgliedstaat zu finden. Vielmehr ist es Sache des Mitgliedstaats, darzulegen, warum nicht auf andere, weniger einschneidende Maßnahmen zurückgegriffen werden kann.

105. Das Argument, Berufszugangsregelungen stellten lediglich sicher, dass die Mitglieder der jeweiligen Berufsgruppe über ausreichende abstrakte Qualifikationen verfügten, während Honorarregelungen gewährleisteten, dass konkret erbrachte Dienstleistungen eine ausreichende Qualität aufwiesen, setzt voraus, was gerade zu beweisen ist. Es handelt sich um nichts mehr als eine Annahme.

106. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die sowohl die Qualität der Dienstleistungen als auch den Schutz der Verbraucher sicherstellen könnten: berufsethische Normen, Haftungsregelungen und Versicherungen, Informationspflichten, Pflichten zur Veröffentlichung von Tarifen oder zur Festlegung von Richtpreisen durch den Staat. Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht nachgewiesen, dass die Wirkung der in Rede stehenden Bestimmungen zu Mindestsätzen die Qualität einer Dienstleistung und den Schutz der Verbraucher besser gewährleistet. Insbesondere die Aussage, dass die Einführung einer Zugangsregelung zu den betreffenden Berufen eine wesentlich stärkere Beschränkung der Niederlassungsfreiheit als die geltende HOAI darstellen würde, ist eine bloße Behauptung, die nicht auf Beweise gestützt wird.

107. Nur wenn nachgewiesen würde, dass diese anderen, in der vorstehenden Randnummer genannten Maßnahmen die Ziele der Qualität der Dienstleistungen und des Verbraucherschutzes nicht erreichen, könnte man als letztes Mittel beginnen, Überlegungen dahin anzustellen, ob Mindestsätze diese Ziele besser erreichen(63).

2)      Höchstpreise

108. Die deutsche Regierung verteidigt das durch die HOAI eingeführte System mit seiner Kombination von Mindest- und Höchstpreisen. Die Mindest- und Höchstpreise sollten nicht isoliert betrachtet werden, sondern bezögen sich auf die in der HOAI detailliert beschriebenen Leistungsbilder. Sollte der Gerichtshof also feststellen, dass die Mindestsätze nicht verhältnismäßig sind, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Bundesrepublik Deutschland Höchstsätze beibehalten würde, weshalb es spitzfindig erscheinen könnte, diesen Punkt gesondert zu behandeln.

109. Aus Gründen der Vollständigkeit gehe ich dennoch kurz auf die Höchstsätze ein.

i)      Geeignetheit

110. Die Geeignetheit von Höchstpreisen scheint mir nicht problematisch zu sein. So wie die deutsche Regierung nämlich zu Recht vorträgt, sind Höchstpreise in der Tat geeignet, dem Ziel des Verbraucherschutzes zu dienen, da sie für Transparenz sorgen und vor überhöhten Honorarforderungen schützen.

ii)    Erforderlichkeit

111. Die deutsche Regierung hat jedoch nicht nachgewiesen, dass es nicht möglich ist, die Höchstpreise durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen zu ersetzen, die zu dem gleichen Ergebnis führen. Insbesondere wurde nicht nachgewiesen, warum beispielsweise Preisorientierungen, die Verbrauchern eine konkrete Vorstellung davon ermöglichen, wie eine Dienstleistung üblicherweise vergütet wird, nicht wirksam ihre Interessen schützen würden.

D.      Art. 49 AEUV

112. Da die Rüge der Kommission, die Art. 15 der Richtlinie 2006/123 betrifft, durchgreift, braucht keine Analyse in Bezug auf Art. 49 AEUV durchgeführt zu werden(64).

IV.    Ergebnis

113. Nach alledem bin ich der Auffassung, der Gerichtshof sollte

–        erklären, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen hat, indem sie Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zwingenden Mindest- und Höchstsätzen unterworfen hat;

–        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten auferlegen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).


3      BGBl. I, S. 2276.


4      Ich habe an anderer Stelle bereits ausgeführt, dass die Begriffe „Koordinierung“, „Angleichung“ und „Harmonisierung“ im Vertrag gleichbedeutend verwendet werden, vgl. meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:505, Rn. 52).


5      Vgl. Erwägungsgründe 5 ff. der Richtlinie 2006/123.


6      Es ist zu betonen, dass der Umfang der Harmonisierung in Art. 2 der Richtlinie 2006/123 festgelegt ist. Die Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden (vgl. Art. 2 Abs. 1), es sei denn, es geht um eine der in Art. 2 Abs. 2 genannten Tätigkeiten. Der Umfang der Harmonisierung wird weder durch die unzulässigen Anforderungen des Art. 14 der Richtlinie noch durch die – in der Terminologie von Barnard, C., „Unravelling the services directive“, 45 Common Market Law Review, 2008, S. 323 bis 396, S. 357 – „verdächtigen Anforderungen“ in Art. 15 der Richtlinie festgelegt. Mit anderen Worten sagt der Umstand, dass es um festgesetzte Mindest- und Höchstpreise geht, die ein Dienstleistungserbringer zu beachten hat (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchst. g), nichts über den Umfang der Harmonisierung der Richtlinie aus. Wie sich im Folgenden zeigen wird, wird dies eher für die Frage des Vorliegens einer Beschränkung relevant sein.


7      Vgl. Urteile vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 23 ff.), vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 118), und vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 137).


8      Natürlich im Anwendungsbereich der Richtlinie.


9      Es ist zu betonen, dass dies nur für Maßnahmen gilt, die nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminieren. Unmittelbar oder mittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierende Anforderungen sind nach Maßgabe des Art. 14 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123 ipso facto verboten. Für diese kann es keinerlei Rechtfertigungsgrund geben, vgl. Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 28).


10      Es liegt auf der Hand, dass die Frage der unmittelbaren Wirkung im vorliegenden Fall ohne Belang ist, da es sich um eine Direktklage der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland handelt.


11      Allerdings wandte der Gerichtshof Art. 15 der Richtlinie 2006/123 zunächst an, ohne dass er auf die Frage der unmittelbaren Wirkung auch nur einging. Vgl. Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:472, Nr. 28). Später hat der Gerichtshof im Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44‚ Rn. 130), ausdrücklich festgestellt, dass Art. 15 der Richtlinie 2006/123 unmittelbare Wirkung entfalte.


12      Siehe Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44‚ Rn. 110 und Nr. 3 des Tenors). Vgl. auch meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2017:397‚ Nrn. 106 bis 118).


13      Urteil vom 5. Dezember 2006 (C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758).


14      Urteil vom 28. April 2009 (C‑518/06, EU:C:2009:270).


15      Diese Bestimmung orientiert sich am Urteil des Gerichtshofs vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a. (C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758).


16      Vgl. Schlachter, M./Ohler, C., Europäische Dienstleistungsrichtlinie, Handkommentar, Nomos, Baden-Baden, 2008, Art. 15, Rn. 23.


17      Oder sich aus der Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis, den Regeln von Berufsverbänden oder den kollektiven Regeln, die von Berufsvereinigungen oder sonstigen Berufsorganisationen in Ausübung ihrer Rechtsautonomie erlassen wurden, ergeben. Regeln, die in von den Sozialpartnern ausgehandelten Tarifverträgen festgelegt wurden, werden nicht als Anforderungen im Sinne der Richtlinie 2006/123 betrachtet.


18      Vgl. Urteile vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843), vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44), und vom 1. März 2018, CMVRO (C‑297/16, EU:C:2018:141).


19      Nicht für Beratungsleistungen, wie aus § 3 Abs. 1 HOAI hervorgeht.


20      Art. 15 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2006/123.


21      Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie 2006/123.


22      Ebd.


23      Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123.


24      Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123.


25      Siehe Urteil vom 12. Dezember 2013, SOA Nazionale Costruttori (C‑327/12, EU:C:2013:827, Rn. 56 und 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


26      Siehe Urteil vom 7. März 2013, DKV Belgium (C‑577/11, EU:C:2013:146, Rn. 34). Der Gerichtshof hat in Rn. 35 dieses Urteils weiter ausgeführt, dass diese „Unternehmen … nämlich nicht nur ihre Vertragsbedingungen und ihre Tarife ändern, um den Anforderungen des Systems gerecht zu werden, sondern auch ihre tarifliche Positionierung und somit ihre Geschäftsstrategie zum Zeitpunkt der anfänglichen Prämienfestsetzung bestimmen [müssen], wobei die Gefahr besteht, dass künftige Tariferhöhungen nicht ausreichen, um die ihnen entstehenden Kosten zu decken.“


27      Siehe Urteil vom 7. März 2013, DKV Belgium (C‑577/11, EU:C:2013:146, Rn. 37).


28      Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:394, Nr. 18), in denen ich im Hinblick auf den freien Warenverkehr ausgeführt habe, dass Preisbindung ein Dorn im Auge eines jeden Wirtschaftsteilnehmers ist, der nicht am Markt präsent ist, wird doch der Wettbewerb im Wesentlichen vom Preis bestimmt, und dass dann, wenn man einem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit nimmt, einen bestimmten Preis zu unterbieten, man ihm einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit nimmt.


29      Vgl. Urteil vom 29. März 2011, Kommission/Italien (C‑565/08, EU:C:2011:188, Rn. 53).


30      Vgl. Urteil vom 29. März 2011, Kommission/Italien (C‑565/08, EU:C:2011:188, Rn. 53).


31      Vgl. in Bezug auf Mindestsätze: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Mai 1997, VII ZR 290/95, III.2, Neue Juristische Wochenschrift, 1997, S. 2330; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. April 1999, VII ZR 309/98, II.2.a, Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Zivilrecht, 1999, S. 1109; Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Oktober 2011, VII ZR 163/10, Rn. 8, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht, 2012, S. 175. In Bezug auf Höchstsätze: vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2012, 10 U 142/11, Rn. 46, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht, 2012, S. 584.


32      Natürlich vorbehaltlich der Rechtfertigungsprüfung, einschließlich der Verhältnismäßigkeit, in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123.


33      Vgl. Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123, wonach eine Anforderung nicht diskriminierend sein darf. Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie weist erneut darauf hin, dass die Maßnahme nicht diskriminierend ist. Ich verstehe diesen zweiten Verweis dahin, dass er rein deklaratorischen Charakter hat.


34      Dies wäre nicht der Fall, wenn die in Rede stehenden Maßnahmen diskriminierend wären, vgl. Art. 14 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123. Vgl. auch Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 28).


35      Also die Integrität der baulichen Umgebung.


36      Der Bauherrenschutzbund e. V., die Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verband Privater Bauherren e. V.


37      Urteil vom 5. Dezember 2006 (C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758).


38      Dieser Standpunkt wird offenbar auch vom Architects’ Council of Europe geteilt, der Vorteile im System der HOAI sieht.


39      Vgl. Urteil vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 56).


40      Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2017:397‚ Nr. 144) ausgeführt habe, erinnert der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie an die Formulierung des Gerichtshofs im Urteil vom 30. November 1995, Gebhard (C‑55/94, EU:C:1995:411‚ Rn. 37). Vgl. auch Davies, G., „The Services Directive: extending the country of origin principle, and reforming public administration“, European Law Review, Bd. 32, 2007, S. 232 bis 245 (S. 234).


41      Vgl. Urteile vom 3. Oktober 2000, Corsten (C‑58/98, EU:C:2000:527, Rn. 38), und vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a. (C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758, Rn. 64) zur Qualität der Dienstleistungen, vom 8. September 2010, Stoß u. a. (C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, EU:C:2010:504, Rn. 74) zum Verbraucherschutz, vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a. (C‑168/14, EU:C:2015:685, Rn. 74) zu Sicherheitsaspekten, vom 26. Februar 1991, Kommission/Frankreich (C‑154/89, EU:C:1991:76, Rn. 17) zu kulturellem Erbe, sowie vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 76) zur Umwelt.


42      Ich möchte ferner auf die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Grupo Itevelesa u. a. (C‑168/14, EU:C:2015:351‚ Nr. 73) hinweisen, wonach der Gerichtshof, zu Recht, misstrauisch ist, wenn Mitgliedstaaten in Form einer detaillierten Regelung bestimmter Marktstrukturen oder Wettbewerbsverhältnisse in die Niederlassungsfreiheit u. a. unter dem Vorwand eingreifen, dass eine hohe Dienstleistungsqualität für Kunden und Verbraucher sichergestellt werden solle.


43      Vgl. Urteile vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich (C‑147/03, EU:C:2005:427, Rn. 63), vom 14. Juni 2012, Kommission/Niederlande (C‑542/09, EU:C:2012:346, Rn. 81), und vom 23. Januar 2014, Kommission/Belgien (C‑296/12, EU:C:2014:24, Rn. 33).


44      Vgl. Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 69), und vom 7. November 2018, Kommission/Ungarn (C‑171/17, EU:C:2018:881, Rn. 86).


45      In der englischen Fassung der Rechtsprechung des Gerichtshofs werden für das im Deutschen mit „geeignet“ wiedergegebene Wort zuweilen auch die Begriffe „appropriate“ oder „adequate“ verwendet. Vgl. z. B. Urteil vom 23. Januar 2014, Kommission/Belgien (C‑296/12, EU:C:2014:24, Rn. 33). In den vorliegenden Schlussanträgen heißt es ausschließlich „suitable“, da dies der in der Richtlinie verwendete Begriff ist.


46      Vgl. Urteil vom 28. April 2009, Kommission/Italien (C‑518/06, EU:C:2009:270, Rn. 84).


47      Urteil vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a. (C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758).


48      Vgl. Urteil vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a. (C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758, Rn. 66). In den folgenden beiden Randnummern hat der Gerichtshof weiter ausgeführt: „Zwar können hohe Mindesthonorare die Mitglieder des Berufsstands nicht davon abhalten, minderwertige Dienstleistungen zu erbringen, doch kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass solche Honorare helfen, in einem Kontext wie dem des italienischen Marktes, der nach dem Vorabentscheidungsersuchen durch eine ausgesprochen große Anzahl zugelassener und praktizierender Anwälte gekennzeichnet ist, einen Konkurrenzkampf zwischen Anwälten zu vermeiden, der zu Billigangeboten führen könnte, was das Risiko eines Verfalls der Qualität der erbrachten Dienstleistungen zur Folge hätte. Außerdem werden sowohl die Besonderheiten des fraglichen Marktes, wie sie in der vorstehenden Randnummer angesprochen sind, als auch die Besonderheiten der in Rede stehenden Dienstleistungen sowie insbesondere die Tatsache zu berücksichtigen sein, dass auf dem Gebiet anwaltlicher Dienstleistungen regelmäßig eine ‚Asymmetrie der Information‘ zwischen den ‚Verbrauchern als Mandanten‘ und den Rechtsanwälten besteht. Die Rechtsanwälte verfügen nämlich über ein hohes Maß an Fachkenntnissen, die die Verbraucher nicht zwangsläufig haben, so dass es Letzteren schwerfällt, die Qualität der ihnen erbrachten Dienstleistungen zu beurteilen.“ Hervorhebung nur hier.


49      C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151.


50      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151, Nr. 71).


51      D. h. Dienstleistungen der freien Berufe.


52      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151, Nr. 73).


53      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151, Nr. 77). In dieser Nummer heißt es weiter: „Denkbare Regelungen reichen von der Festlegung von Mindestgebühren durch den Berufsstand selbst bis zur Festlegung von Höchstgebühren durch den Staat nach Anhörung des betreffenden Berufsstandes.“


54      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151, Nr. 82).


55      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151, Nr. 84).


56      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:151, Nr. 86).


57      Angeführt als Carlton, D. W., Perloff, J. M., Modern Industrial Organisation, 2. Aufl., New York 1994, S. 115.


58      Dies wäre in jedem Fall nahezu unmöglich, da Menschen gerade wegen der Informationsasymmetrie auf die von Architekten und Ingenieuren angebotenen Dienstleistungen zurückgreifen.


59      Wie vom Gerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung gefordert. Vgl. Urteile vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich (C‑147/03, EU:C:2005:427, Rn. 63), vom 14. Juni 2012, Kommission/Niederlande (C‑542/09, EU:C:2012:346, Rn. 81), und vom 23. Januar 2014, Kommission/Belgien (C‑296/12, EU:C:2014:24, Rn. 33).


60      Von der Bundesrepublik Deutschland als „adverse Selektion“ bezeichnet.


61      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in den verbundenen Rechtssachen Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2009:587, Nr. 26), in denen ein ähnliches Argument in Bezug auf Apotheker vorgetragen wird.


62      Es ist etwas unglücklich, dass Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen auf „Erforderlichkeit“ verweist: zum einen in Buchst. b mit der einfachen Feststellung, dass es einen Rechtfertigungsgrund in Form eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses geben muss und zum anderen in Buchst. c im traditionellen Sinne der zweiten Stufe der Verhältnismäßigkeit. Natürlich wird der Begriff hier in diesem zweiten Sinne verwendet.


63      Natürlich in der Annahme, dass sie die Prüfung der Geeignetheit bestehen, was meines Erachtens nicht der Fall ist.


64      Vgl. Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 118), und vom 7. November 2018, Kommission/Ungarn (C‑171/17, EU:C:2018:881, Rn. 87).