URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

22. November 2007

Rechtssache F-109/06

Daniel Dittert

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Beförderung – Prioritätspunkte – Unvollständige Personalakte – Nichtberücksichtigung von Prioritätspunkten der elektronischen Beförderungsakte ‚Sysper 2‘ – Technische Betriebsstörung – Beförderungsausschuss A* – Vergabe einer geringeren Zahl von Prioritätspunkten als von den Vorgesetzten vorgeschlagen“

Gegenstand: Klage gemäß Art. 236 EG und Art. 152 EA auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission, an den Kläger eine Anzahl von Prioritätspunkten zu vergeben, die für seine Beförderung im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2005 nicht ausreichte, und der Entscheidung, ihn im Rahmen dieses Beförderungsverfahrens nicht zu befördern, sowie der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 6. Juni 2006, mit der seine Beschwerde zurückgewiesen wurde

Entscheidung: Die Entscheidung der Kommission, an den Kläger Prioritätspunkte in einer für seine Beförderung im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2005 nicht ausreichenden Zahl zu vergeben, wird aufgehoben. Die in den Verwaltungsmitteilungen Nr. 85-2005 vom 23. November 2005 veröffentlichte Entscheidung der Kommission, die die Liste der im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2005 beförderten Beamten festlegt, wird aufgehoben, soweit darin nicht der Name des Klägers aufgeführt ist. Die Kommission trägt die Kosten des Klägers sowie ihre eigenen Kosten.

Leitsätze

1.       Beamte – Klage – Beschwerende Maßnahme – Von der Kommission eingeführtes Beförderungssystem – Abschluss des Beförderungsverfahrens durch eine Maßnahme, die eine Entscheidung über die Erstellung des Verzeichnisses der beförderten Beamten und eine Entscheidung über die Festlegung der an die Beamten vergebenen Punkte enthält – Eigenständige Entscheidungen, die mit gesonderten Klagen oder mit einer einzigen Klage angefochten werden können

(Beamtenstatut, Art. 45, 90 und 91)

2.      Beamte – Beförderung – Abwägung der Verdienste

(Beamtenstatut, Art. 45)

1.      Im Rahmen des durch eine interne Regelung der Kommission eingeführten Beförderungssystems, bei dem die letzte Handlung, mit der das Beförderungsverfahren abgeschlossen wird, in dem Sinne komplexer Natur ist, dass sie zwei gesonderte Entscheidungen umfasst, nämlich die Entscheidung der Anstellungsbehörde, mit der das Verzeichnis der Beförderten aufgestellt wird, und die Entscheidung der Anstellungsbehörde, mit der die Gesamtpunktzahl der Beamten festgesetzt wird und die Grundlage der erstgenannten Entscheidung ist, stellt diese Entscheidung, mit der die Gesamtpunktzahl festgesetzt wird, eine selbständige Handlung dar, gegen die als solche Beschwerde und gegebenenfalls im Rahmen der im Statut vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten Klage erhoben werden kann.

Ein Beamter, der nicht befördert wurde, weil an ihn – seiner Meinung nach zu Unrecht – eine für das Erreichen der Beförderungsschwelle unzureichende Zahl von Punkten vergeben wurde, kann seine Klage jedoch gleichzeitig gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde über die Festsetzung der Gesamtpunktzahl und gegen die Entscheidung über die Aufstellung des Verzeichnisses der beförderten Beamten richten. Auch wenn diese beiden Handlungen rechtlich gesehen tatsächlich verschieden sind und gesondert angefochten werden können, hängen sie doch in Wirklichkeit im Fall der Nichtbeförderung eng zusammen, da die Nichtbeförderung zwangsläufig durch die Höhe der Gesamtpunktzahl des Beamten im Vergleich zur Beförderungsschwelle bedingt ist.

(vgl. Randnrn. 32 und 33)

2.      Im Rahmen des von der Kommission eingeführten Beförderungssystems stellt es einen Verfahrensfehler dar, der den ordnungsgemäßen Ablauf eines Beförderungsverfahrens beeinträchtigt, wenn der Name eines Beamten in der elektronisch erstellten Beförderungsliste seiner Generaldirektion, die vom Generaldirektor für die Vergabe von Prioritätspunkten der Generaldirektion an ihre Beamten verwendet wird, infolge eines technischen Fehlers nicht genannt ist. Dieser Verfahrensfehler kann jedoch nur dann zur Aufhebung der zu seiner Heilung nachträglich erlassenen Entscheidung, an den Betroffenen Prioritätspunkte – jedoch in einer für eine Beförderung nicht ausreichenden Zahl – zu vergeben, und der Entscheidung, mit der das Verzeichnis der beförderten Beamten festgelegt wurde, führen, wenn nachgewiesen wird, dass diese Entscheidungen ohne die Unregelmäßigkeit im Ablauf des Verfahrens einen anderen Inhalt gehabt hätten.

So liegt es, wenn der Fall des Betroffenen bei der Festlegung der förmlichen Intentionen des Generaldirektors seiner Generaldirektion im Bereich der Vergabe von Prioritätspunkten – Festlegung, die eine entscheidende Phase des Beförderungsverfahrens darstellt – nicht berücksichtigt wurde, ohne dass diese Unregelmäßigkeit durch nachträgliche Vergabe einer angemessenen Zahl von Prioritätspunkten durch den Beförderungsausschuss rechtlich hinreichend korrigiert worden wäre, obwohl dies möglich gewesen wäre. Eine solche Unregelmäßigkeit ist geeignet, die Interessen des betroffenen Beamten zu verletzen und das Beförderungsverfahren ungültig zu machen.

(vgl. Randnrn. 91 bis 95 und 102)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 23. April 1986, Bernardi/Parlament, 150/84, Slg. 1986, 1375, Randnr. 28

Gericht erster Instanz: 23. November 1995, Benecos/Kommission, T‑64/94, Slg. ÖD 1995, I‑A‑257 und II‑769, Randnr. 80; 9. März 1999, Hubert/Kommission, T‑212/97, Slg. ÖD 1999, I‑A‑41 und II‑185, Randnr. 53; 13. Juli 2000, Hendrickx/Cedefop, T‑87/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑147 und II‑679, Randnr. 64