URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

5. September 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsmarke – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 97 Abs. 5 – Gerichtliche Zuständigkeit – Verletzungsklage – Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem ‚eine Verletzungshandlung begangen worden ist‘ – Auf einer Website und auf Social-Media-Plattformen angezeigte Werbung und Verkaufsangebote“

In der Rechtssache C‑172/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgerichtshof [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 12. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2018, in dem Verfahren

AMS Neve Ltd,

Barnett Waddingham Trustees,

Mark Crabtree

gegen

Heritage Audio SL,

Pedro Rodríguez Arribas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von AMS Neve Ltd, Barnett Waddingham Trustees und Herrn Crabtree, vertreten durch M. McGuirk und E. Cronan, Solicitors, und J. Moss, Barrister,

–        von Heritage Audio SL und Herrn Rodríguez Arribas, vertreten durch A. Stone und R. Crozier, Solicitors, und J. Reid, Barrister,

–        der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und J. Techert, dann durch M. Hellmann und J. Techert als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, É. Gippini Fournier und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. März 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] (ABl. 2009, L 78, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der AMS Neve Ltd, der Barnett Waddingham Trustees (im Folgenden: BW Trustees) und Herrn Mark Crabtree auf der einen und der Heritage Audio SL und Herrn Pedro Rodríguez Arribas auf der anderen Seite betreffend eine Klage wegen Verletzung der u. a. von einer Unionsmarke verliehenen Rechte.

 Rechtlicher Rahmen

3        Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009, mit der die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) aufgehoben und ersetzt worden ist, wurde durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geändert, die am 23. März 2016 in Kraft getreten ist. Später wurde sie durch die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 aufgehoben und ersetzt. Gleichwohl wird das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen in Anbetracht des Zeitpunkts der Erhebung der Verletzungsklage, um die es im Ausgangsverfahren geht, anhand der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer ursprünglichen Fassung geprüft.

4        Im 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 hieß es:

„Es soll vermieden werden, dass sich in Rechtsstreitigkeiten über denselben Tatbestand zwischen denselben Parteien voneinander abweichende Gerichtsurteile aus einer [Unionsmarke] und aus parallelen nationalen Marken ergeben. …“

5        Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung bestimmte:

„(1)      Die [Unionsmarke] gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)      ein mit der [Unionsmarke] identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

b)      ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der [Unionsmarke] und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die [Unionsmarke] und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;

(2)      Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen …;

d)      das Zeichen … in der Werbung zu benutzen.“

6        In Art. 94 der Verordnung Nr. 207/2009 hieß es:

„(1)      Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] auf Verfahren betreffend [Unionsmarken] und Anmeldungen von [Unionsmarken] sowie auf Verfahren, die gleichzeitige oder aufeinander folgende Klagen aus [Unionsmarken] und aus nationalen Marken betreffen, anzuwenden.

(2)      Auf Verfahren, welche durch die in Artikel 96 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden,

a)      sind Artikel 2, Artikel 4, Artikel 5 Nummern 1, 3, 4 und 5 sowie Artikel 31 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 nicht anzuwenden;

…“

7        Art. 95 Abs. 1 der Verordnung lautete:

„Die Mitgliedstaaten benennen für ihr Gebiet eine möglichst geringe Anzahl nationaler Gerichte erster und zweiter Instanz, nachstehend ‚[Unionsmarkengerichte]‘ genannt, die die ihnen durch diese Verordnung zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen.“

8        Art. 96 der Verordnung bestimmte:

„Die [Unionsmarkengerichte] sind ausschließlich zuständig

a)      für alle Klagen wegen Verletzung und – falls das nationale Recht dies zulässt – wegen drohender Verletzung einer [Unionsmarke];

…“

9        In Art. 97 der Verordnung hieß es:

„(1)      Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sowie der nach Artikel 94 anzuwendenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 sind für die Verfahren, welche durch eine in Artikel 96 genannte Klage oder Widerklage anhängig gemacht werden, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder – in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat.

(5)      Die Verfahren, welche durch die in Artikel 96 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden – ausgenommen Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung einer [Unionsmarke] –, können auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist …“

10      In Art. 98 der Verordnung Nr. 207/2009 hieß es:

„(1)      Ein [Unionsmarkengericht], dessen Zuständigkeit auf Artikel 97 Absätze 1 bis 4 beruht, ist zuständig für:

a)      die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen;

(2)      Ein nach Artikel 97 Abs. 5 zuständiges [Unionsmarkengericht] ist nur für die Handlungen zuständig, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind oder drohen, in dem das Gericht seinen Sitz hat.“

11      Art. 109 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmte:

„Werden Verletzungsklagen zwischen denselben Parteien wegen derselben Handlungen bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten anhängig gemacht, von denen das eine Gericht wegen Verletzung einer [Unionsmarke] und das andere Gericht wegen Verletzung einer nationalen Marke angerufen wird,

a)      so hat sich das später angerufene Gericht von Amts wegen zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären, wenn die betreffenden Marken identisch sind und für identische Waren oder Dienstleistungen gelten. Das Gericht, das sich für unzuständig zu erklären hätte, kann das Verfahren aussetzen, wenn der Mangel der Zuständigkeit des anderen Gerichts geltend gemacht wird;

b)      so kann das später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen, wenn die betreffenden Marken identisch sind und für ähnliche Waren oder Dienstleistungen gelten oder wenn sie ähnlich sind und für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen gelten.“

12      Der Wortlaut der Art. 9, 94 bis 98 und 109 der Verordnung Nr. 207/2009 wurde in den Art. 9, 122 bis 126 und 136 der Verordnung 2017/1001 im Wesentlichen übernommen. Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 entspricht Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 93 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94.

13      Die Verordnung Nr. 44/2001, auf die in den Art. 94 und 97 der Verordnung Nr. 207/2009 Bezug genommen wird, ist durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) ersetzt worden. Gemäß Art. 66 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 „ist [diese] nur auf Verfahren, öffentliche Urkunden oder gerichtliche Vergleiche anzuwenden, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet, förmlich errichtet oder eingetragen bzw. gebilligt oder geschlossen worden sind“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

14      AMS Neve ist eine im Vereinigten Königreich niedergelassene Gesellschaft, die Audiogeräte herstellt und vertreibt. Die ebenfalls im Vereinigten Königreich niedergelassene BW Trustees betreut das System der Altersvorsorge für Führungskräfte von AMS Neve. Herr Crabtree ist ein Geschäftsführer von AMS Neve.

15      Heritage Audio ist ein in Spanien niedergelassenes Unternehmen, das Audiogeräte vertreibt. Herr Rodríguez Arribas wohnt in Spanien und ist der alleinige Geschäftsführer von Heritage Audio.

16      Am 15. Oktober 2015 erhoben AMS Neve, BW Trustees und Herr Crabtree gegen Heritage Audio und Herrn Rodríguez Arribas vor dem Intellectual Property and Enterprise Court (Gericht für geistiges Eigentum, Vereinigtes Königreich) eine Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke, deren Inhaber BW Trustees und Herr Crabtree sind und für deren Verwendung AMS Neve eine ausschließliche Lizenz hält.

17      Ihre Klage betrifft außerdem die behauptete Verletzung zweier im Vereinigten Königreich eingetragener Marken, deren Inhaber ebenfalls BW Trustees und Herr Crabtree sind.

18      Die geltend gemachte Unionsmarke besteht aus der Zahl 1073 und wurde für Waren der Klasse 9 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen. Im Wesentlichen entsprechen die erfassten Waren folgender Beschreibung: „Aufnahme‑, Misch- und Verarbeitungsausrüstungen für Tonstudios“.

19      Den Beklagten des Ausgangsverfahrens wird vorgeworfen, Verbrauchern im Vereinigten Königreich Nachahmungen von Waren von AMS Neve zum Verkauf angeboten zu haben, die mit einem mit der genannten Unionsmarke und den genannten nationalen Marken identischen oder ihnen ähnlichen Zeichen versehen sind oder sich auf dieses Zeichen beziehen, und für diese Waren Werbung betrieben zu haben.

20      Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten zur Stützung ihrer Klage Unterlagen vor, darunter u. a. den Inhalt der Website von Heritage Audio sowie deren Konten bei Facebook und Twitter, eine von Heritage Audio an eine im Vereinigten Königreich ansässige Person ausgestellte Rechnung sowie einen Austausch von E‑Mails zwischen Heritage Audio und einer im Vereinigten Königreich ansässigen Person über etwaige Lieferungen von Audiogeräten.

21      Insbesondere legten die Kläger des Ausgangsverfahrens Screenshots von dieser Website vor, auf denen Verkaufsangebote für Audiogeräte zu sehen seien, die mit der genannten Unionsmarke identische oder ähnliche Zeichen tragen. Sie wiesen darauf hin, dass diese Angebote auf Englisch verfasst seien und ein Abschnitt mit dem Titel „where to buy“ („wo zu kaufen“) Vertriebspartner in verschiedenen Ländern aufliste, darunter auch im Vereinigten Königreich. Ferner gehe aus den Allgemeinen Verkaufsbedingungen hervor, dass Heritage Audio Bestellungen aus jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union annehme.

22      Die Beklagten des Ausgangsverfahrens erhoben eine Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts.

23      Sie schließen zwar nicht aus, dass die Waren von Heritage Audio im Vereinigten Königreich über andere Gesellschaften erworben worden sein könnten, machen jedoch geltend, dass sie selbst im Vereinigten Königreich weder Werbung betrieben noch Verkäufe getätigt hätten. Im Übrigen hätten sie nie einen Händler für das Vereinigte Königreich benannt. Schließlich seien die auf der Website von Heritage Audio und auf den von den Klägern des Ausgangsverfahrens genannten Plattformen angezeigten Inhalte bereits in dem von der Verletzungsklage erfassten Zeitraum überholt gewesen und daher nicht zu berücksichtigen.

24      Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 stellte das Intellectual Property and Enterprise Court (Gericht für geistiges Eigentum) fest, dass es für diese Verletzungsklage insoweit nicht zuständig sei, als sie auf die fragliche Unionsmarke gestützt sei.

25      Dieses Gericht stellte fest, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens Indizien zum Beleg dafür beigebracht hätten, dass die Website von Heritage Audio insbesondere auf das Vereinigte Königreich ausgerichtet gewesen sei. Im Übrigen sei aufgrund des Sachverhalts des Rechtsstreits festzustellen, dass Herr Rodríguez Arribas für die Handlungen von Heritage Audio gesamtschuldnerisch hafte und die Gerichte des Vereinigten Königreichs für die Entscheidung über den Rechtsstreit insoweit zuständig seien, als es um den Schutz der nationalen Rechte des geistigen Eigentums gehe.

26      Das Intellectual Property and Enterprise Court (Gericht für geistiges Eigentum) nimmt jedoch an, dass der Rechtsstreit, soweit er die Verletzung der Unionsmarke betreffe, gemäß Art. 97 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats falle, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz habe, im vorliegenden Fall des Königreichs Spanien. Die Zuständigkeit spanischer Gerichte ergebe sich auch aus Art. 97 Abs. 5, wonach Verletzungsklagen auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden könnten, in dem die Verletzungshandlung begangen worden sei.

27      Zum letztgenannten Punkt nimmt das Intellectual Property and Enterprise Court (Gericht für geistiges Eigentum) an, dass zur Entscheidung über eine Klage des Inhabers einer Marke gegen einen Dritten, der in der Werbung und in Verkaufsangeboten auf einer Website oder auf Social-Media-Plattformen mit dieser Marke identische oder ihr ähnliche Zeichen benutzt habe, das Gericht des Ortes örtlich zuständig sei, an dem der Dritte entschieden habe, die Werbung zu betreiben und die Waren auf der Website oder den Plattformen zum Verkauf anzubieten, und Maßnahmen zur Umsetzung dieser Entscheidung getroffen habe.

28      Die Beklagten des Ausgangsverfahrens legten gegen dieses Urteil beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgerichtshof [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) Berufung ein.

29      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteil zwar bestimmte Urteile des Gerichtshofs wie die vom 19. April 2012, Wintersteiger (C‑523/10, EU:C:2012:220), und vom 5. Juni 2014, Coty Germany (C‑360/12, EU:C:2014:1318), erwähnt habe, diese Urteile und die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Allgemeinen aber falsch ausgelegt habe.

30      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts würde eine solche Auslegung im Wesentlichen dazu führen, dass „der Mitgliedstaat, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“, im Sinne von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 der Mitgliedstaat sei, in dem der Beklagte seine Website und seine Konten bei sozialen Medien organisiert habe. Aus dem Wortlaut, dem Zweck und dem Zusammenhang dieser Bestimmung ergebe sich aber, dass das Hoheitsgebiet desjenigen Mitgliedstaats gemeint sei, in dem die Verbraucher oder Gewerbetreibenden ansässig seien, an die die Werbung und die Verkaufsangebote gerichtet seien.

31      Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass der Bundesgerichtshof (Deutschland) in seinem Urteil „Parfummarken“ (I ZR 164/16) vom 9. November 2017 entschieden habe, dass die im Urteil vom 27. September 2017, Nintendo (C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724), vorgenommene Auslegung des in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (ABl. 2007, L 199, S. 40) enthaltenen Begriffs „Recht des Staates …, in dem die Verletzung begangen wurde“ auf Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 übertragbar sei. An dieser Beurteilung des Bundesgerichtshofs hat das vorlegende Gericht jedoch Zweifel.

32      Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgerichtshof [England und Wales] [Zivilabteilung]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, und in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass diese Frage die Auslegung von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 betrifft:

Wenn ein im Mitgliedstaat A niedergelassenes und dort ansässiges Unternehmen in diesem Staatsgebiet Schritte unternommen hat, um auf einer gezielt auf Händler und Verbraucher im Mitgliedstaat B ausgerichteten Website Waren unter einem mit einer Unionsmarke identischen Zeichen zu bewerben und zum Kauf anzubieten:

i)      Ist ein Unionsmarkengericht im Mitgliedstaat B dann für eine sich auf das Bewerben und Anbieten der Waren in diesem Staatsgebiet beziehende Klage wegen Verletzung der Unionsmarke zuständig?

ii)      Sofern dies nicht der Fall ist, welche anderen Kriterien sind von diesem Unionsmarkengericht bei der Entscheidung, ob es für diese Klage zuständig ist, zu berücksichtigen?

iii)      Soweit die Antwort auf Frage ii von diesem Unionsmarkengericht verlangt, festzustellen, ob das Unternehmen im Mitgliedstaat B aktive Schritte unternommen hat: Welche Kriterien sind bei der Entscheidung, ob das Unternehmen solche Schritte unternommen hat, zu berücksichtigen?

 Zur Vorlagefrage

33      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber einer Unionsmarke, der glaubt, durch die ohne seine Zustimmung erfolgte Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens durch einen Dritten in der Werbung und in Verkaufsangeboten, die elektronisch für Waren angezeigt werden, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, geschädigt worden zu sein, gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbung oder Verkaufsangebote richten, obwohl der Dritte die Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf diese elektronische Anzeige in einem anderen Mitgliedstaat getroffen hat.

34      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass unbeschadet der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 44/2001 – und ab 10. Januar 2015 der Verordnung Nr. 1215/2012 – auf Klagen, die eine Unionsmarke betreffen, nach Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 die Anwendung einiger Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 wie die in ihren Art. 2, 4 und 5 Nr. 3 enthaltenen Regelungen insbesondere auf Klagen wegen Verletzung einer solchen Marke ausgeschlossen ist. Wegen dieses Ausschlusses ergibt sich die Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte, die nach Art. 95 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 über Klagen wegen Verletzung einer Unionsmarke entscheiden, aus den in der Verordnung Nr. 207/2009 unmittelbar vorgesehenen Vorschriften, denen gegenüber den Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 die Eigenschaft einer lex specialis zukommt (Urteile vom 5. Juni 2014, Coty Germany, C‑360/12, EU:C:2014:1318‚ Rn. 26 und 27, und vom 18. Mai 2017, Hummel Holding, C‑617/15, EU:C:2017:390‚ Rn. 26).

35      Dagegen führte die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung) (ABl. 2008, L 299, S. 25) für nationale Marken keine speziellen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit ein. Gleiches gilt für die Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung) (ABl. 2015, L 336, S. 1), die die Richtlinie 2008/95 mit Wirkung zum 15. Januar 2019 aufgehoben und ersetzt hat.

36      Folglich fällt eine Verletzungsklage, wie sie die Kläger des Ausgangsverfahrens am 15. Oktober 2015 erhoben haben, soweit sie nationale Marken betrifft, unter die in der Verordnung Nr. 1215/2012 niedergelegten Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und, soweit sie eine Unionsmarke betrifft, unter die in der Verordnung Nr. 207/2009 niedergelegten Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit.

37      Nach Art. 97 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 erhebt der Kläger seine Klage bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.

38      Demgegenüber kann nach Art. 97 Abs. 5 dieser Verordnung der Kläger seine Klage „auch“ bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig machen, „in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“.

39      Nach Art. 98 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ist ein nach ihrem Art. 97 Abs. 1 angerufenes Unionsmarkengericht für die in einem jedem Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen zuständig. Nach Art. 98 Abs. 2 dieser Verordnung ist ein nach ihrem Art. 97 Abs. 5 angerufenes Gericht nur für die Handlungen zuständig, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind oder drohen, in dem dieses Gericht seinen Sitz hat.

40      Aus dieser Unterscheidung ergibt sich, dass der Kläger den Umfang des örtlichen Zuständigkeitsbereichs des angerufenen Gerichts danach bestimmt, ob er sich dafür entscheidet, die Verletzungsklage bei dem Unionsmarkengericht des Wohnsitzes des Beklagten oder bei dem Gericht des Hoheitsgebiets zu erheben, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Wird die Verletzungsklage auf Art. 97 Abs. 1 gestützt, betrifft sie nämlich potenziell die im gesamten Unionsgebiet begangenen Verletzungshandlungen, während sie, wenn sie auf Art. 97 Abs. 5 gestützt wird, auf die in einem einzigen Mitgliedstaat – nämlich demjenigen, in dem das angerufene Gericht seinen Sitz hat – begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen beschränkt ist.

41      Die Befugnis des Klägers zur Wahl der einen oder anderen Grundlage, die sich aus der Verwendung des Wortes „auch“ in Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, kann nicht so verstanden werden, dass der Kläger in Bezug auf dieselben Verletzungshandlungen nebeneinander mehrere auf Art. 97 Abs. 1 und 5 gestützte Klagen erheben kann, sondern bringt – wie der Generalanwalt in Nr. 31 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – nur den alternativen Charakter des in Abs. 5 genannten Gerichtsstands gegenüber den in den anderen Absätzen dieses Artikels genannten Gerichtsständen zum Ausdruck.

42      Indem der Unionsgesetzgeber diesen alternativen Gerichtsstand vorgesehen und in Art. 98 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 die diesem Gerichtsstand zugewiesene örtliche Zuständigkeit abgegrenzt hat, gestattet er dem Unionsmarkeninhaber – wenn dieser es wünscht – die Erhebung gezielter Klagen, die jeweils die im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats begangenen Verletzungshandlungen betreffen. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, haben in dem Fall, dass mehrere Verletzungsklagen zwischen denselben Parteien die Verwendung desselben Zeichens, aber nicht dasselbe Hoheitsgebiet betreffen, diese Klagen nicht denselben Gegenstand und unterliegen daher nicht den Vorschriften über die Rechtshängigkeit (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Merck, C‑231/16, EU:C:2017:771, Rn. 42). Somit können die unter solchen Umständen angerufenen Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten keine „voneinander abweichenden Gerichtsurteile“ im Sinne des 17. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 207/2009 erlassen, da die Klagen des Klägers unterschiedliche Hoheitsgebiete betreffen.

43      Im Licht dieser Gesichtspunkte sind die Fragen des vorlegenden Gerichts zur Tragweite der in Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltenen Wendung „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“ zu beantworten.

44      Der Gerichtshof hat auf ein Ersuchen um Auslegung von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 hin festgestellt, dass das mit dieser Wendung ausgedrückte Kriterium der gerichtlichen Zuständigkeit auf ein aktives Verhalten des Täters der behaupteten Verletzung abstellt (Urteil vom 5. Juni 2014, Coty Germany, C‑360/12, EU:C:2014:1318‚ Rn. 34).

45      Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass sich im Fall eines Verkaufs und einer Lieferung einer nachgeahmten Ware in einem Mitgliedstaat, die anschließend durch den Erwerber in einem anderen Mitgliedstaat weiterverkauft wird, in dem der ursprüngliche Verkäufer selbst keine Handlung vorgenommen hat, aus diesem Kriterium keine Zuständigkeit des dem zuletzt genannten Mitgliedstaat angehörenden Unionsmarkengerichts für die Entscheidung über eine Verletzungsklage gegen den ursprünglichen Verkäufer herleiten lässt. Eine solche gerichtliche Zuständigkeit würde auf eine Wirkung der vom ursprünglichen Verkäufer begangenen Markenverletzung und nicht auf die von diesem mutmaßlich begangene unerlaubte Handlung gestützt, was der Wendung „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“ zuwiderliefe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2014, Coty Germany, C‑360/12, EU:C:2014:1318, Rn. 34, 37 und 38).

46      Im Einklang mit dieser Rechtsprechung und den in den Rn. 40 bis 42 des vorliegenden Urteils genannten Gesichtspunkten muss sich ein Unionsmarkengericht, das mit einer Verletzungsklage nach Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 befasst ist, bei der Prüfung seiner Zuständigkeit für die Entscheidung über das Vorliegen einer Markenverletzung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem es seinen Sitz hat, vergewissern, dass die dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen dort begangen wurden.

47      Bestehen die dem Beklagten vorgeworfenen Handlungen in der elektronischen Anzeige von Werbung und Verkaufsangeboten für Waren, die mit einem Zeichen versehen sind, das mit einer Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, ohne dass der Markeninhaber zugestimmt hat, ist – wie sich aus Rn. 63 des Urteils vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474), ergibt – davon auszugehen, dass diese Handlungen, die unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. b und d der Verordnung Nr. 207/2009 fallen, in dem Hoheitsgebiet begangen worden sind, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbung und diese Verkaufsangebote richten, und zwar ungeachtet dessen, dass der Beklagte in einem anderen Hoheitsgebiet niedergelassen ist, dass sich der von ihm benutzte Server des elektronischen Netzes in einem anderen Hoheitsgebiet befindet oder dass sich die Waren, die den Gegenstand der Werbung und Verkaufsangebote bilden, in einem anderen Hoheitsgebiet befinden.

48      Wie sich aus derselben Randnummer des genannten Urteils ergibt, ist nämlich zu verhindern, dass der Dritte, der Werbung und Verkaufsangebote an die Verbraucher in der Union richtet, indem er ein mit einer Unionsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, der Anwendung von Art. 9 der Verordnung Nr. 207/2009 entgehen und dadurch dessen praktische Wirksamkeit beeinträchtigen kann, indem er sich darauf beruft, dass diese Werbung und diese Verkaufsangebote außerhalb der Union ins Internet gestellt wurden.

49      Entsprechend ist zu verhindern, dass der Dritte, der ein mit einer Unionsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen ohne Zustimmung des Markeninhabers für Waren benutzt hat, die mit denjenigen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, der Anwendung des Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 widersprechen und damit dessen praktische Wirksamkeit beeinträchtigen kann, indem er sich auf den Ort der Einstellung seiner Werbung und Angebote ins Internet beruft, um die Zuständigkeit eines anderen Gerichts als desjenigen dieses Ortes und desjenigen seiner Niederlassung auszuschließen.

50      Wäre die in Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltene Wendung „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“ dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaat betrifft, in dem die Person, die die betreffenden geschäftlichen Handlungen vorgenommen hat, ihre Website eingerichtet und die Anzeige ihrer Werbung und Verkaufsangebote ausgelöst hat, würde es ausreichen, dass in der Union niedergelassene Nachahmer, die auf elektronischem Weg tätig werden und Inhabern der verletzten Unionsmarken die Möglichkeit eines alternativen Gerichtsstands nehmen wollen, es so einrichteten, dass das Hoheitsgebiet der Einstellung ins Internet und das ihrer Niederlassung zusammenfallen. Auf diese Weise würde Art. 97 Abs. 5 in dem Fall, dass die Werbung und die Angebote an die Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten gerichtet sind, seine Tragweite als Alternative gegenüber der in Art. 97 Abs. 1 enthaltenen Regel der gerichtlichen Zuständigkeit genommen.

51      Eine Auslegung der Wendung „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“ in dem Sinne, dass sie den Ort beträfe, an dem der Beklagte die Entscheidungen und technischen Maßnahmen zur Schaltung der Anzeige im Internet getroffen hat, wäre umso unangemessener, als es dem Kläger in vielen Fällen übermäßig erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht würde, von diesem Ort Kenntnis zu erlangen. Denn im Gegensatz zu den Situationen, in denen ein Rechtsstreit bereits anhängig ist, zeichnet sich die Situation des Unionsmarkeninhabers vor Klageerhebung dadurch aus, dass er die Gegenpartei nicht zwingen kann, diesen Ort offenzulegen, da in diesem Stadium kein Gericht befasst worden ist.

52      Zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit des vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen alternativen Gerichtsstands ist es gemäß der Rechtsprechung, wonach die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift und der Ziele auszulegen sind, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der diese Vorschrift gehört (vgl. u. a. Urteile vom 3. September 2014, Deckmyn und Vrijheidsfonds, C‑201/13, EU:C:2014:2132, Rn. 14, und vom 18. Mai 2017, Hummel Holding, C‑617/15, EU:C:2017:390, Rn. 22), erforderlich, die Wendung „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“ so auszulegen, dass sie mit den übrigen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009, die Markenverletzungen betreffen, im Einklang steht.

53      Zu diesen Vorschriften gehört insbesondere Art. 9 der Verordnung, der die Verletzungshandlungen nennt, denen der Inhaber einer Unionsmarke widersprechen kann.

54      Somit ist der Ausdruck „Verletzungshandlung“ so zu verstehen, dass er sich auf die in Art. 9 genannten Handlungen bezieht, die der Kläger dem Beklagten vorwirft, wie vorliegend die in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b und d genannten Handlungen, die in der Werbung und in Verkaufsangeboten unter einem mit der fraglichen Marke identischen Zeichen bestehen, und diese Handlungen sind als in dem Hoheitsgebiet „begangen“ anzusehen, in dem sie zu einer Werbung und zu einem Verkaufsangebot geworden sind, nämlich dem Gebiet, in dem der geschäftliche Inhalt den Verbrauchern und Händlern, an die er gerichtet war, tatsächlich zugänglich gemacht worden ist. Ob diese Werbung und diese Angebote anschließend zum Kauf der Waren des Beklagten geführt haben, ist dagegen unerheblich.

55      Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und der Vorlagefrage, dass sich die Kläger des Ausgangsverfahrens mit der bei diesem Gericht erhobenen Verletzungsklage nur insoweit gegen die von den Beklagten auf einer Website und auf Social-Media-Plattformen angezeigte Werbung und Verkaufsangebote wenden, als diese Werbung und diese Angebote an Verbraucher und/oder Händler im Vereinigten Königreich gerichtet waren.

56      Bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens dürfen die Kläger in dem Fall, dass sich aus den von ihnen vorgelegten Inhalten der fraglichen Website und Plattformen ergibt, dass die Werbung und die Verkaufsangebote, die sie enthielten, an Verbraucher oder Händler im Vereinigten Königreich gerichtet und diesen vollumfänglich zugänglich waren, was das vorlegende Gericht u. a. anhand der Angaben auf dieser Website und diesen Plattformen hinsichtlich der geografischen Liefergebiete der betreffenden Waren zu prüfen hat (Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474‚ Rn. 64 und 65), auf der Grundlage von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 ihre Verletzungsklage vor einem Gericht des Vereinigten Königreichs erheben, um in diesem Mitgliedstaat eine Verletzung der Unionsmarke feststellen zu lassen.

57      Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass die Unionsmarkengerichte des Mitgliedstaats des Wohnsitzes der Verbraucher oder Händler, an die sich diese Werbung und diese Verkaufsangebote richten, besonders geeignet sind, die Frage zu beurteilen, ob die behauptete Verletzung vorliegt. In den Rn. 28 und 29 des Urteils vom 19. April 2012, Wintersteiger (C‑523/10, EU:C:2012:220), hat der Gerichtshof diesen Aspekt räumlicher Nähe bereits berücksichtigt, indem er die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin ausgelegt hat, dass der Inhaber einer nationalen Marke eine Verletzungsklage vor den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, in dem die nationale Marke eingetragen ist, da diese Gerichte im Hinblick auf die in den Urteilen vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, EU:C:2010:159), und vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474), aufgestellten Verletzungskriterien am besten beurteilen können, ob eine Verletzung der Marke vorliegt. Das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, ist wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme besonders geeignet, den Rechtsstreit zu entscheiden (Urteil vom 17. Oktober 2017, Bolagsupplysningen und Ilsjan, C‑194/16, EU:C:2017:766‚ Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 ist als lex specialis für Klagen wegen Verletzung von Unionsmarken zwar gegenüber der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001, die der Gerichtshof in Bezug auf Klagen wegen Verletzung nationaler Marken vorgenommen hat (Urteil vom 5. Juni 2014, Coty Germany, C‑360/12, EU:C:2014:1318‚ Rn. 31), autonom auszulegen. Dennoch muss die Auslegung der in diesen Vorschriften enthaltenen Wendungen „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist“ und „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ eine gewisse Kohärenz aufweisen, um entsprechend dem im 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Ziel diejenigen Fälle der Rechtshängigkeit so weit wie möglich zu verringern, die sich daraus ergeben, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten Klagen erhoben werden, in denen es um dieselben Parteien und dasselbe Hoheitsgebiet geht und von denen die eine auf der Grundlage einer Unionsmarke und die andere auf der Grundlage paralleler nationaler Marken erhoben wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Merck, C‑231/16, EU:C:2017:771, Rn. 30 bis 32).

59      Wäre die in Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit nämlich dahin auszulegen, dass diese Vorschrift Unionsmarkeninhabern im Gegensatz zu Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht gestatte, eine Verletzungsklage bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sie die Verletzung feststellen lassen möchten, zu erheben, wären diese Inhaber veranlasst, die Klage wegen Verletzung der Unionsmarke und die Klage wegen Verletzung der parallelen nationalen Marken bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten zu erheben. Die in Art. 109 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit würde aufgrund eines solchen, von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001) und von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 (jetzt Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012) abweichenden Ansatzes häufig zur Anwendung kommen, wodurch das mit diesen Verordnungen verfolgte Ziel, die Fälle der Rechtshängigkeit zu verringern, missachtet würde.

60      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die im vorliegenden Urteil herausgearbeitete Auslegung nicht durch die Auslegung entkräftet wird, die sich aus dem Urteil vom 27. September 2017, Nintendo (C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724), ergibt und auf die sich das vorlegende Gericht in dem in Rn. 31 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Zusammenhang bezogen hat.

61      In den Rn. 108 und 111 des Urteils vom 27. September 2017, Nintendo (C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724), hat der Gerichtshof die in der Verordnung Nr. 864/2007 enthaltene Wendung „Recht des Staates, in dem [das geltend gemachte Recht geistigen Eigentums] beeinträchtigt wurde“ dahin ausgelegt, dass sie das Recht des Staates betrifft, in dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht, wobei diese ursprüngliche Handlung im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs diejenige ist, mit der der Prozess der Einstellung des Verkaufsangebots ins Internet ausgelöst wird.

62      Diese Wendung in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 864/2007 hat einen Zweck und eine Zielsetzung, die sich grundlegend von denen des Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 und des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 unterscheiden.

63      Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 sieht einen alternativen Gerichtsstand vor und soll – wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt – es dem Inhaber einer Unionsmarke ermöglichen, eine oder mehrere Klagen zu erheben, die jeweils speziell die im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats begangenen Verletzungshandlungen betreffen. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 864/2007 betrifft dagegen nicht die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit, sondern die Frage, wie in Fällen außervertraglicher Schuldverhältnisse aus einer Verletzung unionsweit einheitlicher Rechte des geistigen Eigentums bei Fragen, die nicht unter den einschlägigen Unionsrechtsakt fallen, das anwendbare Recht zu bestimmen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2017, Nintendo, C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724, Rn. 91).

64      Diese Bestimmung des anwendbaren Rechts kann erforderlich werden, wenn eine Verletzungsklage, die bei einem Gericht anhängig gemacht wird, das für die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen Verletzungshandlungen zuständig ist, verschiedene Verletzungshandlungen betrifft, die in verschiedenen Mitgliedstaaten begangen wurden. Um in einem solchen Fall zu vermeiden, dass das angerufene Gericht Vorschriften mehrerer Rechtsordnungen anwenden muss, ist eine der Verletzungshandlungen, nämlich die ursprüngliche Verletzungshandlung, als die Handlung zu ermitteln, die das auf den Rechtsstreit anzuwendende Recht bestimmt (Urteil vom 27. September 2017, Nintendo, C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724, Rn. 103 und 104). Im Kontext der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit, wie sie in den Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 207/2009 enthalten sind, die mehrere Gerichtsstände vorsehen, besteht kein Erfordernis, zu gewährleisten, dass Vorschriften nur einer Rechtsordnung anwendbar sind.

65      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 97 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber einer Unionsmarke, der glaubt, durch die ohne seine Zustimmung erfolgte Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens durch einen Dritten in der Werbung und in Verkaufsangeboten, die elektronisch für Waren angezeigt werden, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, geschädigt worden zu sein, gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbung oder Verkaufsangebote richten, obwohl der Dritte die Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf diese elektronische Anzeige in einem anderen Mitgliedstaat getroffen hat.

 Kosten

66      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Unionsmarke, der glaubt, durch die ohne seine Zustimmung erfolgte Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens durch einen Dritten in der Werbung und in Verkaufsangeboten, die elektronisch für Waren angezeigt werden, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, geschädigt worden zu sein, gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbung oder Verkaufsangebote richten, obwohl der Dritte die Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf diese elektronische Anzeige in einem anderen Mitgliedstaat getroffen hat.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.