SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 28. November 2013(1)

Verbundene Rechtssachen C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12

Thomas Specht (C‑501/12),

Jens Schombera (C‑502/12),

Alexander Wieland (C‑503/12),

Uwe Schönefeld (C‑504/12),

Antje Wilke (C‑505/12),

Gerd Schini (C‑506/12)

gegen

Land Berlin


und


Rena Schmeel (C‑540/12),

Ralf Schuster (C‑541/12)

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin [Deutschland])

„Sozialpolitik – Diskriminierungen von Arbeitnehmern wegen des Alters – Regelung eines Mitgliedstaats, nach der sich das Grundgehalt eines Beamten nach dessen Alter richtet“





1.        Den rechtlichen Rahmen der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen bildet die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(2).

2.        Genauer gesagt wird sich der Gerichtshof aufgrund der vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) aufgeworfenen Fragen zunächst mit der Gültigkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78, der Anwendung dieser Vorschrift auf die Besoldungsbedingungen der Beamten sowie der Vereinbarkeit der fraglichen nationalen Rechtsvorschriften mit dem in Art. 2 dieser Richtlinie aufgestellten Verbot der Diskriminierung wegen des Alters zu befassen haben. Anschließend wird er über die Rechtsfolgen eines etwaigen Verstoßes gegen dieses Verbot zu entscheiden haben, und schließlich muss er prüfen, ob eine nationale Regel wie die in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fragliche, nach der ein Beamter Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahrs geltend machen muss, mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vereinbar ist.

I –     Rechtlicher Rahmen

A –     Unionsrecht

3.        Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78 besteht ihr Zweck in der Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

4.        In Art. 2 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ,Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…“

5.        Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 gilt diese im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich insbesondere des Arbeitsentgelts.

6.        Art. 6 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

„(1)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)      die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)      die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

…“

7.        Nach Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden.

B –     Deutsches Recht

1.            Die Besoldungsregelung für Beamte des Landes Berlin

a)       Das bis Juni 2011 geltende Bundesbesoldungsgesetz

8.        Bis zum 30. Juni 2011 waren die §§ 27 ff. des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 gültigen Fassung (im Folgenden: alte Fassung des BBesG oder BBesG a. F.) die Rechtsgrundlage für die Besoldung der Berliner Landesbeamten.

9.        In der alten Fassung des BBesG bildete das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe und die weitere stufenweise aufsteigende Besoldungsentwicklung in der Besoldungsordnung.

10.      Nach § 27 BBesG a. F. wird das Grundgehalt, soweit die Besoldungsordnungen nichts anderes vorsehen, nach Stufen bemessen. Das Aufsteigen in den Stufen bestimmt sich nach dem Besoldungsdienstalter und der Leistung. Es wird mindestens das Anfangsgrundgehalt der jeweiligen Besoldungsgruppe gezahlt. Das Grundgehalt steigt bis zur fünften Stufe im Abstand von zwei Jahren, bis zur neunten Stufe im Abstand von drei Jahren und darüber hinaus im Abstand von vier Jahren. Bei dauerhaft herausragenden Leistungen kann für Beamte und Soldaten der Besoldungsordnung A die nächsthöhere Stufe als Grundgehalt vorweg festgesetzt werden (Leistungsstufe). Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf 15 % der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Besoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Wird festgestellt, dass die Leistung des Beamten oder Soldaten nicht den mit dem Amt verbundenen durchschnittlichen Anforderungen entspricht, verbleibt er in seiner bisherigen Stufe, bis seine Leistung ein Aufsteigen in die nächsthöhere Stufe rechtfertigt.

11.      § 28 BBesG a. F. sieht vor, dass das Besoldungsdienstalter am Ersten des Monats beginnt, in dem der Beamte oder Soldat das 21. Lebensjahr vollendet hat.

12.      Dieser Beginn des Besoldungsdienstalters wird um Zeiten nach Vollendung des 31. Lebensjahrs, in denen kein Anspruch auf Besoldung bestand, hinausgeschoben, und zwar um ein Viertel der Zeit bis zum vollendeten 35. Lebensjahr und um die Hälfte der weiteren Zeit. Der Besoldung stehen Bezüge aus einer hauptberuflichen Tätigkeit im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften und ihrer Verbände sowie eines sonstigen Arbeitgebers, der die im öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts anwendet und an dem die öffentliche Hand durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise wesentlich beteiligt ist, gleich.

13.      Mit dem Zweiten Dienstrechtsänderungsgesetz vom 21. Juni 2011 nahm das Land Berlin die einschlägigen Vorschriften der alten Fassung des BBesG in das Bundesbesoldungsgesetz in der Überleitungsfassung für Berlin (im Folgenden: alte Fassung des BBesG Bln oder BBesG Bln a. F.) auf.

b)            Das Bundesbesoldungsgesetz in der seit dem 1. August 2011 geltenden Fassung

14.      Mit dem Gesetz zur Besoldungsneuregelung für das Land Berlin – Berliner Besoldungsneuregelungsgesetz (im Folgenden: BerlBesNG) vom 29. Juni 2011 änderte das Land Berlin die alte Fassung des BBesG Bln. Seitdem gelten für die Beamten, die ab dem 1. August 2011 in den Dienst des Landes Berlin getreten sind (im Folgenden: Neubeamte), und für die Beamten, deren Dienstverhältnis am 31. Juli 2011 bereits bestand (im Folgenden: Bestandsbeamte), unterschiedliche Regelungen. Die alte Fassung des BBesG Bln wurde mit Wirkung ab 1. August 2011 durch Art. I § 1 BerlBesNG geändert. Für Neubeamte gilt somit das BBesG Bln in der durch das BerlBesNG geänderten Fassung (im Folgenden: BBesG Bln n. F.).

i)            Die für Neubeamte geltende Regelung

15.      Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung der Neubeamten zu einer (Erfahrungs-)Stufe und die weitere, stufenweise aufsteigende Besoldungsentwicklung in der Besoldungsordnung A ist nicht mehr das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter, sondern die anforderungsgerecht absolvierte Dienstzeit.

16.      § 27 BBesG Bln n. F. bestimmt, dass das Grundgehalt, soweit die Besoldungsordnungen nichts anderes vorsehen, nach Stufen (Erfahrungsstufen) bemessen wird. Der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe erfolgt nach Erfahrungszeiten. Mit der ersten Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge im Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird ein Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt, soweit nicht nach § 28 Abs. 1 Zeiten anerkannt werden. § 27 Abs. 3 BBesG Bln n. F. bestimmt, dass das Grundgehalt nach Erfahrungszeiten von zwei Jahren in der Stufe 1, von jeweils drei Jahren in den Stufen 2 bis 4 und von jeweils vier Jahren in den Stufen 5 bis 7 steigt. Zeiten ohne Anspruch auf Dienstbezüge verzögern den Aufstieg um diese Zeiten, soweit in § 28 Abs. 2 BBesG Bln n. F. nicht etwas anderes bestimmt ist.

17.      § 27 Abs. 4 BBesG Bln n. F. sieht vor, dass bei dauerhaft herausragenden Leistungen für Beamte der Besoldungsordnungen A die nächsthöhere Erfahrungsstufe als Grundgehalt vorweg festgesetzt werden kann (Leistungsstufe). Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf 15 % der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten der Besoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Wird festgestellt, dass die Leistung des Beamten nicht den mit dem Amt verbundenen durchschnittlichen Anforderungen entspricht, verbleibt er in seiner bisherigen Erfahrungsstufe, bis seine Leistung ein Aufsteigen in die nächsthöhere Erfahrungsstufe rechtfertigt.

18.      § 28 Abs. 1 BBesG Bln n. F. bestimmt, dass bei der ersten Stufenfestsetzung den Beamten im Sinne des § 27 Abs. 2 u. a. Zeiten einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit, die nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Laufbahn sind, Zeiten im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder im Dienst von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und ihren Verbänden, soweit diese berufliche Tätigkeit nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung ist, sowie Zeiten anerkannt werden, die nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz wegen wehrdienst- oder zivildienstbedingter Verzögerung des Beginns eines Dienstverhältnisses auszugleichen sind.

ii)          Die für Bestandsbeamte geltende Regelung

19.      Mit Art. II § 1 BerlBesNG wurde für Bestandsbeamte eine abweichende Regelung – das Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz (BerlBesÜG) vom 29. Juni 2011 – geschaffen.

20.      Nach § 2 Abs. 1 BerlBesÜG werden Beamtinnen und Beamte am 1. August 2011 auf der Grundlage des am 31. Juli 2011 maßgeblichen Amtes mit dem Grundgehalt, das ihnen gemäß dem Gesetz zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für Berlin 2010/2011 vom 8. Juli 2010 am 1. August 2011 zustehen würde, nach Maßgabe der folgenden Absätze den Stufen oder Überleitungsstufen des Grundgehalts in Anlage 3 des BerlBesNG zugeordnet. Nach § 2 Abs. 2 BerlBesÜG erfolgt die Zuordnung zu der Stufe oder Überleitungsstufe des Grundgehalts der entsprechenden Besoldungsgruppe mit dem nächsthöheren Betrag.

21.      § 3 Abs. 1 BerlBesÜG sieht vor, dass mit der Zuordnung zu einer Grundgehaltsstufe der Anlage 3 des BerlBesNG die für den Aufstieg maßgebende Erfahrungszeit nach § 27 Abs. 3 BBesG Bln n. F beginnt.

22.      Das vorlegende Gericht führt aus, der Gesetzgeber habe diese Neuregelungen damit begründet, dass das bisherige Besoldungssystem im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78 aufgrund des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters und insbesondere seit der jüngsten Rechtsprechung zu Vertragsbediensteten zunehmend umstritten sei.

23.      Überdies habe der Gesetzgeber hervorgehoben, dass im Bereich des Beamtenrechts bisher zwar lediglich erstinstanzliche Urteile vorlägen, die das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters verneinten. Die Dringlichkeit der Umstellung auf die Anerkennung von Erfahrungszeiten ergebe sich jedoch aus der Besorgnis, dass die obergerichtliche Rechtsprechung und gegebenenfalls der Gerichtshof der Europäischen Union diese Frage unterschiedlich beurteilen könnten; in diesem Fall drohten jährliche Mehrkosten von schätzungsweise 109 Mio. Euro. Anknüpfungspunkt für den Gehaltseinstieg und die weitere Gehaltsentwicklung solle daher künftig nicht mehr das vom Lebensalter abhängige Besoldungsdienstalter sein, sondern die anforderungsgerecht absolvierte Dienstzeit. Durch die Umstellung werde der Richtlinie 2000/78 Rechnung getragen. Ziel der Neustrukturierung sei es aber auch, das Lebenseinkommen weder zu verringern noch zu erhöhen. Die neue Tabellenstruktur sei daher zunächst kostenneutral ausgestaltet worden und beinhalte eine Abweichung von maximal + 1 % des fiktiven Lebenseinkommens in der jeweiligen Besoldungsgruppe, das ohne Beförderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs erreicht würde. Bei der abweichenden Regelung für die Bestandsbeamten sei der Gesetzgeber auch vom Gedanken der Besitzstandswahrung geleitet worden.

2.            Die für Bundesbeamte geltende Regelung

24.      Bis zum 30. Juni 2009 bildeten die §§ 27 ff. der am 6. August 2002 gültigen alten Fassung des BBesG die Rechtsgrundlage für die Besoldung der Bundesbeamten. Es waren dieselben Vorschriften wie die vorstehend genannten in der am 31. August 2006 gültigen alten Fassung des BBesG.

25.      Das auf dem Besoldungsdienstalter beruhende System zur Berechnung der Dienstbezüge der Bundesbeamten wurde durch das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts vom 5. Februar 2009 geändert. Dieses System stellt gemäß den §§ 27 ff. des BBesG n. F. in der am 5. Februar 2009 gültigen Fassung mit Wirkung ab 1. Juli 2009 auf sogenannte „Erfahrungsstufen“ ab, die sich an den entsprechend den Anforderungen zurückgelegten beruflichen Dienstzeiten orientieren.

II – Sachverhalt der Ausgangsverfahren

26.      Der Sachverhalt der Ausgangsverfahren lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Herr Specht (Rechtssache C501/12), Herr Schombera (Rechtssache C‑502/12), Herr Wieland (Rechtssache C‑503/12), Herr Schönefeld (Rechtssache C‑504/12), Frau Wilke (Rechtssache C‑505/12) und Herr Schini (Rechtssache C‑506/12) auf der einen und Frau Schmeel (Rechtssache C‑540/12) sowie Herr Schuster (Rechtssache C‑541/12) auf der anderen Seite (im Folgenden zusammenfassend: Kläger der Ausgangsverfahren) wurden zu Beamten auf Lebenszeit des Landes Berlin bzw. zu Beamten auf Lebenszeit der Bundesrepublik Deutschland ernannt.

27.      Die Ersteinstufung der Kläger der Ausgangsverfahren in das Besoldungssystem erfolgte nach der alten Fassung des BBesG, d. h. nach ihrem Besoldungsdienstalter am Tag ihrer Ernennung.

28.      Die Kläger der Ausgangsverfahren rügen die Berechnung ihrer Besoldung und machen vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass sie wegen ihres Alters diskriminiert würden.

29.      In den Rechtssachen C‑502/12 und C‑506/12 begehren Herr Schombera und Herr Schini die Nachzahlung der Beträge, die sich aus der Differenz zwischen der tatsächlich gewährten Besoldungsstufe und der höchsten Besoldungsstufe ergeben, für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 1. August 2011, dem Zeitpunkt der Überleitung in das neue, auf der Berufserfahrung beruhende Besoldungssystem.

30.      In den Rechtssachen C‑501/12, C‑503/12 und C‑505/12 verlangen Herr Specht, Herr Wieland und Frau Wilke, ihnen für die Zeit von September 2006 bis zum 31. Juli 2011 (Rechtssache C‑501/12) bzw. für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Juli 2011 (Rechtssachen C‑503/12 und C‑505/12) eine Besoldung nach der höchsten Besoldungsstufe zuzuerkennen. Für die Zeit ab 1. August 2011, dem Zeitpunkt der Überleitung in das neue Besoldungssystem, verlangen sie, ihnen eine Besoldung in der Höhe zu gewähren, wie sie erfolgt wäre, wenn sie bei der besoldungsmäßigen Überleitung nach dem BerlBesÜG in die höchste Stufe ihrer ehemaligen Besoldungsgruppe eingestuft worden wären.

31.      In der Rechtssache C‑504/12 rügt Herr Schönefeld die Modalitäten seiner Einstufung in das neue Besoldungssystem und verlangt eine Nachzahlung in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlich erhaltenen Besoldung und der, die er seiner Ansicht nach ab 1. August 2011 hätte erhalten müssen.

32.      In den Rechtssachen C‑540/12 und C‑541/12 schließlich beanstanden Frau Schmeel und Herr Schuster die Berechnung ihrer Besoldung und beantragen, ihnen die Beträge, die sich aus der Differenz zwischen der tatsächlich gewährten Besoldungsstufe und der höchsten Besoldungsstufe ergeben, rückwirkend ab dem Januar 2008 bis zum Zeitpunkt der Überleitung in das neue Besoldungssystem im Juli 2009 nachzuzahlen.

III –  Vorlagefragen

33.      Die in den Rechtssachen C‑501/12, C‑503/12 und C‑505/12 gestellten Fragen sind identisch. Die in den Rechtssachen C‑502/12 und C‑506/12 gestellten Fragen stimmen mit den Fragen 1 bis 5 in den Rechtssachen C‑501/12, C‑503/12 und C‑505/12 überein. In der Rechtssache C‑504/12 entsprechen die Fragen 1 bis 6 den in den Rechtssachen C‑501/12, C‑503/12 und C‑505/12 gestellten Fragen 1 bis 3 und 6 bis 8. In den Rechtssachen C‑540/12 und C‑541/12 schließlich stimmen die gestellten Fragen ebenfalls mit den Fragen 1 bis 5 in den Rechtssachen C‑501/12, C‑503/12 und C‑505/12 überein; der einzige Unterschied besteht darin, dass auf die Besoldung der Bundesbeamten und nicht der Beamten des Landes Berlin Bezug genommen wird.

34.      Die Wiedergabe der Fragen in den Rechtssachen C‑501/12, C‑503/12 und C‑505/12 schließt somit alle in den hier zu behandelnden Rechtssachen gestellten Fragen ein.

35.      Das Verwaltungsgericht Berlin hat das Verfahren ausgesetzt und ersucht den Gerichtshof um die Beantwortung folgender Fragen:

1.      Ist das Primär- und/oder Sekundärrecht der Union, hier insbesondere die Richtlinie 2000/78, im Sinne eines umfassenden Verbots ungerechtfertigter Diskriminierung wegen des Alters so auszulegen, dass es auch nationale Normen über die Besoldung der Landesbeamten erfasst?

2.      Falls die Frage 1 bejaht wird: Ergibt die Auslegung dieses Primär- und/oder Sekundärrechts der Union, dass eine nationale Vorschrift, nach der die Höhe des Grundgehalts eines Beamten bei Begründung des Beamtenverhältnisses maßgeblich von seinem Lebensalter abhängt und anschließend vor allem in Abhängigkeit von der Dauer des Beamtenverhältnisses ansteigt, eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt?

3.      Falls auch die Frage 2 bejaht wird: Steht die Auslegung dieses Primär- und/oder Sekundärrechts der Union der Rechtfertigung einer solchen nationalen Vorschrift mit dem gesetzgeberischen Ziel entgegen, Berufserfahrung zu honorieren?

4.      Falls auch die Frage 3 bejaht wird: Lässt die Auslegung des Primär- und/oder Sekundärrechts der Union, solange keine Implementierung eines diskriminierungsfreien Besoldungsrechts erfolgt ist, eine andere Rechtsfolge zu, als die Diskriminierten rückwirkend gemäß der höchsten Besoldungsstufe ihrer Besoldungsgruppe zu besolden?

Ergibt sich die Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot dabei aus dem Primär- und/oder Sekundärrechts der Union, hier insbesondere aus der Richtlinie 2000/78, selbst oder folgt der Anspruch nur aus dem Gesichtspunkt mangelhafter Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben nach dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch?

5.      Steht die Auslegung des Primär- und/oder Sekundärrechts der Union einer nationalen Maßnahme entgegen, den (Nach‑)Zahlungs- oder Schadensersatzanspruch davon abhängig zu machen, dass die Beamten ihn zeitnah geltend gemacht haben?

6.      Falls die Fragen 1 bis 3 bejaht werden: Ergibt die Auslegung des Primär- und/oder Sekundärrechts der Union, dass ein Überleitungsgesetz, mit dem die Bestandsbeamten allein nach dem Betrag ihres gemäß dem alten (diskriminierenden) Besoldungsrecht zum Überleitungsstichtag erworbenen Grundgehalts einer Stufe des neuen Systems zugeordnet werden, und nach welchem sich der weitere Aufstieg in höhere Stufen sodann unabhängig von der absoluten Erfahrungszeit des Beamten nur nach den seit Inkrafttreten des Überleitungsgesetzes hinzugewonnenen Erfahrungszeiten bemisst, eine – bis zum jeweiligen Erreichen der höchsten Besoldungsstufe fortdauernde – Perpetuierung der bestehenden Altersdiskriminierung darstellt?

7.      Falls auch die Frage 6 bejaht wird: Steht die Auslegung des Primär- und/oder Sekundärrechts der Union einer Rechtfertigung dieser unbegrenzt fortdauernden Ungleichbehandlung mit dem gesetzgeberischen Ziel entgegen, nach welchem mit dem Überleitungsgesetz nicht (nur) der zum Überleitungsstichtag bestehende Besitzstand, sondern (auch) die Erwartung des nach dem alten Besoldungsrecht prognostisch zugewendeten Lebenseinkommens in der jeweiligen Besoldungsgruppe geschützt werden soll?

Lässt sich die fortdauernde Diskriminierung der Bestandsbeamten dadurch rechtfertigen, dass die Regelungsalternative (individuelle Einstufung auch der Bestandsbeamten nach Erfahrungszeiten) mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand verbunden wäre?

8.      Falls in Frage 7 eine Rechtfertigung verneint wird: Lässt die Auslegung des Primär- und/oder Sekundärrechts der Union, solange keine Implementierung eines diskriminierungsfreien Besoldungsrechts auch für die Bestandsbeamten erfolgt ist, eine andere Rechtsfolge zu, als die Bestandsbeamten rückwirkend und fortlaufend gemäß der höchsten Besoldungsstufe ihrer Besoldungsgruppe zu besolden?

Ergibt sich die Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot dabei aus dem Primär- und/oder Sekundärrechts der Union, hier insbesondere aus der Richtlinie 2000/78, selbst oder folgt der Anspruch nur aus dem Gesichtspunkt mangelhafter Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben nach dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch?

IV –  Würdigung

A –    Zur Gültigkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 und zu seiner Anwendung auf die Besoldungsbedingungen von Beamten

36.      Die erste Frage, die sich auf die Anwendung der Richtlinie 2000/78 auf die den Ausgangsrechtsstreitigkeiten zugrunde liegenden Sachverhalte bezieht, gliedert sich meines Erachtens in zwei Teile. Zunächst möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie auf die Besoldungsbedingungen von Beamten anwendbar ist. Es hegt in diesem Zusammenhang Zweifel, ob die Vorschrift im Hinblick auf den AEU-Vertrag gültig ist.

37.      Dabei weist es darauf hin, dass die genannte Richtlinie auf Art. 19 AEUV (vormals Art. 13 EG) gestützt wurde, dessen Abs. 1 lautet: „Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge kann der Rat [der Europäischen Union] im Rahmen der durch die Verträge auf die Union übertragenen Zuständigkeiten … geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen … des Alters … zu bekämpfen.“(3) Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts berührt die Frage der Beseitigung einer etwaigen Diskriminierung aus Gründen des Alters in der Beamtenbesoldung auch die Frage nach dem Arbeitsentgelt als solchem. Für diesen Bereich sei die Union nach Art. 153 Abs. 5 AEUV grundsätzlich nicht zuständig. Da es in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 ausdrücklich heiße, dass sie für das Arbeitsentgelt gelte, könnte ihre Gültigkeit angesichts der Bestimmungen des AEU-Vertrags in Frage gestellt werden.

38.      Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(4), falls Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 für ungültig erklärt werden sollte, in den den vorliegenden Rechtssachen zugrunde liegenden Ausgangsverfahren autonom angewandt werden könne.

39.      Nach Ansicht der deutschen Regierung und der Europäischen Kommission ist die genannte Richtlinie gültig und im vorliegenden Fall anwendbar. Ich teile aus folgenden Gründen diese Ansicht.

40.      Der Rückgriff auf Art. 19 AEUV als Grundlage einer unionsrechtlichen Regelung ist zwar auf Sachgebiete beschränkt, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Somit muss sich der Unionsgesetzgeber, wenn er eine Vorschrift zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus einem der in diesem Artikel genannten Gründe erlässt, im Einklang mit dem in Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV aufgestellten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung vergewissern, dass die Union für den fraglichen Bereich auch zuständig ist, denn andernfalls würde er den Anwendungsbereich der Verträge ausdehnen.

41.      Art. 153 AEUV, der zu Titel X („Sozialpolitik“) gehört und den Unionsgesetzgeber ermächtigt, auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen Vorschriften zu erlassen, schließt jedoch in seinem Abs. 5 das Arbeitsentgelt ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich aus.

42.      Muss sich der Gerichtshof deshalb jeglicher Kontrolle enthalten, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift mit dem Arbeitsentgelt in irgendeiner Weise zusammenhängt? Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 aufgrund dieser in Art. 153 Abs. 5 AEUV vorgesehenen Ausnahmeregelung ungültig? Ich denke nicht.

43.      Es gibt zwischen dem in der französischen Fassung dieser Vorschrift verwendeten Begriff „rémunération“ (Arbeitsentgelt) und dem Begriff „conditions de rémunération“ (Bedingungen des Arbeitsentgelts) im Sinne der französischen Fassung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 einen Unterschied, der zwar auf den ersten Blick gekünstelt erscheinen mag, jedoch von wesentlicher Bedeutung ist.

44.      Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso(5), im Anschluss an den Hinweis darauf, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht restriktiv ausgelegt werden darf, ausgeführt, dass die in Art. 153 Abs. 5 AEUV genannten Bereiche, da dieser Absatz eine Ausnahmevorschrift von Art. 153 Abs. 1 bis 4 darstellt, eng auszulegen sind, damit nicht die Tragweite der Abs. 1 bis 4 ungebührlich beeinträchtigt wird oder die mit Art. 151 AEUV verfolgten Ziele in Frage gestellt werden(6). Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass der Grund für die in Art. 153 Abs. 5 AEUV enthaltene Ausnahme in Bezug auf das „Arbeitsentgelt“ darin besteht, dass die Festsetzung des Lohn- und Gehaltsniveaus der Vertragsautonomie der Sozialpartner auf nationaler Ebene und der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet unterliegt. Daher sei es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts für angemessen erachtet worden, die Bestimmung des Lohn- und Gehaltsniveaus von einer Harmonisierung nach den Art. 151 ff. AEUV auszunehmen(7).

45.      Somit ist klar, dass der Begriff „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 153 Abs. 5 AEUV nicht die Bedingungen des Arbeitsentgelts umfasst. Diese gehören zu den Beschäftigungsbedingungen. Sie betreffen auch nicht unmittelbar die Festlegung der Höhe des Arbeitsentgelts, sondern die Umstände, unter denen der Arbeitnehmer ein bestimmtes Arbeitsentgelt erhält, das von den betreffenden Parteien im Voraus festgelegt wird, sei es zwischen Personen des privaten Sektors oder zwischen den Sozialpartnern und dem Staat.

46.      An dem System der Besoldung der deutschen Beamten, das Gegenstand der Ausgangsverfahren ist, lässt sich meines Erachtens dieser Unterschied zwischen dem Arbeitsentgelt und den Bedingungen des Arbeitsentgelts gut veranschaulichen. Die Höhe der Bezüge der deutschen Beamten richtet sich nämlich nach der Besoldungsgruppe und der Besoldungsstufe. Der der jeweiligen Besoldungsgruppe und der jeweiligen Besoldungsstufe entsprechende Betrag wird von den zuständigen Stellen frei festgelegt, und der Unionsgesetzgeber könnte, aufgrund von Art. 153 Abs. 5 AEUV, keinesfalls in die Festlegung dieser Beträge eingreifen, etwa indem er eine Untergrenze vorschreiben würde. In den letztgenannten Fällen handelt es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten(8). Innerhalb der Union bestehende Unterschiede bei Löhnen und Gehältern können beim gegenwärtigen Rechtsstand nicht Gegenstand einer Regelung durch die Union sein.

47.      Dagegen dürfen die nationalen Regeln für die Modalitäten der Einstufung in diese Besoldungsgruppen und Besoldungsstufen nicht zu einer Diskriminierung der Beamten aus Gründen u. a. ihres Alters führen.

48.      Das Arbeitsentgelt stellt, wie der Rat in seinen schriftlichen Erklärungen festgestellt hat, eine wesentliche Arbeitsbedingung dar(9), vielleicht sogar die wichtigste und diejenige, bei der es am häufigsten zu Diskriminierungen kommt(10). Wenn daher die Bedingungen des Arbeitsentgelts unter die Ausnahmeregelung des Art. 153 Abs. 5 AEUV fielen, würde dies Art. 19 AEUV – der, wie gesagt, zur Bekämpfung von Diskriminierungen dient − weitgehend aushöhlen.

49.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 ist demgemäß gültig. Hinsichtlich der Anwendung dieser Vorschrift auf die Bezüge von Beamten genügt der Hinweis, dass mit ihr der Geltungsbereich der Richtlinie auf alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts, erstreckt wird(11).

50.      Demzufolge ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 meiner Ansicht nach dahin auszulegen, dass er für die Bedingungen des Arbeitsentgelts von Beamten gilt.

51.      Nach alledem halte ich es nicht für erforderlich, auf den zweiten Teil der ersten Frage zu antworten.

B –     Zur Diskriminierung aus Gründen des Alters

52.      Vor der Prüfung der zweiten und der dritten Frage erscheint es mir angebracht, auf das in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Besoldungssystem zurückzukommen und es zum besseren Verständnis seiner Funktionsweise anhand konkreter Beispiele zu erläutern.

53.      Nach der alten Fassung des BBesG richtete sich die Ersteinstufung eines Beamten in eine Besoldungsstufe einer Besoldungsgruppe nach dem Besoldungsdienstalter, gerechnet ab dem ersten Tag nach Vollendung des 21. Lebensjahrs des Beamten. Bis zur Vollendung des 31. Lebensjahrs wurde ein Beamter daher in die Besoldungsstufe eingestuft, in die er eingestuft worden wäre, wenn er im Alter von 21 Jahren eingestellt worden wäre. Unter bestimmten Umständen wurde dieses Besoldungsdienstalter um Zeiten nach Vollendung des 31. Lebensjahrs hinausgeschoben, und zwar um ein Viertel der Zeit bis zum vollendeten 35. Lebensjahr und um die Hälfte der weiteren Zeit.

54.      Folgende Beispiele zeigen die konkrete Berechnungsweise des Besoldungsdienstalters(12).

55.      Eine Person, die am 1. April 1977 geboren und am 1. Oktober 1994 als Beamter eingestellt wurde, hatte am 31. März 1998 das 21. Lebensjahr vollendet. Ihr Besoldungsdienstalter begann demnach am 1. März 1998.

56.      Eine Person, die am 1. April 1967 geboren und am 16. Oktober 2000 als Beamter eingestellt wurde, hatte am 31. März 1988 das 21. Lebensjahr vollendet. Da sie zum Zeitpunkt ihrer Einstellung 33 Jahre alt war, begann ihr Besoldungsdienstalter also nicht am 1. März 1988. Zwischen dem 31. März 1998 (Vollendung des 31. Lebensjahrs) und dem 16. Oktober 2000 (Zeitpunkt der Einstellung) lagen zwei Jahre, sechs Monate und 16 Tage. Das Besoldungsdienstalter wurde gemäß § 28 Abs. 2 BBesG a. F. um ein Viertel dieser Zeit hinausgeschoben, d. h. um sieben Monate und 19 Tage, abgerundet auf sieben Monate. Das Besoldungsdienstalter begann also am 1. März 1988 plus sieben Monate, d. h. am 1. Oktober 1988.

57.      Eine Person, die am 10. September 1964 geboren und am 1. Mai 2001 als Beamter eingestellt wurde, hatte am 9. September 1985 das 21. Lebensjahr vollendet. Der Beginn des Besoldungsdienstalters hätte auf den 1. September 1985 festgelegt werden müssen. Zum Zeitpunkt ihrer Einstellung war diese Person jedoch 36 Jahre alt. Es gilt somit dieselbe Vorschrift. Deshalb wird ein Viertel der zwischen dem 9. September 1995 (Vollendung des 31. Lebensjahrs) und dem 9. September 1999 (Vollendung des 35. Lebensjahrs) liegenden vier Jahre, d. h. ein Jahr, berücksichtigt. Ferner wird die Hälfte der zwischen dem 9. September 1999 (Vollendung des 35. Lebensjahrs) und dem 30. April 2001 (Zeitpunkt der Einstellung) liegenden Zeit von einem Jahr, sieben Monaten und 21 Tagen berücksichtigt, d. h. neun Monate. Der Beginn des Besoldungsdienstalters wird daher um ein Jahr und neun Monate hinausgeschoben und auf den 1. Juni 1987 festgelegt.

58.      Das vorlegende Gericht möchte somit mit seiner zweiten und seiner dritten Frage wissen, ob die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, nach der die Höhe des Grundgehalts eines Beamten bei Begründung des Beamtenverhältnisses maßgeblich von seinem Lebensalter abhängt und anschließend vor allem in Abhängigkeit von der Dauer des Beamtenverhältnisses ansteigt.

59.      Außerdem möchte das Gericht mit seiner sechsten und seiner siebten Frage wissen, ob die genannten Vorschriften dahin auszulegen sind, dass sie einer Überleitungsregelung wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, die bei der Einstufung von Bestandsbeamten in die Besoldungsstufen des neuen Besoldungssystems lediglich das vorherige Grundgehalt berücksichtigt und hinsichtlich der Stufenaufstiege nur die ab Inkrafttreten dieser Überleitungsregelung erworbene Berufserfahrung berücksichtigt, unabhängig von der absoluten Erfahrungszeit des Beamten.

1.       Zum Besoldungssystem nach der alten Fassung des BBesG

60.      Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in ihrem Art. 1 genannten Gründe, zu denen das Alter gehört, eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

61.      Angesichts der Funktionsweise des vorstehend beschriebenen Besoldungssystems nach der alten Fassung des BBesG besteht meines Erachtens kein Zweifel daran, dass es zu einer Diskriminierung aus Gründen des Alters im Sinne dieses Artikels führt.

62.      Wie bereits dargelegt, sieht dieses System nämlich vor, dass die Ersteinstufung eines Beamten in eine Besoldungsstufe einer Besoldungsgruppe anhand eines einzigen Kriteriums erfolgt: dem Alter. Daraus folgt, dass zwei Beamte, die einer unterschiedlichen Lebensaltersstufe angehören, aber das gleiche Maß an Berufserfahrung haben und in dieselbe Besoldungsgruppe eingestuft wurden, unterschiedlich besoldet werden, weil sie verschiedenen Besoldungsstufen zugeordnet werden, die einzig und allein ihrer Lebensaltersstufe entsprechen. Diese beiden Beamten werden unterschiedlich behandelt, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden, denn einer von ihnen bezieht allein deshalb, weil er jünger ist, ein niedrigeres Grundgehalt als der andere.

63.      Das durch die alte Fassung des BBesG geschaffene Besoldungssystem sieht also eine auf dem Kriterium des Alters beruhende unterschiedliche Behandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 vor. Im Übrigen entspricht dieses Besoldungssystem demjenigen, das Gegenstand der Rechtssache war, in der das Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai(13), ergangen ist und darin vom Gerichtshof als diskriminierend eingestuft wurde(14).

64.      Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 stellen jedoch derartige Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

65.      Die deutsche Regierung vertritt hierzu die Auffassung, selbst wenn der Gerichtshof eine Diskriminierung wegen des Alters feststellen sollte, sei sie dadurch gerechtfertigt, dass das Besoldungssystem nach der alten Fassung des BBesG, das vom Grundsatz der Besoldung nach dem Besoldungsdienstalter ausgehe, das grundsätzlich legitime Ziel verfolge, Qualifikationen und berufliche Erfahrung inner- und außerhalb des öffentlichen Dienstes bei der Einstellung neuer Beschäftigter in den öffentlichen Dienst in typisierender Weise zu berücksichtigen. Durch die pauschale Einstufung habe eine einheitliche Praxis in allen Einstellungsfällen sichergestellt werden sollen. Mit ihr habe den als Nachteil empfundenen Folgen der früheren einzelfallgerechten, aber komplizierten und deshalb uneinheitlich angewandten Einstufungspraxis begegnet werden sollen. Im Übrigen habe das genannte System zum Ziel, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Quereinsteiger zu steigern.

66.      Meiner Ansicht nach sind das keine legitimen Ziele im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78.

67.      Aus dieser Vorschrift ergibt sich nämlich, dass die Ziele, die als legitim und damit als geeignete Rechtfertigung für eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters angesehen werden können, sozialpolitische Ziele, etwa aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung, sind(15).

68.      Zur Berücksichtigung der Berufserfahrung hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass bei diesem Ziel grundsätzlich davon auszugehen ist, dass es eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 „objektiv und angemessen“ „im Rahmen des nationalen Rechts“ rechtfertigt(16). Die Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es ihm ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, stellt nämlich in der Regel ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik dar(17).

69.      Im vorliegenden Fall bin ich nicht der Ansicht, dass die zur Erreichung dieses Ziels eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich waren. Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist zwar im Allgemeinen zur Erreichung des genannten Ziels geeignet, weil Dienstalter und Berufserfahrung Hand in Hand gehen(18).

70.      Da das Besoldungssystem für die deutschen Beamten im Rahmen der alten Fassung des Bundesbesoldungsgesetzes jedoch ausschließlich auf dem Alter des Beamten beruht, vermag es die erworbene Erfahrung nicht wirklich zu berücksichtigen. Ein am Tag seiner Einstellung 30 Jahre alter Beamter ohne jede Berufserfahrung wird unmittelbar in Besoldungsstufe 5 der jeweiligen Besoldungsgruppe eingestuft. Er erhält somit das gleiche Grundgehalt wie ein Beamter, der im Alter von 21 Jahren eingestellt wurde und im Gegensatz zu ihm über ein Dienstalter und eine Berufserfahrung von neun Jahren in derselben Besoldungsgruppe verfügt. Außerdem steigt der am Tag seiner Einstellung 30 Jahre alte Beamte in den Besoldungsstufen bis zur letzten Stufe genauso auf wie der Beamte, der im Alter von 21 Jahren eingestellt wurde, obwohl Letzterer eine größere Berufserfahrung in der Besoldungsgruppe hat.

71.      § 27 BBesG a. F. sieht zwar für Beamte bei dauerhaft herausragenden Leistungen eine Leistungsbezogenheit des Stufenaufstiegs vor. Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf jedoch nach dieser Vorschrift 15 % der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Besoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Diese Maßnahme verhindert nicht nur, dass alle leistungsstarken Beamten aufsteigen, sondern sieht auch keine Korrektur bei fehlender Berufserfahrung durch die Einstufung der Beamten in eine niedrigere, ihrer tatsächlichen Erfahrung in der Besoldungsgruppe entsprechende Besoldungsstufe vor.

72.      Deshalb geht das durch die alte Fassung des BBesG eingeführte Besoldungssystem meiner Ansicht nach über das hinaus, was angemessen und erforderlich ist, um das von der deutschen Regierung angeführte legitime Ziel einer Berücksichtigung der Berufserfahrung zu erreichen.

73.      Wie der Gerichtshof im Urteil Hennigs und Mai ausgeführt hat, erschiene ein auch auf dem Dienstalter oder der erworbenen Berufserfahrung beruhendes, nicht auf das Lebensalter abstellendes Kriterium im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78 zur Verwirklichung des genannten Ziels geeigneter(19).

74.      Das Argument der deutschen Regierung, wonach eine Verwaltungsvereinfachung angestrebt werde, kann eine Diskriminierung wegen des Alters meiner Ansicht nach nicht rechtfertigen. Bei den Zielen, die als „legitim“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 angesehen werden können, handelt es sich nämlich, wie dargelegt, um sozialpolitische Ziele. Die deutsche Regierung kann sich deshalb zur Rechtfertigung einer Diskriminierung wegen des Alters nicht allein auf die Komplexität einer Praxis berufen, die – wie sie selbst einräumt − gerechter war.

75.      Schließlich führt die deutsche Regierung als Rechtfertigung für die mit der alten Fassung des BBesG verbundene Diskriminierung das Ziel an, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Quereinsteiger zu steigern. Zwar hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten darstellt(20), doch bin ich der Ansicht, dass die alte Fassung des BBesG im vorliegenden Fall über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen ist, denn allein die Berücksichtigung des Dienstalters oder der erworbenen Berufserfahrung, ohne Heranziehung des Lebensalters, hätte genügt, um Personen, die bereits in der Privatwirtschaft tätig waren, zu ermuntern, sich für eine Stelle im deutschen öffentlichen Dienst zu bewerben.

76.      Aufgrund all dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, nach der die Höhe des Grundgehalts eines Beamten bei Begründung des Beamtenverhältnisses maßgeblich von seinem Lebensalter abhängt und anschließend vor allem in Abhängigkeit von der Dauer des Beamtenverhältnisses ansteigt.

2.       Zur Überleitungsregelung

77.      Mit seinen Fragen 6 und 7 möchte das vorlegende Gericht auch wissen, ob die für Bestandsbeamte geltende Überleitungsregelung gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt.

78.      Nach § 2 BerlBesÜG wird nämlich, wie erwähnt, bei der Überleitung von Bestandsbeamten in eine Besoldungsstufe der neuen Besoldungsstruktur lediglich das frühere Grundgehalt berücksichtigt. Im Übrigen sieht § 3 BerlBesÜG vor, dass für Stufenaufstiege lediglich die seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erworbene Erfahrung berücksichtigt wird.

79.      Der Gerichtshof hat bereits im Urteil Hennigs und Mai entschieden, dass die Überleitungsregelung dadurch, dass sie bei der Festlegung des Vergleichsentgelts, d. h. bei der Überleitung in ein neues tarifliches Vergütungssystem, die bisherige Vergütung zugrunde legt, die Sachlage fortgeführt hat, dass Beschäftigte allein wegen ihres Einstellungsalters eine geringere Vergütung als andere Beschäftigte erhalten, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Lage befinden(21).

80.      Das Gleiche gilt für die vorliegenden Rechtssachen, denn da das vorherige Grundgehalt nach den Angaben des vorlegenden Gerichts anhand eines diskriminierenden Kriteriums – dem Alter – festgelegt wurde, besteht die Diskriminierung, die bereits im Rahmen der alten Fassung des BBesG vorlag, bei der Anwendung der Übergangsregelung für die Bestandsbeamten fort.

81.      Die Modalitäten der Neueinstufung führen entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung nicht zu einer schrittweisen Beseitigung der Altersdiskriminierungen, die das Besoldungssystem bereits im Rahmen der alten Fassung des BBesG aufwies.

82.      Obwohl nämlich nach § 3 BerlBesÜG für Stufenaufstiege nur die seit seinem Inkrafttreten hinzugekommenen Erfahrungszeiten berücksichtigt werden, richtet sich die Neueinstufung in die Besoldungsstufen des neuen Besoldungssystems im Grunde genommen zunächst nach dem vorherigen Grundgehalt, das als diskriminierend eingestuft wurde. Bei gleicher Berufserfahrung ist der Stufenaufstieg somit für den jüngeren Beamten immer diskriminierend.

83.      Nehmen wir als Beispiel zwei Beamte mit gleicher Erfahrung, den Beamten A, der bei seiner Einstellung 20 Jahre alt war, und den Beamten B, der bei seiner Einstellung 30 Jahre alt war. Letzterer wird beim Übergang in das Überleitungssystem einer höheren Besoldungsstufe zugeordnet als der Beamte A, weil lediglich das vorherige, auf dem Alter beruhende Grundgehalt berücksichtigt wird. Im Übrigen ist der Stufenaufstieg nach dem neuen System für den Beamten B immer vorteilhafter als für den Beamten A, weil der Beamte B früher in diese Besoldungsstufen gelangt und dadurch eine günstigere Behandlung erfährt.

84.      Die deutsche Regierung hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass im Überleitungssystem keine Diskriminierung fortbestehe, weil Bestandsbeamte, die nach dem alten System diskriminiert worden seien, schneller die höchste Besoldungsstufe erreichten, als es ihnen nach dem alten System möglich gewesen wäre. Dies ändert aber nichts daran, dass ein älterer Beamter bei gleicher Erfahrung über einen längeren Zeitraum nach der höchsten Besoldungsstufe vergütet wird, also ein höheres Grundgehalt bezieht als der jüngere Beamte. Statt im Laufe der Zeit zu verschwinden, hält die Diskriminierung an.

85.      Nunmehr ist zu prüfen, ob diese Diskriminierung durch ein legitimes Ziel wie das von der deutschen Regierung angeführte, das darin besteht, den zum Überleitungsstichtag bestehenden Besitzstand zu schützen, gerechtfertigt werden kann.

86.      Der Gerichtshof hat insoweit im Zusammenhang mit einer Einschränkung der Niederlassungsfreiheit entschieden, dass die Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der diese Einschränkung rechtfertigt, vorausgesetzt, dass die einschränkende Maßnahme nicht über das zur Wahrung des Besitzstands Erforderliche hinausgeht(22).

87.      Nach den Angaben der deutschen Regierung entspräche der Einkommensverlust für Bestandsbeamte im Fall der Anwendung des neuen Besoldungssystems ohne das Überleitungssystem einer Stufe, d. h. einem Betrag zwischen 80 und 150 Euro.

88.      Während in der Rechtssache, in der das Urteil Hennigs und Mai ergangen ist, die Übergangsregelung nach den Feststellungen des Gerichtshofs nicht über das zur Besitzstandswahrung erforderliche Maß hinausging(23), ist aber im vorliegenden Fall nicht damit zu rechnen, dass die diskriminierenden Auswirkungen schrittweise nach Maßgabe der Entwicklung der Beamtenbesoldung verschwinden werden.

89.      Das diskriminierende Überleitungssystem besteht somit zeitlich unbegrenzt fort. Selbst wenn es tatsächlich geeignet sein mag, Einkommensverluste der Bestandsbeamten zu verhindern, geht es deshalb meiner Ansicht nach über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, erworbene Rechte zu schützen, erforderlich ist. Der deutsche Gesetzgeber hätte nämlich ein Überleitungssystem vorsehen können, das die Auswirkungen der Diskriminierung in zeitlicher Hinsicht beseitigt, indem es sich nach und nach dem neuen, auf der Berufserfahrung ohne Berücksichtigung des Lebensalters beruhenden Besoldungssystem annähert.

90.      Es wäre, wie das vorlegende Gericht ausführt, möglich gewesen, eine Übergangsregelung anzuwenden, die dem unangemessen bevorzugten Bestandsbeamten die Besoldung in der vorherigen Höhe so lange garantiert, bis er die nach dem neuen Besoldungssystem für die Erreichung einer höheren Besoldungsstufe erforderliche Erfahrung erworben hat. Dadurch wäre die Diskriminierung schrittweise beseitigt worden, ohne die Besoldung der gegenüber jüngeren Beamten im Vorteil befindlichen Bestandsbeamten schlagartig herabzusetzen.

91.      Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob eine Diskriminierung wegen Alters aufgrund des verhältnismäßig hohen Aufwands gerechtfertigt sein könnte, den eine Lösung wie die vorstehend genannte, d. h. die individuelle Neueinstufung der Bestandsbeamten anhand der Dauer ihrer Berufserfahrung, zur Folge hätte. Das denke ich nicht. Als „legitim“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 können, wie bereits erwähnt, sozialpolitische Ziele angesehen werden. Praktische Erwägungen der Verwaltung können als solche kein mit dieser Politik verfolgtes Ziel darstellen, das die Verletzung eines tragenden Grundsatzes wie des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters rechtfertigen könnte, zumal das Inkrafttreten des neuen Systems der Beamtenbesoldung zeigt, dass die Verwaltung durchaus in der Lage ist, die Beamten individuell anhand ihrer Berufserfahrung einzustufen.

92.      Demzufolge sind die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 meiner Ansicht nach dahin auszulegen, dass sie einem Überleitungssystem wie dem in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, das bei der Zuordnung von Bestandsbeamten zu den Stufen des neuen Besoldungssystems lediglich dem vorherigen Grundgehalt Rechnung trägt und für den Aufstieg in höhere Stufen nur die ab Inkrafttreten dieses Überleitungssystems erworbene Erfahrung berücksichtigt, unabhängig von der absoluten Erfahrungszeit des Beamten.

C –     Zu den Rechtsfolgen der Feststellung eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters

93.      Mit seiner vierten und seiner achten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Rechtsfolgen aus der Feststellung zu ziehen sind, dass Vorschriften, wie sie in der alten Fassung des BBesG und im BerlBesÜG enthalten sind, gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoßen.

94.      Das Gericht weist nämlich darauf hin, dass ihm auch unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts keine unionsrechtskonforme Auslegung möglich erscheine.

95.      Im Übrigen könne es auch nicht auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs zurückgreifen, wonach das nationale Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anhängig sei, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergebe, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu garantieren habe, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lasse(24).

96.      Der Ausschluss der einschlägigen Vorschriften der alten Fassung des BBesG, der alten Fassung des BBesG Bln oder des BerlBesÜG hätte nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts zur Folge, dass der Beamtenbesoldung die gesetzliche Grundlage fehlen und den Beamten mithin die Besoldung vorenthalten würde.

97.      Da dies zu einem rechtlichen Vakuum führen würde, das durch das deutsche Recht nicht gefüllt werden könnte, wirft das vorlegende Gericht insbesondere die Frage auf, ob die in den Urteilen vom 26. Januar 1999, Terhoeve(25), und vom 22. Juni 2011, Landtová(26), herausgearbeitete Lösung auf den vorliegenden Fall übertragbar sei. Der Gerichtshof hat in diesen Urteilen im Anschluss an die Feststellung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot darauf hingewiesen, dass im Fall der Feststellung einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen wurden, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dadurch gewahrt werden kann, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie den Angehörigen der privilegierten Gruppe, wobei diese Regelung, solange das Unionsrecht nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt(27).

98.      Im vorliegenden Fall würde dies nach Ansicht des vorlegenden Gerichts eine rückwirkende Angleichung der Bezüge nach oben bedeuten, denn einem Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters könne nur dadurch begegnet werden, dass die diskriminierten Beamten nachträglich nach der höchsten Vergütungsstufe bezahlt würden.

99.      Die zentrale Frage ist hier, wie Diskriminierungen wegen des Alters, die dem Unionsrecht zuwiderlaufen, wirksam bekämpft werden können. Kommt, wie die Kommission meint, allein die Haftung des Mitgliedstaats wegen Verletzung des Unionsrechts in Betracht, obwohl dies eine erneute Klage vor dem nationalen Gericht erfordert und den diskriminierten Personen damit eine zusätzliche Last auferlegt?

100. Zwar teile ich den Standpunkt der Kommission, dass eine rückwirkende Einordnung der diskriminierten Personen in die höchste Besoldungsstufe der Besoldungsgruppe, der sie angehören, zu anderen Diskriminierungen führen würde und daher keine geeignete Lösung ist, doch halte ich es gleichwohl für möglich, in den Ausgangsverfahren auf das Urteil Landtová zurückzugreifen.

101. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann, wie wir gesehen haben, die Wiederherstellung der Gleichbehandlung, solange keine dahin gehende nationale Maßnahme getroffen wurde, nur in der Weise geschehen, dass die Angehörigen der benachteiligten Gruppe ebenso günstig behandelt werden wie die Angehörigen der privilegierten Gruppe. Dazu bedarf es deshalb einer genauen Bestimmung dieser beiden Gruppen.

102. Das Problem besteht in den vorliegenden Rechtssachen darin, dass sich diese beiden Gruppen nicht so leicht bestimmen lassen wie in den Rechtssachen, über die der Gerichtshof bislang zu entscheiden hatte. Die betroffenen Gruppen sind z. B. nicht Männer auf der einen und Frauen auf der anderen Seite(28).

103. Es handelt sich in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht um homogene Gruppen von diskriminierten bzw. begünstigten Personen. Die Diskriminierung durch das auf der alten Fassung des BBesG beruhende Besoldungssystem findet nämlich auf mehreren Ebenen statt. Sie trifft, wie wir gesehen haben, bei gleichwertiger Berufserfahrung die jüngsten Personen(29). Somit ist eine Vielzahl von Gruppen zu vergleichen, denn es kann ebenso viele Gruppen geben wie Personen unterschiedlichen Alters mit gleichwertiger Berufserfahrung.

104. Dennoch ist für mich nicht ersichtlich, warum die in den Urteilen Terhoeve und Landtová aufgegriffene, seit langem gefestigte Rechtsprechung nicht auf die Ausgangsverfahren Anwendung finden sollte(30). Diese Rechtsprechung soll nämlich gewährleisten, dass die dem diskriminierten Unionsbürger nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte unverzüglich beachtet werden. Im Fall einer gegen Unionsrecht verstoßenden nationalen Regelung ist es, solange keine nationalen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen wurden, Sache des nationalen Gerichts, diese Rechte zu schützen.

105. Im vorliegenden Fall leiten die Kläger der Ausgangsverfahren ihr Recht, nicht wegen ihres Alters diskriminiert zu werden, aus der Richtlinie 2000/78 her. Die unverzügliche Wiederherstellung der Gleichbehandlung ist umso wichtiger, als sich die mit der Diskriminierung verbundene Folge auf die Bedingungen des Arbeitsentgelts und dadurch auf einen den Unterhaltsbedarf betreffenden Teil der Beamtenbesoldung auswirkt. Die Anwendung des Urteils Francovich u. a.(31) könnte zur Folge haben, dass die Kläger vor den nationalen Gerichten erneut Klage erheben müssten, mit allen damit verbundenen − insbesondere finanziellen und zeitlichen − Konsequenzen.

106. Die Tatsache, dass die betroffenen Gruppen in den Ausgangsverfahren nicht völlig homogen sind, halte ich nicht für ein unüberwindbares Hindernis. Zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung sind nämlich meines Erachtens die diskriminierten Beamten nicht in die höchste Besoldungsstufe ihrer Besoldungsgruppe einzustufen, sondern in dieselbe Besoldungsstufe wie ein älterer Beamter, der über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügt. Im Übrigen spricht die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen eine derartige Lösung an, wenn sie ausführt, dass bei einer unionsrechtlich erforderlichen Korrektur die individuellen Verhältnisse stärker berücksichtigt werden müssten. Sie fügt hinzu, für einen individuellen Ausgleich müsste daher geprüft werden, welche Bewerber in der konkreten Einstellungssituation trotz gleichen Profils „günstiger“ − weil in einem höheren Lebensalter − eingestellt worden seien(32).

107. Diese Lösung, die ich für die ausgewogenste halte, hat den Vorteil, dass sich das nationale Gericht auf ein bestehendes Bezugssystem, und zwar das alte Besoldungsrecht, stützen und so die Diskriminierung des betroffenen Beamten rasch beseitigen kann. Es mag zwar sein, dass das nationale Gericht in manchen Fällen kein gleichwertiges Profil für den wegen seines Alters benachteiligten Beamten finden wird. Es müsste dann eine angemessene Lösung suchen, die seiner Ansicht nach der Laufbahn eines solchen Beamten in möglichst gerechter Weise Rechnung trägt. Dabei könnte es sich z. B. auf das neue Besoldungssystem stützen, das eine Einstufung anhand der Berufserfahrung ermöglicht.

108. Aus all diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass im Fall der Feststellung einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen wurden, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dadurch gewahrt werden kann, dass die diskriminierten Beamten in dieselbe Besoldungsstufe eingestuft werden wie ein älterer Beamter, der über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügt.

D –     Zum Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf

109. Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob nationale Vorschriften wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Ausübung des Rechts der Kläger der Ausgangsverfahren auf Gleichbehandlung von der Voraussetzung abhängig machen, dass sie diesen Anspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber zeitnah, d. h. vor Ende des laufenden Haushaltsjahrs, geltend gemacht haben, dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zuwiderlaufen. Der Haushaltsplan wird nach den Angaben der deutschen Regierung alljährlich durch das Haushaltsgesetz aufgestellt.

110. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 47 Abs. 1 der Charta lautet: „Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.“

111. Zweitens bestimmt, wie der Gerichtshof im Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke(33), ausgeführt hat, Art. 9 der Richtlinie 2000/78 zum einen, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg geltend machen können, und zum anderen, dass diese Verpflichtungen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend diesen Grundsatz unberührt lassen. Hieraus ergibt sich, dass die Frage der Fristen für die Einleitung von Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der genannten Richtlinie vom Unionsrecht nicht geregelt wird(34).

112. In Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten jeweils Sache ihres innerstaatlichen Rechts, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei die Mitgliedstaaten allerdings für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich sind(35). Nach dem nunmehr in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit dürfen jedoch die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der genannten Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität)(36).

113. Der Grundsatz der Äquivalenz verlangt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die streitige nationale Regel in gleicher Weise für Rechtsbehelfe gilt, die auf die Verletzung von Rechten gestützt sind, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, wie für Rechtsbehelfe, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Rechtsbehelfe einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben. Der nationale Richter mit seiner unmittelbaren Kenntnis der anwendbaren Verfahrensmodalitäten hat die Gleichartigkeit der betreffenden Rechtsbehelfe aus dem Blickwinkel ihres Gegenstands, ihres Rechtsgrundes und ihrer wesentlichen Merkmale zu prüfen(37).

114. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, dass ein Beamter nach einem von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsatz Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, zeitnah, d. h. jedenfalls noch während des laufenden Haushaltsjahrs, geltend machen muss. Aus den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses als eines wechselseitig bindenden Treueverhältnisses ergeben sich dem vorlegenden Gericht zufolge in bestimmten Fällen Einschränkungen für die Geltendmachung solcher Ansprüche von Beamten.

115. Das Erfordernis einer verhältnismäßig kurzen Frist bis Ende des Haushaltsjahrs dürfte daher für Klagen sowohl von Beamten, die in einem ihrer innerstaatlichen Rechte verletzt wurden, als auch von Beamten gelten, die in einem ihrer Unionsrechte verletzt wurden. Diese nationale Regelung dürfte daher mit dem Grundsatz der Äquivalenz vereinbar sein(38). Dies zu prüfen ist jedenfalls Sache des nationalen Gerichts.

116. Hinsichtlich der Beachtung des Grundsatzes der Effektivität hat der Gerichtshof bereits im Rahmen eines die Richtlinie 2000/78 betreffenden Vorabentscheidungsersuchens entschieden, dass nicht ersichtlich ist, dass die Festlegung einer Frist von zwei Monaten für die Einlegung einer Beschwerde beim Arbeitgeber die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte(39).

117. Erst recht ist deshalb meines Erachtens die Pflicht eines Beamten, Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahrs geltend zu machen, grundsätzlich nicht geeignet, die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, da das Haushaltsjahr dem Kalenderjahr entspricht(40).

118. Allerdings stellt sich die Frage nach der Effektivität eines derartigen Rechtsbehelfs, wenn der Beamte von der Verletzung seines Rechts, nicht diskriminiert zu werden, am Ende des Haushaltsjahrs Kenntnis erlangt. Erführe er nämlich erst einige Tage vor Ende des Rechnungsjahrs von seiner Diskriminierung, wäre sein Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs nahezu hinfällig.

119. Daher kann es sein, dass einem Beamten in einer Situation wie der vorstehend beschriebenen ein wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf zur Verteidigung der ihm aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte genommen wird.

120. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das – anders als der Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV − für die Beurteilung des Sachverhalts der Ausgangsrechtsstreitigkeiten und die Auslegung der deutschen Rechtsvorschriften zuständig ist, zu prüfen, ob die in diesen Rechtsstreitigkeiten in Rede stehende nationale Vorschrift, nach der ein Beamter Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahrs geltend machen muss, gegen den Grundsatz der Effektivität verstößt.

121. Nach alledem bin ich der Auffassung, dass das Unionsrecht, insbesondere die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie Art. 47 der Charta, einer nationalen Vorschrift wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen, nach der ein Beamter Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahrs geltend machen muss, nicht entgegensteht, sofern die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die für Klagen, mit denen finanzielle Ansprüche geschützt werden sollen, die sich aus dem innerstaatlichen Recht ergeben, und sofern eine solche nationale Vorschrift für den Einzelnen keine mit der Ausschlussfrist verbundenen Verfahrensnachteile mit sich bringt, die geeignet sind, die Ausübung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte übermäßig zu erschweren; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

V –     Ergebnis

122. In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Verwaltungsgericht Berlin wie folgt zu antworten:

1.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er für die Bedingungen des Arbeitsentgelts von Beamten gilt.

2.      Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, nach der die Höhe des Grundgehalts eines Beamten bei Begründung des Beamtenverhältnisses maßgeblich von seinem Lebensalter abhängt und anschließend vor allem in Abhängigkeit von der Dauer des Beamtenverhältnisses ansteigt.

3.      Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einem Überleitungssystem wie dem in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, das bei der Zuordnung von Bestandsbeamten zu den Stufen des neuen Besoldungssystems lediglich dem vorherigen Grundgehalt Rechnung trägt und für den Aufstieg in höhere Stufen nur die ab Inkrafttreten dieses Überleitungssystems erworbene Erfahrung berücksichtigt, unabhängig von der absoluten Erfahrungszeit des Beamten.

4.      Im Fall der Feststellung einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung kann, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen wurden, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dadurch gewahrt werden, dass die diskriminierten Beamten in dieselbe Besoldungsstufe eingestuft werden wie ein älterer Beamter, der über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügt.

5.      Das Unionsrecht, insbesondere die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, steht einer nationalen Vorschrift wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen, nach der ein Beamter Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahrs geltend machen muss, nicht entgegen, sofern die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die für Klagen, mit denen finanzielle Ansprüche geschützt werden sollen, die sich aus dem innerstaatlichen Recht ergeben, und sofern eine solche nationale Vorschrift für den Einzelnen keine mit der Ausschlussfrist verbundenen Verfahrensnachteile mit sich bringt, die geeignet sind, die Ausübung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte übermäßig zu erschweren; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 303, S. 16.


3 – Hervorhebung nur hier.


4 – Im Folgenden: Charta.


5 – C307/05, Slg. 2005, I7109.


6 – Randnrn. 37 bis 39 des Urteils.


7 – Randnr. 40 des Urteils.


8 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Del Cerro Alonso (Randnr. 46).


9 – Siehe Randnr. 21 seiner Erklärungen. Im Übrigen hat der Gerichtshof in Randnr. 33 des Urteils vom 11. November 2004, Delahaye (C425/02, Slg. 2004, I10823), auf die Bedeutung des Arbeitsentgelts hingewiesen.


10 – Vgl. S. 10 des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (KOM[1999] 565 endg.).


11 – Vgl. zur Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie auf Beamte Urteile vom 18. Juni 2009, Hütter (C88/08, Slg. 2009, I5325), vom 12. Januar 2010, Wolf (C229/08, Slg. 2010, I1), vom 21. Juli 2011, Fuchs und Köhler (C159/10 und C160/10, Slg. 2011, I6919), sowie vom 6. Dezember 2012, Dittrich u. a. (C124/11, C125/11 und C143/11).


12 – Diese Beispiele wurden folgenden Websites entnommen: http://www.dz-portal.de/003_menue_links/008_bezuege/BDA.html und http://www.pc-gehalt.de/Seiten/Besoldungsdienstalter.htm.


13 – C‑297/10 und C‑298/10, Slg. 2010, I‑7965.


14 – Randnrn. 54 bis 59 des Urteils.


15 – Vgl. Urteil vom 6. November 2012, Kommission/Ungarn (C286/12, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16 – Urteil Hennigs und Mai (Randnr. 72).


17 – Ebd.


18 – Ebd. (Randnr. 74).


19 – Ebd. (Randnr. 77).


20 – Vgl. Urteil Fuchs und Köhler (Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, Randnr. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21 – Randnr. 84 dieses Urteils.


22 – Vgl. Urteil Hennigs und Mai (Randnr. 90 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


23 – Ebd. (Randnrn. 96 bis 98).


24 – Vgl. Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981, Randnr. 77), und vom 12. Januar 2010, Petersen (C‑341/08, Slg. 2010, I‑47, Randnr. 81).


25 – C18/95, Slg. 1995, I345.


26 – C399/09, Slg. 2009, I‑5573.


27 – Urteile Terhoeve (Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Landtová (Randnr. 51).


28 – Vgl. u. a. Urteil vom 11. April 2013, Soukupová (C401/11).


29 – Siehe Nr. 62 dieser Schlussanträge.


30 – Vgl. u. a. Urteile vom 4. Dezember 1986, Federatie Nederlandse Vakbeweging (71/85, Slg. 1986, 3855), vom 24. März 1987, McDermott und Cotter (286/85, Slg. 1987, 1453), vom 13. Dezember 1989, Ruzius-Wilbrink (C102/88, Slg. 1989, 4311), vom 27. Juni 1990, Kowalska (C‑33/89, Slg. 1990, I‑2591), und vom 7. Februar 1991, Nimz (C‑184/89, Slg. 1991, I‑297).


31 – Urteil vom 19. November 1991 (C‑6/90 und C‑9/90, Slg. 1991, I‑5357).


32 – Vgl. Randnr. 78 der schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung.


33 – C‑246/09, Slg. 2009, I‑7003.


34 – Randnr. 24 des Urteils.


35 – Vgl. Urteil vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04 (C93/12, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


36 – Ebd. (Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


37 – Ebd. (Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


38 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, Slg. 2010, I‑12167, Randnr. 73).


39 – Vgl. Urteil Bulicke (Randnrn. 38 und 39). Vgl. auch Beschluss vom 18. Januar 2011, Berkizi-Nikolakaki (C‑272/10, Randnr. 51).


40 – Nach § 4 der Bundeshaushaltsordnung ist das Rechnungsjahr (Haushaltsjahr) das Kalenderjahr; für einzelne Bereiche kann das Bundesministerium der Finanzen etwas anderes bestimmen.