SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 26. Januar 2012(1)

Verbundene Rechtssachen C‑90/11 und C‑91/11

Alfred Strigl

gegen

Deutsches Patent‑ und Markenamt

und

Securvita – Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH

gegen

Öko‑Invest Verlagsgesellschaft mbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundespatentgerichts [Deutschland])

„Marken – Richtlinie 2008/95/EG – Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Absolute Eintragungshindernisse des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c – Wortmarke, die aus einer beschreibenden Wortkombination und einer isoliert betrachtet nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, die die Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter wiedergibt – Beschreibender Charakter – Unterscheidungskraft – Beurteilungskriterien – Freihaltebedürfnis – Unterscheidungsfunktion der Marke“






I –    Einleitung

1.        In den beiden Vorlagebeschlüssen des Bundespatentgerichts (Deutschland), die Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge sind, geht es um die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken(2).

2.        Die in den Ausgangsverfahren streitigen Wortmarken setzen sich aus mehreren Bestandteilen zusammen. Beide Marken, nämlich Multi Markets Fund MMF und NAI – Der Natur-Aktien-Index, bestehen aus einer beschreibenden Wortkombination, der eine isoliert betrachtet nicht beschreibende Buchstabenfolge (Abkürzung) voran- bzw. nachgestellt ist, die den Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter entspricht.

3.        In den vorliegenden Rechtssachen ist der Gerichtshof aufgerufen, seine Rechtsprechung zum Markenrecht zu vervollständigen, genauer gesagt, den Geltungsumfang der beiden in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe zu bestimmen, die zum einen bei fehlender Unterscheidungskraft eingreifen und zum anderen dann, wenn die Marke ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Merkmale der angemeldeten Ware oder Dienstleistung dienen können.

4.        Auf diesem Gebiet wirft der Ausgleich zwischen dem Schutz der Interessen des Anmelders oder Inhabers einer Marke einerseits und der Notwendigkeit der Berücksichtigung des Allgemeininteresses andererseits nach wie vor Fragen auf. Das Allgemeininteresse fordert insbesondere, die Freihaltung von beschreibenden Zeichen nicht zu stark einzuschränken (Freihaltebedürfnis) und es dem Verbraucher oder Endabnehmer der Ware oder der Dienstleistung zu ermöglichen, diese von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (Unterscheidungsfunktion). Die Fragen des Bundespatentgerichts betreffen im Wesentlichen die Kriterien für die Abgrenzung zwischen diesen beiden Zielsetzungen des Markenrechts.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

5.        Art. 3 („Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/95(3) bestimmt:

„(1)      Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

b)      Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

c)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.

…“

B –    Innerstaatliches Recht

6.        Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 entspricht im Wesentlichen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG). Dort heißt es:

„(2)      Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken,

1.      denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt,

2.      die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können“.

III – Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

A –    Rechtssache Strigl (C‑90/11)

7.        Herr Strigl meldete 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke Multi Markets Fund MMF an, und zwar zur Bezeichnung von Dienstleistungen der Klasse 36 des Abkommens von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung.

8.        Diese Dienstleistungen werden wie folgt beschrieben: „Versicherungswesen (Beratung, Verkauf und Vermittlung von Versicherungen); Beratung in Versicherungsangelegenheiten; Finanzwesen (Dienstleistungen von Bank- und Kreditinstituten, Finanzberatungen, Geldanlagen, Treuhandabwicklungen, Geldangelegenheiten); Immobilienwesen (Liegenschafts- und Hausverwaltungen, Immobilienvermittlungen); Vermögens- und Finanzberatungen“.

9.        Das Deutsche Patent- und Markenamt wies die Anmeldung mit Beschlüssen vom 23. Mai 2008 und vom 11. September 2008 unter Berufung auf § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG zurück und führte im Wesentlichen aus, der Ausdruck „Multi Markets Fund“ bezeichne einen Fonds, der in viele verschiedene Märkte investiere. Auch liege es nahe, dass der Verkehr die Buchstabenfolge „MMF“ als eine sich aus dem angemeldeten Zeichen selbst erklärende Abkürzung der ersten drei Wortelemente verstehe, da sie den drei Wörtern direkt nachgestellt sei und mit deren Anfangsbuchstaben übereinstimme.

10.      Insgesamt gehe das Zeichen somit nicht über die Summe seiner Einzelbestandteile hinaus. Zwar könnten der Buchstabenfolge „MMF“ bei isolierter Betrachtung verschiedene Bedeutungen zukommen. Im Zusammenhang mit den übrigen Markenbestandteilen und den beanspruchten Dienstleistungen reduziere sich die Auswahl jedoch ganz offensichtlich.

11.      Herr Strigl legte Beschwerde zum Bundespatentgericht ein und beantragte die Aufhebung der Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, mit denen die Anmeldung der Wortmarke zurückgewiesen worden war. Er trug vor, dass die Marke verschiedene Bedeutungen habe. Der Umstand, dass der Bestandteil „MMF“ einer Vielzahl von Abkürzungen entsprechen könne, spreche gegen seine Eignung zur beschreibenden Verwendung.

12.      Das Bundespatentgericht ist der Auffassung, dass der Erfolg der Beschwerde von der Auslegung der Richtlinie 2008/95 abhänge, und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2008/95 auch auf ein Wortzeichen anzuwenden, das aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, und die Gesamtmarke damit als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden werden kann?

B –    Rechtssache Securvita (C‑91/11)

13.      Die Wortmarke NAI – Der Natur-Aktien-Index wurde 2001 im Namen der Securvita – Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH (im Folgenden: Securvita) beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen, und zwar für folgende, zur Klasse 36 des Abkommens von Nizza gehörende Dienstleistungen: „Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen“.

14.      2007 beantragte die Öko-Invest-Verlagsgesellschaft mbH (im Folgenden: Öko‑Invest) die Löschung dieser Marke mit der Begründung, dass die Buchstabenfolge „NAI“ im Finanzwesen als Abkürzung für die Wortkombination „Natur-Aktien-Index“ verwendet werde. Da die der Buchstabenfolge „NAI“ unmittelbar nachgestellte Wortkombination eine beschreibende Angabe sei, könne die Buchstabenfolge, die nur als Abkürzung der Wortkombination wahrgenommen werde, ebenfalls nur als beschreibend angesehen werden.

15.      Das Deutsche Patent- und Markenamt gab dem Löschungsantrag von Öko-Invest mit Beschluss vom 28. Mai 2008 statt und löschte die Marke, da es der Meinung war, dass ihr das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe. Die Gesamtmarke erschöpfe sich in einer Kombination rein beschreibender Angaben mit einer vorangestellten Abkürzung, nämlich der Buchstabenfolge „NAI“, die vom Verkehr als solche erkannt werde.

16.      Securvita begründete die gegen diesen Beschluss zum Bundespatentgericht eingelegte Beschwerde damit, dass der Marke keine Schutzhindernisse entgegenstünden. Insbesondere habe die Vierte Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) mit Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (R 1630/2008-4) ihrem Antrag auf Eintragung der Gemeinschaftsmarke NAI – Der Natur-Aktien-Index mit der Begründung stattgegeben, dass diese Marke ein Zeichen darstelle, das Unterscheidungskraft und nicht nur beschreibenden Charakter habe(4).

17.      Unter diesen Umständen hat das Bundespatentgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2008/95 auch auf ein Wortzeichen anzuwenden, das aus der Zusammenfügung einer – isoliert betrachtet – nicht beschreibenden Buchstabenfolge und einer beschreibenden Wortkombination besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der beschreibenden Wörter wahrgenommen wird, weil sie deren Anfangsbuchstaben wiedergibt, und die Gesamtmarke damit als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben bzw. Abkürzungen verstanden werden kann?

18.      Die Vorabentscheidungsersuchen des Bundespatentgerichts sind am 25. Februar 2011 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden.

19.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. Mai 2011 sind die Rechtssachen C‑90/11 und C‑91/11 zu gemeinsamem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

20.      Eine der Parteien des Ausgangsverfahrens, Securvita, die italienische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Kein Beteiligter hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

IV – Untersuchung

A –    Allgemeine Ausführungen

1.      Vorbemerkungen

21.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2008/95 weitgehend denen der Verordnung Nr. 207/2009 entsprechen. So stimmen, wie bereits ausgeführt, die in der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, mit den absoluten Eintragungshindernissen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung überein. Aufgrund dieser Übereinstimmung werde ich auch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 Bezug nehmen(5).

22.      Zur Beantwortung der Vorlagefragen ist es nicht nötig, zwischen den in den beiden Ausgangsverfahren gestellten Fragen zu unterscheiden, denn die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Rechtsfrage ist im Wesentlichen dieselbe. Dank der in ihrem ersten Teil hinzugefügten Worte „isoliert betrachtet“(6) erscheint die Vorlagefrage in der Rechtssache Securvita genauer, auch wenn sie ansonsten mit der Vorlagefrage in der Rechtssache Strigl übereinstimmt. Deshalb werde ich in diesen Schlussanträgen vom Wortlaut der Frage in der Rechtssache Securvita ausgehen.

23.      In den vorliegenden Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, wie eine Marke, die zum einen aus einer beschreibenden Wortkombination und zum anderen aus einer Buchstabenfolge besteht, die die Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter wiedergibt und die isoliert betrachtet als nicht beschreibend angesehen werden kann, im Hinblick auf die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe zu beurteilen ist.

2.      Zu den Verzichtserklärungen

24.      Da die streitigen Marken aus beschreibenden Bestandteilen sowie aus isoliert betrachtet nicht beschreibenden Bestandteilen bestehen, muss eine Parallele zu der in der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltenen Regelung gezogen werden. Denn nach Art. 37 Abs. 2 dieser Verordnung kann das HABM die Eintragung einer Marke von der Bedingung abhängig machen, dass der Anmelder erklärt, dass er an einem Bestandteil der Marke, der nicht unterscheidungskräftig ist, kein ausschließliches Recht in Anspruch nehmen wird (auch „Disclaimer“ genannt), wenn die Aufnahme dieses Bestandteils in die Marke zu Zweifeln über den Schutzumfang der Marke Anlass geben kann (im Folgenden: Verzichtserklärung)(7).

25.      Nach der Verordnung Nr. 207/2009 impliziert die dem HABM eingeräumte Möglichkeit, vom Anmelder der Marke eine Verzichtserklärung zu verlangen, keineswegs mögliche Auswirkungen dieser Erklärung darauf, ob ein Zeichen eingetragen werden kann oder nicht. Im Allgemeinen wird die Eintragung einer Marke, die aus verschiedenen Bestandteilen besteht, von denen einige beschreibenden und andere nicht beschreibenden Charakter haben, nur dann abgelehnt, wenn sie insgesamt keine Unterscheidungskraft besitzt(8).

26.      Wenn Verzichtserklärungen bei Markenkonflikten Auswirkungen auf die Prüfung des Schutzumfangs einer Marke haben können, macht das HABM offenbar nicht von dieser in der Verordnung Nr. 207/2009 eingeräumten Befugnis Gebrauch. Es scheint vielmehr dem Grundsatz zu folgen, dass für Zeichen, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, nicht der Schutz eines einzigen Bestandteils in Anspruch genommen werden kann(9).

3.       Zu dem den Eintragungshindernissen oder Ungültigkeitsgründen zugrunde liegenden Allgemeininteresse

27.      Bei der Prüfung der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe muss ihrem Sinn und Zweck und dem ihnen zugrunde liegenden Allgemeininteresse Rechnung getragen werden. Deshalb erscheinen mir einige Bemerkungen dazu von Nutzen.

28.      Nach ständiger Rechtsprechung sind die verschiedenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe des Art. 3 der Richtlinie 2008/95 und die absoluten Eintragungshindernisse des Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das ihnen jeweils zugrunde liegt(10).

29.      Was erstens den Sinn und Zweck des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisses bzw. Ungültigkeitsgrundes betrifft, soll mit dieser Bestimmung das im Allgemeininteresse liegende Ziel erreicht werden, das darin besteht, dass die Zeichen oder Angaben, die die Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von allen frei verwendet werden können(11).

30.      Die Überlegung, die dem Eintragungshindernis bzw. Ungültigkeitsgrund des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 zugrunde liegt, ist also Ausdruck der Notwendigkeit, die Verfügbarkeit bestimmter Zeichen zu garantieren und auf diese Weise sicherzustellen, dass diese von allen Wirtschaftsteilnehmern der betreffenden Branche frei verwendet werden können(12). Dieser aus dem deutschen Recht stammende Grundsatz (Freihaltebedürfnis) bildet damit einen wesentlichen Maßstab für die Auslegung dieses Eintragungshindernisses oder Ungültigkeitsgrundes(13).

31.      Aus dem Freihaltebedürfnis ergibt sich, dass mit dem in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernis oder Ungültigkeitsgrund ausgeschlossen werden soll, dass die freizuhaltenden beschreibenden Zeichen oder Angaben aufgrund der Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden(14). Der Gerichtshof hat allerdings hervorgehoben, dass die Anwendung des Eintragungshindernisses bzw. Ungültigkeitsgrundes des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 anders als nach der deutschen Lehre nicht vom Bestehen eines konkreten, gegenwärtigen oder ernsthaften Freihaltebedürfnisses abhängt und dass daher eine Kenntnis der Zahl der Konkurrenten, die ein Interesse an der Verwendung des fraglichen Zeichens haben oder haben könnten, unerheblich ist(15).

32.      Was zweitens das Eintragungshindernis bzw. den Ungültigkeitsgrund des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 betrifft, so hängt das relevante Allgemeininteresse nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eng mit der Hauptfunktion der Marke zusammen, die darin besteht, es dem Verbraucher oder Endabnehmer zu ermöglichen, die markengegenständliche Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden(16).

33.      Bei der Prüfung der Vorlagefragen ist diesen Allgemeininteressen Rechnung zu tragen.

B –    Beurteilung der Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe

1.      Zum Verhältnis zwischen dem beschreibenden Charakter und der Unterscheidungskraft einer Marke

34.      Ich möchte vorab darauf hinweisen, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe eng miteinander zusammenhängen. Erst nach Prüfung des ausschließlich beschreibenden Charakters nach Buchst. c ist die Anwendung von Buchst. b zu erörtern. Anders ausgedrückt ergibt sich die fehlende Unterscheidungskraft einer Wortmarke aus dem beschreibenden Charakter des Zeichens und nicht umgekehrt(17).

35.      Ich werde mich bei meiner Untersuchung von diesem Grundgedanken leiten lassen. In diesem Zusammenhang ist allerdings daran zu erinnern, dass einem Zeichen aus anderen Gründen als wegen seines etwaigen beschreibenden Charakters die Unterscheidungskraft fehlen kann(18) und dass man die fehlende Unterscheidungskraft nicht ausschließlich auf seinen beschreibenden Charakter stützen kann, ohne den diesen beiden Eintragungshindernissen zugrunde liegenden unterschiedlichen Allgemeininteressen Rechnung zu tragen(19).

36.      Ferner muss entgegen den Ausführungen der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zwischen den verschiedenen in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisseen. und Ungültigkeitsgründen unterschieden werden. Nach ständiger Rechtsprechung sind diese nämlich, selbst wenn eine gewisse Überschneidung ihrer Anwendungsbereiche besteht, voneinander unabhängig und getrennt zu prüfen(20).

37.      Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der beschreibende Charakter einer aus mehreren Wörtern oder einem Wort und einer Zahl zusammengesetzten Marke teilweise für jeden ihrer Begriffe oder Bestandteile getrennt geprüft werden kann, aber auf jeden Fall auch für das dadurch gebildete Ganze festgestellt werden muss(21).

38.      Allgemein ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die bloße Zusammenfügung von Bestandteilen, von denen jeder für Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend ist, ihrerseits für diese Merkmale beschreibend im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95. Einer solchen Kombination kann der beschreibende Charakter im Sinne dieser Bestimmung jedoch dann fehlen, wenn der von ihr erweckte Eindruck hinreichend stark von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenfügung ihrer Bestandteile entsteht(22).

39.      Auch schließt der Umstand, dass die einzelnen Bestandteile für sich genommen keine Unterscheidungskraft besitzen, nicht aus, dass sie als Kombination unterscheidungskräftig sein können(23).

40.      Bei Wortmarken wie denen der Ausgangsverfahren, die aus beschreibenden Wörtern und einer deren Anfangsbuchstaben entsprechenden Buchstabenfolge bestehen, die isoliert betrachtet als nicht beschreibend angesehen werden kann, stellt sich die Frage, ob die Anfügung einer Abkürzung, die als solche keinen beschreibenden Charakter hat, an eine beschreibende Wortkombination dazu führen kann, dass diese Wortbestandteile insgesamt einen nicht beschreibenden oder sogar unterscheidenden Charakter erlangen, der für die Eintragung einer solchen Marke erforderlich ist.

41.      Anders gesagt ist in den Ausgangsverfahren zu prüfen, ob ein und dieselbe Buchstabenkombination für gleiche Waren und Dienstleistungen unabhängig davon, ob sie in Alleinstellung oder zusammen mit weiteren erläuternden Bestandteilen als Marke angemeldet wird, stets gleich zu beurteilen ist.

42.      Insoweit erscheint der Hinweis nützlich, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einer Wortmarke, die im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 Merkmale von Waren oder Dienstleistungen beschreibt, zwangsläufig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen fehlt(24).

43.      In Anbetracht dieser Gesichtspunkte muss die Beurteilung der fraglichen Marken mit einer Prüfung ihrer Bestandteile beginnen, bevor sie in ihrer Gesamtheit geprüft werden.

2.      Zu den Bestandteilen der Marken

44.      Was zum einen die Rechtssache Strigl und die Marke Multi Markets Fund MMF betrifft, so vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, dass es sich bei der Wortkombination „Multi Markets Fund“ um eine Angabe handele, die die beanspruchten Dienstleistungen beschreibe, nämlich Dienstleistungen, die speziell in Bezug auf einen Fonds erbracht würden, der in verschiedene Märkte investiere. Auch würden die in der Wortkombination „Multi Markets Fund“ enthaltenen Wörter sowohl für sich genommen als auch in ihrer Gesamtfolge von den angesprochenen Verkehrskreisen leicht verstanden.

45.      Die Buchstabenfolge „MMF“ sei bei isolierter Betrachtung als Buchstabenkombination anzusehen, der als solcher keine beschreibende Bedeutung beigemessen werden könne. Diese Buchstabenfolge sei der Wortfolge „Multi Markets Fund“ jedoch unmittelbar nachgestellt, so dass davon auszugehen sei, dass der Verkehr sie als deren Abkürzung verstehe. Dies entspreche der natürlichen und naheliegenden Wahrnehmung durch den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher.

46.      Was zum anderen die Rechtssache Securvita und die Marke NAI – Der Natur-Aktien-Index betrifft, so beschreibe der Begriff „Natur-Aktien-Index“ ebenso wie die Begriffe „Öko-Aktien“, „Umweltaktien“ oder „grüne Aktien“ die Aktien ökologisch ausgerichteter Unternehmen und damit eine bestimmte Gattung von Wertpapieren. Auch werde das Zeichen „Natur-Aktie“ in erheblichem Umfang zur Beschreibung von Merkmalen verschiedener Produkte aus dem Finanzwesen genutzt. Die Wortfolge beschreibe für die relevanten Verkehrskreise die Merkmale der registrierten Finanzdienstleistungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95.

47.      Die der Wortfolge „Der Natur-Aktien-Index“ mit einem Gedankenstrich vorangestellte Buchstabenfolge „NAI“ stelle keine gängige, allgemein verständliche Abkürzung dar, die von den angesprochenen Verkehrskreisen zur Bezeichnung der Merkmale der eingetragenen Dienstleistungen in Betracht gezogen würde. In Alleinstellung wäre die Buchstabenfolge „NAI“ daher nicht geeignet, ein Merkmal der registrierten Dienstleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 zu beschreiben.

3.       Zu dem von den Marken hervorgerufenen Gesamteindruck

48.      Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass auch dann, wenn Buchstabenfolgen wie denen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, einzeln betrachtet Unterscheidungskraft für die von den fraglichen Marken erfassten Dienstleistungen beigemessen werden kann, die Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise nicht nur im Hinblick auf die verschiedenen Bestandteile der Marke, sondern hauptsächlich im Hinblick auf den von dieser hervorgerufenen Gesamteindruck zu prüfen ist.

49.      Zu dem von den streitgegenständlichen Marken hervorgerufenen Gesamteindruck hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass die Großbuchstaben „MMF“ bzw. „NAI“ mit den die Wortkombination bildenden drei Wörtern „Multi Markets Fund“ bzw. „Natur-Aktien-Index“ übereinstimmten. Deshalb könne der Verkehr die Buchstabenfolge ohne Weiteres als Abkürzung der vor- bzw. nachgestellten Wortkombination erkennen.

50.      Bezüglich der Zusammensetzung der Marke NAI – Der Natur-Aktien-Index ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Buchstabenfolge „NAI“ ein Gedankenstrich folgt, der sie mit der Wortkombination verbindet. Dieser könnte dem Vorlagebeschluss zufolge als Verstärkung des Gesamteindrucks empfunden werden, wonach es sich um eine bloße Abkürzung der nachfolgenden Wortkombination handele. Dem stehe, so das vorlegende Gericht, auch nicht entgegen, dass die Abkürzung „NAI“ nicht den Anfangsbuchstaben des in der nachfolgenden Wortkombination enthaltenen bestimmten Artikels „Der“ umfasse, da dieser nur ein Beiwerk der Substantive sei, deren drei Anfangsbuchstaben in der Abkürzung wiedergegeben würden.

51.      Dazu möchte ich nur ganz beiläufig bemerken, dass mich die Begründung der Vierten Beschwerdekammer des HABM betreffend die Eintragung der Marke „NAI – Der Natur-Aktien-Index“ als Gemeinschaftsmarke nicht zu überzeugen vermag. Das HABM vertrat die Auffassung, dass die Buchstabenfolge „NAI“ als solche keine beschreibende Bedeutung hat und dass die Hinzufügung der Wortkombination „Der Natur-Aktien-Index“ nichts daran ändere. Andernfalls könnte eine solche Buchstabenfolge durch den Zusatz von beschreibenden Wortbestandteilen „nachträglich“ insgesamt beschreibend werden(25).

52.      Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass derartige Buchstabenfolgen isoliert betrachtet unterscheidungskräftig sein können, wenn sie als solche geeignet sind, auf andere Abkürzungen zu verweisen und selbst nicht die von den fraglichen Marken bezeichneten Waren oder Dienstleistungen beschreiben. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass der Durchschnittsverbraucher die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf ihre verschiedenen Bestandteile achtet(26).

53.      Die in der Entscheidung des HABM zum Ausdruck kommende Auffassung verkennt nämlich den Gesamteindruck, dem, wie ich bereits ausgeführt habe, bei der Beurteilung der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe Rechnung getragen werden muss. Unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks, der von Marken hervorgerufen wird, die aus einer die fraglichen Waren und Dienstleistungen beschreibenden Wortkombination und einer Buchstabenfolge bestehen, die den Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter entspricht, erscheint die Wortkombination als beherrschender Bestandteil solcher Marken. Meines Erachtens ist die die Anfangsbuchstaben der drei beschreibenden Wörter wiedergebende Buchstabenfolge nicht geeignet, einen Eindruck zu erwecken, der hinreichend stark von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenfügung der Bestandteile der Marke entsteht.

54.      Hinzu kommt, dass eine Buchstabenfolge, die von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Abkürzung der daneben stehenden Wortkombination empfunden wird, nicht über die Summe der Einzelbestandteile der Gesamtmarke hinausgehen kann, und zwar selbst dann nicht, wenn die Buchstabenfolge isoliert betrachtet als unterscheidungskräftig angesehen werden kann. Der beschreibende Charakter eines Markenbestandteils, nämlich der Buchstabenfolge, ergibt sich somit aus der Gesamtmarke. So unterscheidet sich z. B. der Gesamteindruck, der von der imaginären Wortmarke Two for tea – 24T hervorgerufen wird, von dem, den 24T erweckt.

55.      Wichtig ist, dass die Bedeutung der Marke insgesamt ermittelt werden muss. Eine Gesamtwürdigung der Marke kann bei einer Marke, deren Bestandteile eng miteinander zusammenhängen und bei der sich zwei Bestandteile gegenseitig erläutern, zu einem anderen Ergebnis führen als eine gesonderte Prüfung ihrer einzelnen Bestandteile.

56.      Deshalb bin ich bei einer Gesamtwürdigung von Marken wie den in den Ausgangsverfahren streitigen der Meinung, dass der Verkehr der isoliert betrachtet nicht beschreibenden Abkürzung nur den beschreibenden Inhalt beimisst, der sich aus der ihr angefügten Wortkombination ergibt, und zwar wegen der Zusammenfügung sich gegenseitig erläuternder Bestandteile. Deshalb nimmt die Buchstabenfolge, die die Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter wiedergibt, im Verhältnis zu dieser Wortkombination nur eine akzessorische Stellung ein, so dass der aus dieser Buchstabenfolge bestehende Bestandteil für den von einer solchen Marke hervorgerufenen Gesamteindruck unerheblich ist(27). Somit verleiht die beschreibende Wortkombination der Marke insgesamt beschreibende Bedeutung.

57.      Unbeschadet dieses Ergebnisses bleibt die Frage des vorlegenden Gerichts nach dem jeweiligen Anwendungsbereich der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe im Hinblick auf Marken wie die in den Ausgangsverfahren fraglichen zu beantworten.

4.       Zur Wahl zwischen den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernissen und Ungültigkeitsgründen

58.      Bei der Unterscheidung zwischen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 im Hinblick auf Marken wie die hier streitigen sind nicht nur deren beschreibender Charakter, der aufgrund des von ihnen hervorgerufenen Gesamteindrucks festzustellen ist, sondern auch die den Eintragungshindernissen bzw. Ungültigkeitsgründen zugrunde liegenden Allgemeininteressen zu berücksichtigen. Hervorzuheben sind somit erneut das mit bestimmten Zeichen verbundene Freihaltebedürfnis einerseits und die Unterscheidungsfunktion der Marke andererseits, die es ermöglichen muss, die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden.

59.      Unter diesem Blickwinkel würde es Sinn und Zweck des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 vorgesehenen Eintragungshindernisses bzw. Ungültigkeitsgrundes widersprechen, wollte man die Eintragung einer Marke zulassen, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht, die allen zugänglich bleiben müssen.

60.      Um die umfassende Verwirklichung dieses Ziels einer freien Verwendung zu garantieren, ist es nämlich, wie der Gerichtshof erläutert hat, nicht erforderlich, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 genannten Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung tatsächlich für die in der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt, dass diese Zeichen und Angaben dafür verwendet werden können(28). Ein Wortzeichen ist daher nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet(29).

61.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 betrifft allerdings nach seinem Wortlaut Marken, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben bestehen. Die in den Ausgangsverfahren streitigen Marken bestehen jedoch aus beschreibenden Bestandteilen (den Wortkombinationen) einerseits und isoliert betrachtet nicht beschreibenden Bestandteilen (den Buchstabenfolgen) andererseits. Wie ich bereits ausgeführt habe, ergibt sich in diesem Fall die beschreibende Bedeutung der isoliert betrachtet nicht beschreibenden Buchstabenfolge aus einer Gesamtwürdigung der Marke. Genauer gesagt resultiert der beschreibende Charakter dieser Buchstabenfolgen aus den Wörtern der Wortkombination, deren Anfangsbuchstaben sie wiedergeben.

62.      Es besteht jedoch keine Notwendigkeit, die Freihaltung derartiger Buchstabenfolgen als solcher oder der Gesamtmarke sicherzustellen, denn selbst wenn Letztere beschreibende Bedeutung hat, besteht sie nicht ausschließlich aus solchen Zeichen oder Angaben. Deshalb ist bei der Prüfung der in den Ausgangsverfahren streitigen Marken auf das in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 aufgestellte Kriterium der Unterscheidungskraft abzustellen.

63.      Was die Frage angeht, ob eine solche Zusammenfügung von Bestandteilen Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie besitzt, hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die streitigen Marken insgesamt gesehen die Hauptfunktion der Marke erfüllen können, die darin besteht, die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Kombination von beschreibenden Bestandteilen und einem Bestandteil, der als solcher nicht beschreibend ist, aber im Zusammenhang der fraglichen Marke beschreibenden Charakter erlangt, einen Eindruck erwecken kann, der hinreichend stark von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenfügung ihrer Bestandteile entsteht(30).

64.      Abschließend bin ich bei der Gesamtwürdigung einer Marke, die aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer Buchstabenfolge besteht, die mit den Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter übereinstimmt, der Auffassung, dass die isoliert betrachtet nicht beschreibende Buchstabenfolge in diesem besonderen Zusammenhang beschreibenden Charakter erlangt. Da eine aus derartigen Bestandteilen gebildete Marke jedoch nicht ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 besteht, ist ihre Eintragbarkeit nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95 zu prüfen.

V –    Ergebnis

65.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundespatentgericht vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Eine Wortmarke, die aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer – isoliert betrachtet – nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, die die Anfangsbuchstaben der beschreibenden Wörter wiedergibt und deshalb vom Verkehr als deren Abkürzung wahrgenommen wird, und die somit insgesamt als Kombination sich gegenseitig erläuternder beschreibender Angaben oder Abkürzungen verstanden werden kann, ist im Hinblick auf das Eintragungshindernis bzw. den Ungültigkeitsgrund des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und nicht im Hinblick auf das Eintragungshindernis bzw. den Ungültigkeitsgrund des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie zu prüfen, da sie nicht ausschließlich aus beschreibenden Zeichen und Angaben besteht.


1 – Originalsprache: Französisch.


2– ABl. L 299, S. 25.


3 –       Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 stimmt wörtlich mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S1) überein.


4 – Außerdem hatte Securvita beim HABM die Eintragung des Zeichens „Natur-Aktien-Index“ (ohne die Abkürzung „NAI“) als Gemeinschaftsmarke beantragt. Der Prüfer lehnte die Eintragung dieser Marke am 14. Februar 2007 ab. Die Vierte Beschwerdekammer des HABM wies die dagegen gerichtete Beschwerde am 26. Mai 2008 zurück (R 525/2007-4). Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften wies die gegen diese Entscheidung gerichtete Klage mit Beschluss vom 30. Juni 2009, Securvita/HABM (T‑285/08, Slg. 2009, II‑2171), als offensichtlich unzulässig ab.


5 – Diese Rechtsprechung betrifft allerdings weitgehend die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1), an deren Stelle die Richtlinie 2008/95 bzw. die Verordnung Nr. 207/2009 getreten sind.


6 – [Betrifft nur die Originalfassung].


7 – Die Richtlinie 2008/95 sieht keine derartige Verzichtserklärung vor. Da Verfahrensfragen jedoch nicht Gegenstand der von dieser Richtlinie beabsichtigten Harmonisierung sind, können die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ein solches Merkmal vorsehen. Ich schließe somit nicht aus, dass das Vorliegen einer Verzichtserklärung im Recht bestimmter Mitgliedstaaten einen Einfluss auf die Beurteilung der streitigen Marken haben kann.


8 – Vgl. „Study on the Overall Functioning of the European Trade Mark System“, Max Planck Institute for Intellectual Property and Competition Law, München 2011, die unter http://ec.europa.eu/internal_market/indprop/docs/tm/20110308_allensbach-study_en.pdf nachgelesen werden kann.


9 – Vgl. in diesem Sinne Nr. 73 der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Lego Juris/HABM (C‑48/09 P, Urteil vom 14. September 2010, Slg. 2010, I‑8403).


10 – Vgl. insoweit zur Auslegung der Eintragungshindernisse des Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 Urteile vom 19. April 2007, HABM/Celltech (C‑273/05 P, Slg. 2007, I‑2883, Randnr. 74), und vom 15. September 2005, BioID/HABM (C‑37/03 P, Slg. 2005, I‑7975, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu den Eintragungshindernissen und Ungültigkeitsgründen des Art. 3 der Richtlinie 2008/95 vgl. u. a. Urteil vom 12. Februar 2004, Campina Melkunie (C‑265/00, Slg. 2004, I‑1699, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11 – Vgl. dazu u. a. Urteile vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM (C‑51/10 P, Slg. 2011, I‑1541, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung), Campina Melkunie (Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung) und vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley (C‑191/01 P, Slg. 2003, I‑12447, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Zu den Einzelheiten der deutschen Lehre vgl. namentlich Frisch, A., Das Freihaltebedürfnis im Markenrecht, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2007.


13 – Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer hat Tragweite und Ursprung des Freihaltebedürfnisses im deutschen Recht bereits gründlich untersucht (in den Nrn. 33 ff. seiner Schlussanträge in der Rechtssache adidas und adidas Benelux, C‑102/07, Urteil vom 10. April 2008, Slg. 2008, I‑2439), so dass ich mich zum besseren Verständnis der Rolle dieses Begriffs im Unionsrecht auf einleitende Bemerkungen beschränken kann.


14 – Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi‑Werke/HABM (C‑173/04 P, Slg. 2006, I‑551, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung), HABM/Celltech (Randnr. 75) und vom 4. Mai 1999, Windsurfing Chiemsee (C‑108/97 und C‑109/97, Slg. 1999, I‑2779, Randnr. 25).


15 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Agencja Wydawnicza Technopol/HABM (Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16 – Der Gerichtshof hat diese Idee, die auf die Unterscheidungskraft der Marke verweist, auf unterschiedliche Art ausgedrückt. Vgl. u. a. Urteile vom 22. September 2011, Interflora und Interflora British Unit (C‑323/09, Slg. 2011, I‑8625, Randnrn. 37 bis 39), vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, Slg. 2011, I‑6011, Randnr. 80), vom 8. Mai 2008, Eurohypo/HABM (C‑304/06 P, Slg. 2008, I‑3297, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 12. November 2002, Arsenal Football Club (C‑206/01, Slg. 2002, I‑10273, Randnr. 51).


17–      Vgl. Nr. 43 der Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz–Jarabo Colomer in der Rechtssache DKV/HABM (C‑104/00, Urteil vom 19. September 2002, Slg. 2002, I‑7561).


18 – Vgl. dazu Urteil Agencja Wydawnicza Technopol/HABM (Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19–      Urteil Eurohypo/HABM (Randnrn. 55 bis 62).


20–      Vgl. in diesem Sinne Urteil Eurohypo/HABM (Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21 – Vgl. u. a. Beschluss vom 6. Februar 2009, MPDV Mikrolab/HABM (C‑17/08 P, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22–      Urteil Campina Melkunie, Randnrn. 39 und 40.


23 – Vgl. dazu Urteil vom 13. Januar 2011, Media-Saturn-Holding/HABM (C‑92/10 P, Randnr. 36), und Urteile Eurohypo/HABM (Randnr. 41) und BioID/HABM (Randnr. 29).


24–      Vgl. Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke PKN Nederland (C‑363/99, Slg. 2004, I‑1619, Randnr. 86).


25 – Vgl. insbesondere die Nrn. 12 und 16 der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 15. Oktober 2009 in der Sache R 1630/2008‑4.


26 – Vgl. insbesondere im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr Urteil vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM (C‑254/09 P, Slg. 2010, I‑7989, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27–      Vgl. entsprechend Urteil Calvin Klein Trademark Trust/HABM (Randnr. 57).


28–      Vgl. insbesondere Urteil Agencja Wydawnicza Technopol/HABM (Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29 – Vgl. namentlich Beschluss vom 5. Februar 2010, Mergel u. a./HABM (C‑80/09 P, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2010, Lancôme/HABM (C‑408/08 P, Slg. 2010, I‑1347, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).