BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

24. Februar 2014(*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen – Antrag auf einstweilige Anordnungen – Fehlende Dringlichkeit – Interessenabwägung“

In der Rechtssache T‑45/14 R

HTTS Hanseatic Trade Trust & Shipping GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

Naser Bateni, wohnhaft in Hamburg,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Schlingmann und F. Lautenschlager,

Antragsteller,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und J.-P. Hix als Bevollmächtigte,

Antragsgegner,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses 2013/661/GASP des Rates vom 15. November 2013 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restrik-tive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 306, S. 18) und der Durchführungsverord-nung (EU) Nr. 1154/2013 des Rates vom 15. November 2013 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 306, S. 3), soweit diese Rechtsakte die Antragsteller betreffen,

erlässt


DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Die HTTS Hanseatic Trade Trust & Shipping GmbH (im Folgenden: HTTS oder Antragstellerin) ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die im März 2009 von Herrn Naser Bateni (im Folgenden: Antragsteller) gegründet wurde. Der Antrag-steller, ein iranischer Staatsangehöriger, lebt seit März 2008 in Deutschland. Er ist einziger Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer der HTTS, die als Schiffs-agentin tätig ist und das technische Management von Schiffen übernimmt.

2        Die vorliegende Rechtssache ist vor dem Hintergrund der restriktiven Maßnahmen zu sehen, die als Druckmittel eingeführt wurden, um die Islamische Republik Iran zur Einstellung proliferationsrelevanter nuklearer Tätigkeiten sowie der Entwick-lung von Trägersystemen für Kernwaffen (im Folgenden: nukleare Proliferation) zu bewegen. In diesem Zusammenhang wurden die gegen die Antragsteller ergrif-fenen Sanktionsmaßnahmen vom Gericht bereits mehrfach für nichtig erklärt.

 Vorherige Verfahren betreffend HTTS

3        Am 26. Juli 2010 nahm der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 195, S. 39) an. In Anhang II dieses Beschlusses sind die Personen und Einrichtungen aufgelistet, deren Gelder gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b dieses Beschlusses eingefroren werden. Durch diesen Beschluss nahm der Rat HTTS mit der Begründung, dass sie „im Namen der HDSL [Hafize Darya Shipping Lines] in Europa [handelt]“, in die Sanktionsliste auf.

4        Aus dem gleichen Grund wurde HTTS durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 668/2010 des Rates vom 26. Juli 2010 zur Durchführung von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 195, S. 25) in den Anhang V der Verordnung Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 103, S. 1) aufgenommen.

5        Durch den Beschluss 2010/644/GASP des Rates vom 25. Oktober 2010 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP (ABl. L 281, S. 81) wurde HTTS mit der Begründung „[w]ird kontrolliert von oder handelt im Namen der IRISL [Islamic Republic of Iran Shipping Lines]“ in der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 enthaltenen Sanktionsliste belassen.

6        Am 25. Oktober 2010 erließ der Rat zudem die Verordnung (EU) Nr. 961/2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (ABl. L 281, S. 1), deren Anhang VIII die Liste der Personen und Einrichtungen enthielt, deren Vermögen gemäß Art. 16 Abs. 2 dieser Verordnung eingefroren wurde. HTTS wurde mit der Begründung, sie stehe „unter Kontrolle und/oder handel[e] im Namen der IRISL“, in diese Sanktionsliste aufgeführt.

7        Mit Urteil vom 7. Dezember 2011, HTTS/Rat (T‑562/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), gab das Gericht der von HTTS erhobenen Klage statt und erklärte die Verordnung Nr. 961/2010, soweit diese HTTS betraf, für nichtig, allerdings erst mit Wirkung vom 7. Februar 2012.

8        Am 23. Januar 2012 nahm der Rat den Beschluss 2012/35/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 (ABl. L 19, S. 22) an. Mit diesem Beschluss beließ der Rat HTTS aus folgenden neuen Gründen in der Sanktionsliste des Beschlusses 2010/413: „Steht unter der Kontrolle und/oder ist im Auftrag der IRISL tätig. HTTS ist unter derselben Adresse eingetragen wie die IRISL Europe GmbH in Hamburg; der Geschäftsführer Dr. Naser Ba[t]eni war zuvor Beschäftigter der IRISL.“ Gleichzeitig wurde HTTS durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 54/2012 des Rates vom 23. Januar 2012 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (ABl. L 19, S. 1) aus ebendiesen neuen Gründen in die Sanktionsliste der Verordnung Nr. 961/2010 aufgenommen.

9        HTTS wandte sich an den Rat und machte geltend, dass eine Rechtsgrundlage dafür fehle, sie in die neuen Sanktionslisten aufzunehmen, nachdem die Verord-nung Nr. 961/2010 durch das Urteil HTTS/Rat vom 7. Dezember 2011 für nichtig erklärt worden sei, soweit sie HTTS betreffe. Des Weiteren würden mit diesen neuen Gründen nicht die Konsequenzen aus dem genannten Urteil gezogen. HTTS forderte den Rat daher auf, diesem Urteil nachzukommen und ihren Namen von den betreffenden Listen zu entfernen.

10      Am 23. März 2012 erließ der Rat – im Anschluss an die Annahme des Beschlus-ses 2012/35 – die Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (ABl. L 88, S. 1). Auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 267/2012 wurde HTTS weiterhin in der Sanktionsliste dieser Verordnung aufgeführt, und zwar aus folgenden Gründen: „Steht unter Kontrolle und/oder handelt im Namen der IRISL. HTTS ist unter derselben Adresse eingetragen wie die IRISL Europe … in Hamburg; der Geschäftsführer Dr. Naser Ba[t]eni war zuvor Beschäftigter der IRISL.“

11      Mit Urteil vom 12. Juni 2013, HTTS/Rat (T‑128/12 und T‑182/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), erklärte das Gericht den Beschluss 2012/35 und die Verordnung Nr. 267/2012 für nichtig, soweit diese Rechtsakte HTTS betrafen, erhielt deren Rechtswirkungen jedoch bis zum Ablauf der Rechts-mittelfrist nach Art. 60 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie gemäß Art. 264 Abs. 2 AEUV aufrecht.

 Vorheriges Verfahren betreffend den Antragsteller

12      Am 1. Dezember 2011 erließ der Rat den Beschluss 2011/783/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 (ABl. L 319, S. 71). Durch diesen Beschluss wurde der Name des Antragstellers auf die Liste der Personen gesetzt, die in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführt sind.

13      Im Einklang mit dem Beschluss 2011/783 wurde Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1245/2011 des Rates vom 1. Dezember 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 961/2010 (ABl. L 319, S. 11) dahin geändert, dass u. a. der Name des Antragstellers darin aufgenommen wurde.

14      Die Verordnung Nr. 1245/2011 greift in Bezug auf den Antragsteller folgende im Beschluss Nr. 2011/783 enthaltene Begründung auf:

„Ehemaliger Legal Director der IRISL, Geschäftsführer der [HTTS], die von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde. Geschäftsführer der Scheinfirma NHL Basic Ltd.“

15      Mit Schreiben vom 17. Januar 2012 rügte der Antragsteller diese Begründung. In seiner Antwort vom 23. März 2012 teilte der Rat ihm mit, dass er entschieden habe, ihn als ehemaligen Legal Director der IRISL und Geschäftsführer von HTTS auf der Liste zu belassen. Er beabsichtige jedoch, den Hinweis auf die NHL Basic Ltd zu streichen, da diese Gesellschaft, inzwischen aufgelöst worden sei.

16      Mit der Verordnung Nr. 267/2012 wurde der Name des Antragstellers auf der Sanktionsliste des Rates belassen.

17      Mit Urteil vom 6. September 2013, Bateni/Rat (T‑42/12 und T‑181/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), gab das Gericht der vom Antragsteller erhobenen Klage statt und erklärte den Beschluss 2011/783 sowie die Verordnung Nr. 267/2012 für nichtig, soweit diese Rechtsakte den Antragsteller betrafen, erhielt deren Rechtswirkungen aber bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist aufrecht.

 Gegenwärtiges Verfahren betreffend die Antragsteller

18      Nachdem das Gericht in den vorgenannten Urteilen die Aufnahme der Antrag-steller in die Sanktionslisten des Rates im Wesentlichen mit der Begründung für nichtig erklärt hatte, eine relevante Verbindung zwischen den Antragstellern und der IRISL sei nicht erwiesen, erließ der Rat am 1. Oktober 2013 den Beschluss 2013/497/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 272, S. 46) und die Verordnung (EU) Nr. 971/2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maß-nahmen gegen Iran (ABl. L 272, S. 1).

19      Durch diese Änderungsrechtsakte wurden die Tatbestandsvoraussetzungen in dem Beschluss 2010/413 und in der Verordnung Nr. 971/2013 dahin ergänzt, dass nun auch solche Personen und Einrichtungen in die Sanktionslisten aufgenommen werden dürfen, die u. a. Versicherungs- oder sonstige wesentliche Dienst-leistungen für die IRISL oder für Einrichtungen erbringen, die in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle stehen oder in deren Namen handeln.

20      Auf dieser Grundlage erließ der Rat am 15. November 2013 den Beschluss 2013/661/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 306, S. 18) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1154/2013 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 306, S. 3). Die Antragsteller wurden durch diese Rechtsakte (im Folgenden: angefochtene Rechtsakte) erneut in die Sanktionslisten des Rates aufgenommen, und zwar mit der Begründung, HTTS sei „Generalvertre-terin für Safiran Payam Darya Shipping Lines (SAPID) und Hafize Darya Shipping Lines (HDS Lines), für die sie in dieser Eigenschaft wesentliche Dienstleistungen erbring[e]; SAPID und HDS Lines [seien] benannte Einrichtungen, die für die IRISL tätig“ seien; in Bezug auf den Antragsteller heißt es: „Handelt im Namen der IRISL. War bis 2008 Direktor der IRISL und anschließend Geschäfts-führer der IRISL Europe GmbH. Ist Geschäftsführer der [HTTS], die als Generalvertreterin wesent-liche Dienstleistungen für Safiran Payam Darya Shipping Lines (SAPID) und Hafize Darya Shipping Lines (HDS Lines) erbringt; SAPID und HDS Lines sind benannte Einrichtungen, die für die IRISL tätig sind.“

21      Mit Klageschrift, die am 20. Januar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegan-gen ist, haben die Antragsteller Klage gegen den Rat mit dem Ziel erhoben, die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit diese sie betreffen.

22      Mit besonderen Schriftsätzen, die am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts ein-gegangen sind, haben die Antragsteller einen Antrag auf Entscheidung im be-schleunigten Verfahren gemäß Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts und den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie im Wesentlichen begehren, nach Art. 105 § 2 der Verfahrensordnung bis zur Ent-scheidung im vorliegenden Eilverfahren, jedenfalls aber bis zur Entscheidung zur Hauptsache die Durchführung der angefochtenen Rechtsakte insoweit auszusetzen, als diese sie betreffen.

23      In seiner schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 3. Februar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt der Rat, den Antrag zurückzuweisen und den Antragstellern die Kosten des Ver-fahrens aufzuerlegen.

24      Im Verfahren zur Hauptsache hat das Gericht den Antrag der Antragsteller, über ihre Nichtigkeitsklage im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, am 12. Februar 2014 zurückgewiesen.

 Gründe

 Allgemeine Erwägungen

25      Nach den Art. 278 und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anord-nungen treffen.

26      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der Eilrichter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (Fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Der Eilrichter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73).

27      Im Übrigen verfügt der Eilrichter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschie-denen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein feststehendes Prüfungs-schema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Eilentscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

28      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für die von den Organen der Union erlas-senen Rechtsakte die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht. Art. 278 AEUV stellt daher den Grundsatz auf, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben. Der Eilrichter kann mithin nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg. 2000, I‑6229, Randnr. 44, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 2009, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission, T‑396/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).

29      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

30      Vorliegend ist zunächst die Dringlichkeit des Erlasses der beantragten einstweili-gen Anordnungen zu prüfen.

 Zur Dringlichkeit

31      Die Antragsteller tragen vor, die Gewähr vorläufigen Rechtsschutzes sei für sie dringlich.

32      HTTS werde durch die angefochtenen Rechtsakte daran gehindert, ihre Tätig-keiten als Schiffsagent und technischer Schiffsmanager auszuüben. Mit jedem weiteren Tag, an dem sie auf den Sanktionslisten geführt werde, drohten ihr weitere erhebliche Einbußen. Die Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs sei stark gefährdet. HTTS sei auf eine endgültige Entscheidung und deren Befolgung durch den Rat daher besonders dringend angewiesen. Da es allen anderen Markt-teilnehmern untersagt sei, mit ihr Geschäfte zu tätigen, werde sie in ihrem Markt kaltgestellt. Daraus ergebe sich für sie eine existenzbedrohende Situation. HTTS laufe mithin Gefahr, ihre Marktstellung und ihre Solvenz im Laufe des Verfahrens zur Hauptsache zu verlieren.

33      Der Antragsteller sei als Geschäftsführer der HTTS in seiner privaten Lebens-führung ganz erheblichen Einschränkungen ausgesetzt. Er lebe mit seiner Frau und zwei Kindern, die sich noch in der Ausbildung befänden, in Hamburg. Zwar habe die Deutsche Bundesbank mit Bescheid vom 30. März 2012 gemäß Art. 26 Abs. l Buchst. a) Ziff. i) der Verordnung Nr. 267/2012 die Freigabe eines monatlichen Betrags von 1 171,19 Euro zur Deckung der Grundausgaben des Antragstellers und seiner Familienmitglieder genehmigt, der tägliche Lebens-bedarf seiner Familie lasse sich damit aber nicht decken. Der Antragsteller und seine Familie würden somit seit 2012 zu einem Leben auf Sozialhilfeniveau gezwungen. Diese empfindliche Einschränkung des täglichen Lebens stelle zudem eine andauernde psychische Belastung für ihn und seine Familie dar, die auch durch ein Obsiegen in der Hauptsache nicht wiedergutzumachen sei.

34      Nach Ansicht des Rates haben die Antragsteller die Dringlichkeit nicht dargetan.

35      Dazu ist festzustellen, dass das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Zweck verfolgt, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Haupt-sache sicherzustellen und so die Lückenlosigkeit des vom Unionsrichter gewähr-ten Rechtsschutzes zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Mai 1996, Deutschland/Kommission, C‑399/95 R, Slg. 1996, I‑2441, Randnr. 46). Im Hinblick darauf ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dringlich, wenn dem Antragsteller andernfalls ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Pfizer Animal Health/Rat, C‑329/99 P[R], Slg. 1999, I‑8343, Randnr. 94). Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er zum einen die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden persönlich zu erleiden (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 4. Dezember 2007, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07 R, Slg. 2007, II‑4877, Randnrn. 50 und 51, und des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. März 2009, Cheminova u. a./Kommission, C‑60/08 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35), und dass zum anderen der Eintritt des behaupteten Schadens mit Sicherheit oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P[R], Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67).

36      Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann das Vorbringen in Bezug auf den immateriellen Schaden, der dem Antragsteller und dessen Familienange-hörigen verursacht worden sei, keinen Erfolg haben. Soweit der Antragsteller nämlich vorträgt, die entstandene psychische Belastung könne auch durch ein Obsiegen im Verfahren zur Hauptsache nicht wiedergutgemacht werden, räumt er selbst ein, dass die beantragten Eilmaßnahmen nicht geeignet wären, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache sicherzustellen. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller auf einen immateriellen Schaden beruft, der bereits eingetreten ist. Der Zweck des Verfahrens der einstweiligen Anordnung besteht jedoch nicht darin, die Wiedergutmachung eines Schadens zu gewähr-leisten (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 7. Mai 2002, Aden u. a./Rat und Kommission, T‑306/01 R, Slg. 2002, II‑2387, Randnr. 117, und vom 15. Mai 2003, Sison/Rat, T‑47/03 R, Slg. 2003, II‑2047, Randnr. 41). Die beantragte Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Rechtsakte wäre nämlich nicht geeignet, diesen Schaden rückwirkend zu beseitigen (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnrn. 112 und 113). Im Übrigen hat der Antragsteller keinerlei Beleg, etwa in Form eines ärztlichen Attests, für die Schwere und die Dauer der behaupteten psychischen Belastung beigebracht.

37      Soweit der Antragsteller geltend macht, mit dem von der Deutschen Bundesbank freigegebenen Betrag von monatlich 1 171,19 Euro lasse sich der tägliche Lebens-bedarf seiner Familie nicht decken, ist darauf hinzuweisen, dass der Rat mit seinen Sanktionsmaßnahmen zum Einfrieren von Geldern verhindern will, dass die betroffenen Personen ihre Finanzmittel zur Unterstützung des iranischen Nuklear-programms verwenden. Diese Maßnahmen wären unwirksam, wenn die betrof-fenen Personen das Einfrieren ihrer Gelder umgehen und die Unterstützung dieses Programms fortsetzen könnten. Daher dürfen die zuständigen nationalen Behör-den nur ausnahmsweise die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder geneh-migen, wenn dies zur Deckung des Grundbedarfs der Betroffenen erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Juni 2012, Qualitest FZE/Rat, C‑644/11 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 41, 42 und 44, sowie vom 25. Oktober 2012, Hassan/Rat, C‑168/12 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39).

38      Eine restriktive Maßnahmen, wie sie vorliegend gegen den Antragsteller ergangen ist, stellt zwar einen erheblichen Eingriff in dessen Rechte und Freiheiten dar (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 375, und vom 29. April 2010, M u. a., C‑340/08, Slg. 2010, I‑3913, Randnr. 65). Mit Hilfe der namentlich in Art. 26 der Verordnung Nr. 267/2012 vorgesehenen Ausnahmeregelung lässt sich jedoch grundsätzlich verhindern, dass der Antragsteller trotz Einfrieren seiner Gelder in den finanziellem Ruin getrieben wird (vgl. in diesem Sinne Beschluss Qualitest FZE/Rat, Randnr. 43).

39      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Bewilligungsbescheid der Deutschen Bundesbank vom 30. März 2012, dass dem Antragsteller und dessen Familien-angehörigen ein Gesamtbedarfssatz in Höhe von monatlich 1 539,19 Euro zusteht, auf den das Kindergeld von monatlich 368,00 Euro anzurechnen ist, dass er mit seiner Familie das selbstgenutzte Wohnhaus bewohnt und dass im Hinblick auf künftig anfallende, über den Gesamtbedarfssatz hinausgehende Grundausgaben (z. B. Arztrechnungen, Medikamente, Integrationskurs) Einzelgenehmigungen erteilt werden können. Unter diesen Umständen kann der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen, er befinde sich in einer Mangellage, aufgrund deren es ihm bei Zurückweisung seines Eilantrags finanziell unmöglich sei, den Erlass des Urteils im Verfahren zur Hauptsache abzuwarten (vgl. in diesem Sinne Beschluss Aden u. a./Rat und Kommission, Randnr. 104).

40      Der Antragsteller hat somit nicht hinreichend dargetan, dass ihm bei sofortigem Vollzug der angefochtenen Rechtsakte ein schwerer und irreparabler Schaden ver-ursacht würde, der den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen recht-fertigen könnte.

41      Was die Dringlichkeit der begehrten Eilmaßnahmen im Falle von HTTS betrifft, so besteht deren finanzieller Schaden nach eigenem Bekunden im Wesentlichen darin, dass die Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs stark gefährdet sei und sie in ihrem Markt kaltgestellt werde, woraus sich für sie eine existenzbedrohende Situation ergebe, da sie Gefahr laufe, ihre Solvenz zu verlieren.

42      Nach ständiger Rechtsprechung wird ein finanzieller Schaden grundsätzlich nicht als irreparabel angesehen, da er in der Regel Gegenstand eines späteren finan-ziellen Ausgleichs sein kann. In einem solchen Fall ist der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn bei soforti-gem Vollzug des beanstandeten Rechtsakts vor Erlass der Entscheidung zur Hauptsache insbesondere die wirtschaftliche Existenz des antragstellenden Unter-nehmens gefährdet wäre oder seine Marktanteile irreversibel und gravierend ver-ändert würden (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Vizepräsidenten des Gerichts-hofs vom 7. März 2013, EDF/Kommission, C‑551/12 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 54, und des Präsidenten des Gerichts vom 21. Juni 2011, MB System/Kommission, T‑209/11 R, nicht in der amtlichen Samm-lung veröffentlicht, Randnrn. 29 und 30).

43      Das antragstellende Unternehmen hat insoweit konkrete und vollständige Informa-tionen über seine wirtschaftliche und finanzielle Lage zu liefern (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 29. Juli 2011, HeidelbergCement/Kommission, T‑302/11 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 17). Diese Angaben müssen mit detaillierten Beweisurkunden untermauert werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P[R], Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001, Le Canne/Kommission, T‑241/00 R, Slg. 2001, II‑37, Randnr. 37, und vom 19. Dezember 2001 Government of Gibraltar/Kommission, T‑195/01 R und T‑207/01 R, Slg. 2001, II‑3915, Randnr. 101), die ein unabhängiger Experte attestiert hat und die es dem Eilrichter erlauben, den Wahrheitsgehalt der Angaben zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 13. Oktober 2006, Vischim/Kommission, T‑420/05 R II, Slg. 2006, II‑4085, Randnr. 83, vom 15. März 2010, GL2006 Europe/Kommission, T‑435/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34, und Beschluss Le Canne/Kommission, Randnr. 35).

44      Wie die Kommission zu Recht hervorhebt, haben die Antragsteller für die Behauptung, HTTS drohe die Insolvenz, weder Beweise in Form von Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt noch erläutert, welche Verträge HTTS mit welchen Kunden abgeschlossen hatte bzw. hätte abschließen können. Das Vorbringen der Antragsteller, HTTS drohe ein schwerer und irreparabler Schaden, kann daher nicht durchgreifen. Im Übrigen erscheint es bemerkenswert, dass HTTS, obwohl seit 2010 ohne Unterbrechung dem Sanktionsregime des Rates unterworfen, Anfang 2014 ihren Geschäftsbetrieb anscheinend immer noch aufrechterhält und lediglich befürchtet, demnächst insolvent zu werden.

45      Die Antragsteller haben somit auch in Bezug auf HTTS die Dringlichkeit der begehrten Eilmaßnahmen nicht hinreichend dargetan.

46      Für den Fall, dass die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht für dringlich gehalten werden sollten, regen die Antragsteller an, die Voraussetzung der Dring-lichkeit durch das Kriterium des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs in unmittel-barer Anwendung von Art. 278 AEUV zu ersetzen.

47      Dazu tragen die Antragsteller vor, die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Rechtsakte sei dringend notwendig, um ein offensichtlich rechtsmissbräuchliches Verhalten des Rates zu unterbinden. In der Tat sei der Rat zu einem großen Teil Forum politisch motivierter Entscheidungen. Die Mitgliedstaaten der EU drängten ihn dazu, die restriktiven Maßnahmen gegen Iran möglichst rigoros durch-zusetzen, wobei sie sich vermutlich auf Geheimdienstinformationen stützten, die dem Rat nicht zu einer eigenen Überprüfung übermittelt würden. Der Rat habe zugestanden, dass er weder Beweise selbst prüfe noch Ermittlungen anstelle, sondern Personen und Einrichtungen „auf Zuruf“ der Regierungen in die Sank-tionslisten aufnehme. Der Rat nutze die Tatsache aus, dass eine Klage gegen Sanktionsmaßnahmen nach Art. 278 AEUV keine aufschiebende Wirkung habe und Verfahren vor dem Gericht der EU Zeit in Anspruch nähmen. Daher erlasse der Rat seit 2010 rechtswidrige, aber wirksame Rechtsakte, um die Antragsteller von Urteil zu Urteil auf der Sanktionsliste zu halten. Würden die Sanktionsent-scheidungen aufgehoben, so nehme der Rat kosmetische Änderungen vor und erlasse erneut rechtswidrige, aber wirksame Rechtsakte.

48      Nachdem der Rat das Gericht wiederholt nicht habe davon überzeugen können, dass die Antragsteller unter der Kontrolle der IRISL stünden, habe er, um einer erneuten Niederlage vor dem Gericht zu entgehen, durch eine legislative Maß-nahme (Beschluss 2013/497 und Verordnung Nr. 971/2013) die Tatbestands-voraussetzungen geändert, die vorliegen müssten, um Personen oder Einrich-tungen durch Einzelfallentscheidung in die Sanktionslisten aufzunehmen. Statt unter der Kontrolle der IRISL zu stehen, müssten Personen oder Einrichtungen nunmehr nur noch „wesentliche Dienstleistungen“ für IRISL erbringen. Diese Tatbestandsvoraussetzungen seien den Antragstellern auf den Leib geschneidert worden, um sie sanktionieren zu können. Der Rat operiere auf der Basis, dass es effektiver sei, einen neuen rechtswidrigen Rechtsakt zu erlassen, sobald ein vorhe-riger für nichtig erklärt worden sei, als den Urteilen des Gerichts Folge zu leisten.

49      Die Antragsteller meinen, sie könnten sich gegen diese Taktik des Rates nur effektiv verteidigen, wenn der Vollzug der angefochtenen Rechtsakte ausgesetzt werde. Andernfalls wären sie schutzlos der Hoheitsgewalt des Rates ausgeliefert, der sie rechtswidrig dauerhaft auf seinen Sanktionslisten halten könnte.

50      Dazu ist festzustellen, dass die Dringlichkeit des Erlasses von Eilmaßnahmen in singulären Ausnahmefällen durchaus in der zwingenden Notwendigkeit bestehen kann, so schnell wie möglich einen Zustand zu beseitigen, der dem ersten Anschein nach als eine offenkundige und äußerst schwerwiegende Rechts-verletzung erscheint (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 11. März 2013, Communicaid Group/Kommission, T‑4/13 R, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45).

51      Auch die Anregung der Antragsteller, Art. 278 AEUV unmittelbar anzuwenden, erscheint keineswegs abwegig. Diese primärrechtliche Bestimmung, die es dem Eilrichter gestattet, die Durchführung einer vor dem Gericht angefochtenen Hand-lung auszusetzen, „wenn er dies den Umständen nach für nötig hält“, hat in der Normenhierarchie Vorrang vor dem sekundärrechtlichen Art. 104 § 2 der Ver-fahrensordnung des Gerichts, der den Erlass einer Eilmaßnahme u. a. von deren „Dringlichkeit“ abhängig macht, d. h. von dem nach ständiger Rechtsprechung zu führenden Nachweis, dass dem Antragsteller andernfalls ein schwerer und irrepa-rabler Schaden entstünde (siehe oben, Randnr. 35). Es lässt sich nicht apodiktisch ausschließen, dass unter bestimmten außergewöhnlichen Fallkonstellationen der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten erscheint, obwohl der Nachweis eines derartigen Schadens (etwa finanzieller Natur) nicht geführt werden kann.

52      Jedoch kann vorliegend von einer solchen Fallkonstellation keine Rede sein. Insbesondere geht aus den Akten nicht hervor, dass die angefochtenen Rechtsakte mit einer offenkundigen und äußerst schwerwiegenden Rechtswidrigkeit behaftet wären.

53      Was die – in diesem Zusammenhang prima facie allein relevante – Rüge betrifft, der Rat habe den Beschluss 2013/497 und die Verordnung Nr. 971/2013, auf denen die angefochtenen Rechtsakte beruhen, offensichtlich ermessensmiss-bräuchlich erlassen, da es sich um den Antragstellern auf den Leib geschneiderte Einzelfallgesetze handele, die einzig dazu dienten, ihre Rechtsschutzmöglich-keiten auszuhöhlen, so trifft es zu, dass die Aufnahme von HTTS in die Sank-tionslisten des Rates vom Gericht bereits zweimal, zuletzt am 12. Juni 2013, für nichtig erklärt worden ist (siehe oben, Randnrn. 7 und 11) und dass eine solche Nichtigerklärung im Falle des Antragstellers durch Urteil vom 6. September 2013 erfolgt ist (siehe oben, Randnr. 17). Es ist ebenfalls richtig, dass das Gericht mit Urteil vom 16. September 2013, Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat (T-489/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), auch die Strei-chung der IRISL und mehrerer für die IRISL tätiger Unternehmen aus den Sank-tionslisten verfügt hat.

54      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in dem Urteil Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat (Randnrn. 47, 48, 57 und 66) die Sanktionsmaßnahmen im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben worden sind, der Rat habe den betroffenen Unternehmen nicht nachweisen können, dass sie die nukleare Proli-feration Irans effektiv unterstützt hätten; hierfür genüge es beim gegenwärtigen Stand des Sanktionsregimes nicht, den Transport von allgemeinem Wehrmaterial zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang hat das Gericht ausdrücklich bekräftigt, dass es dem Rat als Gesetzgeber freistehe, die Tatbestandsvoraus-setzungen für Sanktionsmaßnahmen zu erweitern, wenn er der Auffassung sei, das geltende Sanktionsregime reiche nicht aus, um die nukleare Proliferation Irans wirksam zu unterbinden (Randnr. 64).

55      Außerdem hat das Gericht in dem Urteil HTTS/Rat (T‑128/12 und T‑182/12, Randnr. 46) dem Rat bescheinigt, dass er in Bezug auf die allgemeine und ab-strakte Definition der rechtlichen Kriterien und Modalitäten von Sanktionsmaß-nahmen über ein weites Ermessen verfüge, so dass die gerichtliche Kontrolle dieser Kriterien und Modalitäten auf die Prüfung beschränkt sei, ob die Verfah-rensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden seien, der Sach-verhalt richtig ermittelt worden sei und ein offensichtlicher Fehler in der Beurtei-lung der Tatsachen oder ein Ermessensmissbrauch vorliege, wobei diese einge-schränkte Kontrolle auch für die Beurteilung der Zweckmäßigkeitserwägungen gelte, auf denen die Sanktionsmaßnahmen beruhten.

56      In Anbetracht dieser Rechtsprechung kann dem Rat prima facie nicht vorgeworfen werden, mit dem Erlass des Beschlusses 2013/497 und der Verordnung Nr. 971/2013, durch die – laut jeweiligem zweiten Erwägungsgrund – die Sanktions-kriterien zwecks Erfassung bisheriger Umgehungstatbestände angepasst werden sollten, eine offenkundige und äußerst schwerwiegende Rechtswidrigkeit began-gen zu haben. Da die neuen Sanktionskriterien abstrakt-generell definiert sind, kann auch nicht von einem einzig auf die Antragsteller abzielenden unzulässigen Einzelfallgesetz die Rede sein.

57      Die von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnungen erscheinen somit auch bei extensiver Auslegung des Dringlichkeitskriteriums bzw. unmit-telbarem Rückgriff auf Art. 278 AEUV nicht gerechtfertigt.

58      Ein Erlass der beantragten Eilmaßnahmen kommt schließlich auch deshalb nicht in Betracht, weil die Abwägung der widerstreitenden Interessen zulasten der Antragsteller ausfällt.

 Zur Interessenabwägung

59      Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Risiken jeder der möglichen Lösungen gegeneinander abgewogen werden. Konkret bedeutet dies, dass insbesondere zu prüfen ist, ob das Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Rechts-akts schwerer wiegt als das Interesse des Antragsgegners an einem sofortigen Vollzug dieses Aktes. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob bei einer späteren Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts im Verfahren zur Hauptsache die durch den sofortigen Vollzug dieses Aktes entstandene Lage revidiert werden könnte und inwieweit – umgekehrt – eine Aussetzung des Vollzugs die Errei-chung der mit dem angefochtenen Akt verfolgten Ziele bei einer späteren Klage-abweisung behindern würde (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 11. März 2013, Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, T‑110/12 R, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 50, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Juli 1996, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96 R, Slg. 1996, I‑3903, Randnr. 89).

60      Im vorliegenden Fall würde eine Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Rechtsakte den Antragstellern den sofortigen Zugriff auf ihre blockierten Bank-konten gestatten und es ihnen somit erlauben, die gegen sie verhängten Sank-tionen vor einer Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache ins Leere laufen zu lassen. Dies würde die Erreichung der vom Rat gegenüber Iran verfolgten politischen Ziele gefährden, wobei die Wirkung der einstweiligen Anordnungen für den Fall, dass die Nichtigkeitsklage abgewiesen werden sollte, nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Eine einstweilige Anordnung muss jedoch vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreift und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisiert (vgl. in diesem Sinne Beschluss Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, Randnr. 34; vgl. auch Beschluss des Präsidenten des Gerichts-hofs vom 14. Juni 2012, Qualitest FZE/Rat, C‑644/11 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 73 bis 77).

61      Hingegen wäre im Falle der Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte im Verfahren zur Hauptsache eine Umkehrung der durch den sofortigen Vollzug entstandenen Lage möglich. Die Antragsteller haben nämlich nicht dargetan, dass ihnen bei Zurückweisung ihres Eilantrags ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde (vgl. in diesem Sinne Beschluss Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, Randnr. 35).

62      Im Übrigen muss berücksichtigt werden, dass wirtschaftspolitische Sanktionsmaß-nahmen wie die angefochtenen Rechtsakte Verordnungscharakter haben. In Bezug auf die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung einer Verordnung bestimmt Art. 60 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die Entscheidungen des Gerichts, in denen ein solcher Rechtsakt für nichtig erklärt wird, erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder, wenn innerhalb dieser Frist Rechtsmittel eingelegt worden ist, nach dessen Zurückweisung durch den Gerichtshof wirksam werden. Diese Aufrechterhaltung der Gültigkeit der Sank-tionen wird damit gerechtfertigt, dass dem Rat Gelegenheit gegeben werden soll, die festgestellten Rechtsverstöße zu beheben, indem er gegebenenfalls neue Sank-tionsmaßnahmen erlässt, während eine sofort wirksame Nichtigerklärung die Betroffenen in die Lage versetzen würde, die neuen Maßnahmen durch geeignete Vorkehrungen ins Leere laufen zu lassen. Diese Erwägungen, die sich auf Verord-nungen im rechtstechnischen Sinn beziehen, sind systematisch auch auf Sank-tionsbeschlüsse übertragen worden, und zwar auf der Grundlage von Art. 264 Abs. 2 AEUV, der es dem Gericht erlaubt, bestimmte Wirkungen des für nichtig erklärten Rechtsakts fortgelten zu lassen (vgl. in diesem Sinne Beschluss Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, Randnrn. 36 bis 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Das Gericht hat in ständiger Rechtsprechung auf der Basis von Art. 60 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 264 Abs. 2 AEUV die zeitlich befristete Fort-geltung der von ihm für nichtig erklärten Sanktionsmaßnahmen angeordnet, gerade auch in den die Antragsteller betreffenden Urteilen HTTS/Rat (T‑562/10, Randnrn. 41 bis 43), HTTS/Rat (T‑128/12 und T‑182/12, Randnrn. 74 bis 79) und Bateni/Rat (T‑42/12 und T‑181/12, Randnrn. 82 bis 87).

64      Es spricht deshalb vieles dafür, dass das Gericht auch am Ende des Verfahrens zur Hauptsache T‑45/14 die Wirkung der angefochtenen Rechtsakte, wenn diese für nichtig erklärt werden sollten, für einen begrenzten Zeitraum aufrechterhalten würde, zumal im vorliegenden Fall eine offenkundige und äußerst schwer-wiegende Rechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Erlass dieser Akte ausge-schlossen worden ist (siehe oben, Randnrn. 50 bis 57). Die Antragsteller würden also auch im Falle der von ihnen erreichten Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte nicht sofort aus den Sanktionslisten des Rates gestrichen.

65      Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass eine solche sofortige Streichung auch nicht von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter durch einstweilige Anordnung herbeigeführt werden kann.

66      Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes steht nämlich in einem rein akzes-sorischen Verhältnis zum Verfahren zur Hauptsache und dient nur dazu, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache zu gewährleisten; jede vom Eilrichter erlassene einstweilige Anordnung tritt gemäß Art. 107 § 3 der Verfahrensordnung automatisch mit der Verkündung des Endurteils außer Kraft. Das Interesse der Antragsteller an ihrer „vorläufigen“ Streichung aus den Sanktionslisten des Rates ist daher auf einen Vorteil gerichtet, den sie nicht einmal mit einem Nichtigkeitsurteil erlangen könnten. Die von ihnen begehrte praktische Wirkung eines solchen Urteils – ihre Streichung aus diesen Listen – würde zeitlich erst nach der Urteilsverkündung eintreten. Zu diesem Zeitpunkt hat der Eilrichter aber jegliche Zuständigkeit verloren. Daher kann das Interesse der Antragsteller, im Wege einer einstweiligen Anordnung ihre Streichung aus den Sanktionslisten zu erwirken, vom Eilrichter nicht geschützt werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, Randnr. 40).

67      Die Interessenabwägung fällt folglich nicht zugunsten der Antragsteller aus.

68      Es erweist sich somit, dass die Antragsteller das gewünschte Ergebnis – ihre schnellstmögliche Streichung aus den Sanktionslisten des Rates – nur im Wege eines entsprechenden Nichtigkeitsurteils im Verfahren zur Hauptsache und zudem auch nur unter der Voraussetzung erreichen können, dass in Änderung der bisherigen Rechtsprechung von der Anwendung des Art. 60 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs sowie des Art. 264 Abs. 2 AEUV generell oder im speziellen Fall der Antragsteller abgesehen wird.

69      Nach alledem ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen, da die Antragsteller nicht die Dringlichkeit der begehrten Eilmaßnahmen dargetan haben und die Abwägung der widerstreitenden Interessen gegen die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Rechtsakte spricht. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine eingehende Prüfung des vom Rat bestrittenen Fumus boni iuris.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 24. Februar 2014

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.