SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER
vom 6. September 20071(1)
Rechtssache C‑267/06
Tadao Maruko
gegen
Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen
(Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München [Deutschland])
„Hinterbliebenenversorgung aus einem berufsständischen Pflichtversorgungssystem – Versagung mangels Eheschließung – Gleichgeschlechtliche Paare – Richtlinie 2000/78/EG – Geltungsbereich – Ausschluss von Leistungen der sozialen Sicherheit – Begriff des Arbeitsentgelts – Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung“
I – Einleitung
1. Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat dem Gerichtshof nach Art. 234 EG fünf Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(2) (im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Die Rechtssache hat ihren Ursprung in der Weigerung, dem Hinterbliebenen aus einer Paarbeziehung von Personen gleichen Geschlechts, die – weil die Ehe im nationalen Recht heterosexuellen Verbindungen vorbehalten ist – nicht geheiratet hatten, eine Rente zu gewähren; sie steht folglich im Zusammenhang mit dem weitreichenden Prozess der Anerkennung der Homosexualität(3) als unverzichtbarer Schritt auf dem Weg zur Durchsetzung der Gleichberechtigung und Achtung aller Menschen.
3. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der vom Kläger im Ausgangsverfahren geltend gemachte Anspruch unter die Richtlinie fällt (erste und zweite Frage), ob eine nach der Richtlinie verbotene Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Ausrichtung vorliegt (dritte und vierte Frage) und ob die Zuerkennung des Anspruchs zeitlich begrenzt werden müsste (fünfte Frage).
4. Es ist deshalb unumgänglich, zwei Gesichtspunkte zu prüfen: den der Abgrenzung des Begriffs des Entgelts vom Begriff der Leistung der sozialen Sicherheit und den der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung. Die Rechtsprechung hat sich häufig mit dem ersten Gesichtspunkt, aber lediglich bei einigen Gelegenheiten mit dem zweiten befasst.
II – Rechtlicher Rahmen
A – Gemeinschaftsrecht
1. Der EG-Vertrag
5. Durch den Vertrag von Amsterdam(4) wurde der erste Absatz von Art. 13 des EG-Vertrags wie folgt neu gefasst:
„Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“
6. Im Vertrag von Nizza(5) wurde Art. 13 EG ein Abs. 2 mit folgendem Wortlaut angefügt:
„Abweichend von Absatz 1 beschließt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251, wenn er gemeinschaftliche Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der Maßnahmen annimmt, die die Mitgliedstaaten treffen, um zur Verwirklichung der in Absatz 1 genannten Ziele beizutragen.“
2. Die Richtlinie 2000/78
7. Auf der Grundlage des Art. 13 EG wurde die bereits erwähnte Richtlinie 2000/78 erlassen, von der einige Erwägungsgründe hervorgehoben werden sollen. So werden im 13. Erwägungsgrund „Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde“, und „Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben“, ausgeschlossen. Im 22. Erwägungsgrund wird darauf hingewiesen, dass die Gemeinschaftsvorschriften „die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt“ lassen.
8. Nach Art. 1 dient die Richtlinie der Schaffung „eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.
9. Art. 2 definiert den „Begriff ‚Diskriminierung‘“ und unterscheidet dabei in Abs. 1 zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Gemäß Abs. 2 „liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“, und „eine mittelbare Diskriminierung …, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können“. Dieser Abs. 2 lässt einige Ausnahmen zu, etwa wenn sich ein rechtmäßiges Ziel, das sachlich gerechtfertigt und durch angemessene und erforderliche Mittel erreichbar ist, feststellen lässt.
10. Unter der Überschrift „Geltungsbereich“ sieht Art. 3 Folgendes vor:
„(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs;
b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung;
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;
d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen.
…
(3) Diese Richtlinie gilt nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.
…“
B – Deutsches Recht
1. Die Umsetzung der Richtlinie 2000/78
11. Nach Art. 18 der Richtlinie endete die Frist für ihre Umsetzung durch die Mitgliedstaaten am 2. Dezember 2003(6). Dennoch wurde das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(7) erst am 14. August 2006 erlassen.
2. Die Hinterbliebenenversorgung und ihr Träger
12. Die Tarifordnung für die deutschen Theater vom 27. Oktober 1937(8) verpflichtet in ihrem § 1 alle Theaterunternehmer, eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung für die bei ihnen beschäftigten Bühnenschaffenden abzuschließen. Nach § 4 tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge je zur Hälfte.
13. Die mit der Verwaltung der Versicherung betraute Einrichtung ist die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (im Folgenden: VddB), eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die durch die Bayerische Versorgungskammer vertreten wird. Sie hat ihren Sitz in München, und ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik. Ihre Satzung vom 12. Dezember 1991(9) regelt die Zusammensetzung, die Aufgaben und die zu erfüllenden Leistungen.
14. § 27 Abs. 2 der Satzung macht die Gewährung von Leistungen an Hinterbliebene davon abhängig, dass der Versicherte unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalls pflichtversichert oder freiwillig versichert war und die Wartezeit erfüllt ist.
15. Insbesondere räumen die §§ 32 und 34 der Satzung der „Ehefrau“ oder dem „Ehemann“ einen Anspruch auf Witwen- bzw. Witwergeld unter der Voraussetzung ein, dass die „Ehe“ bis zum Tod des oder der Versicherten bestanden hat.
3. Die Regelung von Lebenspartnerschaften
16. Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG) vom 16. Februar 2001(10) hat für Personen gleichen Geschlechts ein familienrechtliches Institut geschaffen, das der Ehe nahekommt.
17. Für die Eintragung einer solchen Verbindung verlangt § 1 Abs. 1 eine Erklärung, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit eingehen zu wollen. Für die Dauer der Verbindung sind die Lebenspartner einander zu Fürsorge und Unterstützung verpflichtet (§ 2); sie müssen zur Lebensgemeinschaft beitragen, wobei hinsichtlich der Unterhaltspflichten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Ehegatten gelten (§ 5); wie Ehegatten leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, können aber einen anderen Güterstand vereinbaren (§ 6); außerdem gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen (§ 11). Im Fall der Trennung bleibt – gleichfalls entsprechend der Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch – die Unterhaltspflicht bestehen (§ 16), und es findet ein Versorgungsausgleich statt (§ 20).
18. § 46 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch(11) überträgt die Angleichung der eingetragenen Partnerschaft an die Ehe auf die gesetzlichen Hinterbliebenenrenten, indem er die Rechtssubjekte beider Rechtsinstitute einander gleichstellt.
III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
19. Herr Maruko und ein anderer Mann begründeten am 8. November 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem LPartG.
20. Der Partner von Herrn Maruko war Kostümbildner beim Theater und seit dem 1. September 1959 ohne Unterbrechungen bei der VddB versichert, wobei er, sogar als keine Pflichtversicherung bestand, während des Zeitraums zwischen dem 1. September 1975 und dem 30. September 1991 weiter Beiträge auf freiwilliger Basis entrichtete. Er verstarb am 12. Januar 2005.
21. Am 17. Februar 2005 stellte Herr Maruko einen Antrag auf Witwerrente(12), den die VddB mit Bescheid vom 28. Februar 2005 ablehnte, da die Satzung für Hinterbliebene aus einer eingetragenen Lebenspartnerschaft keine solche Hinterbliebenenversorgung vorsehe. Nach erfolglosem Widerspruch beschritt der Betreffende den Rechtsweg.
22. Das Bayerische Verwaltungsgericht München stellte fest, dass die deutschen Rechtsvorschriften dem Kläger keinen Anspruch auf die streitige Versorgung einräumten, da die §§ 32 und 34 der Satzung der VddB verlangten, dass zwischen dem Antragsteller und dem Versicherten eine Ehe bestanden haben müsse; insoweit nahm es – in Anbetracht der Tatsache, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft Personen vorbehalten ist, die miteinander keine Ehe eingehen können – von einer erweiternden Auslegung der Begriffe „Witwer“, „Witwe“, „Ehemann“ oder „Ehefrau“ Abstand. Zudem seien die genannten Bestimmungen mit anderen höherrangigen Vorschriften, konkret mit Art. 3 des Grundgesetzes, vereinbar(13).
23. Unter diesen Umständen hat es, da es der Auffassung ist, der Antrag müsse nur noch anhand der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften geprüft werden, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Handelt es sich bei einem berufsständischen Pflichtversorgungssystem – wie im vorliegenden Fall die VddB – um ein den staatlichen Systemen gleichgestelltes System im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78?
2. Sind unter Arbeitsentgelt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 Leistungen an Hinterbliebene in Form von Witwen- bzw. Witwergeld einer Pflichtversorgungseinrichtung zu verstehen?
3. Steht Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 Satzungsbestimmungen eines Zusatzversorgungssystems der hier vorliegenden Art entgegen, nach denen ein eingetragener Lebenspartner nach Versterben seines Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend Eheleuten erhält, obwohl er ebenfalls in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft wie Eheleute lebt?
4. Falls die vorstehenden Fragen bejaht werden: Ist eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung aufgrund des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 zulässig?
5. Wäre die Hinterbliebenenversorgung aufgrund der Barber‑Rechtsprechung (Rechtssache C‑262/88)(14) auf Zeiten ab dem 17. Mai 1990 begrenzt?
IV – Verfahren vor dem Gerichtshof
24. Die VddB, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben innerhalb der Frist des Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs schriftliche Erklärungen eingereicht.
25. Die VddB vertritt die Auffassung, dass sie ein staatliches System der sozialen Sicherheit verwalte und deshalb außerhalb der Richtlinie stehe. Jedenfalls handele es sich bei einer Leistung an Hinterbliebene, die eine Pflichtversorgungseinrichtung in Form von Witwen- oder Witwergeld gewähre, nicht um „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie. Aber selbst wenn ihre Satzungsbestimmungen unter diese Vorschrift fielen, stellten sie weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung dar. Darüber hinaus sei der Hinweis auf den Familienstand im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie heranzuziehen, auch wenn er in deren normativem Teil keinen Niederschlag gefunden habe. Die Barber-Rechtsprechung schließlich sei nicht einschlägig, da sie zu einem anderen Streitfall ergangen sei.
26. Das Vereinigte Königreich spricht sich dafür aus, zuerst die vierte Frage anhand des Wortlauts des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie zu prüfen, der an den Familienstand geknüpfte Leistungen wie die im vorliegenden Fall, bei denen der Anspruch vom Bestehen einer Ehe abhänge, ausschließe; infolgedessen brauchten die übrigen Fragen nicht geprüft zu werden.
27. Nach Ansicht der Kommission stammt die beantragte Versorgung nicht aus einem staatlichen oder damit gleichgestellten System der sozialen Sicherheit, da sie die vom Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen für eine Einordnung als „Entgelt“ und demzufolge ihre Unterstellung unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 erfülle. Was die dritte und die vierte Frage betrifft, die der Kommission zufolge zusammen beantwortet werden sollten, erwähnt die Kommission die Bedeutung des 22. Erwägungsgrundes für die Auslegung, dem sie das Fehlen einer staatlichen Verpflichtung zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe entnimmt; wenn jedoch ein Staat beide Rechtsinstitute einander gleichstelle – was festzustellen Sache des nationalen Gerichts sei – müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden. Mit dieser Prämisse werde eine unmittelbare Diskriminierung ausgeschlossen, nicht jedoch eine mittelbare. Die fünfte Frage schließlich brauche nicht beantwortet zu werden, da das Urteil Barber sich mit Gesichtspunkten befasse, die sich von den im vorliegenden Verfahren angesprochenen unterschieden.
28. In der Sitzung vom 19. Juni 2007 waren die Prozessbevollmächtigten von Herrn Maruko, des VddB sowie der Regierungen der Niederlande, des Vereinigten Königreichs und der Kommission zugegen und haben mündliche Ausführungen gemacht.
V – Die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie 2000/78 zu berufen
29. Vor jeder anderen Überlegung stellt sich eine wichtige Vorfrage, denn die nationalen Rechtsordnungen mussten sich der Richtlinie spätestens am 2. Dezember 2005 angepasst haben, und Deutschland erließ das entsprechende Gesetz erst am 14. August 2006(15), während der Kläger die Leistung am 17. Februar 2005 beantragte.
30. Somit kommt der Rechtsgedanke der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ins Spiel, zu dem es eine umfangreiche Rechtsprechung gibt, der zufolge sich die Einzelnen immer dann, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, gegenüber dem Staat, der seine nationale Rechtsordnung nicht fristgemäß oder unzulänglich anpasst, auf diese Bestimmungen berufen können(16). Eine Gemeinschaftsbestimmung ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung und Wirksamkeit einer Maßnahme eines Organs der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten bedarf(17); sie ist hinreichend genau, wenn sie unzweideutig eine Verpflichtung begründet(18).
31. Zu den Einrichtungen, denen gegenüber eine solche Berufung möglich ist, gehören darüber hinaus diejenigen, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur – kraft staatlichen Auftrags unter entsprechender Aufsicht eine Dienstleistung im allgemeinen Interesse erbringen und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sind(19).
32. Deshalb ist zu prüfen, ob Herr Maruko in Anbetracht der verspäteten Umsetzung der Richtlinie 2000/78 ihre Beachtung von der VddB verlangen kann.
33. Zum einen bringt Art. 1 der Richtlinie deren Zweck zum Ausdruck, in Beschäftigung und Beruf Ausgrenzungen wegen der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen, um dem Gleichheitssatz zum Durchbruch zu verhelfen; Art. 2 umschreibt den Begriff „Diskriminierung“, und Art. 3 Abs. 1 führt die Aspekte an, unter denen Personen betroffen werden, darunter auch den des Arbeitsentgelts. Die Richtlinie enthält somit ein unbedingtes und genaues Verbot jeglicher auf die sexuelle Ausrichtung gegründeter Entgeltungleichheit zwischen Arbeitnehmern.
34. Zum anderen ist die VddB eine juristische Person des öffentlichen Rechts und der staatlichen Verwaltungsaufsicht unterworfen.
35. Ich teile daher die Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Kommission, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen, im Ausgangsverfahren die unmittelbare Wirkung und die entsprechenden Folgen anzuerkennen.
VI – Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78
36. Nachdem die Unsicherheit darüber, ob es möglich ist, die Gemeinschaftsvorschriften anzuführen, ausgeräumt ist, schlage ich dem Gerichtshof vor, die ersten beiden Fragen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München zusammen zu beantworten, da beide den Geltungsbereich der Richtlinie betreffen.
37. Art. 3 der Richtlinie umschreibt deren Geltungsumfang positiv und negativ; denn in seinem Abs. 1 Buchst. a bis d werden die von der Richtlinie erfassten Angelegenheiten aufgezählt, während in Abs. 3 die von ihr ausgenommenen genannt werden. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Versorgung, die Herr Maruko beansprucht, als Entgelt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c oder als eine Leistung aus einem staatlichen System der sozialen Sicherheit im Sinne des Art. 3 Abs. 3 einzuordnen ist und somit entweder innerhalb oder außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie steht.
38. Um diese schwierigen Fragen zu lösen und die Rechtsnatur der streitigen Versorgung darzustellen, bedürfen die Begriffe „Leistung der sozialen Sicherheit“ und „Arbeitsentgelt“, die nicht miteinander vereinbar sind, einer vertieften Betrachtung.
39. Die vierte Vorlagefrage betrifft die Reichweite der Ausnahme, die der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie für vom Familienstand abhängige Leistungen macht; sie weist daher eine Verbindung zum Aktionsradius der Gemeinschaftsrechtsquelle auf; da sie sich aber in einem eigenen Bereich befindet, bedarf sie einer gesonderten Betrachtung.
A – Die Leistungen der sozialen Sicherheit
40. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie schließt Leistungen jeder Art aus, die zulasten der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes gehen, und laut dem 13. Erwägungsgrund stehen „Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, …“ außerhalb der Richtlinie.
41. Die Sonderstellung der sozialen Sicherheit, für die spezielle Vorschriften wie die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971(20) gelten, wird somit beibehalten.
1. Die Leistungen der sozialen Sicherheit
42. Mit dem Ausschluss von „Leistungen jeder Art“ bezieht sich die Richtlinie auf alle in Art. 1 Buchst. t der Verordnung Nr. 1408/71 umschriebenen „Leistungen“ und „Renten“ einschließlich „aller ihrer Teile aus öffentlichen Mitteln, aller Zuschläge, Anpassungsbeträge und Zulagen, … [der] Kapitalabfindungen, die an die Stelle der Renten treten können, sowie [der] Beitragserstattungen“.
43. Auch wenn diese Abgrenzung nicht sehr genau ist, so zeigt sie die ihr zugedachte Weite und enthält ein wesentliches Merkmal, nämlich die „öffentliche“ Herkunft der gezahlten Beträge.
44. Bei der Festlegung ihres sachlichen Geltungsbereichs nennt die Verordnung Nr. 1408/71 in ihrem Art. 4 Abs. 1 „alle Rechtsvorschriften … der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungen betreffen: … d) Leistungen an Hinterbliebene“. Aus der Formulierung geht hervor, dass der Umstand, dass es sich um eine Witwen- oder Witwerrente handelt, für die Geltung dieser Verordnung nicht ausreicht; erforderlich ist darüber hinaus die Anbindung an die soziale Sicherheit(21).
2. Die soziale Sicherheit
45. In Anbetracht der Verschiedenheit der Systeme der Mitgliedstaaten, auf die die Erwägungsgründe 3 und 4 der Verordnung hinweisen, geht diese nicht das Wagnis einer Definition ihres Inhalts ein(22). Diese Auslassung hindert jedoch nicht daran, das genannte Rechtsinstitut einer vertieften Prüfung zu unterziehen, um die Fragen des vorlegenden Gerichts auf die geeignetste Art und Weise zu beantworten.
46. Wenn man von Vorläufern, über die sich streiten lässt(23), und von pathetischen vorauswarnenden Formulierungen(24) absieht, so erfasst die soziale Sicherheit Risiken, die durch ihr allgemeines Auftreten und die ebenso verbreitete Überzeugung gekennzeichnet sind, dass ihnen kollektiv und solidarisch begegnet werden muss(25).
47. Die Steigerung der Produktivität infolge der industriellen Revolution(26) setzte die Einführung spezieller Techniken zur Absicherung der arbeitenden Bevölkerung voraus(27). Die Modelle sind von Ort zu Ort verschieden, wobei sich grundsätzlich zwei unterscheiden lassen: das Beitragsmodell, das darauf basiert, dass der Umfang der Leistungen von vorherigen Beitragszahlungen abhängt, und das Fürsorgemodell, das von den genannten Beitragszahlungen abgekoppelt ist.
48. Dessen ungeachtet verbinden nahezu alle geltenden Systeme Elemente beider Modelle, wobei eine Tendenz zur Konvergenz festzustellen ist(28). In diesem Zusammenhang ist der zweite Bericht von William Beveridge von Interesse, dem zufolge die soziale Sicherheit als die Gesamtheit der Maßnahmen anzusehen ist, die vom Staat zum Schutz der Bürger gegen die individuellen Risiken ergriffen werden, die niemals vermieden werden können, so fortschrittlich die Gesellschaft, in der sie leben, auch sein mag(29).
49. In diesem Kontext treten einige Merkmale hervor:
– Es ist Sache der öffentlichen Gewalt, die Mittel zum Schutz unmittelbar oder mittelbar bereitzustellen(30);
– die Anspruchsberechtigung wird durch den bloßen Besitz der Staatsangehörigkeit erworben;
– es soll Vorsorge für unvermeidbare Schadensfälle getroffen und diesen abgeholfen werden.
50. Die letztgenannten Umstände weisen zeit- oder landesbedingte Schattierungen auf, denn jede Epoche strebt ein „Absicherungsideal“ an(31). Trotzdem ist der materielle Gehalt der sozialen Sicherheit wegen ihrer Internationalisierung(32) relativ stabil, wobei hinsichtlich des von ihr hervorgerufenen gemeinschaftlichen Interesses ein nicht zu leugnender Fortschritt festzustellen ist(33).
51. Die drei genannten Merkmale belegen auch die Autonomie der sozialen Sicherheit gegenüber dem Arbeitsrecht(34), die in mehrfacher Hinsicht deutlich wird: hinsichtlich des geschützten Personenkreises, des gewährten Schutzes sowie der Finanzierung und der Verwaltung des Systems(35).
52. Die Distanzierung vom Arbeitsrecht wirkt sich auf das vom Gerichtshof entwickelte Konzept des Arbeitsentgelts aus.
B – Der Entgeltbegriff
1. Allgemeine Überlegungen
53. Die Richtlinie 2000/78 erfasst alle Personen in Bezug auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“, definiert jedoch keinen dieser Begriffe.
54. Es muss deshalb auf die Beschreibung des Entgelts in Art. 141 EG und die Rechtsprechung, die sie ausgelegt hat, zurückgegriffen werden. Diese Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Entgeltgleichheit zwischen Arbeitnehmern beiderlei Geschlechts sicherzustellen, und auch die Richtlinie geht, wie ihr Titel, ihre Erwägungsgründe und ihr Art. 1 belegen, in dieselbe Richtung der Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, allerdings nicht nur wegen des Geschlechts. Darüber hinaus verweist der 13. Erwägungsgrund ausdrücklich auf den genannten Art. 141 EG, um die Unterschiede zu den Leistungen der sozialen Sicherheit festzulegen.
55. Das Zusammentreffen mit einer Gegenleistung erweist sich als wesentlich für die Begründung des Arbeitsverhältnisses(36), was es rechtfertigt, dass Art. 141 Abs. 2 EG mit der Formulierung „die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und ‑gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen …, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt“ so weit ausholt.
56. Wie ich in früheren Schlussanträgen ausgeführt habe(37), hat der Gerichtshof die gesetzliche Definition allmählich mit Konturen versehen. Er hat beispielsweise als Arbeitsentgelt angesehen: Vergünstigungen bei der Beförderung, die ein Eisenbahnunternehmen seinen Angestellten von ihrem Eintritt in den Ruhestand an gewährte und die auch für deren Familienangehörige galten, so dass diese sogar den Angehörigen der ehemaligen Arbeitnehmer unter den gleichen Voraussetzungen zugutekommen mussten(38); die Fortzahlung des Arbeitsentgelts während krankheitsbedingter Abwesenheit(39); Leistungen, die bei Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen gewährt werden(40); die Vergütung, die Betriebsratsmitgliedern in Form von bezahlter Arbeitsfreistellung oder in Form der Bezahlung von Überstunden wegen ihrer Teilnahme an Schulungsveranstaltungen gewährt wird, die die für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kenntnisse vermitteln, auch wenn sie während der Dauer dieser Veranstaltungen keine der in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehenen Tätigkeiten ausführen(41); den Anspruch auf Einbeziehung in ein Betriebsrentensystem(42); die Leistung, die der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin gemäß gesetzlicher Vorschriften oder aufgrund von Tarifverträgen während der Zeit des Mutterschaftsurlaubs zahlt(43); die Jahresendprämie, die vom Arbeitgeber nach Maßgabe eines Gesetzes oder eines Tarifvertrags gezahlt wird(44); die Abfindung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses(45); die freiwillige und widerrufliche Weihnachtsgratifikation, die als Anreiz für zukünftige Arbeit und die Betriebstreue gewährt wird(46); eine monatliche Zulage(47); die Berücksichtigung der Dauer des Militärdienstes bei der Betriebszugehörigkeit mit den entsprechenden finanziellen Auswirkungen(48) oder das bei einer Unternehmensumstrukturierung ergänzend zur Abfertigung gewährte Überbrückungsgeld(49).
57. In all diesen Urteilen treten gemeinsame Elemente zutage, die die Überlegung bestätigen, dass das „Entgelt“ eine jetzige oder zukünftige Bar- oder Sachleistung ist, die der Arbeitgeber(50) dem Arbeitnehmer – und sei es auch nur mittelbar – wegen des Arbeitsverhältnisses(51), auch wenn dieses bereits beendet ist(52), aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung, kraft Gesetzes oder freiwillig gewährt(53).
2. Renten
58. Bei der Anwendung von Art. 141 EG auf Renten hat der Gerichtshof die gewohnten Kriterien nuanciert.
59. So hat er unmittelbar durch Gesetz geregelte – und dadurch keinerlei Vereinbarungen zulassende – Ruhestandsleistungen, sofern sie für allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gelten und die Beitragszahlungen aufgrund von sozialpolitischen Erwägungen festgelegt werden, vom Begriff des Arbeitsentgelts ausgeschlossen(54).
60. Er hat jedoch Betriebsrenten einbezogen, die, auch wenn sie entsprechend gesetzlichen Bestimmungen erlassen worden sind, ihren Ursprung in einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmervertretern haben, Bestandteil der Arbeitsverträge sind und die nach den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen durch allein vom Arbeitgeber finanzierte Leistungen ergänzen(55); das Gleiche gilt für den Fall, dass ein Rentensystem von den allgemeinen Regelungen abweicht und die Beschäftigten bestimmter Unternehmen betrifft, auch wenn die Arbeitnehmer Beiträge zahlen(56).
61. Der Gerichtshof hat unter den genannten gemeinschaftsrechtlichen Begriff auch niederländische(57), französische(58), finnische(59) und deutsche(60) Beamtenversorgungssysteme sowie Witwen- bzw. Witwerrenten aus Betriebsrentensystemen, die von der innegehabten Beschäftigung abhängen(61), und Hinterbliebenenrenten(62) subsumiert, ohne dass es bei den Letztgenannten eine Rolle spielt, dass die Leistung nicht an den Arbeitnehmer gezahlt wird(63).
62. Somit hat die Rechtsprechung also einige Unterscheidungsmerkmale herausgearbeitet:
– Der gesetzliche Ursprung des Systems stellt ein Indiz dafür dar, dass die Leistungen der sozialen Sicherheit zuzuordnen sind(64), auch wenn dies für einen Ausschluss von Art. 141 EG nicht ausreicht(65).
– Dass die Rente im Verhältnis zu den Renten aus einem gesetzlichen System der sozialen Sicherheit ergänzenden Charakter hat, stellt ebenso wenig ein entscheidendes Erfordernis dar(66).
– Die Modalitäten der Finanzierung und der Verwaltung sind zu berücksichtigen, ohne für die Einordnung ausschlaggebend zu sein(67).
– Es ist zu prüfen, ob die Rente nur für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gilt und ob ihre Höhe in Abhängigkeit von der abgeleisteten Dienstzeit auf der Grundlage des letzten Lohns oder Gehalts berechnet wird, da diese Umstände verhindern, dass sozialpolitische, organisatorische, ethische oder Haushaltsgründe den Ausschlag geben(68).
– Demzufolge ist der maßgebliche Faktor nicht die Rechtsnatur der geldwerten Leistungen(69), sondern der Bezug zum Beschäftigungsverhältnis(70), das einzige Kriterium, das, obwohl es nicht ausschließlich ist, entscheidend sein kann(71).
C – Die Ausgestaltung der streitigen Hinterbliebenenversorgung
1. Einleitende Klarstellung
63. Die VddB hat verschiedene Urteile deutscher Gerichte angeführt, um ihre Ansicht zu stützen, dass sie ein einem gesetzlichen System der sozialen Sicherheit vergleichbares System verwalte.
64. Trotzdem muss geprüft werden, ob die streitige Versorgung unter den Begriff „Entgelt“ fällt, wie er in den europäischen Rechtsvorschriften abgegrenzt wird, ohne das verwaltete System in seiner Gesamtheit zu beurteilen; denn der Gerichtshof hat die Vorlagefragen im Licht des Gemeinschaftsrechts anhand der im Vorabentscheidungsersuchen enthaltenen Angaben zu analysieren.
2. Prüfung der Versorgung nach Maßgabe der Rechtsprechung
65. Die Versorgung hat ihre Grundlage in der Tarifordnung für die deutschen Theater, die einer „Kollektivvereinbarung“ – einem Tarifvertrag – entspricht, auch wenn sie dies zum Zeitpunkt ihres Erlasses – am 27. Oktober 1937 – nicht wirklich war, da der Nationalsozialismus die Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern durch Rechtsverordnungen, die die Arbeitsbedingungen regelten – sogenannte „Tarifordnungen“ – ersetzt hatte.
66. Sie ergänzt wie die übrigen in § 27 der Satzung der VddB aufgeführten Leistungen – Altersruhegeld, Ruhegeld wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und Hinterbliebenenversorgung – die allgemein vorgesehenen Leistungen.
67. Die Finanzierung erfolgt durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer ohne Zuschüsse durch den Bund oder die Länder(72).
68. Die Verwaltung obliegt einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts – der VddB –; diese regelt ihre Angelegenheiten in Selbstverwaltung nach Maßgabe der Beschlüsse des Verwaltungsrats, der aus 15 Arbeitgeber‑ und ebenso vielen Arbeitnehmervertretern besteht, die von den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften benannt werden; sie unterliegt der Rechts‑ und Versicherungsaufsicht durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, das diese Funktionen auf die zuständigen Ministerien des Freistaats Bayern delegiert hat; hierbei gilt die Regelung zur Aufsicht über die Versicherungsunternehmen, die nicht Träger der Sozialversicherung sind, entsprechend(73).
69. Aber diese Besonderheiten stellen nach den angeführten Urteilen nur Indizien dar; das Augenmerk muss auf die Kategorie der betroffenen Arbeitnehmer und die Methode zur Berechnung der Rentenhöhe gerichtet werden.
70. So ist erstens für einen Anspruch erforderlich, dass der Verstorbene vor dem Eintritt des Versicherungsfalls bei der VddB versichert war. Diese Versicherung erstreckt sich verpflichtend auf die an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen, d. h. auf eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern(74). Aber auch ein freiwilliger Beitritt ist möglich, der durch die Prekarität und Unbeständigkeit der Beschäftigung, die den Aktivitäten des Sektors eigen sind, gerechtfertigt ist; der Lebenspartner des Klägers machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und entrichtete freiwillig mehr als 16 Jahre lang Beiträge.
71. Zweitens werden die Leistungen nicht nach einem Umlageverfahren erbracht, bei dem die Ausgaben eines Kalenderjahrs durch die erzielten Einnahmen gedeckt werden, sondern nach einem Kapitaldeckungsverfahren, bei dem für jeden Versicherten ein Kapitalstock gebildet wird, der am Ende der Beschäftigungszeit einschließlich der aufgelaufenen Zinsen aufgelöst wird. Die Höhe der Versorgungsleistungen berechnet sich anhand der Höhe der Beiträge unter Anwendung eines Verrentungssatzes (§ 32 Abs. 2 Satz 1 und § 30 Abs. 5 der Satzung des VddB)(75).
72. Aus den dargestellten Einzelheiten leite ich in Übereinstimmung mit der Kommission ab, dass die streitige Versorgung dem Arbeitsverhältnis des Lebenspartners von Herrn Maruko entspringt; sie ist daher als „Entgelt“ im Sinne des Art. 141 EG einzuordnen und fällt deshalb unter die Richtlinie, da sie den Voraussetzungen von deren Art. 3 Abs. 1 Buchst. c entspricht; sie stellt somit keine Leistung eines staatlichen Systems oder eines damit gleichgestellten Systems der sozialen Sicherheit im Sinne von Art. 3 Abs. 3 dar, da sie weder die charakteristischen Merkmale noch den Zweck dieser Art von Leistungen aufweist.
D – Die Auswirkung des Familienstands
73. Laut dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 lässt diese „die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt“. Das vorlegende Gericht stellt diesen Erwägungsgrund heraus und äußert Zweifel hinsichtlich seiner Auswirkung im Anwendungsbereich der Richtlinie.
74. Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs legt der Erwägungsgrund eine eindeutige und generelle Ausnahme fest, die sich in Art. 3 Abs. 1 widerspiegele; nach diesem gelte die Richtlinie „[i]m Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten“. Diese erstreckten sich nicht auf an den Familienstand geknüpfte Leistungen, wie die im vorliegenden Fall, bei denen die Gewährung der Versorgung eine Ehe erfordere; einer Auseinandersetzung mit den übrigen Vorlagefragen bedürfe es daher nicht.
75. Ich stimme mit diesen Argumenten nicht überein, auch wenn sie anregend und gut begründet erscheinen:
76. Erstens beschreibt eine Rechtsnorm nämlich, wie ich in anderen Schlussanträgen ausgeführt habe(76), Tatsachen, Sachverhalte und Umstände und weist ihnen bestimmte Folgen zu, so dass der Tatbestand und die Rechtsfolge die zwei strukturellen Elemente einer Bestimmung darstellen(77). Die Darlegung von Gründen, die Präambeln und die einleitenden Erwägungsgründe hingegen weisen diese beiden Elemente nicht auf, da sie nur veranschaulichen, begründen und rechtfertigen sollen; sie haben daher, obwohl sie den regelnden Teil begleiten und ihm häufig vorangestellt sind und obwohl sie dadurch Teil der Rechtsquelle sind, trotz ihrer Dienlichkeit als Auslegungskriterien – einer Funktion, die der Gerichtshof bei zahlreichen Gelegenheiten erwähnt hat(78) – doch keine Bindungswirkung. Deshalb stellt der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie, ebenso wie die übrigen Erwägungsgründe, lediglich ein Hilfsmittel für die Auslegung von deren Vorschriften dar und darf in seiner Bedeutung nicht überschätzt werden.
77. Zweitens hat die Gemeinschaft keine Zuständigkeiten für den Familienstand, ein Gedanke, in dem Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie und der genannte Erwägungsgrund zusammenlaufen, indem beiden zufolge die nationale Zuständigkeit in diesem Bereich bleibt. Das europäische Recht übernimmt hinsichtlich der Ehe, des Ledigen-, des Verwitwetenstandes und der übrigen Aspekte des „Familienstandes“ die Konzeption des jeweiligen Landes. Allerdings müssen diese innerstaatlichen Zuständigkeiten so ausgeübt werden, dass dabei nicht gegen die Rechtsordnung der Gemeinschaft verstoßen wird(79).
78. Drittens ist das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 enthalten(80) und ist ausdrücklich in Art. 21 der Charta der Grundrechte der EU aufgenommen(81). Sein grundlegender Charakter(82) bringt es nach Art. 6 EU mit sich, dass die Union seine Achtung gewährleistet.
79. Viertens bezieht sich der Nachteil, den der Kläger rügt, auf ein in Rechtstexten der Gemeinschaft gewährtes Recht, konkret auf das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung beim Arbeitsentgelt, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Hinterbliebenenversorgung um „Entgelt“ handelt, weil sie einem Arbeitsverhältnis und nicht dem Familienstand entspringt.
80. Schließlich ist gemäß § 27 der Satzung der VddB das den Anspruch auf die vom Kläger beantragte Rente auslösende Ereignis der Tod seines Lebensgefährten, so wie es für andere Renten die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der Eintritt in den Ruhestand sind.
81. Es gibt daher keine Gründe dafür, die Richtlinie im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
VII – Die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung
82. Wenn der Gerichtshof meinen Standpunkt teilt, dass die von Herrn Maruko beantragte Rente in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt, müssen alle sich daraus ergebenden Konsequenzen gezogen werden, wobei zu prüfen ist, ob die Ablehnungsentscheidung der VddB zu einer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung führt.
A – Das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Bereich der Gemeinschaft
1. Vorüberlegungen
83. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist – zusammen mit dem des freien Verkehrs – der Grundsatz, der in der europäischen Rechtsordnung die längste Tradition aufweist und dort am tiefsten verwurzelt ist; zudem hat er sich mit der Zeit weiterentwickelt, indem er über die Grenzen der Entgeltgleichheit für die Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts hinausgegangen ist und sich auf andere Bereiche und Personen ausgedehnt hat, wie die schon genannte Richtlinie 2000/43 belegt. Seit seinem erstmaligen Auftreten im EG-Vertrag ist er nach und nach erweitert und verstärkt worden; er hat sich zu einem „allgemeinen Rahmen“ für die Verhinderung ungerechtfertigter Ungleichheiten und die Förderung einer tatsächlichen und wirksamen Gleichbehandlung entwickelt.
84. Auf dem Weg dahin sind moralische Vorurteile und die gesellschaftliche Ablehnung gegenüber Gruppen zurückgelassen worden, die bestimmte geschlechtsbezogene Eigenschaften gemeinsam haben. So hatten die Bemühungen ihren Ursprung zwar in der Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen, doch richteten sich spätere Anstrengungen gegen die Diskriminierung von Homosexuellen(83) – hier war der erste Schritt die Entkriminalisierung von Beziehungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts(84) – oder Transsexuellen sowie Bisexualität betreffende Diskriminierungen(85).
85. Der Vertrag von Amsterdam wollte den Grundsatz ausweiten, wie aus Art. 13 Abs. 1 EG deutlich wird, in den das Ziel der Beseitigung jeglicher Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung aufgenommen worden ist.
86. Der Aufnahme des Rechts auf Achtung der sexuellen Ausrichtung kommt größere Bedeutung zu, wenn man sich vor Augen hält, dass nicht alle Mitgliedstaaten diese Art der Diskriminierung ablehnten(86) und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dieses Recht ebenfalls nicht erwähnt(87), auch wenn – wie ich ausgeführt habe – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Recht als in Art. 14 der Konvention enthalten angesehen hat(88).
87. Der Gerichtshof seinerseits hatte mehrfach Gelegenheit, die gleichgeschlechtlichen Paaren entstandenen Nachteile einzudämmen.
2. Das Urteil vom 17. Februar 1998, Grant(89)
88. Seit 1982, als das bereits erwähnte Urteil Garland verkündet wurde, gab es keinen Zweifel, dass Vergünstigungen, die Eisenbahnunternehmen ihren Angestellten, deren Ehegatten und Unterhaltsberechtigten wegen der von diesen Angestellten geleisteten Arbeit gewähren, „Entgelt“ im Sinne von Art. 141 EG darstellen. Dies war wahrscheinlich die Überzeugung, die Frau Grant zu der Rüge veranlasste, die genannte Vorschrift sei durch die Weigerung ihres Arbeitgebers verletzt worden, ihr die Fahrtvergünstigung zu gewähren, die im Arbeitsvertrag für den Ehepartner oder die Person des anderen Geschlechts, mit der der Arbeitnehmer, ohne verheiratet zu sein, zusammenlebt, vorgesehen war; denn sie unterhielt mit einer anderen Frau eine feste Beziehung.
89. Nach Ansicht von Frau Grant stellte diese Weigerung eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Sie ging von der sogenannten Betrachtungsweise des „Kriteriums des einzigen Unterscheidungsmerkmals“ aus, wonach eine Arbeitnehmerin Opfer einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sei, wenn sie bei gleicher Sachlage nicht die gleichen Vergünstigungen erhalte wie ihr männlicher Kollege. Sie machte geltend, dass es zum Beleg für die Ungleichbehandlung genüge, festzustellen, dass der Mann, der vorher ihre Stelle innegehabt habe, für seine Partnerin, mit der er nicht verheiratet gewesen sei, Vergünstigungen beim Fahrpreis erhalten habe. Eine Weigerung mit solchen Ausprägungen stelle eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung dar, die unter die „Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ nach Art. 141 EG falle, da die unterschiedliche Behandlung aufgrund der sexuellen Orientierung längst überholten Vorurteilen entspringe.
90. Im Urteil wurde festgestellt, dass die Weigerung eines Unternehmens, dem gleichgeschlechtlichen Partner eines seiner Arbeitnehmer eine Fahrpreisermäßigung zu gewähren, obwohl eine solche Ermäßigung für die Person des anderen Geschlechts gelte, mit der irgendein Arbeitnehmer eine feste außereheliche Beziehung unterhalte, keine durch europäisches Recht verbotene Diskriminierung darstelle (Randnr. 50). Es sei zu keiner unmittelbar auf das Geschlecht zurückzuführenden Ungleichbehandlung gekommen, da sich die Weigerung sowohl auf Arbeitnehmer als auch auf Arbeitnehmerinnen mit einem gleichgeschlechtlichen Partner erstreckt habe (Randnrn. 27 und 28). Zudem könnten beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts feste homosexuelle Beziehungen weder verheirateten Paaren noch festen heterosexuellen Gemeinschaften gleichgestellt werden (Randnr. 35).
91. Während somit eine Unterscheidung wegen des Geschlechts rechtswidrig sei, sei es eine auf die sexuelle Ausrichtung gestützte Unterscheidung nicht, da diese keine Gemeinschaftsvorschrift verbiete.
92. Die vom Gerichtshof gewählte restriktive Betrachtungsweise stellt einen Gegensatz beispielsweise zu der Rechtsprechung dar, die im Bereich der Diskriminierung wegen Mutterschaft ergangen ist(90), und überraschte, weil im Urteil selbst ausgeführt wurde, dass der Monate zuvor unterzeichnete Vertrag von Amsterdam den Rat zur Beseitigung bestimmter Formen der Diskriminierung, wie der aufgrund der sexuellen Ausrichtung, ermächtigt habe (Randnr. 48).
3. Die spätere Rechtsprechung
93. Seit dem Urteil Grant haben andere Entscheidungen einige im Zusammenhang mit der Sexualität stehende Diskriminierungen beseitigt. Es ist auf die beiden Rechtssachen einzugehen, die in den schriftlichen Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache erwähnt worden sind.
94. Das Urteil vom 31. Mai 2001, D. und Schweden/Rat(91), befasste sich im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens mit der Weigerung, einem Beamten der Europäischen Gemeinschaften eine für Verheiratete gedachte Haushaltszulage zu gewähren, weil dieser zwar in Schweden eine Lebenspartnerschaft mit einem anderen Mann hatte eintragen lassen, es aber das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften nicht ermöglichte, seinen Familienstand der Ehe gleichzustellen. Im Urteil wurde festgestellt, dass es in der Gemeinschaft eine Vielzahl von Regelungen über die Eintragung faktischer Verbindungen gebe, die sich von der Ehe unterschieden (Randnrn. 36 und 50), was ihre Anerkennung erschwere (Randnr. 37), und dass es insoweit Sache des Gesetzgebers sei, die für eine Änderung der Lage sachdienlichen Maßnahmen zu ergreifen (Randnr. 38)(92).
95. Im Urteil vom 7. Januar 2004, K. B.(93), ging es um eine Geschlechtsumwandlung(94). Eine britische Arbeitnehmerin forderte für ihren Lebensgefährten, der sich einer Operation zur Umwandlung von einer Frau zu einem Mann unterzogen hatte, eine Witwerrente, die ihm als überlebendem Ehegatten zustehen würde, denn das nationale Recht ließ keine Eheschließung eines Transsexuellen entsprechend dessen neuem Geschlecht zu. Der Gerichtshof folgte meinen Schlussanträgen vom 10. Juni 2003 und war der Auffassung, dass sich die Ungleichbehandlung nicht auf die Zuerkennung der Rente, sondern auf eine für deren Gewährung notwendige Voraussetzung beziehe, nämlich die Fähigkeit, miteinander die Ehe einzugehen (Randnr. 30), und entschied, dass Art. 141 EG einer Regelung entgegenstehe, die Transsexuelle dadurch von einer Witwerrente ausschließe, dass sie es ihnen unmöglich mache, eine Ehe entsprechend dem erworbenen Geschlecht einzugehen (Randnr. 34)(95).
B – Die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Ausgangsverfahren
96. Herrn Maruko wurde die Hinterbliebenenversorgung deshalb verweigert, weil er mit seinem Partner keine Ehe eingegangen war und kein „Witwer“ ist, ein Familienstand, der rechtlich dem Ehegatten des Verstorbenen vorbehalten ist, ohne dass feststeht, dass eine solche Versorgung anderen Personen in gleicher oder vergleichbarer Lage gewährt wurde. Die Ablehnung beruht auch nicht auf der sexuellen Neigung des Betreffenden, und demzufolge liegt keine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie vor.
97. Aber die Richtlinie verbietet auch eine mittelbare Diskriminierung, die entsteht, wenn eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift Personen mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung benachteiligt, es sei denn, die Unterscheidung verfolgt ein rechtmäßiges Ziel, ist objektiv gerechtfertigt und die angewandten Mittel sind angemessen und erforderlich.
98. Im vorliegenden Fall ist eine Eheschließung nach dem geltenden Recht unmöglich. Der Gerichtshof ist aber weder zuständig für die Ausgestaltung von auf Zuneigung beruhenden gleichgeschlechtlichen Beziehungen, worüber heftig debattiert worden ist(96), noch obliegt es ihm, über die Folgen zu urteilen, die der jeweilige Gesetzgeber an die Eintragung solcher Lebenspartnerschaften knüpft(97); wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache K. B. ausgeführt habe, „geht [es] nicht darum, ein ‚europäisches Eherecht‘ zu schaffen, sondern darum, die volle Wirksamkeit des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sicherzustellen“ (Randnr. 76).
99. Im Ausgangsverfahren geht es um die Ungleichbehandlung zwischen verheirateten Paaren und solchen, die sich auf eine andere Rechtsform gründen. Insoweit steht nicht der Zugang zur Ehe, sondern die Folgen beider Gestaltungsmöglichkeiten im Mittelpunkt der Debatte.
100. Es ist daher zu prüfen, ob die beiden Arten von Verbindungen eine Gleichbehandlung verdienen; hierfür ist erforderlich, dass das nationale Gericht entscheidet, ob die Rechtsstellung von Ehegatten derjenigen von Partnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft gleichartig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, gäbe es keine gültigen Vergleichsparameter.
101. Dessen ungeachtet hat das Verwaltungsgericht bereits seine – von der Kommission geteilte – Auffassung dargelegt, dass eine nach dem LPartG eingetragene Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten mit sich bringe, die denen bei einer Ehe vergleichbar seien(98).
102. Unter diesen Umständen stellt die Verweigerung der Rente wegen Nichteingehens einer Ehe dann, wenn zwei Personen des gleichen Geschlechts keine Ehe schließen dürfen, aber eine Verbindung eingegangen sind, die ähnliche Wirkungen erzeugt, eine mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne des Art. 2 der Richtlinie dar.
103. Diese Ansicht weicht nicht von der dargestellten Rechtsprechung ab, die andere tatsächliche oder rechtliche Zusammenhänge betrifft: Das Urteil Grant ging der Richtlinie voraus und enthielt in Randnr. 48 den impliziten Hinweis, dass sich mit dem Erlass von Vorschriften zum Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung eine andere Beurteilung der geprüften Vorlagefrage ergäbe; das Urteil D. und Schweden erging im rechtlichen Umfeld des Statuts der Beamten der Gemeinschaft; und bei dem Urteil K. B. ging es um einen Transsexuellen, der keine Ehe eingehen konnte, was zu einer speziellen Auseinandersetzung führte(99).
104. Die Diskriminierung steht somit fest, und es lässt sich auch kein objektiver Umstand erkennen, um diese zu rechtfertigen; ein solcher Umstand ist auch im Vorabentscheidungsverfahren nicht vorgetragen worden.
VIII – Die zeitliche Begrenzung des Witwergeldes
105. Die letzte Frage des Bayerischen Verwaltungsgerichts München bezieht sich auf die mögliche zeitliche Beschränkung der Leistung auf Zeiten ab dem 17. Mai 1990 infolge des Urteils Barber.
106. In der Rechtssache Barber ging es um die Entgeltgleichheit zwischen Arbeitnehmern beiderlei Geschlechts. Der Gerichtshof erinnerte an die unmittelbare Wirkung des Art. 119 EG-Vertrag, der Vorgängervorschrift zu Art. 141 EG, wies aber darauf hin, dass es nicht möglich sei, sich auf eine solche Wirkung zu berufen, um für einen vor dem Urteilserlass liegenden Zeitpunkt einen Rentenanspruch geltend zu machen. Dies gelte allerdings nicht für diejenigen, die bereits nach dem innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt hätten. Anderenfalls wäre nämlich das „finanzielle Gleichgewicht“ vieler Versorgungssysteme gefährdet(100).
107. Dieser Ansatz ist deshalb – wie die Kommission ausführt – im Bereich der finanziellen Auswirkungen angesiedelt, wobei die Merkmale der entsprechenden Gemeinschaftsregelung – entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts und der VddB – nicht ausschlaggebend sind.
108. Nachdem die Debatte somit auf den Punkt gebracht worden ist, lässt die Rechtsprechung die Einschränkung nur ausnahmsweise zu(101), wenn eine schwerwiegende Vermögensgefährdung nachgewiesen ist, die insbesondere durch die große Zahl von Rechtsverhältnissen hervorgerufen würde, die gutgläubig aufgrund einer als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren(102).
109. Die Bewertung der Gefahr erfordert die Gewichtung von Faktoren unterschiedlicher Art, wie der Anzahl der betroffenen Personen, der zu zahlenden Beträge oder der Auswirkung auf die Lebensfähigkeit der Einrichtung, die die Zahlung vornimmt. In diesem Vorabentscheidungsverfahren liegen keine Daten vor, die eine Gefahr der angegebenen Art belegen(103). Unter diesen Umständen stehen dem Gerichtshof zwei Optionen zur Verfügung: die Begrenzung der zeitlichen Auswirkungen ausdrücklich abzulehnen oder die Vorlagefrage nicht zu beantworten.
110. Die erste Option würde die Unsicherheit definitiv beseitigen, jedoch ohne einen zuverlässigen Anhaltspunkt. Die zweite Option, die von der Kommission bevorzugt wird und für die auch ich mich ausspreche, erscheint ratsamer, denn sie würde ein neues Vorabentscheidungsersuchen ermöglichen, in dem die hier fehlenden Angaben enthalten sind(104).
IX – Ergebnis
111. Entsprechend den dargestellten Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München wie folgt zu beantworten:
1. Eine Hinterbliebenenversorgung wie die im Ausgangsverfahren beantragte fällt unter die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und ist keine Leistung aus einem staatlichen oder diesem gleichgestellten System der sozialen Sicherheit.
2. Die Versagung einer solchen Versorgung mangels einer Eheschließung, die Personen verschiedenen Geschlechts vorbehalten ist, stellt, wenn eine Verbindung mit im Wesentlichen identischen Auswirkungen zwischen Personen gleichen Geschlechts offiziell zustande gekommen ist, eine mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung dar, die gegen die erwähnte Richtlinie 2000/78 verstößt. Insoweit ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Rechtsstellung von Ehegatten derjenigen von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichartig ist.
3. Die fünfte Frage braucht nicht geprüft zu werden.