URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

27. Oktober 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme – Richtlinie 2001/42/EG – Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a – Begriff ‚Pläne und Programme‘ – Durch Regelungserlass festgelegte Voraussetzungen für die Errichtung von Windkraftanlagen – Bestimmungen, die insbesondere Maßnahmen zur Sicherheit, zur Kontrolle, zur Wiederinstandsetzung und der Sicherheitsleistung sowie je nach Nutzungsart des Gebiets festgelegte Geräuschpegelnormen betreffen“

In der Rechtssache C‑290/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Belgien) mit Entscheidung vom 2. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juni 2015, in dem Verfahren

Patrice D’Oultremont u. a.

gegen

Region Wallonien,

Beteiligte:

Fédération de l’énergie d’origine renouvelable et alternative ASBL (EDORA),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn D’Oultremont u. a., vertreten durch J. Sambon, avocat,

–        der Fédération de l’énergie d’origine renouvelable et alternative ASBL (EDORA), vertreten durch J. Sohier, S. Rodrigues, L. Levi, A. Blot und M. Chomé, avocats,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch J. Van Holm, M. Jacobs und S. Vanrie als Bevollmächtigte im Beistand von P. Moërynck, avocat,

–        der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J. Traband als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, B. Koopman und J. Langer als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet und C. Hermes als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Juli 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. 2001, L 197, S. 30).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Patrice D’Oultremont u. a. und der Region Wallonien über die Gültigkeit des Arrêté du Gouvernement wallon, du 13 février 2014, portant conditions sectorielles relatives aux parcs d’éoliennes d’une puissance totale supérieure ou égale à 0,5 MW, modifiant l’arrêté du Gouvernement wallon du 4 juillet 2002 relatif à la procédure et à diverses mesures d’exécution du décret du 11 mars 1999 relatif au permis d’environnement et modifiant l’arrêté du Gouvernement wallon du 4 juillet 2002 arrêtant la liste des projets soumis à étude d’incidences et des installations et activités classées (Erlass der Wallonischen Regierung vom 13. Februar 2014 zur Festlegung sektorbezogener Voraussetzungen für Windparks mit einer Gesamtleistung von mindestens 0,5 MW und zur Änderung des Erlasses der Wallonischen Regierung vom 4. Juli 2002 über das Verfahren und verschiedene Maßnahmen zur Durchführung des Dekrets vom 11. März 1999 über die Umweltgenehmigung und des Erlasses der Wallonischen Regierung vom 4. Juli 2002 zur Festlegung der Liste der einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehenden Projekte sowie der eingestuften Anlagen und Tätigkeiten, Moniteur belge vom 7. März 2014, S. 20263, im Folgenden: Erlass vom 13. Februar 2014).

 Rechtlicher Rahmen

 Internationales Recht

 Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen

3        Das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, das am 26. Februar 1991 in Espoo (Finnland) unterzeichnet wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Espoo), wurde am 24. Juni 1997 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt und trat am 10. September 1997 in Kraft.

4        Art. 2 Abs. 7 des Übereinkommens von Espoo lautet:

„Die nach diesem Übereinkommen vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfungen werden zumindest in der Planungsphase der geplanten Tätigkeit vorgenommen. Die Vertragsparteien bemühen sich, die Grundsätze der Umweltverträglichkeitsprüfung in geeignetem Umfang auf Politiken, Pläne und Programme anzuwenden.“

 Protokoll über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen von Espoo

5        Das Protokoll über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen von Espoo wurde am 21. Mai 2003 in Kiew (Ukraine) von der Kommission im Namen der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet (im Folgenden: Protokoll von Kiew). Dieses Protokoll wurde durch den Beschluss 2008/871/EG des Rates vom 20. Oktober 2008 (ABl. 2008, L 308, S. 33) genehmigt.

6        Art. 13 Abs. 1 des Protokolls von Kiew sieht vor:

„Jede Vertragspartei bemüht sich sicherzustellen, dass umweltbezogene, einschließlich gesundheitsbezogener, Belange bei der Vorbereitung von ihr geplanter Politiken und Rechtsvorschriften, die voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, einschließlich der Gesundheit, haben werden, in angemessenem Umfang erwogen und einbezogen werden.“

 Übereinkommen von Århus

7        Das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (ABl. 2005, L 124, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Århus), berührt auch die Umweltprüfung.

8        Dieses Übereinkommen enthält in Art. 6 Regelungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Genehmigung von Tätigkeiten. Die Art. 7 und 8 des Übereinkommens beziehen sich auf die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Plänen, Programmen und Politiken sowie beim Erlass von exekutiven Vorschriften und sonstigen allgemein anwendbaren rechtsverbindlichen Instrumenten.

 Unionsrecht

9        Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/42 lautet:

„Die Umweltprüfung ist ein wichtiges Werkzeug zur Einbeziehung von Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme bestimmter Pläne und Programme, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt in den Mitgliedstaaten haben können. Denn sie gewährleistet, dass derartige Auswirkungen aus der Durchführung von Plänen und Programmen bei der Ausarbeitung und vor der Annahme berücksichtigt werden.“

10      Art. 1 („Ziele“) der Richtlinie sieht vor:

„Ziel dieser Richtlinie ist es, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden, indem dafür gesorgt wird, dass bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, entsprechend dieser Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden.“

11      In Art. 2 der Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Pläne und Programme‘ Pläne und Programme, einschließlich der von der Europäischen [Union] mitfinanzierten, sowie deren Änderungen,

–        die von einer Behörde auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder die von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden und

–        die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen;

b)      ‚Umweltprüfung‘ die Ausarbeitung eines Umweltberichts, die Durchführung von Konsultationen, die Berücksichtigung des Umweltberichts und der Ergebnisse der Konsultationen bei der Entscheidungsfindung und die Unterrichtung über die Entscheidung gemäß den Artikeln 4 bis 9;

…“

12      Art. 3 („Geltungsbereich“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die unter die Absätze 2 bis 4 fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, werden einer Umweltprüfung nach den Artikeln 4 bis 9 unterzogen.

(2)      Vorbehaltlich des Absatzes 3 wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen,

a)      die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie [2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1), mit der die Richtlinie 85/337 seit dem 17. Februar 2012 aufgehoben und ersetzt wurde,] aufgeführten Projekte gesetzt wird oder

(3)      Die unter Absatz 2 fallenden Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, sowie geringfügige Änderungen der unter Absatz 2 fallenden Pläne und Programme bedürfen nur dann einer Umweltprüfung, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.

(4)      Die Mitgliedstaaten befinden darüber, ob nicht unter Absatz 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.

…“

 Belgisches Recht

13      Nach Art. 6 Abs. 1 Nr. II der Loi spéciale du 8 août 1980 de réformes institutionnelles (Sondergesetz zur Reform der Institutionen vom 8. August 1980, Moniteur belge vom 15. August 1980, S. 9434) sind die Regionen für den Umweltschutz ausschließlich zuständig.

14      In der Region Wallonien wurde die Richtlinie 2001/42, wie aus Art. D.51/1 des Ersten Buchs des Code de l’environnement (Umweltgesetzbuch, Moniteur belge vom 9. Juli 2004, S. 54654) hervorgeht, durch deren Art. D.52 ff. teilweise umgesetzt.

15      Art. D.6 im Ersten Buch des Umweltgesetzbuchs definiert in Nr. 13 die „Pläne und Programme“ als „Entscheidungen mit Ausnahme der im [Code wallon de l’aménagement du territoire, de l’urbanisme, du patrimoine et de l’énergie (Wallonisches Gesetzbuch über die Raumordnung, den Städtebau, das Kulturerbe und Energie, Moniteur belge vom 19. Mai 1984, S. 6939, und Berichtigung, Moniteur belge vom 25. Mai 1984, S. 7636)] genannten sowie deren Änderungen, die auf die Festlegung einer geordneten Folge von Tätigkeiten oder Maßnahmen zur Erreichung eines oder mehrerer spezifischer Ziele im Zusammenhang mit der Umweltqualität oder auf die Zweckbestimmung oder Schutzregelung einer oder mehrerer Zonen oder eines Standorts, insbesondere zur Festlegung des Rahmens, in dem dort die Durchführung bestimmter Tätigkeiten erlaubt werden kann, gerichtet sind und die

a)      von einer Behörde auf regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Wallonische Regierung ausgearbeitet werden

b)      und aufgrund von Bestimmungen eines Dekrets oder Rechts- oder Verwaltungsvorschriften vorgesehen sind.

Zu den von dem vorliegenden Dekret umfassten Plänen und Programmen gehören ferner die von der Europäischen [Union] mitfinanzierten.“

16      Nach Art. 2 des Décret du Gouvernement wallon du 11 mars 1999 relatif au permis d’environnement (Dekret der Wallonischen Regierung vom 11. März 1999 über die Umweltgenehmigung, Moniteur belge vom 8. Juni 1999, S. 21114, und Berichtigung, Moniteur belge vom 22. Dezember 1999, S. 48280, im Folgenden: Dekret vom 11. März 1999) zielt dieses darauf ab, „unter dem Gesichtspunkt eines integrierten Konzepts zur Verhütung und Verringerung der Verschmutzung den Schutz der Menschen oder der Umwelt gegen Gefahren, Belastungen oder Nachteile, die ein Betrieb mittelbar oder unmittelbar, während oder nach der Betriebstätigkeit verursachen kann, zu gewährleisten“.

17      Art. 4 dieses Dekrets bestimmt:

„Die Regierung legt die allgemeinen, sektoralen oder integralen Voraussetzungen fest, um die in Artikel 2 erwähnten Zielsetzungen zu erreichen. Diese sind rechtsverbindlich.

Diese Voraussetzungen betreffen insbesondere

3.      die Informationen, die den durch die Regierung bezeichneten Behörden regelmäßig zu liefern sind und die Folgendes betreffen:

a)      die Emissionen des Betriebs;

b)      die zur Verringerung der Belastungen auf die Umwelt getroffenen Maßnahmen;

…“

18      Art. 5 dieses Dekrets sieht vor:

„(1)      Die allgemeinen Voraussetzungen sind auf die gesamten Anlagen und Tätigkeiten anwendbar.

(2)      Die sektoralen Voraussetzungen sind auf die Anlagen und Tätigkeiten eines Wirtschaftssektors, eines geographischen Sektors oder eines Sektors, in dem eine besondere Gefahr auftritt oder auftreten kann, anwendbar.

…“

19      In Art. 1 des Erlasses vom 13. Februar 2014 heißt es:

„Die vorliegenden sektorbezogenen Voraussetzungen sind auf Windparks mit einer Gesamtleistung von mindestens 0,5 elektrischen Megawatt gemäß den Rubriken 40.10.01.04.02 und 40.10.01.04.03 der Anlage I zum [Arrêté du 4 juillet 2002 fixant les conditions générales d’exploitation des établissements visés par le décret du 11 mars 1999 (Erlass vom 4. Juli 2002 zur Festlegung der allgemeinen Betriebsvoraussetzungen der in dem Dekret vom 11. März 1999 erwähnten Betriebe, Moniteur belge vom 21. September 2002, S. 20264, und Berichtigung, Moniteur belge vom 1. Oktober 2002, S. 44152)] anwendbar.“

20      Art. 5 des Erlasses vom 13. Februar 2014, der in Kapitel III („Betrieb“) enthalten ist, lautet:

„Außer für Instandsetzungszwecke darf nachts weder am Fuß der Windkraftanlage noch in ihrer unmittelbaren Umgebung eine Beleuchtungsvorrichtung eingeschaltet sein.“

21      Art. 9 dieses Erlasses, der ebenfalls in Kapitel III enthalten ist, lautet:

„Innerhalb des Windparks, aber außerhalb der Windkraftanlagen darf das betriebsbedingte Magnetfeld in einer Bodenhöhe von 1,5 Meter den Grenzwert von 100 Mikrotesla nicht überschreiten.“

22      Art. 10 dieses Erlasses, der ebenfalls in Kapitel III enthalten ist, bestimmt:

„(1)      Die Auswirkungen der durch den Betrieb der Windkraftanlagen erzeugten stroboskopischen Schatten sind für jedes Wohngebäude, das errichtet oder durch eine Städtebaugenehmigung ordnungsgemäß erlaubt wurde und das beschattet würde, auf 30 Stunden/Jahr und 30 Minuten/Tag begrenzt. Sie werden nach dem Ansatz des ‚ungünstigsten Falls‘ berechnet, für den folgende Parameter gelten:

1.      die Sonne scheint von morgens bis abends (ständig klarer Himmel);

2.      die Windkraftanlagen arbeiten ununterbrochen (die Windgeschwindigkeit ermöglicht eine ständige Funktion der Windkraftanlagen, und diese sind zu 100 % verfügbar);

3.      der Rotor der Windkraftanlagen ist senkrecht zu den Sonnenstrahlen gerichtet.

Der Betreiber bedient sich aller verfügbaren Mittel, um die Belästigung durch den Schattenwurf zu beschränken, damit diese Grenzwerte eingehalten werden.

(2)      Diese Grenzwerte sind nicht anwendbar, wenn der Schatten, der durch den Betrieb der Anlage geworfen wird, die Einwohner in ihrem Wohngebäude nicht belästigt. Hierfür erbringt der Betreiber in allen rechtlichen Verfahren den Beweis.“

23      Zu Abschnitt 1 („Geräuschpegelnormen“) des Kapitels V („Lärm“) des Erlasses vom 13. Februar 2014 gehören Art. 20, der die Grenzwerte für die Geräuschemissionen eines Windparks festlegt, und Art. 21, der die Grenzwerte je nach so genannten „Planungsgebieten“ enthält, d. h. nach räumlichen Bereichen, die die zuständigen Behörden auf der Grundlage eines Planes je nach Nutzungsart (Wohngebiete, landwirtschaftliche Flächen, Gewerbegebiete u. a.) festlegt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

24      Am 21. Februar 2013 erließ die Wallonische Regierung einen – sodann im Juli 2013 geänderten – „Referenzrahmen“, der Empfehlungen für die Errichtung von Windkraftanlagen in der Region Wallonien enthält. Diesem Text war eine Karte beigegeben, die die Planung zur Umsetzung des Windkraftprogramms in der Region Wallonien „bis zum Jahr 2020“ in einen Rahmen stellen sollte und den Namen „Referenzkarte“ trug. Diese Karte war Gegenstand eines Berichts über die Umweltauswirkungen.

25      In allen Gemeinden Walloniens fand vom 16. September bis zum 30. Oktober 2013 eine öffentliche Befragung statt. Unter den der Öffentlichkeit bei dieser Befragung zur Verfügung gestellten Unterlagen befanden sich u. a. die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Dokumente, nämlich der Referenzrahmen, die Referenzkarte und der Bericht über die Umweltauswirkungen.

26      Weder der Referenzrahmen noch die Referenzkarte wurden jedoch endgültig beschlossen.

27      In der Zwischenzeit verabschiedete die Wallonische Regierung den Erlass vom 13. Februar 2014.

28      Am 6. Mai 2014 erhoben Herr D’Oultremont u. a. eine Klage beim vorlegenden Gericht, dem Conseil d’État (Staatsrat, Belgien), auf Nichtigerklärung dieses Erlasses. Zur Stützung ihrer Klage machen Herr D’Oultremont u. a. unter anderem die fehlende Vereinbarkeit dieses Erlasses mit der Richtlinie 2001/42 geltend, da die Region Wallonien diesen Erlass verabschiedet habe, ohne dessen Bestimmungen einem Verfahren zur Prüfung der Umweltauswirkungen oder einem Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit zu unterwerfen.

29      Die Region Wallonien und die Streithelferin des Ausgangsverfahrens, die Fédération de l’Énergie d’origine renouvelable et alternative ASBL (EDORA) (Verband für erneuerbare und alternative Energien), vertreten ihrerseits die Auffassung, dass der Erlass nicht unter den Begriff „Pläne und Programme“ im Sinne der Richtlinie falle.

30      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass trotz der näheren Erläuterung des Begriffs „Pläne und Programme“ im Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 2010, Terre wallonne und Inter-Environnement Wallonie (C‑105/09 und C‑110/09, EU:C:2010:355), nicht klar zutage liege, ob die Bestimmungen des Erlasses vom 13. Februar 2014 unter diesen Begriff fielen.

31      Eine besondere Schwierigkeit liegt nach Ansicht dieses Gerichts darin, dass die Bestimmungen dieses Erlasses von dem Referenzrahmen und der Karte der Gebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen, die oben in Rn. 24 erwähnt worden sind, getrennt seien. Das nehme diesen Bestimmungen zumindest teilweise den programmatischen Gehalt, um die Erzeugung von Windenergie zu regulieren.

32      So definiere der Erlass vom 13. Februar 2014 keinen „vollständigen Rahmen“, d. h. keine Gesamtheit von koordinierten Maßnahmen zur Regelung des Betriebs von Windparks im Hinblick auf den Schutz der Umwelt. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Berücksichtigung der Bestimmungen des Erlasses, insbesondere der Bestimmungen über den Lärm und die Auswirkungen der durch den Betrieb von Windkraftanlagen verursachten stroboskopischen Schatten, bei der Erteilung der Genehmigungen notwendigerweise zur Folge habe, dass der Standort zu errichtender Windkraftanlagen gegenüber Wohngebäuden festgelegt werde.

33      Lege man die vom regionalen Gesetzgeber in Art. D.6 Nr. 13 des Ersten Buchs des Code de l’environnement (Umweltgesetzbuch) gewählte Definition des Begriffs „Pläne und Programme“ zugrunde, so stellten die sektorbezogenen Voraussetzungen, sobald sie vom Referenzrahmen und der Karte, die die für die Errichtung von Windkraftanlagen am besten gelegenen Orte beschrieben, abgekoppelt seien, für sich allein kein „Verfahren zur schrittweisen und geordneten Durchführung von Maßnahmen zur Erreichung eines spezifischen Zieles im Zusammenhang mit der Umweltqualität“ dar.

34      Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass die im Erlass vom 13. Februar 2014 vorgesehenen sektorbezogenen Voraussetzungen auch nicht die Zweckbestimmung einer oder mehrerer Zonen oder eines Standorts oder die Schutzregelung für diese festlegten. Jeder Windpark – unabhängig davon, welcher Standort gewählt worden werde – sei vorbehaltlich einer Anpassung der Lärmnormen allein anhand der Gebietseinteilung des Sektorenplans erfasst.

35      Es scheine jedoch aus den Anhängen I und II der Richtlinie 2001/42 im Licht von Rn. 47 des Urteils vom 17. Juni 2010, Terre wallonne und Inter-Environnement Wallonie (C‑105/09 und C‑110/09, EU:C:2010:355), hervorzugehen, dass sich ein Plan oder Programm notwendigerweise auf einen geografisch begrenzten Bereich beziehen müsse, wie beispielsweise die „gefährdeten Gebiete, die im Rahmen des nachhaltigen Umgangs mit Stickstoff in der Landwirtschaft bestimmt wurden“ im Sinne der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. 1991, L 375, S. 1), um die es insbesondere in diesem Urteil gehe.

36      Vor diesem Hintergrund hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Bedeuten Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, dass ein Regelungserlass als „Plan oder Programm“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen ist, der verschiedene Bestimmungen zur Errichtung von Windrädern einschließlich Maßnahmen zur Sicherheit, zur Kontrolle, zur Wiederinstandsetzung und zur Sicherheitsleistung umfasst sowie in Anbetracht der Planungszonen definierte Lärmnormen, die einen Rahmen für die Erteilung von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen setzen, die dem Bauherren das Recht eröffnen, Anlagen zu errichten und zu betreiben, die nach dem innerstaatlichen Recht kraft Gesetzes der Prüfung der Umweltauswirkungen unterliegen?

 Zur Vorlagefrage

37      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen sind, dass ein Regelungserlass wie der im Ausgangsverfahren fragliche, der verschiedene Bestimmungen über die Errichtung von Windkraftanlagen enthält, die im Rahmen der Erteilung von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen einzuhalten sind, unter den Begriff „Pläne und Programme“ im Sinne dieser Richtlinie fällt.

38      Insoweit geht zunächst aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/42 hervor, dass die Umweltprüfung ein wichtiges Werkzeug zur Einbeziehung von Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme bestimmter Pläne und Programme ist.

39      Wie die Generalanwältin in Nr. 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, muss zudem die Abgrenzung des Begriffs „Pläne und Programme“ gegenüber anderen Maßnahmen, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/42 fallen, an dem in Art. 1 dieser Richtlinie niedergelegten wesentlichen Ziel ausgerichtet sein, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung unterzogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne, C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Daher sind in Anbetracht des Ziels dieser Richtlinie, das darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, die Bestimmungen, die ihren Geltungsbereich abgrenzen, und insbesondere jene, die die Definitionen der von ihr erfassten Rechtsakte aufführen, weit auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 2012, Inter-Environnement Bruxelles u. a., C‑567/10, EU:C:2012:159, Rn. 37, sowie vom 10. September 2015, Dimos Kropias Attikis, C‑473/14, EU:C:2015:582, Rn. 50).

41      Was Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 anbelangt, so stellt die darin enthaltene Definition des Begriffs „Pläne und Programme“ die kumulative Voraussetzung auf, dass diese zum einen von einer Behörde auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden müssen und zum anderen aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen.

42      Aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ergibt sich, dass der Erlass vom 13. Februar 2014 von einer regionalen Behörde, im vorliegenden Fall der Wallonischen Regierung, ausgearbeitet und erlassen wurde und dass dieser Erlass durch das Dekret vom 11. März 1999 erforderlich wurde.

43      Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 wiederum sieht vor, dass vorbehaltlich des Abs. 3 dieses Artikels eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen wird, die u. a. im Bereich der Energie ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92 aufgeführten Projekte gesetzt wird.

44      Es steht gleichfalls außer Zweifel, dass der Erlass vom 13. Februar 2014 den Bereich der Energie betrifft und dazu beiträgt, den Rahmen für die Genehmigung von Windparkprojekten in der Region Wallonien zu setzen, die zu den in Anhang II der Richtlinie 2011/92 aufgeführten Projekten gehören.

45      Was den Begriff „Pläne und Programme“ angeht, so muss dieser zwar ein gewisses Gebiet erfassen. Gleichwohl geht weder aus dem Wortlaut des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 noch dem ihres Art. 3 Abs. 2 Buchst. a hervor, dass diese Pläne oder Programme die Raumordnung eines ganz bestimmten Gebiets zum Gegenstand haben müssen. Vielmehr lässt sich dem Wortlaut dieser Bestimmungen entnehmen, dass sie in einem weiteren Sinne auf die Raumordnung von Gebieten oder Zonen im Allgemeinen abzielen.

46      Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts aber betrifft der Erlass vom 13. Februar 2014 das gesamte Gebiet der Region Wallonien und weisen die in ihm festgelegten Lärmgrenzwerte einen engen Bezug zu diesem Gebiet auf, da sie je nach den verschiedenen Nutzungsarten der jeweiligen Zonen festgelegt werden.

47      Was den Umstand anbelangt, dass der Erlass vom 13. Februar 2014 keinen hinreichend vollständigen Rahmen für den Sektor der Windkraft definiere, ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der in Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 vorgesehenen Kriterien zur Klärung der Frage, ob ein Erlass wie der im Ausgangsverfahren fragliche unter den genannten Begriff fallen kann, insbesondere im Licht des Ziels dieser Richtlinie vorzunehmen ist, das, wie oben in Rn. 39 ausgeführt, darin besteht, dass Entscheidungen, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung unterzogen werden.

48      Im Übrigen sollten, wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, mögliche Strategien zur Umgehung der in der Richtlinie 2001/42 genannten Verpflichtungen, die die Maßnahmen zerstückeln könnten und so die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie verringern, vermieden werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2012, Inter-Environnement Bruxelles u. a., C‑567/10, EU:C:2012:159, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      In Anbetracht dieses Ziels ist darauf hinzuweisen, dass sich der Begriff „Pläne und Programme“ auf jeden Rechtsakt bezieht, der dadurch, dass er die in dem betreffenden Bereich anwendbaren Regeln und Verfahren zur Kontrolle festlegt, eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer Projekte aufstellt, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2012, Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a., C‑43/10, EU:C:2012:560, Rn. 95 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass sich der Erlass vom 13. Februar 2014 insbesondere auf die technischen Normen, die Betriebsmodalitäten (insbesondere die stroboskopischen Schatten), die Unfall- und Brandverhütung (u. a. Abschaltung des Windrads), die Geräuschpegelnormen, die Wiederinstandsetzung und die Leistung einer Sicherheit für Windkraftanlagen bezieht. Solche Normen haben ein hinreichend signifikantes Gewicht und Ausmaß, um die in dem betreffenden Bereich geltenden Voraussetzungen zu regeln, und die mit diesen Normen getroffenen Entscheidungen insbesondere umweltpolitischer Art sollen dazu beitragen, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die konkreten Vorhaben der Errichtung und des Betriebs von Windkraftstandorten künftig genehmigt werden können.

51      Schließlich schlägt die französische Regierung unter Zugrundelegung des Übereinkommens von Århus und des Protokolls von Kiew vor, den Begriff „Pläne und Programme“ von dem der „allgemeinen Regelung“ zu unterscheiden, unter den aber der Erlass vom 13. Februar 2014 falle, so dass er nicht im Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/42 liege.

52      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass sich bereits dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich dieser Richtlinie, der in diesem Sinne durch die in Rn. 49 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung bestätigt worden ist, entnehmen lässt, dass der Begriff „Pläne und Programme“ Rechtsetzungsakte umfassen kann, die im Gesetzgebungs- oder Verordnungsweg erlassen wurden.

53      Zum anderen unterscheidet sich, wie die Generalanwältin in Nr. 70 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Richtlinie 2001/42 von dem Übereinkommen von Århus und dem Protokoll von Kiew, da diese Richtlinie gerade keine besonderen Bestimmungen über Politiken oder allgemeine Regelungen enthält, die eine Abgrenzung gegenüber „Plänen und Programmen“ erforderten.

54      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen sind, dass ein Regelungserlass wie der im Ausgangsverfahren fragliche, der verschiedene Bestimmungen über die Errichtung von Windkraftanlagen enthält, die im Rahmen der Erteilung von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen einzuhalten sind, unter den Begriff „Pläne und Programme“ im Sinne dieser Richtlinie fällt.

 Kosten

55      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme sind dahin auszulegen, dass ein Regelungserlass wie der im Ausgangsverfahren fragliche, der verschiedene Bestimmungen über die Errichtung von Windkraftanlagen enthält, die im Rahmen der Erteilung von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen einzuhalten sind, unter den Begriff „Pläne und Programme“ im Sinne dieser Richtlinie fällt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.