URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

23. Dezember 2015(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse – Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 – Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV – Mengenmäßige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Mindestpreis für alkoholische Getränke, der sich nach der Alkoholmenge in dem Erzeugnis errechnet – Rechtfertigung – Art. 36 AEUV – Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen – Beurteilung durch das nationale Gericht“

In der Rechtssache C‑333/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Session (Scotland) (Oberster Gerichtshof Schottlands, Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 3. Juli 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juli 2014, in dem Verfahren

Scotch Whisky Association,

spiritsEUROPE,

Comité de la Communauté économique européenne des Industries et du Commerce des Vins, Vins aromatisés, Vins mousseux, Vins de liqueur et autres Produits de la Vigne (CEEV)

gegen

Lord Advocate,

Advocate General for Scotland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Ersten Kammer R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, A. Arabadjiev, C. Lycourgos (Berichterstatter) und J.‑C. Bonichot,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Scotch Whisky Association, der Vereinigung spiritsEUROPE und des Comité de la Communauté économique européenne des Industries et du Commerce des Vins, Vins aromatisés, Vins mousseux, Vins de Liqueur et autres Produits de la Vigne (CEEV), vertreten durch C. Livingstone, advocate, Rechtsanwalt G. McKinlay, A. O’Neill, QC, J. Holmes und M. Ross, Barristers,

–        des Lord Advocate, vertreten durch S. Bathgate als Bevollmächtigte im Beistand von C. Pang und L. Irvine, advocates, und G. Moynihan, QC,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. R. Brodie, S. Behzadi-Spencer und M. Holt als Bevollmächtigte im Beistand von A. Carmichael, Barrister,

–        der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und D. Drambozova als Bevollmächtigte,

–        von Irland, vertreten durch E. Creedon, A. Joyce und B. Counihan als Bevollmächtigte im Beistand von B. Doherty, Barrister,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Gijzen als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Szwarc, M. Załęska und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch A. Gameiro und L. Inez Fernandes als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, E. Karlsson und L. Swedenborg als Bevollmächtigte,

–        der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Nordland Hansen und M. Schei als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und G. Wilms als Bevollmächtigte,

–        der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch J. T. Kaasin, M. Moustakali und A. Lewis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2015

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. L 347, S. 671) sowie der Art. 34 AEUV und 36 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Scotch Whisky Association, spiritsEUROPE sowie dem Comité de la Communauté économique européenne des Industries et du Commerce des Vins, Vins aromatisés, Vins mousseux, Vins de liqueur et autres Produits de la Vigne (CEEV) einerseits und dem Lord Advocate sowie dem Advocate General for Scotland andererseits über die Zulässigkeit des nationalen Gesetzes und des Entwurfs einer Verordnung, mit denen in Schottland für den Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel ein Mindestpreis pro Alkoholeinheit (im Folgenden: MPA) eingeführt werden soll.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 15, 43, 172 und 174 der Verordnung Nr. 1308/2013 heißt es:

„(15) In dieser Verordnung sollte die Möglichkeit des Absatzes von zur öffentlichen Intervention angekauften Erzeugnissen vorgesehen werden. Entsprechende Maßnahmen sind so zu ergreifen, dass Marktstörungen vermieden und gleicher Zugang zu den Waren sowie die Gleichbehandlung der Käufer gewährleistet werden.

...

(43)      Im Weinsektor sollten Stützungsmaßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsstrukturen vorgesehen werden. …

...

(172) In Anbetracht der besonderen Merkmale des landwirtschaftlichen Sektors und dessen Abhängigkeit vom guten Funktionieren der gesamten Lebensmittelversorgungskette, einschließlich der wirksamen Anwendung der Wettbewerbsregeln in allen verwandten Sektoren entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette, in denen es eine starke Konzentration geben kann, sollte der Anwendung der Wettbewerbsregeln gemäß Artikel 42 AEUV besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. …

...

(174) Eine besondere Herangehensweise ist in Bezug auf landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe oder Erzeugerorganisationen oder deren Vereinigungen zulässig, soweit sie insbesondere die gemeinsame Produktion oder Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Nutzung gemeinsamer Einrichtungen zum Gegenstand haben, es sei denn, ein solches gemeinsames Handeln schließt den Wettbewerb aus …“

4        Art. 167 („Vermarktungsregeln zur Verbesserung und Stabilisierung des gemeinsamen Marktes für Weine“) der Verordnung Nr. 1308/2013 sieht in seinem Abs. 1 vor :

„Im Hinblick auf ein besseres und stabileres Funktionieren des gemeinsamen Marktes für Weine, einschließlich der Weintrauben, Traubenmoste und Weine, von denen sie stammen, können die Erzeugermitgliedstaaten insbesondere mittels Durchführung der Beschlüsse der gemäß Artikel 157 und 158 anerkannten Branchenverbände Vermarktungsregeln zur Steuerung des Angebots festlegen.

Diese Regeln müssen im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel angemessen sein und dürfen

a)      sich nicht auf Operationen nach der Erstvermarktung des betreffenden Erzeugnisses beziehen;

b)      keine Preisfestsetzung erlauben, sei es auch nur als Orientierung oder Empfehlung;

...“

 Das Recht des Vereinigten Königreichs

5        Das Gesetz von 2012 über Mindestpreise für Alkohol in Schottland (Alcohol [Minimum Pricing] [Scotland] Act 2012, im Folgenden: Gesetz von 2012) sieht die Festlegung eines MPA vor, den jeder Inhaber der Konzession, die in Schottland für den Verkauf von alkoholischen Getränken im Einzelhandel erforderlich ist, beachten muss.

6        Das Gesetz von 2012 bestimmt, dass die schottische Regierung den MPA durch eine Verordnung festlegt. Zu diesem Zweck hat die schottische Regierung den Entwurf einer vom schottischen Parlament zu billigenden Verordnung ausgearbeitet, nämlich der Verordnung von 2013 über den Mindestpreis pro Alkoholeinheit in Schottland (The Alcohol [Minimum Price per Unit] [Scotland] Order 2013, im Folgenden: MPA-Verordnung).

7        In dieser Verordnung wird der MPA mit 0,50 Pfund Sterling (GBP) (ungefähr 0,70 Euro) festgesetzt. Der Mindestverkaufspreis eines Erzeugnisses bestimmt sich anschließend nach folgender Formel: MPA x K x V x 100, wobei „MPA“ den Mindestpreis pro Einheit, „K“ den Alkoholgehalt und „V“ das Volumen des Alkohols in Litern bezeichnet.

8        Das Gesetz von 2012 verpflichtet die schottische Regierung dazu, die Auswirkungen der Festsetzung eines MPA zu bewerten, um dem Parlament innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten der Regelung einen Bericht vorzulegen. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass die Festsetzung eines MPA sechs Jahre nach dem Inkrafttreten der MPA-Verordnung auslaufen soll, es sei denn, das Parlament beschließt, den MPA beizubehalten.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9        Das Gesetz von 2012 wurde vom schottischen Parlament verabschiedet, aber nur einige seiner „formellen Teile“ sind am 29. Juni 2012 in Kraft getreten. Gemäß dem Gesetz erließen die schottischen Minister die MPA-Verordnung, in der der MPA mit 0,50 Pfund Sterling (GBP) (ungefähr 0,70 Euro) festgesetzt wird.

10      Am 25. Juni 2012 unterrichteten die schottischen Minister die Europäische Kommission nach Maßgabe der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) über die MPA-Verordnung. In einer Stellungnahme vom 25. September 2012 vertrat die Kommission die Auffassung, dass die nationale Maßnahme eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstelle, die sich nicht gemäß Art. 36 AEUV rechtfertigen lasse.

11      Am 19. Juli 2012 initiierten die Kläger des Ausgangsverfahrens ein gerichtliches Normenkontrollverfahren zur Prüfung des Gesetzes von 2012 und der MPA-Verordnung. Nachdem sie in erster Instanz unterlegen waren, legten sie beim Court of Session (Scotland) (Oberster Gerichtshof Schottlands) dagegen Berufung ein. Die schottischen Minister haben sich im Übrigen dazu verpflichtet, die Bestimmungen über den MPA nicht vor dem Abschluss dieses Verfahrens in Kraft treten zu lassen.

12      Unter diesen Umständen hat der Court of Session (Scotland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist es nach dem Unionsrecht über die Gemeinsame Marktordnung für Wein und insbesondere der Verordnung Nr. 1308/2013 zulässig, wenn ein Mitgliedstaat eine nationale Maßnahme erlässt, durch die für Wein ein an den Alkoholgehalt in dem verkauften Erzeugnis anknüpfender Mindestverkaufspreis im Einzelhandel festgelegt wird und die damit von dem an sich auf dem Weinmarkt geltenden Grundsatz der freien Preisbildung durch Marktkräfte abweicht?

2.      Wenn im Sinne einer Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV

i)      ein Mitgliedstaat zu der Ansicht gelangt ist, dass es zum Schutz der menschlichen Gesundheit zweckmäßig ist, die Kosten des Konsums von Waren – hier alkoholischen Getränken – für Verbraucher oder eine Gruppe von Verbrauchern zu erhöhen, und

ii)      es dem Mitgliedstaat freisteht, Verbrauch- oder andere Steuern auf diese Waren zu erheben (einschließlich Steuern oder Abgaben, die auf dem Alkoholgehalt, der Menge oder dem Wert beruhen, bzw. einer Kombination solcher steuerlichen Maßnahmen),

ist es dann unionsrechtlich zulässig – und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen –, dass sich der Mitgliedstaat gegen solche steuerlichen Mittel zur Erhöhung des Verbraucherpreises und stattdessen für gesetzgeberische Maßnahmen entscheidet, durch die ein Mindestpreis im Einzelhandel festgelegt wird und die den Handel und den Wettbewerb innerhalb der Union verfälschen?

3.      Wird ein Gericht in einem Mitgliedstaat mit der Entscheidung der Frage befasst, ob eine gesetzgeberische Maßnahme, die eine mit Art. 34 AEUV unvereinbare mengenmäßige Beschränkung darstellt, jedoch nach Art. 36 AEUV zum Schutz der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt sein kann, hat sich das nationale Gericht dann allein auf die Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen zu beschränken, die dem Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorschriften zur Verfügung gestanden haben und von diesem berücksichtigt worden sind? Falls nein, welchen anderen Beschränkungen könnte die Befugnis des nationalen Gerichts unterliegen, alle Unterlagen oder Beweismittel zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen und von den Parteien vorgelegt werden?

4.      Wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats bei seiner Auslegung und Anwendung des Unionsrechts das Vorbringen der nationalen Behörden zu prüfen hat, dass eine Maßnahme, die an sich eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt, zum Schutz der menschlichen Gesundheit als Ausnahme nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt sei, inwieweit ist das nationale Gericht dann verpflichtet oder berechtigt, sich auf der Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen eine objektive Meinung von der Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des angegebenen Ziels, von der Verfügbarkeit mindestens gleichwertiger alternativer Maßnahmen, die den Wettbewerb innerhalb der Union weniger beeinträchtigen, und von der allgemeinen Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu bilden?

5.      Darf (im Rahmen einer Meinungsverschiedenheit darüber, ob eine Maßnahme nach Art. 36 AEUV zum Schutz der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt ist) bei der Prüfung der Frage, ob es eine alternative Maßnahme gibt, die den Handel und den Wettbewerb innerhalb der Union nicht oder zumindest weniger beeinträchtigt, diese alternative Maßnahme mit der Begründung von der Hand gewiesen werden, dass ihre Wirkungen möglicherweise nicht genau den Wirkungen der nach Art. 34 AEUV verbotenen Maßnahme entsprechen, sondern in weiteren, zusätzlichen Vorteilen bestehen können und der Erreichung eines umfassenderen, allgemeinen Ziels förderlich sein können?

6.      Inwieweit darf bei der Beurteilung einer nationalen Maßnahme, die anerkanntermaßen oder nach den Feststellungen eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt, für die ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 36 AEUV geltend gemacht wird, und insbesondere bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ein mit dieser Aufgabe betrautes Gericht seine eigene Beurteilung des Wesens und des Ausmaßes des Verstoßes der als mengenmäßige Beschränkung nach Art. 34 AEUV verbotenen Maßnahme zugrunde legen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

13      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1308/2013 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die für den Verkauf von Wein im Einzelhandel einen MPA vorgibt.

14      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte (im Folgenden: GMO) gemäß Art. 40 Abs. 2 AEUV alle zur Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im Sinne von Art. 39 AEUV erforderlichen Maßnahmen, insbesondere Preisregelungen, einschließen kann.

15      Außerdem soll mit der Verordnung Nr. 1308/2013, wie aus ihrem Erwägungsgrund 3 hervorgeht, eine GMO für alle in Anhang I des EUV und des AEUV aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, zu denen Wein gehört, geschaffen werden.

16      Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der in den 80er Jahren in der Europäischen Gemeinschaft geltenden GMO für Wein vertreten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens die Ansicht, dass die Verordnung Nr. 1308/2013 ein vollständiges Regelungssystem für den gemeinsamen Weinmarkt, insbesondere hinsichtlich der Preise, darstelle. Unter diesen Umständen dürften die Mitgliedstaaten keine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige erlassen. Speziell das Verbot für die Mitgliedstaaten, einseitig Maßnahmen zur Festsetzung der Einzelhandelspreise für Weine zu ergreifen, ergebe sich ausdrücklich aus Art. 167 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

17      Die Verordnung Nr. 1308/2013 enthält jedoch – wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend ausgeführt hat – weder Vorschriften, die die Festsetzung der Einzelhandelspreise für Weine, sei es auf nationaler Ebene oder auf Unionsebene, erlauben, noch Vorschriften, die den Mitgliedstaaten den Erlass nationaler Maßnahmen zur Festlegung solcher Preise verbieten.

18      Denn Art. 167 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung sieht zwar ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten keine Preisfestsetzung erlauben dürfen, sei es auch nur als Orientierung oder Empfehlung. Dies gilt jedoch allein im Rahmen der Festlegung von Vermarktungsregeln zur Steuerung des Angebots auf dem gemeinsamen Markt für Weine, insbesondere mittels Durchführung der Beschlüsse der Branchenverbände.

19      Folglich bleiben die Mitgliedstaaten grundsätzlich für den Erlass bestimmter Maßnahmen zuständig, die nicht in der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgesehen sind, sofern diese Maßnahmen nicht so beschaffen sind, dass sie von der Verordnung Nr. 1308/2013 abweichen oder diese Verordnung beeinträchtigen oder deren ordnungsgemäßes Funktionieren behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil Kuipers, C‑283/03, EU:C:2005:314, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Was die Festsetzung eines Mindestpreises betrifft, ist – wie der Generalanwalt in den Nrn. 31 und 37 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – mangels eines Preisfestsetzungsmechanismus die freie Bestimmung der Verkaufspreise auf der Grundlage des freien Wettbewerbs einer der Bestandteile der Verordnung Nr. 1308/2013 und Ausdruck des Grundsatzes des freien Warenverkehrs unter Bedingungen wirksamen Wettbewerbs.

21      Im Ausgangsverfahren hat die Vorgabe eines MPA zur Folge, dass der Einzelhandelspreis örtlich erzeugter oder eingeführter Weine unter keinen Umständen unter diesem verbindlichen Mindestpreis liegen darf. Eine derartige Maßnahme kann daher die Wettbewerbsverhältnisse beeinträchtigen, indem sie bestimmte Hersteller oder Einführer daran hindert, niedrigere Gestehungskosten auszunutzen, um günstigere Einzelhandelspreise anzubieten (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Frankreich, C‑197/08, EU:C:2010:111, Rn. 37, und Kommission/Irland, C‑221/08, EU:C:2010:113, Rn. 40).

22      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die gemeinsamen Marktorganisationen auf dem Grundsatz eines offenen Marktes beruhen, zu dem jeder Erzeuger unter Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs freien Zugang hat (Urteil Milk Marque und National Farmers’ Union, C‑137/00, EU:C:2003:429, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist im Übrigen eines der Ziele der GAP (Urteil Panellinios Syndesmos Viomichanion Metapoiisis Kapnou, C‑373/11, EU:C:2013:567, Rn. 37), was sich in mehreren Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 1308/2013 widerspiegelt, etwa in den Erwägungsgründen 15, 43, 172 und 174.

24      Folglich ist die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung, die für den Verkauf von Wein im Einzelhandel einen MPA vorgibt, geeignet, die Verordnung Nr. 1308/2013 zu beeinträchtigen, da eine solche Maßnahme dem Grundsatz zuwiderläuft, auf den sich die Verordnung gründet, dass sich die Verkaufspreise für Agrarzeugnisse auf der Grundlage eines freien Wettbewerbs frei bilden sollen.

25      Der Lord Advocate macht jedoch geltend, dass die Verordnung Nr. 1308/2013 die schottischen Behörden nicht daran hindere, die im Ausgangsverfahren streitige Maßnahme zu erlassen, da diese Maßnahme das Ziel verfolge, durch die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, und damit ein Ziel, das nicht unmittelbar von der Verordnung Nr. 1308/2013 erfasst werde.

26      Insoweit ist festzustellen, dass die Schaffung einer GMO es den Mitgliedstaaten tatsächlich nicht verwehrt, nationale Regelungen anzuwenden, die ein im Allgemeininteresse liegendes anderes Ziel als die von der betreffenden GMO erfassten Ziele verfolgt, selbst wenn diese Regelung einen Einfluss auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes im betroffenen Wirtschaftsbereich hat (vgl. Urteil Hammarsten, C-462/01, EU:C:2003:33, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Demnach darf sich ein Staat auf das Ziel berufen, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, um eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren streitige zu rechtfertigen, die das System der freien Preisbildung unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigt, auf das sich die Verordnung Nr. 1308/2013 gründet.

28      Eine beschränkende Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren nach der streitigen nationalen Regelung vorgesehene, muss jedoch den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, d. h., sie muss geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. entsprechend Urteil Berlington Hungary u. a., C‑98/14, EU:C:2015:386, Rn. 64). Dies wird der Gerichtshof im Rahmen der zweiten bis sechsten Frage prüfen, in denen es speziell um die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung geht. In jedem Fall muss die Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung insbesondere der Ziele der GAP und des guten Funktionierens der GMO erfolgen, was einen Ausgleich zwischen diesen Zielen und dem von der nationalen Regelung verfolgten Ziel, dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, erfordert.

29      Demzufolge ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1308/2013 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die für den Verkauf von Wein im Einzelhandel einen MPA vorgibt, sofern diese Maßnahme tatsächlich geeignet ist, das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu gewährleisten, und unter Berücksichtigung der Ziele der GAP sowie des guten Funktionierens der GMO nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das genannte Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu erreichen.

 Zur zweiten und zur fünften Frage

30      Mit seiner zweiten und seiner fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 34 AEUV und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehren, dass er sich, wenn er das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, dadurch erreichen möchte, dass er den Alkoholkonsum verteuert, für eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige entscheidet, die für den Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel einen MPA vorgibt, und von einer Maßnahme wie einer Verbrauchsteuer, die den Handelsverkehr und den Wettbewerb innerhalb der Union weniger einschränken würde, aus dem Grund Abstand nimmt, dass die letztgenannte Maßnahme geeignet ist, weitere, zusätzliche Vorteile mit sich zu bringen und einem umfassenderen, allgemeineren Ziel zu dienen als die gewählte Maßnahme.

31      Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Maßnahme eines Mitgliedstaats, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. u. a. Urteile Dassonville, 8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5, und Juvelta, C-481/12, EU:C:2014:11, Rn. 16).

32      Wie der Generalanwalt in den Rn. 59 und 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die im Ausgangsverfahren streitige Regelung allein deshalb, weil sie verhindert, dass sich niedrigere Gestehungskosten eingeführter Erzeugnisse im Endverkaufspreis niederschlagen können, geeignet, alkoholhaltigen Getränken, die in anderen Mitgliedstaaten als dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland rechtmäßig vertrieben werden, den Zugang zum britischen Markt zu erschweren, und stellt somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Italien, C‑110/05, EU:C:2009:66, Rn. 37, ANETT, C‑456/10, EU:C:2012:241, Rn. 35, und Vilniaus energija, C‑423/13, EU:C:2014:2186, Rn. 48), was im Übrigen weder vom vorlegenden Gericht noch von einer der Parteien, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen abgegeben haben, in Abrede gestellt wird.

33      Nach ständiger Rechtsprechung lässt sich eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung nur dann u. a. mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach Art. 36 AEUV rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht (vgl. in diesem Sinne Urteil ANETT, C‑456/10, EU:C:2012:241, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Was das Ziel betrifft, das mit der im Ausgangsverfahren streitigen Regelung verfolgt wird, führt das vorlegende Gericht aus, dass aus der Begründung des dem schottischen Parlament vorgelegten Entwurfs des Gesetzes von 2012 sowie einer unlängst durchgeführten Untersuchung mit dem Titel „Business and Regulatory Impact Assessment“ hervorgehe, dass diese ein doppeltes Ziel verfolge, nämlich eine zielgerichtete Verringerung des Alkoholkonsums sowohl bei Verbrauchern mit einem gefährlichen oder schädigenden Trinkverhalten als auch in der Bevölkerung allgemein. In der mündlichen Verhandlung hat der Lord Advocate dieses doppelte Ziel bestätigt, das, indem es die gesamte Bevölkerung in den Fokus nimmt, als Zielgruppe, wenn auch nicht vorrangig, Verbraucher mit gemäßigtem Alkoholkonsum einschließt.

35      Somit ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren streitige Regelung – allgemeiner ausgedrückt – das Ziel verfolgt, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, und damit ein Ziel, das unter den von Art. 36 AEUV geschützten Gütern und Interessen den ersten Rang einnimmt. Insoweit ist es Sache der Mitgliedstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, auf welchem Niveau sie diesen Schutz gewährleisten wollen (Urteil Rosengren u. a., C‑170/04, EU:C:2007:313, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Was die Frage betrifft, ob diese Regelung geeignet ist, das genannte Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu erreichen, so erscheint es, wie der Generalanwalt in Rn. 127 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht unschlüssig, anzunehmen, dass eine Maßnahme, mit der ein Mindestpreis für alkoholische Getränke festgesetzt wird, der ganz speziell eine Anhebung des Preises für billige alkoholische Getränke bezweckt, geeignet ist, den Alkoholkonsum im Allgemeinen und den gefährlichen und schädigenden Konsum im Besonderen zu vermindern, da Personen mit einem entsprechenden Konsumverhalten in großem Umfang billige alkoholische Getränke kaufen.

37      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung nur dann als geeignet angesehen werden kann, die Verwirklichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kakavetsos‑Fragkopoulos, C‑161/09, EU:C:2011:110, Rn. 42, sowie entsprechend Urteil Berlington Hungary u. a., C‑98/14, EU:C:2015:386, Rn. 64).

38      Aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten, den Erklärungen des Lord Advocate sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ergibt sich insoweit, dass die im Ausgangsverfahren streitige Regelung Teil einer allgemeineren politischen Strategie ist, mit der die zerstörerischen Auswirkungen des Alkohols bekämpft werden sollen. Der von dieser Regelung vorgesehene verbindliche MPA ist nämlich eine von 40 Maßnahmen, die bezwecken, den Konsum von Alkohol in der schottischen Bevölkerung insgesamt – unabhängig davon, wo und wie er stattfindet – in kohärenter und systematischer Weise zu reduzieren.

39      Die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung stellt sich folglich als zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet dar.

40      Die Prüfung der Frage, ob diese nationale Regelung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Gesundheit und das Leben von Menschen wirksam zu schützen, muss im vorliegenden Fall – wie in Rn. 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt – auch unter Berücksichtigung der Ziele der GAP und des guten Funktionierens der GMO erfolgen. In Anbetracht der vorliegend untersuchten Fragestellung muss diese Prüfung aber als Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen von Art. 36 AEUV durchgeführt werden und darf somit nicht gesondert erfolgen.

41      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung oder Praxis nicht unter die Ausnahme nach Art. 36 AEUV fällt, wenn die Gesundheit und das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden können, die den Handelsverkehr innerhalb der Union weniger beschränken (Urteil Rosengren u. a., C‑170/04, EU:C:2007:313, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      In diesem Zusammenhang nennt das vorlegende Gericht konkret eine steuerliche Maßnahme wie eine erhöhte Besteuerung alkoholischer Getränke, von der es meint, dass sich mit ihr das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, ebenso wirksam erreichen ließe wie mit einer Maßnahme, die einen MPA festsetzt, dass sie aber den freien Warenverkehr weniger einschränken würde. Hierüber sind sich die Parteien, die Erklärungen abgegeben haben, jedoch uneins.

43      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, wie es der Generalanwalt in Nr. 143 seiner Schlussanträge getan hat, dass das Unionsrecht grundsätzlich einer erhöhten Besteuerung alkoholischer Getränke nicht entgegensteht. Den Mitgliedstaaten verbleibt daher hinreichend Gestaltungsspielraum, um insbesondere die Verwirklichung spezieller Ziele der öffentlichen Gesundheit zu verfolgen.

44      Ferner ist festzustellen, dass eine Steuerregelung ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums alkoholischer Getränke und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellt. Das Ziel, sicherzustellen, dass für diese Getränke hohe Preise festgesetzt werden, kann in angemessener Weise durch ihre erhöhte Besteuerung verfolgt werden, da sich die Verbrauchsteuererhöhungen früher oder später in einer Erhöhung der Einzelhandelspreise niederschlagen müssen, ohne dass dies den Grundsatz der freien Preisfestsetzung antasten würde (vgl. in diesem Zusammenhang Urteile Kommission/Griechenland, C‑216/98, EU:C:2000:571, Rn. 31, und Kommission/Frankreich, C‑197/08, EU:C:2010:111, Rn. 52).

45      Entgegen dem Vorbringen des Lord Advocate spricht der Umstand, dass die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung Tabakwaren betrifft, nicht gegen die Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Ausgangsverfahren, in dem es um den Vertrieb alkoholischer Getränke geht. Im Rahmen nationaler Maßnahmen, die den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen bezwecken, und unabhängig von den Eigenheiten des jeweiligen Erzeugnisses lässt sich nämlich bei alkoholischen Getränken ebenso wie bei Tabakwaren eine Preisanhebung durch eine erhöhte Besteuerung erreichen.

46      Eine fiskalische Maßnahme, mit der die Steuern auf alkoholische Getränke erhöht werden, kann für den Handel mit diesen Waren innerhalb der Union weniger einschränkend sein als eine Maßnahme, mit der ein MPA vorgegeben wird. Denn die letztgenannte Maßnahme schränkt, wie in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt, im Gegensatz zu einer Erhöhung der auf diese Waren erhobenen Steuer die Freiheit der Wirtschaftsteilnehmer, ihre Einzelhandelspreise zu bestimmen, erheblich ein und stellt infolgedessen ein ernsthaftes Hindernis für den Zugang alkoholhaltiger Getränke, die in anderen Mitgliedstaaten als dem Vereinigten Königreich rechtmäßig vertrieben werden, zum britischen Markt sowie für den freien Wettbewerb auf diesem Markt dar.

47      Was schließlich die Frage betrifft, ob es möglich ist, von steuerlichen Maßnahmen abzusehen und stattdessen einen MPA einzuführen, weil sich das angestrebte Ziel mit steuerlichen Maßnahmen nicht ebenso wirksam erreichen lasse, so ist festzustellen, dass der Umstand, dass eine erhöhte Besteuerung alkoholischer Getränke eine allgemeine Anhebung der Preise für diese Getränke nach sich zieht, die sowohl Verbraucher mit einem moderaten Alkoholkonsum als auch solche mit einem gefährlichen oder schädigenden Trinkverhalten trifft, im Hinblick auf das in Rn. 34 des vorliegenden Urteils genannte doppelte Ziel, das mit der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung verfolgt wird, nicht zu dem Schluss führen kann, dass eine solche erhöhte Besteuerung weniger wirksam wäre als die gewählte Maßnahme.

48      Vielmehr könnte unter den gegebenen Umständen, worauf der Generalanwalt in Nr. 150 seiner Schlussanträge hingewiesen hat, die Tatsache, dass eine Maßnahme der erhöhten Besteuerung im Vergleich zur Vorgabe eines MPA möglicherweise zusätzliche Vorteile mit sich bringt, weil sie zur Verwirklichung des allgemeinen Ziels der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs beiträgt, nicht nur keinen Grund darstellen, von einer solchen Maßnahme Abstand zu nehmen, sondern in ihr läge gerade ein Gesichtspunkt, der dafür spräche, auf diese Maßnahme anstatt auf die Vorgabe eines MPA zurückzugreifen.

49      Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, dem allein alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens kennzeichnen, zugänglich sind, die Frage zu klären, ob eine andere Maßnahme als die im Ausgangsverfahren nach der streitigen Regelung vorgesehene – wie eine erhöhte Besteuerung alkoholischer Getränke – geeignet ist, die Gesundheit und das Leben von Menschen ebenso wirksam zu schützen wie diese Regelung, gleichzeitig aber den Handel mit diesen Waren innerhalb der Union weniger einschränkt.

50      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass auf die zweite und die fünfte Frage zu antworten ist, dass die Art. 34 AEUV und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehren, dass er sich, wenn er das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, dadurch erreichen möchte, dass er den Alkoholkonsum verteuert, für eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige entscheidet, die für den Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel einen MPA vorgibt, und von einer Maßnahme wie einer Verbrauchsteuer Abstand nimmt, die den Handelsverkehr und den Wettbewerb innerhalb der Union möglicherweise weniger einschränken würde. Ob dies wirklich der Fall ist, hat das vorlegende Gericht anhand einer eingehenden Prüfung aller einschlägigen Gesichtspunkte der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermitteln. Die Tatsache allein, dass die letztgenannte Maßnahme geeignet ist, weitere, zusätzliche Vorteile mit sich zu bringen und dem Ziel der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs in einer umfassenderen Weise zu dienen, vermag es nicht zu rechtfertigen, von dieser Maßnahme Abstand zu nehmen.

 Zur vierten und zur sechsten Frage

51      Mit seiner vierten und seiner sechsten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Anforderungen Art. 36 AEUV an die Intensität der Verhältnismäßigkeitskontrolle stellt, die das vorlegende Gericht vornehmen muss, wenn es prüft, ob eine nationale Regelung wegen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach diesem Artikel gerechtfertigt ist.

52      Nach der in Rn. 35 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist es Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen, wobei die Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Union zu berücksichtigen sind.

53      Da ein Verbot, wie es sich aus der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung ergibt, eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellt, haben die nationalen Behörden darzutun, dass diese Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, d. h., dass sie erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, und dass sich das angestrebte Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreichen ließe, die weniger weit gehen oder den Handel innerhalb der Union weniger beeinträchtigen würden (vgl. in diesem Sinne Urteile Franzén, C‑189/95, EU:C:1997:504, Rn. 75 und 76, und Rosengren u. a., C‑170/04, EU:C:2007:313, Rn. 50).

54      Insoweit müssen die Rechtfertigungsgründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, von geeigneten Beweisen oder einer Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat erlassenen beschränkenden Maßnahme sowie von genauen Angaben zur Stützung seines Vorbringens begleitet sein (vgl. in diesem Sinne Urteile Lindman, C‑42/02, EU:C:2003:613 Rn. 25, Kommission/Belgien, C‑227/06, EU:C:2008:160, Rn. 63, und ANETT, C‑456/10, EU:C:2012:241, Rn. 50).

55      Diese Beweislast darf allerdings nicht so weit gehen, dass die nationalen Behörden, wenn sie eine nationale Regelung, mit der eine Maßnahme wie ein MPA vorgegeben wird, positiv belegen müssten, dass sich dieses Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen ließe (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, C‑110/05, EU:C:2009:66, Rn. 66).

56      In diesem Zusammenhang obliegt es dem vorlegenden Gericht, das mit der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der betreffenden nationalen Regelung befasst ist, die Stichhaltigkeit der von den zuständigen nationalen Behörden vorgelegten Beweise zu prüfen, damit es feststellen kann, ob die nationale Regelung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Auf der Grundlage dieser Beweise muss das vorlegende Gericht insbesondere objektiv untersuchen, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr weniger einschränken.

57      Im vorliegenden Fall darf das vorlegende Gericht im Rahmen einer solchen Prüfung mögliche wissenschaftliche Unsicherheiten hinsichtlich der konkreten und tatsächlichen Auswirkungen einer Maßnahme wie des MPA für die Erreichung des verfolgten Ziels berücksichtigen. Wie der Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist der Umstand, dass die nationale Regelung vorsieht, dass die Festsetzung eines MPA sechs Jahre nach dem Inkrafttreten der MPA-Verordnung auslaufen soll, sofern das schottische Parlament nicht seine Beibehaltung beschließt, ein Gesichtspunkt, den das vorlegende Gericht gleichfalls berücksichtigen kann.

58      Das vorlegende Gericht muss außerdem bei seinem Vergleich mit anderen möglichen Maßnahmen, die den Handel innerhalb der Union weniger beeinträchtigen, die Art und den Umfang der Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit, die sich aus einer Maßnahme wie dem MPA ergibt, sowie die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die GMO beurteilen, da diese Beurteilung zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit gehört.

59      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 36 AEUV dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht, wenn es eine nationale Regelung darauf prüft, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach diesem Artikel gerechtfertigt ist, objektiv prüfen muss, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr und die GMO weniger einschränken.

 Zur dritten Frage

60      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 36 AEUV dahin auszulegen ist, dass die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen auf die Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen beschränkt ist, die dem Gesetzgeber bei ihrem Erlass zur Verfügung gestanden haben.

61      Dem vorlegenden Gericht zufolge sind die Parteien des Ausgangsverfahrens uneins darüber, auf welchen Zeitpunkt bei der Würdigung der Rechtmäßigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme abzustellen ist. Das vorlegende Gericht fragt sich, welche Unterlagen und Beweismittel bei der Beurteilung, ob diese Maßnahme nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist, von ihm geprüft werden müssen, wenn ihm nunmehr neue Studien zur Verfügung stehen, die vom nationalen Gesetzgeber beim Erlass der Maßnahme nicht berücksichtigt wurden.

62      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Erfordernisse des Unionsrechts jederzeit zu beachten sind, sei es zum Zeitpunkt des Erlasses einer Maßnahme, zum Zeitpunkt ihrer Durchführung oder zum Zeitpunkt ihrer Anwendung auf den konkreten Einzelfall (Urteil Seymour-Smith und Perez, C‑167/97, EU:C:1999:60, Rn. 45).

63      Im vorliegenden Fall ist das nationale Gericht damit betraut, die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung mit dem Unionsrecht zu prüfen, obgleich die betreffende Regelung in der nationalen Rechtsordnung nicht in Kraft getreten ist. Folglich muss es die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung beurteilen.

64      Bei dieser Beurteilung muss das vorlegende Gericht alle Angaben, Beweismittel und sonstigen einschlägigen Unterlagen berücksichtigen, von denen es gemäß den Bedingungen seines nationalen Rechts Kenntnis hat. Eine solche Beurteilung ist erst recht geboten, wenn – wie im Ausgangsverfahren – hinsichtlich der tatsächlichen Wirkungen der Maßnahmen, die die nationale Regelung vorsieht, deren Rechtmäßigkeit der Kontrolle durch das vorlegende Gericht unterliegt, wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen.

65      Demzufolge ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 36 AEUV dahin auszulegen ist, dass die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht auf die Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen beschränkt ist, die dem Gesetzgeber bei ihrem Erlass zur Verfügung gestanden haben. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens muss die Kontrolle der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Unionsrecht auf der Grundlage der Angaben, Beweismittel und sonstigen Unterlagen erfolgen, die dem nationalen Gericht gemäß den Bedingungen seines nationalen Rechts zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen.

 Kosten

66      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die für den Verkauf von Wein im Einzelhandel einen Mindestpreis pro Alkoholeinheit vorgibt, sofern diese Maßnahme tatsächlich geeignet ist, das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu gewährleisten und unter Berücksichtigung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie des guten Funktionierens der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das genannte Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu erreichen.

2.      Die Art. 34 AEUV und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehren, dass er sich, wenn er das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, dadurch erreichen möchte, dass er den Alkoholkonsum verteuert, für eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige entscheidet, die für den Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel einen Mindestpreis pro Alkoholeinheit vorgibt, und von einer Maßnahme wie einer Verbrauchsteuer Abstand nimmt, die den Handelsverkehr und den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union weniger einschränken würde. Ob dies der Fall ist, hat das vorlegende Gericht anhand einer eingehenden Prüfung aller einschlägigen Gesichtspunkte der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermitteln. Die Tatsache allein, dass die letztgenannte Maßnahme geeignet ist, weitere, zusätzliche Vorteile mit sich zu bringen und dem Ziel der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs in einer umfassenderen Weise zu dienen, vermag es nicht zu rechtfertigen, von dieser Maßnahme Abstand zu nehmen.

3.      Art. 36 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, wenn es eine nationale Regelung darauf prüft, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach diesem Artikel gerechtfertigt ist, objektiv prüfen muss, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr und die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte weniger einschränken.

4.      Art. 36 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht auf die Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen beschränkt ist, die dem Gesetzgeber bei ihrem Erlass zur Verfügung gestanden haben. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens muss die Kontrolle der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Unionsrecht auf der Grundlage der Angaben, Beweismittel und sonstigen Unterlagen erfolgen, die dem nationalen Gericht gemäß den Bedingungen seines nationalen Rechts zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.