URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

23. Februar 2010(*)

„Freizügigkeit – Aufenthaltsrecht – Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hat und dort nach der Aufgabe ihrer Berufstätigkeit geblieben ist – Kind, das im Aufnahmemitgliedstaat eine Berufsausbildung absolviert – Fehlen eigener Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts – Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 – Art. 12 – Richtlinie 2004/38/EG“

In der Rechtssache C‑480/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 10. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 7. November 2008, in dem Verfahren

Maria Teixeira

gegen

London Borough of Lambeth,

Secretary of State for the Home Department

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.‑C. Bonichot, der Kammerpräsidentin P. Lindh sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter), K. Schiemann, P. Kūris, E. Juhász, L. Bay Larsen, T. von Danwitz und A. Arabadjiev,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Frau Teixeira, vertreten durch R. Gordon, QC, und A. Berry, Barrister, beauftragt von N. Clarkson, Solicitor,

–        des London Borough of Lambeth, vertreten durch T. Vanhegan, Barrister,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von C. Lewis, QC,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch J. Liisberg und R. Holdgaard als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und M. F. Pinheiro als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

–        der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch N. Fenger sowie durch L. Armati und I. Hauger als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Oktober 2009

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68) und der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35, und ABl. 2007, L 204, S. 28).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Teixeira einerseits und dem London Borough of Lambeth (Londoner Stadtbezirk Lambeth) sowie dem Secretary of State for the Home Department andererseits wegen der Ablehnung des Antrags von Frau Teixeira auf Gewährung von Wohnhilfe durch diesen Stadtbezirk.

 Rechtlicher Rahmen

 Recht der Europäischen Union

3        Der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68 lautet:

„Damit das Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde wahrgenommen werden kann, muss sich die Gleichbehandlung tatsächlich und rechtlich auf alles erstrecken, was mit der eigentlichen Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und mit der Beschaffung einer Wohnung im Zusammenhang steht; ferner müssen alle Hindernisse beseitigt werden, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in Bezug auf das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland.“

4        Art. 10 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmte:

„(1)      Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:

a)      sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;

b)      seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt.

(2)      Die Mitgliedstaaten begünstigen den Zugang aller nicht in Absatz 1 genannten Familienangehörigen, denen der betreffende Arbeitnehmer Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft lebt.

(3)      Voraussetzung für die Anwendung der Absätze 1 und 2 ist, dass der Arbeitnehmer für seine Familie über eine Wohnung verfügt, die in dem Gebiet, in dem er beschäftigt ist, den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht; diese Bestimmung darf nicht zu Diskriminierungen zwischen den inländischen Arbeitnehmern und den Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten führen.“

5        Art. 11 der Verordnung Nr. 1612/68 sah vor:

„Der Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, haben, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht, im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben.“

6        Die Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68 wurden durch Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 mit Wirkung vom 30. April 2006 aufgehoben.

7        Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, der nicht zu den durch die Richtlinie 2004/38 aufgehobenen Bestimmungen dieser Verordnung gehört, sieht vor:

„Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.

Die Mitgliedstaaten fördern die Bemühungen, durch die diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen.“

8        Die Erwägungsgründe 3 und 16 der Richtlinie 2004/38 lauten:

„(3)      Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.

(16)      Solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, sollte keine Ausweisung erfolgen. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sollte daher nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. Der Aufnahmemitgliedstaat sollte prüfen, ob es sich bei dem betreffenden Fall um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände und den gewährten Sozialhilfebetrag berücksichtigen, um zu beurteilen, ob der Leistungsempfänger die Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch genommen hat, und in diesem Fall seine Ausweisung zu veranlassen. In keinem Fall sollte eine Ausweisungsmaßnahme gegen Arbeitnehmer, Selbständige oder Arbeitssuchende in dem vom Gerichtshof definierten Sinne erlassen werden, außer aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.“

9        Art. 7 der Richtlinie 2004/38 regelt das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, für einen Zeitraum von über drei Monaten. Sein Abs. 1 lautet:

„Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c)      –       bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

–      über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

d)      ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.“

10      Art. 12 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Tod oder Wegzug des Unionsbürgers“) der Richtlinie 2004/38 bestimmt in Abs. 3:

„Der Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat oder sein Tod führt weder für seine Kinder noch für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, bis zum Abschluss der Ausbildung zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn sich die Kinder im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und in einer Bildungseinrichtung zu Ausbildungszwecken eingeschrieben sind.“

11      Art. 16 der Richtlinie 2004/38 sieht vor, dass jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht hat, sich dort auf Dauer aufzuhalten.

12      Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 bestimmt insbesondere, dass jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung genießt wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.

13      Aus Art. 40 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/38 geht hervor, dass die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen hatten, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 30. April 2006 nachzukommen.

 Nationales Recht

14      Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 wurden durch die Verordnung über die Zuwanderung (Europäischer Wirtschaftsraum) von 2006 (Immigration [European Economic Area] Regulations 2006) in die Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs umgesetzt.

15      Was die Wohnhilfe angeht, sieht das Wohnungsgesetz von 1996 (Housing Act 1996) in Abschnitt VII eine Wohnhilfe für anspruchsberechtigte Personen vor, die kein Obdach haben und bestimmte Bedingungen erfüllen.

16      Die Einzelheiten dieser Hilfe sind in der Verordnung über die Gewährung von Wohn- und Obdachlosenhilfe (Anspruchsvoraussetzungen) (England) von 2006 (Allocation of Housing and Homelessness [Eligibility] [England] Regulations 2006) festgelegt.

17      Den Angaben in der Vorlageentscheidung zufolge muss ein Antragsteller für den Anspruch auf Wohnhilfe nach Art. 6 dieser Verordnung, der sich auf aus dem Ausland kommende Personen bezieht, die nicht der Zuwanderungskontrolle unterliegen, sowohl ein Recht auf Aufenthalt besitzen als auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich haben.

18      In diesem Zusammenhang haben neben britischen Staatsangehörigen ein Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich insbesondere die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union, die aufgrund des Unionsrechts ein Recht ausüben, in das Vereinigte Königreich einzureisen und sich dort länger aufzuhalten.

19      Aus den relevanten nationalen Vorschriften ergibt sich, dass der Anspruch von Frau Teixeira auf Wohnhilfe davon abhängt, ob sie ein vom Unionsrecht gewährtes Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich besitzt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20      Frau Teixeira, die die portugiesische Staatsangehörigkeit besitzt, kam 1989 mit ihrem Mann, der ebenfalls portugiesischer Staatsangehöriger ist, nach England, und arbeitete zwischen 1989 und 1991 in diesem Mitgliedstaat. Ihre Tochter, Patricia, wurde am 2. Juni 1991 dort geboren. Frau Teixeira und ihr Ehemann ließen sich später scheiden, blieben aber beide im Vereinigten Königreich.

21      Nach 1991 übte Frau Teixeira immer wieder vorübergehend eine Beschäftigung im Vereinigten Königreich aus. Als Patricia im Vereinigten Königreich eingeschult wurde, war Frau Teixeira nicht berufstätig, jedoch arbeitete sie während verschiedener Zeiten, in denen Patricia zur Schule ging. Ihre letzte Beschäftigung im Vereinigten Königreich übte sie Anfang 2005 aus.

22      Am 13. Juni 2006 ordnete ein Gericht an, dass Patricia bei ihrem Vater wohnen sollte, aber beliebig viel Kontakt zu ihrer Mutter sollte haben können. Im November 2006 begann Patricia eine Kinderbetreuungsausbildung im Vauxhall Learning Centre (Vauxhall Bildungszentrum) im Stadtbezirk Lambeth. Im März 2007 zog Patricia zu ihrer Mutter.

23      Am 11. April 2007 beantragte Frau Teixeira eine Wohnhilfe für Obdachlose gemäß Abschnitt VII des Housing Act 1996. Für die Geltendmachung eines Rechts auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich stützte sie sich insbesondere auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Auslegung des Gerichtshofs im Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C‑413/99, Slg. 2002, I‑7091).

24      Der zuständige Beamte des London Borough of Lambeth war der Ansicht, dass Frau Teixeira keinen Anspruch auf Wohnhilfe habe, und lehnte ihren Antrag daher ab.

25      Frau Teixeira erhob gegen diese ablehnende Entscheidung Widerspruch bei dem für die Prüfung von Widersprüchen zuständigen Beamten, der die ursprüngliche Entscheidung mit der Begründung aufrechterhielt, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 durch die Richtlinie 2004/38 geändert worden sei und Frau Teixeira sich angesichts ihrer fehlenden wirtschaftlichen Autonomie nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach dieser Vorschrift berufen könne.

26      Frau Teixeira erhob gegen diese Entscheidung Klage beim County Court.

27      Vor diesem Gericht räumte Frau Teixeira ein, dass sie kein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 habe, dass sie die Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie für die Beibehaltung ihrer Eigenschaft als Erwerbstätige nicht erfülle und dass sie kein Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 dieser Richtlinie habe.

28      Sie machte geltend, die einzige Grundlage für ihr Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich bestehe darin, dass sich ihre Tochter dort in der Ausbildung befinde und ein autonomes Aufenthaltsrecht habe, das sich aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Auslegung des Gerichtshofs im Urteil Baumbast und R ergebe, und dass sie seit März 2007 die elterliche Sorge für ihre Tochter tatsächlich wahrnehme.

29      Nachdem der County Court ihre Klage mit Urteil vom 16. November 2007 abgewiesen hatte, legte Frau Teixeira hiergegen Berufung beim vorlegenden Gericht ein.

30      Vor diesem Gericht macht Frau Teixeira insbesondere geltend, dass ihre Tochter ein autonomes Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 habe, dass auch sie selbst ein Recht auf Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat habe, weil sie die elterliche Sorge für ihre Tochter tatsächlich wahrnehme, und dass nicht verlangt werde, dass ein Kind oder die Person, die für dieses die elterliche Sorge wahrnehme, in der Lage sei, den eigenen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, um Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 12 zu haben.

31      Die Rechtsmittelgegner des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass nunmehr die Richtlinie 2004/38 die Voraussetzungen festlege, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ein Aufenthaltsrecht in den Mitgliedstaaten hätten, so dass die Ausübung jedes Aufenthaltsrechts, selbst wenn dieses aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 abgeleitet werde, von der Erfüllung der in dieser Richtlinie genannten Aufenthaltsvoraussetzungen abhänge. Da Frau Teixeira selbst eingeräumt habe, dass sie nicht die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 oder Art. 16 der Richtlinie erfülle, habe der London Borough of Lambeth zu Recht entschieden, dass sie ein solches Recht nicht erworben habe und daher keine Wohnhilfe beanspruchen könne.

32      Hilfsweise machen die Rechtsmittelgegner des Ausgangsverfahrens geltend, falls Frau Teixeira ein Aufenthaltsrecht aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 ableiten können sollte, obwohl sie die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 nicht erfülle, setze ein solches Recht voraus, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könne, was nicht der Fall sei. Im Übrigen erlösche das Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für das Kind wahrnehme, wenn dieses das 18. Lebensjahr vollende. Schließlich könne Frau Teixeira, da sie, als ihre Tochter eingeschult worden sei, nicht die Arbeitnehmereigenschaft gehabt habe und später nur während kurzer Phasen erwerbstätig gewesen sei, kein Aufenthaltsrecht nur unter Berufung darauf geltend machen, dass sich ihr Kind in Ausbildung befinde.

33      Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division), der den Gerichtshof bereits in der Rechtssache um Vorabentscheidung ersucht hat, in der das Urteil vom heutigen Tag, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C‑310/08, Slg. 2010, I-0000), ergangen ist und die das Aufenthaltsrecht eines Elternteils betrifft, der kein Unionsbürger ist, dessen Kinder aber die dänische Staatsangehörigkeit haben und sich im Vereinigten Königreich in Ausbildung befinden, hat auch im Ausgangsverfahren beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Wenn

–        eine Unionsbürgerin ins Vereinigte Königreich einreiste,

–        zeitweilig im Vereinigten Königreich Arbeitnehmerin war,

–        dann ihre Erwerbstätigkeit aufgab, aber aus dem Vereinigten Königreich nicht ausreiste,

–        die Erwerbstätigeneigenschaft ihr nicht erhalten blieb und sie kein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 und kein Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 der Richtlinie 2004/38 hat,

–        das Kind der Unionsbürgerin die Schullaufbahn begann, als Letztere keine Arbeitnehmerin war, sich das Kind aber während der Zeiten, als die Unionsbürgerin im Vereinigten Königreich arbeitete, dort weiterhin in Ausbildung befand,

–        die Unionsbürgerin die Personensorge für ihr Kind tatsächlich wahrnimmt und

–        diese beiden nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen,

1.      steht dann der Unionsbürgerin ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich nur zu, wenn sie die in der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen erfüllt,

oder

2.      a)     hat die Unionsbürgerin ein Aufenthaltsrecht aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Auslegung des Gerichtshofs, ohne dass sie den in der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen zu genügen braucht, und

b)      muss sie gegebenenfalls Zugang zu ausreichenden Existenzmitteln haben, so dass sie während ihres geplanten Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen muss, und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen,

c)      muss das Kind, wenn dies der Fall ist, zu einem Zeitpunkt die Schullaufbahn begonnen haben, als die Unionsbürgerin Arbeitnehmerin war, damit ihm ein Aufenthaltsrecht aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Auslegung des Gerichtshofs zusteht, oder genügt es, wenn die Unionsbürgerin erst nach Schuleintritt des Kindes für einige Zeit Arbeitnehmerin war,

d)      erlischt jegliches Aufenthaltsrecht der Unionsbürgerin als Personensorgeberechtigte eines sich in Ausbildung befindlichen Kindes, wenn dieses das 18. Lebensjahr vollendet?

3.      Falls Frage 1 bejaht wird, ist die Rechtslage anders, wenn das Kind wie im vorliegenden Fall die Schullaufbahn begann, bevor die Richtlinie 2004/38 von den Mitgliedstaaten umzusetzen war, aber die Mutter erst im März 2007, also nach dem Ende der Frist für die Umsetzung der Richtlinie, Personensorgeberechtigte wurde und auf dieser Grundlage ihr Aufenthaltsrecht beantragte?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage und zur zweiten Frage, Buchst. a

34      Mit der ersten Frage und der zweiten Frage, Buchst. a, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt gewesen ist, in dem sein Kind eine Ausbildung absolviert, in seiner Eigenschaft als Elternteil, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt, ein Recht auf Aufenthalt in dem letztgenannten Mitgliedstaat auf der Grundlage allein von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 zusteht, ohne dass er die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen erfüllen müsste, oder ob ihm ein Aufenthaltsrecht nur zuerkannt werden kann, wenn er diese Voraussetzungen erfüllt.

35      Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gewährt Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats Zugang zum allgemeinen Unterricht sowie zur Lehrlings- und Berufsausbildung.

36      Im Urteil Baumbast und R hat der Gerichtshof in Zusammenhang mit dem in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 genannten Anspruch auf Schulbesuch unter bestimmten Umständen ein Aufenthaltsrecht des Kindes eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers, wenn dieses Kind seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat fortsetzen möchte, und ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt, anerkannt.

37      Somit hat der Gerichtshof erstens entschieden, dass die Kinder eines Unionsbürgers, die in einem Mitgliedstaat seit einem Zeitpunkt wohnen, zu dem dieser Bürger dort als Wanderarbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht hatte, zum Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat berechtigt sind, um dort gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 weiterhin am allgemeinen Unterricht teilzunehmen. Dass die Eltern dieser Kinder inzwischen geschieden sind und dass der Elternteil, der ein Aufenthaltsrecht als Wanderarbeitnehmer hatte, keine wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat mehr ausübt, ist dabei ohne Belang (vgl. in diesem Sinne Urteil Baumbast und R, Randnr. 63).

38      Zweitens hat der Gerichtshof auch entschieden, dass, wenn die Kinder nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 zur Fortsetzung ihrer Schulausbildung im Aufnahmemitgliedstaat berechtigt sind, während die Eltern, die die elterliche Sorge für sie wahrnehmen, ihre Aufenthaltsrechte zu verlieren drohen, die Kinder das Recht, das ihnen der Unionsgesetzgeber zuerkannt hat, ebenfalls verlieren könnten, wenn den Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil Baumbast und R, Randnr. 71).

39      Nachdem der Gerichtshof in Randnr. 72 des Urteils Baumbast und R darauf hingewiesen hat, dass die Verordnung Nr. 1612/68 im Licht des Rechts auf Achtung des Familienlebens in Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen ist, hat er in Randnr. 73 dieses Urteils festgestellt, dass das dem Kind eines Wanderarbeitnehmers in Art. 12 dieser Verordnung zuerkannte Recht, im Aufnahmemitgliedstaat weiterhin unter den bestmöglichen Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen, notwendig impliziert, dass das Kind das Recht hat, dass sich die die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmende Person bei ihm aufhält, und dass es demgemäß dieser Person ermöglicht wird, während der Ausbildung des Kindes mit diesem zusammen in dem betreffenden Mitgliedstaat zu wohnen.

40      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das nationale Gericht wissen möchte, ob die Rechte, die dem Kind und dem die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmenden Elternteil somit zuerkannt werden, sich allein auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 stützen oder auf die gleichzeitige Anwendung der Bestimmungen der Art. 10 und 12 dieser Verordnung.

41      Da Art. 10 der Verordnung aufgehoben und durch die in der Richtlinie 2004/38 genannten Vorschriften ersetzt wurde, fragt das vorlegende Gericht in Bezug auf den zuletzt genannten Fall, ob die im Urteil Baumbast und R vorgenommene Auslegung auch nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 noch gilt und ob nicht das Aufenthaltsrecht der Person, die die elterliche Sorge für das Kind tatsächlich wahrnimmt, nunmehr von den von dieser Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für die Ausübung des Aufenthaltsrechts abhängt.

42      Für eine Person wie die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens, die ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben und ihre Erwerbstätigeneigenschaft nicht behalten hat, ergeben sich diese Voraussetzungen aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38, wonach ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten hat, wenn er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt.

43      In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob es, wie Frau Teixeira, die portugiesische Regierung, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die EFTA-Überwachungsbehörde geltend machen, Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 auch noch nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 erlaubt, einer Person ein Aufenthaltsrecht zuzuerkennen, die im Aufnahmemitgliedstaat die elterliche Sorge für das Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnimmt, das im Hoheitsgebiet dieses Staates eine Ausbildung absolviert.

44      Erstens steht das Recht der Kinder von Wanderarbeitnehmern auf Gleichbehandlung beim Zugang zur Ausbildung gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 nur Kindern zu, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem einer ihrer Elternteile beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wohnen.

45      Der Zugang zur Ausbildung hängt somit davon ab, dass das Kind vorher seinen Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat hatte. Die Kinder, die als Familienmitglied eines Wanderarbeitnehmers ihren Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat genommen haben, oder, wie die Generalanwältin in Nr. 39 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, das Kind eines Wanderarbeitnehmers, das, wie die Tochter von Frau Teixeira im Ausgangsverfahren, seit seiner Geburt in dem Mitgliedstaat wohnt, in dem sein Vater oder seine Mutter beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können sich auf das Recht auf Zugang zur Ausbildung in diesem Staat berufen.

46      Entgegen dem Vorbringen des London Borough of Lambeth sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs und der dänischen Regierung erlaubt es Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Auslegung des Gerichtshofs im Urteil Baumbast und R, dem Kind im Zusammenhang mit seinem Recht auf Zugang zur Ausbildung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen. Insbesondere setzte die Ausübung des Rechts auf Zugang zur Ausbildung nicht voraus, dass das Kind während der gesamten Dauer seiner Ausbildung ein spezifisches Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung, als diese Vorschrift noch in Kraft war, behielt.

47      In den Randnrn. 21 bis 24 des Urteils vom 4. Mai 1995, Gaal (C‑7/94, Slg. 1995, I‑1031), hat der Gerichtshof das Vorbringen zurückgewiesen, dass zwischen den Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68 einerseits und Art. 12 dieser Verordnung andererseits ein enger Zusammenhang bestehe, so dass die letztgenannte Bestimmung das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang zur Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat nur solchen Kindern einräume, die die Voraussetzungen der Art. 10 und 11 erfüllten. In Randnr. 23 des Urteils Gaal hat der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass Art. 12 keine Bezugnahme auf die Art. 10 und 11 enthält.

48      Es widerspräche nämlich dem Regelungszusammenhang und der Zielsetzung von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, die Ausübung des Rechts auf Zugang zur Ausbildung vom Bestehen einer gesonderten Aufenthaltsberechtigung des Kindes nach anderen Rechtsvorschriften abhängig zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Gaal, Randnr. 25).

49      Ist das Recht auf Zugang zur Ausbildung, das dem Kind nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 wegen seiner Wohnsitznahme im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem einer seiner Elternteile beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, einmal erworben, bleibt es demnach dem Kind erhalten und kann nicht mehr wegen der Nichterfüllung der Voraussetzungen, die in Art. 10 der Verordnung enthalten waren, in Frage gestellt werden.

50      Zweitens hängt das Recht des Kindes auf Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zur Ausbildung nicht von dem Umstand ab, dass sein Vater oder seine Mutter im Aufnahmemitgliedstaat weiter die Erwerbstätigeneigenschaft besitzen. Wie aus dem Wortlaut selbst des Art. 12 hervorgeht, ist dieses Recht nicht auf die Kinder von Wanderarbeitnehmern beschränkt, sondern gilt auch für die Kinder ehemaliger Wanderarbeitnehmer.

51      In Randnr. 69 des Urteils Baumbast und R hat der Gerichtshof im Übrigen ausdrücklich festgestellt, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 insbesondere sicherstellen soll, dass die Kinder eines Arbeitnehmers, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, auch dann, wenn dieser nicht mehr im Aufnahmemitgliedstaat als Arbeitnehmer beschäftigt ist, ihre schulische Ausbildung in diesem Mitgliedstaat absolvieren und gegebenenfalls auch abschließen können.

52      Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 nur, dass das Kind mit seinen Eltern oder einem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (Urteile vom 21. Juni 1988, Brown, 197/86, Slg. 1988, 3205, Randnr. 30, und Gaal, Randnr. 27).

53      Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 ist somit autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ausdrücklich regeln.

54      Diese Autonomie von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gegenüber deren inzwischen aufgehobenem Art. 10 lag der in den Randnrn. 37 bis 39 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs zugrunde und ist durch das Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 nicht in Frage gestellt worden.

55      Der London Borough of Lambeth sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die dänische Regierung tragen vor, dass die Richtlinie 2004/38 seit ihrem Inkrafttreten die alleinige Grundlage der für das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienmitgliedern in den Mitgliedstaaten geltenden Voraussetzungen sei und dass folglich nunmehr aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 kein Aufenthaltsrecht mehr hergeleitet werden könne.

56      In dieser Hinsicht gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2004/38 die Tragweite von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, wie er vom Gerichtshof ausgelegt wurde, ändern wollte, um seinen Regelungsgehalt fortan auf ein bloßes Recht auf Zugang zur Ausbildung zu beschränken.

57      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 im Unterschied zu deren Art. 10 und 11 durch die Richtlinie 2004/38 nicht aufgehoben und nicht einmal geändert worden ist. Der Unionsgesetzgeber hat demnach mit dieser Richtlinie keine Beschränkungen des Anwendungsbereichs dieses Art. 12 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs beabsichtigt.

58      Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass die Richtlinie 2004/38, wie sich aus den entsprechenden Vorarbeiten ergibt, so ausgestaltet wurde, dass sie mit dem Urteil Baumbast und R im Einklang steht (KOM[2003] 199 endg., S. 7).

59      Wäre Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 dahin auszulegen, dass er sich seit Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 darauf beschränkt, das Recht auf Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zur Ausbildung zu gewähren, ohne für die Kinder von Wanderarbeitnehmern ein Aufenthaltsrecht vorzusehen, wäre seine Beibehaltung zudem seit Inkrafttreten dieser Richtlinie überflüssig. Deren Art. 24 Abs. 1 sieht nämlich vor, dass jeder Unionsbürger, der sich im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung genießt wie die Staatsangehörigen dieses Staates; insoweit wurde bereits entschieden, dass der Zugang zur Ausbildung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl. insbesondere Urteil vom 13. Februar 1985, Gravier, 293/83, Slg. 1985, 593, Randnrn. 19 und 25).

60      Schließlich ist festzustellen, dass die Richtlinie 2004/38 gemäß ihrem dritten Erwägungsgrund u. a. bezweckt, das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C‑127/08, Slg. 2008, I‑6241, Randnr. 59). Die Anwendung von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 von der Einhaltung der in Art. 7 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen abhängig zu machen, hätte aber unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zur Folge, dass das Recht der Kinder von Wanderarbeitnehmern auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, um dort ihre Ausbildung aufzunehmen oder fortzusetzen, und das Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für sie tatsächlich wahrnimmt, strengeren Voraussetzungen unterlägen, als sie vor Inkrafttreten der Richtlinie für sie galten.

61      Somit ist auf die erste Frage und die zweite Frage, Buchst. a, zu antworten, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt gewesen ist, in dem sein Kind eine Ausbildung absolviert, in seiner Eigenschaft als Elternteil, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage allein von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 zusteht, ohne dass er die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen erfüllen muss.

 Zur zweiten Frage, Buchst. b

62      Mit seiner zweiten Frage, Buchst. b, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, der die elterliche Sorge für ein Kind tatsächlich wahrnimmt, das gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 sein Recht ausübt, an einer Ausbildung teilzunehmen, von der Voraussetzung abhängt, dass dieser Elternteil Zugang zu ausreichenden Existenzmitteln hat, um während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen dieses Mitgliedstaats in Anspruch nehmen zu müssen, und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in diesem Staat verfügt.

63      Der London Borough of Lambeth sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die dänische Regierung sind der Auffassung, dass den Eltern im Urteil Baumbast und R die Möglichkeit eines Aufenthaltsrechts auf der Grundlage des Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 nur aufgrund der besonderen Umstände in jenen beiden Rechtsstreitigkeiten zuerkannt worden sei, in denen die Voraussetzung erfüllt gewesen sei, dass die Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel für sich selbst und für ihre Familienmitglieder verfügten. Diese Rechtsprechung könne folglich nicht auf Situationen übertragen werden, in denen diese Voraussetzung nicht erfüllt sei.

64      Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.

65      In einer der Rechtsstreitigkeiten, zu denen das Urteil Baumbast und R ergangen ist, verfügte Herr Baumbast, der Vater der Kinder, um deren Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 es ging, zwar über Existenzmittel, die es ihm und seiner Familie erlaubten, keine Sozialhilfeleistungen dieses Staates in Anspruch nehmen zu müssen. Die Frage, ob Herr Baumbast für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen konnte, wurde jedoch nur im Rahmen der dritten Frage des vorlegenden Gerichts in der ihn betreffenden Rechtssache, und zwar im Hinblick auf Art. 18 EG und die Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. L 180, S. 26), aufgeworfen.

66      Dagegen waren die Antworten des Gerichtshofs auf die beiden ersten Vorlagefragen, die das Aufenthaltsrecht der Kinder und ihrer die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Mutter betrafen, nicht auf deren wirtschaftliche Autonomie gestützt, sondern darauf, dass das Ziel der Verordnung Nr. 1612/68, nämlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, bestmögliche Bedingungen für die Integration der Familie des Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat erfordert, und dass die Kinder das ihnen vom Unionsgesetzgeber zuerkannte Recht verlieren könnten, wenn den die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung der Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben (Urteil Baumbast und R, Randnrn. 50 und 71).

67      Jedenfalls kann, da der Gerichtshof in Randnr. 74 des Urteils Baumbast und R ausgeführt hat, dass angesichts des Zusammenhangs und der Zielsetzung der Verordnung Nr. 1612/68 und insbesondere ihres Art. 12 dieser nicht eng ausgelegt und ihm keinesfalls die praktische Wirksamkeit genommen werden darf, nicht auf der Grundlage dieses Urteils geltend gemacht werden, dass die Gewährung des in Rede stehenden Aufenthaltsrechts von der Bedingung finanzieller Autonomie abhängt, da der Gerichtshof seine Überlegungen an keiner Stelle, und sei es implizit, auf eine solche Bedingung gestützt hat.

68      Die Auslegung, wonach das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat von Kindern, die dort eine Ausbildung absolvieren, und des Elternteils, der die elterliche Sorge für sie tatsächlich wahrnimmt, nicht davon abhängt, dass ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen und ein umfassender Krankenversicherungsschutz besteht, wird durch Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 bestätigt, der bestimmt, dass, wenn sich die Kinder im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und in einer Bildungseinrichtung zu Ausbildungszwecken eingeschrieben sind, der Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat oder sein Tod weder für seine Kinder noch für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, bis zum Abschluss der Ausbildung zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt.

69      Auch wenn diese Bestimmung nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist, veranschaulicht sie die besondere Bedeutung, die die Richtlinie 2004/38 der Lage der Kinder, die im Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolvieren, und der die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Eltern beimisst.

70      Auf die zweite Frage, Buchst. b, ist somit zu antworten, dass das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, dem die elterliche Sorge für ein Kind tatsächlich zukommt, das gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 sein Recht ausübt, eine Ausbildung zu absolvieren, nicht von der Voraussetzung abhängt, dass dieser Elternteil über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen dieses Mitgliedstaats in Anspruch nehmen muss, und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in diesem Staat verfügt.

 Zur zweiten Frage, Buchst. c

71      Mit seiner zweiten Frage, Buchst. c, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, der die elterliche Sorge für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnimmt, während das Kind eine Ausbildung in diesem Staat absolviert, von der Voraussetzung abhängt, dass einer der Elternteile des Kindes zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Ausbildung begonnen hat, als Wanderarbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat berufstätig gewesen ist.

72      Seinem Wortlaut nach ist Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 sowohl auf Kinder anwendbar, deren Elternteil im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats „beschäftigt ist“, als auch auf solche, deren Elternteil dort „beschäftigt gewesen ist“. Der Text dieser Bestimmung enthält weder Anhaltspunkte dafür, dass ihr Anwendungsbereich auf Fälle beschränkt wäre, in denen einer der Elternteile des Kindes die Eigenschaft als Wanderarbeitnehmer genau zu dem Zeitpunkt hatte, als dieses Kind seine Ausbildung begonnen hat, noch dafür, dass die Kinder ehemaliger Wanderarbeitnehmer nur ein eingeschränktes Recht auf Zugang zur Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat hätten.

73      Wie bereits in Randnr. 50 dieses Urteils ausgeführt, hängt das Recht des Kindes auf Zugang zur Ausbildung gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht davon ab, dass der betreffende Elternteil seine Eigenschaft als Wanderarbeitnehmer behält. Die Kinder ehemaliger Wanderarbeitnehmer können sich demnach genauso auf die Rechte aus diesem Art. 12 berufen wie die Kinder von Unionsbürgern, die die Wanderarbeitnehmereigenschaft besitzen.

74      In Anbetracht der in Randnr. 37 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung genügt es, dass das Kind, das im Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolviert, in diesem Staat seinen Wohnsitz genommen hat, während einer seiner Elternteile dort ein Aufenthaltsrecht als Wanderarbeitnehmer hatte. Das Recht des Kindes, sich in diesem Staat gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 aufzuhalten, um dort eine Ausbildung zu absolvieren, und demzufolge das Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt, können also nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass einer der Elternteile des Kindes zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Ausbildung begonnen hat, als Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat tätig gewesen ist.

75      Folglich ist auf die zweite Frage, Buchst. c, zu antworten, dass das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, dem die elterliche Sorge für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich zukommt, während das Kind eine Ausbildung in diesem Staat absolviert, nicht von der Voraussetzung abhängt, dass einer der Elternteile des Kindes zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Ausbildung begonnen hat, als Wanderarbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat berufstätig gewesen ist.

 Zur zweiten Frage, Buchst. d

76      Mit seiner zweiten Frage, Buchst. d, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, der die elterliche Sorge für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnimmt, während das Kind eine Ausbildung in diesem Staat absolviert, mit dem Eintritt der Volljährigkeit dieses Kindes endet.

77      Aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte ergibt sich, dass der Grund für diese Frage der Auswirkungen der Volljährigkeit des Kindes auf das Aufenthaltsrecht, das sein Elternteil aufgrund seiner Eigenschaft als die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmende Person besitzt, darin liegt, dass die Tochter von Frau Teixeira bei der Einreichung des Antrags auf Wohnhilfe 15 Jahre alt war und inzwischen 18 Jahre alt und damit nach dem Recht des Vereinigten Königreichs volljährig geworden ist. Diese Frage ist im Hinblick auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 zu prüfen, da diese Bestimmung, wie aus der Antwort auf die erste Frage und die zweite Frage, Buchst. a, hervorgeht, ein Aufenthaltsrecht für eine Person in der Lage von Frau Teixeira begründen kann.

78      Erstens ist festzustellen, dass der Eintritt der Volljährigkeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf die dem Kind durch Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof gewährten Rechte hat.

79      Sowohl das in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 niedergelegte Recht auf Zugang zur Ausbildung als auch das zugehörige Aufenthaltsrecht des Kindes gelten nämlich nach ihrem Sinn und Zweck bis zum Abschluss seiner Ausbildung.

80      Da nach gefestigter Rechtsprechung der Anwendungsbereich von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 auch ein Hochschulstudium einschließt (vgl. insbesondere die Urteile vom 15. März 1989, Echternach und Moritz, 389/87 und 390/87, Slg. 1989, 723, Randnrn. 29 und 30, sowie Gaal, Randnr. 24), kann der Zeitpunkt, zu dem das Kind seine Ausbildung abschließt, nach dem Eintritt der Volljährigkeit liegen.

81      Im Urteil Gaal hat sich der Gerichtshof zu der Frage geäußert, ob der Begriff „Kind“ im Sinne von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 auf Kinder unter 21 Jahren oder Kinder, denen der Wanderarbeitnehmer Unterhalt gewährt, beschränkt ist, um zu entscheiden, ob das in dieser Vorschrift niedergelegte Recht auf Gleichbehandlung im Zusammenhang mit der Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe von dem Kind eines solchen Arbeitnehmers geltend gemacht werden kann, das 21 Jahre alt oder älter ist und dem dieser keinen Unterhalt mehr gewährt.

82      Nach dem Hinweis in Randnr. 24 des Urteils Gaal darauf, dass es der in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 erwähnte Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet, dass das Kind eines Wanderarbeitnehmers sein Studium fortsetzen kann, um es mit Erfolg abzuschließen, hat der Gerichtshof in Randnr. 25 dieses Urteils entschieden, dass Art. 12 finanzielle Hilfen erfasst, die die Studenten, deren Studium sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet, erhalten können, auch wenn sie schon 21 Jahre oder älter sind und ihnen von ihren Eltern kein Unterhalt mehr gewährt wird.

83      Würde man die Anwendung des Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 von einer Altersgrenze oder von der Rechtsstellung als Kind, dem Unterhalt gewährt wird, abhängig machen, so würde dies nach dieser Rechtsprechung nicht nur gegen den Buchstaben dieser Bestimmung, sondern auch gegen ihren Geist verstoßen (Urteil Gaal, Randnr. 25).

84      Zweitens ist zu prüfen, ob der Umstand, dass die Rechte, die sich für das Kind aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 ergeben, somit volljährigen Kindern oder Kindern, denen der Wanderarbeitnehmer keinen Unterhalt mehr gewährt, ohne Altersbegrenzung zuerkannt worden sind, es dem Elternteil, der für ein volljähriges Kind sorgt, erlaubt, sich mit diesem bis zum Ende der Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten.

85      In Randnr. 73 des Urteils Baumbast und R hat der Gerichtshof entschieden, dass das Recht des Kindes eines Wanderarbeitnehmers, im Aufnahmemitgliedstaat weiterhin unter den bestmöglichen Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen, verletzt würde, wenn es dem Elternteil, der die elterliche Sorge für das Kind tatsächlich wahrnimmt, nicht ermöglicht würde, während seiner Ausbildung mit ihm zusammen in dem betreffenden Mitgliedstaat zu wohnen.

86      Obwohl bei einem Kind, das volljährig geworden ist, grundsätzlich vermutet wird, dass es selbst in der Lage ist, für seinen Unterhalt zu sorgen, kann sich das Aufenthaltsrecht des Elternteils, dem die elterliche Sorge für ein Kind zukommt, das sein Recht ausübt, seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat zu absolvieren, dennoch über dieses Alter hinaus verlängern, wenn das Kind weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, um seine Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob dies im Ausgangsfall tatsächlich gegeben ist.

87      Somit ist auf die zweite Frage, Buchst. d, zu antworten, dass das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, der die elterliche Sorge für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnimmt, während das Kind eine Ausbildung in diesem Staat absolviert, mit dem Eintritt der Volljährigkeit dieses Kindes endet, sofern es nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, um seine Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können.

 Zur dritten Vorlagefrage

88      Diese Frage wird vom vorlegenden Gericht nur für den Fall gestellt, dass die erste Frage bejaht wird, also für den Fall, dass einer Person in der Lage von Frau Teixeira nur ein Aufenthaltsrecht gemäß der Richtlinie 2004/38 zustehen sollte.

89      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage und auf die zweite Frage, Buchst. a, ist die dritte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

90      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt gewesen ist, in dem sein Kind eine Ausbildung absolviert, steht in seiner Eigenschaft als Elternteil, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage allein von Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 geänderten Fassung zu, ohne dass er die in der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG festgelegten Voraussetzungen erfüllen muss.

2.      Das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, dem die elterliche Sorge für ein Kind tatsächlich zukommt, das gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 sein Recht ausübt, eine Ausbildung zu absolvieren, hängt nicht von der Voraussetzung ab, dass dieser Elternteil über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen dieses Mitgliedstaats in Anspruch nehmen muss, und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in diesem Staat verfügt.

3.      Das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, dem die elterliche Sorge für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich zukommt, während das Kind eine Ausbildung in diesem Staat absolviert, hängt nicht von der Voraussetzung ab, dass einer der Elternteile des Kindes zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Ausbildung begonnen hat, als Wanderarbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat berufstätig gewesen ist.

4.      Das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, das der Elternteil genießt, der die elterliche Sorge für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnimmt, während das Kind eine Ausbildung in diesem Staat absolviert, endet mit dem Eintritt der Volljährigkeit dieses Kindes, sofern es nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, um seine Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.