URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

23. April 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Marken – Richtlinie 2008/95/EG – Zurückweisung der Anmeldung oder Ungültigkeit der Eintragung – Dreidimensionale Marke – Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und iii – Zeichen, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist – Zeichen, das aus der Form besteht, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht – Berücksichtigung der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise“

In der Rechtssache C‑237/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 6. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 19. März 2019, in dem Verfahren

Gömböc Kutató, Szolgáltató és Kereskedelmi Kft.

gegen

Szellemi Tulajdon Nemzeti Hivatala

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Gömböc Kutató, Szolgáltató és Kereskedelmi Kft., vertreten durch Á. M. László und A. Cserny, ügyvédek,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Havas, É. Gippini Fournier und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und iii der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gömböc Kutató, Szolgáltató és Kereskedelmi Kft. (im Folgenden: Gömböc Kft.) und dem Szellemi Tulajdon Nemzeti Hivatala (Nationales Amt für geistiges Eigentum, Ungarn) (im Folgenden: Amt), wegen der Zurückweisung der von der Gömböc Kft. eingereichten Anmeldung einer dreidimensionalen Marke als nationale Marke.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 98/71/EG

3        Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. 1998, L 289, S. 28) bestimmt:

„Ein Muster wird durch ein Musterrecht geschützt, wenn es neu ist und Eigenart hat.“

4        Art. 5 der Richtlinie 98/71 lautet:

„(1)      Ein Muster hat Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag seiner Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, am Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist.

(2)      Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Musters berücksichtigt.“

5        Art. 16 („Verhältnis zu anderen Formen des Schutzes“) der Richtlinie 98/71 sieht vor:

„Diese Richtlinie lässt Vorschriften des [Unionsrechts] oder des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats über nicht eingetragene Rechte an Mustern, Marken oder andere Zeichen mit Unterscheidungskraft, Patente und Gebrauchsmuster, Schriftbilder, zivilrechtliche Haftung und unlauteren Wettbewerb unberührt.“

 Richtlinie 2008/95

6        Art. 3 („Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“) der Richtlinie 2008/95 bestimmte in Abs. 1 Buchst. e Ziff. i bis iii:

„(1)      Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

e)      Zeichen, die ausschließlich bestehen:

i)      aus der Form der Ware, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist;

ii)      aus der Form der Ware, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist;

iii)      aus der Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.“

 Ungarisches Recht

7        § 1 des Védjegyek és a földrajzi árujelzők oltalmáról szóló 1997. évi XI. törvény (Gesetz Nr. XI von 1997 über den Schutz von Marken und geografischen Herkunftsangaben [Magyar Közlöny 1997/27]) (im Folgenden: Markengesetz) bestimmt:

„(1)      Als Marken können alle Zeichen geschützt werden, die sich darstellen lassen, wenn sie geeignet sind, eine Ware oder Dienstleistung von den Waren und Dienstleistungen anderer zu unterscheiden.

(2)      Zeichen, denen ein Markenschutz zuteilwird, können insbesondere sein:

d)      zwei- oder dreidimensionale Formen, einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung;

…“

8        In § 2 des Markengesetzes heißt es:

„(1)      Einem Zeichen kann kein Markenschutz zuteilwerden, wenn es nicht den in § 1 festgelegten Anforderungen entspricht.

(2)      Vom Markenschutz ausgeschlossen sind Zeichen,

b)      die ausschließlich bestehen

aus der Form, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, oder

aus der Form der Ware, die zur Herstellung der beabsichtigten technischen Wirkung erforderlich ist, oder

aus der Form, die der Ware ihren wesentlichen Wert verleiht.“

9        Nach § 122 Abs. 1 des Markengesetzes dient es zur Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45) und der Richtlinie 2008/95 in ungarisches Recht.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      Am 5. Februar 2015 beantragte die Gömböc Kft. die Eintragung eines dreidimensionalen Zeichens als Marke für folgende Waren im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza): „Dekorative Gegenstände“ (Klasse 14), „Dekorative Gegenstände aus Glas und Keramik“ (Klasse 21) sowie „Spielzeug“ (Klasse 28). Das Zeichen wird wie folgt wiedergegeben:

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11      Das Amt wies den Antrag auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 des Markengesetzes zurück. Es führte aus, bei dem zur Eintragung angemeldeten Zeichen handele es sich um einen homogenen Körper mit zwei zueinander senkrecht stehenden Symmetrieebenen, sieben glatten Seiten sowie Kanten, die diese Oberflächen voneinander trennten. Dieser Körper stelle die „Gömböc“ genannte Ware der Klägerin des Ausgangsverfahrens dar, bei dem es sich um einen konvexen, aus homogenem Material gefertigten mono-monostatischen Körper handele, der einen stabilen und einen labilen Gleichgewichtspunkt – also insgesamt zwei Gleichgewichtspunkte – besitze und dessen Form dazu führe, dass der Körper immer wieder in seine Gleichgewichtslage zurückkehre. Das zur Eintragung angemeldete Zeichen stelle einen dreidimensionalen Körper dar, der aufgrund seiner äußeren Gestaltung und des verwendeten homogenen Materials stets in seine Gleichgewichtslage zurückkehre; die gesamte Form des das Zeichen bildenden Körpers diene dem technischen Ziel, dass sich der Körper wieder aufrichte.

12      Bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit des in Rede stehenden Zeichens stützte sich das Amt insbesondere auf die Kenntnis von den Merkmalen und der Funktion der Form der Ware, die der Durchschnittsverbraucher durch die Website der Klägerin des Ausgangsverfahrens und durch umfangreiche Presseveröffentlichungen über die Ware habe erlangen können.

13      Erstens war das Amt hinsichtlich des „Spielzeugs“ im Sinne von Klasse 28 des Abkommens von Nizza im Wesentlichen der Ansicht, die dreidimensionale Form des Körpers ermögliche es, dass er wie ein Spielzeug funktioniere, dessen Merkmal darin bestehe, immer wieder in seine stabile Gleichgewichtslage zurückzukehren. Somit seien sämtliche Bestandteile des Zeichens so ausgestaltet, dass sie dieser technischen Wirkung untergeordnet seien, d. h., sie verwirklichten eine technische Funktion. Der informierte und vernünftige Durchschnittsverbraucher nehme das in Rede stehende Zeichen daher als Form wahr, die zur Erreichung der technischen Wirkung, die mit dem durch dieses Zeichen bezeichneten Körper beabsichtigt werde, erforderlich sei.

14      Zweitens vertrat das Amt hinsichtlich der „dekorativen Gegenstände“ der Klassen 14 und 21 des Abkommens von Nizza die Ansicht, dass die mit dem in Rede stehenden Zeichen dargestellte dreidimensionale Form ein ansprechendes und auffälliges Design verkörpere und ein zentrales Element für die Vermarktung der betreffenden Waren darstelle. Die Verbraucher kauften dekorative Gegenstände hauptsächlich wegen ihrer besonderen Form. Grundsätzlich könne der Schutz dreidimensionaler dekorativer Gegenstände nach dem Markenrecht zwar nicht ausgeschlossen werden; wenn aber ihre auffällige Gestaltung das Erscheinungsbild der Form bestimme, bestehe der Wert des Produkts gerade in dieser Form.

15      Nachdem die von der Gömböc Kft. gegen die Entscheidung des Amtes erhobenen Klagen im ersten und zweiten Rechtszug abgewiesen worden waren, erhob sie Klage auf Überprüfung der Entscheidung zum vorlegenden Gericht.

16      Das vorlegende Gericht führt erstens hinsichtlich der Eintragung des dreidimensionalen Zeichens für Waren, die „Spielzeuge“ im Sinne der Klasse 28 des Abkommens von Nizza sind, aus, dass die Ware, deren grafische Darstellung in Rn. 10 des vorliegenden Urteils wiedergegeben wird, ausschließlich aus der Form bestehe, die erforderlich sei, um die beabsichtigte technische Wirkung zu erzielen. Diese Wirkung lasse sich nicht allein anhand der grafischen Darstellung der Form der Ware feststellen, sondern die „Gömböc“ genannte Ware der Klägerin des Ausgangsverfahrens könne anhand des Zeichens erkannt werden. Angesichts der Publikationen über die Ware wüssten die maßgeblichen Verkehrskreise, dass die besondere Form und die homogene Struktur der Ware gewährleisteten, dass sie immer in ihre Gleichgewichtslage zurückkehre.

17      Da die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere die Urteile vom 18. September 2014, Hauck (C‑205/13, EU:C:2014:2233), und vom 10. November 2016, Simba Toys/EUIPO (C‑30/15 P, EU:C:2016:849), nicht alle Zweifel ausräume, stelle sich die Frage, wie im Rahmen der Anwendung des Eintragungshindernisses oder des Ungültigkeitsgrundes betreffend die Eintragung eines Zeichens als Marke in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 zu prüfen sei, ob das Zeichen aus der Form der Ware bestehe, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei.

18      Fraglich sei insbesondere, ob eine solche Prüfung nur auf der Grundlage der grafischen Darstellung in der Anmeldung des Zeichens zu beruhen habe oder ob insoweit auch die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise berücksichtigt werden könne, wenn die in Rede stehende Ware große Bekanntheit erlangt habe und die beabsichtigte technische Wirkung, obwohl die grafisch dargestellte Ware ausschließlich aus der Form bestehe, die zu ihrer Erreichung erforderlich sei, nicht allein anhand der grafischen Darstellung der Form der Ware in der Anmeldung festgestellt werden könne, sondern die Kenntnis zusätzlicher Informationen über die Ware selbst erfordere. Überdies werde die mit dem in Rede stehenden Zeichen dargestellte dreidimensionale Form in nur einer Ansicht gezeigt, so dass die Form nicht zur Gänze sichtbar sei.

19      Zweitens stelle sich hinsichtlich der „dekorativen Gegenstände“ im Sinne der Klassen 14 und 21 des Abkommens von Nizza die Frage, ob das Eintragungshindernis oder der Ungültigkeitsgrund in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 bei einem Zeichen, das ausschließlich aus der Form der Ware bestehe, angewendet werden könne, wenn nur auf der Grundlage des Wissens der maßgeblichen Verkehrskreise feststellbar sei, dass die Form der Ware einen wesentlichen Wert verleihe. Im vorliegenden Fall stehe dieses Wissen mit dem Umstand in Verbindung, dass die mit dem in Rede stehenden Zeichen dargestellte Ware zum haptisch erfahrbaren Symbol für eine mathematische Entdeckung geworden sei, mit der wissenschaftsgeschichtliche Fragen geklärt würden.

20      Drittens habe die dem in Rede stehenden Zeichen entsprechende dreidimensionale Form bereits Geschmacksmusterschutz erhalten. Diese Art des Schutzes könne Waren verliehen werden, deren Erscheinungsbild neben anderen Voraussetzungen Eigenart aufweise. Im Fall eines „dekorativen Gegenstands“ verleihe jedoch die einzigartige Form, die durch die Tätigkeit ihres Entwerfers zustande gekommen sei, als ästhetisches Merkmal der Ware einen wesentlichen Wert.

21      Daher sei zum einen fraglich, ob bei der Anwendung des Eintragungshindernisses oder des Ungültigkeitsgrundes in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dann, wenn der Ware allein eine dekorative Funktion zukomme (dekorative Gegenstände), die Form dieser Ware, die bereits Geschmacksmusterschutz erhalten habe, von vornherein vom markenrechtlichen Schutz ausgeschlossen sei. Zum anderen bedürfe der Klärung, ob dieses Eintragungshindernis bzw. dieser Ungültigkeitsgrund auf eine Ware angewendet werden könne, deren dreidimensionale Form allein eine dekorative Funktion erfülle und für die nur ihr ästhetisches Erscheinungsbild zähle, mit der Folge, dass bei dekorativen Gegenständen die dreidimensionalen Formen, für die Schutz begehrt werde, zwangsläufig von diesem Schutz ausgeschlossen seien.

22      Unter diesen Umständen hat die Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen, dass bei Zeichen, die ausschließlich aus der Form einer Ware bestehen,

a)      nur auf der Grundlage der grafischen Darstellung im Register geprüft werden kann, ob die Form zur Erreichung der beabsichtigten technischen Wirkung erforderlich ist, oder

b)      auch die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise berücksichtigt werden kann?

Kann also berücksichtigt werden, dass den maßgeblichen Verkehrskreisen bekannt ist, dass die Form, für die Schutz begehrt wird, zur Erreichung der beabsichtigten technischen Wirkung erforderlich ist?

2.      Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen, dass das Eintragungshindernis auf ausschließlich aus der Form der Ware bestehende Zeichen anwendbar ist, bei denen sich anhand der Wahrnehmung des Käufers oder anhand der Kenntnis, die er von der grafisch dargestellten Ware hat, feststellen lässt, dass die Form der Ware einen wesentlichen Wert verleiht?

3.      Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen, dass das Eintragungshindernis auf Zeichen anwendbar ist, die ausschließlich aus einer Form bestehen,

a)      die aufgrund ihrer Eigenart bereits Geschmacksmusterschutz genießt oder

b)      deren ästhetische Erscheinung allein der Ware irgendeinen Wert verleiht?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

23      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass, um zu klären, ob ein Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, lediglich die grafische Darstellung dieses Zeichens zu prüfen ist, oder ob auch andere Informationen wie die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise zu berücksichtigen sind.

24      Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 sind Zeichen, die ausschließlich aus der Form der Ware bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung.

25      Mit dem in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 enthaltenen Eintragungshindernis soll verhindert werden, dass das Markenrecht einem Unternehmen ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware einräumt, die der Benutzer auch bei den Waren der Mitbewerber suchen kann. Dieses Eintragungshindernis soll somit vermeiden, dass der durch das Markenrecht gewährte Schutz über den Schutz der Zeichen hinausgeht, anhand deren sich eine Ware oder eine Dienstleistung von den von Mitbewerbern angebotenen Waren oder Dienstleistungen unterscheiden lassen, und zu einem Hindernis für die Mitbewerber wird, Waren mit diesen technischen Lösungen oder diesen Gebrauchseigenschaften im Wettbewerb mit dem Markeninhaber frei anzubieten (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Juni 2002, Philips, C‑299/99, EU:C:2002:377, Rn. 78).

26      In Anbetracht dieses Ziels des genannten Eintragungshindernisses hat der Gerichtshof die Regel aufgestellt, wonach die Eintragung eines ausschließlich aus einer Form bestehenden Zeichens als Marke abzulehnen ist, wenn die „wesentlichen Merkmale“ dieser Form einer technischen Funktion entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2002, Philips, C‑299/99, EU:C:2002:377, Rn. 79). Das Vorhandensein eines oder mehrerer geringfügiger willkürlicher Elemente in einem dreidimensionalen Zeichen, bei dem alle wesentlichen Merkmale durch die technische Lösung bestimmt werden, der dieses Zeichen Ausdruck verleiht, ändert nichts daran, dass das Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2010, Lego Juris/HABM, C‑48/09 P, EU:C:2010:516, Rn. 52).

27      Zudem ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass mit der Aufnahme des Verbots, ein Zeichen als Marke einzutragen, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 sichergestellt wird, dass Unternehmen nicht das Markenrecht in Anspruch nehmen können, um ausschließliche Rechte für technische Lösungen ohne zeitliche Begrenzung auf Dauer festzuschreiben (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2010, Lego Juris/HABM, C‑48/09 P, EU:C:2010:516, Rn. 45).

28      Eine korrekte Anwendung dieses Eintragungshindernisses setzt voraus, dass die über eine Markenanmeldung entscheidende Behörde erstens die wesentlichen Merkmale des in Rede stehenden dreidimensionalen Zeichens ordnungsgemäß ermittelt und zweitens bestimmt, ob diese Merkmale einer technischen Funktion der Ware entsprechen (vgl. entsprechend Urteile vom 14. September 2010, Lego Juris/HABM, C‑48/09 P, EU:C:2010:516, Rn. 68, 72 und 84, sowie vom 10. November 2016, Simba Toys/EUIPO, C‑30/15 P, EU:C:2016:849, Rn. 40 und 42).

29      Hinsichtlich des ersten in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Prüfungsschritts hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die zuständige Behörde hierbei entweder unmittelbar auf den von dem Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck stützen oder zunächst alle Bestandteile des Zeichens nacheinander prüfen kann. Daher kann die Ermittlung der wesentlichen Merkmale eines dreidimensionalen Zeichens im Hinblick auf eine eventuelle Anwendung des Eintragungshindernisses in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 je nach Fallgestaltung, insbesondere unter Berücksichtigung des Schwierigkeitsgrads des Falls, anhand einer bloßen visuellen Prüfung des Zeichens oder auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung erfolgen, in deren Rahmen für die Beurteilung nützliche Elemente, wie Meinungsumfragen und Gutachten oder Angaben zu Rechten des geistigen Eigentums, die im Zusammenhang mit der betreffenden Ware zuvor verliehen wurden, berücksichtigt werden können (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2010, Lego Juris/HABM, C‑48/09 P, EU:C:2010:516, Rn. 70 und 71).

30      Hieraus folgt, dass zwar die Ermittlung der wesentlichen Merkmale des in Rede stehenden Zeichens bei der Anwendung des Eintragungshindernisses in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 grundsätzlich mit der Prüfung der grafischen Darstellung des Zeichens beginnen muss, doch kann die zuständige Behörde auch auf andere zweckmäßige Informationen Bezug nehmen, die es ermöglichen, diese Merkmale zutreffend zu bestimmen.

31      Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass die vermutete Wahrnehmung des Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise kein entscheidender Faktor im Rahmen der Anwendung dieses Eintragungshindernisses ist, sondern allenfalls ein nützliches Beurteilungskriterium für die zuständige Behörde bei der Ermittlung der wesentlichen Merkmale des Zeichens bilden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2010, Lego Juris/HABM, C‑48/09 P, EU:C:2010:516, Rn. 76).

32      Zum zweiten Schritt der in Rn. 28 des vorliegenden Urteils genannten Prüfung ist erstens darauf hinzuweisen, dass das Eintragungshindernis in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 angewendet werden kann, wenn die grafische Darstellung der Form der Ware nur die Wahrnehmung eines Teils ihrer Form ermöglicht, sofern der sichtbare Teil der Form notwendig ist, um die technische Wirkung der Ware zu erreichen, auch wenn er für sich genommen für die Erreichung dieser Wirkung nicht ausreicht. Diese Auslegung kann nämlich die Einhaltung des Ziels dieses Eintragungshindernisses sicherstellen, da sie ein Monopol auf technische Lösungen oder auf Gebrauchseigenschaften der betreffenden Ware verhindert. Somit ist dieses Eintragungshindernis, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, auf ein Zeichen anwendbar, das aus der Form der betreffenden Ware besteht, die nicht alle für die Erreichung der beabsichtigten technischen Wirkung erforderlichen wesentlichen Merkmale zeigt, sofern die grafische Darstellung der Form der Ware zumindest eines der für die Erreichung dieser technischen Wirkung erforderlichen wesentlichen Merkmale erkennen lässt.

33      Zweitens hat der Gerichtshof entschieden, dass es zwar erforderlich ist, von der Form auszugehen, wie sie mit dem in Rede stehenden Zeichen grafisch dargestellt wird, doch kann dieser zweite Prüfungsschritt nicht durchgeführt werden, ohne dass gegebenenfalls zusätzliche für die Funktion der betreffenden Ware relevante Gesichtspunkte berücksichtigt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 10. November 2016, Simba Toys/EUIPO, C‑30/15 P, EU:C:2016:849, Rn. 48).

34      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Ermittlung der technischen Funktionen der betreffenden Ware durch die zuständige Behörde auf objektiven und verlässlichen Informationen beruhen muss. Die Behörde kann solche Informationen insbesondere in etwaigen Beschreibungen der Ware, die bei der Anmeldung der Marke eingereicht wurden, finden, oder in den Daten zu Rechten des geistigen Eigentums, die zuvor in Verbindung mit der Ware verliehen wurden, durch Untersuchungen und Gutachten über die Funktionen der Ware oder in einschlägigen Unterlagen wie wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Katalogen und Websites, die deren technische Funktionen beschreiben.

35      Dagegen unterliegen die Informationen über eventuelle Kenntnisse der maßgeblichen Verkehrskreise von den technischen Funktionen der in Rede stehenden Ware und die Art und Weise, wie sie erlangt werden, einer Beurteilung, die zwangsläufig subjektive Elemente umfasst; diese stellen potenziell Unsicherheitsfaktoren in Bezug auf Umfang und Richtigkeit der Kenntnisse der maßgeblichen Verkehrskreise dar, was das mit dem Eintragungshindernis in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 verfolgte Ziel beeinträchtigen könnte, das darin besteht, zu verhindern, dass das Markenrecht einem Unternehmen ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware verschafft.

36      Dies gilt umso mehr, als die maßgeblichen Verkehrskreise nicht zwangsläufig über die erforderliche Erfahrung verfügen, die es ihnen ermöglicht, genau zu bestimmen, welche technischen Funktionen die in Rede stehende Ware aufweist und inwiefern die Form der Ware, aus der das Zeichen besteht, zur beabsichtigten technischen Wirkung beiträgt.

37      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass, um zu klären, ob ein Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, nicht lediglich die grafische Darstellung dieses Zeichens heranzuziehen ist. Andere Informationen als seine bloße grafische Darstellung, wie die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise, können genutzt werden, um die wesentlichen Merkmale des betreffenden Zeichens zu ermitteln. Dagegen können Informationen, die sich nicht aus der grafischen Darstellung des Zeichens ergeben, zwar berücksichtigt werden, um zu bestimmen, ob diese Merkmale einer technischen Funktion der betreffenden Ware entsprechen; diese Informationen müssen jedoch aus objektiven und verlässlichen Quellen stammen und dürfen nicht die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise einschließen.

 Zur zweiten Frage

38      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Eintragungshindernis auf ein Zeichen anwendbar ist, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht und im Hinblick auf das die zuständige Behörde allein wegen der Wahrnehmung oder der Kenntnis, die die maßgeblichen Verkehrskreise von der grafisch dargestellten Ware haben, davon ausgeht, dass ihre Form ihr einen wesentlichen Wert verleiht.

39      Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 sind Zeichen, die ausschließlich aus der Form bestehen, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung.

40      Die Anwendung dieses Eintragungshindernisses beruht somit auf einer objektiven Analyse, die zeigen soll, dass die in Rede stehende Form aufgrund der ihr eigenen Merkmale einen so großen Einfluss auf die Attraktivität der Ware ausübt, dass die Wettbewerbsbedingungen auf dem betreffenden Markt verfälscht würden, wenn sie einem einzigen Unternehmen vorbehalten bliebe.

41      Folglich hängt die Anwendbarkeit des Eintragungshindernisses in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 davon ab, dass aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen, in sehr großem Maß durch ein oder mehrere Merkmale der Form bestimmt ist, aus der das Zeichen ausschließlich besteht.

42      Merkmale der Ware, die wie ihre technischen Eigenschaften oder ihre Bekanntheit nicht mit ihrer Form in Zusammenhang stehen, sind hingegen nicht von Belang.

43      Im vorliegenden Fall ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass hinsichtlich der Waren, die „Dekorative Gegenstände“ und „Dekorative Gegenstände aus Glas und Keramik“ der Klassen 14 bzw. 21 des Abkommens von Nizza darstellen, die Wahrnehmung und die Kenntnis der Ware durch die maßgeblichen Verkehrskreise im ersten Rechtszug berücksichtigt wurden, als im Rahmen der Anwendung des Eintragungshindernisses in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 festgestellt wurde, dass der Ware – unabhängig davon, wie ihre Form in ästhetischer Hinsicht zu beurteilen ist – ihr wesentlicher Wert dadurch verliehen wurde, dass die Form, aus der das betreffende Zeichen ausschließlich besteht, zum haptischen Symbol für eine mathematische Entdeckung geworden ist.

44      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die vermutete Wahrnehmung des in Rede stehenden Zeichens durch den Durchschnittsverbraucher zwar für sich genommen kein entscheidender Faktor im Rahmen der Anwendung des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 genannten Eintragungshindernisses ist, aber ein nützliches Beurteilungskriterium für die zuständige Behörde bei der Ermittlung der wesentlichen Merkmale des Zeichens bilden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 18. September 2014, Hauck, C‑205/13, EU:C:2014:2233, Rn. 34).

45      Folglich gestattet es Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95, dass die zuständige Behörde in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens angesichts der Wahrnehmung des in Rede stehenden Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise und deren Kenntnis feststellt, dass die Form, aus der das Zeichen ausschließlich besteht, das haptische Symbol für eine mathematische Entdeckung darstellt. Da die Behörde zu dem Ergebnis kam, dass dieser Umstand die Form besonders und auffällig machte, war sie zu dem Schluss berechtigt, dass es sich um ein wesentliches Merkmal im Sinne der in Rn. 44 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung handelte und dass zu prüfen war, ob die Form, aus der das in Rede stehende Zeichen ausschließlich besteht, der Ware aufgrund dieses Umstands einen wesentlichen Wert verleiht.

46      Dass ein derartiges Merkmal als solches nicht die ästhetischen Vorzüge der Form betrifft, schließt die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 nicht aus. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“ nicht auf die Form von Waren beschränkt ist, die einen rein künstlerischen oder dekorativen Wert haben. Ob die Form der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, kann anhand anderer relevanter Gesichtspunkte geprüft werden, zu denen u. a. ihre Eigentümlichkeit im Vergleich zu anderen auf dem betreffenden Markt allgemein genutzten Formen gehört (vgl. entsprechend Urteil vom 18. September 2014, Hauck, C‑205/13, EU:C:2014:2233, Rn. 32 und 35).

47      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass die Wahrnehmung oder die Kenntnis der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich der Ware, die durch ein Zeichen grafisch dargestellt wird, das ausschließlich aus der Form dieser Ware besteht, berücksichtigt werden kann, um ein wesentliches Merkmal dieser Form zu ermitteln. Das in dieser Bestimmung enthaltene Eintragungshindernis ist anwendbar, wenn aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen, in sehr großem Maß durch dieses Merkmal bestimmt wird.

 Zur dritten Frage

48      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Eintragungshindernis systematisch auf ein Zeichen anzuwenden ist, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht, wenn das Erscheinungsbild dieser Ware musterrechtlich geschützt ist oder wenn das Zeichen ausschließlich aus der Form eines dekorativen Gegenstands besteht.

49      Hinsichtlich der ersten in dieser Frage angesprochenen Fallgruppe wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob die Form einer Ware, die bereits durch ein Musterrecht geschützt ist, von vornherein vom Schutz des Markenrechts ausgeschlossen ist.

50      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Eintragungshindernis in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 zwar ebenso wie das in Rn. 27 des vorliegenden Urteils erwähnte Eintragungshindernis in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie verhindern soll, dass das durch eine Marke verliehene ausschließliche und auf Dauer angelegte Recht dazu dienen kann, andere Rechte, für die der Unionsgesetzgeber eine begrenzte Schutzdauer vorsehen wollte, unbegrenzt zu verlängern (vgl. entsprechend Urteil vom 18. September 2014, Hauck, C‑205/13, EU:C:2014:2233, Rn. 19).

51      Dieses Ziel impliziert jedoch nicht, dass das Unionsrecht im Bereich des geistigen Eigentums ein Nebeneinander mehrerer Schutzrechte verhindert.

52      Im Rahmen des Schutzes des Musterrechts sieht nämlich Art. 16 der Richtlinie 98/71 vor, dass diese Richtlinie „Vorschriften des [Unionsrechts] oder des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats über nicht eingetragene Rechte an Mustern, Marken oder andere Zeichen mit Unterscheidungskraft, Patente und Gebrauchsmuster … unberührt [lässt]“.

53      Daraus ergibt sich, dass der Schutz des Erscheinungsbilds einer Ware als Muster es nicht ausschließt, dass ein in der Form dieser Ware bestehendes Zeichen markenrechtlich geschützt wird, sofern die Voraussetzungen für die Eintragung dieses Zeichens als Marke erfüllt sind.

54      Ferner folgt daraus, dass die unionsrechtlichen Regeln für die Eintragung von Mustern und die für die Eintragung von Marken geltenden Regeln voneinander unabhängig sind, ohne dass von einer wie auch immer gearteten Hierarchie zwischen ihnen ausgegangen werden kann.

55      Somit impliziert der Schutz des Erscheinungsbilds einer Ware als Muster, der insbesondere auf der Eigenart dieses Musters beruht, jedoch nicht, dass ein aus der Form der Ware bestehendes Zeichen aufgrund des Eintragungshindernisses in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 nicht als Marke eingetragen werden kann.

56      Wie aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/71 hervorgeht, wird nämlich ein Muster durch ein Musterrecht geschützt, wenn es neu ist und Eigenart hat. Wie sich aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 98/71 ergibt, hat ein Muster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag seiner Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, am Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist.

57      Folglich unterscheidet sich die Prüfung, die die Feststellung der Eigenart eines Musters ermöglicht, von der im Rahmen der zweiten Vorlagefrage angesprochenen Prüfung, die die zuständige Behörde vorzunehmen hat, um zu klären, ob ein Zeichen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 ausschließlich aus der Form besteht, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

58      Was die zweite vom vorlegenden Gericht in seiner dritten Frage angesprochene Fallgruppe anbelangt, trifft es zu, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95, indem er auf die „Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“ abstellt, insbesondere auf ein Zeichen Anwendung finden kann, das ausschließlich aus der Form einer Ware mit künstlerischem oder dekorativem Wert besteht.

59      Dieser Umstand impliziert jedoch noch nicht, dass die Anmeldung von Zeichen, die aus der Form einer Ware – etwa, wie im Ausgangsverfahren, der Form „Dekorativer Gegenstände“ bzw. „Dekorativer Gegenstände aus Glas und Keramik“ der Klassen 14 und 21 des Abkommens von Nizza – bestehen, als Marke automatisch auf der Grundlage dieses Eintragungshindernisses zurückzuweisen ist. Wie sich aus Rn. 41 des vorliegenden Urteils ergibt, muss nämlich, damit dieses Eintragungshindernis anwendbar ist, aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgehen, dass die Entscheidung der Verbraucher zugunsten der betreffenden Ware in sehr großem Maß durch ein oder mehrere Merkmale dieser Form bestimmt ist.

60      Insoweit ist es keineswegs ausgeschlossen, dass der wesentliche Wert derartiger Gegenstände aus anderen Gesichtspunkten als der Form hervorgehen kann, insbesondere aus der Geschichte ihrer Gestaltung, der Art ihrer Herstellung – industriell oder kunstgewerblich –, der möglicherweise seltenen oder wertvollen Stoffe, die sie enthalten, oder auch der Identität ihres Entwerfers.

61      Daher hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Anwendung des Eintragungshindernisses in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 erfüllt sind, um zu klären, ob das in Rede stehende Zeichen ausschließlich aus der Form besteht, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

62      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Eintragungshindernis nicht systematisch auf ein Zeichen anzuwenden ist, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht, wenn das Zeichen musterrechtlich geschützt ist oder wenn es ausschließlich aus der Form eines dekorativen Gegenstands besteht.

 Kosten

63      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass, um zu klären, ob ein Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, nicht lediglich die grafische Darstellung dieses Zeichens heranzuziehen ist. Andere Informationen als seine bloße grafische Darstellung, wie die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise, können genutzt werden, um die wesentlichen Merkmale des betreffenden Zeichens zu ermitteln. Dagegen können Informationen, die sich nicht aus der grafischen Darstellung des Zeichens ergeben, zwar berücksichtigt werden, um zu bestimmen, ob diese Merkmale einer technischen Funktion der betreffenden Ware entsprechen; diese Informationen müssen jedoch aus objektiven und verlässlichen Quellen stammen und dürfen nicht die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise einschließen.

2.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass die Wahrnehmung oder die Kenntnis der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich der Ware, die durch ein Zeichen grafisch dargestellt wird, das ausschließlich aus der Form dieser Ware besteht, berücksichtigt werden kann, um ein wesentliches Merkmal dieser Form zu ermitteln. Das in dieser Bestimmung enthaltene Eintragungshindernis ist anwendbar, wenn aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen, in sehr großem Maß durch dieses Merkmal bestimmt wird.

3.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Ziff. iii der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Eintragungshindernis nicht systematisch auf ein Zeichen anzuwenden ist, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht, wenn das Zeichen musterrechtlich geschützt ist oder wenn es ausschließlich aus der Form eines dekorativen Gegenstands besteht.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Ungarisch.