STELLUNGNAHME DES GENERALANWALTS

JÁN MAZÁK

vom 10. November 20091(1)

Rechtssache C‑357/09 PPU

Kadzoev

(Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad Sofia-grad [Bulgarien])

„Eilvorlageverfahren – Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr – Titel IV EG-Vertrag –Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger – Umsetzungsfrist – Wirkungen – Auslegung von Art. 15 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie – Haftdauer – Berücksichtigung der Dauer, während deren der Vollzug einer Abschiebungsentscheidung aufgeschoben war – Fehlen einer hinreichenden Aussicht auf Abschiebung und Erschöpfung der Möglichkeiten einer Verlängerung der Haftdauer“





I –    Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen, das der Gerichtshof auf Antrag des vorlegenden Gerichts dem in Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs vorgesehenen Eilverfahren unterworfen hat, stellt der Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht Sofia, Bulgarien) gemäß Art. 68 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 234 EG vier Fragen zur Auslegung von Art. 15 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie)(2).

2.        Mit seinen Fragen einschließlich der Unterfragen ersucht das vorlegende Gericht im Wesentlichen um Aufschluss über die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Art. 15 der Rückführungsrichtlinie über die Höchstdauer der Abschiebungshaft auf den vorliegenden Fall sowie über die Methode zur Berechnung der dafür festgelegten Zeiträume unter den Umständen des Ausgangsverfahrens. Es möchte vom Gerichtshof zudem wissen, unter welchen Umständen eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung zu verneinen ist und ob oder unter welchen Umständen die Haft aufrechterhalten werden kann, wenn keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung besteht und die Möglichkeiten zur Verlängerung der Haftdauer erschöpft sind.

3.        Diese Fragen werden im Rahmen eines Verfahrens gestellt, in dem das vorlegende Gericht von Amts wegen in letzter Instanz über die Rechtmäßigkeit sowie über die Aufrechterhaltung der Haft des Herrn Saïd Shamilovich Kadzoev im Sonderzentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern in der Nähe von Sofia entscheidet.

4.        Die Einführung der Bestimmungen über die Höchstdauer der Inhaftierung gehörte zu den meistdiskutierten Punkten bei der Annahme der Rückführungsrichtlinie, weil die Rechtsordnungen und Praktiken der Mitgliedstaaten sich in dieser Hinsicht erheblich unterschieden und zu einem gewissen Grad immer noch unterscheiden.

5.        Da der Gerichtshof erstmals bestimmte Aspekte der Umsetzung von Art. 15 dieser Richtlinie klären soll, kommt dem vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Das Ersuchen betrifft den schwierigen und fortdauernden Abwägungsprozess zwischen einerseits dem unbestreitbaren und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anerkannten Recht eines Staates, die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern auf seinem Gebiet zu kontrollieren(3), und seinem berechtigten Interesse, Rechtsmissbräuchen auf dem Gebiet der Einwanderung und des Asyls vorzubeugen, und andererseits den Anforderungen eines Rechtsstaats und dem Schutzniveau, das Migranten aufgrund internationalen Rechts, Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Menschenrechte und Grundfreiheiten zusteht.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Die Rückführungsrichtlinie

6.        Art. 15 der Rückführungsrichtlinie, der sich in dem Kapitel über die Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung befindet, hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn

a)      Fluchtgefahr besteht oder

b)      die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern.

Die Haftdauer hat so kurz wie möglich zu sein und sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen [zu] erstrecken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden.

(3)      Die Inhaftnahme wird in jedem Fall – entweder auf Antrag der betreffenden Drittstaatsangehörigen oder von Amts wegen – in gebührenden Zeitabständen überprüft. Bei längerer Haftdauer müssen die Überprüfungen der Aufsicht einer Justizbehörde unterliegen.

(4)      Stellt sich heraus, dass aus rechtlichen oder anderweitigen Erwägungen keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung mehr besteht oder dass die Bedingungen gemäß Absatz 1 nicht mehr gegeben sind, so ist die Haft nicht länger gerechtfertigt und die betreffende Person unverzüglich freizulassen.

(5)      Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.

(6)      Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:

a)      mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder

b)      Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.“

7.        Nach Art. 20 der Rückführungsrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um der Richtlinie bis spätestens zum 24. Dezember 2010 nachzukommen.

B –    Einschlägiges nationales Recht

8.        Am 15. Mai 2009 hat Bulgarien Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie durch eine Änderung(4) des Gesetzes über Ausländer in der Republik Bulgarien (im Folgenden: Ausländergesetz) umgesetzt. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wurde Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie jedoch nicht in bulgarisches Recht umgesetzt.

9.        Nach Art. 44 Abs. 6 des Ausländergesetzes kann, wenn eine Verwaltungszwangsmaßnahme gegen einen Ausländer nicht vollzogen werden kann, weil seine Identität nicht feststeht oder offenkundige Fluchtgefahr besteht, die Behörde, die die Maßnahme erlassen hat, die zwangsweise Unterbringung des Ausländers in einem Zentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern anordnen, um die Abschiebung aus der Republik Bulgarien oder die Ausweisung durchzuführen.

10.      Vor der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie durch die am 15. Mai 2009 angenommenen Änderungen des Ausländergesetzes war die Unterbringung in einem Unterbringungszentrum zeitlich nicht begrenzt.

11.      Gegenwärtig dauert nach Art. 44 Abs. 8 des Ausländergesetzes „[d]ie Unterbringung … bis zum Wegfall der in Abs. 6 genannten Umstände jedoch nicht länger als sechs Monate. Ausnahmsweise kann die Dauer der Unterbringung um bis zu zwölf Monate verlängert werden, wenn der Betreffende die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden verweigert, sich die Übermittlung der für die Abschiebung oder Ausweisung erforderlichen Unterlagen verzögert oder der Betreffende die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet.“

12.      Art. 46a Abs. 3 bis 5 des Ausländergesetzes bestimmt:

„(3)      Der Leiter des Sonderzentrums für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern legt alle sechs Monate eine Liste der Ausländer vor, die sich seit mehr als sechs Monaten im Sonderzentrum befinden, weil Hindernisse für ihre Abschiebung aus dem Land bestehen. Die Liste wird an das Verwaltungsgericht des Ortes gesandt, in dem das Sonderzentrum gelegen ist.

(4)      Nach jeweils sechs Monaten Unterbringung im Sonderzentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern entscheidet das Gericht von Amts wegen in nichtöffentlicher Verhandlung durch Beschluss über die Fortdauer, Ersetzung oder Beendigung der Unterbringung. Der Beschluss des Gerichts ist nicht anfechtbar.

(5)      Wenn das Gericht die angefochtene Anordnung der zwangsweisen Unterbringung aufhebt oder die Freilassung des Ausländers anordnet, wird dieser unverzüglich aus dem Sonderzentrum entlassen.“

III – Sachverhalt und Vorlagefragen

13.      Der wesentliche Sachverhalt des Ausgangsverfahrens kann, soweit er für das vorliegende Verfahren relevant ist, wie folgt zusammengefasst werden.

14.      Am 21. Oktober 2006 ergriffen die bulgarischen Ordnungskräfte Herrn Kadzoev nahe der Grenze zur Türkei. Bei seiner Festnahme besaß er keine Identitätsdokumente und gab sich als Saïd Shamilovich Huchbarov aus, geboren am 11. Februar 1979 in Grosny (Republik Tschetschenien). Noch bei seiner Festnahme erklärte er, er wolle nicht, dass das russische Konsulat von seiner Festnahme benachrichtigt werde. Später räumte er ein, einen falschen Namen angegeben zu haben, sein wahrer Name sei Kadzoev, und er legte eine Geburtsurkunde vor, wonach er am 11. Februar 1979 in Moskau (ehemalige Sowjetunion) als Kind eines tschetschenischen Vaters, Shamil Kadzoev, und einer georgischen Mutter, Loli Elihvari, geboren wurde.

15.      Am 22. Oktober 2006 erging gegen ihn die Anordnung Nr. 3469 zur „zwangsweisen Unterbringung“. Aufgrund dieser Anordnung wurde Herr Kadzoev im Unterbringungszentrum Lyubimets in der Region Elhovo untergebracht, wo er bis zum 3. November 2006 inhaftiert war. Mit Anordnungen vom gleichen Tag wurden gegen ihn auch die Verwaltungszwangsmaßnahmen der Abschiebung und des Einreiseverbots verhängt.

16.      Auf der Grundlage der Anordnung Nr. 3583 zur zwangsweisen Unterbringung vom 1. November 2006 wurde Herr Kadzoev bis zum Vollzug der gegen ihn verhängten Verwaltungszwangsmaßnahme der Abschiebung im Sonderzentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern in Busmantsi in der Nähe von Sofia untergebracht. Die Unterbringung wurde bis zur Beseitigung aller Hindernisse für den Vollzug der Maßnahme der zwangsweisen Abschiebung verfügt, d. h. bis zur Ausstellung der Ausreisedokumente und der Bereitstellung finanzieller Mittel für den Kauf eines Tickets nach Tschetschenien.

17.      Die von Herrn Kadzoev erhobenen Klagen gegen die Anordnungen der Abschiebung, des Verbots der Einreise in die Republik Bulgarien und der zwangsweisen Unterbringung in einem Zentrum für die Unterbringung von Ausländern wurden alle zurückgewiesen. Infolgedessen wurden alle Maßnahmen einschließlich der Unterbringung im Zentrum für die vorübergehende Unterbringung bestandskräftig.

18.      Trotz der Bemühungen der bulgarischen Behörden, einiger Nichtregierungsorganisationen und von Herrn Kadzoev selbst, einen sicheren Drittstaat zu finden, wurde keine konkrete Vereinbarung erzielt. Herr Kadzoev hat bis heute keine Reisedokumente erhalten.

19.      Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass Herr Kadzoev am 31. Mai 2007 während seines Aufenthalts im Sonderzentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellte. Dieser Antrag wurde mit Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sofia vom 9. Oktober 2007 abgelehnt. Am 21. März 2008 stellte er einen neuen Asylantrag, den er aber am 2. April 2008 zurücknahm. Am 24. März 2009 stellte Herr Kadzoev einen dritten Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Mit Entscheidung vom 10. Juli 2009 lehnte das Verwaltungsgericht Sofia den Antrag von Herrn Kadzoev ab. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

20.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht ebenfalls hervor, dass Herr Kadzoev zweimal den Antrag stellte, die zwangsweise Unterbringung durch eine mildere Maßnahme, nämlich die Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung bei den Polizeidienststellen am Aufenthaltsort, zu ersetzen. Diese Anträge wurden von den zuständigen Behörden mangels Überprüfbarkeit der angegebenen Adresse abgelehnt.

21.      Herr Kadzoev ist nach wie vor im Sonderzentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern in Busmantsi untergebracht.

22.      Das Ausgangsverfahren wurde eingeleitet, indem der Direktor der Direktion Migration des Innenministeriums dem Verwaltungsgericht Sofia eine Verwaltungsakte mit dem Antrag vorlegte, von Amts wegen gemäß Art. 46a Abs. 3 des Ausländergesetzes über die Fortdauer der Haft von Herrn Kadzoev im Sonderzentrum für die vorübergehende Unterbringung von Ausländern in Busmantsi zu entscheiden.

23.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt und beantragt, im Eilvorlageverfahren zu entscheiden:

1.      Ist Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen, dass,

a)      wenn das nationale Recht des Mitgliedstaats bis zur Umsetzung der Erfordernisse dieser Richtlinie weder Erfordernisse einer maximalen Haftdauer noch Gründe für deren Verlängerung vorgesehen hatte und bei Umsetzung der Richtlinie keine rückwirkende Geltung der neuen Bestimmungen vorgesehen wurde, die genannten Bestimmungen der Richtlinie erst seit der Umsetzung der Erfordernisse der Richtlinie in nationales Recht durch den Mitgliedstaat anwendbar sind und nur diese Zeit umfassen,

b)      dass die in der Richtlinie vorgesehenen Zeiträume der Inhaftierung in einer besonderen Einrichtung für die Zwecke der Abschiebung nicht die Zeit umfassen, während deren der Vollzug einer Entscheidung über die Abschiebung aus dem Mitgliedstaat aufgrund einer ausdrücklichen Rechtsnorm verboten war, weil auf Antrag eines Drittstaatsangehörigen ein Asylverfahren durchgeführt wurde, obwohl sich der Betreffende während dieses Verfahrens weiterhin in dieser besonderen Hafteinrichtung aufgehalten hat, wenn das nationale Recht des Mitgliedstaats dies zulässt?

2.      Ist Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen, dass die in der Richtlinie vorgesehenen Zeiträume der Inhaftierung in einer besonderen Einrichtung für die Zwecke der Abschiebung nicht die Zeit umfassen, während deren der Vollzug einer Entscheidung über die Abschiebung aus dem Mitgliedstaat aufgrund einer ausdrücklichen Rechtsnorm verboten war, weil wegen einer Klage gegen diese Entscheidung ein Verfahren anhängig war, obwohl sich der Betreffende während dieses Verfahrens weiterhin in dieser besonderen Hafteinrichtung aufgehalten hat, wenn er keine gültigen Identitätsdokumente besessen hat und deshalb Zweifel in Bezug auf seine Identität bestehen, er keine Mittel für seinen Unterhalt hat und sich aggressiv verhält?

3.      Ist Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen, dass keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung besteht, wenn

a)      zum Zeitpunkt der Überprüfung der Inhaftierung durch das Gericht der Staat, dem der Betreffende angehört, es abgelehnt hat, diesem ein Reisedokument zum Zweck der Rückkehr auszustellen, und zu diesem Zeitpunkt keine Vereinbarung mit einem Drittstaat über seine Übernahme besteht, obwohl die Verwaltungsbehörden des Mitgliedstaats ihre Bemühungen fortsetzen,

b)      zum Zeitpunkt der Überprüfung der Inhaftierung durch das Gericht ein Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Staat des Drittstaatsangehörigen besteht, der Mitgliedstaat sich aber wegen des Vorliegens eines neuen Beweises – eine Geburtsurkunde des Betreffenden – nicht auf die Bestimmungen dieses Abkommens bezogen hat, wobei der Betreffende nicht zurückkehren möchte,

c)      die in Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Möglichkeiten einer Verlängerung der Zeiträume der Inhaftierung erschöpft sind und zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht die Inhaftierung des Betreffenden anhand von Art. 15 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie überprüft, keine Vereinbarung mit einem Drittstaat über seine Übernahme besteht?

4.      Ist Art. 15 Abs. 4 und 6 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen, dass, wenn bei der Überprüfung der Inhaftierung eines Drittstaatsangehörigen für die Zwecke der Abschiebung festgestellt wird, dass keine hinreichende Aussicht auf seine Abschiebung besteht und die Möglichkeiten einer Verlängerung der Haftdauer erschöpft sind,

a)      seine unverzügliche Freilassung nicht anzuordnen ist, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen: Der Betreffende besitzt keine gültigen Identitätsdokumente, gleich welcher Gültigkeitsdauer, und deshalb bestehen Zweifel in Bezug auf seine Identität, er verhält sich aggressiv, er hat keinerlei Mittel für seinen Unterhalt, und es gibt keine dritte Person, die sich verpflichtet hat, für seinen Unterhalt aufzukommen,

b)      bei der Entscheidung über die Freilassung zu prüfen ist, ob der Drittstaatsangehörige gemäß den Erfordernissen des nationalen Rechts des Mitgliedstaats die notwendigen Mittel für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats und eine Anschrift besitzt, unter der er sich aufhalten kann?

IV – Stellungnahme

24.      Soweit Herr Kadzoev in seinen Erklärungen mehrere in der Vorlageentscheidung geschilderte Tatsachen bestritten hat, insbesondere sein angeblich aggressives Verhalten während seiner Unterbringung, und auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen hat, die das in Bulgarien geltende Einwanderungs- und Asylrecht im Allgemeinen sowie die Umstände seiner Unterbringung im Besonderen betreffen, ist zunächst daran zu erinnern, dass es im Rahmen der in Art. 234 EG festgelegten Aufgabenverteilung zwischen dem Gerichtshof und dem nationalen Gericht im Vorlageverfahren allein Sache des nationalen Richters ist, den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen festzulegen, in dem eine Vorlagefrage gestellt wird, und im Hinblick auf den Sachverhalt und die einschlägigen nationalen Bestimmungen den Gegenstand des Vorlageverfahrens zu bestimmen und schließlich die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt werden, auf den konkreten Fall anzuwenden(5).

25.      Es ist somit nicht Aufgabe des Gerichtshofs, über den Sachverhalt des Falls zu entscheiden oder zur Rechtmäßigkeit der Haft von Herrn Kadzoev und den entsprechenden Verfahren Stellung zu nehmen, die im Übrigen ebenfalls Gegenstand einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind(6). Der Gerichtshof muss sich vielmehr darauf beschränken, die ihm vorgelegten Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts sachdienlich im Hinblick auf das Ausgangsverfahren zu beantworten.

26.      Im Folgenden werde ich die Vorlagefragen grundsätzlich in der Reihenfolge untersuchen, in der sie gestellt worden sind. Gleichwohl sollten die Unterfrage 1 Buchst. b und die zweite Frage gemeinsam untersucht werden, da sich beide auf den Aufschub des Vollzugs einer Abschiebungsentscheidung beziehen.

27.      Vorab ist jedoch auf die Frage der Zulässigkeit der Vorlagefragen einzugehen, wobei insbesondere der Umstand zu berücksichtigen ist, dass sie sich auf eine Richtlinie beziehen, deren Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

A –    Zur Zulässigkeit der Fragen

28.      Vorab ist daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung Sache der mit einem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte ist, sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorgelegten Fragen, so dass der Gerichtshof grundsätzlich gehalten ist, darüber zu befinden(7).

29.      Der Gerichtshof kann ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder aber der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(8).

30.      Dies ist nach meiner Ansicht im vorliegenden Fall nicht gegeben. Insbesondere sind die Fragen für die von dem vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung nicht offensichtlich unerheblich, auch wenn die Umsetzungsfrist der Rückführungsrichtlinie noch nicht abgelaufen war, als das vorlegende Gericht die Rechtmäßigkeit der Haft des Herrn Kadzoev überprüfte.

31.      Zunächst steht fest, dass die Richtlinie gemäß Art. 22 am zwanzigsten Tag nach ihrer am 24. Dezember 2008 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt, also am 13. Januar 2009, in Kraft getreten ist.

32.      Auch wenn den Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie gerichtet ist, sicherlich kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn sie diese nicht vor Ablauf der Umsetzungsfrist in ihre Rechtsordnung umgesetzt haben, müssen sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs den Erlass von Vorschriften unterlassen, die das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage stellen könnten(9).

33.      Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass eine solche Unterlassenspflicht allen Trägern öffentlicher Gewalt der betroffenen Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt. Mithin müssen die Gerichte der Mitgliedstaaten es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie so weit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich gefährden würde(10).

34.      Im vorliegenden Fall sind laut dem vorlegenden Gericht die gesetzlichen Vorschriften zur Änderung des Ausländergesetzes als förmliche Umsetzung der Rückführungsrichtlinie in bulgarisches Recht anzusehen.

35.      Würde das nationale Gericht dieses Umsetzungsgesetz entgegen dieser Richtlinie, insbesondere entgegen ihren Vorschriften über die zulässige Haftdauer auslegen und anwenden und dadurch Präzedenzfälle schaffen, so könnte das von der Richtlinie vorgegebene Ziel nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich gefährdet sein.

36.      Da das vorlegende Gericht mit der Vorlage seiner Fragen eine mit der Rückführungsrichtlinie konforme Auslegung und Anwendung des Ausländergesetzes sicherstellen und somit der Unterlassungspflicht im Sinne des oben erwähnten Urteils in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie genügen will, ist die von ihm erbetene Auslegung der Richtlinie als für die Entscheidung des ihm unterbreiteten Rechtsstreits nützlich anzusehen(11).

37.      Man kann sich zwar die Frage stellen, ob die dritte Vorlagefrage auch zulässig ist, da sie sich auf Art. 15 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie bezieht, der nach den Angaben des vorlegenden Gerichts noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist.

38.      Nach meiner Auffassung ist diese Frage jedoch zu bejahen.

39.      Erstens bezweifle ich, dass dieser Abs. 4 isoliert und losgelöst von den anderen Bestimmungen des Art. 15 über die Abschiebungshaft untersucht werden kann.

40.      Da Art. 15 Abs. 4 vorsieht, dass die Haft nicht länger gerechtfertigt und die betreffende Person unverzüglich freizulassen ist, wenn keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung mehr besteht oder die Bedingungen für eine Haft gemäß Abs. 1 dieses Artikels nicht gegeben sind, ist er nur das Spiegelbild des in den anderen Absätzen – insbesondere in den Abs. 1 und 5 – dieses Artikels bereits genannten Grundsatzes, dass jede Haft so kurz wie möglich zu sein hat und nur so lange aufrechterhalten werden darf, wie die Bedingungen für eine Haft vorliegen, eines Grundsatzes, der seinerseits eine Ausprägung des im 16. Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist(12).

41.      Wenn die anderen Bestimmungen des Art. 15 der Rückführungsrichtlinie tatsächlich in bulgarisches Recht umgesetzt worden sind, lässt sich schwerlich behaupten, dass Abs. 4 dieses Artikels nicht umgesetzt worden ist. Tatsächlich ergibt sich für das vorlegende Gericht selber die normative Geltung dieser Vorschrift aus Art. 44 Abs. 8 des Ausländergesetzes.

42.      Zweitens ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass die den Mitgliedstaaten nach dem oben genannten Urteil in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie während der Umsetzungsfrist einer Richtlinie obliegenden Pflichten, einschließlich der Pflicht eines jeden nationalen Gerichts, bei einer Auslegung des innerstaatlichen Rechts eine solche Richtlinie zu beachten, aus der Pflicht folgen, die Erreichung des von der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist zu gewährleisten(13).

43.      Selbst wenn das Gesetz, das die Rückführungsrichtlinie in bulgarisches Recht umgesetzt hat, tatsächlich eine Lücke hinsichtlich der Umsetzung von Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie enthielte, würde es letztlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen, ob diese fehlende Umsetzung und eine darauf beruhende richtlinienwidrige Entscheidung des nationalen Gerichts das Ziel dieser Richtlinie beeinträchtigt. Wenn die fraglichen Bestimmungen trotz der erwähnten Lücke als abschließende Umsetzung der Richtlinie durch die nationalen Behörden anzusehen wären, bestünde wohl diese Gefahr. Wenn dagegen Art. 15 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie im Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens noch nicht umgesetzt worden war, weil der bulgarische Gesetzgeber diese Richtlinie schrittweise durchführen und die betreffende Vorschrift zu einem späteren Zeitpunkt vor Ablauf der Umsetzungsfrist umsetzen wollte, würde die fehlende Umsetzung dieser Bestimmung oder eine dieser Bestimmung zuwiderlaufende Auslegung des geltenden Rechts das von der Richtlinie vorgeschriebene Ziel nicht zwangsläufig in Frage stellen(14).

44.      Auch wenn das nationale Gericht endgültig hierüber zu entscheiden hat, kann jedenfalls der Vorlageentscheidung nicht entnommen werden, dass eine gesonderte Umsetzung des Art. 15 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie noch vorgesehen ist. Außerdem hat die bulgarische Regierung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie die genannte Bestimmung als in bulgarisches Recht umgesetzt ansieht, weshalb mit dem Erlass von weiteren speziellen Umsetzungsmaßnahmen vor Ablauf der Umsetzungsfrist nicht mehr zu rechnen ist.

45.      Somit ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die mit der dritten Vorlagefrage erbetene Auslegung dieser Bestimmung für das Ausgangsverfahren ohne Bedeutung ist(15).

46.      Unter diesen Umständen ist meiner Ansicht nach auf alle Fragen des Administrativen sad Sofia-grad zu antworten.

47.      Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass bei der Prüfung dieser Vorlage darauf zu achten ist, dass die verschiedenen Fragen zur zeitlichen Anwendbarkeit nicht miteinander vermengt werden. So muss meiner Ansicht nach genau unterschieden werden zwischen einerseits der von mir gerade untersuchten Frage, inwieweit das nationale Gericht bei der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits die Rückführungsrichtlinie auch schon vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist zu beachten hat, und andererseits der materiell-rechtlichen Frage, die Gegenstand der ersten Vorlagefrage ist, ob Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie dazu verpflichtet, auch die Haftzeiten vor dem Inkrafttreten der Umsetzungsregelung bei der Berechnung der Haftdauer zu berücksichtigen. Diese letztgenannte Frage wird sich im Übrigen auch in Gerichtsverfahren stellen, die zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Inhaftierung nach dem Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Rückführungsrichtlinie durchgeführt werden.

B –    Beantwortung der Fragen

1.      Zu Frage 1 Buchst. a

48.      Zunächst sollten die Anforderungen der Rückführungsrichtlinie bezüglich der Dauer der Abschiebungshaft kurz umrissen werden.

49.      Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in Art. 15 Abs. 5 der Rückführungsrichtlinie die Abschiebungshaft auf sechs Monate begrenzt. Nach Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten diesen Zeitraum im Fall mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens des betroffenen Drittstaatsangehörigen oder von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten um höchstens 12 weitere Monate verlängern. Hieraus folgt, dass nach dieser Richtlinie die Abschiebungshaft 18 Monate nicht überschreiten darf.

50.      Es ist gleichwohl darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Zeiträumen nur um die absoluten und äußersten Grenzen der Dauer der Inhaftierung handelt. Wie sich insbesondere aus dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 und 5 der Rückführungsrichtlinie ergibt, muss jede der Abschiebung vorausgehende Inhaftierung so kurz wie möglich sein und darf sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen erstrecken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Außerdem ist die Inhaftierung zu beenden, wenn die Haftumstände nicht mehr gegeben sind oder wenn keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung mehr besteht.

51.      Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei diesen Anforderungen um Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dem die Inhaftierung unterliegt und der ihre Dauer begrenzt, wie dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist.

52.      Schließlich ergibt sich auch aus den Grundrechten, die zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zählen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat(16), insbesondere aus dem Recht auf Freiheit, das durch Art. 5 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet wird, dass die Dauer der Inhaftierung für Zwecke der Abschiebung nicht den für die Erreichung des verfolgten Ziels erforderlichen Zeitraum überschreiten darf. Im konkreten Fall handelt es sich, wie Herr Kadzoev hierzu zutreffend ausgeführt hat, bei seiner zwangsweisen Unterbringung bis zu seiner Abschiebung – die sicherlich als „Inhaftierung“ im Sinn der Richtlinie anzusehen ist – um einen Freiheitsentzug im Sinne des vorgenannten Artikels, der aufgrund von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f der genannten Konvention über die Inhaftierung einer Person, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist, gerechtfertigt sein muss. Auch wenn die Konvention für die Dauer der für Zwecke der Ausweisung/Auslieferung angeordneten Haft keine absolute Grenze festsetzt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass die nationalen Behörden mit der notwendigen Sorgfalt handeln müssen, um zu gewährleisten, dass die Dauer einer solchen Haft so kurz wie möglich ist. Sollte das Verfahren dagegen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt werden, ist der Freiheitsentzug nicht mehr von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f der Konvention gedeckt(17).

53.      Hieraus folgt, dass aufgrund der Anforderungen des Art. 15 der Rückführungsrichtlinie die Inhaftierung einer Person für Zwecke ihrer Abschiebung so bald wie möglich zu beenden ist und rechtswidrig wird, wenn die in diesem Artikel festgelegten „materiellen“ Haftvoraussetzungen – insbesondere müssen die Abschiebungsvorkehrungen noch laufen und mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden, und es muss eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung bestehen – nicht mehr vorliegen oder die nach Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie berechnete Höchsthaftdauer überschritten ist.

54.      Im Ausgangsverfahren muss das vorlegende Gericht über die Rechtmäßigkeit und die Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft von Herrn Kadzoev auf der Grundlage u. a. von Art. 44 Abs. 8 des Ausländergesetzes in der zur Umsetzung von Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie mit Wirkung vom 18. Mai 2009 geänderten Fassung entscheiden.

55.      Da das Umsetzungsgesetz keine Übergangsbestimmungen zur zeitlichen Anwendung enthält und mithin keine Rückwirkung vorsieht, möchte das vorlegende Gericht mit seiner Frage 1 Buchst. a im Wesentlichen wissen, ob bei der Entscheidung über die gesetzmäßige Dauer der Inhaftierung rechtliche Umstände, insbesondere Haftzeiten, die vor dem Inkrafttreten der Umsetzung von Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie liegen, zu berücksichtigen sind oder ob vielmehr die gesetzmäßige Dauer der Inhaftierung allein anhand der nach diesem Zeitpunkt liegenden Tatsachen und Haftzeiten zu beurteilen ist.

56.      Zunächst ist auf die Grundsätze hinzuweisen, die der Gerichtshof zur zeitlichen Wirkung von Rechtsvorschriften aufgestellt hat.

57.      Zwar steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes der rückwirkenden Anwendung einer Vorschrift grundsätzlich entgegen(18), doch darf dieser Grundsatz nach ständiger Rechtsprechung nicht so weit ausgedehnt werden, dass die Anwendung einer neuen Vorschrift auf die künftigen Auswirkungen von Sachverhalten, die unter Geltung der alten Regelung entstanden sind, schlechthin ausgeschlossen ist(19).

58.      So hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, dass eine neue Vorschrift unmittelbar für einen Sachverhalt gilt, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden und gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist(20).

59.      Handelt es sich dagegen um vor dem Inkrafttreten der materiell-rechtlichen Vorschriften abgeschlossene Sachverhalte oder erworbene Rechte, so sind diese Vorschriften im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für diese abgeschlossenen Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist(21). Dagegen sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Verfahren anwendbar(22).

60.      Sodann ist der Ausgangsfall im Licht dieser Grundsätze zu untersuchen.

61.      Zunächst ist festzustellen, dass der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt, nämlich die Inhaftierung von Herrn Kadzoev, zwar vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie in bulgarisches Recht entstanden ist, ganz offenkundig aber nicht als ein vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossener oder beendeter Zustand angesehen werden kann, für den dieses Gesetz rückwirkend gelten würde. Es handelt sich vielmehr um den typischen Fall eines andauernden Zustands, der in der Vergangenheit begonnen hat, aber im Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens noch fortbesteht. Die Anwendung der Rückführungsrichtlinie mittels des Umsetzungsgesetzes auf den vorliegenden Fall, um über die Rechtmäßigkeit und somit auch über die mögliche Verlängerung der Inhaftierung von Herrn Kadzoev zu entscheiden, fällt also unter den vom Gerichtshof aufgestellten wohlbekannten Grundsatz, dass neue Vorschriften unmittelbar für einen gegenwärtig noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt gelten(23).

62.      Es bleibt noch die Frage zu klären, ob die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung nur in Bezug auf den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes beurteilt werden kann.

63.      Meiner Ansicht nach ist eine solche Aufteilung des Zeitraums der Inhaftierung für die Anwendung der Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie über die Haftdauer nicht möglich.

64.      Erstens ist daran zu erinnern, dass die in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie festgelegten Höchsthaftzeiten Teil eines Regelwerks sind, das sicherstellen soll, dass die Inhaftierung verhältnismäßig ist, d. h., dass ihre Dauer so kurz wie möglich und jedenfalls nicht länger als die vorgesehenen 6 oder gegebenenfalls 18 Monate ist(24). Geht es bei einer Rechtssache wie der vorliegenden also im Wesentlichen um die Feststellung, ob die Haftdauer angemessen ist und eine weitere Inhaftierung noch gerechtfertigt ist, kann ich nicht erkennen, wie dies vernünftigerweise anders als in Bezug auf die tatsächliche Gesamthaftzeit beurteilt werden kann. Es wäre daher zumindest im höchsten Maße willkürlich, bei der Überprüfung der Haftdauer bestimmte Zeiträume unberücksichtigt zu lassen, weil sie vor dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes liegen. Bei einer solchen Auslegung der Anforderungen der Rückführungsrichtlinie könnte ein nationales Gericht zweifellos die Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft trotz der verlängerten Haftdauer als verhältnismäßig und somit als gerechtfertigt ansehen, was schlichtweg nicht hinnehmbar wäre.

65.      Es stellt sich nämlich zweitens die Frage, welchen Zweck die in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Höchsthaftzeiten verfolgen. Schreiben diese Bestimmungen mit anderen Worten im Wesentlichen vor, dass von ihrer Umsetzung in nationales Recht an eine bereits bestehende Haft nur noch um höchstens 18 Monate verlängert werden darf, ohne Berücksichtigung der bereits in Haft verbrachten Zeit, oder sind sie dagegen so zu verstehen, dass sie die höchstzulässige Dauer der Inhaftierung dahin gehend festlegen, dass „niemand für eine Dauer von länger als 18 Monaten einer Inhaftierung für Zwecke der Auslieferung unterliegen darf“, so dass die Haft einer Person, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Umsetzung dieser Regel in nationales Recht schon seit beispielsweise 3 Monaten in Haft befindet, nicht um mehr als 15 Monate verlängert werden kann, und eine Person, die in diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als 18 Monaten, also über die Höchstdauer hinaus, in Haft ist, unverzüglich freizulassen ist?

66.      Betrachtet man den Zweck der Vorschriften über die Bestimmung der höchstzulässigen Dauer der Abschiebungshaft, nämlich insbesondere die Gewährleistung des Grundrechts auf Freiheit, das Ausnahmen nur unter engen Voraussetzungen zulässt, so ist meiner Ansicht nach der letztgenannten Auslegung eindeutig der Vorzug zu geben.

67.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, auf die vorgelegte Frage 1 Buchst. a zu antworten, dass für die Beurteilung der gesetzmäßigen Dauer einer Inhaftierung und ihrer Aufrechterhaltung im Hinblick auf ein Gesetz, das Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt hat, auf die tatsächliche Dauer dieser Inhaftierung einschließlich der vor dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zurückgelegten Haftzeiten abzustellen ist.

2.      Zu Frage 1 Buchst. b und zu Frage 2

68.      Bei diesen Fragen geht es darum, ob bei der Berechnung der in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Haftzeiten die Haftzeit einzubeziehen ist, während deren der Vollzug der Abschiebungsentscheidung aufgeschoben war.

69.      An erster Stelle untersuche ich die zweite Frage, die sich auf den Aufschub des Vollzugs einer Abschiebungsentscheidung aufgrund einer Klage gegen diese Entscheidung bezieht, anschließend wende ich mich dem in Frage 1 Buchst. b angesprochenen spezielleren Fall des Aufschubs aufgrund eines Asylverfahrens zu. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass laut der Vorlageentscheidung in beiden Fällen davon auszugehen ist, dass der betroffene Drittstaatsangehörige, nämlich Herr Kadzoev, nicht nur während des Aufschubs des Vollzugs der genannten Abschiebungsentscheidung, sondern auch im Weiteren aufgrund einer Anordnung der zwangsweisen Unterbringung (Haft) im selben Zentrum für Unterbringung wohnte.

70.      Zunächst ist noch einmal daran zu erinnern, dass es sich bei der zwangsweisen Unterbringung um einen Freiheitsentzug handelt und die Voraussetzungen, unter denen er erlaubt ist, eng auszulegen sind, da es sich um eine Einschränkung der als Grundrecht garantierten Freiheit der Person handelt(25).

71.      Es ist sodann darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie an keiner Stelle den Schluss zulässt, dass bestimmte Zeiten einer Inhaftierung für Zwecke der Abschiebung bei der Berechnung der von diesen Bestimmungen vorgesehenen Höchsthaftdauer etwa aufgrund des Aufschubs des Vollzugs der Abschiebungsentscheidung nicht zu berücksichtigen sind.

72.      Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 5 der Rückführungsrichtlinie enthält die klare Bestimmung, dass jeder Mitgliedstaat eine bestimmte Haftdauer festlegt, „die sechs Monate nicht überschreiten darf“. Aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie ergibt sich eindeutig, dass dieser Zeitraum nur ausnahmsweise und jedenfalls nur um höchstens 12 Monate verlängert werden darf.

73.      Zudem sind die Umstände, unter denen eine solche Verlängerung der Haftdauer in Betracht gezogen werden kann, in dieser Vorschrift eindeutig und erschöpfend umschrieben. Die Vorschrift betrifft die Fälle, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz aller angemessenen Bemühungen entweder aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens des betroffenen Drittstaatsangehörigen oder aufgrund von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten wahrscheinlich länger dauern wird. Durch die Aufnahme dieser Verlängerungsgründe hat der Gemeinschaftsgesetzgeber den praktischen Schwierigkeiten, auf welche die Mitgliedstaaten bei der Abschiebung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen treffen können, Rechnung tragen wollen.

74.      Der Aufschub des Vollzugs der Abschiebungsentscheidung aufgrund einer Klage gegen diese Entscheidung gehört nicht zu diesen Verlängerungsgründen und eine Verlängerung der Haftdauer um mehr als 12 Monate ist in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie jedenfalls nicht vorgesehen.

75.      Infolgedessen kann Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie mangels entsprechender Bestimmungen nicht dahin ausgelegt werden, dass Haftzeiten, während deren der Vollzug der Abschiebungsentscheidung aufgrund einer Klage gegen diese Entscheidung aufgeschoben war, bei der Berechnung der Haftdauer gemäß diesem Artikel unberücksichtigt bleiben können, was zur Folge hätte, dass eine Inhaftierung für Zwecke der Abschiebung über die vorgesehene Höchstdauer von 18 Monaten hinaus möglich wäre.

76.      Diese Schlussfolgerung wird meiner Ansicht nach nicht durch das von der bulgarischen Regierung angeführte Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Petrosian u. a.(26) in Frage gestellt, das die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003(27) betraf. In dieser Rechtssache hatte der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung vorgesehene Frist für die Durchführung der Überstellung eines Asylbewerbers, wenn die nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird(28).

77.      Diese Entscheidung sowie die sie tragenden Gründe können jedoch auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar übertragen werden, in dem es um Fristen anderer Art geht. Während die Frist, um die es in der dem Urteil Petrosian u. a. zugrunde liegenden Rechtssache ging, bestimmt, über wie viel Zeit der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um die Überstellung eines Asylbewerbers in den zu dessen Wiederaufnahme verpflichteten Mitgliedstaat durchzuführen, dienen die in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Höchstzeiten dazu, den Entzug der Freiheit einer Person, der im Übrigen nur ihr illegaler Aufenthalt vorgeworfen werden kann, auf einen angemessenen Zeitraum zu begrenzen. Zudem beschränken die in der vorliegenden Rechtssache vorgeschriebenen Zeiträume die Dauer der Abschiebungshaft und nicht, zumindest nicht direkt, die Durchführung des Abschiebungsverfahrens als solches, das gegebenenfalls gerichtliche Rechtsbehelfe gegen die Abschiebungsentscheidung einschließt.

78.      Was schließlich die Tatsachen angeht, auf die das vorlegende Gericht im Rahmen der zweiten Frage hinweist, nämlich die Ungewissheit der Identität des Drittstaatsangehörigen, seine fehlenden Mittel zum eigenen Unterhalt oder sein aggressives Verhalten, so sind diese offenkundig ohne Belang für die Beantwortung der grundsätzlichen Frage, ob ein Haftzeitraum, während dessen der Vollzug einer Abschiebungsentscheidung aufgrund eines Rechtsbehelfs gegen diese Entscheidung ausgesetzt war, bei der Berechnung der in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Haftzeiten zu berücksichtigen ist(29). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Staatsangehörige im betreffenden Zeitraum immer im selben Unterbringungszentrum befunden hat – für die Berechnung der Höchsthaftdauer ist einzig entscheidend, ob der Drittstaatsangehörige in diesem Zeitraum tatsächlich in Abschiebungshaft war.

79.      Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass bei der Berechnung der Dauer der Inhaftierung nach den Vorschriften des Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie die Haftzeit, während deren der Vollzug einer Abschiebungsentscheidung aufgrund einer Klage gegen diese Entscheidung nach ausdrücklicher nationaler Bestimmung aufgeschoben war, zu berücksichtigen ist.

80.      Was zweitens die Frage betrifft, ob in die in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Zeiten der Abschiebungshaft auch der Zeitraum einzubeziehen ist, während dessen der Vollzug einer Abschiebungsentscheidung aufgrund eines vom dem betreffenden Drittstaatsangehörigen beantragten Asylverfahrens aufgeschoben ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie gemäß Art. 2 Abs. 1 nur auf Drittstaatsangehörige anwendbar ist, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten.

81.      Wie im neunten Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft(30) erwähnt, sollte ein Drittstaatsangehöriger, der in einem Mitgliedstaat Asyl beantragt hat, so lange nicht als illegal im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhältige Person gelten, bis eine abschlägige Entscheidung über den Antrag oder eine Entscheidung, mit der sein Aufenthaltsrecht als Asylbewerber beendet wird, bestandskräftig geworden ist.

82.      Hieraus folgt, dass ein Drittstaatsangehöriger, der Asyl beantragt hat, nicht – oder je nach Lage nicht mehr – der Rückführungsrichtlinie unterliegt, solange das Verfahren der Prüfung seines Asylgesuchs dauert.

83.      Da der Asylbewerber nicht als illegal im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhältig gilt und nicht der Rückführungsrichtlinie unterliegt, kann seine Inhaftierung zur Gewährleistung des Vollzugs der Abschiebungsmaßnahme nicht auf diese Richtlinie gestützt werden.

84.      Sein Status und seine Rechte als Asylbewerber unterliegen somit den internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Asylregelungen, insbesondere dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, der Richtlinie 2005/85 und der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten(31).

85.      Auch wenn eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam genommen werden kann, weil sie ein Asylbewerber ist(32), ist ihre Ingewahrsamnahme aber nicht schlechthin durch internationales oder gemeinschaftliches Asylrecht ausgeschlossen(33).

86.      So sieht Art. 7 der Richtlinie 2003/9 beispielsweise die Ingewahrsamnahme vor, wenn dies aus rechtlichen Gründen oder Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Auf jeden Fall muss eine derartige Ingewahrsamnahme des Asylbewerbers natürlich im Hinblick auf die speziellen Voraussetzungen der einschlägigen asylrechtlichen Bestimmungen begründet und gerechtfertigt sein. Sie kann rechtlich nicht auf die Vorschriften über die Rechtsstellung illegal aufhältiger Personen gestützt werden.

87.      Meines Erachtens führt diese Analyse im vorliegenden Fall zu einem differenzierten Bild.

88.      Wenn die Inhaftierung während der Dauer der Überprüfung des Asylantrags von Herrn Kadzoev aufgrund einer Anordnung der zwangsweisen Unterbringung gemäß den einschlägigen asylrechtlichen Bestimmungen erfolgte, kann diese Inhaftierung nicht als eine Inhaftierung für Zwecke der Abschiebung im Sinn der Rückführungsrichtlinie angesehen werden. Ihre Dauer richtete sich dann nicht nach Art. 15 dieser Richtlinie und könnte daher bei der Berechnung der dort festgelegten Haftzeiten nicht berücksichtigt werden(34).

89.      War Herr Kadzoev dagegen nach der Einreichung seines Asylantrags einfach auf der Grundlage der ursprünglichen Unterbringungsanordnung in Haft geblieben, ohne dass die Behörden eine gesonderte Entscheidung über die Unterbringung getroffen hätten, wäre er während dieses Zeitraums tatsächlich immer noch zum Zwecke der Abschiebung inhaftiert gewesen, obwohl diese Inhaftierung im Licht der vorgenannten Ausführungen als unzulässig anzusehen wäre. In einem solchen Fall müsste bei der Berechnung der in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie festgelegten Höchstzeiten der Zeitraum des Asylverfahrens aus denselben Gründen berücksichtigt werden wie im Fall des Aufschubs des Vollzugs einer Abschiebungsentscheidung aufgrund einer Klage.

90.      Ich möchte hinzufügen, dass die Höchstdauer der tatsächlichen Inhaftierung eines Drittstaatsangehörigen für Zwecke der Abschiebung nicht um den Zeitraum einer rechtswidrigen Inhaftierung verlängert werden kann.

91.      Auch wenn es nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen den Anschein hat, dass im Ausgangsverfahren der zweite Fall vorliegt, ist es Aufgabe des nationalen Richters, festzustellen, ob die zwangsweise Unterbringung während der Zeit, in der Herr Kadzoev Asylbewerber war, auf die einschlägigen Asylbestimmungen oder weiterhin auf die Inhaftierung zur Sicherstellung der Abschiebung eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen gestützt war.

92.      Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich vor, auf die vorgelegte Frage 1 Buchst. b zu antworten, dass die Bestimmungen des Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie über die Höchstdauer der Abschiebungshaft grundsätzlich keine Anwendung finden auf die Zeiträume der Inhaftierung eines Asylbewerbers im Rahmen eines Asylverfahrens. Wenn allerdings ein Drittstaatsangehöriger zum Zwecke seiner Abschiebung im Sinne der Rückführungsrichtlinie weiterhin inhaftiert bleibt, nachdem er einen Asylantrag gestellt hat und solange dieser Antrag geprüft wird, ist dieser Zeitraum der Inhaftierung bei der Berechnung der in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie festgelegten Haftzeiten zu berücksichtigen.

3.      Zur dritten Vorlagefrage

93.      Mit seiner dritten Vorlagefrage bittet das vorlegende Gericht angesichts der Umstände des Ausgangsverfahrens um Klärung der Bedeutung des Begriffs der „hinreichenden Aussicht auf Abschiebung“ in Sinn des Art. 15 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie.

94.      Nach dieser Bestimmung ist die Haft nicht länger gerechtfertigt und die betreffende Person unverzüglich freizulassen, „wenn sich herausstellt, dass aus rechtlichen oder anderweitigen Erwägungen keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung mehr besteht“.

95.      Dieses Gebot bringt zum Ausdruck, dass die Inhaftierung eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen nur zum Zweck seiner Abschiebung im Rahmen eines laufenden, mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten Abschiebungsverfahrens gerechtfertigt ist, was die Möglichkeit einer Abschiebung voraussetzt. Wie sich aber aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie ergibt, reicht eine abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Abschiebung, ohne genaue Anhaltspunkte bezüglich ihres Zeitpunkts oder ihrer Wahrscheinlichkeit, hierfür nicht aus. Es muss eine „hinreichende“, d. h. eine realistische Aussicht bestehen, die Abschiebung der inhaftierten Person binnen angemessener Frist durchführen zu können(35).

96.      So gesehen obliegt es offenkundig dem nationalen Gericht, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob eine solch hinreichende Aussicht noch besteht oder nicht.

97.      Zu den vom vorlegenden Gericht im Rahmen der dritten Frage angeführten Umständen ist jedoch zu bemerken, dass eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung nicht mehr gegeben scheint, wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass der betreffende Drittstaat noch in hinreichend naher Zukunft der Aufnahme des Betreffenden zustimmen wird, oder wenn die Abschiebung auf der Grundlage eines Rückübernahmeabkommens nicht binnen angemessener Frist möglich ist, ohne dass es auf die Gründe hierfür ankommt.

98.      Schließlich versteht es sich von selbst, dass nach Ablauf der gemäß Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie berechneten Höchsthaftzeiten die betreffende Person in jedem Fall, unabhängig von einer hinreichenden Aussicht auf Abschiebung, unverzüglich freizulassen ist(36).

99.      Daher schlage ich vor, auf die vorgelegte dritte Frage zu antworten, dass eine Person, die sich in Abschiebungshaft befindet, unverzüglich freizulassen ist, wenn die Abschiebung binnen angemessener Frist nicht mehr realistisch ist. Eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung besteht nicht mehr, wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass der betreffende Drittstaat noch in hinreichend naher Zukunft der Aufnahme des Betreffenden zustimmen wird, oder wenn die Abschiebung auf der Grundlage eines Rückübernahmeabkommens nicht binnen angemessener Frist möglich ist, ohne dass es auf die Gründe hierfür ankommt.

4.      Zur vierten Vorlagefrage

100. Mit seiner vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 15 Abs. 4 und 6 der Rückführungsrichtlinie erlaubt, den Betreffenden trotz Ablaufs der in der Richtlinie vorgesehenen Höchsthaftdauer nicht unverzüglich freizulassen, weil er keine gültigen Dokumente besitzt, sich aggressiv verhält und weder über eigene Unterhaltsmittel noch über von dritter Seite für diese Zwecke gestellte Mittel verfügt.

101. Hierzu reicht der Hinweis, dass eine Haftverlängerung aufgrund der genannten Umstände den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie über die Inhaftierung eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen unmittelbar zuwiderlaufen würde, wonach, wie aus meinen obigen Ausführungen(37) folgt, die Inhaftierung nur als letztes Mittel erlaubt ist, das gegenüber jeder anderen, weniger belastenden Verwaltungsmaßnahme zurücktritt, einer strengen Rechtfertigung bedarf und nur für die Zwecke und im Rahmen eines Abschiebungsverfahrens zulässig ist – und dies für eine Dauer von höchstens 18 Monaten(38).

102. Daher ist auf die vierte Frage in dem Sinne zu antworten, dass eine Inhaftierung für Zwecke der Abschiebung über die in Art. 15 Abs. 4 und 6 der Rückführungsrichtlinie vorgesehene Höchstdauer hinaus nicht wegen Fehlens gültiger Ausweispapiere, wegen einer aggressiven Verhaltensweise oder wegen Fehlens eigener Unterhaltsmittel oder anderweitiger Mittelzuwendungen für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verlängert werden kann.

V –    Ergebnis

103. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen für zulässig zu erklären und dem Administrativen sad Sofia-grad zu antworten,

–        dass für die Beurteilung der gesetzmäßigen Dauer einer Inhaftierung und ihrer Aufrechterhaltung bei einer Entscheidung aufgrund eines Gesetzes, das Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in nationales Recht umgesetzt hat, auf die tatsächliche Dauer dieser Inhaftierung einschließlich der vor dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zurückgelegten Haftzeiten abzustellen ist;

–        dass die Bestimmungen des Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2008/115 über die Höchstdauer der Abschiebungshaft grundsätzlich keine Anwendung finden auf die Zeiträume der Inhaftierung eines Asylbewerbers im Rahmen eines Asylverfahrens. Wenn allerdings ein Drittstaatsangehöriger zum Zwecke seiner Abschiebung im Sinne dieser Richtlinie weiterhin inhaftiert bleibt, nachdem er einen Asylantrag gestellt hat und solange dieser Antrag geprüft wird, ist dieser Zeitraum der Inhaftierung bei der Berechnung der in Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie festgelegten Haftzeiten zu berücksichtigen;

–        dass bei der Berechnung der Dauer der Inhaftierung nach den Vorschriften des Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2008/115 die Haftzeit, während deren der Vollzug einer Abschiebungsentscheidung aufgrund einer Klage gegen diese Entscheidung nach einer ausdrücklichen nationalen Bestimmung aufgeschoben war, zu berücksichtigen ist;

–        dass eine Person, die sich in Abschiebungshaft befindet, unverzüglich freizulassen ist, wenn die Abschiebung binnen angemessener Frist nicht mehr realistisch ist. Eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung besteht nicht mehr, wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass der betreffende Drittstaat noch in hinreichend naher Zukunft der Aufnahme des Betreffenden zustimmen wird, oder wenn die Abschiebung auf der Grundlage eines Rückübernahmeabkommens nicht binnen angemessener Frist möglich ist, ohne dass es auf die Gründe hierfür ankommt;

–        dass die Inhaftierung für Zwecke der Abschiebung über die in Art. 15 Abs. 4 und 6 der Richtlinie 2008/115 vorgesehene Höchstdauer hinaus nicht wegen Fehlens gültiger Ausweispapiere, wegen einer aggressiven Verhaltensweise oder wegen Fehlens eigener Unterhaltsmittel oder anderweitiger Mittelzuwendungen für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verlängert werden kann.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 348, S. 98.


3 – Vgl. z. B. EGMR, Urteil Amuur/Frankreich vom 25. Juni 1996, Recueil des arrêts et décisions, 1996‑III, § 41.


4 – Ergänzende Bestimmungen zum Gesetz über die Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Ausländer in der Republik Bulgarien (bulgarisches Amtsblatt Nr. 36/2009), nach deren Abs. 16 mit dem Gesetz die Rückführungsrichtlinie umgesetzt wird.


5 – Vgl. in diesem Sinne z. B. die Urteile vom 18. November 1999, Teckal (C‑107/98, Slg. 1999, I‑8121, Randnrn. 31, 34, 39), vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a. (C‑222/05 bis C‑225/05, Slg. 2007, I‑4233, Randnrn. 22 und 23), und vom 15. November 2007, International Mail Spain (C‑162/06, Slg. 2007, I‑9911, Randnr. 24).


6 – Beschwerde Saïd Shamilovich Kadzoev/Bulgarien, eingereicht am 20. Dezember 2007.


7 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 2008, Commune de Mesquer (C‑188/07, Slg. 2008, I‑4501, Randnr. 30), vom 1. April 2004, Bellio F.lli (C‑286/02, Slg. 2004, I‑3465, Randnr. 27), vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium (C‑393/04 und C‑41/05, Slg. 2006, I‑5293, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8 – Vgl. in diesem Sinne Urteil van der Weerd u. a., Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 39).


9 – Vgl. Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, Slg. 1997, I‑7411, Randnr. 45), vom 8. Mai 2003, ATRAL (C‑14/02, Slg. 2003, I‑4431, Randnr. 58), und vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981, Randnr. 67).


10 – Vgl. insbesondere Urteile vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnrn. 122 und 123), und vom 23. April 2009, VTB-VAB u. a. (C‑261/07 und C‑299/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 39).


11 – Vgl. in diesem Zusammenhang Urteil VTB-VAB u. a., Randnr. 40.


12 – Vgl. auch unten, Nrn. 50 bis 52.


13 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnrn. 40 und 44. Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass ein nationales Gericht die nationalen Bestimmungen immer so weit wie möglich in Übereinstimmung mit einer Richtlinie auszulegen habe, deren Umsetzungsfrist im Zeitpunkt des bei ihm anhängigen Verfahrens noch nicht abgelaufen sei, wenn es sich um nationale Bestimmungen handele, die gerade im Hinblick auf die Umsetzung dieser Richtlinie erlassen worden seien. Aber selbst wenn man unterstellt, dass es hierfür Ansätze in der Rechtsprechung des Gerichtshofs gibt (vgl. z. B. Urteile vom 15. März 2001, Mazzoleni, C‑165/98, Slg. 2001, I‑2189, Randnr. 17, und vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen, 80/86, Slg. 1987, 3969, Randnrn. 12, 15 und 16 in Zusammenschau), hat sich der Gerichtshof meines Wissens bis jetzt noch nicht ausdrücklich für eine solche allgemeine Pflicht zur konformen Auslegung während der Umsetzungsfrist einer Richtlinie ausgesprochen. Wir lassen es somit dabei bewenden, die möglichen Auswirkungen einer Richtlinie in einem bestimmten Fall vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie im Hinblick auf die Unterlassungspflicht zu würdigen, die den nationalen Gerichten nach dem Urteil Inter-Environnement Wallonie obliegt.


14 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnrn. 46 bis 49.


15 – Vgl. oben, Nr. 30.


16 – Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteile vom 18. Juni 1991, ERT (C‑260/89, Slg. 1991, I‑2925, Randnr. 41), und vom 18. Dezember 1997, Annibaldi (C‑309/96, Slg. 1997, I‑7493, Randnr. 12). Außerdem legt die Rückführungsrichtlinie gemäß Art. 1 die Normen und Verfahren fest, die „im Einklang mit den Grundrechten als allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschafts- und Völkerrechts, einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind“.


17 – Vgl. in diesem Sinne insbesondere EGMR, Urteil Chahal/Vereinigtes Königreich vom 15. November 1996, Recueil des arrêts et décisions, 1996‑V, § 113; EGMR, Urteil Mikolenko/Estland vom 8. Oktober 2009, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, §§ 59 bis 61; vgl. auch den Grundsatz Nr. 7 der am 4. Mai 2005 vom Ministerausschuss des Europarats verabschiedeten „Zwanzig Leitlinien zur Zwangsrückführung“ und die Anmerkungen hierzu des Ad-hoc-Sachverständigenausschusses zur Prüfung der rechtlichen Aspekte der Asylgewährung der Flüchtlinge und Staatenlosen (CAHAR), veröffentlicht im September 2005, Anmerkungen zum Grundsatz Nr. 7.


18 – Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteil vom 6. Juli 2006, Kersbergen-Lap und Dams-Schipper (C‑154/05, Slg. 2006, I‑6249, Randnr. 42).


19 – Vgl. u. a. Urteil vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen (C‑334/07 P, Slg. 2008, I-9465, Randnr. 43).


20 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1986, Licata/WSA (270/84, Slg. 1986, 2305, Randnr. 31), vom 29. Juni 1999, Butterfly Music (C‑60/98, Slg. 1999, I‑3939, Randnr. 24), und vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer (C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 50).


21 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Pokrzeptowicz-Mayer, Randnr. 49.


22 – Vgl. z. B. Urteil vom 6. Juli 1993, CT Control (Rotterdam) (C‑121/91 und C‑122/91, Slg. 1993, I‑3873, Randnr. 22).


23 – Vgl. Urteil Pokrzeptowicz-Meyer, Randnr. 52.


24 – Vgl. dazu oben, Nrn. 49 bis 53.


25 – Vgl. oben, Nr. 52; vgl. auch in dieser Hinsicht EGMR, Urteil Mohd/Griechenland vom 27. April 2006, § 18.


26 – Urteil vom 29. Januar 2009, Petrosian u. a. (C‑19/08, Slg. 2009, I-495).


27 – Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50, S. 1).


28 – Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hin, dass mit der Festlegung der fraglichen Frist den Mitgliedstaaten eine Frist von sechs Monaten eingeräumt werden sollte, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Anderenfalls könnten die Mitgliedstaaten verleitet sein, die aufschiebende Wirkung der vorläufigen Entscheidung zu missachten/abzuschaffen, um über die für die Bewerkstelligung der Überstellung des Asylbewerbers notwendige Zeit zu verfügen.


29 – Vgl. in diesem Sinne auch unten, Nr. 101.


30 – ABl. L 326, S. 13.


31 – ABl. L 31, S. 18.


32 – Vgl. dazu z. B. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85.


33 – Vgl. dazu z. B. EGMR, Urteil Saadi/Vereinigtes Königreich vom 29. Januar 2008, § 65; EGMR, Urteil Riad und Idiab/Belgien vom 24. Januar 2008, § 70; vgl. auch Ausschuss für Menschenrechte, Mitteilung Nr. 560/1993: Australien. 30/04/97. CCPR/C/59/D/560/1993, in Randnr. 9.3.


34 – Ebenso wenig wie etwaige Zeiträume des Freiheitsentzugs aus anderen Rechtsgründen, z. B. aufgrund innerstaatlichen Strafrechts.


35 – Vgl. dazu die Anmerkung von CAHAR und die zitierte Rechtsprechung zum Grundsatz Nr. 7 über die Zwangsrückführung.


36 – Angesichts der konkreten Umstände, insbesondere der Haftdauer von Herrn Kadzoev, und der vorgeschlagenen Antworten auf die erste und die zweite Vorlagefrage bestehen Zweifel, ob diese Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erheblich ist.


37 – Vgl. insbesondere oben, Nrn. 48 bis 53 und 70 bis 73.


38 – Eine Ingewahrsamnahme wegen aggressiven Verhaltens ist allerdings auf der Grundlage einer anderweitigen innerstaatlichen Rechtsvorschrift, wie z. B. eines Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder einer strafrechtlichen Vorschrift denkbar.