URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

12. Dezember 2018(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionsbildmarke VITROMED Germany – Ältere Unionswortmarke Vitromed – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑821/17

Vitromed GmbH mit Sitz in Jena (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Linß,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Graul, D. Walicka und M. Fischer als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Vitromed Healthcare mit Sitz in Jaipur (Indien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Schmidt,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. September 2017 (Sache R 2402/2016-2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Vitromed Healthcare und Vitromed

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter L. Madise und R. da Silva Passos (Berichterstatter),

Kanzler: E. Hendrix, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 12. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 16. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 20. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des am 19. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antrags der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens,

aufgrund der am 26. bzw. 28. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahmen des EUIPO und der Streithelferin zu dem Aussetzungsantrag,

aufgrund der Entscheidung vom 1. Oktober 2018, mit der der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen worden ist,

auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 12. August 2015 meldete die Klägerin, die Vitromed GmbH, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde u. a. für folgende Waren der Klassen 5 und 10 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 5: „Biologische Präparate für medizinische Zwecke; Biologische Gewebekulturen für medizinische Zwecke“;

–        Klasse 10: „Pipetten [medizinisch]; Pipettengeräte für medizinische Zwecke; Pipetteninstrumente für medizinische Zwecke; Pipetteninstrumente für chirurgische Zwecke; Kapillarröhrchen für die Verteilung von Reagenzien; Kapillarröhrchen für Proben; Injektionsnadeln für medizinische Zwecke; Injektionshülsen für medizinische Zwecke; Injektionsgeräte ohne Nadeln; Medizinische Injektionsspritzen; Kapillarpipetten aus Kunststoff für medizinische Zwecke; Kapillarröhrchen für medizinische Zwecke“.

4        Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 172/2015 vom 11. September 2015 veröffentlicht.

5        Am 1. Dezember 2015 erhob die Streithelferin, Vitromed Healthcare, gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 46 der Verordnung 2017/1001) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke u. a. für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch wurde auf die ältere Unionswortmarke Vitromed gestützt, die am 3. Februar 2006 unter der Nr. 4 141 081 für folgende Waren der Klasse 10 eingetragen worden war: „Chirurgische, ärztliche, zahnärztliche und tierärztliche Apparate und Instrumente, insbesondere Einwegartikel im Bereich der Gesundheitspflege und Medizin, soweit sie in Klasse 10 enthalten sind, chirurgisches Nahtmaterial“.

7        Als Widerspruchsgründe wurden die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) genannten Eintragungshindernisse geltend gemacht.

8        Am 28. Oktober 2016 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch hinsichtlich der oben in Rn. 3 aufgeführten Waren statt.

9        Am 21. Dezember 2016 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) ein.

10      Mit Entscheidung vom 26. September 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie war erstens der Ansicht, dass das maßgebliche Gebiet das Gebiet der Europäischen Union sei und dass sich die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren wie die von der älteren Marke erfassten Waren an professionelle Kunden richteten, die über spezielle Kenntnisse und eine spezielle Berufserfahrung verfügten, wie etwa Fachleute im medizinischen Bereich. Diese Verkehrskreise seien eher aufmerksam und verständig. Zweitens seien zum einen die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 5 den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 ähnlich. Zum anderen seien die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 mit den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 identisch. Drittens stellte die Beschwerdekammer beim Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen auf die Wahrnehmung der maßgeblichen englischsprachigen Verkehrskreise ab. Insoweit war sie der Ansicht, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher Hinsicht sehr ähnlich, in klanglicher Hinsicht identisch und in begrifflicher Hinsicht sehr ähnlich seien. Viertens habe die ältere Marke eine schwache originäre Kennzeichnungskraft. Fünftens habe die Widerspruchsabteilung keinen Fehler begangen, als sie die Eintragung der angemeldeten Marke mit der Begründung abgelehnt habe, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise, bei denen es sich für Zwecke des Verfahrens um die englischsprachigen Verkehrskreise handele, zwischen der angemeldeten Marke und der älteren Marke in Bezug auf die oben in Rn. 3 aufgeführten Waren Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen;

–        die Kosten des Verfahrens der Streithelferin aufzuerlegen.

12      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

13      In der mündlichen Verhandlung, an der die Streithelferin nicht teilgenommen hat, hat die Klägerin Dokumente zum Nachweis der Kundschaft der Streithelferin und der tatsächlich unter der älteren Marke vertriebenen Waren vorgelegt. Diese von der Streithelferin stammenden Dokumente waren von ihr im Rahmen eines von der Klägerin beim EUIPO angestrengten und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung laufenden Verfallsverfahrens vorgelegt worden.

14      Das Gericht hat in Anbetracht der Einwände des EUIPO und mangels stichhaltiger Argumente, die die Vorlage dieser Dokumente im Stadium der mündlichen Verhandlung rechtfertigen könnten, beschlossen, diese Dokumente nicht zu den Akten zu nehmen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Aussetzung des Verfahrens

15      Die Klägerin hat geltend gemacht, eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens sei erforderlich, weil sie am 28. November 2017 beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der älteren Marke mit der Begründung gestellt habe, dass die ältere Marke während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Antrag wiederholt.

16      Das EUIPO hat sich gegen eine solche Aussetzung ausgesprochen.

17      Art. 62 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 sieht Folgendes vor: „Die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen der Unionsmarke gelten in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, als von dem Zeitpunkt der Antragstellung … an nicht eingetreten. In der Entscheidung kann auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden.“

18      Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass eine nach Art. 72 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 beim Gericht erhobene Klage auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern gerichtet und diese Kontrolle anhand des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens des Rechtsstreits vorzunehmen ist, mit dem die Beschwerdekammer befasst war (vgl. Urteile vom 3. Dezember 2015, TrekStor/HABM – Scanlab [iDrive], T‑105/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:924, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Mai 2016, Red Lemon/EUIPO – Lidl Stiftung [ABTRONICX2], T‑776/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:291, Rn. 15).

19      Im vorliegenden Fall wurde die angefochtene Entscheidung am 26. September 2017 erlassen, und die Beschwerdekammer hat das Vorliegen von Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der älteren Marke geprüft, so wie sie am 3. Februar 2006 eingetragen worden war. Ferner hat die Klägerin den Antrag auf Erklärung des Verfalls der älteren Marke erst am 28. November 2017 gestellt, d. h. nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung. Schließlich hat, wie das EUIPO vorgetragen hat, ohne dass die Klägerin dem in der mündlichen Verhandlung widersprochen hätte, die Klägerin nicht beantragt, dass die begehrte Verfallserklärung zu einem Zeitpunkt Wirkung entfaltet, der vor der Einreichung des Antrags auf Verfallserklärung liegt.

20      Deshalb ist zum einen festzustellen, dass selbst ein möglicher Verfall, wenn dem Antrag auf Verfallserklärung stattgegeben würde, nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung zurückwirkte, und zum anderen, dass der Ausgang des den Antrag auf Verfallserklärung betreffenden Verfahrens vor dem EUIPO keine Auswirkungen auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits hat, mit dem die Beschwerdekammer im Rahmen des Widerspruchsverfahrens befasst war.

21      Folglich ist der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit der Klage

22      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 rügt.

23      Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

24      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Gefahr der Verwechslung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

25      Die Klägerin macht geltend, dass sich die angemeldete Marke und die ältere Marke an verschiedene Kundenkreise richteten, weil die Streithelferin – die Inhaberin der älteren Marke – lediglich Nahrungsergänzungsmittel und Nahrungsmittel herstelle und vertreibe, aber keine medizinischen Artikel. Der Umstand, dass die ältere Marke für Waren eingetragen worden sei, die mit den mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren identisch oder ihnen ähnlich seien, könne dabei keine Rolle spielen.

26      Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Des Weiteren ist bei dem nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 vorzunehmenden Warenvergleich auf die sich aus der Eintragungsurkunde ergebende Bezeichnung der Waren abzustellen, die von der älteren Marke erfasst werden, auf die sich der Widerspruch stützt, und nicht auf die Waren, für die diese Marke tatsächlich benutzt wird, es sei denn, nach Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 47 Abs. 2 und 3 der Verordnung 2017/1001) wird der Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke verlangt und daraufhin nur für einen Teil der Waren, für die die ältere Marke eingetragen ist, erbracht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 35, vom 7. September 2006, Meric/HABM – Arbora & Ausonia [PAM-PIM’S BABY-PROP], T‑133/05, EU:T:2006:247, Rn. 30, und vom 14. Juli 2017, Massive Bionics/EUIPO – Apple [DriCloud], T‑223/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:500, Rn. 58).

28      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke jedoch nicht innerhalb der Frist verlangt, die in Regel 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (ABl. 1995, L 303, S. 1) (jetzt Art. 10 Abs. 2 der Delegierten Verordnung [EU] 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung [EU] 2017/1430 [ABl. 2018, L 104, S. 1]) in Verbindung mit Regel 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 (jetzt Art. 8 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2018/625) vorgesehen ist, d. h. innerhalb der Frist, die das EUIPO der Klägerin gesetzt hatte, um bei der Widerspruchsabteilung ihre Stellungnahme zur Stellungnahme der Streithelferin einzureichen.

29      Somit sind zur Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise die von der älteren Marke erfassten Waren zu berücksichtigen, wie sie in der Eintragungsurkunde der älteren Marke bezeichnet wurden, und nicht die tatsächlich unter der Marke vertriebenen Waren.

30      Insoweit ist in Anbetracht der Bezeichnung der von der älteren Marke erfassten und oben in Rn. 6 genannten Waren einerseits und der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten und oben in Rn. 3 genannten Waren andererseits festzustellen, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei angenommen hat, dass sich die in Rede stehenden Waren an professionelle Kunden richteten, die über spezielle Kenntnisse und eine spezielle Berufserfahrung verfügten, wie etwa Fachleute im medizinischen Bereich. Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass sich die von der älteren Marke erfassten Waren an Verbraucher richteten, während sich die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren an ein medizinisches Fachpublikum richteten.

31      Des Weiteren ist den oben in Rn. 10 angeführten Beurteilungen der Beschwerdekammer hinsichtlich des maßgeblichen Gebiets und des Aufmerksamkeitsgrades der maßgeblichen Verkehrskreise zuzustimmen. Diese Beurteilungen werden im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet.

 Zum Vergleich der Waren

32      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese zueinander stehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Erstens macht die Klägerin geltend, die Bezeichnung der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 sei sehr pauschal und stelle einen Oberbegriff für eine große Auswahl an Waren des medizinischen Bereichs und des Gesundheitswesens dar. Ferner reiche der Umstand, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Instrumente unter die von der älteren Marke erfassten Waren zu subsumieren seien, nicht aus, um eine tatsächliche Ähnlichkeit oder gar Identität der in Rede stehenden Waren annehmen zu können. Daher sei nicht nachvollziehbar, woher die Beschwerdekammer ihre Erkenntnis nehme, dass sich die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 und die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 ergänzten, sich an die gleichen Spezialisten richteten, denselben Ausgangspunkt hätten und über dieselben Vertriebswege angeboten würden. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr sei erst dann gerechtfertigt, wenn mit der erforderlichen Sicherheit feststehe, dass der Inhaber der älteren Marke tatsächlich die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren unter seiner Marke produziere und vertreibe.

34      Aus den oben in den Rn. 27 und 28 dargelegten Gründen ist jedoch zunächst festzustellen, dass sich das Vorbringen der Klägerin auf die falsche Prämisse stützt, dass eine Verwechslungsgefahr nur dann angenommen werden könne, wenn mit der erforderlichen Sicherheit feststehe, dass der Inhaber der älteren Marke tatsächlich die mit der angemeldeten Marke bezeichneten Waren produziere und vertreibe.

35      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung der Feststellung der Widerspruchsabteilung zugestimmt hat, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 identisch seien.

36      Insoweit ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung die Entscheidung der Widerspruchsabteilung sowie ihre Begründung angesichts der in Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 71 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) zum Ausdruck gebrachten funktionalen Kontinuität zwischen den Widerspruchsabteilungen und den Beschwerdekammern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2006, La Baronia de Turis/HABM – Baron Philippe de Rothschild [LA BARONNIE], T‑323/03, EU:T:2006:197, Rn. 57 und 58) zu dem Kontext gehören, in dem die Entscheidung der Beschwerdekammer erlassen wurde und der der Klägerin bekannt ist und es dem Richter ermöglicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf die Richtigkeit der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung in vollem Umfang auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2007, Wesergold Getränkeindustrie/HABM – Lidl Stiftung [VITAL FIT], T‑111/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:352, Rn. 64).

37      Die Widerspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung die Ansicht vertreten, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 spezifische Instrumente zur medizinischen und chirurgischen Verwendung seien und daher in der weiter gefassten Kategorie der von der älteren Marke erfassten chirurgischen und ärztlichen Apparate und Instrumente der Klasse 10 enthalten seien.

38      Deshalb ist das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, mit dem sie im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass die angefochtene Entscheidung einen Begründungsmangel aufweise, zurückzuweisen.

39      Des Weiteren hat die Klägerin die angefochtene Entscheidung falsch verstanden, soweit sie vorträgt, dass die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sich die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 ergänzten. In Rn. 28 der Entscheidung hat die Beschwerdekammer nämlich lediglich ein Ergänzungsverhältnis zwischen den mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 5 und den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 festgestellt.

40      Schließlich sind nach gefestigter Rechtsprechung in dem Fall, dass die von der älteren Marke erfassten Waren die mit der Anmeldung beanspruchten Waren einschließen, diese Waren als identisch anzusehen (vgl. Urteile vom 24. November 2005, ARTHUR ET FELICIE, T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. Juni 2018, Uponor Innovation/EUIPO – Swep International [SMATRIX], T‑264/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:329, Rn. 34).

41      Es ist jedoch festzustellen, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 tatsächlich spezifische medizinische Instrumente sind, die in der weiter gefassten Kategorie der von der älteren Marke erfassten medizinischen Instrumente enthalten sind. Im Übrigen hat die Klägerin in der Klageschrift eingeräumt, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Instrumente der Klasse 10 in den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 enthalten sind.

42      Daher hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 10 und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 identisch sind.

43      Zweitens macht die Klägerin geltend, die in Klasse 5 enthaltenen und mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten „biologischen Präparate für medizinische Zwecke“ und „biologischen Gewebekulturen für medizinische Zwecke“ seien immer biologisch organische Materialien, die außerhalb des Körpers hergestellt würden, um ihre Wirkung im Körper des Patienten zu entfalten. Diese Waren würden vollständig in den Körper integriert und würden mit ihm verschmelzen. Im Vergleich dazu würden die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 ausschließlich zur äußeren Anwendung hergestellt oder um von einem außerhalb des Körpers gelegenen Punkt in diesen hineinzuwirken, ohne dass sie in den Körper integriert oder gar mit ihm verschmelzen würden.

44      Somit ist festzustellen, dass die Klägerin lediglich geltend macht, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 5 und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 unterschiedlicher Art seien.

45      Die in der angefochtenen Entscheidung von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 5 und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 ähnlich seien, ist jedoch nicht auf den Umstand gestützt, dass die fraglichen Waren von derselben Art sind.

46      In der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerdekammer nämlich davon ausgegangen, dass die fraglichen Waren den medizinischen Bereich beträfen und einem medizinischen Zweck dienten. Ferner hat sie ausgeführt, dass zwischen diesen Waren ein Komplementaritätsverhältnis bestehen könne, dass sie sich an dieselben Spezialisten richten könnten, dass sie denselben Ursprung haben könnten und dass sie über dieselben Vertriebswege angeboten werden könnten.

47      Insoweit ist hervorzuheben, dass Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen. Waren, die sich an verschiedene Verkehrskreise richten, können per definitionem nicht in einem Ergänzungsverhältnis zueinander stehen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 57 und 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im vorliegenden Fall dienen die fraglichen Waren alle einem medizinischen Zweck und richten sich an Spezialisten im medizinischen Bereich. Ferner ergänzen diese Waren einander. Die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten „biologischen Präparate für medizinische Zwecke“ und „biologischen Gewebekulturen für medizinische Zwecke“ werden nämlich zwangsläufig mit Hilfe der von der älteren Marke erfassten „ärztlichen Apparate und Instrumente“ verabreicht oder in den menschlichen Körper eingeführt. Insoweit ist das vom EUIPO angeführte Beispiel der Injektion von Insulin besonders bedeutend. Schließlich können die fraglichen Waren denselben Ursprung haben und über dieselben Vertriebswege angeboten werden.

49      Somit hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 5 und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 10 ähnlich sind.

50      Daher ist die oben in Rn. 43 angeführte und zum ersten Mal vor dem Gericht vorgebrachte Argumentation der Klägerin, selbst wenn sie im Hinblick auf Art. 188 der Verfahrensordnung des Gerichts zulässig sein sollte, als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Vergleich der Zeichen

51      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zu den kennzeichnungskräftigen und dominierenden Bestandteilen der angemeldeten Marke

52      Zur Bestimmung der Kennzeichnungskraft eines Markenbestandteils ist zu beurteilen, inwieweit er dazu beitragen kann, die Waren, für die die Marke eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 22. September 2016, Sun Cali/EUIPO – Abercrombie & Fitch Europe [SUN CALI], T‑512/15, EU:T:2016:527, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Das Publikum wird einen beschreibenden Bestandteil einer zusammengesetzten Marke im Allgemeinen nicht als kennzeichnungskräftigen und den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck dominierenden Bestandteil ansehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2017, Rafhaelo Gutti/EUIPO – Transformados del Sur [CAMISERIA LA ESPAÑOLA], T‑504/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:150, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach ständiger Rechtsprechung wird ein Begriff, der eine klare Bedeutung besitzt, nur dann als beschreibend angesehen, wenn er zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es dem betreffenden Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil vom 24. Februar 2016, Tayto Group/HABM – MIP Metro [REAL HAND COOKED], T‑816/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:93, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter oder mehrere bestimmte Bestandteile einer zusammengesetzten Marke dominierend sind, sind die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile insbesondere in der Weise zu berücksichtigen, dass sie mit den Eigenschaften der anderen Bestandteile verglichen werden. In zweiter Linie kann auch auf die jeweilige Rolle der einzelnen Bestandteile bei der Gesamtgestaltung der zusammengesetzten Marke abgestellt werden. Daraus folgt, dass die Bestimmung des dominierenden Charakters eines Elements einer zusammengesetzten Marke von einer konkreten Bewertung der verschiedenen Elemente abhängt, aus denen sich das Zeichen zusammensetzt, und sie daher unabhängig von der Art des in Rede stehenden Zeichens – Wort oder Bild – ist (Urteil vom 20. Mai 2014, Argo Group International Holdings/HABM – Arisa Assurances [ARIS], T‑247/12, EU:T:2014:258, Rn. 35 und 36).

55      Nur wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind, kann es für die Beurteilung der Ähnlichkeit allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen (Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 42). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild der Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle ihre übrigen Bestandteile in dem durch sie hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:539, Rn. 43).

56      Schließlich ist nach ständiger Rechtsprechung bei Marken, die aus Wort- und Bildelementen bestehen, grundsätzlich davon auszugehen, dass die Kennzeichnungskraft der Wortelemente die der Bildelemente übertrifft, weil ein Durchschnittsverbraucher zur Bezugnahme auf die fragliche Ware eher den Namen der Marke nennen wird, als ihr Bildelement zu beschreiben (Urteile vom 9. September 2008, Honda Motor Europe/HABM – Seat [MAGIC SEAT], T‑363/06, EU:T:2008:319, Rn. 30, und vom 11. Dezember 2014, Coca‑Cola/HABM – Mitico [Master], T‑480/12, EU:T:2014:1062, Rn. 49).

57      Erstens ist festzustellen, dass es die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung für wahrscheinlich gehalten hat, dass die maßgeblichen englischsprachigen Verkehrskreise den Begriff „vitromed“ mit der Wendung „in vitro“ in Verbindung brächten, die die Bedeutung „in einem Reagenzglas, im Labor oder an einem anderen Ort außerhalb eines lebenden Organismus durchgeführt oder stattfindend“ habe. Ferner nähmen die maßgeblichen Verkehrskreise den zweiten Bestandteil „med“ als Abkürzung für „medizinisch“ wahr. Die Beschwerdekammer hat hieraus den Schluss gezogen, dass der Begriff „vitromed“ als Ganzes betrachtet im Hinblick auf die fraglichen Waren eine schwache Kennzeichnungskraft aufweise.

58      Diesen Beurteilungen der Beschwerdekammer hinsichtlich der schwachen Kennzeichnungskraft des Wortelements „vitromed“, die von der Klägerin nicht beanstandet worden sind, ist zuzustimmen.

59      Zweitens hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Bestandteil „vitromed“ der angemeldeten Marke trotz seiner schwachen Kennzeichnungskraft keinesfalls vernachlässigbar sei.

60      In der Klageschrift erkennt die Klägerin an, dass der Begriff „vitromed“ das „Hauptelement“ der einander gegenüberstehenden Zeichen ist. Die Klägerin folgert daraus, dass bei einer rein isolierten Betrachtung dieses Begriffs diese Zeichen vom relevanten Publikum zumindest hinsichtlich der phonetischen und begrifflichen Aspekte dieses Begriffs als identisch aufgenommen werden könnten. Gleichwohl macht die Klägerin geltend, dass es anders aussehe, wenn die angemeldete Marke nicht allein auf ihr Hauptelement reduziert werde.

61      Insoweit geht die Klägerin zum einen von der Prämisse aus, dass in optischer und phonetischer Hinsicht der Begriff „Germany“ berücksichtigt wird, dass ihm das gleiche Gewicht wie dem Bestandteil „vitromed“ zukommen wird und dass er denselben Einfluss wie dieser Bestandteil ausüben wird.

62      Aus der Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass eine geografische Bezeichnung beschreibend sein wird, wenn sie als Bezeichnung eines Ortes bekannt ist, wenn sie von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der beanspruchten Art von Waren oder Dienstleistungen in Verbindung gebracht wird oder wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass mit einer solchen Bezeichnung nach Auffassung dieser Kreise die geografische Herkunft dieser Art von Waren oder Dienstleistungen bezeichnet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2016, Niagara Bottling/EUIPO [NIAGARA], T‑89/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:244, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Wie die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, wird im vorliegenden Fall der Wortbestandteil „Germany“ mit dem so bezeichneten Land verbunden werden. Dieser Bestandteil wird unmittelbar und ohne weitere Überlegung als Beschreibung der geografischen Herkunft der fraglichen Waren oder als Ort der Niederlassung der sie liefernden Gesellschaft wahrgenommen werden. Demnach ist dieser Bestandteil als nicht kennzeichnungskräftig anzusehen. Des Weiteren ist festzustellen, dass der Bestandteil „Germany“ unter dem Wortbestandteil „vitromed“ steht und viel kleiner ist als die übrigen Bestandteile der angemeldeten Marke und insbesondere der Wortbestandteil „vitromed“.

64      Daher hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass der Begriff „Germany“ in der angemeldeten Marke nicht kennzeichnungskräftig ist und dass er vernachlässigbar ist.

65      Zum anderen trägt die Klägerin vor, dass das bloße Vorhandensein des Bildbestandteils jegliche bildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ausschließe. Zur Stützung dieses Arguments führt die Klägerin lediglich die Stellung des Bildbestandteils in der angemeldeten Marke sowie – ohne weitere Ausführung – „dessen bildliche Ausgestaltung mit einem Symbol in einem Quadrat“ an.

66      Insoweit ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise den Bildbestandteil der angemeldeten Marke als die stilisierte Version des Akronyms der beiden Bestandteile „vitro“ und „med“, nämlich „vm“, oder als den Buchstaben „v“ in blau und eine abstrakte Form in grau wahrnehmen wird. Des Weiteren wird dieser Bildbestandteil – was den größten Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, der ihn nicht unmittelbar als ein Akronym wahrnehmen wird, anbelangt – wegen seiner relativ gewöhnlichen Form als rein dekorativ wahrgenommen werden. Zudem ist der Bildbestandteil der angemeldeten Marke kleiner als der Wortbestandteil „vitromed“. Der Bildbestandteil steht jedoch am Anfang der angemeldeten Marke und ist nicht von kleiner Größe.

67      Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass der Bildbestandteil nicht vernachlässigbar ist, auch wenn er die Aufmerksamkeit nicht besonders auf sich ziehen wird.

68      Schließlich ist in Anbetracht der Größe des Wortbestandteils „vitromed“, seiner zentralen Stellung in der angemeldeten Marke und der oben in den Rn. 61 bis 67 gemachten Ausführungen festzustellen, dass dieser Bestandteil der wichtigste der Marke ist.

69      Folglich ist die Beschwerdekammer fehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass erstens der Bestandteil „vitromed“ der wichtigste Bestandteil in dem durch das streitige Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck ist, dass zweitens der kleinere Bildbestandteil, der am Anfang der Marke steht, nicht vernachlässigbar ist, und dass drittens der kleine, nicht kennzeichnungskräftige Wortbestandteil „Germany“, der unter dem Wortbestandteil „vitromed“ steht, vernachlässigbar ist.

70      Im Licht der vorstehenden Erwägungen sind die Beurteilungen zu prüfen, die die Beschwerdekammer hinsichtlich des bildlichen, klanglichen und begrifflichen Vergleichs der einander gegenüberstehenden Zeichen vorgenommen hat.

–       Zum bildlichen Vergleich

71      Die Klägerin trägt vor, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen aufgrund des Vorhandenseins des Wortbestandteils „Germany“ und des Bildbestandteils in der angemeldeten Marke in bildlicher Hinsicht verschieden seien (siehe oben, Rn. 61 und 65).

72      Insoweit ist festzustellen, dass sich die ältere Marke in bildlicher Hinsicht tatsächlich von der angemeldeten Marke unterscheidet, weil die angemeldete Marke Farben, einen Bildbestandteil am Zeichenanfang und den Wortbestandteil „Germany“ aufweist.

73      Gleichwohl ist zum einen daran zu erinnern, dass der Wortbestandteil „Germany“ in der angemeldeten Marke vernachlässigbar ist (siehe oben, Rn. 62 bis 64). Des Weiteren ist der Bildbestandteil der angemeldeten Marke, auch wenn er nicht vernachlässigbar ist, nicht geeignet, die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise vom Wortbestandteil „vitromed“ abzulenken (siehe oben, Rn. 66 und 67).

74      Somit ist festzustellen, dass der Wortbestandteil „vitromed“ in bildlicher Hinsicht der wichtigste Bestandteil der angemeldeten Marke ist und dass die angemeldete Marke und die nur aus dem Wortzeichen „vitromed“ bestehende ältere Marke diesen Bestandteil gemein haben.

75      Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch allein schon der Umstand, dass die ältere Marke vollständig in der angemeldeten Marke enthalten ist, geeignet, eine starke bildliche und klangliche Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken zu erzeugen (Urteil vom 12. Dezember 2017, For Tune/EUIPO – Simplicity trade [opus AETERNATUM], T‑815/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:888, Rn. 53, vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 8. März 2005, Leder & Schuh/HABM – Schuhpark Fascies [JELLO SCHUHPARK], T‑32/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2005:82, Rn. 39, und vom 29. Januar 2013, Fon Wireless/HABM – nfon [nfon], T‑283/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:41, Rn. 48).

76      Zum anderen ist das Vorbringen der Klägerin, dass der Wortbestandteil „vitromed“ der angemeldeten Marke im Unterschied zu der älteren Marke in Großbuchstaben geschrieben sei, als unerheblich zurückzuweisen.

77      Nach einer gefestigten Rechtsprechung besteht eine Wortmarke nämlich ausschließlich aus Buchstaben, Wörtern oder Wortkombinationen in normaler Schriftart ohne spezifische grafische Elemente. Der Schutz, der sich aus der Eintragung einer Wortmarke ergibt, erstreckt sich auf das in der Anmeldung angegebene Wort und nicht auf die besonderen grafischen oder gestalterischen Aspekte, die diese Marke möglicherweise annehmen kann (vgl. Urteil vom 31. Januar 2013, Present-Service Ullrich/HABM – Punt Nou [babilu], T‑66/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:48, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Somit hat die Beschwerdekammer trotz der zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen festgestellten Unterschiede zu Recht angenommen, dass die Zeichen in bildlicher Hinsicht sehr ähnlich sind.

–       Zum klanglichen Vergleich

79      Die Klägerin trägt vor, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen in klanglicher Hinsicht keine Ähnlichkeit bestehe. Die angemeldete Marke enthalte nämlich zwei verschiedene Begriffe, „vitromed“ und „Germany“, während die ältere Marke nur den Begriff „vitromed“ enthalte.

80      Wie sich oben aus den Rn. 62 bis 64 ergibt, ist der Wortbestandteil „Germany“ jedoch aufgrund seiner Größe, seiner Stellung und seiner fehlenden Kennzeichnungskraft in der angemeldeten Marke vernachlässigbar. Daher hat die Beschwerdekammer fehlerfrei angenommen, dass dieser Bestandteil von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht berücksichtigt werden wird und dass er nicht ausgesprochen werden wird.

81      Des Weiteren hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass sich der Bildbestandteil in klanglicher Hinsicht kaum oder nicht auswirken wird (vgl. die oben in Rn. 56 angeführte Rechtsprechung). Diese Beurteilung wird im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet.

82      Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass die Zeichen in klanglicher Hinsicht identisch sind.

–       Zum begrifflichen Vergleich

83      Die Klägerin macht lediglich geltend, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in begrifflicher Hinsicht verschieden seien.

84      Da die maßgeblichen Verkehrskreise den gemeinsamen Begriff „vitromed“ wahrscheinlich mit den Begriffen, die „in vitro“ und „medizinisch“ bedeuten, gedanklich in Verbindung bringen werden (siehe oben, Rn. 57 und 58), hat die Beschwerdekammer jedoch zu Recht angenommen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in begrifflicher Hinsicht sehr ähnlich sind.

85      Nach alledem hat die Beschwerdekammer fehlerfrei angenommen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher Hinsicht sehr ähnlich, in klanglicher Hinsicht identisch und in begrifflicher Hinsicht sehr ähnlich sind.

 Zur Kennzeichnungskraft der älteren Marke

86      Die Klägerin betont, dass die Beschwerdekammer zu Recht anerkannt habe, dass die ältere Marke eine schwache originäre Kennzeichnungskraft besitze. Die angemeldete Marke sei dagegen sehr bekannt und besitze eine hohe Kennzeichnungskraft, im Unterschied zu der älteren Marke, die den maßgeblichen Verkehrskreisen überhaupt nicht bekannt sei.

87      Insoweit ist zum einen der Beurteilung der Beschwerdekammer zuzustimmen, dass die ältere Marke eine schwache originäre Kennzeichnungskraft aufweist.

88      Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung nur die Bekanntheit der älteren Marke und nicht die der angemeldeten Marke für die Beurteilung der Frage zu berücksichtigen ist, ob Verwechslungsgefahr besteht (vgl. Urteil vom 3. September 2009, Aceites del Sur-Coosur/Koipe, C‑498/07 P, EU:C:2009:503, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung entspricht dem mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 verfolgten Ziel, den Inhabern älterer Rechte einen angemessenen Schutz gegen spätere Anmeldungen identischer oder ähnlicher Unionsmarken zu bieten (Urteil vom 8. März 2013, Mayer Naman/HABM – Daniel e Mayer [David Mayer], T‑498/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:117, Rn. 105).

89      Daher ist das auf die angebliche Bekanntheit und die hohe Kennzeichnungskraft der angemeldeten Marke gestützte Vorbringen der Klägerin unerheblich und zurückzuweisen.

 Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr

90      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17, und vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 74).

91      Die Klägerin macht geltend, dass zwischen der angemeldeten Marke und der älteren Marke keine Verwechslungsgefahr bestehe, da die fraglichen Waren verschieden seien, die einander gegenüberstehenden Zeichen sich voneinander unterschieden und nur die angemeldete Marke eine hohe Kennzeichnungskraft aufweise.

92      Im vorliegenden Fall trifft es zu, dass die maßgeblichen Verkehrskreise einen hohen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legen und die ältere Marke eine schwache Kennzeichnungskraft aufweist.

93      Jedoch steht die Anerkennung einer nur schwachen Kennzeichnungskraft der älteren Marke nicht der Feststellung entgegen, dass im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr besteht. Denn die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist zwar bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen, doch stellt sie nur einen der bei dieser Beurteilung zu berücksichtigenden Faktoren dar. Selbst wenn es also um eine ältere Marke mit schwacher Kennzeichnungskraft geht, kann eine Gefahr von Verwechslungen, insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen sowie der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, gegeben sein (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T‑134/06, EU:T:2007:387, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Des Weiteren ergibt sich oben aus den Rn. 32 bis 85, dass die in Rede stehenden Waren ähnlich oder identisch sind und die einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher Hinsicht sehr ähnlich, in klanglicher Hinsicht identisch und in begrifflicher Hinsicht sehr ähnlich sind.

95      Im Rahmen einer umfassenden Beurteilung ist deshalb festzustellen, dass die schwache Kennzeichnungskraft der älteren Marke und der hohe Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise nicht den Umstand aufwiegen können, dass die Identität oder Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren mit einer klanglichen Identität und einer hochgradigen bildlichen und begrifflichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen verbunden ist.

96      Daher werden die maßgeblichen Verkehrskreise trotz ihres hohen Aufmerksamkeitsgrades denken, dass die angemeldete Marke bloß eine bildliche Darstellung der älteren Marke ist.

97      Folglich ist die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gefahr besteht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, dass die mit den einander gegenüberstehenden Zeichen gekennzeichneten Waren aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

98      Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die Zulässigkeit des zweiten Klageantrags und die übrigen Unzulässigkeitseinreden der Streithelferin geprüft zu werden brauchen.

 Kosten

99      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Vitromed GmbH trägt die Kosten.

GervasoniMadiseda Silva Passos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Dezember 2018.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon                                                 S. Gervasoni


*      Verfahrenssprache: Deutsch.