SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 28. Juli 2016(1)

Verbundene Rechtssachen C‑20/15 P und C‑21/15 P

Europäische Kommission

gegen

World Duty Free Group SA, vormals Autogrill España SA (C‑20/15 P),

Banco Santander SA,

Santusa Holding SL (C‑21/15 P)

„Rechtsmittel – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Spanische Bestimmungen zur Körperschaftsteuer, nach denen in Spanien steuerlich ansässige Unternehmen den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus dem Erwerb einer Beteiligung an einem im Ausland steuerpflichtigen Unternehmen ergibt, abschreiben können – Entscheidung 2011/5/EG und Beschluss 2011/282/EU der Kommission – Rechtsakte, mit denen diese Regelung als staatliche Beihilfe eingestuft, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff staatliche Beihilfe – Selektiver Charakter – Bestimmung einer Gruppe von Unternehmen, die als einzige von dieser Maßnahme, die von der allgemeinen Regelung abweicht, begünstigt werden“





I –    Einleitung

1.        Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑20/15 P beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 7. November 2014, Autogrill España/Kommission (T‑219/10, EU:T:2014:939)(2), mit dem dieses Art. 1 Abs. 1(3) und Art. 4(4) der Entscheidung 2011/5/EG der Kommission vom 28. Oktober 2009 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts‑ oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien(5) für nichtig erklärt hat.

2.        Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑21/15 P beantragt die Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts vom 7. November 2014, Banco Santander und Santusa/Kommission (T‑399/11, EU:T:2014:938)(6), mit dem dieses Art. 1 Abs. 1(7) und Art. 4(8) des Beschlusses 2011/282/EU der Kommission vom 12. Januar 2011 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts‑ oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) im Königreich Spanien(9) für nichtig erklärt hat.

3.        Mit den beiden streitigen Rechtsakten(10) erklärte die Kommission einen Steuervorteil, der in Spanien steuerpflichtigen Unternehmen erlaubte, den Geschäfts‑ oder Firmenwert(11), der sich aus dem Erwerb einer Beteiligung(12) an einem „ausländischen Unternehmen“(13) ergibt, abzuschreiben, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und gab dem Königreich Spanien auf, die nach dieser Regelung gewährten Beihilfen zurückzufordern.

4.        Damit eine Maßnahme als staatliche Beihilfe unter Art. 107 Abs. 1 AEUV(14) fallen kann, muss es sich nach ständiger Rechtsprechung erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, drittens muss dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden, und viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen; dabei müssen alle diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein(15).

5.        Die beiden Rechtsmittel betreffen nur die dritte dieser Voraussetzungen, nämlich die Selektivität. Dieses Kriterium gehört seit Langem zu den strittigsten Fragen im Bereich staatlicher Beihilfen. Die Rechtsmittel bieten dem Gerichtshof somit die Gelegenheit, dessen Tragweite u. a. im Fall steuerlicher Maßnahmen zu präzisieren.

6.        Insbesondere wird der Gerichtshof aufgerufen sein, die in Art. 107 Abs. 1 AEUV gebrauchte Wendung „durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ auszulegen und zu bestimmen, ob sich die Selektivität allein aus der Feststellung ergeben kann, dass eine Ausnahme von der allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung(16) eingeführt wurde, oder ob, wie das Gericht in Rn. 45 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 49 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission(17) angenommen hat, es in allen Fällen notwendig ist, auch eine Gruppe von Unternehmen festzustellen, die als einzige von der Maßnahme, die von der betreffenden allgemeinen Regelung abweicht, begünstigt werden.

7.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich erstens die Auffassung vertreten, dass, sobald eine steuerliche Maßnahme eine Abweichung von der „normalen“ Steuer- oder Bezugsregelung darstellt und Unternehmen, die die erfassten Transaktionen durchführen, zulasten anderer Unternehmen, die ähnliche Transaktionen durchführen und sich folglich in einer vergleichbaren Situation befinden, zugutekommt, diese Maßnahme ihrem Wesen nach diskriminierend oder selektiv ist, außer wenn die von der Maßnahme getroffene Unterscheidung durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist.

8.        Die Tatsache, dass die Voraussetzungen, die für die von der abweichenden steuerlichen Maßnahme erfassten Transaktionen aufgestellt werden, relativ einfach zu erfüllen sind und deshalb zahlreiche Unternehmen in deren Genuss kommen können, stellt ihren selektiven Charakter nicht in Frage, sondern nur den Selektivitätsgrad.

9.        Auch der Umstand, dass der Wortlaut von Art. 107 AEUV nur von Maßnahmen spricht, die „[bestimmte] Unternehmen oder Produktionszweige [begünstigen]“, schließt meiner Ansicht nach wirtschaftliche Transaktionen, die durch diese Maßnahmen begünstigt werden, nicht vom Anwendungsbereich dieses Artikels aus. Da die Transaktionen von Unternehmen durchgeführt werden, werden durch die Begünstigung bestimmter wirtschaftlicher Transaktionen bestimmte Unternehmen begünstigt.

10.      Folglich verlangt das in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehene Kriterium der Selektivität meines Erachtens entgegen der vom Gericht in den angefochtenen Urteilen vertretenen Auffassung nicht die Feststellung einer Gruppe von Unternehmen mit eigenen Merkmalen(18), die sie zu den von der betreffenden steuerlichen Maßnahme einzig begünstigten machen würden.

11.      Zweitens werde ich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), zu dem Ergebnis kommen, dass die streitige Maßnahme selektiv ist, da sie Unternehmen, die grenzüberschreitende Transaktionen durchführen, und nicht Unternehmen, die dieselben Transaktionen auf nationaler Ebene durchführen, begünstigt.

II – Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten

12.      Am 10. Oktober 2007 entschied die Kommission aufgrund mehrerer, in den Jahren 2005 und 2006 von Mitgliedern des Europäischen Parlaments gestellter schriftlicher Anfragen sowie aufgrund einer Beschwerde, die sie im selben Jahr von einem privaten Marktteilnehmer erhalten hatte, das förmliche Prüfverfahren hinsichtlich der streitigen Maßnahme zu eröffnen.

13.      Diese sieht vor, dass ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen, das an einem „ausländischen Unternehmen“ eine Beteiligung erwirbt, den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus dem Erwerb dieser Beteiligung ergibt und als separater immaterieller Vermögenswert verbucht wird, als Abschreibung von der Steuerbemessungsgrundlage für die von dem Unternehmen geschuldete Körperschaftsteuer abziehen kann, sofern diese Beteiligung mindestens 5 % beträgt und mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten wird.

14.      Hingegen kann nach den spanischen Steuervorschriften ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen, das eine Beteiligung an einem in Spanien ansässigen Unternehmen erwirbt, den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus diesem Erwerb ergibt, nicht zu Steuerzwecken separat verbuchen. Nach spanischem Steuerrecht kann aber bei einer Unternehmensverschmelzung der Geschäfts‑ oder Firmenwert abgeschrieben werden(19).

15.      Die Kommission schloss das Verfahren hinsichtlich der innerhalb der Union erworbenen Beteiligungen mit dem ersten streitigen Rechtsakt ab. In Art. 1 Abs. 1 dieses Rechtsakts erklärte die Kommission die streitige Regelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit mit ihr ein steuerlicher Vorteil in der Form gewährt werde, dass die spanischen Gesellschaften den Geschäfts- oder Firmenwert abschreiben könnten, der sich aus dem Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ergebe, wenn diese Regelung auf den Erwerb von Beteiligungen an in der Union ansässigen Gesellschaften angewandt werde. In Art. 4 dieser Entscheidung gab sie dem Königreich Spanien auf, die gemäß dieser Regelung gewährten Beihilfen zurückzufordern.

16.      Die Kommission hatte das Verfahren hinsichtlich der außerhalb der Union erworbenen Beteiligungen nicht abgeschlossen, da sich die spanischen Behörden verpflichtet hatten, weitere Auskünfte über die Hindernisse, die grenzüberschreitenden Verschmelzungen außerhalb der Union entgegenstehen, zu übermitteln.

17.      Mit dem zweiten streitigen Rechtsakt erklärte die Kommission die streitige Regelung ebenfalls für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit mit ihr ein steuerlicher Vorteil in der Form gewährt werde, dass die spanischen Gesellschaften den Geschäfts- oder Firmenwert abschreiben könnten, der sich aus dem Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ergebe, wenn diese Regelung auf den Erwerb von Beteiligungen an außerhalb der Union ansässigen Gesellschaften angewandt werde(20), und gab dem Königreich Spanien auf, die gemäß dieser Regelung gewährten Beihilfen zurückzufordern(21).

III – Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Urteile

18.      Mit Klageschrift, die am 14. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Autogrill España SA, nunmehr World Duty Free Group SA (WDFG), Klage auf Nichtigerklärung des ersten streitigen Rechtsakts. Zur Stützung ihrer Klage machte WDFG vier Klagegründe geltend, wobei sie erstens vortrug, die Kommission habe bei der Anwendung der Voraussetzung der Selektivität einen Rechtsfehler begangen(22).

19.      Mit Klageschrift, die am 29. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Banco Santander SA und die Santusa Holding SL (im Folgenden: Banco Santander und Santusa) Klage auf Nichtigerklärung des zweiten streitigen Rechtsakts. Zur Stützung ihrer Klage machten Banco Santander und Santusa fünf Klagegründe geltend, wobei sie erstens vortrugen, die Kommission habe bei der Anwendung der Voraussetzung der Selektivität einen Rechtsfehler begangen(23).

20.      Mit den angefochtenen Urteilen hat das Gericht auf der Grundlage einer im Wesentlichen identischen Begründung dem ersten Klagegrund der beiden Klagen stattgegeben, mit dem eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV im Hinblick auf das Kriterium der Selektivität geltend gemacht worden war, und Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 der streitigen Rechtsakte für nichtig erklärt, ohne die anderen Klagegründe zu prüfen.

21.      In den angefochtenen Urteilen hat das Gericht erstens die Auffassung vertreten, dass „die Einstufung einer nationalen Steuermaßnahme als ‚selektiv‘ in einem ersten Schritt voraus[setzt], dass im Vorfeld die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder ‚normale‘ Steuerregelung ermittelt und geprüft wird. Anhand dieser allgemeinen oder ‚normalen‘ Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden … Gegebenenfalls ist in einem dritten Schritt zu prüfen, ob der betreffende Mitgliedstaat den Nachweis erbringen konnte, dass die Maßnahme durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems, mit dem sie in Zusammenhang steht, gerechtfertigt ist …“(24).

22.      Das Gericht hat allerdings befunden, dass, „[w]enn … die in Rede stehende Maßnahme, selbst wenn sie eine Abweichung von der allgemeinen oder ‚normalen‘ Steuerregelung darstellen sollte, potenziell von allen Unternehmen in Anspruch genommen werden kann, … es nicht möglich [ist], einen Vergleich der rechtlichen und tatsächlichen Situation der Unternehmen, denen die Maßnahme zugutekommen kann, mit der Situation der Unternehmen, denen sie nicht zugutekommen kann, im Hinblick auf das mit der allgemeinen oder ‚normalen‘ Regelung verfolgte Ziel vorzunehmen. [D]amit die Voraussetzung der Selektivität erfüllt ist, [muss] in allen Fällen eine Gruppe von Unternehmen festgestellt werden, die als einzige von der in Rede stehenden Maßnahme begünstigt werden … [D]ie Selektivität [kann] nicht allein aus der Feststellung folgen, dass eine Abweichung von der allgemeinen oder ‚normalen‘ Steuerregelung geschaffen wurde“(25).

23.      Dementsprechend hat das Gericht angenommen, dass eine Abweichung oder Ausnahme von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen, selbst wenn sie erwiesen wäre, allein kein Grund für die Feststellung sei, dass die streitige Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstige, da die Maßnahme grundsätzlich jedem Unternehmen zugänglich sei(26).

24.      In Bezug auf die streitige Maßnahme hat das Gericht festgestellt, dass sie für alle Beteiligungen von mindestens 5 % an einem ausländischen Unternehmen gelte, die mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten würden, und sie nicht eine besondere Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen betreffe, sondern eine Gruppe von wirtschaftlichen Vorgängen(27).

25.      Um in den Genuss der streitigen Maßnahme zu kommen, müsse ein Unternehmen Beteiligungen an einem ausländischen Unternehmen erwerben(28). Ein solcher rein finanzieller Vorgang verpflichte das erwerbende Unternehmen grundsätzlich nicht, seine Tätigkeit zu ändern, und begründe für dieses Unternehmen im Übrigen grundsätzlich nur eine Haftung in Höhe der getätigten Investition(29). Gemäß Rn. 36 des Urteils vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), sei „eine Maßnahme, deren Anwendung nicht von der Art der Tätigkeit der Unternehmen abhängig ist, grundsätzlich nicht selektiv“(30).

26.      Überdies setze die streitige Maßnahme keinen Mindestbetrag fest, der der Mindestbeteiligung von 5 % entspreche, und sei de facto nicht Unternehmen vorbehalten, die über die hierfür ausreichenden finanziellen Ressourcen verfügten(31). Schließlich sehe die streitige Maßnahme vor, dass der Steuervorteil auf der Grundlage der Bedingung gewährt werde, dass bestimmte Wirtschaftsgüter erworben würden, nämlich Beteiligungen an ausländischen Unternehmen(32). „Im Urteil [vom 19. September 2000,] Deutschland/Kommission [(C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 22)], hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Steuervergünstigung, die darin besteht, dass Steuerpflichtige, die bestimmte Wirtschaftsgüter veräußern, den daraus resultierenden Veräußerungsgewinn von den Kosten des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die in bestimmten Gebieten ansässig sind, abziehen können, diesen Steuerpflichtigen einen Vorteil verschafft, der als eine unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbare allgemeine Maßnahme keine Beihilfe im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags darstellt … Daher schließt die streitige Maßnahme grundsätzlich keine Gruppe von Unternehmen aus … Selbst wenn die streitige Maßnahme eine Abweichung von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen darstellen sollte, wäre dieser Umstand somit jedenfalls kein Grund für die Feststellung, dass die genannte Maßnahme ‚bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige‘ im Sinne von Art. [107 AEUV] begünstigt“(33).

27.      Zweitens hat das Gericht festgestellt, die Kommission habe angegeben, dass die streitige Maßnahme selektiv sei, da sie nur bestimmten Gruppen von Unternehmen, die bestimmte Investitionen im Ausland tätigten, zugutekomme, und geltend gemacht, dass eine Maßnahme, die nur denjenigen Unternehmen zugutekomme, die die Voraussetzungen für ihre Gewährung erfüllten, „ohne Weiteres“ selektiv sei, ohne dass geprüft werden müsse, ob die Maßnahme aufgrund ihrer Wirkungen nur bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen einen Vorteil verschaffen könnte(34).

28.      Auch mit diesem in den angefochtenen Rechtsakten angeführten Grund lasse sich jedoch die Selektivität der streitigen Maßnahme nicht feststellen. Nach ständiger Rechtsprechung(35) unterscheide Art. 107 Abs. 1 AEUV staatliche Maßnahmen nach ihren Wirkungen, und die von der Kommission vertretene Ansicht könne dazu führen, dass jede steuerliche Maßnahme, deren Gewährung an bestimmte Voraussetzungen gebunden sei, als selektiv angesehen würde, obwohl die begünstigten Unternehmen keine Eigenart aufwiesen, aufgrund deren sie sich von anderen Unternehmen unterschieden, außer der Tatsache, dass sie die Voraussetzungen erfüllen könnten, an die die Gewährung der Maßnahme gebunden sei(36).

29.      Drittens hat das Gericht festgestellt, dass die streitige Maßnahme nach Ansicht der Kommission darauf abziele, die Ausfuhr von Kapital aus Spanien zu fördern, um die Position spanischer Unternehmen im Ausland zu stärken, was zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der durch die Regelung begünstigten Unternehmen führe(37).

30.      Die Feststellung der Selektivität einer Maßnahme beruhe auf der unterschiedlichen Behandlung von Gruppen von Unternehmen durch die Rechtsvorschriften ein und desselben Mitgliedstaats und nicht auf der unterschiedlichen Behandlung von Unternehmen eines Mitgliedstaats und denen anderer Mitgliedstaaten(38). Zudem dürfte der Zusammenhang zwischen der Ausfuhr von Kapital und der Ausfuhr von Gütern, vorausgesetzt, er werde nachgewiesen, nur zur Feststellung einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels führen und nicht zur Feststellung der Selektivität der streitigen Maßnahme, die auf nationaler Ebene zu beurteilen sei(39).

31.      Viertens ist nach Ansicht des Gerichts auch das Argument der Kommission zurückzuweisen, wonach der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits anerkannt habe, dass eine steuerliche Maßnahme als selektiv eingestuft werde, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die in Rede stehende Maßnahme eine bestimmte Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen unter Ausschluss anderer Unternehmen oder Produktionszweige begünstigte(40).

32.      Hierzu hat das Gericht zum einen die Auffassung vertreten, dass in den drei Urteilen, auf die sich die Kommission berufen habe (Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich, 6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20, vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission, 57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8, und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission, C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), die Gruppe der begünstigten Unternehmen, auf deren Grundlage auf die Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme habe geschlossen werden können, in der Gruppe der „exportierenden Unternehmen“ bestanden habe, die als eine Gruppe zu verstehen sei, die zwar besonders groß sei, aber dennoch besonders, denn sie umfasse Unternehmen, die aufgrund gemeinsamer und spezifischer Merkmale, die mit ihrer Exporttätigkeit zusammenhingen, unterschieden werden könnten(41).

33.      Zum anderen hat das Gericht in Bezug auf das Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), die Ansicht vertreten, dass in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, der in Rede stehende Steuervorteil zwar eine Reihe von Exporttätigkeiten, darunter den Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, betroffen habe; um in den Genuss des in Rede stehenden Vorteils zu kommen, hätten die Unternehmen jedoch Beteiligungen an Unternehmen erwerben müssen, die unmittelbar mit dem Export von Waren oder Dienstleistungen zu tun gehabt hätten. Diese Maßnahme habe daher auch auf die besondere Gruppe von Exportunternehmen abgezielt(42).

IV – Verfahren und Anträge der Parteien

34.      Mit ihren Rechtsmitteln in den Rechtssachen C‑20/15 P und C‑21/15 P beantragt die Kommission,

–        das angefochtene Urteil Autogrill España/Kommission sowie das angefochtene Urteil Banco Santander und Santusa/Kommission aufzuheben,

–        die Rechtssachen an das Gericht zurückzuverweisen und

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.

35.      WDFG (C‑20/15 P) und Banco Santander und Santusa (C‑21/15 P) beantragen,

–        das Vorbringen, mit dem sie in ihrer Rechtsmittelbeantwortung dem Rechtsmittel der Kommission entgegentreten, für zulässig zu erklären und ihm stattzugeben,

–        den einzigen Rechtsmittelgrund der Kommission zurückzuweisen und das angefochtene Urteil Autogrill España/Kommission sowie das angefochtene Urteil Banco Santander und Santusa/Kommission zu bestätigen und

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

36.      Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Mai 2015 sind das Königreich Spanien, Irland und die Bundesrepublik Deutschland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von WDFG (C‑20/15 P) und Banco Santander und Santusa (C‑21/15 P) zugelassen worden.

37.      Hingegen sind mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015 die Anträge der Telefónica SA und der Iberdrola SA auf Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von WDFG (C‑20/15 P) sowie von Banco Santander und Santusa (C‑21/15 P) zurückgewiesen worden.

38.      Die Kommission, WDFG, Banco Santander und Santusa, die Bundesrepublik Deutschland, Irland und das Königreich Spanien haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie alle haben in der Sitzung vom 31. Mai 2016 mündliche Erklärungen abgegeben.

V –    Zu den Rechtsmitteln

39.      Zur Stützung ihrer Rechtsmittel macht die Kommission einen einzigen identischen Rechtsmittelgrund geltend, der sich in zwei Teile untergliedert und mit dem gerügt wird, das Gericht habe bei der Auslegung der Voraussetzung betreffend die Selektivität, wie sie von Art. 107 Abs. 1 AEUV gefordert werde, einen Rechtsfehler begangen.

A –    Zum ersten Teil

1.      Vorbringen der Parteien

40.      Mit dem ersten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes wirft die Kommission dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es ihr die Pflicht auferlegt habe, eine Gruppe von Unternehmen mit eigenen Merkmalen zu bestimmen, um den selektiven Charakter einer Maßnahme nachzuweisen.

41.      Die Kommission trägt vor, sie sei in ihren streitigen Rechtsakten zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitige Maßnahme eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung darstelle, die nur die Unternehmen, die eine bestimmte Art von Investitionen im Ausland tätigten (und zwar den Erwerb von Beteiligungen in Höhe von mindestens 5 %), gegenüber den Unternehmen begünstige, die dieselbe Art von Investitionen in Spanien tätigten und die sich deshalb in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden. Zwar habe das Gericht die Anwendung dieser Methode bestätigt, es verlange jedoch außerdem von der Kommission den Nachweis, dass die Maßnahme bestimmte Unternehmen begünstige, die anhand von besonderen Merkmalen identifiziert werden könnten, die die anderen Unternehmen besäßen, das heißt eigene und ex ante identifizierbare Merkmale.

42.      Diese zusätzliche und ungleich strengere Prüfung des Begriffs der Selektivität, auf die sich das Gericht stütze, um die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 der streitigen Rechtsakte anzuordnen, stelle einen Rechtsfehler dar und laufe der ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte zuwider, die es zudem mehrfach falsch verstehe.

43.      Das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es festgestellt habe, dass eine Maßnahme, deren Anwendung unabhängig von der Tätigkeit des Unternehmens sei oder die ihre Anwendung von keinem Mindestbetrag abhängig mache, nicht selektiv sein könne. Entgegen der Feststellung des Gerichts in Rn. 57 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 61 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission könne aus Rn. 36 des Urteils vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), nicht abgeleitet werden, dass eine Maßnahme, deren Anwendung nicht von der Art der Tätigkeit der Unternehmen abhängig sei, grundsätzlich nicht selektiv sei. Aus dieser Rn. 36 gehe hervor, dass eine Maßnahme nicht selektiv sei, wenn sie unterschiedslos für alle Unternehmen in einem Mitgliedstaat allgemein gelte und nicht, wie das Gericht in den angefochtenen Urteilen meine, je nach ihrer Verbindung mit der Tätigkeit der Unternehmen.

44.      Des Weiteren wirft die Kommission dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es in den Rn. 59 bis 62 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in den Rn. 63 bis 66 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission befunden habe, die streitige Maßnahme sei nicht selektiv, da sie an den Kauf bestimmter Wirtschaftsgüter gebunden sei und grundsätzlich keine Gruppe von Unternehmen ausschließe. Das Gericht habe sich nämlich insoweit zu Unrecht auf Rn. 22 des Urteils vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), gestützt. Aus den Rn. 22 und 23 dieses Urteils gehe nämlich hervor, dass in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, die Kommission die in Rede stehende Maßnahme nur in Bezug auf bestimmte geografisch abgegrenzte Unternehmen, in die Privatinvestoren die Gewinne aus dem Verkauf von Wirtschaftsgütern reinvestiert hätten, als selektiv eingestuft habe und nicht in Bezug auf diese Investoren selbst, hinsichtlich derer sie die Auffassung vertreten habe, dass diese Maßnahmen keine Beihilfe darstellten. Jedenfalls sei in dieser Rechtssache die Beurteilung des selektiven Charakters der Maßnahme vor dem Gerichtshof nicht in Frage gestellt worden.

45.      Ferner wirft die Kommission dem Gericht vor, in den Rn. 66 bis 68 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in den Rn. 70 bis 72 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission befunden zu haben, die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätige, dass eine Maßnahme, deren Gewährung „an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, … obwohl die begünstigten Unternehmen keine Eigenart aufweisen würden, aufgrund deren sie sich von anderen Unternehmen unterscheiden würden, außer der Tatsache, dass sie die Voraussetzungen erfüllen könnten, an die die Gewährung der Maßnahme gebunden ist“, nicht selektiv sein könne.

46.      Das Gericht stütze sich somit auf eine fehlerhafte Analyse der betreffenden Rechtsprechung.

47.      In Bezug auf das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), macht die Kommission geltend, aus den Rn. 90 und 91 dieses Urteils gehe hervor, dass die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, eine ganz besondere Situation betroffen habe, in der der Gerichtshof die steuerliche Bezugsregelung selbst für selektiv gehalten habe, da diese als solche „Offshore-Unternehmen“ begünstigt habe und nicht irgendeine Ausnahme von dieser Regelung. Der Verweis auf „spezifische Eigenarten“ einer Gruppe von Unternehmen in diesem Urteil müsse daher als Verweis auf die Eigenarten verstanden werden, deretwegen diese Unternehmen im Kontext einer von Natur aus selektiven Bezugsregelung steuerlich begünstigt würden, und könne nicht über diesen besonderen Kontext hinaus verallgemeinert werden.

48.      In Rn. 66 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 70 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission zitiere das Gericht nur den ersten Satz von Rn. 42 des Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184)(43), obwohl der zweite Satz dieser Rn. 42 den in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs niedergelegten Grundsatz widerspiegele, wonach eine Maßnahme selektiv sei, wenn sie geeignet sei, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, zu begünstigen.

49.      Die Kommission macht geltend, sie habe sich an die in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerte Methode zur Prüfung der Selektivität im Steuerbereich gehalten, indem sie in den streitigen Rechtsakten dargetan habe, dass die streitige Maßnahme eine Ausnahme von einem Bezugsrahmen darstelle, da sie für in Spanien steuerpflichtige Unternehmen, die sich an im Ausland ansässigen Unternehmen beteiligten, eine andere steuerliche Behandlung vorsehe als für in Spanien steuerpflichtige Unternehmen, die sich an in Spanien ansässigen Unternehmen beteiligten, obwohl sich diese beiden Gruppen von Unternehmen in vergleichbaren Situationen befänden.

50.      Das Gericht habe sich dadurch, dass es ihr zusätzlich auferlegt habe, darzutun, dass die streitige Maßnahme bestimmte Unternehmen begünstige, die anhand von besonderen Merkmalen identifiziert werden könnten, die die anderen Unternehmen nicht hätten, d. h. eigene und ex ante identifizierbare Merkmale, auf einen Begriff der Selektivität gestützt, der zwangsläufig enger sei als der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerte und diesem daher zuwiderlaufe; dadurch habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen.

51.      WDFG und Banco Santander und Santusa tragen zunächst vor, die Kommission habe in den streitigen Rechtsakten nicht die Ansicht vertreten, dass die streitige Maßnahme de facto selektiv sei, so dass es im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel nur darum gehe, die gegen die angefochtenen Urteile vorgebrachten Rügen insoweit zu prüfen, als das Gericht darin festgestellt habe, dass die von der Kommission in diesen Rechtsakten geltend gemachten Gründe nicht den Schluss zuließen, die Maßnahme sei de iure selektiv.

52.      Aus dem Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), gehe hervor, dass eine Maßnahme, die allen Unternehmen offenstehe und potenziell auf sämtliche Unternehmen anwendbar sei, nicht als selektiv angesehen werden könne. Aus diesem Urteil könne jedoch nicht abgeleitet werden, wie die Kommission dies tue, dass die Maßnahme auf alle Unternehmen des Mitgliedstaats ausnahmslos Anwendung finden müsse, damit keine Selektivität vorliege, da eine solche These zur Folge hätte, dass quasi alle Steuerregelungen selektiv wären.

53.      WDFG und Banco Santander und Santusa weisen auch das Vorbringen der Kommission zurück, dass Maßnahmen bereits mehrfach als selektiv eingestuft worden seien, auch wenn sie keinen Mindestinvestitionsbetrag festgelegt hätten und unabhängig von der Art der Tätigkeit des Empfängers anwendbar gewesen seien.

54.      Hingegen könne die streitige Maßnahme, soweit sie einen Steuervorteil im Hinblick auf ein Verhalten gewähre, das de facto und de iure jeder Art von Unternehmen und Wirtschaftszweigen offenstehe, nicht automatisch und allein deshalb als prima facie und de iure selektiv angesehen werden.

55.      Das Gericht habe sich zutreffend auf Rn. 22 des Urteils vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), gestützt, deren Wortlaut es genau beachtet habe. In der Entscheidung, um die es in der diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache gegangen sei, habe die Kommission selbst ausdrücklich die fehlende Selektivität der Maßnahme gegenüber den betreffenden Investoren eingeräumt, was vom Gerichtshof bestätigt worden sei.

56.      In ihrer Entscheidungspraxis habe die Kommission im Übrigen mehrfach die Selektivität von steuerlichen Maßnahmen ausgeschlossen, indem sie dasselbe Kriterium angewandt habe, nämlich das der fehlenden Selektivität von allgemeinen Maßnahmen, die unterschiedslos auf jedes Unternehmen anwendbar seien und in deren Genuss jeder Steuerpflichtige kommen könne.

57.      Die Anwendung dieses Kriteriums führe im Übrigen nicht zur fehlenden Selektivität der von der Kommission angesprochenen Maßnahmen bezüglich des Kaufs bestimmter Vermögenswerte. Diese Maßnahmen seien selektiv, wenn feststehe, dass sie de facto bestimmte Unternehmen unter Ausschluss anderer begünstigten. Jedenfalls ergebe sich ihre Selektivität nicht aus der Art der erworbenen Vermögenswerte, sondern aus der Tatsache, dass man aufgrund dieser Art zu dem Schluss gelangen könne, dass die betreffenden Käufer eine besondere Gruppe bildeten.

58.      In Bezug auf das Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), sind WDFG und Banco Santander und Santusa der Auffassung, das Gericht habe zutreffend festgestellt, dass sich die Maßnahme in der diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache von der im vorliegenden Fall unterscheide, da sie darauf abgezielt habe, einer unterschiedlichen und identifizierbaren Gruppe von Unternehmen einen Vorteil einzuräumen, nämlich den Unternehmen, die im Export tätig seien.

59.      Aus Rn. 104 des Urteils vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), gehe eindeutig hervor, dass eine Maßnahme nur als selektiv eingestuft werden könne, wenn sie eine Gruppe von Unternehmen begünstige, die „Eigenschaften“ teilten, die für sie „spezifisch“ seien. Außerdem gehe aus diesem Urteil hervor, dass eine Ausnahme von einer allgemeinen Regelung kein Selbstzweck sei, denn worauf es ankomme, sei die tatsächliche Wirkung der Maßnahme, d. h., ob sie bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstige.

60.      Der von der Kommission befürworteten Auslegung des Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184), könne auch nicht gefolgt werden. In diesem Urteil habe der Gerichtshof die Auffassung vertreten, der Umstand, dass nur die Steuerpflichtigen, die diese Voraussetzungen erfüllten, diese Maßnahme in Anspruch nehmen könnten, als solcher könne dieser Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen.

61.      WDFG und Banco Santander und Santusa machen schließlich geltend, das Gericht habe zutreffend befunden, dass eine Maßnahme nicht als selektiv im Sinne von Art. 107 AEUV eingestuft werden könne, wenn ihr Nutzen von einem Verhalten abhänge, das prima facie jedem Unternehmen unabhängig von seinem Tätigkeitsbereich zugänglich sei. Dies werde sehr gut im Urteil vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), durch die Feststellung der fehlenden Selektivität einer solchen Maßnahme veranschaulicht. Die Analyse des Gerichts sei im Übrigen im Wesentlichen dieselbe wie die, die Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache, in der das Urteil vom 6. Oktober 2015, Finanzamt Linz (C‑66/14, EU:C:2015:661), ergangen sei, vorgeschlagen habe. Die gegenteilige These führe im Übrigen zu der absurden Situation, dass jede steuerliche Maßnahme automatisch selektiv sei, wenn sie nicht ohne Ausnahme von jedem Unternehmen eines Mitgliedstaats genutzt würde.

62.      Das Königreich Spanien trägt vor, das Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), bestätige den von den spanischen Behörden im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt, wonach ein wirtschaftlicher Vorteil nur dann als Beihilfe angesehen werden könne, wenn er geeignet sei, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu begünstigen. Im Verwaltungsverfahren hätten die spanischen Behörden den offenen Charakter der streitigen Maßnahme dargetan und so die in den angefochtenen Urteilen vorgenommene Analyse und die Tatsache bestätigt, dass die Kommission den selektiven Charakter der Maßnahme in den streitigen Rechtsakten nicht dargetan habe.

63.      Irland trägt vor, das Gericht habe entgegen dem Vorbringen der Kommission aus den Urteilen vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑92/00 und T‑103/00, EU:T:2002:61), und vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑227/01 bis T‑229/01, T‑265/01, T‑266/01 und T‑270/01, EU:T:2009:315), nicht abgeleitet, dass nur die Maßnahmen, deren Anwendung an die Art der Tätigkeiten des Unternehmens gebunden gewesen sei oder deren Anwendung von einem Mindestbetrag abhängig gewesen sei, selektiv seien, sondern nur, dass die Selektivität der streitigen Maßnahme im Fall einer Maßnahme, in deren Genuss alle spanischen Unternehmen, die in eine Beteiligung in Höhe von mindestens 5 % an einem ausländischen Unternehmen investiert hätten, unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit und der investierten Summen hätten kommen können, nicht habe festgestellt werden können.

64.      Das Gericht habe sich zutreffend auf Rn. 104 des Urteils vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), gestützt, um zu entscheiden, dass es – um eine steuerliche Differenzierung als Beihilfe einstufen zu können – notwendig sei, eine bestimmte Gruppe von Unternehmen festzustellen, die anhand ihrer spezifischen Eigenarten unterschieden werden könnten. Die Voraussetzung der Selektivität, wie sie in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellt werde, müsse in allen Rechtssachen betreffend angebliche staatliche Beihilfen steuerlicher Art gleich definiert werden, so dass entgegen dem Vorbringen der Kommission der ausdrücklich in Rn. 104 dieses Urteils verankerte Grundsatz nicht auf die Prüfung einer Steuerregelung „insgesamt betrachtet“ beschränkt werden könne.

65.      Maßnahmen wie die streitige, die wirklich jedem Unternehmen offenstünden, da es unmöglich sei, einen besonderen Sektor oder ein besonderes Unternehmen zu ermitteln, der oder das von ihrer Anwendung ausgeschlossen und damit benachteiligt sei, dürften niemals als selektiv angesehen werden. In ihrer Entscheidungspraxis habe sich die Kommission im Übrigen auf diese Begründung gestützt, um die Selektivität bestimmter Amnestiemaßnahmen zu verneinen, auch wenn es sich um eine Ausnahme vom Bezugsrahmen gehandelt habe. Der von der Kommission im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel eingenommene Standpunkt stehe daher im Widerspruch zu ihrer eigenen Entscheidungspraxis.

66.      Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, eine Abweichung oder Ausnahme von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen sei, selbst wenn sie erwiesen wäre, allein kein Grund für die Feststellung, dass die streitige Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstige. Vielmehr ergebe sich daraus nur, dass die steuerliche Vergünstigung als Äquivalent zu einer Subvention (d. h. einer positiven Geldzuwendung an ein bestimmtes Unternehmen), die einen vergleichbaren Fördereffekt entfalte, angesehen werden könne. Folglich müsse nach dieser Prüfung gemäß der Rechtsprechung (Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 104), den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache, in der das Urteil vom 6. Oktober 2015, Finanzamt Linz (C‑66/14, EU:C:2015:661, Rn. 83 bis 85), ergangen sei, und wie das Gericht in den angefochtenen Urteilen zutreffend angenommen habe, in einem zusätzlichen Schritt überprüft werden, ob die Gruppe von Steuerpflichtigen, die durch eine Steuerregelung begünstigt würden, hinreichend spezifizierte Unternehmen oder Produktionszweige im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

67.      So habe der Gerichtshof festgestellt, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die Gruppe der begünstigten Unternehmen dadurch hinreichend gekennzeichnet gewesen sei, dass sie bestimmten Wirtschaftszweigen oder Branchen angehörten (Urteil vom 15. Dezember 2005, Unicredito Italiano, C‑148/04, EU:C:2005:774, Rn. 44 ff.), dass sie über eine bestimmte Rechtsform (Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C‑222/04, EU:C:2006:8, Rn. 136) oder eine bestimmte Größe verfügten (Urteil vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission, C‑409/00, EU:C:2003:92, Rn. 48 und 49) oder ihren Sitz in einer bestimmten Region hätten (Urteil vom 17. November 2009, Presidente del Consiglio dei Ministri, C‑169/08, EU:C:2009:709, Rn. 63).

68.      Hingegen ergebe sich aus der Rechtsprechung, dass weder das Vorsehen von Voraussetzungen für die Gewährung eines steuerlichen Vorteils noch eine Abweichung von der allgemeinen Steuerregelung allein ausreichend seien, um die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme zu begründen.

69.      Die Bundesrepublik Deutschland weist darauf hin, dass der Gerichtshof bereits befunden habe, dass eine Steuervergünstigung, die darin bestehe, dass Steuerpflichtige, die bestimmte Wirtschaftsgüter veräußerten, den daraus resultierenden Veräußerungsgewinn von den Kosten der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter abziehen könnten, diesen einen Vorteil verschaffe, der als eine unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbare allgemeine Maßnahme nicht als staatliche Beihilfe eingestuft werden könne (Urteil vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 22).

70.      Erst recht dürfe eine Maßnahme wie die hier streitige, deren Anwendung generell an eine bestimmte Art von gesellschaftsrechtlichen Operationen anknüpfe, im vorliegenden Fall an den Erwerb von Gesellschaftsanteilen, die unabhängig vom Unternehmensgegenstand und dem operativen Geschäft seien, grundsätzlich nicht als selektiv angesehen werden.

71.      Zu akzeptieren, dass die Voraussetzung der Selektivität in einem weiten Sinne zu verstehen sei, wie es die Kommission in ihren Rechtsmitteln befürworte, hätte nach Ansicht aller Streithelfer zur Folge, das bestehende institutionelle Gleichgewicht zu erschüttern. Die Kommission könnte dann nämlich fast alle Maßnahmen der direkten Besteuerung aufgrund ihrer Befugnisse im Bereich der staatlichen Beihilfen kontrollieren, obwohl dieser Bereich grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten falle.

2.      Würdigung

72.      Die vorliegenden Rechtsmittel betreffen eine nationale Maßnahme der direkten Besteuerung und ihre Rechtmäßigkeit im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dieser untersagt Beihilfen, die „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen“, d. h. selektive Beihilfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt Art. 107 Abs. 1 AEUV insoweit die Feststellung, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden(44).

73.      Zunächst ist festzustellen, dass, wenn es wie im vorliegenden Fall darum geht, zu untersuchen, ob eine steuerliche Maßnahme selektiven Charakter hat, der Bestimmung des Bezugsrahmens grundsätzlich(45) wesentliche Bedeutung zukommt(46).

74.      Anschließend ist zu prüfen, ob die steuerliche Maßnahme von diesem Bezugsrahmen abweicht und einen Vorteil für bestimmte Unternehmen im Vergleich zu anderen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, darstellt(47).

75.      Schließlich ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs diese Voraussetzung der Selektivität bei einer Maßnahme nicht gegeben, die zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, aber durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist(48) (49).

76.      Aus den angefochtenen Urteilen geht hervor, dass die Kommission in den streitigen Rechtsakten die Auffassung vertreten hat, dass die streitige Maßnahme von der „normalen“ Steuer- oder Bezugsregelung, die auf die in Spanien steuerpflichtigen Unternehmen anwendbar sei, abweiche und diese Regelung keine allgemeine steuer-oder wirtschaftspolitische Maßnahme sei(50). In Anwendung der streitigen Maßnahme könne nämlich nur der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus Beteiligungen eines in Spanien steuerpflichtigen Unternehmens an „ausländischen Unternehmen“ ergebe, abgeschrieben werden(51). Hingegen könne der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus Beteiligungen eines in Spanien ansässigen Unternehmens an einem in Spanien ansässigen Unternehmen ergebe, nicht abgeschrieben werden(52). Aufgrund dieser unterschiedlichen Behandlung, obwohl sich diese beiden Gruppen von Unternehmen in vergleichbaren Situationen befanden, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die streitige Maßnahme eine Ausnahme vom Bezugssystem bilde(53).

77.      Es ist hervorzuheben, dass das Gericht die Vergleichbarkeit zwischen dem Erwerb von Beteiligungen eines in Spanien steuerpflichtigen Unternehmens, je nachdem, ob diese an einem „ausländischen Unternehmen“ oder an einem in Spanien ansässigen Unternehmen erfolgen, nicht in Frage gestellt hat. Zudem hat das Gericht nicht angenommen, dass die Differenzierung gemäß der streitigen Maßnahme durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt sei.

78.      In den angefochtenen Urteilen hat das Gericht nämlich die Auffassung vertreten, eine Abweichung oder Ausnahme von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen sei, selbst wenn sie erwiesen wäre(54), allein kein Grund für die Feststellung, dass die streitige Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstige, da die Maßnahme grundsätzlich jedem Unternehmen zugänglich sei und daher nicht eine besondere Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen, sondern eine Gruppe von wirtschaftlichen Vorgängen betreffe(55).

79.      Meines Erachtens kann einer solchen Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV und des Kriteriums der Selektivität nicht gefolgt werden.

80.      Wenn eine steuerliche Maßnahme eine Ausnahme von der „normalen“ Steuer‑ oder Bezugsregelung darstellt und bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige zulasten anderer(56) begünstigt, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden(57), ist diese Maßnahme meines Erachtens von Natur aus diskriminierend oder selektiv(58), außer wenn diese Differenzierung durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist.

81.      Es ist hervorzuheben, dass der Gerichtshof in den Urteilen vom 15. Dezember 2005, Unicredito Italiano (C‑148/04, EU:C:2005:774, Rn. 49 und 50), und Italien/Kommission (C‑66/02, EU:C:2005:768, Rn. 97 bis 100)(59), nachdem er festgestellt hatte, dass die in Rede stehenden steuerlichen Maßnahmen nur für den Bankensektor galten(60) und innerhalb dieses Sektors nur die Unternehmen begünstigten, die die erfassten Transaktionen durchführten, befunden hat, dass diese Maßnahmen nicht nur zwischen dem Bankensektor und den anderen Wirtschaftssektoren differenzierten, sondern auch innerhalb des Bankensektors. Folglich hat der Gerichtshof in den Rn. 99 und 100 des Urteils vom 15. Dezember 2005, Italien/Kommission (C‑66/02, EU:C:2005:768), festgestellt, dass die in Rede stehenden steuerlichen Maßnahmen, „[da sie] nicht für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, … nicht als allgemeine steuer- oder wirtschaftspolitische Maßnahmen angesehen werden [können]. … Tatsächlich weichen sie vom allgemeinen Steuerrecht ab. Die begünstigten Unternehmen kommen in den Genuss von Steuererleichterungen, auf die sie im Rahmen dieses Rechts sonst keinen Anspruch hätten und die von Unternehmen anderer Sektoren, die entsprechende Transaktionen durchführen, sowie von Unternehmen des Bankensektors, die keine der erfassten Transaktionen durchführen, nicht beansprucht werden können“(61).

82.      Art. 107 Abs. 1 AEUV ist sehr weit und abstrakt formuliert. Zwar kann nämlich die Wendung „bestimmte Produktionszweige“ eventuell so verstanden werden, dass sie insbesondere auf bestimmte Sektoren oder bestimmte Dienstleistungen und damit auf bestimmte Gruppen von Unternehmen abzielt, die Wendung „bestimmte Unternehmen“ ist jedoch noch allgemeiner.

83.      Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasst nicht nur Maßnahmen, die auf der Grundlage einer begrenzten und vorher festgelegten Zahl von Kriterien, wie z. B. dem betreffenden Sektor, der Größe der Unternehmen oder der Art der Unternehmen, selektiv oder diskriminierend sind(62). Es kommt darauf an, ob die Maßnahme ihre Empfänger unabhängig von der Art der Unternehmen, ihren Tätigkeiten oder den in Rede stehenden Transaktionen in eine finanzielle Situation versetzt, die günstiger ist als die der anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden(63), es sei denn, sie ist durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt.

84.      Weder aus dem Wortlaut von Art. 107 Abs. 1 AEUV noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass die Wendung „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ die Bestimmung einer Gruppe von Unternehmen mit eigenen Merkmalen verlangt, die als einzige von der streitigen Maßnahme begünstigt werden, wie das Gericht in den Rn. 41 und 45 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie in den Rn. 45 und 49 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission festgehalten hat. Ich denke auch, dass die Bestimmung der Unternehmen mit eigenen Merkmalen ein extrem unpräzises, ja sogar willkürliches Vorgehen wäre, das eine rechtliche Unsicherheit schaffen würde.

85.      Meines Erachtens ist das Gericht in seiner Analyse des Kriteriums der Selektivität in den angefochtenen Urteilen übermäßig formalistisch und restriktiv vorgegangen, indem es versucht hat, eine besondere Gruppe von Unternehmen zu bestimmen, die als einzige von der streitigen Maßnahme begünstigt werden, anstatt sich auf die wesentliche Frage zu konzentrieren, ob diese Maßnahme zwischen den Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, differenziert.

86.      Es ist hervorzuheben, dass der Umstand, dass es u. a. angesichts der Voraussetzungen, die den Steuerpflichtigen auferlegt werden, um in den Genuss der Ausnahmeregelung zu kommen, oft möglich ist, ein oder mehrere Sektoren oder Gruppen von Unternehmen zu bestimmen, die durch eine steuerliche Maßnahme begünstigt werden(64), nicht bedeutet, dass die Selektivität der Maßnahme von einer solchen Ermittlung abhängt.

87.      Zudem kann der Umstand, dass die Zahl der Unternehmen, die in den Genuss der in Rede stehenden Maßnahme kommen können, signifikant ist oder dass diese Unternehmen zu verschiedenen Tätigkeitsbereichen gehören, nicht ausreichen, um ihren selektiven Charakter in Frage zu stellen und damit die Einstufung als staatliche Beihilfe auszuschließen(65).

88.      Insoweit bin ich der Auffassung, dass der selektive Charakter der streitigen Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass die von ihr aufgestellten Voraussetzungen nicht sehr streng waren(66), so dass zahlreiche Unternehmen in den Genuss dieser Maßnahme kommen konnten, sondern nur ihr Selektivitätsgrad.

89.      In der mündlichen Verhandlung vertrat die Bundesrepublik Deutschland in Beantwortung einer vom Gerichtshof gestellten Frage die Ansicht, dass die fragliche streitige Maßnahme selektiv wäre, wenn sie eine Beteiligung in Höhe von 75 % anstatt 5 % für eine Dauer von zehn Jahren anstatt von einem Jahr verlangen würde. In einer solchen Situation würde die streitige Maßnahme nur großen Unternehmen zugutekommen und wäre daher selektiv.

90.      Ich kann einen solchen Ansatz nicht akzeptieren, denn er ist ungenau, nicht praktikabel und willkürlich. Wo sollte man nämlich die Schwelle für die Unterscheidung zwischen einer Beteiligung von 75 % und der von 5 % und zwischen einer Beteiligung, die zehn Jahre andauert, und einer, die sich auf ein Jahr beschränkt, ansetzen? Was ist das Demarkationskriterium, das diese beiden Transaktionen unterscheiden würde?

91.      Daher bin ich der Auffassung, dass eine steuerliche Maßnahme, die von der allgemeinen Steuerregelung abweicht und die zwischen den Unternehmen, die ähnliche Transaktionen durchführen, differenziert, selektiv ist, außer wenn die durch die Maßnahme geschaffene Differenzierung durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist.

92.      Wenn die durch eine steuerliche Maßnahme begünstigten Unternehmen von einer Steuererleichterung profitieren, auf die sie im Rahmen der normalen Steuerregelung keinen Anspruch hätten und die nur Unternehmen beanspruchen können, die entsprechende Transaktionen durchführen, dann ist eine solche Maßnahme nämlich selektiv, da sie in Wirklichkeit entgegen dem, was das Gericht meint(67), nicht für alle(68) Wirtschaftsteilnehmer gilt (69). Es ist offensichtlich, dass die streitige Maßnahme nur den Wirtschaftsteilnehmern zugutekommt, die die Voraussetzungen erfüllen(70), nämlich den in Spanien steuerpflichtigen Unternehmen, die Beteiligungen an einem „ausländischen Unternehmen“ erwerben, und die Wirtschaftsteilnehmer ausschließt, die entsprechende Transaktionen durchführen, nämlich den Erwerb von Beteiligungen, aber an einem in Spanien ansässigen Unternehmen.

93.      Gemäß Rn. 42 des Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184), kann nämlich zwar „[d]er Umstand, dass nur die Steuerpflichtigen, die diese Voraussetzungen erfüllen, diese Maßnahme in Anspruch nehmen können, … als solcher dieser Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen“, eine solche steuerliche Maßnahme ist jedoch selektiv, wenn sie eine Unterscheidung zwischen vergleichbaren Situationen oder Transaktionen vornimmt(71).

94.      Folglich zielt das in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehene Kriterium der Selektivität auf steuerliche Maßnahmen ab, die unabhängig von den verwendeten Techniken die Wirkung haben(72), Unternehmen(73), die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden(74), steuerlich unterschiedlich zu belasten.

95.      Hierzu stelle ich fest, dass das Gericht selbst in Rn. 47 des Urteils vom 13. September 2012, Italien/Kommission (T‑379/09, EU:T:2012:422), befunden hat, dass „[sich d]er selektive Charakter einer Maßnahme … anhand der Gesamtheit der Unternehmen [beurteilt] und … sich nicht nach den Unternehmen, denen derselbe Vorteil innerhalb ein und derselben Kategorie zugutekommt[, bemisst] … Zudem begründet der bloße Umstand, dass eine Maßnahme für alle Wirtschaftsteilnehmer, die die vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, von Vorteil sein kann, d. h. ihren Anwendungsbereich auf der Grundlage objektiver Kriterien festlegt, noch nicht den allgemeinen Charakter dieser Maßnahme und schließt nicht aus, dass sie selektiven Charakter hat …“

96.      Folglich tut der Umstand, dass eine steuerliche Maßnahme nicht auf eine besondere Gruppe von Unternehmen abzielt, sondern auf Unternehmen, die eine Kategorie von wirtschaftlichen Transaktionen durchführen, im vorliegenden Fall finanzielle Transaktionen im Ausland, und die ihre Anwendung von keinem Mindestbetrag abhängig macht(75), der Selektivität oder dem diskriminierenden Charakter dieser Maßnahme keinen Abbruch, wenn sie den Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und vergleichbare finanzielle Transaktionen, aber mit in ihrem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen durchführen, steuerlich unterschiedlich belastet.

97.      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch Rn. 22 des Urteils vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), entkräftet, die vom Gericht in Rn. 60 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 64 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission, angeführt wird.

98.      Durch die Feststellung in den angefochtenen Urteilen, der zufolge „der Gerichtshof entschieden [hat], dass eine Steuervergünstigung, die darin besteht, dass Steuerpflichtige, die bestimmte Wirtschaftsgüter veräußern, den daraus resultierenden Veräußerungsgewinn von den Kosten des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die in bestimmten Gebieten ansässig sind, abziehen können, diesen Steuerpflichtigen einen Vorteil verschafft, der als eine unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbare allgemeine Maßnahme keine Beihilfe im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags darstellt“(76), vermengt das Gericht nämlich, den Erklärungen der Kommission zufolge, unzulässigerweise die Rn. 22 und 23 des Urteils vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), und versteht somit dieses Urteil falsch.

99.      Nun fügt der Gerichtshof in Rn. 23 dieses Urteils hinzu: „Die … gewährte Steuervergünstigung wird ferner in der angefochtenen Entscheidung nur insoweit als staatliche Beihilfe qualifiziert, als sie bestimmte, in den neuen Bundesländern und Westberlin ansässige Unternehmen begünstigt, was ihr den Charakter einer allgemeinen steuer- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme nimmt.“(77) Folglich geht entgegen den Ausführungen des Gerichts in den angefochtenen Urteilen aus den Rn. 22 und 23 des Urteils vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), eindeutig hervor, dass eine steuerliche Maßnahme, mit der bestimmten Unternehmen in den neuen Bundesländern und Westberlin ein Vorteil gewährt wird, keine allgemeine, auf alle Wirtschaftsteilnehmer unterschiedslos anwendbare Maßnahme darstellt, sondern eine im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV selektive Maßnahme.

100. Des Weiteren trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof in Rn. 104 des Urteils vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), befunden hat: „Um als Kriterien angesehen werden zu können, die selektive Vorteile verschaffen, müssen die in einem Steuersystem als Besteuerungsgrundlage festgelegten Kriterien … auch geeignet sein, die begünstigten Unternehmen anhand ihrer spezifischen Eigenarten als privilegierte Gruppe zu kennzeichnen, und damit die Einstufung eines solchen Systems als Regelung ermöglichen, die ‚bestimmte‘ Unternehmen oder ‚bestimmte‘ Produktionszweige im Sinne von Art. [107] Abs. 1 [AEUV] begünstigt“(78), doch ist diese Rechtsprechung meines Erachtens im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

101. Es bestehen nämlich erhebliche Unterschiede zwischen der tatsächlichen Situation im vorliegenden Fall – insbesondere der hier in Rede stehenden Steuerregelung – und derjenigen, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), ergangen ist; diese Unterschiede wurden vom Gericht in den angefochtenen Urteilen ignoriert.

102. In den Rn. 92 und 93 dieses Urteils hat der Gerichtshof eindeutig erklärt, dass sich die Selektivität der in Rede stehenden Steuerregelung nicht aus einer Ausnahme von der allgemeinen Steuerregelung ergab, sondern daraus, dass diese Regelung tatsächlich Gesellschaften, die sich in einer vergleichbaren Lage befanden, unterschiedlich behandelte(79). Allerdings hat der Gerichtshof befunden, dass, auch wenn die Kriterien der streitigen Regelung allgemeiner Art waren, diese von vornherein jede Besteuerung einer identifizierbaren Gruppe von Unternehmen, nämlich „Offshore-Unternehmen“, ausschlossen(80). Unter diesen besonderen Umständen, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, war der Gerichtshof der Auffassung, dass zwar die Anwendung einer „allgemeinen“ Steuerregelung als solche nicht ausreichen kann, um im Rahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV die Selektivität einer Besteuerung festzustellen, eine solche Regelung jedoch als selektiv anzusehen ist, wenn es möglich ist, eine Gruppe von Unternehmen zu ermitteln, die von dieser begünstigt werden(81).

103. Die Kommission hat in den angefochtenen Rechtsakten die Auffassung vertreten, dass die streitige Maßnahme von der „normalen“ Steuerregelung oder Bezugsregelung, die auf in Spanien steuerpflichtige Unternehmen anwendbar sei, abweiche(82). Zudem hat das Gericht in den angefochtenen Urteilen diese Beurteilung nicht in Frage gestellt(83).

104. Da sich das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), speziell auf eine Situation bezieht, in der es keine Abweichung von der normalen Regelung gab, und da der Gerichtshof festgestellt hat, dass die in Rede stehende normale Regelung als solche de facto diskriminierend war, hat das Gericht meines Erachtens in den angefochtenen Urteilen diese Rechtsprechung falsch ausgelegt und angewendet, obwohl die in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Umstände nicht vergleichbar waren. Folglich hat das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es die Bestimmung einer Gruppe von Unternehmen, die durch die streitige Maßnahme begünstigt werden, forderte, obwohl diese von der „normalen“ Regelung abwich.

105. Überdies hat das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 61 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission die Auffassung vertreten, aus Rn. 36 des Urteils vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), gehe hervor, dass eine Maßnahme, deren Anwendung nicht von der Art der Tätigkeit der Unternehmen abhängig sei, grundsätzlich nicht selektiv sei.

106. Im Einklang mit den Erklärungen der Kommission bin ich der Auffassung, dass das Gericht das Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), falsch verstanden hat, denn der Gerichtshof hat zwar in Rn. 35 dieses Urteils für Recht erkannt, dass „eine staatliche Maßnahme, die unterschiedslos allen Unternehmen im Inland zugutekommt, keine staatliche Beihilfe darstellen [kann]“(84), aber sodann in Rn. 36 dieses Urteils befunden, dass eine Steuerregelung keine staatliche Beihilfe darstellt, wenn sie auf alle Unternehmen im Inland unabhängig vom Gegenstand ihrer Tätigkeit angewandt wird.

107. Entgegen der Feststellung des Gerichts in Rn. 57 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 61 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission kann aus dem Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 35 und 36), nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Maßnahme, deren Anwendung von der Art der Tätigkeit oder dem Geschäftszweck der Unternehmen unabhängig ist, grundsätzlich nicht selektiv ist.

108. Diese Rechtsprechung(85) bestätigt lediglich, dass eine Steuerregelung, die unterschiedslos auf alle im Inland ansässigen Unternehmen anwendbar ist, nicht selektiv ist.

109. Jedoch genügt der Hinweis, dass die streitige Maßnahme klar und eindeutig zwischen dem Erwerb von Beteiligungen eines in Spanien steuerpflichtigen Unternehmens an einem „ausländischen Unternehmen“ und dem Erwerb von Beteiligungen eines in Spanien steuerpflichtigen Unternehmens an einem in Spanien ansässigen Unternehmen unterscheidet. Da das Gericht nicht festgestellt hat, dass die Unternehmen, die diese Transaktionen durchführen, sich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, hat es meines Erachtens dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es der Kommission, um den selektiven Charakter einer Maßnahme im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darzutun, die Pflicht auferlegt hat, eine Gruppe von Unternehmen mit eigenen Merkmalen zu bestimmen.

110. Nach alledem ist der erste Teil des einzigen von der Kommission geltend gemachten Rechtsmittelgrundes meiner Ansicht nach begründet.

B –    Zum zweiten Teil

1.      Vorbringen der Parteien

111. Mit dem zweiten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht habe bei der Anwendung der Rechtsprechung zu Ausfuhrbeihilfen einen Rechtsfehler begangen und eine künstliche Unterscheidung zwischen Ausfuhrbeihilfen und Beihilfen für die Ausfuhr von Kapital eingeführt.

112. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs lege unzweideutig fest, dass eine Ausfuhrbeihilfe selektiv sei, selbst wenn sie sämtliche Ausfuhren begünstige.

113. Erstens habe das Gericht in den Rn. 73 und 74 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie in den Rn. 77 und 78 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), falsch angewendet, indem es befunden habe, dass diese Rechtsprechung nicht die Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme betroffen habe, sondern nur die in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehene Voraussetzung betreffend die Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.

114. Zweitens wirft die Kommission dem Gericht vor, in den Rn. 79 bis 81 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in den Rn. 83 bis 85 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission eine künstliche Unterscheidung zwischen Ausfuhrbeihilfen und Beihilfen für die Ausfuhr von Kapital eingeführt zu haben.

115. Das Gericht habe angenommen, dass die Gruppe der begünstigten Unternehmen, auf deren Grundlage auf die Selektivität der Maßnahme, die in den Rechtssachen in Rede gestanden habe, in denen die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), ergangen seien, habe geschlossen werden können, aus den exportierenden Unternehmen bestanden habe. Dem Gericht zufolge habe diese Gruppe aus Unternehmen bestanden, die aufgrund gemeinsamer Merkmale, die mit ihrer Exporttätigkeit zusammenhingen, unterschieden werden könnten. In Bezug auf die Voraussetzung der Selektivität und insbesondere in Bezug auf die Ermittlung einer besonderen Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen, die aufgrund gemeinsamer Merkmale unterschieden werden können, ist die Kommission der Auffassung, dass kein Unterschied zwischen der Ausfuhr von Waren und der Ausfuhr von Kapital bestehe.

116. Der vom Gericht verfolgte Ansatz verkenne die Rolle und die Finalität der Regeln über staatliche Beihilfen aus dem Blickwinkel des Schutzes des Binnenmarkts. Mit dieser Regelung solle u. a. verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten wirtschaftliche Vorteile gewährten, die speziell an die Ausfuhr von Waren oder Kapital gebunden seien. Die Tatsache, speziell die Ausfuhr von Kapital zu begünstigen, könne im Übrigen genauso wie die Tatsache, speziell die Ausfuhr von Waren zu begünstigen, Verzerrungen im Binnenmarkt hervorrufen.

117. In ihrer Erwiderung macht die Kommission geltend, sie habe keineswegs die Auffassung vertreten, dass Ausfuhrbeihilfen unter einen anderen Begriff der Selektivität fielen. Sie spreche die vom Gericht bei der Auslegung und Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich von Ausfuhrbeihilfen begangenen Fehler an.

118. WDFG sowie Banco Santander und Santusa sind der Ansicht, das Gericht habe die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), richtig ausgelegt. Was das Urteil vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), anbelangt, führen sie aus, der Begriff Beihilfe sei eingeschränkt geprüft worden, und die Entscheidung habe die Beeinträchtigung des Handels und des Wettbewerbs betroffen. Zudem sei die Frage der Selektivität im Urteil vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), nicht angesprochen worden. In den Rn. 71 ff. des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in den Rn. 75 ff. des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission habe das Gericht auf den Bezugsrahmen hingewiesen, den man für die Prüfung, ob eine Maßnahme selektiv sei oder nicht, heranziehen müsse. Das Gericht habe ausgeführt, dass die Selektivität auf dem Gebiet des Mitgliedstaats geprüft werden und die Kommission dartun müsse, dass die Maßnahme eine bestimmte Gruppe von Unternehmen unter Ausschluss anderer Unternehmen begünstige. Zwar habe die Kommission eine solche Abgrenzung in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), ergangen sei, vorgenommen, im vorliegenden Fall fehle eine solche Abgrenzung jedoch vollständig.

119. Ausfuhrbeihilfen müssten im Hinblick auf das Kriterium der Selektivität genauso geprüft werden wie andere staatliche Maßnahmen. In den Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), habe der Gerichtshof zutreffend die Ansicht vertreten, dass alle begünstigten Unternehmen – abgesehen von der Tatsache, dass sie die Voraussetzungen erfüllt hätten, aufgrund deren sie in den Genuss der Maßnahme hätten kommen können – gemeinsame Eigenschaften hätten, aufgrund deren sie als einem klar abgegrenzten Wirtschaftsbereich zugehörig hätten eingestuft werden können, nämlich dem Exportsektor. Es habe sich um Unternehmen gehandelt, die für die Ausfuhr bestimmte Waren hergestellt hätten.

120. Unternehmen aller Bereiche und aller Größen, unabhängig davon, ob ihre Produktion für den nationalen Markt oder das Ausland bestimmt gewesen sei, hätten von der streitigen Maßnahme Gebrauch gemacht. Die Kommission habe sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren zahlreiche Gelegenheiten gehabt, das Vorliegen einer Gruppe von Unternehmen, die von der streitigen Maßnahme begünstigt werde, darzutun, was sie nie getan habe. Das Argument der Kommission, wonach es eine Gruppe von „Kapital ausführenden“ Unternehmen gebe, die von der streitigen Maßnahme begünstigt würden, stelle damit eine im Rahmen eines Rechtsmittels unzulässige Tatsachenbehauptung dar.

121. Die Ausfuhr von Waren und die Ausfuhr von Kapital seien nicht gleichwertig, u. a. weil die auf Waren und Dienstleistungen anwendbaren Vorschriften nicht dieselben seien wie die auf Kapital anwendbaren. Alle Unternehmen verfügten über ein Kapital oder könnten es investieren, so dass es sich offenbar nicht um ein Merkmal handele, das eine Selektivität hervorrufen könne. Außerdem sei klar, wie die Kommission selbst in ihrem Rechtsakt(86) eingeräumt habe, dass die Regeln über den freien Kapitalverkehr eine Maßnahme wie die in Rede stehende, die Transaktionen (Erwerb von Beteiligungen an spanischen Unternehmen und Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen) unterschiedlich behandle, die, selbst wenn sie von denselben Unternehmen (jedem Unternehmen) getätigt würden, ebenfalls unterschiedlich seien, nicht verböten.

122. Das Königreich Spanien macht geltend, es gebe keine wirtschaftliche Tätigkeit, die in der Ausfuhr von Kapital bestehe. Die streitige Maßnahme begünstige nicht bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige, da sie nicht das Angebot von Waren und Dienstleistungen auf dem Markt betreffe.

123. Irland teilt die Ansicht von WDFG sowie von Banco Santander und Santusa, wonach die Urteile, auf die sich die Kommission berufe, Maßnahmen beträfen, die eine identifizierbare Gruppe von Unternehmen oder Waren, nämlich den Exportsektor, begünstigten. Die Exporteure bildeten eine Gruppe von Unternehmen, die leicht zu identifizieren sei. Entgegen dem Vorbringen der Kommission gebe es jedoch keine uniforme Gruppe von Unternehmen, die „Kapital exportierten“, da jedes Unternehmen, das eine Akquisition im Ausland tätige, „Kapital exportiere“.

124. Die Bundesrepublik Deutschland führt aus, es handele sich, soweit die Kommission, hilfsweise, geltend mache, dass die streitige Maßnahme mit einer Beihilfemaßnahme für die Ausfuhr von Waren vergleichbar sei und damit auch die hinreichend abgegrenzte Gruppe der Exportunternehmen betreffe, um ein Nachschieben von Gründen für die streitigen Rechtsakte, das im Rechtsmittelverfahren unzulässig sei.

125. Die in der von der Kommission angeführten Rechtsprechung in Rede stehende Gruppe von Exportunternehmen unterscheide sich von den anderen Unternehmen gerade wegen gemeinsamer Merkmale, die mit ihrer Exporttätigkeit zusammenhingen, die gegebenenfalls an die Tätigung spezifischer Investitionen geknüpft sei. So habe sich der Gerichtshof im Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), nicht auf die Vornahme von Investitionen gestützt, sondern dieses Kriterium nur als eines von vielen berücksichtigt, darunter zuallererst und gemäß dem Wortlaut von Art. 107 Abs. 1 AEUV die Art der „Produktion“ der begünstigten Unternehmen, um diese Gruppe von sämtlichen anderen Unternehmen zu unterscheiden.

2.      Würdigung

126. Erstens bin ich im Einklang mit dem in Nr. 113 der vorliegenden Schlussanträge dargestellten Vorbringen der Kommission der Auffassung, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es befunden hat, die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), hätten nicht das Kriterium der Selektivität betroffen, sondern nur die in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehene Voraussetzung der Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels.

127. In Rn. 20 des Urteils vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68) hat der Gerichtshof für Recht erkannt: „Ein Vorzugsrediskontsatz für die Ausfuhr, den ein Mitgliedstaat nur zugunsten ausgeführter einheimischer Erzeugnisse gewährt, um dazu beizutragen, dass sie in den anderen Mitgliedstaaten mit den dortigen Erzeugnissen konkurrieren können, ist eine Beihilfe im Sinne von Artikel [107 AEUV]“. Ferner hat der Gerichtshof in Rn. 8 des Urteils vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), befunden, dass eine Zinserstattung, die nur Ausfuhrkrediten zugutekommt, eine Beihilfe für die griechischen Exportunternehmen darstellte. Sodann hat der Gerichtshof in Rn. 10 des Urteils vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), festgestellt, dass die in Rede stehende Maßnahme bestimmte Unternehmen begünstigte.

128. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Maßnahme, damit sie unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen und eine staatliche Beihilfe darstellen kann, kumulativ alle in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen muss. Daraus folgt, dass der Gerichtshof, als er in Rn. 20 des Urteils vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68), und in Rn. 8 des Urteils vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe feststellte, befunden hat, dass alle in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen einschließlich der Voraussetzung der Selektivität erfüllt waren.

129. In Rn. 120 des Urteils vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), schließlich hat der Gerichtshof als Antwort auf eine Bemerkung der spanischen Regierung, wonach eine auf alle Unternehmen anwendbare Maßnahme nur dann eine staatliche Beihilfe darstelle, wenn die nationale Verwaltung über ein gewisses Ermessen verfüge, sie anzuwenden(87), ausgeführt, dass diese Maßnahme (ein Steuerabzug) nur den Unternehmen zugutekommen konnte, die Ausfuhr betrieben und bestimmte, in den streitigen Maßnahmen geregelte Investitionen tätigten. Er hat die Auffassung vertreten, dass eine solche Feststellung genügt, um darzutun, dass dieser Steuerabzug die Bedingung der Spezifizität erfüllt, die eines der Merkmale des Begriffs der staatlichen Beihilfe, nämlich die Selektivität des betreffenden Vorteils, darstellt.

130. Meines Erachtens hat der Gerichtshof tatsächlich zur Selektivität der Maßnahmen Stellung bezogen, die in den Rechtssachen in Rede standen, in denen die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), ergangen sind.

131. Zweitens ist in Bezug auf die Erklärung der Kommission, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es eine Unterscheidung zwischen Beihilfen zur Ausfuhr von Waren und Beihilfen zur Ausfuhr von Kapital eingeführt habe, darauf hinzuweisen, dass das Kriterium der Selektivität das Vorliegen einer Diskriminierung betrifft, nämlich einer differenzierten steuerlichen Belastung der Unternehmen, die sich im Hinblick auf das dem Steuersystem dieses Mitgliedstaats zugewiesene Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, ohne dass dies gerechtfertigt ist. Daraus folgt, dass selbst wenn die in Rede stehende steuerliche Maßnahme sektorunabhängig gilt, die in den Nrn. 73 bis 75 der vorliegenden Schlussanträge beschriebene Prüfung in drei Schritten vorzunehmen ist, um zu bestimmen, ob diese Maßnahme selektiv ist.

132. Folglich ist es meines Erachtens nicht von Bedeutung, ob das Gericht eine künstliche Unterscheidung zwischen der Ausfuhr von Waren und der Ausfuhr von Kapital vorgenommen hat, wie die Kommission vorträgt, da es für die Einstufung einer steuerlichen Maßnahme als selektiv nicht notwendig ist, nachzuweisen, dass sie auf einen spezifischen Sektor oder auf eine Gruppe von Unternehmen mit eigenen Merkmalen anwendbar ist(88).

133. Daraus folgt, dass der zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes auf einer fehlerhaften Prämisse beruht.

134. Infolgedessen ist meiner Ansicht nach der zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen.

C –    Zusätzliche Erwägungen

135. Ich weise ergänzend darauf hin, dass es entgegen dem, was das Gericht in den Rn. 79 bis 83 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in den Rn. 83 bis 86 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission festgestellt hat, meines Erachtens auch keine „Gruppe der exportierenden Unternehmen“ gibt. Die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), betreffen lediglich Maßnahmen, die Ausfuhren begünstigen, und nicht eine Gruppe von ex ante identifizierbaren Unternehmen.

136. Ich bin der Ansicht, dass, wie es bei Investitionen oder dem Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen der Fall ist, jedes Unternehmen, das auf einem nationalen Markt tätig ist, eventuell Waren oder Dienstleistungen exportieren kann, auch wenn es nicht im Voraus darauf festgelegt ist. Die Unternehmen, die im Ausland investieren, oder diejenigen, die Waren oder Dienstleistungen exportieren, haben meines Erachtens keine eigenen Merkmale und bilden keine abgegrenzte und identifizierbare Gruppe.

137. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), bin ich der Ansicht, dass eine steuerliche Maßnahme selektiv ist, wenn sie Unternehmen begünstigt, die grenzüberschreitende Transaktionen durchführen, nicht aber Unternehmen, die vergleichbare Transaktionen auf nationaler Ebene durchführen(89). Meines Erachtens ist eine solche Maßnahme besonders verhängnisvoll für den Binnenmarkt, da sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar verzerrt. Hierzu stelle ich fest, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über staatliche Beihilfen u. a. verhindern sollen, dass ein Mitgliedstaat die Unternehmen begünstigen kann, die grenzüberschreitende Tätigkeiten durchführen(90). Diese Bestimmungen stellen daher die „Kehrseite der Medaille“ oder den „Spiegel“, wie in der mündlichen Verhandlung gesagt wurde, der Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital dar, mit denen die Errichtung von Hindernissen für grenzüberschreitende Tätigkeiten verhindert werden soll.

138. Daraus folgt, dass steuerliche Maßnahmen, die Unternehmen, die Kapital aus einem Mitgliedstaat ausführen, zu Lasten anderer begünstigen, die in einer vergleichbaren Situation im Inland investieren(91), gemäß den Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), selektiv im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV sind.

139. Aus diesen Gründen hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 81 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und in Rn. 85 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission festgestellt hat: „Aus der [sich aus den Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, EU:C:1969:68, Rn. 20), vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284, Rn. 8), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120), ergebenden] Rechtsprechung zu exportierenden Unternehmen kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Unionsgerichte anerkannt hätten, dass eine steuerliche Maßnahme als selektiv eingestuft wird, ohne dass eine besondere Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen, die aufgrund besonderer Merkmale unterschieden werden können, festgestellt würde.“

VI – Ergebnis

140. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 7. November 2014, Autogrill España/Kommission (T‑219/10, EU:T:2014:939), mit dem das Gericht Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 der Entscheidung 2011/5/EG der Kommission vom 28. Oktober 2009 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts‑ oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 7, S. 48) für nichtig erklärt hat, aufzuheben;

–        das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 7. November 2014, Banco Santander und Santusa/Kommission (T‑399/11, EU:T:2014:938), mit dem das Gericht Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 des Beschlusses 2011/282/EU der Kommission vom 12. Januar 2011 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts‑ oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 135, S. 1) für nichtig erklärt hat, aufzuheben;

–        die Rechtssachen an das Gericht der Europäischen Union zurückzuverweisen;

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Im Folgenden: angefochtenes Urteil Autogrill España/Kommission.


3 – Diese Bestimmung sieht im Wesentlichen vor, dass die Beihilferegelung, die das Königreich Spanien gemäß der Regelung des Art. 12 Abs. 5 des spanischen Körperschaftsteuergesetzes, der durch die Ley 24/2001 de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social (Gesetz Nr. 24/2001 über Steuer-, Verwaltungs- und soziale Maßnahmen) vom 27. Dezember 2001 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001, S. 50493) in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt und in das Real Decreto Legislativo 4/2004 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Impuesto sobre Sociedades (Königliches gesetzesvertretendes Dekret Nr. 4/2004 zum Erlass der Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes) vom 5. März 2004 (BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 10951) übernommen wurde (im Folgenden: streitige Regelung oder streitige Maßnahme), durchgeführt und unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig angewendet hat, mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist.


4 – Diese Bestimmung sieht die Rückforderung der Beihilfen vor.


5 – ABl. 2011, L 7, S. 48, im Folgenden: erster streitiger Rechtsakt.


6 – Im Folgenden: angefochtenes Urteil Banco Santander und Santusa/Kommission.


7 – Diese Bestimmung lautet: „Die Beihilferegelung, die das Königreich Spanien nach Artikel 12 Absatz 5 des Real Decreto Legislativo Nr. 4/2004 vom 5. März 2005, mit dem die Änderungen an der Ley del Impuesto sobre Sociedades (spanisches Körperschaftsteuergesetz) konsolidiert wurden, durchgeführt und unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] rechtswidrig angewendet hat, ist in Bezug auf die den Begünstigten für die Durchführung von Erwerben außerhalb der Union gewährten Beihilfen mit dem Binnenmarkt unvereinbar.“


8 – Diese Bestimmung sieht die Rückforderung der Beihilfen vor.


9 – ABl. 2011, L 135, S. 1, im Folgenden: zweiter streitiger Rechtsakt.


10 – Im Folgenden zusammen: streitige Rechtsakte.


11 – Gemäß der streitigen Maßnahme berechnet sich der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert durch Abzug des Marktwerts der materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Zielunternehmens von dem für die Beteiligung entrichteten Kaufpreis. Mit dem in der streitigen Maßnahme behandelten Begriff des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts wird damit ein Terminus, der im Allgemeinen bei der Übertragung von Unternehmensteilen oder bei Unternehmensverschmelzungen verwendet wird, in den Bereich des Beteiligungserwerbs eingeführt. Vgl. 20. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts, der mit dem 29. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts identisch ist.


12 – Der Erwerb einer Beteiligung wird als Vorgang definiert, bei dem ein Unternehmen Anteile am Kapital eines anderen Unternehmens erwirbt, ohne dabei die Mehrheit oder die Kontrolle der Stimmrechte des Zielunternehmens zu erreichen. Vgl. 23. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts, der mit dem 32. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts identisch ist.


13 – Nach den streitigen Rechtsakten muss ein Unternehmen für die Einstufung als „ausländisches Unternehmen“ einer Steuer unterliegen, die mit der in Spanien geltenden Steuer vergleichbar ist, und seine Einnahmen müssen hauptsächlich aus im Ausland durchgeführten unternehmerischen Tätigkeiten oder vergleichbaren Einnahmen stammen. Vgl. 21. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts und 30. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts.


14 – Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, „[s]oweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, … staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.


15 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Trapeza Eurobank Ergasias (C‑690/13, EU:C:2015:235, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist darauf hinzuweisen, dass die Qualifizierung als „Beihilfe“ im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a. (C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16 – Die allgemeine oder normale Steuerregelung wird manchmal auch Bezugsregelung genannt.


17 – Im Folgenden zusammen: angefochtene Urteile.


18 – Vgl. Rn. 64 bis 68 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 68 bis 72 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


19 – Vgl. 19. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts, der mit dem 28. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts identisch ist. Eine Unternehmensverschmelzung ist ein Vorgang, bei dem ein oder mehrere Unternehmen zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr Gesellschaftsvermögen auf ein anderes, bereits bestehendes Unternehmen oder auf ein von ihnen neu gegründetes Unternehmen übertragen, wobei die Gesellschafter des übertragenden Unternehmens/der übertragenden Unternehmen im Gegenzug Anteile am Gesellschaftskapital des anderen Unternehmens erhalten. Vgl. 23. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts, der mit dem 32. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts identisch ist.


20 – Vgl. Art. 1 Abs. 1 des zweiten streitigen Rechtsakts.


21 – Vgl. Art. 4 des zweiten streitigen Rechtsakts.


22 – Zweitens sei die Maßnahme nicht selektiv, da sich die mit ihr eingeführte Differenzierung aus der Art oder dem inneren Aufbau des Systems ergebe, das die Maßnahme umfasse. Drittens verschaffe die Maßnahme den Unternehmen, auf die die streitige Regelung angewandt werde, keinen Vorteil, und viertens sei die streitige Entscheidung sowohl hinsichtlich des Kriteriums der Selektivität als auch des Vorliegens eines Vorteils unzureichend begründet.


23 – Zweitens sei die Feststellung des Bezugssystems fehlerhaft. Drittens sei die Maßnahme nicht selektiv, da sich die mit ihr eingeführte Differenzierung aus der Art oder dem inneren Aufbau des Systems ergebe, das die Maßnahme umfasse. Viertens verschaffe die Maßnahme den Unternehmen, auf die die streitige Regelung angewandt werde, keinen Vorteil. Fünftens sei der angefochtene Beschluss sowohl hinsichtlich des Kriteriums der Selektivität als auch des Vorliegens eines Vorteils unzureichend begründet.


24 – Vgl. Rn. 33 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 37 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


25 – Vgl. Rn. 44 und 45 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie Rn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


26 – Vgl. Rn. 52 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 56 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


27 – Vgl. Rn. 53 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 57 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


28 – Vgl. Rn. 55 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 59 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


29 – Vgl. Rn. 56 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 60 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


30 – Vgl. Rn. 57 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 61 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


31 – Vgl. Rn. 58 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 62 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


32 – Vgl. Rn. 59 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 63 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


33 – Vgl. Rn. 60 bis 62 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 64 bis 66 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


34 – Vgl. Rn. 63 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 67 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


35 – Vgl. Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission (173/73, EU:C:1974:71, Rn. 27), vom 29. April 2004, Niederlande/Kommission (C‑159/01, EU:C:2004:246, Rn. 51), und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 87 und 88).


36 – Vgl. Rn. 64 bis 68 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 68 bis 72 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


37 – Vgl. Rn. 69 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 73 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


38 – Vgl. Rn. 75 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 79 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


39 – Vgl. Rn. 76 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 80 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


40 – Vgl. Rn. 77 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 81 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


41 – Vgl. Rn. 79 und 80 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie Rn. 82 und 83 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


42 – Vgl. Rn. 82 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 86 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


43 – Dem Gericht zufolge „hat der Gerichtshof [in Rn. 42 dieses Urteils] entschieden, dass der Umstand, dass nur diejenigen Steuerpflichtigen die in dieser Rechtssache in Rede stehende Maßnahme in Anspruch nehmen könnten, die die Voraussetzungen für deren Anwendung erfüllten, als solcher der Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen könne“.


44 – Urteile vom 14. Januar 2015, Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 54 und 55), und vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 82).


45 – Nichts anderes folgt aus den Rn. 91 bis 93 des Urteils vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), in denen der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Einstufung eines Steuersystems als „selektiv“ nicht von der Bestimmung eines Bezugsrahmens und einer Ausnahme zu diesem Rahmen abhängig ist, wenn ein Steuersystem, das, statt allgemeine Vorschriften für sämtliche Unternehmen vorzusehen, von denen zugunsten bestimmter Unternehmen Ausnahmen gemacht werden, zu demselben Ergebnis führt, indem es die Steuervorschriften derart anpasst und verknüpft, dass ihre Anwendung selbst zu einer unterschiedlichen steuerlichen Belastung für die verschiedenen Unternehmen führt.


46 – Vgl. Urteil vom 6. September 2006, Portugal/Kommission (C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56), in dem der Gerichtshof für Recht erkannt hat, dass „… zur Beurteilung der Selektivität der fraglichen Maßnahme zu prüfen [ist], ob sie im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt. Der Bestimmung des Bezugsrahmens kommt im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu, da das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nur in Bezug auf eine so genannte ‚normale‘ Besteuerung festgestellt werden kann …“. Hervorhebung nur hier.


47 – In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, eine solche Maßnahme sei prima facie als selektiv anzusehen.


48 – Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). In Rn. 49 des Urteils vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a. (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550), hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „[d]ie Einstufung einer nationalen Steuermaßnahme als ‚selektiv‘ … in einem ersten Schritt voraus[setzt], dass im Vorfeld die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder ‚normale‘ Steuerregelung ermittelt und geprüft wird. Anhand dieser allgemeinen oder ‚normalen‘ Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen und festzustellen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden“. Wenn sich also die von der fraglichen steuerlichen Maßnahme Begünstigten und die Steuerzahler, denen diese Maßnahme nicht zugutekommt, im Hinblick auf das von der normalen Regelung verfolgte Ziel nicht in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, dann ist die Maßnahme nicht selektiv. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a. (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 63 und 64), und vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 42).


49 – Nach Ansicht der Kommission kann mit diesem dritten Schritt verhindert werden, dass wirklich allgemeine Maßnahmen als selektiv angesehen werden. Folglich sei das neue vom Gericht herausgearbeitete Kriterium nicht notwendig und beeinträchtige die klassische von der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelte Selektivitätsprüfung. Außerdem habe das Gericht durch die Einführung dieses neuen Kriteriums eine neue Kategorie von Maßnahmen geschaffen, nämlich solche, die zugleich allgemein und derogativ seien. Eine solche Kategorie von Maßnahmen sei unlogisch.


50 – Vgl. in diesem Sinne Rn. 54 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 58 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


51 – Vgl. Rn. 9 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 14 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


52 – Vgl. Rn. 13 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 18 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


53 – Vgl. Rn. 50 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 54 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


54 – Nach Ansicht von WDFG sowie von Banco Santander und Santusa hat das Gericht die Definition des Bezugssystems überhaupt nicht bestätigt.


55 – Vgl. Rn. 44 und 45 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie Rn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


56 – Hingegen kann eine staatliche Maßnahme, die unterschiedslos allen Unternehmen im Inland zugutekommt, keine staatliche Beihilfe darstellen. Vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 35).


57 – In Rn. 61 des Urteils vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL (C‑15/14 P, EU:C:2015:362), hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „der Vergleichsmaßstab für die Feststellung, ob die in der vorliegenden Rechtssache beanstandete Maßnahme selektiv war, in der Prüfung bestand, ob [sie] eine durch den Zweck und den allgemeinen Zusammenhang des betreffenden Systems nicht gerechtfertigte Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden“.


58 – Der Begriff Selektivität ist nämlich mit dem Begriff Diskriminierung vergleichbar. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Januar 2015, Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 53), und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 101). Vgl. Nr. 54 der Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Kommission/MOL (C‑15/14 P, EU:C:2015:32) und Nr. 29 der Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑270/15 P, EU:C:2016:289).


59 – Die beiden Rechtssachen betrafen die Entscheidung der Kommission vom 11. Dezember 2001 über die staatliche Beihilferegelung, die Italien zugunsten der Banken durchgeführt hat (ABL. 2002, L 184, S. 27).


60 – Dementsprechend begünstigten die Maßnahmen Unternehmen anderer Wirtschaftssektoren nicht.


61 – Hervorhebung nur hier.


62 – Selbstverständlich sind steuerliche Maßnahmen, die Unternehmen eines Sektors zulasten anderer Unternehmen oder große Unternehmen zulasten kleiner Unternehmen begünstigen, selektiv.


63 – Vgl. entsprechend Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 87 und 93).


64 – Vgl. in diesen Sinne Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 120). Der Gerichtshof hat befunden, dass ein Steuerabzug, der nur einer Gruppe von Unternehmen zugutekommen konnte, nämlich denjenigen, die Ausfuhr betreiben und bestimmte, in den streitigen Maßnahmen geregelte Investitionen tätigen, selektiv ist.


65 – Vgl. Urteil vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission (C‑409/00, EU:C:2003:92, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine Beihilfe kann selbst dann selektiv im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV sein, wenn sie einen ganzen Wirtschaftssektor (vgl. u. a. Urteile vom 17. Juni 1999, Belgien/Kommission, C‑75/97, EU:C:1999:311, Rn. 33, und vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 53) oder mehrere Sektoren betrifft (vgl. Urteil vom 20. November 2003, GEMO, C‑126/01, EU:C:2003:622, Rn. 37 bis 39).


66 – Es ist darauf hinzuweisen, dass die streitige Maßnahme für alle Beteiligungen von mindestens 5 % an einem ausländischen Unternehmen gilt, die mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten werden, ohne dass ein Mindestbetrag oder eine andere Mindestinvestitionsschwelle vorgeschrieben wird.


67 – Vgl. Rn. 52 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 56 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


68 – Meines Erachtens benutzt das Gericht einen Sophismus, wenn es der Ansicht ist, dass eine steuerliche Maßnahme, die potenziell allen Unternehmen zugänglich ist, nicht selektiv ist, obwohl diese Maßnahme zwischen den Unternehmen unterscheidet, die entsprechende Transaktionen tätigen. Entgegen dem in Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Vorbringen von WDFG und Banco Santander und Santusa ist eine steuerliche Maßnahme nicht automatisch selektiv, wenn sie nicht ausnahmslos von allen Unternehmen eines Mitgliedstaats angewendet wird, denn nicht alle diese Unternehmen befinden sich zwangsläufig in vergleichbaren Situationen. Eine steuerliche Maßnahme ist nur selektiv, wenn sie zwischen vergleichbaren Situationen unterscheidet. Entgegen den in Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Erklärungen der Streithelfer gefährdet folglich die Anwendung des Kriteriums der Selektivität, wenn Steuerpflichtige in vergleichbaren Situationen unterschiedlich behandelt werden, nicht das institutionelle Gleichgewicht zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, sondern entspricht dem Willen des Verfassungsgebers, der im Wortlaut von Art. 107 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck kommt.


69 – Vgl. entsprechend Nrn. 81 und 82 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Finanzamt Linz (C‑66/14, EU:C:2015:242), wo sie ausführt: „Aufgrund des Umstands allein aber, dass eine Steuerregelung nur denjenigen Unternehmen einen Vorteil gewährt, die ihre Voraussetzungen erfüllen, kann nach der Rechtsprechung die Selektivität der Regelung noch nicht festgestellt werden. Auf der anderen Seite kann die Selektivität offensichtlich auch nicht stets mit der Begründung verneint werden, dass unterschiedslos alle Wirtschaftsteilnehmer den Vorteil der Steuerregelung in Anspruch nehmen können, sofern sie deren Voraussetzungen erfüllen. Denn in diesem Fall wäre die Selektivität einer Steuerregelung immer abzulehnen. … Die Rechtsprechung hat deshalb bei steuerlichen Vorteilen für die Feststellung ihrer Selektivität spezielle Voraussetzungen aufgestellt. Danach ist letztlich entscheidend, ob die Voraussetzungen für den steuerlichen Vorteil nach den Maßstäben des nationalen Steuersystems diskriminierungsfrei gewählt sind.“ Hervorhebung nur hier.


70 – Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien (vgl. Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge) und Irlands (vgl. Nr. 65 der vorliegenden Schlussanträge) steht die streitige Maßnahme nicht jedem Unternehmen, das vergleichbare Transaktionen durchführt, offen.


71 – Der Gerichtshof hat zwar in Rn. 42 des Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184), tatsächlich für Recht erkannt, dass „[d]er Umstand, dass nur die Steuerpflichtigen, die diese Voraussetzungen erfüllen, diese Maßnahme in Anspruch nehmen können, … als solcher dieser Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen [kann]“, er hat jedoch anschließend in derselben Rn. 42 festgestellt, dass sich die Personen, denen die in dieser Rechtssache in Rede stehende Maßnahme nicht zugutekommt, nicht in einer tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, die im Hinblick auf das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel mit derjenigen der Steuerpflichtigen, denen die Maßnahme zugutekommt, vergleichbar ist. Angesichts der Tatsache, dass das Gericht in den angefochtenen Urteilen die Vergleichbarkeit zwischen dem Erwerb von Beteiligungen eines in Spanien steuerpflichtigen Unternehmens an einem „ausländischen Unternehmen“ und dem Erwerb von Beteiligungen eines in Spanien steuerpflichtigen Unternehmens an einem in Spanien ansässigen Unternehmen nicht in Frage gestellt hat, ist meines Erachtens die Relevanz von Rn. 42 des Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184) im vorliegenden Fall sehr gering.


72 – Art. 107 Abs. 1 AEUV unterscheidet nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen und somit unabhängig von den verwendeten Techniken. Vgl. Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 87).


73 – Vgl. entsprechend Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 93).


74 – Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge) ist im Rahmen einer solchen Analyse nicht auch zu prüfen, ob es eine Gruppe von bevorteilten Steuerpflichtigen gibt. Ansonsten wären selektive steuerliche Maßnahmen, die bestimmten Steuerpflichtigen zulasten anderer, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, zugutekommen können, der Kontrolle auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen von vornherein aus dem bloßen Grund entzogen, dass sie „auf einer anderen Regelungstechnik beruhen, obwohl sie rechtlich und/oder tatsächlich dieselben Wirkungen entfalten“. Vgl. Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 92).


75 – Meines Erachtens bedeutet der Umstand, dass die streitige Maßnahme ihre Anwendung von keinem Mindestbetrag abhängig macht, nicht, dass diese Maßnahme nicht selektiv ist. Das Fehlen einer auf einen Mindestbetrag gestützten Anwendungsvoraussetzung bedeutet lediglich, dass es kein Selektivitätskriterium gibt, das auf der Größe des Unternehmens, die a priori selektiv ist, basiert. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande (C‑279/08 P, EU:C:2011:551).


76 – Hervorhebung nur hier.


77 – Hervorhebung nur hier.


78 – Hervorhebung nur hier.


79 – Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 101).


80 – Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 101 und 102).


81 – Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 103 und 104).


82 – Vgl. Rn. 50 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission und Rn. 54 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission.


83 – Vgl. Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge.


84 – Hervorhebung nur hier.


85 – Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 35 und 36).


86 – Vgl. 135. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts und 160. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts.


87 – Vgl. Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 96).


88 – Vgl. Nrn. 83 und 84 der vorliegenden Schlussanträge.


89 – Der 154. Erwägungsgrund des zweiten streitigen Rechtsakts sieht vor, dass „die streitige Maßnahme darauf ab[zielt], die Ausfuhr von Kapital aus Spanien zu fördern, um die Position spanischer Unternehmen im Ausland zu stärken, was zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der durch die Regelung begünstigten Unternehmen führt“. Vgl. auch 129. Erwägungsgrund des ersten streitigen Rechtsakts.


90 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland (C‑369/07, EU:C:2009:428, Rn. 119).


91 – Und die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.