URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

25. April 2013(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Sozialpolitik – Rechtsangleichung – Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers – Richtlinie 2008/94/EG – Geltungsbereich – Betriebliche Zusatzversorgungseinrichtungen – Leistungsorientiertes Kostenausgleichssystem – Unzureichende finanzielle Mittel – Mindestschutzniveau – Wirtschaftskrise – Ausgewogene wirtschaftliche und soziale Entwicklung – Verpflichtungen des betroffenen Mitgliedstaats bei unzureichenden finanziellen Mitteln – Haftung des Mitgliedstaats bei nicht ordnungsgemäßer Umsetzung“

In der Rechtssache C‑398/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Irland) mit Entscheidung vom 20. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2011, in dem Verfahren

Thomas Hogan,

John Burns,

John Dooley,

Alfred Ryan,

Michael Cunningham,

Michael Dooley,

Denis Hayes,

Marion Walsh,

Joan Power,

Walter Walsh

gegen

Minister for Social and Family Affairs,

Ireland,

Attorney General

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász (Berichterstatter), J. Malenovský und D. Šváby,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Oktober 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Hogan u. a., vertreten durch G. Byrne, Solicitor, M. Collins, SC, und C. Donnelly, BL,

–        des Minister for Social and Family Affairs, Irlands und des Attorney General, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigter, im Beistand von B. Murray, BL, und E. Carolan, BL,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch J. Langer als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Rozet und J. Enegren als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 und 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 36).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Hogan und anderen ehemaligen Arbeitnehmern der Waterford Crystal Ltd (im Folgenden: Waterford Crystal) einerseits und dem Minister for Social and Family Affairs, Irland und dem Attorney General andererseits über die Umsetzung der Richtlinie 2008/94.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 gilt diese für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 sind.

4        Nach dem Wortlaut von Art. 8 der Richtlinie vergewissern sich die Mitgliedstaaten, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.

 Irisches Recht

 Die gesetzliche Rente

5        In Bezug auf die gesetzliche Rente in Irland geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass die Regierung die Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in Form eines Sozialversicherungsfonds hält. Obwohl diese Beiträge „Pay Related Social Insurance“ (entgeltbezogene Sozialversicherung) genannt werden, wird die gesetzliche Rente unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers während seines Erwerbslebens gezahlt.

6        Die Grundrente beträgt 230,30 Euro pro Woche und wird an jede Person ausgezahlt, die das Rentenalter erreicht und die während ihres Erwerbslebens vom Arbeitsentgelt abhängige Sozialversicherungsbeiträge in bestimmter Höhe einbezahlt hat. Die Funktionsweise des gesetzlichen Rentensystems ist unabhängig von den Ansprüchen, die eine Person aus einem Betriebsrentensystem erworben hat, sei es aus einem leistungsorientierten System oder einem beitragsorientierten System.

 Leistungsorientierte betriebliche Zusatzversorgungseinrichtungen

7        In Irland werden bei den meisten leistungsorientierten betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen die Aktiva der Einrichtungen Trustees, Treuhändern, anvertraut, die sie ausschließlich zugunsten der Mitglieder der betreffenden Einrichtung halten; diese Aktiva gehören nicht dem Arbeitgeber und dürfen nicht zur Befriedigung der Gläubiger im Fall von dessen Zahlungsunfähigkeit verwendet werden.

8        Bei einer solchen Versorgungseinrichtung haben die Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Versorgungseinrichtung ausreichende Aktiva aufweist. Der Schutz dieser Aktiva wird durch Rückgriff auf einen Trust sichergestellt, wodurch sie vom Vermögen des Arbeitgebers getrennt sind.

9        Gemäß der nationalen Regelung werden die Zusatzversorgungseinrichtungen durch Beiträge finanziert, die vom Arbeitgeber und den Arbeitnehmern entrichtet werden. Für Letztere wird ein fester Prozentsatz ihres Arbeitsentgelts an den Pensionsfonds abgeführt, während die Arbeitgeber einen jährlichen Beitrag zahlen, um zu garantieren, dass die Zusatzversorgungseinrichtung langfristig über genügend Aktiva zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten verfügt.

10      Um die Höhe des Beitrags des Arbeitgebers zu bestimmen, verlangt der Pensions Act 1990 (Rentengesetz von 1990) in geänderter Fassung vom Aktuar, seine Berechnungen nach einer spezifischen Norm, die „Minimum Funding Standard“ („Mindestfinanzierungsstandard“) genannt wird, vorzunehmen. Daraus folgt, dass die Zusatzversorgungseinrichtungen ein „Kostenausgleichssystem“ sind, da der Arbeitgeber jährlich den für einen langfristigen Ausgleich von Aktiva und Passiva erforderlichen Betrag zusätzlich zu den Beiträgen der Arbeitnehmer beisteuert.

11      Die Statuten der Pensionsfonds erlauben dem Arbeitgeber, die Zusatzversorgungseinrichtungen jederzeit zu liquidieren und somit seiner Beitragspflicht ein Ende zu setzen. Diese Statuten sehen vor, dass im Fall der Liquidation des Fonds, sei es aus Gründen der Entscheidung des Arbeitgebers, seinen Verpflichtungen ein Ende zu setzen, aus Gründen der Zahlungsunfähigkeit oder aus jedem anderen Grund, die Arbeitnehmer einen Teil der Aktiva des Fonds erhalten.

12      In Irland kann eine leistungsorientierte betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung die gesetzliche Rente berücksichtigen. Ein solches System wird „integrated pension“ („Zusatzrente“) genannt.

 Die Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 in irisches Recht

13      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die einzige Maßnahme des nationalen Rechts, die ausdrücklich erlassen worden sei, um Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23), nunmehr Art. 8 der Richtlinie 2008/94, umzusetzen, Art. 7 des Protection of Employees (Employers’ Insolvency) Act 1984 (Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers) sei, der vorsehe, dass jeder vom Arbeitgeber in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einbehaltene oder zu zahlende Beitrag an die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung entrichtet werde.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind zehn ehemalige Arbeitnehmer von Waterford Crystal, eines seit 1947 auf die Herstellung sehr feiner Kristallwaren spezialisierten Unternehmens, das sich in der Stadt Waterford (Irland) befindet. Für acht der Kläger des Ausgangsverfahrens war der Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zwischen 2011 und 2013 vorgesehen, für die beiden anderen 2019 und 2022.

15      Für diese Kläger war eine der Beschäftigungsbedingungen, einer der von ihrem Arbeitgeber gegründeten leistungsorientierten betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen beizutreten, dem Waterford Crystal Limited Contributory Pension Scheme for Factory Employees oder dem Waterford Crystal Limited Contributory Pension Scheme for Staff, die 1975 bzw. 1960 durch Gründung eines Trusts geschaffen worden waren.

16      Diese Versorgungseinrichtungen sahen für die Mitglieder, die im Regelalter in den Ruhestand gingen, die Möglichkeit vor, eine Leistung bei Alter zu erhalten, deren Basis das tatsächliche Endgehalt („actual final salary“) ist, von dem die gesetzliche Rente („State pension“) abgezogen wird. Nach diesem Abzug („final pensionable salary“ [„letztes rentenfähiges Gehalt“]) stellen zwei Drittel des so erhaltenen Betrags die Leistung bei Alter der leistungsorientierten betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen dar.

17      Zu Beginn des Jahres 2009 wurde für Waterford Crystal ein Insolvenzverwalter bestellt und ihre Zahlungsunfähigkeit festgestellt. Die von diesem Unternehmen gegründeten Zusatzversorgungseinrichtungen wurden am 31. März 2009 liquidiert, wobei sich die Gesamthöhe der Aktiva auf 130 Mio. Euro belief, die Passiva auf 240 Mio. Euro und das Defizit somit ungefähr 110 Mio. Euro betrug.

18      Der von den Klägern des Ausgangsverfahrens engagierte Aktuar berechnete, dass sie 18 % bis 28 % der Beträge erhielten, auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie den aktuellen Wert ihrer Anwartschaftsrechte auf die Leistung bei Alter bekommen hätten. Der von Irland bestellte Aktuar, der diese Berechnung teils kritisierte, war der Ansicht, dass dieser Prozentsatz zwischen 16 % und 41 % betrage und nicht annähernd die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C‑278/05, Slg. 2007, I‑1053), genannten 49 %.

19      Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben daher Klage und machten geltend, Irland habe in Anbetracht des Urteils Robins u. a. Art. 8 der Richtlinie 2008/94 nicht ordnungsgemäß umgesetzt.

20      Irland dagegen trägt vor, sowohl vor als auch nach dem Urteil Robins u. a. zahlreiche wichtige Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Mitglieder der beruflichen Zusatzversorgungseinrichtungen erlassen zu haben.

21      Da der High Court der Auffassung ist, dass die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2008/94 für den Erlass seiner Entscheidung erforderlich ist, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

1.      Findet die Richtlinie 2008/94 im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie und die Tatsache, dass der von den Klägern geltend gemachte Verlust von Rentenleistungen nach irischem Recht keine Forderung gegen ihren Arbeitgeber darstellt, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens oder einer Liquidation des Unternehmens ihres Arbeitgebers anerkannt würde, und nach irischem Recht auch sonst keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber unter den Umständen des vorliegenden Rechtsstreits besteht, auf den Fall der Kläger Anwendung?

2.      Ist das nationale Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob der Staat seine Verpflichtungen gemäß Art. 8 der Richtlinie 2008/94 erfüllt hat, befugt, die staatlichen beitragsbezogenen Rentenleistungen zu berücksichtigen, die die Kläger beziehen werden (der Bezug dieser Leistungen wird durch einen Zusammenhang mit dem betrieblichen Altersversorgungssystem nicht berührt), und Folgendes miteinander zu vergleichen: a) den Gesamtbetrag der staatlichen Rentenleistungen und den Wert der Leistungen, die die Kläger tatsächlich aus dem betreffenden betrieblichen Versorgungssystem beziehen oder wahrscheinlich beziehen werden, mit b) dem Gesamtbetrag der staatlichen beitragsbezogenen Rentenleistungen und dem Wert der erworbenen Rechte auf Rentenleistungen des jeweiligen Klägers zum Zeitpunkt der Liquidation des Altersversorgungssystems, wobei die staatlichen Rentenleistungen bei der Bestimmung der Höhe der von den Klägern geltend gemachten Rentenleistungen berücksichtigt wurden?

3.      Falls Frage 2 bejaht wird: Kann die dem Staat nach Art. 8 obliegende Verpflichtung überhaupt durch einen der Beträge, den die Kläger voraussichtlich tatsächlich erhalten werden, eingehalten werden?

4.      Ist es für die Anwendung von Art. 8 – über das Vorliegen der Tatsachen hinaus, dass i) das Altersversorgungssystem seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausgestattet ist und ii) die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bedeutet, dass er nicht über die Finanzmittel verfügt, um ausreichende Kapitalbeträge an das Altersversorgungssystem mit dem Ziel zu entrichten, die Versorgungsansprüche der Mitglieder vollständig zu erfüllen (wozu er nicht verpflichtet ist, wenn das Altersversorgungssystem liquidiert ist) – erforderlich, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verlust der den Klägern zustehenden Rentenleistungen und der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers nachzuweisen?

5.      Erfüllen die von Irland erlassenen Maßnahmen die Verpflichtungen, die sich im Hinblick auf die von Irland im Rahmen der Reform des Rentenschutzes im Anschluss an das Urteil Robins u. a. berücksichtigten sozialen, kommerziellen und wirtschaftlichen Faktoren und insbesondere im Hinblick auf die im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie genannte „Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft“ aus der Richtlinie 2008/94 ergeben?

6.      Stellt die Wirtschaftslage einen Ausnahmefall dar, der zur Rechtfertigung eines Maßes an Schutz der Interessen der Kläger ausreicht, das geringer ist als das Schutzniveau, das sonst erforderlich gewesen wäre, und – sofern dies zutrifft – was ist unter einem solchen geringeren Schutzniveau zu verstehen?

7.      Falls Frage 2 verneint wird: Stellt der Umstand, dass die vom Staat im Anschluss an das Urteil Robins u. a. erlassenen Maßnahmen nicht zu dem Ergebnis geführt haben, dass die Kläger mehr als 49 % des Wertes ihrer erworbenen Rechte auf Rentenleistungen aus dem betrieblichen Altersversorgungssystem erhalten, für sich einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Verpflichtungen des Staates dar, der einen Schadensersatzanspruch der Kläger begründet (d. h., ohne dass gesondert nachzuweisen ist, dass die staatlichen Handlungen im Anschluss an das Urteil Robins u. a. eine schwerwiegende und offensichtliche Verletzung der dem Staat gemäß Art. 8 der Richtlinie obliegenden Verpflichtungen darstellten)?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

22      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass sie auf die Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter einer von ihrem Arbeitgeber eingerichteten Zusatzversorgungseinrichtung Anwendung findet.

23      In dieser Frage bezieht sich das vorlegende Gericht auf Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie und führt aus, dass es im irischen Recht in einer solchen Situation keine Rechtsgrundlage gebe, die es den Klägern des Ausgangsverfahrens erlaube, gegen ihren Arbeitgeber zu klagen.

24      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht der den Klägern des Ausgangsverfahrens bei ihrer Einstellung auferlegten Verpflichtung, der von ihrem Arbeitgeber geschaffenen betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung beizutreten, ihre Ansprüche auf Leistungen bei Alter im Rahmen dieser Versorgungseinrichtung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 als aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen stammend anzusehen sind, die sie an ihren Arbeitgeber binden.

25      Was Art. 8 der Richtlinie 2008/94 betrifft, stellt er eine spezifische Verpflichtung der Mitgliedstaaten zugunsten der Arbeitnehmer auf. Die Mitgliedstaaten können diese Verpflichtung mit verschiedenen Mitteln erfüllen. So kann entweder sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber in der Lage ist, den Verpflichtungen, die sich aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung ergeben, nachzukommen, oder dass die Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung, die vom Arbeitgeber verschieden ist, diese Fähigkeit besitzt.

26      Es steht fest, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens ehemalige Arbeitnehmer eines Unternehmens sind, die geltend machen, dass ihre Interessen in Bezug auf ihre erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung im Fall der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers nicht von Irland geschützt würden.

27      Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass sie auf die Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter einer von ihrem Arbeitgeber eingerichteten Zusatzversorgungseinrichtung Anwendung findet.

 Zur zweiten Frage

28      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass für die Feststellung, ob ein Mitgliedstaat seine in diesem Artikel vorgesehene Verpflichtung erfüllt hat, die gesetzlichen Rentenleistungen berücksichtigt werden können.

29      Das Ziel von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist, den Schutz der Interessen der Arbeitnehmer in Bezug auf ihre Ansprüche auf Leistungen bei Alter im Rahmen der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen zu garantieren, falls der Arbeitgeber zahlungsunfähig wird. Diese Bestimmung weist selbst darauf hin, dass sie sich ausschließlich auf betriebliche oder überbetriebliche Zusatzversorgungseinrichtungen bezieht, und stellt klar, dass es im Zusammenhang mit dieser Bestimmung um die „außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit“ bestehenden Versorgungseinrichtungen geht.

30      Angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dürfen bei der Würdigung der Frage, ob ein Mitgliedstaat die in diesem Artikel vorgesehene Verpflichtung erfüllt hat, die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden.

31      Diese Feststellung kann nicht durch das Bestehen einer Regelung einer Zusatzversorgungseinrichtung in Frage gestellt werden, die bei der Berechnung der Leistung bei Alter dieser Einrichtung die gesetzlichen Rentenleistungen vom Betrag des tatsächlichen Endgehalts abzieht, das als Grundlage für diese Berechnung dient („actual final salary“).

32      Die Berücksichtigung der gesetzlichen Rentenleistungen zum Zweck der Anwendung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 liefe nämlich der praktischen Wirksamkeit des von diesem Artikel im Rahmen der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen verlangten Schutzes zuwider.

33      Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass für die Feststellung, ob ein Mitgliedstaat die in diesem Artikel vorgesehene Verpflichtung erfüllt hat, die gesetzlichen Rentenleistungen nicht berücksichtigt werden dürfen.

34      Angesichts der Antwort auf die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

 Zur vierten Frage

35      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass es für seine Anwendung ausreicht, dass die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausgestattet ist und dass der Arbeitgeber wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ausreichende Kapitalbeiträge an diese Versorgungseinrichtung mit dem Ziel zu entrichten, die den Mitgliedern dieser Versorgungseinrichtung geschuldeten Leistungen vollständig zu erfüllen, oder ob es erforderlich ist, dass diese Mitglieder das Vorliegen anderer Faktoren darlegen, auf denen der Verlust ihrer Ansprüche auf Leistungen bei Alter beruht.

36      Die Richtlinie 2008/94 hat den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zum Gegenstand. Sie behandelt in keiner Weise die Gründe, die zu dieser Zahlungsunfähigkeit geführt haben.

37      Was die unzureichende Deckung der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung betrifft, kann deren Ursprung vielfältig sein, nämlich u. a. die Nichtzahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber, die ungünstige Entwicklung der Kapitalmärkte, die schlechte Verwaltung der Gelder der Versorgungseinrichtung oder nicht ausreichend strenge Vorsichtsregeln.

38      Trotzdem unterscheidet Art. 8 der Richtlinie 2008/94 nicht zwischen den möglichen Gründen, sondern stellt eine allgemeine Verpflichtung zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer auf und überlässt es den Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Unionsrecht, insbesondere der Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (ABl. L 235, S. 10), die Methoden zu definieren, mit denen sie diese Verpflichtung erfüllen.

39      Somit braucht für die Anwendung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 nicht ermittelt zu werden, welche Gründe zur Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder zur unzureichenden Kapitaldeckung der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung geführt haben.

40      Folglich ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass es für seine Anwendung ausreicht, dass die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausgestattet ist und dass der Arbeitgeber wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ausreichende Kapitalbeiträge an diese Versorgungseinrichtung mit dem Ziel zu entrichten, die den Mitgliedern geschuldeten Leistungen vollständig zu erfüllen. Es ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder das Vorliegen anderer Faktoren darlegen, auf denen der Verlust ihrer Ansprüche auf Leistungen bei Alter beruht.

 Zur fünften und sechsten Frage

41      Mit seiner fünften und sechsten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass die im Anschluss an das Urteil Robins u. a. von Irland erlassenen Maßnahmen im Hinblick auf die Notwendigkeiten einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung den von dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen genügen und ob die Wirtschaftslage eine Ausnahme darstellt, die ein geringeres Niveau des Schutzes der Interessen der Arbeitnehmer rechtfertigen kann, was ihre Ansprüche auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung betrifft.

42      Im Urteil Robins u. a. erkannte der Gerichtshof, als er Art. 8 der Richtlinie 80/987, nunmehr Art. 8 der Richtlinie 2008/94, auslegte, an, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum verfügen, um sowohl den Mechanismus als auch das Schutzniveau der Ansprüche auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers festzulegen, der eine Pflicht zum vollständigen Schutz ausschließt (Urteil Robins u. a., Randnrn. 36 und 42 bis 45).

43      Er entschied jedoch, dass Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die auf eine Leistungsgarantie einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung hinauslaufen, die auf weniger als die Hälfte der Ansprüche, die einem Arbeitnehmer zustanden, begrenzt ist, nicht der Definition des in Art. 8 der Richtlinie verwendeten Begriffs „Schutz“ entsprechen (Urteil Robins u. a., Randnr. 57).

44      Diese Würdigung beachtet die Erfordernisse einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung durch Berücksichtigung der voneinander abweichenden und wenig vorhersehbaren Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit, den Arbeitnehmern eine Mindestschutzgarantie bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zuzusichern, die z. B. mit einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung zusammenhängt.

45      In diesem Zusammenhang legen nicht die Besonderheiten der von einem Mitgliedstaat erlassenen Maßnahmen fest, ob dieser die in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hat, sondern das Ergebnis der Anwendung dieser innerstaatlichen Maßnahmen.

46      Außerdem scheint die Maßnahme, die das vorlegende Gericht anführt und die in Randnr. 13 des vorliegenden Urteils wiedergegeben wird, in Anbetracht der in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils gemachten Angaben nicht geeignet zu sein, das vom Urteil Robins u. a. geforderte Mindestschutzniveau sicherzustellen.

47      Daher ist auf die fünfte und sechste Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass die von Irland im Anschluss an das Urteil Robins u. a. erlassenen Maßnahmen nicht den von dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen genügen und dass die Wirtschaftslage des betroffenen Mitgliedstaats keine Ausnahme darstellt, die ein geringeres Niveau des Schutzes der Interessen der Arbeitnehmer rechtfertigen kann, was ihre Ansprüche auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung betrifft.

 Zur siebten Frage

48      Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass die Tatsache, dass die von Irland im Anschluss an das Urteil Robins u. a. erlassenen Maßnahmen nicht zu dem Ergebnis geführt haben, dass die Kläger mehr als 49 % des Wertes ihrer erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erhalten, für sich einen qualifizierten Verstoß gegen die Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats darstellt.

49      Die Geschädigten haben einen Entschädigungsanspruch gegen einen Mitgliedstaat, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die gemeinschaftsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an die Geschädigten, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteile vom 24. März 2009, Danske Slagterier, C‑445/06, Slg. 2009, I‑2119, Randnr. 20, sowie vom 9. Dezember 2010, Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie u. a., C‑568/08, Slg. 2010, I‑12655, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Die siebte Frage betrifft die zweite dieser Voraussetzungen.

51      Ab der Verkündung des Urteils Robins u. a. am 25. Januar 2007 war den Mitgliedstaaten bekannt, dass die ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 erfordert, dass ein Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen bei Alter erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben, für die er Beiträge im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entrichtet hat.

52      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass, obwohl die Art und der Umfang der nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 den Mitgliedstaaten obliegenden Verpflichtung, die die Verleihung von Rechten an den Einzelnen zum Gegenstand hat, spätestens ab dem 25. Januar 2007 klar und präzise waren, Irland diese Verpflichtung nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat, was einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen diese Rechtsvorschrift im Rahmen einer eventuellen Prüfung der Haftung dieses Mitgliedstaats für die den Einzelnen entstandenen Schäden darstellt.

53      Daher ist auf die siebte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass die Tatsache, dass die von Irland im Anschluss an das Urteil Robins u. a. erlassenen Maßnahmen nicht zu dem Ergebnis geführt haben, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens mehr als 49 % des Wertes ihrer erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erhalten können, für sich einen qualifizierten Verstoß gegen die Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats darstellt.

 Kosten

54      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, dass sie auf die Ansprüche ehemaliger Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter einer von ihrem Arbeitgeber eingerichteten betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung Anwendung findet.

2.      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob ein Mitgliedstaat die in diesem Artikel vorgesehene Verpflichtung erfüllt hat, die gesetzlichen Rentenleistungen nicht berücksichtigt werden dürfen.

3.      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass es für seine Anwendung ausreicht, dass die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausgestattet ist und dass der Arbeitgeber wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ausreichende Kapitalbeiträge an diese Versorgungseinrichtung mit dem Ziel zu entrichten, die den Mitgliedern geschuldeten Leistungen vollständig zu erfüllen. Es ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder das Vorliegen anderer Faktoren darlegen, auf denen der Verlust ihrer Ansprüche auf Leistungen bei Alter beruht.

4.      Die Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass die von Irland im Anschluss an das Urteil Robins u. a. erlassenen Maßnahmen nicht den von dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen genügen und dass die Wirtschaftslage des betroffenen Mitgliedstaats keine Ausnahme darstellt, die ein geringeres Niveau des Schutzes der Interessen der Arbeitnehmer rechtfertigen kann, was ihre Ansprüche auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung betrifft.

5.      Die Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass die von Irland im Anschluss an das Urteil Robins u. a. erlassenen Maßnahmen nicht zu dem Ergebnis geführt haben, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens mehr als 49 % des Wertes ihrer erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erhalten können, für sich einen qualifizierten Verstoß gegen die Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats darstellt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.