Die Gemeinschaftsrichtlinie zur "Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung" verbietet es, einer Schwangeren die Einstellung auf eine unbefristete Stelle aufgrund eines nationalen Gesetzes, das ihrem Schutz dienen soll, zu verweigern.
Die Klägerin war befristet für die Zeit vom 26. August 1994 bis zum 31. August 1995 als Krankenschwester bei der in der Trägerschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern stehenden Universitätsklinik für Herzchirurgie der Universität Rostock angestellt. Als sie sich am 1. Juni 1995 bei der Klinik auf eine von zwei unbefristeten Stellen als OP-Schwester bewarb, war sie schwanger. Sie teilte die Schwangerschaft am 13. Juli 1995 ihrem Arbeitgeber mit. Dieser setzte sie daraufhin innerbetrieblich um, um den deutschen Vorschriften zum Schutz werdender Mütter nachzukommen.
Am 18. September 1995 lehnte er die Bewerbung der Klägerin ab. Dabei berief er sich auf das deutsche Mutterschutzgesetz, das dem Arbeitgeber ausdrücklich die Beschäftigung werdender Mütter in Bereichen verbiete, in denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen ausgesetzt seien. Dies sei aber bei der betreffenden Stelle als OP-Schwester der Fall.
Die Klägerin focht die Ablehnung ihrer Bewerbung beim Arbeitsgericht Rostock an. Sie machte geltend, die Weigerung, einen unbefristeten Arbeitsvertrag abzuschließen und die Begründung hierzu seien eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Gemeinschaftsrichtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, die durch § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ins deutsche Recht umgesetzt worden sei.
Das Arbeitsgericht Rostock wies die Klage mit Urteil vom 15. April 1997 ab. Das Landesarbeitsgericht stimmte als Berufungsinstanz mit dem Arbeitsgericht darin überein, daß § 611a BGB es einem Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht verbiete, eine schwangere Bewerberin deshalb nicht einzustellen, weil sie wegen eines Beschäftigungsverbots aufgrund der Schwangerschaft auf dem zu besetzenden Arbeitsplatz von Anfang an nicht beschäftigt werden dürfe. Das Landesarbeitsgericht fügte jedoch hinzu, § 611a BGB, der die Richtlinie ins deutsche Recht umsetze, sei gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Daher setzte es das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof eine entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vor.
Der Gerichtshof antwortet, die Richtlinie verbiete es, eine Schwangere deshalb nicht auf eine unbefristete Stelle einzustellen, weil sie wegen eines aus ihrem Zustand folgenden gesetzlichen Beschäftigungsverbots auf dieser Stelle von Anfang an nicht beschäftigt werden dürfe.
Der Gerichtshof verweist auf seine Rechtsprechung: Die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft komme nur gegenüber Frauen in Betracht und stelle daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Im Ausgangsverfahren gründe sich die ungleiche Behandlung jedoch nicht unmittelbar auf den Zustand der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin, sondern rühre aus einem mit diesem Zustand zusammenhängenden gesetzlichen Beschäftigungsverbot her. Die Richtlinie hindere nicht den Erlaß von Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Es sei daher zu prüfen, ob der Arbeitgeber nach der Richtlinie den Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags deshalb ablehnen dürfe, weil die Arbeitnehmerin wegen des Beschäftigungsverbots für werdende Mütter auf dem zu besetzenden Arbeitsplatz von Anfang an nicht beschäftigt werden dürfe.
Aus seiner Rechtsprechung, insbesondere der Rechtsprechung zur Entlassung einer Schwangeren, folge, daß die Anwendung der Vorschriften zum Schutz der werdenden Mutter für diese keine Nachteile beim Zugang zur Beschäftigung mit sich bringen dürfe. Sie erlaube einem Arbeitgeber daher nicht, die Einstellung einer schwangeren Bewerberin deshalb abzulehnen, weil er diese aufgrund eines aus der Schwangerschaft folgenden Beschäftigungsverbots auf dem auf unbestimmte Zeit zu besetzenden Arbeitsplatz nicht von Anfang an beschäftigen dürfe.
Zu den finanziellen Auswirkungen, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen aus einer Verpflichtung zur Einstellung einer Schwangeren folgen könnten, erinnert der Gerichtshof daran, daß die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft nach seiner Rechtsprechung nicht mit dem finanziellen Nachteil gerechtfertigt werden könne, den der Arbeitgeber im Fall der Einstellung einer Schwangeren während deren Mutterschaftsurlaubs erleiden würde. Dasselbe müsse für den finanziellen Nachteil gelten, der dadurch entstehe, daß die Arbeitnehmerin während der Dauer ihrer Schwangerschaft nicht auf dem betreffenden Arbeitsplatz beschäftigt werden dürfe.
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