Da die Definition «Investitionen, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden», ohne Angabe besonderer Umstände zu allgemein ist, steht die französische Regelung mit dem Vertrag nicht im Einklang.
Am 1. Februar 1996 stellten die Association Église de scientologie de Paris, eine Vereinigung nach französischem Recht, und der Scientology International Reserves Trust (britischer Trust) beim französischen Premierminister einen Antrag auf Aufhebung bestimmter Artikel der französischen Regelung, wonach es für ausländische Direktinvestitionen in bestimmten Fällen einer vorherigen Genehmigung bedarf.
Am 14. Februar 1996 wurde eine neue Regelung über die finanziellen Beziehungen mit dem Ausland erlassen, wonach insbesondere ein System der vorherigen Genehmigung für den Fall beibehalten wurde, daß eine ausländische Investition «geeignet ist, die öffentliche Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit zu gefährden».
Die Association Église de scientologie war der Auffassung, daß das Inkrafttreten dieser neuen Regelung einer Ablehnung ihres Antrags entspreche, und focht diese ablehnende Entscheidung wegen Überschreitung von Befugnissen beim Conseil d'État an.
Dieser fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem gemeinschaftlichen Grundsatz des freien Kapitalverkehrs.
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, daß eine nationale Vorschrift, die eine ausländische Direktinvestition einer vorherigen Genehmigung unterwirft, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellt, und zwar auch dann, wenn die Genehmigung einen Monat nach dem Eingang des Antrags als erteilt gilt und keine Sanktionen vorgesehen sind.
Eine solche Ausnahme von dem grundlegenden Prinzip des freien Kapitalverkehrs kann zwar durch Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt werden, doch sind diese Gründe eng zu verstehen und unterliegen der Nachprüfung durch die Gemeinschaftsorgane.
So muß eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft vorliegen und den Betroffenen ein Rechtsbehelf eröffnet sein.
Der Gerichtshof erkennt zwar an, daß ein System der vorherigen Meldung unzureichend sein kann, um einmal in einen Mitgliedstaat eingeflossenes Kapital zu ermitteln und zu sperren, und daß in bestimmten Fällen ein System der vorherigen Genehmigung gerechtfertigt sein kann, sieht aber das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung für jede ausländische Direktinvestition, «die geeignet ist, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden», als zu allgemein an, da es läßt die betreffenden Personen nicht erkennen läßt, welchen Umfang ihre Rechte und Pflichten haben.
Der Gerichtshof gelangt daher zu der Ansicht, daß die französische Regelung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt und mit dem Vertrag unvereinbar ist.
NB:Da es sich um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes (Artikel 177 EG-Vertrag, jetzt Artikel 234 EG) auf Ersuchen des Conseil d'État handelt, wird diese Rechtssache bei diesem Gericht erneut Verfahrensgegenstand sein.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in englischer, französischer und deutscher Sprache vor.
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