Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 16/00

15. März 2000

Urteil des Gerichts in den verbundenen Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95, T-31/95, T-32/95, T-34/95, T-35/95, T-36/95, T-37/95, T-38/95, T-39/95, T-42/95, T-43/95, T-44/95, T-45/95, T-46/95, T-48/95, T-50/95, T-51/95, T-52/95, T-53/95, T-54/95, T-55/95, T-56/95, T-57/95, T-58/95, T-59/95, T-60/95, T-61/95, T-62/95, T-63/95, T-64/95, T-65/95, T-68/95, T-69/95, T-70/95, T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 1

DAS GERICHT SETZT DIE GEGEN DAS ZEMENTKARTELL VERHÄNGTEN GELDBUSSEN UM FAST 140 MILLIONEN EURO HERAB


Es handelt sich um die größte Wettbewerbssache, mit der das Gericht je befaßt war (betroffen sind 41 Unternehmen und Unternehmensvereinigungen aus 16 europäischen Staaten)

Mit einer Entscheidung vom November 1994 stellte die Kommission die Existenz einer Reihe von Vereinbarungen und Verhaltensweisen zur Aufteilung des Grauzement- und des Weißzementmarkts in Europa fest. Der Kommission zufolge stellten diese Kartelle eine einzige Zuwiderhandlung dar, an der 42 europäische Unternehmen und Unternehmensvereinigungen teilgenommen haben sollen. Ihres Erachtens begann diese einzige Zuwiderhandlung am 14. Januar 1983, als ein Treffen hochrangiger Vertreter der europäischen Zementindustrie stattfand; dabei sollen sie sich auf einen Grundsatz der ,,Respektierung der Inlandsmärkte" geeinigt haben, nach dem jede Ausfuhr von Zement innerhalb Europas, die zu einer Destabilisierung der benachbarten Märkte führen könnte, verboten war. Zum Zeitpunkt des Erlasses ihrer Entscheidung war die Kommission nicht sicher, daß die Zuwiderhandlung abgestellt worden war. Gegen die Adressaten der Entscheidung wurden Geldbußen in einer Gesamthöhe von etwa 250 Millionen Euro festgesetzt.

Vor dem Gericht rügten diese Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zunächst verschiedene Verstöße gegen die Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren. So machten mehrere Kläger, die an dem Treffen vom 14. Januar 1983 nicht teilgenommen hatten, geltend, die Kommission habe ihnen in der Entscheidung zur Last gelegt, daß sie bei diesem Treffen vertreten gewesen seien und deshalb ab diesem Zeitpunkt an dem Kartell teilgenommen hätten, obwohl davon in der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Rede gewesen sei. Das Gericht ist in der Tat der Auffassung, daß die Kommission ihre Absicht, bei allen Adressaten ihrer späteren Entscheidung das Treffen vom 14. Januar 1983 als Beginn der Zuwiderhandlung anzusehen, hätte ankündigen müssen. Das Gericht ermittelt deshalb den Beginn der Teilnahme jedes Unternehmens an der Zuwiderhandlung ohne Berücksichtigung dieses von der Kommission angewandten Vertretungskriteriums.

Verschiedene Unternehmensvereinigungen machten ferner geltend, die Kommission habe in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angekündigt, daß sie ihnen eine Geldbuße auferlegen wolle. Das Gericht hält dieses Vorbringen für begründet und erklärt die gegen die Unternehmensvereinigungen festgesetzten Geldbußen deshalb für nichtig.

Fast alle Adressaten der Entscheidung warfen der Kommission vor, ihnen im Verwaltungsverfahren keinen ausreichenden Zugang zu den Ermittlungsakten gewährt zu haben. Das Gericht gab der Kommission auf, ihm die Akten zu übermitteln, damit die Kläger diese in vollem Umfang einsehen können. Zwei Klägerinnen gelang daraufhin der Nachweis, daß ihnen durch den unvollständigen Zugang zu den Akten im Verwaltungsverfahren Gesichtspunkte vorenthalten worden waren, die für ihre Verteidigung von Nutzen hätten sein können. Die Entscheidung wurde daher in bezug auf diese beiden Klägerinnen (Cedest und Rugby) für nichtig erklärt.

Das Gericht stellt sodann fest, daß es eine einzige Vereinbarung aller klagenden Unternehmen über die Respektierung der Inlandsmärkte gab. Es ist jedoch der Ansicht, daß die Kommission die Teilnahme einiger Unternehmen (Buzzi, ENCI, Castle, Titan, Heracles, Nordcement und Alsen Breitenburg) an dieser Vereinbarung nicht ausreichend nachgewiesen hat. Bei allen anderen Adressaten der Entscheidung hält es die Dauer ihrer Teilnahme an der Zuwiderhandlung für geringer als von der Kommission angenommen. Insoweit weist es darauf hin, daß die Kommission nicht nur die Teilnahme jedes Adressaten der Entscheidung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen hatte, sondern auch die Dauer dieser Teilnahme.

Da sich die Geldbußen nach Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung richteten, setzt das Gericht die Geldbußen der Unternehmen, deren Teilnahme an der Vereinbarung erwiesen ist, spürbar herab. Dieser Umstand führt zusammen mit der vollständigen Nichtigerklärung der Geldbuße in bezug auf Unternehmen, deren Verantwortung für das Kartell nicht erwiesen ist, und in bezug auf alle Unternehmensvereinigungen dazu, daß sich der Gesamtbetrag der Geldbußen auf etwa 110 Millionen Euro verringert2.

Hinweis: Gegen diese Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet. Dieses Dokument liegt in allen Amtssprachen vor.

Der vollständige Wortlaut des Urteils wird heute ab etwa 15.00 Uhr über unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int verfügbar sein.

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Milagros Gallego, Tel.: (00352) 4303-3442, Fax: (00352) 4303-2668.

Aufnahmen von der Sitzung sind verfügbar über ,,Europe by Satellite" - Europäische Kommission, GD X, Audiovisueller Dienst, L-2920 Luxemburg, Tel.: (00352) 4301-32392, Fax: (00352) 4301-35249, oder B-1049 Brüssel, Tel.: (0032) 2 2962275, Fax: (0032) 2 2965956.

Nr. Der Rechtssache

Namen der Parteien

Von der Kommission festgesetzte Geldbußen (Entscheidung 94/815/EG vom 30. November 1994) (in Euros)

Urteil des Gerichts (in Euros)

T-25/95

Cimenteries CBR SA/Commission

8 032 000

1 711 000

T-26/95

Cembureau _ Association européenne du ciment/Commission

100 000

 

T-30/95

Fédération de l'industrie cimentière belge ASBL/Commission

100 000

 

T-31/95

Eerste Nederlandse Cementindustrie NV (ENCI)/Commission

7 316 000

 

T-32/95

Vereniging Nederlandse Cementindustrie (VNC)/Commission

100 000

 

T-34/95

Ciments luxembourgeois SA/Commission

1 052 000

617 000

T-35/95

Dyckerhoff AG/Commission

13 284 000

7 055 000

T-36/95

Syndicat national de l'industrie cimentière (SFIC)/Commission

100 000

 

T-37/95

Vicat SA/Commission

8 272 000

2 407 000

T-38/95

Groupe Origny SA/Commission

2 522 000

 

T-39/95

Ciments français SA/Commission

25 768 000

13 570 000

T-42/95

Heidelberger Zement AG/Commission

15 652 000

7 056 000

T-43/95

Lafarge Coppée SA/Commission

23 900 000

14 248 000

T-44/95

Aalborg Portland A/S/Commission

4 008 000

2 349 000

T-45/95

Alsen AG/Commission

3 841 000

 

T-46/95

Alsen AG/Commission

1 850 000

 

T-48/95

Bundesverband der Deutschen Zementindustrie eV/Commission

100 000

 

T-50/95

Unicem SpA/Commission

11 652 000

6 399 000

T-51/95

Fratelli Buzzi SpA/Commission

3 652 000

 

T-52/95

Compañia Valenciana de Cementos Portland SA/Commission

1 866 000

638 000

T-53/95

The Rugby Group plc/Commission

5 144 000

 

T-54/95

British Cement Association/Commission

100 000

 

T-55/95

Asland SA/Commission

5 337 000

740 000

T-56/95

Castle Cement Ltd/Commission

7 964 000

 

T-57/95

Heracles General Cement Company SA/Commission

5 748 000

 

T-58/95

Corporación Uniland SA/Commission

1 971 000

592 000

T-59/95

Agrupación de Fabricantes de Cemento de España (Oficemen)/Commission

70 000

 

T-60/95

Irish Cement Ltd/Commission

3 524 000

2 065 000

T-61/95

Cimpor- Cimentos de Portugal SA/Commission

9 324 000

4 312 000

T-62/95

Secil- Companhia Geral de Cal e Cimento SA/Commission

3 017 000

1 395 000

T-63/95

Associação Técnica da Indústria de Cimento (ATIC)/Commission

70 000

 

T-64/95

Titan Cement Company SA/Commission

5 625 000

 

T-65/95

Italcementi- Fabbriche Riunite Cemento SpA/Commission

33 580 000

25 701 000

T-68/95

Holderbank Financière Glarus AG/Commission

5 331 000

1 918 000

T-69/95

Hornos Ibéricos Alba SA (Hisalba)/Commission

1 784 000

836 000

T-70/95

Aker RGI ASA/Commission

40 000

14 000

T-71/95

Scancem (publ) AB/Commission

40 000

14 000

T-87/95

Cementir- Cementerie del Tirreno SpA/Commission

8 248 000

7 471 000

T-88/95

Blue Circle Industries plc/Commission

15 824 000

7 717 000

T-103/95

Enosi Tsimentoviomichanion Ellados/Commission

100 000

 

T-104/95

Tsimenta Chalkidos AE/Commission

1 856 000

510 000

1 Die Namen der Parteien entnehmen Sie bitte der beigefügten Liste.

2 Die Höhe der einzelnen Geldbußen entnehmen Sie bitte der beigefügten Liste.